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TATJANA KRUSE Die K&K-Schwestern ermitteln

Leseprobe »Der Gärtner war's nicht« von Tatjana Kruse · war ich .Dashabeichmalwogelesen,undestrifft vollauf ... wenn er für Außenstehende nichts weiter war als ein fetter Sphynx-Kater

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TaTjana Kruse

Die K&K-schwestern ermit teln

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Die K&K-Schwestern ermitteln

INSEL VERLAG

TATJANA KRUSE

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Erste Auflage

insel taschenbuch

Originalausgabe

© Insel Verlag Berlin

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk

und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

Vertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch Verlag

Umschlag: zero-media.net, München

Umschlagfoto: FinePic©, München

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH,Waldbüttelbrunn

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

ISBN ----

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In 29 Schritten zur Lösung

Akt eins: Trügerische Idylle

. Idylle … [Substantiv, feminin], trügerische …[Adjektiv]

. Willkommen im Paralleluniversum … in dem sichDinosaurier undHomomusicusdieselbeWelt teilen

. Kurzer Zwischeneinschub: Wie man sich alsPensionswirtin nicht verhalten sollte

. --, aus Silikon

. Stern oder nicht Stern… das ist hier nicht die Frage

. Das Fleischesser-Manifesto (Hohepriesterin Kriemhildhält das Wort zum Sonntag)

. Liebe – so sauber, wie in Sagrotan gebadet

. Trösterchen I

. Trösterchen II

. Zoff und Zeitzeugnisse (EinMorgen im Leben der K&K-Schwestern)

. Knüp ihn auf, den Hund!

. Der Tod& andere ungebeteneGäste (Vier Leichen, ohneDessert)

Des Grauens zweiter Akt

. Wie die Sardinen, nur ohne Öl

. Kapitel … bei dem Leute, die ständig Cat Content inden Sozialen Medien posten, gaaanz breit grinsenwerden, weil: Cat Content!

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. Hütet euch vor der dunklen Seite der Macht!

. Zwischenspiel mit Leiche

. Ein Zombie namens Gabi

. Hochnotpeinliche Befragung mit Nacktschnecke

. Voll enthemmt auf Kukident

. Leben ist das,was passiert,während du dabei bist, anderePläne zu schmieden

. Impuls-Kontroll-Störung für Fortgeschrittene (DieSchnüffelschwestern in Aktion)

. J’accuse!

Sind wir schon im dritten Akt?

. Wenn du über jemanden nichts Gutes sagen kannst,dann halt die Klappe … und schreibe alles, allesauf!

. Frau Klum, Herr Hirsch und die Beißhemmung derGeißeltierchen

. Die fünf Tode des Herrn B.

. Ein Wort mit Buchstaben

. Shaun, Dolly und das wollige Grauen

. Vom Leben durchgekaut und ausgespuckt …

. Die Geister, die ich nicht rief …

Das letzte Ahoi des Kommodore – Epilog

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Liebe Kummerkasten-Konny,eines Morgens, ich war , bin ich in die Küche gegangen, ummir einen Kaffee aufzubrühen, und als ich wieder herauskam,war ich . Das habe ich mal wo gelesen, und es trifft voll aufmich zu. Wo sind die Jahre geblieben? Ich war immer sehrstolz auf mein Aussehen, jetzt aber habe ich – trotz Sport! –Hängewangen.AlsNächstes dannHämorrhoiden, Inkontinenzund Krampfadern, oder? Ich kann ins Wasser gehen. Wofürlohnt es sich noch zu leben?Fragt sich Regina (ehemalige Weinkönigin)

Liebe Regina,lassen Sie einen altenMenschen nicht IhrenKörper entern! Ja,ja, das Altwerden ist nichts für Schwächlinge, aber he,was istdie Alternative?! Es gibt ja Leute, die sagen: »Eigentlichwollteich dieWelt erobern. Aber es regnet.« Lassen Sie sich von Klei-nigkeitenwie Brustlappen, die Sie sich über die Schulternwer-fen können, nicht die Freude daran verderben, dass Sie immernoch da sind! Sie können nicht verhindern, dass Sie alt wer-den. Aber Geburtstage sind noch lange kein Grund, älter zuwerden. Erst mal dankbar sein: Alt zu werden ist ein Privileg,in dessenGenuss nicht alle von uns kommen.Wobei natürlichnicht jeder wie Wein altert…manche altern auch wie Milch.Aber Sie, als ehemalige Weinkönigin,werden das schon meis-tern. Prösterchen!Ihre Konny

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Idylle … [Substantiv, feminin],trügerische … [Adjektiv]

Großer Gott,was für einGesülze, dachte Konny und schüttel-te sich innerlich. Nicht wegen der Message. Sie stand vollhinter jedemeinzelnenWort.Nur wegen der blumig-bravenAusformulierung. Am liebsten hätte sie dieser jammerlappi-gen Barbie eine virtuelle Ohrfeige versetzt. Das sahen aller-dingsdieRedaktionsvorgabennicht vor.BisRedaktionsschlussmusste Konny zweihundertWörter liefern, undRedaktions-schluss war in zehn Minuten. Also war’s das jetzt. Konnydrückte auf »senden«.Im Grunde war es ihr, der ehemals investigativen Journalis-tin, peinlich, für eine Frauenzeitschri zu schreiben.Happy+ – das Lifestylemagazin für aktive Best Agers. Zielgrup-penunabhängig gingen Frauenzeitschrien ja immer nachdemselben Schema vor, kennt man ja: auf Seite eins bis zehn:Akzeptiere dich so,wie du bist! Seite elf bis zwanzig: Verlierefünfzehn Kilo in vierWochen. Seite einundzwanzig bis drei-ßig: Leckere Tortenrezepte.Hallo?Abermit demHonorar unterhielt Konny sich, ihre Schwesterund ihren Gärtner. Die Pension warf nichts ab. Noch nicht,wie Konny inständig hoffte. Ihre Schwester Kriemhild sahdas skeptischer.Wenn man an den Teufel denkt …»Konniieeee!«, rief Kriemhild mit ihrer durchdringendenStimme von unten aus dem Keller. Durchdringend und ineiner Frequenz, die knapp davor war, dass nur noch Fleder-

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mäuse sie hören konnten und sie den Putz von der Deckerieseln ließ.»Waaas?«, brüllte Konny zurück.DraußenvordemoffenenFenster schreckte ein Spatz ausdemEfeu hoch.»Was ist das für ein Fleck auf deiner Leinenbluse?«Seit sie vor einem Jahr aus ihrem ehemaligen Elternhauseine Pension gemacht hatten, teilten sie die Arbeit strikt un-tereinander auf. Kriemhild kochte,wusch und putzte, Konnyerledigte die Reservierungen und –wegen ihrer größeren so-zialen Kompetenz – die Gästebetreuung.Gäste, die es im Moment nicht gab.Konny seufzte. Wegen der fehlenden Gäste. Und wegen desFlecks.»Keine Ahnung«, brüllte sie zurück.Obwohl eine innereAhnung, dieman durchaus auch als zar-te Gewissheit bezeichnen könnte, ihr sagte, es müsse sichumeinenRotweinfleck handeln.Hatten sie nicht vorgesternAbend draußen auf der Terrasse noch einen Schlummertrunkzu sich genommen? Kriemhild hatte wie immer – und trotzdes lauen Sommerabends – an einer heißen Schokolade ge-nippt, Konny an einem kräigen Franzosen. Leider keinemaus Fleisch undBlut, sondern aus vergorenenTrauben.Viel-leicht hatte sie daneben genippt. Konny war in solchen Din-gen nicht penibel. Das überließ sie Kriemhild.»Die Bluse muss in die Reinigung«, dröhnte Kriemhild. Aufdem langen Weg vom Waschkeller ins Büro verloren ihreSchallwellen nicht an Wucht. Beinahe das Gegenteil war derFall. Kriemhild hatte ihre Schallwellen unter Kontrolle. Wiesonst auch alles. »Obwohl es humaner wäre, das Teil einfachzu verbrennen!«

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»Untersteh dich!«, brüllteKonny, die schonheiser wurde,weilihr das nötige Brüllaffentraining fehlte. Sie hatte eben nie ei-nen schwerhörigen Seebären geheiratet.Konny war die jüngere der beiden Schwestern.Umexakt vier-zehnMinuten jünger. Sie war drall, hatte eher eineHummel-hüe als eineWespentaille, und sah immer erst mal das Gutein allem. Eine Seele von Mensch.Ganz anders Kriemhild. Fast einen Kopf größer als ihreSchwester und nur halb so breit, mit stets fest zusammenge-pressten Lippen.Konny, die sie schon ihr ganzes Zwillingsle-ben lang kannte,wusste, dass die nach außen sichtbareGrund-missbilligung von allen und allem nichts damit zu tun hatte,dass Kriemhild vom Leben unbotmäßig gebeutelt wordenwäre, obwohl sie das war. Nein, sie hatte schon als Embryo imMutterbauch die Lippen zusammengepresst und immer einwenig unzufrieden geguckt.Das war über sechzig Jahre her.Wer an sie beide dachte, dachte aber nicht: »Was für zwei süße,alte Damen«, er dachte: »Großer Gott, was haben sie jetztwieder angestellt?«Konny war immer schon ein verrücktes Huhn gewesen, hat-te als Kind ständig irgendeinen Schabernack getrieben, lieb-te es auch später noch, Regeln zu brechen und als freiberuf-liche Journalistin beispielsweise über das zu schreiben, wasandere gern zugedeckelt hätten. Sie hatte zahlreiche Affärengehabt und sich den Wind des Lebens um die Nase wehenlassen –was nach Freiheit und Abenteuer klang, und das zuRecht,was aber auch bedeutete, dass siemit über sechzig un-verheiratet war und mehr oder weniger mittellos dastand.Kriemhild hatte dagegen regelkonform gelebt,war Lehrerin

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geworden, ohne je in ihrem Beruf zu arbeiten, weil sie mitKindern ebensowenig konnte wie mit Erwachsenen, hattebei einer Hamburg-Reise einen sehr viel älteren, ehemali-gen Hochseeschifffahrtskapitän kennen- und lieben gelernt,der aber auf seinen Fahrten ebenfalls nicht reich gewordenwar.So gesehen, traf es sich gut, dass vor zwölf Monaten ihrealte Lieblingstante Barbara gestorben war. Mit . Da wardie Hebamme auch nicht mehr schuld. Einhundertundzweiist ein gesegnetes Alter, da darf man ruhig mal einschlafenund nicht mehr aufwachen. Was Konny und Kriemhild inihrer Kindheit nicht gewusst hatten und erst nach dem Un-falltod ihrer Eltern erfuhren, als beide schon lange aushäusiglebten und liebten und arbeiteten: Das Haus ihrer Kindheit,ihr Elternhaus, gehörte inWirklichkeit Tante Barbara. Unddie zog dann auch bis zu ihrem eigenen Ableben ein. MitGudrun, der Nenn-Tante von Konny und Kriemhild, mit derBarbara fast sechzig Jahre liebevoll zusammengelebt hatte,ein Fakt, der in der Familie nie thematisiert worden war. Diebeiden hatten keine Kinder, und Gudrun war wenigeMona-te vor Barbara gestorben. So fiel das Haus an Konny undKriemhild, die spontan beschlossen, für ihre eigene Alters-absicherung eine Bed-&-Breakfast-Pension daraus zu ma-chen. EineVilla imGrünen, in derNähe einer süddeutschenKleinstadt, in einer touristisch bestens erschlossenen Ge-gend – da hatte auch die Bank ein Einsehen und finanzierteden Einbau von sieben Nasszellen in den Zimmern des ers-ten Stocks. So weit, so gut.Wenn jetzt nur noch mehr Gästekämen …

Konny klappte ihren Laptop zu.Wie aufs Stichwort rollte ein

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Fleischball heran und ließ sich auf dem noch warmen Elek-tronikteil nieder.»Amenhotep, mein Schöner«, gurrte Konny.Schönheit lag ja bekanntermaßen imAuge der Betrachterin.Im alten Ägypten hielt man Katzen für Götter. Die Katzenhaben das nicht vergessen. Amenhotep schon gar nicht. Auchwenn er für Außenstehende nichts weiter war als ein fetterSphynx-Kater mit Mundgeruch und permanent schlechterLaune. Ja, genau, ein Sphynx-Kater, imVolksmund auch gern»Nacki« genannt. Ein Kater ohne Fell. Das beleidigte dasSchönheitsempfinden mancher Ästheten, war aber positiv,weil selbst katzenallergische Pensionsgäste gut mit ihm klarkamenund seineNacktheit ihn nicht daran hinderte, als flei-ßiger Soldat durch die Villa zu patrouillieren und jedeMauszu killen, der er ansichtig wurde. Und er war ein verdammtguter Mäusejäger,wie Konny in diesemMoment feststellenmusste.»Igitt, Amenhotep!«Nonchalant hatte er gerade einen abgebissenen Mäusekopfauf die Schreibtischplatte gespuckt. Seine riesigen, leichtschräg stehenden, türkisblauen Augen blickten stolz. Ich binder Beste, der Größte, der Schönste!Konny wickelte ein Papiertaschentuch um die Beute ihresInhouse-Raubtieres und trug sie in die Küche.Wo sie schon da war, konnte sie sich auch gleich eine TasseTee machen.In der Spüle türmte sich das dreckige Geschirr. Es gab ja im-mer zwei Sichtweisen aufdas Leben.Konny sahdasGeschirrund hielt es für eine sensibel angelegte Installation mit demTitel »Das Gesicht des Alltags – im Spannungsfeld zwischen

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Intimität und Spröde desDaseins«. Eine andere, reaktionäreLesart des Kunstwerks wäre natürlich: »Keiner hat Bock aufAbwasch.« Konny sortierte ein paar Teller neu, damit sieden altmodischen Wasserkessel unter den Wasserhahn hal-ten konnte.DiewenigenGäste, die sie bisher gehabt hatten–diemeistenwaren durchMund-Propaganda auf sie aufmerksam gewor-den –, fanden den altmodischen Charme des Hauses unwi-derstehlich. Einer hatte das sogar auf TripAdvisor geschrie-ben: Bezauberndes B&B,von außen wie die Villa aus Psycho,innen liebevoll bis ins letzte Detail eingerichtet –mit knarzen-den Dielen, Kronleuchtern, Himmelbetten und Meißner Por-zellan. Geführt von zwei reizenden, alten Ladys. AltmodischerCharme vom Feinsten. Ich gebe fünf Sterne.InWirklichkeit hatten sie einfach keinGeld, um sich neu aus-zustatten. Was sie nicht geerbt hatten, stammte vom Floh-markt.»Konniieeee!«, brüllte Kriemhild. »Schick Herrn Hirsch run-ter, die Waschmaschine zickt!«»Ist guuuut.«Herr Hirsch fuhr am anderen Ende des Grundstücks, dort,wo derWald anfing, sehr vergnügt auf seinem Aufsitzrasen-mäher herum. DieWaschmaschinemusste warten. Hoffent-lichgelanges ihm,siewiederzubeleben.BettwäscheundHand-tücher der Gäste wurden vomWäscheservice der Adretta-Reinigung professionell und porentief gesäubert, aber ihrePrivatwäsche wuschen sie natürlich hier im Haus. Und weilKonny Vorratshaltung jedweder Art abging, hatte sie – solltedieWaschmaschine den Geist aufgeben – ab morgen nichtsmehr anzuziehen und müsste sich neue Unterwäsche kau-fen.

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Konny warf einen Teebeutel in eine der Porzellantassen, diezuangeschlagenwaren,umsiedenGästenvorzusetzen.Eswarfeinster Schwarztee aus Kenia, von einem Exil-Briten nachLondon exportiert, dort in formschöne D-Beutel portio-niert und per online-Bestellung zu ihr weitergeleitet. Nichtbillig, aber »bestes Tee von Welt«, wie ihr indischer Paket-bote zu sagen pflegte,wenn sie ihm eine Tasse davon anbot.Wobei Konny schwer davon ausging, dass er ihn für indischenTee hielt. Dieser Tee war derzeit ihr einziger Luxus. Ja, dasLeben war schön. Aber teuer. Man konnte es natürlich auchbilliger haben, aber dann war es nicht so schön.Das Telefon klingelte.»Ich geh schon«, rief Konny.»Was?«, dröhnte es aus dem Waschkeller.Amenhotep lag immer noch auf dem zugeklappten Laptop.Er schauteKonny aus halb geschlossenenAugen an.Wer wagtes, mich in meinem Schönheitsschlaf zu stören?Konny setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl. Vermutlichwar das die Redaktion der Frauenzeitschri. Wenn gekürztwerden musste, wurde das wegen der Dringlichkeit am Te-lefon geklärt.»Ja?«, meldete sie sich daher wortkarg an dem alten Bakelit-Teil, das vermutlich so alt war wie sie selbst, aber immer nochtreu seinen Dienst versah. Tonnenschwer lag der Hörer inihrer Hand.»Äh … bin ich da richtig? Bed-&-Breakfast K & K?«Huch, potenzielle Gäste!»Ja, da sind Sie richtig. Entschuldigen Sie bitte. Ich hatte je-mand anderen erwartet.«»Kein Problem. Guten Tag. Ich war mir nur unsicher… ich

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hatte beiGoogleBed-&-Breakfast in einemUmkreis von hun-dert Kilometern von Stuttgart eingegeben und bin auf IhreHomepage gestoßen, aber ich war mir gar nicht sicher, obSie noch… äh… aktiv sind. Es gab auch gar keine Fotos.«Die Homepage. Konny nahm sich vor, endlich mal Bildereinzustellen und die Seite grundsätzlich etwas aufzupeppen.»Wie schön, dass Sie trotzdem angerufen haben.«»Sie sind nicht meine erste Wahl«, räumte die Stimme ein.»Eher meine letzte Hoffnung.«Konny schürzte die Lippen, sagte aber nichts. Sie war mitBeten beschäigt. Bitte lass sie ein Zimmer reservieren, bittelass sie ein Zimmer reservieren …

»Also … ich rufe wegen einer Reservierung an.«Yessss! Konny nickte dankbar in RichtungDecke und rotier-te fröhlich mit den gerundeten Hüen.»Einen Moment bitte …« Mit der freien Hand wollte sieAmenhotep vom Laptop heben. Wenn er aber nicht wegge-hoben werden wollte, machte er auf nasser Sack und wogschlagartig gefühlte zwanzig Kilo mehr. Konny klemmte denHörer zwischen Ohr und Schulter und nahm beide Arme,dann klappte sie den Laptop auf und klickte sich zu der Seitemit den Reservierungen. »So … an welches Datum hattenSie denn gedacht?«»An sofort.«»Wie bitte? Jetzt gleich?«Die Stimme am anderen Ende klang noch sehr jung, aberschon routiniert. Und ein klitzekleines bisschen peinlich be-rührt. »Nein, nein, sorry, da habe ichmichmissverständlichausgedrückt. Erst ab morgen. Wir benötigen sieben Über-nachtungen. Für fünf Personen.«

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Jackpot!Konny war klar, dass sie eigentlich so tun sollte, alsmüsse siemit Gästen und Zimmern jonglieren, um den Nimbus desstets nachgefragten Hauses zu zementieren, aber sie war einoffener, ehrlicherMensch und zu solchen Spielchen gar nichtfähig. »Kein Problem, das lässt sich einrichten.«Vor dem Fenster fuhr Herr Hirsch auf seinem Aufsitzrasen-mäher vorbei. Er winkte ihr zu.»Echt jetzt?« Die Stimme klang erstaunt.»Ja. Wir sind gerade schwach belegt.«»Gott sei Dank, ich war echt schon am Verzweifeln. Die an-deren Pensionen haben alle abgewunken.«Okay, sie waren also die Letzten auf der Liste. Aber wie hießes doch so schön: Die Letzten werden die Ersten sein… undam besten lachen.»Wie schön, dann sind wir jetzt beide glücklich. Und Sie ha-ben die Pension quasi ganz für sich.«Das quasi war dem Umstand geschuldet, dass ein Zimmerangefragt worden war, von einem Herrn Bettenberg, aber erhatte sich auf ihre Mail nicht mehr gemeldet. Womöglich kamder gar nicht.Doch selbst wenn, eswürdeperfekt aufgehen.»Toll! Dann möchte ich hiermit fest reservieren.«»Sie haben ja gar nicht gefragt,was die Zimmer kosten«, sag-te Konny.»Geld spielt keine Rolle.«Konny ging das Herz auf.»Ich sollte Ihnen aber sagen, dass ich von der Künstleragen-tur Brandauer anrufe und die Zimmer nicht für mich, son-dern für dieMitglieder der BandCordt reserviere. Sie habenvielleicht schon von ihnen gehört?«

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»Ja, ich glaube schon«, hörte Konny sich sagen, obwohl sienicht die leiseste Ahnung hatte, wer oder was Cordt war.Der Name Brandauer kam ihr allerdings irgendwie bekanntvor.»Wie Sie sicher verstehen werden, legen wir größten Wertauf Diskretion.Wenn Sie bitte niemand erzählen würden,wenSie beherbergen werden?«»Selbstverständlich!« Fünf Personen für sieben Nächte, dasmachte summa summarum…Kopfrechnenwar nichtKonnysKernkompetenz. Aber die Summe war jedenfalls bombas-tisch. Zumalwenn sie für jedes Zimmer denHöchstpreis ohneRabatt in Rechnung stellte, vielleicht sogar mit einem klei-nen Sofortbelegungszuschlag,weil Geld ja offenbar keine Rol-le spielte.»Perfekt! Ich bestätige Ihnen das gleich noch per E-Mail. Ach,da fällt mir noch ein, dieMusiker ernähren sich vegan. Aberdas ist ja sicher kein Problem.«»Nein, selbstverständlich nicht«, log Konny, ohne mit derWimper zu zucken.»Ab wann stehen die Zimmer zur Verfügung? Die Band wirdeventuell etwas früher anreisen. Möglicherweise sogar schonvormittags. Wir bezahlen dann natürlich gern eine zusätz-liche Nacht pro Zimmer.«Himmel, das wurde ja immer besser!»Kein Problem,wann immer die Musiker anreisen, die Zim-mer werden bereit sein.«»Bestens. Dann bedanke ichmich bei Ihnen.« Die junge Frauklang erleichtert. Sehr erleichtert. Hätte das Konny zu den-ken geben müssen?Konny strahlte. »Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.«

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Und sowar es passiert. Sie waren ausgebucht. Eine ganzeWo-che lang.»Kriemhild! Wir kriegen Gäste!«WennKonnyglücklichwar, legte sie immerein kleinesGlücks-tänzchen aufs Parkett. EineMischung aus Line Dancing, Bol-lywood undDerwischkreiseln. Amenhotep suchte seinHeilin der Flucht.»Hurra! Champagner!«, jubilierte Konny.Kriemhild kam ins Büro. »Gäste?« Sie klang fast erstaunt.Aber jedenfalls nicht fröhlich.»Musiker. Eine Band namens Cordt.« Konny war es völligegal, welchem Musikstil die fünf frönten – ob sie ein klas-sisches Quintett oder eine Heavy-Metal-Band waren. EineWoche lang ausgebucht! Tscha-tscha-tscha!»Ach, diese Rip-Ropper.«Konny hielt abrupt inne. »Diese was?«»Duweißt schon…Rip-Ropper.« Kriemhild hörteDeutsch-landradioWissen. Immer schon. Sogar nachderVerjüngungs-kur des Senders. Sie fand, dassWissen gebildet klang, auchwennman zwischen den intelligenzsteigerndenWortbeiträ-gen mit Jugendkulturmucke zugedröhnt wurde.»Du meinst Hip-Hopper. Oder Rapper.«Kriemhild hasste es, wenn sie korrigiert wurde. »Ich meinediese jungenWaldorfschüler, die sich gegenseitig Beleidigun-gen vortanzen.«»Das sind Breakdancer.«»Wie auch immer… ich hoffe, sie können sich benehmen.«Wenn es nach Kriemhild ginge,würden sie immer erst Leu-mundszeugnisse einholen, bevor sie einem Fremden Gast-recht gewährten. »Hast du Herrn Hirsch von derWaschma-schine in Kenntnis gesetzt?«

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Der fuhr gerade in der anderen Richtungwieder am Fenstervorbei und winkte. Er wirkte beschwingt. Andere Männermochten von einem Ferrari träumen, Herr Hirsch brauch-te weiter nichts zu seinem Glück als seinen Aufsitzrasen-mäher.Kriemhild schnaubte. »Nein, natürlich hast du das nicht. Umalles muss ich mich selber kümmern.«»Dafür fahre ich jetzt in die Stadt und kaufe ein. Die Gästehaben diätetische Sonderwünsche.« Vor lauter Freude um-armte Konny ihre Schwester, die ihre Umarmung steif wieein Bügelbrett über sich ergehen ließ. »Bis später.«Dass sie Lebensmittel einkaufen wollte,war frech geschwin-delt. Sie hatten alles im Haus, auch Grünzeug. Aber da jetztwiederGeld in dieKasse kam, konnte sie endlich zumFrisör.Es wurde höchste Zeit, dass sie nicht länger aussah, als hättesie sich die Haare nach einer Zombie-Apokalypse mit derMachete in Form gesäbelt.»Wirst du mich vermissen, du Süßer?«, fragte sie Amenho-tep, der mittig in der offenen Haustür lag und ein Sonnen-bad nahm.Er sah auf und bedachte sie mit einem emotionslosen Blick.Und wer waren Sie gleich noch mal …?Konny nahm sich fest vor, in ihrem nächsten Leben Hunde-mensch zu werden.Sie lief zum Schuppen, um ihren Roller zu holen,wie sie ihnnannte. Aber natürlich war sie keine stereotype alte Dame,die mit einem Helm mit Blümchenmuster auf einer Vespaim Schneckentempo durch die Landscha gurkte. Kalt, ganzkalt.Keine fünf Minuten später röhrte etwas im Schuppen auf,

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und Konny kam auf ihrer Harley Davidson Fat Boy FLSTC

Custom mit Schaltgetriebe herausgebraust, auf dem Kopfeinen schwarzen Helm mit Totenschädel.Was auch sonst?!

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Liebe Kummerkasten-Konny,»sechzig ist das neue vierzig, siebzig ist das neue fünfzig«, kannman heutzutage in jeder Frauenzeitschri lesen. StrahlendeGrauhaarige mit Model-Maßen im Fitnessstudio allüberall.Wahlweise strahlendeGrauhaarige beimAbschluss ihresMas-ter-Studienganges. Ich bin aber nicht mehr fit,weder im Kopfnoch im Körper. Soll ich mir den Gnadenschuss geben?Alt und apathisch, Gerda ( und sieht auch so aus)

Liebe Gerda,schauenSie nicht auf andere, konzentrieren Sie sich auf das,wasIhr Leben lebenswert macht: dieMenschen, die Sie lieben, IhreHaustiere, die Natur, Ihr Handicap im Golf. Das reicht voll-kommen.Sie müssen absolut gar nichts erreichen. Seien Sie einfach dank-bar, dass es Sie gibt. Sie hätten ja auch als Regenwurm gebo-renwerden können oder als Schüssel Hummus. Aber nein, Siesind Sie, und das schon so lange, dass Sie genau wissen, wasIhnen gefällt undwas nicht.Mit zunehmendemAlter wird dasLeben besser – weil Sie sich ein Ei darauf pellen können, wasandere denken. Legen Sie Lippensti auf und gehen Sie denTag an! Tun Sie, worauf Sie Lust haben. Mit Gusto! Und amEnde des Tages sollten Sie schmutzige Füße vom Barfußlaufen,zerzauste Haare und leuchtende Augen haben.Ihre KonnyPS:Wenn wir älter werden, sollten wir nicht jünger aussehen,sondern glücklich!

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Willkommen im Paralleluniversum …

… in dem sich Dinosaurier und Homomusicus dieselbe

Welt teilen

Kriemhild pflegte jedenMorgen aus demBett zu hüpfenwieToast aus dem Toaster. Konny war eher so die Semmel, diemit der Butterseite nach unten fällt. Und liegen bleibt.Bis Amenhotep kamund sich punktgenau so auf ihrGesichtlegte, dass ihr die Luzufuhr abgeschnitten wurde. Damitsie aufstand und ihn fütterte, wogegen sich Kriemhild mitden Worten »Es ist dein Kater« stets verweigerte.Nicht so an diesem Morgen. Zur Amenhoteps Konsternie-rung, dem Routine in allen Dingen heilig war, saß seine Ser-viersklavin schon aufrecht im Bett und räkelte sich, als er her-einkam. Sie klope neben sich auf die Matratze und gurrte:»Komm her, mein Schöner.«Amenhotep hobden Schwanz, drehte sich umund stolziertedavon. So nicht. Nicht mit ihm. Das war die pure Anarchie,und er wollte in Ruhe überlegen,wie er angemessen daraufreagieren sollte.Konny sah aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne. EinOmen!Ausgebucht. Eine ganze Woche lang. Und wenn sich dieseBandleute nurhalbwegswohl fühlten,würden sie dasüberallerzählen, vielleicht sogar ins Netz stellen, ganze Busladun-gen an Fans würden angerollt kommen, und es würdeWarte-listen füreinZimmer in ihremBed-&-Breakfast geben.Wahn-sinn!Die Sache hatte natürlich einen Haken. Und dieser Hakenhatte einen Namen. Er hieß Kriemhild.

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Konny war ja auch bisweilen biestig, aber sie kämpe gegenihre innerenDämonen an.Kriemhild dagegenkuscheltemitden ihren.DieDevisemusste also lauten: DieGäste vonKriemhild fern-halten!Ähem … und von Herrn Hirsch ebenfalls.Sie konnte ihn duschen hören.Friedrich-MaximilianHirschwar der Filialleiter gewesen, derihren Kreditantrag bewilligt hatte. Schon als Kinder hattensie ihn, den Nachbarsjungen, gekannt,wenn auch nur flüch-tig, weil er fünf Jahre jünger war. Ein Altersunterschied, dersich mit der Zeit verwächst, aber damals viel ausgemachthatte.Und dann hatte Herr Hirsch einen Schlaganfall erlitten. Bö-se, sehr böse. Zumal er ganz allein auf der Welt war. Nachseiner Reha schauten Konny und Kriemhild regelmäßig beiihm vorbei –mit Ausnahme von Bauer Schober und seinerFrau waren sie schließlich auf mehrere Kilometer seine ein-zigen Nachbarn –, und als er irgendwann einen grippalenInfekt bekam, boten sie ihm an, so lange in Kriemhilds Zim-mer zu schlafen, bis er wieder gesund sei. Kriemhild könneja oben beim Kommodore schlafen. Das war vor vier Mona-ten gewesen. Die Grippeviren waren längst weitergezogen,Herr Hirsch wohnte immer noch bei ihnen und erledigte imGegenzug alle anfallendenGartenarbeiten.Und ja, sie nann-ten ihn: Herr Hirsch.Er nannte sie »Sandkornpresse« und »Anglerfisch«. Manch-mal »Lötkolben« und »Bärlauchbonbon«. Herr Hirsch warnämlichAphasiker.Genauergesagt, litt er nachseinemSchlag-anfall an einer Sprachstörung. Er konnte alles gut verstehen,

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sprach aber selbst nur mühsam und stockend. Sätze konnteer gar nichtmehr bilden, nur einzelneWörter. Und die ohneerkennbaren Sinnzusammenhang. Geistig und körperlichwar Herr Hirsch aber fast wieder ganz der Alte. Deshalb er-trug er es auch nicht,wenn seine Umwelt ihn wie ein kleinesKind behandelte, nur weil er statt »Guten Tag« beispielsweise»Grießbrei« sagte. Da konnte er richtigmuffigwerden! Undnicht jeder kam so ohneweiteres damit zurecht, als »Herpes-bläschen« angesprochen zu werden. Darum war es also ambesten, ihn von den Gästen fernzuhalten.Der Du nach Kaffee waberte um Konnys Nase. Kriemhildwar natürlich schon wach und werkelte in der Küche.Konny warf sich ihren Satinmorgenmantel über das Satin-negligé und schlappte quer über den Flur in die Küche. Dortstand Kriemhild in ihrem karierten Frotteemorgenmantelund trocknete das frisch gespülte Geschirr.»Schonwach?« Sie hob eine Augenbraue und sah ungläubigzur Küchenuhr. Obwohl die schon seit fünfunddreißig Jah-ren nicht mehr funktionierte und nur noch über der Türhing, um demNagel, der sie trug, eine Daseinsberechtigungzu geben.Konny strahlte. An diesem herrlichen Morgen konnte ihrnichts die gute Laune verderben. »Ah, Kaffee. Mein Lebens-elixier. O lecker … Eier im Glas!«»Finger weg, die sind für Herrn Hirsch!« Kriemhild schlugmit dem Geschirrspültuch nach der Hand ihrer Schwester,die sich begehrlich den Eiern genähert hatte.»Bis der fertiggeduscht hat, sind die Eier kalt.«»Er bevorzugt kalte Eier.«Darauf hätte Konny gern etwas Geistreiches erwidert, aber

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erstens hatte sie ihren Kaffee noch nicht intus, und ohneKaffee funktionierten ihre kleinen grauen Zellen nicht, undzweitens hupte es vor dem Eingang.»Das wird der Paketbote sein.« Kriemhild hängte das Ge-schirrspültuchordentlich ausgebreitet über denGriff amBack-ofen, damit es trocknen konnte, dann marschierte sie zurEingangstür. »Ich erwarte das Jahrbuch der Marinekamerad-scha.«Konny goss sich Kaffee ein.»Heiliger Klabautermann!«, hörte Konny sie gleich daraufrufen.Mit der dampfenden Kaffeetasse in der Hand lief sie zu ihrerSchwester.Herr Hirsch kam, nur mit einem Badetuch um die Altmän-nerhüe, aus demBadezimmer und fragte: »Algengrütze?«Zu dritt standen sie auf den drei Sandsteinstufen, die zumEingangderPension führten–wiedieDienerscha ausDown-tonAbbey, die Spalier stand,wenn der Earl of Granthamvoneiner Reise heimkehrte.Sie hatten einen Tourbus erwartet, so ein riesiges Teil mitaufgemaltem Dreizack und Teufelsschädel, aus dessen Ein-geweide sich verlebt aussehende, junge Menschen ergossen,bekifft und betrunkenwie die Rolling Stones zu ihren bestenZeiten.Aber es kamen eine fette, schwarze Audi-Limousine und einebenfalls schwarzer Mercedes-Transporter. Seriöser ging’sja wohl kaum.Und die zwei Frauen und drei Männer, die ausstiegen,wirk-ten wie zivilisierte Mitglieder der Gesellscha. Ganz im Ge-genteil zu den drei mangelha bis nicht bekleideten Altenvor dem Eingang der Pension.

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