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michaela-harich
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Stuttgart 2021 - die Landeshauptstadt ist abgeriegelt. Niemand kommt hinein, niemand kommt heraus, die Einwohner wurden evakuiert. Doch nicht alle haben Stuttgart verlassen. Lea, eine junge Frau, hat sich in der Staatsgalerie verschanzt und sie zu einer todsicheren Festung umgestaltet. Sie baut Todesfallen für die Infizierten, die ihr alles genommen haben, was ihr wichtig war. Sie muss jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. Doch die Ereignisse spitzen sich zu und Lea ist sowohl auf die Hilfe ihrer Bekannten innerhalb der Quarantänezone Stuttgart wie auch auf die Hilfe von außen angewiesen.
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Stuttgart '21 - Lea
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Blut lief in einem dnnen Rinnsal ihren Arm hinab. Vorsichtig tastete sie ihre Schulter ab,
suchte die Stelle, aus der das Blut floss. Die Wunde auf ihrem Schlsselbein blutete zwar, war
aber offensichtlich nur eine kleine Fleischwunde. Warum hatte sie auch mit aller Macht
versucht, ber den Maschendrahtzaun zu klettern? Nur weil der Weg krzer war und an den
Militrstationen vorbei fhrte? An den Sicherheitskontrollen und berwachungstrmen? Sie
fluchte. Und htte sich am liebsten im selben Moment dafr geohrfeigt. Ein falscher Laut,
eine falsche Bewegung und sie wrden sie finden. Sie jagen. Sie verfolgen. Sie fressen. Lea
dachte oft an die Zeit, als die Welt noch in Ordnung war. Als ihr Vater noch lebte und ihr den
Weg wies. Ihr zeigte, wo sie sich verstecken konnte. Doch diese Zeiten waren schon lange
vorbei. Er war tot. Ihnen zum Opfer gefallen, um sie zu schtzen. Gestorben, weil sie
unbedingt in der Staatsgalerie bernachten wollte. Sie ein letztes Mal sehen wollte, bevor die
Zone geschlossen wurde.
Ein Gerusch, schlurfend, erregte ihre Aufmerksamkeit. Lea hielt den Atem an, zog aus
der zerschlissenen Umhngetasche ihren sogenannten Schutzumhang hervor und warf ihn sich
ber. Beim Verwesungsgeruch, der sich pltzlich um sie legte, berschlug sich ihr Magen und
sie musste sich zwingen, die Galle runterzuwrgen. Wenn sie sich jetzt bergab, war sie
verloren. Mit oder ohne Schutzumhang. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Mit der Technik,
die ihr ihr Vater eingeschrft hatte, brachte sie ihren Herzschlag auf ein Minimum. Senkte ihn,
so dass er nur noch selten schlug. Flach atmend zog sie den Umhang enger um sich, bevor sie
sich im Schutz der Dunkelheit vorwrts tastete. Sie achtete dabei sorgfltig darauf, zu
schlurfen und nicht allzu menschlich zu gehen. Nicht auffallen, nicht sprechen, keine
Lebenszeichen - zumindest keine allzu deutlichen - zu zeigen. Diese Dinge hatte ihr Vater ihr
eingeschrft. Den Umhang noch etwas fester um sich ziehend setzte sie ihren Weg fort. Der
Verwesungsgeruch wurde strker und strker. So nah! Sie waren so nah! Doch Lea kannte die
Gassen und dem Verfall ausgelieferten Gebude um die Staatsgalerie besser als jeder andere.
Sie wrde unbemerkt an ihnen vorbei kommen, und wenn die Galerie erst einmal in
Sichtweite war, sie die erste Falle aktivieren konnte, wrde sie sich zu erkennen geben. Und
sich neue Beute verschaffen. Lea lchelte. Die Staatsgalerie war ihr Zuhause. Ihre Zuflucht.
Und die Ruhesttte ihres Vaters. Sie wrden sie nicht bekommen.
Lea blinzelte gegen die Sonne, als sie aus den dunklen Schatten trat. Schlurfend, wie eine
von ihnen. Inmitten von ihnen. Lea bemhte sich, ihren Herzschlag weiterhin niedrig zu
halten. Flach zu atmen. Wie eine von ihnen. Sie hatte sie lange genug beobachtet, um zu
wissen, wie sie sich bewegen musste. Wie sie den Kopf halten musste. Was sie tun musste, um
sie zu fangen. Unwillkrlich entwich ihr ein Knurren. Der Gedanke an ihren Vater, an ihre
Schwester - was sie angerichtet hatten, brachte Lea dazu, jede Vorsicht zu vergessen. Doch
offenbar war ihr Knurren nicht aufgefallen. Natrlich nicht. Reagierten diese Wesen doch nur
auf eindeutig Menschliches.
Langsam kam die Staatsgalerie in Sichtweite. Nicht mehr lange und sie konnte ihren
Schutzumhang fallen lassen. Sich als Mensch zu erkennen geben. Andreas wrde schon dafr
sorgen, dass sie sie nicht bekamen. Er sa wahrscheinlich schon auf seinem Posten.
Zumindest hoffte Lea das.
Andreas. Wenn sie an ihn dachte, wurde ihr warm ums Herz. Ohne ihn htte sie lngst
aufgegeben. Ihrem Leben ein Ende gesetzt. Wre ihrer Familie gefolgt. Doch so - so kmpfte
sie um das Leben, das sie gemeinsam aufgebaut hatten. Lea lchelte. Ja, es war ein gutes
Leben. Kein einfaches Leben, aber ein gutes. Zumindest aus ihrer Sicht.
Eine pltzliche Bewegung neben ihr schreckte sie auf. Der Infizierte, der Zombie, neben
ihr bewegte sich berraschend schnell auf sie zu. Schnuppernd, beinahe schnffeln hatte er
sich ihr zugewandt. Lea musste all ihre Willenskraft aufbringen, um ihr Herz weiterhin
langsam schlagen zu lassen. Den Blick mglichst ausdruckslos starrte sie ihm ins Gesicht.
Nichts geschah. Er schnffelte erneut, sog tief die Luft ein. Seine Augen weiteten sich. Gier
blitzte in ihnen auf. Er fletschte die Zhne. Ein raubtierhaftes Knurren drang aus seiner Kehle.
Lea wusste, sie konnte sich jetzt keinen Fehler erlauben. Sie musste einen khlen Kopf
bewahren, sonst wrden sie sie bekommen. Der Infizierte gab ein Gerusch von sich, das ihr
durch Mark und Bein ging. Lea wusste: Sie war durchschaut. Mit einem Schrei der
Verzweiflung warf sie den Umhang von sich und rannte. Sie rannte direkt auf die Galerie zu.
Schlug Haken. Wich den Infizierten aus, die sich schnell bewegten. Das Virus hatte sich
weiterentwickelt. Hatte die Befallenen schneller, aggressiver, aber nicht wesentlich klger
gemacht. Doch Lea war darauf vorbereitet. Andreas und sie hatten unermdlich trainiert - was
ihr nun einen Vorteil verschaffte. Wendig und schnell rannte sie zwischen den Infizierten
hindurch, wich den gierigen Hnden aus und stie dabei gellende Pfiffe aus. Ihr Zeichen fr
Andreas. Mit viel Glck wrde sich auch das Militr einschalten - immerhin war dies
Sperrgebiet und stand unter stndiger Beobachtung. Unwillkrlich wanderte ihr Blick an den
Himmel. Suchte die Helikopter. Die Schtzen. Doch dieses Mal schienen sich die Freunde der
Tarnfarben zurckzuhalten, durch Abwesenheit zu glnzen. Lea fluchte. Falscher Zeitpunkt,
Jungs! Sie htte absolut nichts dagegen gehabt, wenn das Militr sich selbst zu dieser Party
einladen und die Infizierten unter Beschuss nehmen wrde.
Etwas packte sie am Handgelenk. Lea zerrte, kam aber nicht frei. Das Gesicht des
Infizierten war zu einer hungrigen Fratze verzerrt - angsteinflend und gierig. Geifer lief ihm
aus dem weit aufgerissenen Mund, offenbarte faulige Zhne. Sein Atem schlug ihr entgegen.
Er stank nach Tod, Blut und Fleisch. Lea sprte, wie sich ihr Magen umdrehte, und kmpfte
mit aller Macht die Galle nieder. Er roch ihr Blut, das wusste sie. Sie htte sich doch etwas um
die Wunde binden sollen. Einen Verband, den sie dann mit der Haut der Infizierten umwickelt
htte. So hatte sie sich auf ihren Schutzumhang verlassen, was sich als Fehler erwies. Der
Infizierte zog sie zu sich. Lea stemmte sich mit aller Kraft dagegen. Sie wusste, ein Biss und
sie wrde zu einer von ihnen werden.
Lass mich los!, schrie sie. Lea wusste sich nicht anders zu helfen. Sie trat nach dem
Infizierten, schlug ihn mit der freien Hand ins Gesicht. Andere Infizierte wurden auf sie
aufmerksam, kamen nher. Schlurfend. Schnffelnd. Geifernd und nach ihrem Fleisch
gierend. Lea fingerte in ihrer Tasche herum. Suchte ihre Waffe, eine kleine Beretta, die sie
einem sterbenden Polizisten abgenommen hatte. Im allerletzten Moment ergriff sie sie, zckte
sie und schoss dem Infizierten in den Kopf. Der Griff um ihr Handgelenk lste sich. Und Lea
rannte. Sie musste nur den Vorhof erreichen. Nur diese eine Markierung passieren. Dann
knnte Andreas die Infizierten, die ihr folgten, ausschalten und sie wre in Sicherheit. Lea
beschleunigte ihre Schritte, die Pistole in der Hand. Das khle Metall war beruhigend, gab ihr
ein Gefhl von Schutz.
Ein Schuss ertnte.
Noch einer.
Und dann noch einer.
Lea htte am liebsten geweint. Erschpft rannte sie weiter, stolperte, sprte jeden
Knochen im Krper. Ihre Beine zitterten. ber ihr erklang das Rotieren der
Hubschrauberbltter. Erleichterung durchstrmte Lea, gab ihr neuen Auftrieb. Andreas hatte
sicher lngst Posten bezogen. Das Militr hielt ihr endlich den Rcken frei. Lea stolperte die
Stufen zur Staatsgalerie hinauf. Mit letzter Kraft aktivierte sie den Schalter, der die Fallen, die
Andreas und sie sich aus den Ausstellungsstcken und dem Inventar der Kaufhuser im
Umfeld konstruiert hatten, in Betrieb nahm. Das Surren der Laser beruhigte ihre Nerven. Lea
lehnte ihre Stirn an die Sule, khlte die erhitzte Haut am Stein.
Lea! Sie schreckte auf. Lea, beweg deinen Arsch hier rein!
Ein Lcheln stahl sich auf ihr Gesicht. Andreas nette Aufforderung konnte sie unmglich
ignorieren. Sie war einen letzten Blick auf die Infizierten, die ihr gefolgt waren, bevor sie
durch den Eingang schlpfte und Andreas gegenberstand.
Na, du hast dir ja ordentlich Zeit gelassen! Nichts geht ber einen kleinen
Abenteuerspaziergang, hab ich Recht?
Du bist manchmal echt ein Arsch, hat dir das schon Mal einer gesagt? Lea strich sich
eine Strhne hinters Ohr und atmete tief durch. Hlle, war das knapp!
Und es ist noch nicht vorbei! Andreas zog sie von der Tr weg. Sie haben den ersten
Ring durchbrochen. Unsere Freunde vom Militr sind zwar fleiig dabei, alles
niederzuschieen, was sich bewegt, aber es haben zwei oder drei ihren Weg durch unsere erste
Laserschranke gemacht. Was willst du tun? Abwarten, ob sie die Tesla-Schranke berleben
oder dich im Rambostil dem Schussfeuer anschlieen?
Nun, einer sollte in eine der Fallen tappen. Ich habe immerhin meinen Schutzumhang
verloren. Und du weit, wie begehrt unsere Umhnge auf dem Schwarzmarkt sind.
Also warten wir? Andreas schien von dieser Idee nicht gerade begeistert zu sein. Lea
seufzte, wollte gerade etwas sagen, als sie eine Bewegung auf den berwachungsmonitoren
bemerkte. Eine Bewegung, die sie nicht erwartet hatte. Einer der Infizierten stand vor der
Eingangstr der Staatsgalerie und starrte direkt in die Kamera.
Lea? Lea, siehst du das?
Was zum Teufel ...? Andi, ich glaube, du bekommst deinen Kampf. Lea griff nach den
Waffen im Schrank neben der Tr, whlte eine Schrotflinte und verzog das Gesicht, als sie
durchlud. Auf gehts! Schieen wir ein paar Zombies die Gesichter weg!
Lea stand auf dem Vordach des Eingangspavillons, zwischen zwei der glsernen Dreiecke,
und schoss. Der Rcksto der Schrotflinte drckte sie immer weiter an die Wand des
Pavillons. Schmerzhaft drckte der Stein in ihren Rcken, doch wenn sie Andreas nicht die
volle Wahrheit sagen wollte, musste sie den Schein bewahren und auf die Infizierten schieen.
Mit der Schrotflinte war sie nicht so effizient wie Andreas mit seinem Gewehr - er erinnerte
sie an ihren kleinen Bruder, der in den Ego-Shooter immer die Rolle des Snipers gewhlte
hatte. Andreas, der auf dem Dach des Pavillons lag, vllig auf die Infizierten konzentriert,
bereit, jeden Einzelnen zu tten. Lea lud nach, biss sich auf die Unterlippe und schoss erneut
auf einen Infizierten. Es war eigentlich vollkommen unntig und nichts als
Munitionsverschwendung, aber es war etwas, was sie tun musste, wenn sie die Fassade
aufrechterhalten wollte. Dabei wrde keiner durch die Galerie in ihr Versteck gelangen, selbst
wenn einer der Infizierten durch den Haupteingang eindrang. Sie hatte so viele Fallen
konstruiert, so viele Hindernisse aufgebaut - das, was Andreas und sie taten, war einfach nur
unntig.
Lea!
Sie hob den Kopf. Andreas deutete auf eine kleine Gruppe Soldaten, die sich der Galerie
nherten und die Infizierten vor sich hertrieb.
Was machen die da? Lea! Was machen die da?
Ich wei es nicht! Und wie sie es wusste. Lass uns nach drinnen gehen! Ins Versteck!
Wir knnen alles ber die Monitore beobachten, aber so knnen sie nicht zufllig auf uns
schieen. Du weit, sie wollen uns hier nicht haben. Die Sperrzone soll ja fr die Gesunden
verboten bleiben. Und wir verspotten sie mit unserer Abwesenheit.
Aber sie, die Zombies ...
Andreas! Du weit, sie kommen hier nicht lebend durch! Wie oft mssen wir denn noch
darber streiten? Lea kletterte zu ihm aufs Dach. Komm jetzt! Bevor sie wirklich auf uns
zielen! Lea zog Andreas zur Luke, die ins Innere der Galerie fhrte, und klettere hindurch.
Lea! Was ist mit den Zombies? Was, wenn sie durchkommen? Was, wenn die Jungs vom
Militr sie nicht in Schach halten knnen? Die treiben sie ja direkt auf uns zu!
Jetzt komm endlich rein! Himmel! Manchmal gehst du mir so auf die Nerven! Lea
schttelte den Kopf. Komm! Sie zog Andreas mit sich, beide ihre Waffen geschultert.
Bevor sie allerdings weit kamen, ertnte ein ohrenbetubendes Poltern an der Eingangstr des
Pavillons. Erschrocken fuhren sie beide herum, Lea lud die Waffe durch, Andreas zielte mit
zitternder Hand auf den Eingang.
Spar dir jetzt blo das Ich habs dir ja gesagt!, knurrte Lea und lief langsam
rckwrts. Das Poltern vermischte sich mit einem Kratzen. Schsse erklangen.
Ja, ich sag ja schon nichts! Aber ...
Nichts aber! Los! Lauf!, schrie Lea, drehte sich um und rannte. Andreas, komm jetzt!
Oder willst du gefressen werden, falls sie durchbrechen? Oder gebraten, wenn ich alles
aktiviert habe. Der Kontrollraum. Ihr Hafen. Ihre Burg in diesem von Fallen wimmelnden
Labyrinth. Egal wie viele Sorgen sich Andreas machte, wie oft er glaubte, sie wrden
durchbrechen - keiner von ihnen war jemals bis zum Direktionsgebude gelangt. Hatte nie
den Kontrollraum erreicht.
Im Vorbeigehen drckte sie die Schalter. Aktivierte die Fallen. Die Tesla-Laser-Fallen. Die
Stacheldraht-Fallen. Alles, was sie sich zusammen gebastelt hatte. Auch die Fallgruben. Die
Fangnetze mit den Schockimpulsen, von denen Andreas nichts wusste. Und niemals etwas
erfahren wrde.
Lea! Bist du sicher, dass sie nicht durchbrechen knnen?
Andreas!, keuchte sie. Halt. Die. Fresse! Sie schlitterte ber den glatten Boden, bog
schwungvoll um eine Ecke und krachte gegen die Wand. Die Schrotflinte drckte ihr
unangenehm ins Fleisch. Schmerz durchfuhr sie.
Alles Okay bei dir? Andreas war stehengeblieben. Stand einfach nur da und sah sie an.
Steh doch nicht so dumm rum! Lea Widerstand dem Drang zu weinen. Sie zog Andreas
mit sich, whrend sie weiterlief. Komm endlich! Himmelherrgott! Fr jemanden mit deinen
Pankattacken bist du echt unvorsichtig! Und nervig! So nervig! Wenn der nicht bald aufhrt,
mich zu nerven, werf ich ihn den Zombies vor! Die Flinte schlug ihr beim Laufen gegen die
Hfte, Andreas Hand lag schweinass in ihrer - Lea rmpfte die Nase. Manchmal fragte sie
sich, ob sie ohne ihn nicht besser dran wre. Mit schmerzhaft verkrampften
Oberschenkelmuskeln und zitternden Knien stolperte sie endlich die Treppen zum
Kontrollraum hinauf. Die metallene Sicherheitstr glnzte im hereinfallenden Sonnenlicht -
ein Augenblick, der sie ungemein beruhigte. Sie beschleunigte ihre Schritte, mobilisierte ihre
letzten Krfte.
Lea, bist du sicher, dass ...
Andreas! Ohne Schei! Lass es jetzt gut sein! Lea keuchte, japste nach Atem. Mit
zitternden Hnden tippte sie die Kombination fr das Sicherheitsschloss und ignorierte
Andreas. Wenn sie sich auch nur eine Sekunde lnger auf Andreas Gejammer konzentrieren
wrde, knnte sie fr nichts mehr garantieren. Mit einem tiefen Knarzen schwang die Tr
gemchlich auf. Notiz an mich: le diese verdammte Tr! Sie huschten hinein, Andreas
drckte den Knopf, so dass die Tr rttelnd und lrmend wieder zuschwang, und lchelte Lea
an. Wir haben es geschafft! Wir sind in Sicherheit!
Hurra!, murmelte Lea tonlos. Sie warf sich auf einen der Schreibtischsthle vor den
Monitoren und atmete tief durch. Was wrde sie jetzt alles fr eine Valium geben! Sie schloss
fr einen Moment die Augen und versuchte sich zu entspannen. Und nun? Was machen wir
jetzt?
Sie rieb ich die Schlfen. Valium. Jetzt! Wir machen dasselbe wie jeden Abend. Wir
warten ab. In zwei Stunden geht die Sonne unter. Dann drehen die ja sowieso am Rad. Lea
ghnte. Also, lass uns Kraft sammeln und schauen, was wir morgen auf dem Schwarzmarkt
finden.
Du hast wohl gute Beute gemacht?
Lea schluckte die bissige Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, und deutete mit
einem Kopfnicken auf ihre Tasche. Sie lchelte, als sie dem angewiderten Gesichtsausdruck
Andreas wahrnahm angesichts des getrockneten Bluts auf der Oberflche. Und den strengen
Geruch nach Verwesung.
Boah! Muss das so stinken?
Ehrlich? Muss ich dir jedes Mal aufs Neue erklren, wie wichtig Tarnung ist? Hast du es
den immer noch nicht begriffen? Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit. So gern sie ihn
auch hatte, manchmal benahm er sich wie der letzte Trottel. Wren sie auf Gehirne aus,
msste er sich an Tagen wie heute nicht vor ihnen verstecken! Mit einem tiefen Seufzer stand
sie widerwillig auf, kippte den Inhalt der Tasche aus und warf Andreas einen vielsagenden
Blick zu. War das jetzt so schwierig?
Ja! Andreas beugte sich vor, sog die Luft ein. Bh! Lea! Du stinkst wie die!
Lea sparte sich eine Erwiderung, ging hinber zu den Monitoren und starrte auf die
Infizierten, die vom Militr zur Galerie getrieben wurden.
Was machen die da? Andreas war hinter sie getreten. Die treiben die Zombies ja voll
in unsere Richtung! Wollen die uns damit einschchtern?
Lea nahm sich vor, Max zu danken, dass er ihr wieder einmal neue Beute lieferte.
Nein. Ich nehm an, sie treiben sie einfach in die Enge. Auf freiem Feld die Infizierten zu
treffen ist schwieriger, als wenn sie auf einem Haufen stehen. Sie schnffelte. Okay, es war
Zeit sich sauber zu machen. mach dir nicht ins Hemd! Es wird schon nichts passieren. Sie
zwinkerte ihm zu, bevor sie in dem Raum verschwand, den sie zum Bad umfunktioniert
hatten. Regenwasser, Seife - mehr an Luxus gab es nicht. Und selbst damit musste sparsam,
umgegangen werden.
Lea, ich mein es ja nicht bse. Ich mache mir nur Sorgen, wenn du da drauen alleine
unterwegs bist. Sei nicht immer so gemein zu mir!
Ich Lea prustete, als sie Wasser in den Mund bekam. Ich bin nicht gemein zu dir!
Nicht absichtlich! Ich bin einfach nur furchtbar gestresst. Es tut mir leid Zum Glck konnte
Andreas ihr Gesicht nicht sehen, denn Lea verzog bei der Lge, die ihr so einfach ber die
Lippen gekommen war, das Gesicht. Sie war wirklich nicht absichtlich gemein zu ihm, aber
es war ermdend alles alleine zu machen. Fr alles alleine verantwortlich zu sein.
Und trotzdem - sie wollte ihn nicht verletzen. Er war das Einzige, was ihr an Familie
geblieben war. Der Einzige. Sie schluckte die Trnen runter, drngte sie mit aller Macht
zurck. Erleichtert trocknete sie sich ab, rubbelte sich die Haut warm. Der Nachteil, wenn die
Zivilisation zusammenbrach, war die mangelnde elektrische Versorgung.
Keine Heizung. Kein warmes Wasser. Lea freute sich schon auf den Winter.
Er tut mir wirklich leid, erklrte sie, whrend sie in ihre frische Sachen schlpfte. Dann
lass mich dir helfen! Ich kann doch mitkommen! Zu zweit knnen wir mehr tragen und uns
besser verteidigen! Du musst nicht alles alleine machen! Ich bin fr dich da! Du musst es nur
zulassen!
Lea biss sich auf die Lippe. Nun gut ... wenn du unbedingt mchtest, dann soll es so sein.
Dann kommst du morgen einfach mit. Unwillkrlich musste sie lcheln, als sich Andreas
Gesicht aufhellte.
Du siehst mde aus. und Sorge lag in seinen Worten. Mit einem Klopfen deutete er ihr,
sich neben ihn zu setzen. Das Feldbett, dieses klapprige Etwas, sah mit einem Mal
unglaublich verlockend aus. Ihr erster Impuls war es zu widersprechen, etwas anderes zu tun.
Doch dann gab sie nach, lie sich neben ihm nieder. Mit geschlossenen Augen genoss sie
seine Hnde auf ihrer Haut. Die sanften Berhrungen. Die wohltuende Massage.
Langsam dmmerte sie in einen erholsamen Schlaf.
2.
Leas Krper protestierte, als sie langsam aufwachte und aufstehen wollte. Sie brauchte
einige Sekunden, kaum dass sie die Augen aufgeschlagen hatte, um sich zu orientieren. Nacht
fr Nacht trumte sie denselben Traum. Sie trumte von dem Tag, als sich ihr Leben fr
immer vernderte. Als sich das Leben aller fr immer vernderte. Sie trumte vom Ausbruch
der Epidemie.
Sie schttelte den Kopf. Heute, nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich von so
etwas ablenken zu lassen. Nicht, wenn ihr nur wenig Zeit blieb, um ihr Geheimnis vor
Andreas zu bewahren. Vorsichtig nahm sie seinen Arm von ihrer Hfte und legte ihn auf die
Decke. Bemht, ihn nicht zu wecken, stand sie auf. Als das Feldbett quietschte, blieb ihr Herz
einen Augenblick stehen. Doch Andreas gab einen lauten Schnarcher von sich -und Lea stie
einen Seufzer der Erleichterung aus. Leise schlich sie zu den Monitoren, ffnete die
Schublade und zog aus einem prparierten Buch ein Walkie-Talkie hervor. Immer wieder warf
sie Andreas einen prfenden Blick zu - wenn er sie erwischte, wrde sie in Schwierigkeiten
stecken. Wie zum Geier sollte sie ihm das auch erklren?
Lea biss sich auf die Lippe. Diese Heimlichtuerei ging ihr einfach gegen den Strich. Es
war einfach nichts, was sie gerne tat. Du schaffst das! Andreas wrde es niemals verstehen
und du -du steckst da einfach zu tief drin! Suchend wanderte ihr Blick durch den Raum, der
nur sprlich durch die hereinfallenden Sonnenstrahlen erhellt wurde. Grau in grau -immer
wieder ein Abenteuer sich hier zurechtzufinden. Lea schlich vorsichtig zur Tr, betete, dass
Andreas vom Quietschen nicht aufwachen wrde, und drckte den Knopf. Langsam, qulend
langsam schwang die Sicherheitstr auf, natrlich nicht ohne schrille Tne von sich zu geben.
Schnell schlpfte Lea durch den Spalt, drckte hastig die Zahlenkombination -wobei sie sich
vor lauter Nervositt vertippte -und eilte den Korridor entlang, hinber zur Galerie. Das
Walkie-Talkie knackte, als Lea es einschaltete. Unangenehm laut hallte das Gerusch von den
Wnden wieder.
Lea?
Ein Lcheln erschien auf ihrem Gesicht, als sie Max Stimme erkannte.
Bin auf dem Weg. Tut mir leid, dass ich spt dran bin, aber ich habe ...
Lea schwieg und dachte kurz nach. Verschlafen. Weit ja, hab es nicht ganz einfach. Ich
bin gleich da. Treffen wir uns in der gyptischen Abteilung?
Bei deiner Stacheldrahtfalle? Ich bin auf dem Weg.
Mit einem Mal war ihr leichter ums Herz. Max, der Soldat, der an jenem Tag an ihrer
Seite gewesen war, als sie ihr den Vater nahmen. Max, der seitdem immer in Kontakt mit ihr
stand und ihr half, sie mit all dem zu versorgen, was man in den verlassenen Gebuden nicht
fand. Dafr verschaffte sie ihm gengend lebende Exemplare von ihnen. Eine Hand wscht
nun mal die andere.
Fuck!, fluchte sie, als sie um die Ecke bog und auf etwas Nassem ausrutschte. Was zur
Hlle? unter Schmerzen rappelte sie sich auf, rutschte immer wieder fast aus. Langsam
begriff sie, worin sie gelandet war. Rote, schon leicht geronnene Flssigkeit. Ein starker
Verwesungsgeruch und etwas, was seltsam s und verlockend roch. Blut. Das Blut eines
Infizierten. Angewidert robbte sie von der Blutlache weg, versuchte sich die blutgetrnkten
Hnde abzuwischen, doch ihre Jeans war ebenfalls getrnkt in Rot.
Alles in Ordnung bei dir? Max Stimme klang besorgt. Lea sah entschuldigend zu ihm
auf, whrend sie seine Hand ergriff und sich aufhelfen lie.
Ja. War nur etwas berraschend. Sie rmpfte die Nase. Klasse! Sie stank schon wieder
wie einer von ihnen. Super! Und wie erklr ich das Andreas? Ihnen scheint die
Stacheldrahtfalle einfach nicht zu bekommen.
Sieht ganz danach aus. Das Grinsen in Max Gesicht hellte Leas Stimmung auf.
Vorsichtig nherten sie sich dem leblosen Krper, der sich im berlebenskampf immer weiter
in den Stacheldraht verstrickt hatte. Leas Blick wanderte ber den Infizierten. Der Draht hatte
die Haut aufgerissen. Getrocknete Blutspuren zogen sich wie ein erschreckend faszinierendes
Muster ber seine fahle Haut. Immer wieder hrte man ein Tropfen -Blut floss noch immer
aus ihm. Seine Hnde hatten sich um die Stacheln gekrampft. Blutige Klumpen. Sein Bauch
war aufgerissen - Lea konnte seine Eingeweide sehen. Neben ihr konnte sie Max wrgen
hren.
Also ..., berlegte sie. Wre der da noch menschlich, wre er jetzt so was von tot.
Und seine Haut ist zu nichts zu gebrauchen!, fluchte sie innerlich. Aber bei denen wei man
ja nie. Immerhin haben sie frher als Veganer ja so ein gesundes, nachhaltiges Leben
gefhrt!
Max lachte. Das ist immernoch der geilste Witz an dieser Katastrophe. Veganer, die zu
Zombies wurden!
Ja, man kann das durchaus mit Humor sehen. Allerdings frag ich mich, wie das passieren
konnte. Wird Zeit, dass ihr endlich mal eine Antwort darauf findet.
Dafr bruchten wir die aber lebend.
Lea konnte nicht anders. Sie streckte Max die Zunge heraus. ich find das ja auch nicht
gut. Die Haut von dem ist zu nichts zu gebrauchen und sein Blut hat er ja auch frhlich ber
den Boden verteilt. Super Sache, sag ich dir! Voll toll frs Geschft! Sie seufzte. Ihre
Drahtfalle war effektiv, aber auch tzend, wenn es ums Aufrumen ging. Die Hautfetzen in
den Stacheln, das Blut -es war kein Spaziergang. Prfend wanderte ihr Blick ber die
Drahtseile, die an den Statuen des Anubis festgemacht waren. Glitzernd brach sich das
Sonnenlicht am Draht, der in feinen Kreuzmustern gespannt war. Egal, von welcher Seite die
Infizierten kamen, sie konnten dieser nicht ausweichen. Immerhin hatten Andreas und sie die
gyptische Abteilung so umgerumt, dass an jeder Ecke eine solche Falle angebracht werden
konnte und die wertvollen Kunstschtze Gnge bildeten, die einen Ausweg unmglich
machten. Max wusste Bescheid, Andreas auch - es war die einzige Falle, die sie ihm gezeigt
hatte. Mit gebtem Griff kletterte sie die Anubisstatue zu ihrer rechten hinauf und faste
vorsichtig an das Drahtnetz. Sie hatte gelernt, dass es nicht ntig war, beide Enden zu lsen.
Als sich die Spannung lste, musste sie sich zu r Seite drehen und ihr Gesicht schtzen. Wie
ein Peitschenhieb schlug der Draht aus, kratzte mit einem schaurigen Gerusch ber die
Statue.
Woah! Das war knapp! Wre schade um dein hbsches Gesicht gewesen.
Spar dir dein Sholzgeraspel und hilf mir lieber, grunzte sie und sprang von der
Statue. Ich brauch die Haut. Fr alle Flle. Sie kniete sich neben dem Zombie, beugte ihn
vorsichtig, um zu sehen, ob er noch lebte. Max, der mit geladener Waffe hinter ihr Stand, gab
Leas Sicherheit.
Krass! Ich htte auch vegan leben sollen! Htte mir als Teenager einiges an
Peinlichkeiten erspart. Pickel und so Scherze. Sie berhrte die weiche, makellose Haut des
Zombies. Es ist unglaublich, wie robust das Virus die Haut gemacht hat. Weich, geschmeidig
und robust. Das ideale Verbandsmaterial. Perfekt fr Taschen.
N bisschen eklig ist das schon, das ist dir bewusst?, hrte sie Max sagen, whrend sie
mit gebter Hand die Haut vom Fleisch trennte. Fasziniert starrte sie auf die Masse vor ihr.
Das Virus hatte die Muskeln schwarz gefrbt, die Adern durchsichtig werden lassen und dem
Duft einen verboten sen Duft verliehen. Unwillkrlich knurrte ihr Magen. Den jeder
Infizierte roch anders. Dieser hatte den Duft von Schokolade in seinem Blut. Von sndhaft
leckerer, verboten teurer Schokolade.
Lea?
Max, sei einfach still. Lea schloss die Augen, atmete durch den Mund, um Max nicht
weiter zu verstren, und arbeitete stumm weiter. Willst du das Fleisch mitnehmen? Knnte
ganz interessant sein. Viruszusammensetzung und so?
Also manchmal frag ich mich, wer du eigentlich bist. So jung, aber so abgeklrt und
wissenschaftlich versiert.
Mein Vater war Biologe, meine Mutter Chemikerin. Liegt mir im Blut. Lea faltete die
Haut vorsichtig zusammen und packte sie in eine Tasche. An der zerschlissenen Kleidung des
Zombies wischte sie ihr Messer sauber und stand auf. Fr einen kurzen Augenblick
flimmerten Punkte vor ihrem Auge. Ihr Krper protestierte. Sehnte sich nach dem Komfort
vergessener Tage. Sie schttelte Max Hand ab.
Kmmer dich um das da. Sie zeigte auf den Zombie. Du hast doch sicher wieder dein
kleines Fliewatt dabei. Ich helf dir auch, das, was von dem da brig ist, draufzupacken.
Aber wir mssen weiter.
Stillschweigend warf Max die berreste in einen Eimer, den er immer mitnahm, wenn er
Lea bei ihrer Beutesichtung begleitete.
Kannst du etwas Haut dran lassen? Mir gehen die Ausreden aus, warum ich immer
perfekt gehutete Kadaver mitbring.
Sei halt einmal im Leben kreativ! Lea grinste Aber in Ordnung. Ich versuch, daran zu
denken.
Max trug den Eimer mit einer Leichtigkeit, die Lea neidisch machte. Als nchstes gehen
wir ... Sie brach ab, berlegte. Zur Fallgrube im Foyer. Der sollte leben. Auer er hat sich
das Genick gebrochen. Glck fr mich, Pech fr dich.
Ne, lass lieber zum Fangnetz gehen. Die Schockimpulse sollten den Zombie auer
Gefecht haben. Du brauchst ja auch ein lebendes Exemplar oder?
N. Er sollte nur am Stck sein, sonst muss ich wieder so viel nhen. Beide lachten. So
makaber ihre Situation auch war, Max und sie verstanden es, trotz allem nicht den Humor zu
verlieren.
Wenn du meinst.Dann also ...?
Netz. Dann Grube. Sollte fr heute reichen.
Keine Lust mehr?
Doch Max! Knnte tagelang in toten Zombies rumwhlen! Voll mein Ding!
Kopfschttelnd lotste Lea Max Dur die Galerie. Hast du mir eigentlich etwas Benzin fr den
Notstromaggregat? Wird langsam knapp und ohne die berwachungskameras und die
Panzertr lebt es sich hier etwas zu abenteuerlich.
Ich finds immer noch nicht gut, dass du hier alleine bist. Dein Wissen wre so viel
ntzlicher und besser aufgehoben, wenn du mit uns zusammenarbeitest.
Ich bin ja nicht alleine. Lea verdrehte die Augen. Jedes Mal die gleiche Leier.
Langweilig!
Oh, super! Als ob der kleine Junge dich beschtzen kann! Lea, ich mach mir doch nur
Sorgen um dich!
Toll. Da bist du nicht der Einzige. Grndet doch einen Club.
Max stie sie gegen die Schulter, was Lea lediglich mit einem schwachen Lcheln
quittierte. Die Stimmung zwischen ihnen war gekippt. Das Schweigen war mehr als nur
bedrckend. In der menschenleeren Galerie wurde es dadurch nur noch gespenstischer und
ungemtlicher.
Pst! Hrst du das? Max war pltzlich stehen geblieben. Lea runzelte die Stirn. Lauschte
ebenfalls.
Was soll ...
PST!
Da! Jetzt hre ich es auch. Ein Schaben. Ein Knurren. Ein Schrei. Protestierend. Klagend.
Wtend. Einer von ihnen. Ein Zombie.
Sieht nicht so aus als wre er sonderlich von den Schocks beeindruckt, murmelte Max.
Lea lie ihre Fingerknchel knacken, zckte ihre rustikale Machete und wog sie prfend
in der Hand.
Ehrlich? Das Ding immer noch keine Schusswaffe?
Nicht, wenn ich hier drinnen unterwegs bin.
Na, ein Glck hast du mich.
Mit den Waffen in der Hand, angriffsbereit und mit dem Schlimmsten rechnend gingen sie
vorsichtig vorwrts. Das Netz mit den Schockimpulsen befand sich mitten zwischen der
gyptischen und griechischen Abteilung. Die Gtter des Olymps und der Sonnengott der
gypter lchelten auf den Infizierten, der sich mit aller Macht gegen das schwere, metallene
Netz wehrte. Sein Gesicht wies Schrammen auf; tiefe Furchen, aus denen noch immer dunkles
Blut floss. Die Augen weit aufgerissen, purer Wahnsinn, blaute Gier gemischt mit einer Wut,
die schlicht angsteinflend war. Der Mund war zu einer grotesken Fratze verzerrt, Geifer lief
ihm aus den Mundwinkeln, sein Zahnfleisch blutete. Er musste resende Schmerzen leiden,
dachte sich Lea und verstrkte den Griff um ihre Machete. Seine Finger rissen am Netz,
gutturale Laute erfllt von Schmerzen drangen aus seinem Mund. Lea schluckte. Gegen ihren
Willen war sie fasziniert. Das Virus, die Mutation hatte aus den Veganern etwas gemacht, was
auf morbide Art schn war: makellose Haut, unbndige Kraft -animalisch und unbndig.
Etwas, worauf man als Frau stehen knnte, wre da nicht ihr Drang alles Menschliche zu
tten und zu fressen.
Den kann ich nicht am Leben lassen. So wie der drauf ist, pfeift der auf die
Betubungspfeile.
Das ist gut mglich, murmelte Lea. Angst ergriff sie. Ihr Puls beschleunigte sich.
Adrenalin wurde durch ihren Krper gepumpt. Shit! Das wird nicht einfach. Der ist ja vllig
rasend! Max wollte sich an Lea vorbei schieben, als diese ihm einen warnenden Blick
schenkte. Mit gengend Abstand zwischen sich und dem Netz ging Lea um den Infizierten
herum. Sie gab Max ein Handzeichen, baute darauf, dass er schnell genug reagierte, und
deaktivierte dann die Schockimpulse.
Fast im selben Augenblick schoss der Zombie auf sie zu; Hunger, unsglicher Hunger in
seinen Augen. Leas Welt stand eine Sekunde lang still. Wie in Zeitlupe sah sie, wie der
Infizierte sich trotz der Last des Netzes auf sie zurannte, die Finger wie Klauen nach ihr
ausgestreckt. Sie verstrkte noch hrter den Griff um die Machete, stellte sich kampfbereit
hin, sicherte ihren Stand. Heute wrde sie nicht sterben schwor sie sich.
Ein Schuss ertnte. Ein Pfeil steckte im Hals des Infizierten. Noch ein Schuss folgte. Ein
weiter Pfeil. Der Infizierte schien davon unbeeindruckt zu sein. Im Gegenteil. Er schien noch
mehr in Raserei zu verfallen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Angst kroch ihr den Nacken
hinauf.
Wieder brach ein Schuss los. Und noch einer. Pfeil fr Pfeil. Sie steckten seitlich in
seinem Hals. Das Licht brach sich an den metallenen Spitzen und Lea fhlte sich an einen
alten Actionfilm erinnert, in denen die Betubungspfeile noch mit bunten Federn versehen
waren.
Der Zombie wurde langsamer, seine Bewegungen wirkten abgehakt, doch er hielt sich
noch immer auf den Beinen.
Ein weiterer Schuss. Blut spritzte. Der Infizierte strauchelte. Fiel. Fuhr mit den
Fingerngeln ber den glatten Boden. Schleifte sich zu Lea. Max schoss erneut. Dieses Mal
nicht in den Hals, sondern in den Arm. Ein furchterregendes Kreischen erfllte die Luft. Der
se Geruch nach Zuckerwatte breitete sich aus. Lea leckte sich die Lippen. Erinnerungen
drohten sie zu bermannen. Und Hunger.
Was stimmt nur nicht mit mir?, murmelte sie, die Augen unablssig auf den Zombie
gerichtet.
Hast du was gesagt? Max klang angespannt. Ein kurzer Blick gengte, um zu erkennen,
dass er sich auf den Zombie konzentrierte und trotzdem versuchte ihr Aufmerksamkeit zu
schenken. Der Zwiespalt spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Gegen ihren Willen war
Lea gerhrt. Bevor sie etwas antworten konnte, schrie der Infizierte schrill und
durchdringend. Ein Ausdruck unverhohlener Wut und Frustration. Die Finger immer wieder
hilflos in den glatten Boden krallend, dem Marmor mit Blut bedeckend bot er ein
jmmerliches Bild. Knochen splitterten, als er mit den Hnden auf den Boden hmmerte.
Brachen durch die Haut.
Lea wrgte. Max sprang in dem Moment vor, als die Wirkung des Betubungsmittel zu
wirken schien und der Zombie leblos zusammensackte. Es klickte -Lea wusste, dass Max dem
Infizierten ein Impulsband um den Hals gelegt hatte, dass das zentrale Nervensystem
ausschaltete.
Himmel! Der hat Kampfgeist! Da werden sich die Kitteltrger im Freuen!, murmelte
Max. Lea schttelte sich, der Schreck sa ihr noch in den Gliedern. Whrend Max den
Infizierten schulterte, baute Lea die Falle wieder auf. Vorsichtig aktivierte sie den
Schockimpuls, das surrende Gerusch beruhigte sie.
Danke noch mal fr den krassen Akku! Das Ding hat echt ne lange Lebensdauer!, rief
sie, whrend sie vorsichtig von Apollos Schulter kletterte. Der Bewegungsmelder, der die
Falle auslste, war noch deaktiviert. Ungeduldig wartete sie, bis Max auer Reichweite war,
bevor sie sich ebenfalls entfernte und die Falle aktivierte. Nicht ohne Stolz musterte sie ihr
Werk und htte sich am liebsten selbst auf die Schulter geklopft.
Deinen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck nach bewunderst du gerade deine eigene
Arbeit. Ist ja auch echt toll geworden, aber ich wrde sagen, wir bewegen uns mal zur
Fallgrube, bevor der da ..., Max deutete auf seine Schulter, beschliet, dass meine Schulter
zum Anbeien ist. Du kannst dich nachher immernoch selbst beweihruchern.
Lea zog den Kopf ein. Die Gerusche, die aus der Fallgrube drangen, bedeuteten nichts
Gutes. Es waren nmlich keine. Die Stille weckte eine Unruhe in ihr, die sie wahnsinnig
machte. Ungewissheit, Angst, Wut - eine gefhrliche Mischung. Eine Mischung, die sie alle
Vorsicht vergessen lassen knnte. Nicht zum ersten Mal war Lea ber Max Anwesenheit
dankbar. Er wrde Schlimmeres verhindern.
Das ist gar nicht gut, raunte Max, whrend er zu den Zombie zu Boden gleiten lie. Lea
sah, wie er sich vergewisserte, dass der Infizierte noch ein Weile schlummern wrde, und
zckte seine Waffe. Lea biss sich auf die Lippe, zog mehr widerwillig ihre Machete und trat in
die Grube. An sich war diese Falle nichts, was die Infizierten davon abhielt, das Innere der
Galerie zu strmen, doch die glatten Wnde und die Unfhigkeit, sich zu kontrollieren,
machte es den Infizierten unmglich, sich zu befreien. Einen Herzschlag lang gnnte sie sich
den Luxus und schloss die Augen, bevor sie sich vorsichtig ber den Rand beugte. Wachsam,
einen tiefen Atemzug nehmend starrte sie in die Grube.
Nichts.
Fassungslos wanderte ihr Blick von links nach rechts. Ihr Herz setzte einen Moment aus,
bevor es zu rasen begann. Ihre Gedanken berschlugen sich.
Wo ist er?, flsterte sie. Wo zum Geier ist er? Ihr Blick wanderte ber die
Blutspritzer, die sich am Rand entlang zogen. Fetzen von Kleidung lag am Boden.
Ist das ein Fingernagel? Lea ging in die Hocke, musterte das blutige, kleine Ding.
Scheie! Hat er sich mit aller Macht da rausgezogen? Lea schreckte zusammen, als
Max unvermittelt hinter sie trat. Fuck! Und jetzt?
Jetzt streunt hier in der Galerie ein Zombie herum. Hurra! Lea rieb sich mit der freien
Hand den Nasenrcken. Super! Das wird jetzt echt total lustig, das Andreas zu erklren.
Oder wir suchen ihn.
Oder wir lassen es, grunzte Lea. Ich muss noch zum Schwarzmarkt. Und Andreas
wartet. Gott, ich hasse es!
Lea, begann Max und klang dabei so seltsam, dass sie sich zu ihm umdrehte. Lass
mich dir helfen! Ich will nicht, dass dir etwas passiert!
Es wird schon nichts passieren. Ich pass ja auf. Du musst aufpassen, dass dein kleiner
Freund da hinten, Lea deutete mit dem Kopf zum bewusstlosen Infizierten, nicht aufwacht
und dir doch noch ans Leder Will. Ich komm zurecht. Halt mich einfach auf dem Laufenden,
was das Heilmittel angeht und besorg mir das Zeug, das ich dir aufgeschrieben hab, ansonsten
siehts bald mau aus. Dann behalt ich nmlich unsere Ex-Veganer fr.
Miststck!
Tu nicht so, als wrde dich das berraschen, grinste sie, richtete ihre Tasche, in der
Blutbeutel und Hautfetzen waren, und stie einen Seufzer aus. Lass aber das Walkie-Talkie
noch an. Nur fr den Fall der Flle.
Aber ...
Nichts aber! Geh! Es wird schon nichts passieren. Bin ja nicht unbewaffnet.
Lea schttelte den Kopf und ging an Max vorbei. Sie machte sich nicht die Mhe, die
Fallgrube neu zu prparieren. Das war nicht ntig. Auf kurz oderlang landete immer einer der
Zombies darin - getrieben von Gier, Hunger und anderen, niederen Instinkten. Allerdings war
ihr ziemlich mulmig zumute - was, wenn sie den Infizierten nicht fand? Was, wenn er sie
berwltigen konnte? Sie biss sich auf die Lippe, verbot sich jeglichen Gedanken in diese
Richtung. Sie sprte, dass Max sie beobachtete, und schenkte ihm ein beruhigendes Lcheln.
Zumindest hoffte sie, dass es ihn beruhigte.
Ihr Herz schlug noch immer wie wild in ihrer Brust, ihr Puls raste, als sie die Korridore
zum berwachungsraum entlang ging. Vorsichtig bewegte sie sich vorwrts, die Angst stets
im Nacken. Die Hand fest um den Griff ihrer Machete geklammert, schlich sie ins
Direktionsgebude hinber. Das Rauschen ihres Blutes und das wilde Pochen ihres Herzens
waren die einzigen Gerusche, die sie hrte. Gleich. Gleich hatte sie es geschafft.
Lea? Laut hallte ihr Name durch den Korridor. Das Knacken des Walkie-Talkies lie sie
vo Schreck aufschreien. Fr einen kurzen Augenblick glaubte sie, ihr Herz wrde stillstehen.
Max, du Vollidiot!, fluchte sie in sich hinein.
Lea? Alles in Ordnung?
Man, Max! Ich htte beinahe einen Herzinfarkt bekommen! Ja, alles Okay, auer, dass
ich vor Schreck fast gestorben wre. Wegen dir. Nicht wegen dem Zombie! Sie schaltete das
Walkie-Talkie aus. Noch so ein Zwischenfall und der Zombie wrde sie gar nicht mehr
fressen wollen. Die stehen bekannterweise nicht auf totes Fleisch, murmelte sie vor sich hin
und schlich weiter. Den Atem anhaltend lauschte sie auf den entlaufenden Infizierten. Nichts.
Etwas leichter ums Herz eilte sie die Stufen zum Sicherheitsraum hinauf, als sie Schritte
hrte. Schritte die nher kamen. Scheie!, fuhr es ihr durch den Kopf.
Ihre Hand zitterte, als sie nach dem Walkie-Talkie griff.
Lea! Lea, alles in Ordnung? Ich hab dich schreien hren?
Beinahe htte sie Andreas den Kopf abgeschlagen, als er so unvermittelt vor ihr erschien.
Er konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, so dass die Klinge gegen die Wand krachte.
Meine Fresse, Lea! Was ist in dich gefahren? Andreas schien verstrt. Lea atmete tief
durch, bevor sie zu einer Erklrung ansetzte. Pltzlich fiel ihr etwas auf. Andreas, hast du die
Tr verriegelt?
Nein, schttelte er den Kopf. Ich hab mir zu groe Sorgen um dich gemacht, da hab
ich einfach nicht mehr dran gedacht.
Lea blieb die Spucke weg. Sie war sprachlos. Mit einem Laut der Verzweiflung hechtete
sie zu dem Raum hinauf und blieb zitternd vor der weit geffneten Tr stehen. Die Machete
fest umklammert betrat sie vorsichtig das einzige Zuhause, was ihr geblieben war.
Was ist los? Lea?
Einer ist entkommen. Einer ist tatschlich ausgebrochen!, war alles, was Lea bereit war
zu sagen.
3.
Im Schneidersitz an die Wand lehnend nhte Lea konzentriert mit den Hautfetzen einen
Umhang. Immer wieder entwich ihr ein Fluch, wenn sie sich stach oder sie abrutschte. Die
alten Umhnge hatte sie in das Blut des Infizierten gelegt. Eklig, aber nur so konnten sie noch
einmal genutzt werden. Den Blick Andreas auf sich sprend, arbeitete sie weiter. Nachdem
sie ihm das mit dem entflohenen Zombie gebeichtet hatte, erlitt Andreas eine Art Mini-
Nervenzusammenbruch. Es htte nicht viel gefehlt und er wre in Trnen ausgebrochen, da
war sie sich sicher.
Redest du irgendwann mal wieder mit mir?
Lea hob den Kopf. Andreas lehnte gegen das Kontrollpult, die Arme verschrnkt, den
Blick trotzig.
Du warst es doch, der vorgezogen hat, lieber hysterisch zu werden, als vernnftig zu
reagieren. Und ich verhandle nicht mit Terroristen! Sie sah, wie Andreas die Backen
aufblies. Ach, jetzt komm! Stell dich nicht so an! Das ist echt erbrmlich! Du weit genau,
dass ich es nicht aus Boshaftigkeit verschwiegen habe. Was glaubst du denn, wo ich die Hute
herhabe? Vom Zombie-Haut-Lederbaum? Lea zwang sich, tief durchzuatmen. Sie durfte ihre
eigene Panik, ihre Wut auf sich nicht an Andreas auslassen. Das war nicht fair.
Es tut mir leid! Ich wollte dich nicht anschreien. Ich htte dir frher von den Fallen
erzhlen sollen. Und nicht erst wenn einer entkommt.
Jetzt ist es hier halt nicht mehr sicher!, rief Andreas, und schlug mit der flachen Hand
auf die Tischplatte. Was hast du dir dabei gedacht?
Ich dachte, es wre viel lustiger hier, wenn eins dieser Wesen hier rumspringen wrde
und uns jederzeit angreifen kann! Ist doch vollkommen offensichtlich! Leas Stimme troff vor
Sarkasmus. Nein, ehrlich, es tut mir leid. Ich htte dir davon erzhlen mssen. Noch
whrend sie sich entschuldigte, beendete sie ihre Nharbeiten.
Nicht hbsch, aber es wird seinen Zweck erfllen Sie stand auf, streckte sich und
packte den Umhang in ihre Tasche. Dann zog sie die anderen beiden aus dem Eimer mit Blut
und schnupperte. Riechen ja fast wie neu!
Das ist sowas von widerlich!, bemerkte Andreas, bevor ihm Lea einen der
blutgetrnkten Umhnge zuwarf. Mit einem Aufschrei des Entsetzens sprang er zur Seite. Lea
sthnte genervt.
Das ist ekelhaft! Was soll ich damit?
Du wolltest mich doch begleiten. Du wolltest doch, dass ich die Streifzge nicht mehr
alleine mache. Also - hier. Anziehen. Mitkommen. Sie duldete keinen Widerspruch. Nicht,
nachdem Affentheater vorher. Nicht, nachdem er so gekmpft hatte, auf ihren Streifzgen
dabei zu sein. Lea beobachtete Andreas genau. Wenn er jetzt kneift, braucht er aber auch nicht
mehr jammern!
Ich soll mit? Whrend einer dieser ... whrend dieser Zombie hier, in der Galerie,
rumrennt? Bist du wahnsinnig? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das ist gefhrlich!
Das ist total dumm! Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Andreas Stimme war lauter
geworden, mit einem Unterton, der Lea Sorgen bereitete. Du glaubst, das alles ist ein groes
Abenteuer, nicht wahr? Du denkst nie ber Konsequenzen nach. Du machst, was du willst!
Ohne Rcksicht! Du machst einfach, was du willst! Ich komm fast um vor Sorge und du
machst einfach, was du willst! Bringst dich in Gefahr. Riskierst dein Leben. Streifst durch die
Stadt, plnderst, raubst, handelst und benimmst dich wie die Knigin von Stuttgart. Dabei
vergisst du aber, dass wir alle immer in Gefahr sind! Dass wir nur noch uns beide haben!
Die Zombies, der Schwarzmarkt - das alles ist falsch! Wir sollten aus der Stadt fliehen.
Wir sollten gehen. Einfach gehen. Neu anfangen. Wir wissen, dass sich der Ausbruch auf
Stuttgart beschrnkt - was spricht dagegen? Lea, das Leben hier Andreas breitete die Arme
aus und verzog das Gesicht, Das ist doch nichts fr uns!
Du weit genau, warum ich hier nicht weg kann! Ich kann es einfach nicht!
Du bist nicht fr die Leute auf dem Schwarzmarkt verantwortlich! Du kannst ihnen nicht
helfen! Lass sie hier leben, wenn sie es unbedingt wollen, aber las uns ein neues Leben
anfangen!
Nein! Nein, das kann ich nicht! Ich ... ich kann ihn nicht zurcklassen.
Du musst endlich aufhren, in der Vergangenheit zu leben! Du musst endlich damit
aufhren. Dein Vater ist tot und sich selbst zu opfern macht ihn auch nicht wieder lebendig!
Lea keuchte entsetzt auf. Andreas Worte trafen sie mitten ins Herz. Der Schmerz ber
den Verlust ihres Vaters schnrte ihr die Luft ab. Mit aller Macht unterdrckte sie die Trnen,
die sie zu bermannen drohten.
Lea, es tut mir leid. Ich htte das nicht sagen sollen.
Sie biss sich auf die Lippe, unterdrckte den Zorn, der in ihr aufwallte. Dann komm mit.
Ich zeig dir all meine Fallen. Weise dich in das Leben ein, das ich bisher vor dir geheim
gehalten habe. Sie sah, wie Andreas erbleichte.
Wir gehen die Fallen durch, besuchen den Schwarzmarkt und suchen dann noch die
Huser ab. Dann gehen wir wieder heim und du wirst sehen, dass es halb so schlimm ist, wie
du denkst. Es ist vielleicht nicht schn oder einfach, aber es gibt keinen Grund verngstigt zu
sein.
Und warum hast du mir nicht frher davon erzhlt? Wenn es doch so ungefhrlich ist ?
Ich habe gesagt, dass es ungefhrlich ist. Nur nicht bengstigend. Ein breites Grinsen
stahl sich auf ihr Gesicht.
Willst du mich verarschen?, fuhr Andreas sie an.
Komm halt mit und berzeug dich selbst.
Er war nur widerwillig mitgekommen, dessen war sich Lea bewusst, aber dennoch fhlte
sie sich mit Andreas an ihrer Seite sicherer als alleine. Mit Max war es zwar wieder etwas
anderes, aber man konnte eben nicht alles haben. Andreas schien nervs. Er atmete laut und
heftig, was an leas Nerven zerrte. Doch mit Mhe bewahrte sie Ruhe. Sie waren noch nicht an
der ersten Falle angekommen, als es ihr reichte.
Wutschnaubend blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um.
Kannst du mal aufhren, wie eine Dampfwalze zu schnaufen? Willst du den Zombie
herlocken? Es reicht ja schon, dass wir beide trampeln wie eine ausgewachsene
Elefantenherde. Da mssen wir ja nicht noch mehr Lrm verursachen! Himmel! Lea rieb
sich die Schlfen.
Andreas schien eingeschnappt. Er verschrnkte die Arme vor der Brust und sah
demonstrativ an ihr vorbei. Sie beobachtete sein Mienenspiel. Den verbissenen Ausdruck.
Den Wechsel von rger zu Frustration zu Trotz.
Okay, es tut mir leid, entschuldigte sich Lea. Wie oft soll ich mich denn noch
entschuldigen? Ich habs nicht so gemeint, aber es ist wirklich wichtig, leise zu sein.
Verstehst du das?
Bin ja nicht bld, presste Andreas leise hervor, ohne die Zhne auseinanderzunehmen.
Dann ist ja gut. Schweigend gingen sie weiter. Trotz aller Vorsicht hallten ihre Schritte
von den Wnden wider. Lea unterdrckte ein Seufzen. Irgendwie nervte sie das mehr, als
wenn sie mit Max unterwegs war. In Andreas Gegenwart nervte sie nahezu alles. Und
Andreas schien es zu merken. Die Stimmung zwischen ihnen war mehr als angespannt und
Leas schlechtes Gewissen schrie frmlich bei jedem Wort auf. Doch sie konnte nicht anders.
Andreas war ich Ventil, ihr Boxsack.
Woah! Das da hast du konstruiert? Das da?!
Unwillkrlich musste Lea lcheln. Die Bewunderung und das Erstaunen in seiner Stimme
tat ihr gut. Mehr als das. Es besnftigte sie und mit Stolz erklrte sie ihm die
Stacheldrahtfalle.
Du siehst - die Drhte, also die Drahtseile sind an den beiden gyptischen Statuen
festgemacht und voll durchgespannt. Mssen sie auch, weil ich den Stacheldraht da aufhng -
war eine Heidenarbeit, den zum Netz zu flechten! Und wie di siehst, zieht sich das durch den
Gang, so dass die Infizierten nirgends sonst durch Knnen. Die haben keine Wahl.
Ist das rote ...
Das ist Blut. Ich wasch den Draht recht selten. Lea schnaubte amsiert.
Labyrinth teil der raus ist.
Du weit, dass ich die Zombies mit Absicht einfange oder? Dass ich sie ans Militr
ausliefer und ihnen die Haut abzieh? Dass ich uns dadurch ernhre? Was glaubst du, woher
die ganzen Sachen kommen? Glaubst du, die fallen einfach so vom Himmel? Lea konnte
nicht anders. Sie lachte. Andreas, alles, was ich hier an Fallen aufgebaut habe, dient nicht
nur zum Schutz, sondern auch um damit zu handeln. Mit den Krper der Zombies zu handeln.
Das Militr freut sich. Der Schwarzmarkt freut sich. Wir freuen uns.
Das ist doch total krank! Und gefhrlich! Aber hauptschlich krank! Das waren einmal
Menschen!
Hat ja auch keiner behauptet, dass es ein totaler Spa wre und das einfach nur ein
unglaublich befriedigendes Vergngen darstellt. Profit, berleben - solche Sachen.
Andreas wandte sich abrupt ab. Lea starrte ihm verwundert nach, whrend er den Korridor
entlang ging, sich immer weiter von ihr entfernte.
Andreas! Warte! Sie eilte ihm hinterher.
Du hast mir das die ganze Zeit verheimlicht. Die ganze Zeit! Du hast die mit Absicht
hierher geholt, um sie zu fangen! Du bist doch sowas von krank! Und ich dachte immer, du
machst das zu unserem Schutz. Das Blut. Die Umhnge. Dabei gings dir immer nur um
Profit, Vorteile. Du bist genauso ...
HALT! Du hast doch auch davon profitiert! Deinen Vorteil draus gezogen! Ich habe es
dir immer nur verschwiegen, weil ... weil ich mir sicher war, du wrdest es nicht verstehen.
Wrdest dagegen wettern. Meckern. Aber du kannst und wirst es nicht ndern. Ja, ich jage sie.
Ja, ich verkaufe sie. Und wenn du mich dabei nicht untersttzt, dann soll es so sein. Dann geh
und komm nie wieder. Geh! Flieh! Ich bleibe! Ich werde helfen, ein Gegenmittel zu finden.
Und wenn du lieber fliehen mchtest, lass dich von mir nicht aufhalten!
Du glaubst wirklich, die finden ein Heilmittel? Das ist ... erstaunlich naiv! Andreas
schien berrascht. Ihr entging sein musternder Blick nicht, der ihr Gesicht abzutasten schien.
Oh, Lea! Sie konnte das Mitgefhl, das er fr ihre Hoffnung empfand, frmlich spren.
Ja, ich glaube daran.
Dann zeig mir alles. Ich kann dich ja wohl schlecht allein lassen. Zu zweit schaffen wir
mehr! Wir knnen schneller sein! Mehr Fallen bauen. Mehr fangen ich lasse dich nicht allein.
Familie hlt zusammen! Immer!
Erleichterung durchstrmte Lea. Ein Stein fiel ihr vom Herzen und sie atmete erleichtert
aus. Sie griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich.
Schau, wie ich dir schon gezeigt hab, ist das Netz da oben aufgehangen. Und
normalerweise leben die Infizierten dann noch.
Normalerweise?
Ja, manchmal, tten sie sich im berlebenskampf. Aber das Netz ist klasse! Die kommen
da nie raus. Lea grinste. Andreas wrde Augen machen, wenn er die anderen Fallen sehen
wrde. Vielleicht nicht gerade bei der Fallgrube, aber definitiv bei der Schockimpulsfalle.
Selbst die Teslafalle hatte ihn schon vollends umgehauen und da hatte sie seine Hilfe beim
Bau bentigt.
Und was zeigst du mir als Nchstes? Seine Worte hallten erneut unnatrlich laut von
den Wnden wieder. Und wieder runzelte Lea die Stirn. Aber sie schwieg. Sie wollte keinen
neuen rger provozieren.
Ich, Lea schloss den Mund, bevor sie ihren Satz beenden konnte. Den Kopf geneigt,
lauschte sie angestrengt. Schritte. Sie glaubte, Schritte zu hren.
Was ist?
Pst! Ich glaube, ich hre was. Sie wiegte ihre Machete in der Hand. Du hast eine
Waffe dabei, wie ich's dir gesagt hab?
Zur Antwort lud Andreas die Schrotflinte durch.
Gut. Du weit - fr den Fall der Flle.
Vorsichtig gingen sie weiter, sorgsam darauf achtend so leise wie mglich zu sein. Das
Sonnenlicht brach sich an den goldenen Statuen, leuchtete hell auf dem weien marmornen
Boden, blendete sie manches Mals. Lea wusste, dass ihnen nicht viel Zeit blieb, um alle
Fallen zu besichtigen, den Markt zu besuchen und auf Beutesuche zu gehen. Muss wohl schon
Mittag sein, dachte sie. Ein beklemmendes Gefhl breitet sich in ihr aus. Angst kroch ihren
Nacken hinauf. Etwas stimmte nicht, aber sie konnte beim besten Willen nicht sagen, was.
Als sie an den Gtterstatuen ankamen, war sich Lea sicher, beobachtet zu werden.
Verunsichert sah sie sich um. Langsam, aber sicher wurde sie wohl paranoid. Sie warf einen
letzten Blick ber die Schulter, dann widmete sie sich der Falle.
Also, begann sie. Du siehst da oben die beiden Haken, die diagonal laufen und an
denen ein Netz hngt, richtig? Das ist auch ein Netz. Durch einen Bewegungsmelder, Lea
deutete an den Scheinwerfer neben dem gyptischen Sonnengott, wird die Falle ausgelst
und das Netz fllt auf den Zombie. Durch einen Sensor, den ich mir vom Militr ertauscht
habe, aktiviert sich eine Art Motor und jagt Elektroschocks ber das Netz und dann direkt in
die Zombies. Und wenn ich Elektroschocks sag mein ich Starkstrom. Ich habe mir zwei
Elektroschocker ausgesucht, die auf der Polizeistation rumlagen und mit etwas Bastelarbeit ist
daraus ein automatischer Mechanismus entstanden. Und die Akkus fr den Motor sind krass!
Die halten so lang! Unglaublich! Das hat mich echt berrascht!
Andreas lchelte. Er deutete auf einen Haken an der Decke. Und wofr ist der da?
Das ist so ein Greifer aus diesen doofen Automaten, bei denen man sich ein Plschtier
angelt. Der lsst das Netz runter, bleibt aber dran, damit ich es mit dem Drahtseil wieder
hochziehen kann. Die beiden Haken bei den Statuen lsen sich vom Netz, das ist immer eine
total eklige Fummelarbeit. Vor allem wenn man unabsichtlich den Bewegungsmelder wieder
auslst. Lea schnitt eine Grimasse. Das kommt fters vor, als mir lieb ist.
Aber hier lebt der Zombie auch noch?
Jep. Aber die Elektroschocks knocken den aus. Das packt keiner! Und falls doch, hab ich
Beruhigungspfeile. Und Hilfe.
Hilfe von wem? Mit einem Mal klang Andreas misstrauisch. Lea glaubte, Eifersucht in
seiner Stimme zu hren.
Einem Soldaten. Der in das alles eingeweiht ist. Mein Tauschpartner.
So, jetzt ist es raus, dachte sie.
Ein Soldat. Der wahrscheinlich in alles eingeweiht war, richtig? Der von Anfang an
Bescheid wusste, nicht wahr?
Lea schloss geqult die Augen. Andreas reagierte auf Max genauso, wie sie es erwartet
hatte.
Ja. Aber nicht, weil ich dir nicht vertraue, sondern weil er meine einzige Verbindung zum
Militr darstellt! Er ist mein Kontaktmann. Mehr nicht. Kein Grund, jetzt am Rad zu drehen!
Ich drehe nicht am Rad! Es ist gut zu wissen, wo ich stehe! Vielen Dank auch!
Er war eingeschnappt, das war nicht zu bersehen oder zu berhren. Lea seufzte, wollte
aber nicht darauf eingehen. Stattdessen ging sie weiter, sorgsam darauf bedacht, den
Bewegungsmelder nicht auszulsen. Sie hoffte, dass auch Andreas genug Verstand besa und
ebenfalls daran dachte, sich vorsichtig zu entfernen. Wenn nicht, wrde er es eben auf eine
sehr schmerzhafte Weie lernen.
Warte! Verdammt! Lass mich hier nicht so stehen! Andreas rannte ihr nach, seine
Schritte unangenehm laut. Mal wieder. Man! Lea!
Was? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit! Nachts sind sie strker, aktiver. Also komm.
Auer du kneifst feige. Gehobene Augenbraue, schiefes Lcheln - Andreas sprang sofort an.
Beeindruckend, wie leicht man ihn manipulieren kann!
Die nchste Falle ist simpel. Es ist nur eine Fallgrube, keuchte Lea auer Atem. Sie
sprintete durch die Galerie, hinber zum Eingang. Andreas hatte offensichtlich Mhe
mitzuhalten. Er keuchte mehr als sie, fiel immer wieder zurck.
Auf, auf! Bevor der Zombie kommt und dich frisst!
Nicht lustig!, fauchte Andreas atemlos. Lea kicherte, doch die Atemlosigkeit lie sie
husten.
Schlitternd kamen beide vor der Grube zum Stehen. Lea wrgte, der Geruch von
Verwesung und etwas Sem lag in der Luft. Der ausgerissene Fingernagel, die Blutspuren
am Rand der Grube - Lea schluckte trocken. Der Anblick war alles andere als beruhigend.
Woah, ist er hier rausgekommen? Krass!
Jep. Ein besonders tolles Exemplar. Wie sie funktioniert, muss ich dir ja nicht sagen. In
ihrer Gier sind sie nicht in der Lage, der Falle auszuweichen. Narrensicher, aber manchmal
wohl nicht so effektiv wie gedacht. Dass da einer echt rausklettern kann, damit hab ich nicht
gerechnet, gestand Lea zerknirscht. Es war ihr unangenehm, zuzugeben, dass ihr einer der
Zombies entkommen war.Keine Schwche zeigen, kein Versagen zulassen. Beides machte nur
angreifbar. Und angreifbar sein konnte sie sich einfach nicht erlauben.
Und jetzt? Noch mehr Fallen?, fragte Andreas in diesem Moment und durchbrach das
bedrckende Schweigen. Lea schttelte den Kopf.
Ne, nur noch die, die du kennst. Mir war das, ehrlich gesagt, zu heikel mit mehr als drei
Zombies zu tun zu haben. Ich mein, mein Kontaktmann kann auch nur einen mitnehmen und
mehr als zwei will ich auch nicht ausnehmen. Lea schttelte sich. Ne, drei der Fallen
reichen. Zumindest hier in der Galerie. Und die Tesla-Falle drauen brutzelt ja sowieso alles
weg, was sie erwischt. Da bleibt meistens nicht einmal ein Hufchen Asche brig.
Naja, also mit einem werden wir schon fertig, glaub ich. Sind ja zu zweit. Andreas
klang optimistischer, als sie sich fhlte. Aufmunternd, obwohl er Angst hatte, wie sie wusste.
Sie schenkte ihm, zumindest hoffte sie das, ein strahlendes Lcheln und umrundete vorsichtig
die Fallgrube.
Wie hast du die eigentlich ausgehoben? Die ist ja schon tief. Andreas beugte sich ber
den Rand.
Frher, falls du dich erinnerst, war hier eine Art Glitzer-Zier-Teich. Mit Wasser und
seltsamen Swarowski-Statuen, Strass-Kois. Japanischer Zenteich. Schwachsinnig, wenn du
mich fragst, aber die Leute standen drauf. Ich hab das Wasser abgelassen und die Statuen
rausgenommen. Bringen leider absolut nichts auf dem Schwarzmarkt. Braucht ja auch
keiner. Sie kramte in ihrer Tasche und zog ihren Umhang heraus. Das war brigens unser
Stichwort. Auf, auf! Der Schwarzmarkt wartet.