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TRENDSTUDIE 20 Nischen, die den Konsum von morgen prägen Die neuen TRENDSETTER

Leseprobe: Die neuen Trendsetter

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Masse war gestern. Die Gesellschaft von heute setzt sich aus kleineren und größeren Nischen zusammmen. Wo früher galt „so zu sein, wie alle anderen“, dominiert heute das Bedürfnis gerade anders zu sein, als alle anderen. Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle müssen sich entsprechen an den situativen Bedürfnissen des Konsumenten orientieren und neue, innovative und maßgeschneiderte Angebote anbieten. Denn was heute noch Nische ist, kann morgen schon den Mainstream revolutionieren.

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20 Nischen, die den Konsum von morgen prägen

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20 Nischen, die den Konsum von morgen prägen

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Impressum

HerausgeberZukunftsinstitut GmbHKaiserstr. 53, 60329 FrankfurtTel. +49 69 26 48 489-0, Fax: [email protected]

AutorenThomas Huber, Anja Kirig

ChefredaktionThomas Huber

Redaktionelle MitarbeitJeanette HuberCornelia KelberFranz KühmayerAnna-Laura LiebenstundChristian RauchAdeline SeidelJanine Seitz

LektoratFranz Mayer

Grafik-DesignChristoph Almasy

Cover-BildKsenia Pogorelova ISBN 978-3-938284-79-7

© Zukunftsinstitut GmbH, September 2013Alle Rechte vorbehalten.

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3Zukunftsinstitut I Die neuen Trendsetter

04 Einleitung

08 App-Schalter Offline leben als Mittel der Abgrenzung vom Mainstream des Netzzeitalters

12 Female Enabler Eine neue Generation weiblicher Karriere-Netzwerkerinnen entsteht

16 Freecycler Die neue Generation der Shareconomy- Nutzer will zunehmend auch immate- rielle Dinge tauschen

20 Autarkisten Die Vorbereitung auf eventuelle Kata- strophen wird zum Lebensstil

24 Makers Mit der 3D-Technologie entsteht eine völlig neue Generation von Prosumern

28 Goodwatcher Immer mehr Menschen fordern Enblick in immer mehr Daten – auch, um Märkte mitzubestimmen

32 Freestyle-Mystiker Glauben jenseits der etablierten Religionsgemeinschaften wird gesellschaftsfähig

36 Buggy-Boys Moderne Väter erobern ihren Platz in der „vaterlosen“ Gesellschaft

40 Body-Hacker Technologie wird als Verbesserungstool in den Körper implantiert

44 Rurale Modernisten Im urbanen Umfeld werden die Begriffe von Ursprünglichkeit und Authentik neu definiert

48 Neo-Dialektiker Mundart wird zum neuen Identitäts - anker der globalisierten Nomaden

52 Profdis Das Ehrenamt wird zur Berufung und Profession jenseits des Helfersyndroms

56 Rebel-Yeller Leben ohne Kompromisse und Zu- geständnisse beginnt heute mit 50

60 Sport-Performancer Extremsport jenseits der Vereinswelt wird zur modernen Bühne des Ego

64 Smart Seniors Die Techno-Senioren kommen und schaffen neue Märkte

68 Teen-Ager Der Ernst des Lebens wird in Zeiten extre mer Überinszenierung wieder schick

72 Sojathleten Immer mehr Sportler ernähren sich vegan

76 Trocken-Trinker Nicht-Trinken verändert sich vom Verzicht hin zu einem identitäts stiftenden Erlebniselement

80 Social Surfer Wellenreiter werden mehr und mehr zu internationalen Aktivisten

84 Village People Landleben erlebt einen neuen Aufschwung – als Gegenbild und Vorbild urbaner „Neighbourhoods“

88 Quellenverzeichnis90 Die Megatrend-Map

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4 EINLEITUNG

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir leben in einem Zeitalter der Diversität. Nie zuvor in unserer Kultur war es möglich, den Lebensalltag so unterschiedlich und far-benfroh zu gestalten. Prinzipiell könnten wir uns jeden Morgen nach dem Aufstehen neu erfinden: Die Palette an Lebensmodellen, die Auswahl an kulturellen, spirituellen, phi-losophischen Angeboten, die Freiheiten und Möglichkeiten der hochindividualisierten Alltagsobjekte ermöglichen es uns, Persön-lichkeit wirklich gestaltbar zu machen. Das ist enorm, denn es eröffnet uns unend-liche Möglichkeiten. Zum ersten Mal in der Geschichte kann die Mehrheit der Indivi-duen in den westlichen Ländern ihre Biogra-phie nicht nur (fast) frei definieren, sondern auch noch ständig weiterverändern. Noch bis vor einer Generation ging es hingegen vor allem um Anpassung und Uniformität. Man wachte morgens als Schüler, Mutter, Arbeitnehmer oder Rentner auf und ging am Abend als Schüler, Mutter, Arbeitnehmer oder Rentner ins Bett. Ausbrüche aus den traditionellen Rollen waren das Versagen des Einzelnen. Der nachdenkliche Jugendliche, der lieber Games spielte, statt auf Partys zu gehen; die Frau, die sich auf der Höhe ihrer Karriere entschied, Hausfrau zu werden; der Angestellte, der sich für eine Halbtagsstelle entschied, um mehr Freizeit zu haben; oder der 70-Jährige, der irrwitzig beschloss, noch mal eine Extremsportart zu erlernen. Sie

waren Freaks, sprengten die Normalität, galten als so gut wie wahnsinnig. Wer heute dagegen etwas Neues, bisher Nichtdagewesenes macht, fällt nicht in die Kategorie Irrsinn, sondern wird gefeiert. Er oder sie findet garantiert begeisterte Nach-ahmer oder bereits eine Gruppe Gleich-gesinnter, vorzugsweise in den Tiefen des Netzes: seine Nische, bevölkert von Men-schen mit vergleichbaren Weltsichten, in der er oder sie ein temporäres Zuhause findet. In Zeiten sozialmedialer Feedbackschleifen werden dann gerade jene Avantgardisten in ihren Nischen nicht selten zu Trendset-tern, Vorbildern und zu identitätsstiftenden Figuren. Außenseitertum und Nische sind heute keine Schimpfwort mehr, sondern Sinnbild für höchste Individualität mit sozi-aler Absicherung.

Willkommen in der nischeSpeziell die neuen Kommunikationstech-nologien lassen Nischen prosperieren und Nischengruppen sich formieren, lassen den Megatrend der Individualität und die Vielschichtigkeit der Menschen sichtbar, erlebbar, teilbar werden. Nicht nur die wesensbedingten Unterschiede bekommen dadurch eine neue Wertschätzung, auch die Divergenzen in der Gestaltung von Lebensmomenten erhalten ihre Daseins-berechtigung. Zugehörigkeit sortiert sich heute anders. War es früher die Sehnsucht, „so zu sein wie alle anderen“, ist heute das Bedürfnis, gerade nicht so zu sein wie alle anderen – sondern wie die präferierte

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5Zukunftsinstitut I Die neuen Trendsetter

Nische. Noch extremer formuliert: Durch die Vielfalt ist es mittlerweile Notwendigkeit, einen Lebensstil zu pflegen, der sich von der Masse abhebt. Was hätte man sonst zu erzählen zur wichtigsten Biographie der Erde: der eigenen?

Masse war gestern. Ganz egal, ob es sich um Bewegungen oder Märkte handelt. Doch Masse hatte natürlich auch ihr Gutes. Es gab ein Gefühl der Zugehörigkeit, wenn man, wie „jeder“, mit 18 Führerschein machte, als Türkin in Neukölln selbstverständlich ver-heiratet lebte oder als White-Collar-Arbeiter endlich Vielfliegerstatus erreichte. Diese Stereotypen gehören jedoch zunehmend der Vergangenheit an. Im Wandel der eigenen Individualität sehnen wir uns aber dennoch nach eben jenem Zugehörigkeitsgefühl, das vor allem eins liefert: Identität. Diese kam einst im Komplettpaket mit den Lebensum-ständen, in die wir hineingeboren wurden. Und sie ließ sich nicht kündigen. Anders heute. Wir passen mehr denn je unsere Identität der Situation an und müssen dieser Lebenssituation entsprechend eben umge-kehrt identitätsstiftende Säulen suchen, die uns durchs Leben tragen.

let‘s peergroup!Durch den Megatrend der Konnektivität findet sich heute für jede Lebenssituation – egal ob beruflich oder privat, in jungen oder alten Jahren, ob auf Norderney beheimatet oder im Appenzeller Land – eine entspre-chende Peer-Group. Jene Peer-Groups sind

das Fundament unserer Nischenstile, indem sie ein identitätsstiftendes Moment durch die freiwillige Selbst-Zuordnung bieten. Sie haben den Vorteil, dass der oder die An-gehörige eines Nischenstils sich temporär für jene Gruppe entscheiden kann, die alle Features eines Rollenmodells liefert, jedoch nie für die Ewigkeit bindet. Mit veränderter biographischer Situation lässt sich die Nischengruppe wechseln. Dieses Ausein-anderfallen der traditionellen Biographien hat in den letzten Jahren die Marktforscher an den Rande des Wahnsinns getrieben. Denn statt über klassische Cluster wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Einkommen mussten Kunden auf einmal anders ermittelt werden: über ihre Lebenssituation.

Bei unseren Forschungen sowie durch viele Anregungen von außen stießen wir im Zukunftsinstitut in den letzten Jahren immer wieder auf gesellschaftliche Phänomene, in denen sich ganz klar ein Trend ankündigte, der mehr war als ein Mode-Hype, jedoch nicht einen „großen“ Lebensstil ausmachte. Beispiele wie: „Was ist mit dem Offliner?“, „Was mit den vernetzten Alten?“ und „Müssten wir nicht mal was zu den neuen türkischen Vätern machen?“ forderten ein-deutig, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Wie in einem Umkehrschluss der gängigen Marktforschungsprämissen änderten wir dabei den Fokus von der Betrachtung der Masse zur detaillierteren Makroaufnahme. Und erhielten so einen neuen Ansatz. Denn, was diese Erscheinungen gemeinsam haben:

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6 EINLEITUNG

Jede ist eine Nische, mit der spezifischen Ausprägung, sich gerade als Folge der Fraktalisierung über die Freiwilligkeit der Anhängerschaft zu definieren. Als großes Ganzes ist die gesellschaftliche Wirklich-keit nicht mehr fassbar, in der Vielfalt ihrer Bruchteile schon.

Wie ein Archäologen-, ein Ausgrabungsteam haben wir aus den vielen Einzelteilen ein großes Mosaik wieder zusammengesetzt. Mühsam, manchmal mit viel Detailverliebt-heit. In der vorliegenden Studie möchten wir Ihnen 20 solcher Nischenstile präsentieren.

diese nischen haben gemeinsame Kennzeichen. sie

■ haben (noch) keine Mehrheitsakzeptanz in der Gesellschaft

■ sind klein und minoritär ■ sind sehr stilprägend und ikonisch ■ bewegen sich extrem schnell und eigenständig

■ basieren zumeist auf geteilten Codes und sind extrem kommunikationsfreudig

■ sind oft eher monothematisch

In Anlehnung an die vom Zukunftsin-stitut definierten Lebensstile, also jene großen Gruppen, die Gesellschaft, Kultur, Konsum maßgeblich prägen, werden sie im Folgenden einfach kurz als Nischenstile bezeichnet.

Der Hauptunterschied zu den Lebensstilen ist die Granularität der Nischen. Nischen

lassen sich leichter erkennen, sind zudem wesentlich ikonischer als der breitere Lebensstil-Ansatz, aber auch kleiner und flüchtiger, da sie mehr an der Gegenwart orientiert sind. Im Gegensatz zu den Lebens-stilen lassen sich die Nischen über Codes gut ein- und abgrenzen und damit als Märkte beschreiben. Als Modell können damit Inno-vationspotenziale einfach erkennbar ge-macht werden. Nischenstile sind als System für Marktstrategen extrem interessant.

In dieser Studie haben wir Gruppen ausge-wählt, deren Relevanz künftig zunehmen wird. Die durch den gesellschaftlichen Wandel gestützt und in die Breite getrieben werden. Die vorliegenden Nischenstile basieren auf den elf vom Zukunftsinstitut definierten Megatrends und erklären sich zudem über die – auf der Megatrend-Map zu findenden – soziokulturellen Trends (vgl. Seite 90). Diese Verankerung soll nicht nur Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, in künftigen Produkt-, Kommunikations- und Marketingstrategien helfen, sondern ga-rantiert auch, dass der jeweilige Nischenstil zwar eine Minderheit darstellt, ohne aber marginal oder spleenig zu sein.

Angehörige der ausgemachten Nischen sind wirkliche Trendsetter. Anders als der überstrapazierte und zumeist beliebige Begriff aus der Mode- und Konsumwelt, haben unsere Trendsetter einen Megatrend-gestützten und phänomenologischen Ansatz. Alle Nischenstile besitzen damit ein

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7Zukunftsinstitut I Die neuen Trendsetter

Fundament, das ihr Wachstumspotenzial oder ihre Zukunftsperspektive belegt.Grundlage ist die Freiwilligkeit der Zuge-hörigkeit zur Nische. Es handelt sich um einen frei gewählten Sub-Lebensstil, der manchmal nur temporär Relevanz besitzt, in jedem Fall aber immer wieder veränderbar ist. Nischenstile sind ein nicht-diskrimi-nierender Ansatz und klar abgegrenzt vom klassischen Begriff der Minderheiten, deren Mitglieder sich ihre Situation auf Grund beispielsweise biologischer Faktoren nicht aussuchen können.

Nischenstile kennzeichnen wachsende Avantgardegruppen, denen sich Menschen auf Grund der Freiwilligkeit des Peer-Group-Ansatzes anschließen können. Egal ob ganz oder teilweise. Das Spannende an den Nischenstilen ist daher, dass sie, eng gefasst, nur wenige betreffen, im äußeren Orbit jedoch viele Menschen ansprechen, die den Lebensstil teilweise für sich beanspruchen oder reine Sympathisanten sind.

Hinter den von uns ausgewählten Nischen-stilen steht jeweils ein Lebensgefühl – nicht immer ein rein positives, nicht notwendi-gerweise eines, das Freiheit symbolisiert. Unterschiedliche soziokulturelle Bedürf-nisse, Ideale, Wünsche prägen unsere Nischenstile. Denn Trends repräsentieren immer Knappheiten und den daraus resul-tierenden Wunsch nach Veränderung. Die zentrale Frage bei der Auswahl ist daher die nach dem Warum. Welches Motiv haben die

jeweiligen Vertreter der Nische, sich diesem Lebensmodell zu verschreiben? Die Gründe bilden nicht nur ein verbindendes, identi-fizierendes Element innerhalb der Gruppe, sie sind auch das durchgängige strukturelle Motiv des Modells. Der bedürfnisgetriebene Ansatz gibt Ihnen, liebe Leser und Lese-rinnen, einen Anknüpfungspunkt zum Ver-ständnis und zum Aufbau einer eventuellen Kommunikationsstrategie. Wir beschreiben nicht einfach „nur“ Offliner oder „nur“ Sportfreaks, sondern grenzen die Gruppen auf die Gemeinsamkeit des Motivs ein.

Mit den vorliegenden 20 Nischen erhalten Sie damit einen relevanten Kern von Trend-settergruppen, die heute und in naher Zukunft Kultur und Konsum prägen werden. Ob „App-Schalter“ oder „Sojathlet“ – Sie können nicht nur gezielt die jeweiligen Ni-schen ansprechen, sondern erreichen auch deren Umfeld, ihre Anhänger und Sympathi-santen, indem Sie das Denken, die Bedürf-nisse, die Motive der Gruppen kennen. Eine zusätzliche Kennung referenziert, welcher Megatrend hinter dem Phänomen steht, wo es auf der Megatrend-Map verwurzelt ist und für welche Branchen und Märkte die Nische spannend ist.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Thomas HuberChefredakteur

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Offline leben als Mittel der Abgrenzung vom Mainstream des Netzzeitalters

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Megatrend: Konnektivität, Individualisierungsozio- oder Konsumententrend: Off-Kultur, Selfness, Lebensqualität, Feedback-GesellschaftMotive/Bedürfnisse: Selbstbestimmung, Life-BalanceBranchenrelevanz: Freizeit & Kultur, Handel, Marketing

Foto: flickr, Justin Snow CC BY ND

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9Zukunftsinstitut I Die neuen Trendsetter

Die im April 2013 von ECE und Roland Berger Strategy Consultants veröffent-lichte Studie „Dem Kunden auf der

Spur“1 sorgt bei den federführenden Digital Immigrants für Erstaunen. Bei der Befragung von deutschlandweit rund 42.000 Konsu-menten zu ihrem Einkaufsverhalten kam heraus, dass ausgerechnet die Digital Natives gerne und häufige Offline-Konsumenten sind. Alexander Otto, CEO der ECE, in der Pressemitteilung: „Das zweitgrößte Segment, das wir betrachtet haben, sind junge Men-schen mit einer hohen Affinität zum In-ternet, die aber nur in den seltensten Fällen online einkaufen.“ Die durchschnittlich 28 Jahre alten „Mainstream Offline Shoppers“ machen laut der Studie rund 25 Prozent der Bevölkerung aus, sind zwar regelmäßig online, doch kaufen primär im stationären Handel und nur in Ausnahmefällen im Internet ein. Eine 22-jährige Konsumentin wird bzgl. ihres Online-Shoppingverhaltens zitiert: „Wenn es schnell gehen muss oder ich etwas sehr Spezielles suche, kaufe ich online, aber am liebsten gehe ich in den Laden.“

definitionSie sind jung und genervt von der Immer-on-Kultur, die ihnen von Eltern und Gleichaltrigen vorgelebt wird. Die App-Schalter pflegen einen Lebensstil, in dem die Digitalität nicht abgelehnt, aber auch nicht zum Zentrum des Seins gemacht wird. Während die Großeltern der App-Schalter vor allem Berührungsängste mit dem Internet haben und deswegen offline sind, die Eltern der jungen Offliner sich in ihren Online-Zwängen selbst maßregeln müssen, lebt diese Jugendbewegung ein entspanntes On-Off-Dasein, das weder von Angst noch Sucht geprägt ist. Dadurch, dass sie im digitalen Zeitalter aufgewachsen sind,

sind Internet, Smartphone und sonstige Geräte Normalität. Die medialen Hilfsmittel müssen weder zum Nonplusultra stilisiert noch im Gegenzug verteufelt werden. Die App-Schalter empfinden beide Extreme eher als störend und protestieren still gegen diese Tendenzen, indem sie bei den Stereotypen nicht mitmachen. Ein altes Klapphandy, ganz reale Face-to-Face-Treffen und -Aktivi-täten mit Freunden, stationärer Handel oder der Konsum eines analogen Fokusmediums gehören zu ihrem Alltag.

analyseDer im Frühling 2013 veröffentliche Digitale Index der Initiative D21 ergab, dass die Zahl der Internet-Anwender nur noch langsam steigt und weiterhin ein Fünftel der Bevöl-kerung in Deutschland freiwillig offline lebt. Während die Zahl der Breitbandnutzer insbesondere in den Altersgruppen 50 bis 59 Jahre sowie 60 bis 69 Jahre 2013 im Vergleich zu 2012 gestiegen ist, gab es den geringsten Zuwachs bei der jüngsten Altersgruppe, den 14- bis 19-jährigen. Auch der Anteil der Internetnutzung im Allgemeinen ist bei den unter 29-Jährigen nicht nur stagniert, son-dern sogar minimal rückläufig. Das mag mit dem Sättigungsgrad zusammenhängen, liegt dieser bei den 14- bis 19-Jährigen immerhin bei derzeit 97,5 Prozent (2012: 97,7 Prozent). Andererseits ist ein Offline-Dasein für ältere Altersgruppen wesentlich einfacher umzusetzen, da während Ausbildungs- und Berufszeit kaum ein internetfreies Leben möglich ist. Vor diesem Hintergrund werden jene jugendlichen Teilzeit-Offliner besonders interessant, die ihre Nutzung der digitalen Medien auf ein Minimum reduzieren. Mitunter aus Protest gegen Eltern, welche den App-Schaltern gerne ein Smartphone verpassen würden – häufig aus eigenem

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10 APP-SCHALTER

die ProtestlerDer Offline-Stil speist sich auch aus einem Protest gegen die zunehmende Kultur des Postens von Bildern und privaten Informa-tionen und das daraus eventuell folgende Mobbing und die Diskreditierung. Im Dezember letzten Jahres versammelten sich Hunderte von Jugendlichen in Göte-borg, nachdem ein anonymes Instagram-Konto Bilder junger Mädchen zeigte. Hans Marius Tessem, Leiter einer Beratungsstelle für Internetmobbingopfer (Slettmeg.no), geht im Interview mit der norwegischen Finanzzeitung Dagens Næringsliv2 von einer Normalisierung aus, ähnlich wie es

sich mit dem Wandel des Handys vom Statusobjekt zum Alltags-

objekt verhielt: „Ich erinnere mich, als Handys zum

Allgemeingut wurden. Die Menschen hatten ihren Klingelton auf voller Laut-stärke, um einen Grund zu haben, ihr Handy aus

der Tasche zu holen. Man sah mitunter Menschen auf

der Straße, die nur so taten, als würden sie telefonieren – bis auf

einmal ihr Handy tatsächlich klingelte. Ich hoffe, dass es sich mit sozialen Medien und dem Posten von Bildern genauso verhalten wird. Dass wir irgendwann mal sagen: Mein Gott, in den 2010er Jahren haben wir private Fotos voneinander im Internet veröffentlicht.“

„like it“ im real lifeDass analog immer öfter digital sticht, zeigt auch der Erfolg des Gratispasses der Londoner Verkehrsbetriebe, die Zip Oyster Card, mit der Teenager kostenlos die Busse benutzen können. Eine aktuelle Studie eines Forscherteams der London School of

Interesse: So können die Teenager nicht immer und überall erreicht werden. Aber auch aus einem Protest gegen einen Lebens-stil, der für die Nischengruppe absurd ist. In Interviews berichten sie, dass Gleichaltrige sie beneiden, wenn sie erzählen, dass sie nicht auf Facebook sind.

Ausgerechnet in den Vorzeigeländern der Breitbandabdeckung und Smartphone-Dichte entwickelt sich so etwas wie ein analoger Jugendprotest. Ob Schweden oder Norwegen – eine wachsende Gruppe Jugendlicher und Postadoleszenter ent-scheidet sich für kreative Freizeitbeschäf-tigungen jenseits von Facebook. TNS Gallup beobachtete die täglichen Facebook-Besuche der Nutzer und verzeich-nete einen Rückgang von 6 Prozent bei den 15- bis 29-jährigen Norwegern vom dritten zum vierten Quartal 2012.

die OfflinerAber nicht nur in den hoch ver-netzten skandinavischen Kulturen lässt sich das Phänomen der jugendlichen Netzabstinenzler beobachten: So beginnen mehr und mehr Nutzer in Deutschland und den USA, Facebook „uncool“ zu finden. Nach einer Studie des Marktforschungsun-ternehmens Socialbakers hat das Netzwerk in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen im ersten Quartal 2013 einen Rückgang von 1,2 Millionen Nutzern registriert. Wachstum gab es dagegen nur noch bei Nutzern über 45 Jahren. Ein Großteil der Jugend ist heute stattdessen auf Whatsapp, Snapchat oder Tumblr aktiv, eine bemer-kenswerte Gruppe ist jedoch in keinem sozialen Netzwerk präsent.

1,2 Millionen

weniger Nutzer bei 25- bis 34-Jährigen auf Facebook im

ersten Quartal 2013.

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11Zukunftsinstitut I Die neuen Trendsetter

PROGNOSE

Natürlich sind die konsequenten App-Schalter eine Minorität. Eine Vielzahl Jugendlicher hat ihre Smartphones mit im Bett und im Bad. Doch es zeigt sich, dass es zunehmend „cool“ wird, nicht immer erreichbar zu sein, sich von den digitalen Updates zu distanzieren und festzustellen, dass das Leben „ohne“ neue Qualitäten und Ruhe mit sich bringt. Gerade die Eltern, die so sehr vor der zunehmenden Digitalisierung warnen und gleichzeitig mit ihr nicht umgehen können, sind für die Teenager und Postadoleszenten Anti-Figuren, gegen die sie sich mit 2005er-Telefon-modellen auflehnen. Für Markt und Medien ist diese Nischengruppe span-nend, da sie eben nur über traditio-nelle Wege erreichbar ist. Sie sind nicht zwangsläufig konsumkritisch, aber hinterfragen Angebote, Dienstleistungen und Artikel auf Sinn und Nutzen.

Hygiene & Tropical Medicine hat 118 Jungs und Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren befragt, inwieweit der Gratispass sich auf ihr Mobilitätsverhalten und ihre Unab-hängigkeit ausgewirkt hat. Die befragten Jugendlichen treffen sich nach der Schule mit ihren Freunden, um Bus zu fahren. Das Nutzen der öffentlichen Verkehrsmittel wird zum sozialen Event, bei dem die Gemein-schaft und Freundschaft im Vordergrund steht. Umwege und Extrazeit werden in Kauf genommen, wer keine Rücksicht nimmt, gilt als illoyal der Clique gegenüber. Wohin die Fahrt geht, ist meist egal. Die Karte gibt den Teenagern eine Freiheit, da sie ihre Eltern nicht um Geld für Aktivitäten bitten müssen, und stärkt ihre Selbstständigkeit, wenn sie eigenständig das Londoner Verkehrsnetz nutzen, so die weiteren Ergebnisse der Studie „We Can All Just Get on a Bus and Go“ von Anna Goodman und Team.

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Eine neue Generation weiblicher Karriere- Netzwerkerinnen entsteht

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Megatrend: Female Shiftsozio- oder Konsumententrend: Female Leadership, WomanomicsMotive/Bedürfnisse: Gerechtigkeit, Präsenz, MöglichkeitenBranchenrelevanz: Medien, Marketing, Management, Human Resources, Bildung

Foto: flickr, Morning Theft CC BY

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Ja, ich bestelle Exemplar(e) der Studie „Die neuen Trendsetter“ zum Preis von je 150,– Euro zzgl. 7% MwSt., 92 Seiten

>> Faxantwort +49 (0) 69 26 48 48 9-20 oder online unter www.zukunftsinstitut.de

:zukunfts|institut GmbH | Internationale Gesellschaft für Zukunfts- und Trendberatung | Kaiserstraße 53 | D-60329 Frankfurt | Telefon: +49(0)69 264 848 9-0 | Fax: +49(0)69 264 848 9-20

Geschäftsbedingungen: Versandkostenanteil In-land 3,- Euro, Ausland 5,- Euro. Sie haben ein Rück-gaberecht von zwei Wochen nach Erhalt der Ware laut BGB §312. Bei umfangreicheren Bestellungen räumen wir Ihnen gerne Rabatte ein. Kontakt: Anna Kunz, [email protected], Tel.: +49 (0)69 264 848 9-22

Die neuen Trendsetter20 Nischen, die den Konsum von morgen prägenAnja Kirig, Thomas HuberISBN: 978-3-938284-79-7

Geschäftsbedingungen: Versandkostenanteil In-

ISBN: 978-3-938284-79-7

20 Nischen, die den Konsum von morgen prägen

Die neuen

TRENDSETTERMasse war gestern. Die Gesellschaft von heute setzt sich aus kleineren und größeren Nischen zu-sammmen. Wo früher galt „so zu sein, wie alle anderen“, dominiert heute das Bedürfnis gerade anders zu sein, als alle anderen. Zukunftsträchtige Geschäftsmodelle müssen sich entsprechen an den situativen Bedürfnissen des Konsumenten orientieren und neue, innovative und maßgeschnei-derte Angebote anbieten. Denn was heute noch Nische ist, kann morgen schon den Main-stream revolutionieren.

Auf folgende Fragen soll die Studie Antworten geben:■ Welche kleinen Zielgruppen haben die größte Zukunft?■ Wie wird der Konsum von morgen aussehen?■ Welche spannenden neuen Peergroups haben sich über das Internet gebildet?■ Aus welchen Nischen kommen die wichtigsten Impulse für die Zukunft von Kultur und Konsum?

Zugehörigkeit sortiert sich heute anders. Ehemals als Sonderlinge und Freaks tituliert, gelten Außen-seiter jetzt als Vorbilder und identitätsstiftende Figuren. Stereotypen und exakt de� nierte Zielgruppen gehören der Vergangenheit an, Vielschichtigkeit und die eigene Individualität prägen das neue Gesell-schaftsbild.

Ob „App-Schalter“ oder „Sojathlet“ – die Studie identi� ziert 20 Nischen, die in naher Zukunft Kultur und Konsum prägen werden. Anders als der überstrapazierte und zumeist beliebige Begri� aus der Modewelt sind diese kleinen Lebensstile wirkliche Trendsetter, Avantgardegruppen, denen sich Men-schen aufgrund der Freiwilligkeit des Peergroup-Ansatzes anschließen können.

Eine hochspannende Lektüre für alle, die mit Marketing zu tun haben, denn sie können nicht nur gezielt die jeweiligen Gruppen ansprechen, sondern erreichen auch deren Umfeld, ihre Anhänger und Sympathisanten, indem sie das Denken, die Motive und Bedürfnisse der Gruppe kennen.

Personen werden bis 2016 in Deutschland Car-Sharing-

Angebote nutzen.

1,1 Millionen