7
F ür ein Ehepaar und seine zwei Kin- der sollte ein Familienbad entwor- fen werden. Es galt ganz ver- schiedene Interessen unter einen Hut zu bekommen. Dass beide Erwachsene ihre eigenen (Bad-)Plätze im neuen Badezimmer haben können, zeigte sich in zahlreichen Einsendungen und Vor- schlägen für unsere Familie. Natürlich gibt es sie noch, die klassische Familie mit Mutter, Vater und zwei Kin- dern: Für Mike (45), Corinna (42), Mareike (14) und Jenny (6) sollte ein neues Badezimmer geplant werden. Die meisten Teilnehmer haben sich für eine Lösung entschieden, in dem das große Familienbad für die beiden Erwachsen und das Gäste-WC für die beiden Mädchen vorgesehen wurde. Folgende Rahmenbedingungen für diesen Wett- bewerb waren vorgegeben: Der Grund- riss einer noch nicht bewohnten Eigen- tumswohnung mit einem großen Bade- zimmer und angrenzendem Wintergar- ten. In direkter Nachbarschaft zum Badezimmer liegt das Schlafzimmer. Was die Gestaltung anbelangt, gehen die Vorstellungen von Corinna und Mike ein wenig auseinander. Mike legt großen Wert auf ein „architektonisches Ambiente“. Corinna mixt mit Vorliebe Altes und Neues und achtet auf stim- mige Details sowie eine harmonische Integration in das Gesamtambiente der Wohnung. Die Jury erhielt zahlreiche geschmack- und stilvolle Entwürfe zu dieser Aufgabenstellung, die eindrucks- voll die Leistungsfähigkeit deutscher Badplaner widerspiegeln. Interessanter- weise hoben nur wenige auf eine Lö- sung ab, die Kommunikation und In- teraktion in den Vordergrund stellte. Wurde in der Kategorie der „Best Ager“ (SBZ 10/2004) die Kommunikation zwi- schen den Partnern und Freunden im Badezimmer groß geschrieben, schufen viele Teilnehmer für die Familie lieber ruhige Plätze und Lieblingsecken zum Abschalten vom hektischen Berufs- und Familienleben. Beide Gewinner-Ent- würfe haben die zielgruppenspezifi- schen Bedürfnisse erkannt und in einer kreativen Badplanung umgesetzt. Ale- xandra Dold entwarf ein stilvolles Bad- ambiente und schaffte die Gratwande- rung zwischen klassischen und moder- nen Ausstattungselementen. Tabea Schwedes gliederte den vorhandenen Raum neu auf und erfand ganz neben- bei neue Formen der Badkultur. SBZ 11/2004 1. Kreativ-Wettbewerb Die Gewinner: Kategorie „Klassische Familie“ Lieblingsecken und Göbek-tashi Initiative by

Lieblingsecken und Göbek-tashi€¦ · von Baulmann, jeweils etwas nach links ver-setzt über den Schalen montiert, geben ge-zieltes Licht für die Waschplätze. In der rechten Raumecke,

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Für ein Ehepaar und seine zwei Kin-der sollte ein Familienbad entwor-fen werden. Es galt ganz ver-schiedene Interessen unter einen Hut zubekommen. Dass beide Erwachseneihre eigenen (Bad-)Plätze im neuenBadezimmer haben können, zeigte sichin zahlreichen Einsendungen und Vor-schlägen für unsere Familie.Natürlich gibt es sie noch, die klassischeFamilie mit Mutter, Vater und zwei Kin-dern: Für Mike (45), Corinna (42),Mareike (14) und Jenny (6) sollte einneues Badezimmer geplant werden. Diemeisten Teilnehmer haben sich für eineLösung entschieden, in dem das große

    Familienbad für die beiden Erwachsenund das Gäste-WC für die beidenMädchen vorgesehen wurde. FolgendeRahmenbedingungen für diesen Wett-bewerb waren vorgegeben: Der Grund-riss einer noch nicht bewohnten Eigen-tumswohnung mit einem großen Bade-zimmer und angrenzendem Wintergar-ten. In direkter Nachbarschaft zumBadezimmer liegt das Schlafzimmer.Was die Gestaltung anbelangt, gehendie Vorstellungen von Corinna undMike ein wenig auseinander. Mike legtgroßen Wert auf ein „architektonischesAmbiente“. Corinna mixt mit VorliebeAltes und Neues und achtet auf stim-mige Details sowie eine harmonischeIntegration in das Gesamtambiente derWohnung. Die Jury erhielt zahlreichegeschmack- und stilvolle Entwürfe zudieser Aufgabenstellung, die eindrucks-voll die Leistungsfähigkeit deutscherBadplaner widerspiegeln. Interessanter-

    weise hoben nur wenige auf eine Lö-sung ab, die Kommunikation und In-teraktion in den Vordergrund stellte.Wurde in der Kategorie der „Best Ager“(SBZ 10/2004) die Kommunikation zwi-schen den Partnern und Freunden imBadezimmer groß geschrieben, schufenviele Teilnehmer für die Familie lieberruhige Plätze und Lieblingsecken zumAbschalten vom hektischen Berufs- undFamilienleben. Beide Gewinner-Ent-würfe haben die zielgruppenspezifi-schen Bedürfnisse erkannt und in einerkreativen Badplanung umgesetzt. Ale-xandra Dold entwarf ein stilvolles Bad-ambiente und schaffte die Gratwande-

    rung zwischen klassischen und moder-nen Ausstattungselementen. TabeaSchwedes gliederte den vorhandenenRaum neu auf und erfand ganz neben-bei neue Formen der Badkultur. ➔

    SBZ 11/2004

    1. Kreativ-WettbewerbDie Gewinner: Kategorie „Klassische Familie“

    Lieblingsecken und Göbek-tashi

    Initiative by

  • 28 SBZ 11/2004

    Gewinner der Kategorie „Familie“: Alexandra Dold

    Zwischen Tradition und Moderne

    Die Aufgabe war nicht einfach, und in derPraxis gestaltet sie sich nicht selten als un-dankbar, denn wer kann es schon allenrecht machen? Ein Badezimmer für eine Fa-milie mit zwei Kindern sollte entworfenwerden, in dem die recht unterschiedlichenBedürfnisse und Geschmackspräferenzenberücksichtigt werden. Den Brückenschlagzwischen alt und neu, zwischen techni-schem Komfort und Naturelementen, ge-nau das wollte Alexandra Dold mit diesemWettbewerbsentwurf erreichen. Die ge-lernte Bauzeichnerin ist seit zweieinhalb

    Jahren im SHK-Handwerksbetrieb Fleig-Versorgungstechnik in Hausach für die Bad-planung verantwortlich. Sie hat sich inten-siv mit der Beispielfamilie auseinanderge-setzt und kam zu dem Ergebnis, dass Er-wachsene und Kinder separate Badezimmerhaben sollten. Aufgrund der räumlichenGegebenheiten war diese Option prinzipiellgegeben, und so wurde kurzerhand dasGäste-WC zum Kinder-Badezimmer um-funktioniert. Bei der weiteren Planungkonnte sie sich somit auf das Badezimmervon Corinna und Mike konzentrieren, ohnejedoch die Familientauglichkeit ganz außerAcht zu lassen. Mike stellt sich einen re-präsentativen, designorientierten Stil vor,der durch funktionale und moderne Aus-stattungselemente erreicht werden kann.Corinnas bevorzugter Stil ist dagegen eherschlicht. Alexandra Dold interpretiert Co-rinnas Geschmackspräferenzen in Richtungrustikale Schlichtheit mit einer Prise Vin-

    tage. „Durch die Kombination der moder-nen Produkte und Materialien mit warmen,schlichten und antiken Teilen sollen sichbeide Nutzer wohl fühlen“, erklärt Alex-andra Dold und wagt die Gratwanderungzwischen Moderne und Tradition.

    Bade- und Schlafzimmer bilden nach Vor-stellung von Alexandra Dold eine Einheit.Von diesem großen Raum aus betritt manüber eine Stufe den erhöhten Badbereich.Ein mit Landhausdielen angedeuteter Holz-steg führt an einer Ovalwanne vorbei di-rekt auf den großzügig angelegten Wasch-

    In dem neuen Bad werden die Wünsche von Corinna und Mike berück-sichtigt und der designorientierte, architektonische Stil mit schlicht wir-kenden Naturmaterialien und Vintage-Elementen kombiniert

    Preisträgerin: Alex-andra Dold ist fürdie Badplanung beiFleig Versorgungs-technik in Hausachverantwortlich

  • SBZ 11/2004 29

    platz zu. Die zwei Waschschalen von Ala-pe sind auf einem individuell angefertigtenHolztisch mit einer Länge von 2,3 Meterplatziert und werden mit Einhebel-Wand-Waschtischarmaturen Meta.02 von Dorn-bracht kombiniert. Der linke Teil des Tisch-es schließt mit der linken Raumwand abund ist im unteren Teil mit einer Ablageund mit Körben versehen. Der einfacheSpiegel wird kombiniert mit einer kleinenGlasablage und verläuft über die gesamteLänge des Tisches. Zwei Hängeleuchtenvon Baulmann, jeweils etwas nach links ver-setzt über den Schalen montiert, geben ge-zieltes Licht für die Waschplätze. In derrechten Raumecke, vom Waschplatz abge-setzt durch den Wärmekörper Yucca von

    Zehnder, der hier als Raumtrenner einge-setzt wird, ist die Pharo-DampfduscheAquafun untergebracht. Mit einem Schen-kelmaß von rund einem Meter ragt dieDampfdusche zwar weit in den Raum hin-ein, durch die integrierten Schiebetürenkann man jedoch bequem ein- und austei-gen, ohne dass man darauf achten muss,mit den Türen irgendwo anzustoßen. Einweiteres dominierendes Gestaltungsele-ment sind die beiden klassischen Wäsche-schränke, die aussehen, als ob Corinna siein einem Antikladen entdeckt hätte. In demeinen ist die Stereoanlage verstaut – Mikeliebt es, im Badezimmer Musik zu hören –im zweiten können sämtliche Handtücherund Badeutensilien untergebracht werden.

    Damit man auch findet, was man sucht,leuchten zwei schwenkbare Decken-Ein-bauleuchten die Schränke aus. Das ThemaLicht erfährt im Entwurf von AlexandraDold insgesamt eine große Bedeutung. DasBad soll durch die Lichtgestaltung eine stim-mungsvolle und angenehme Atmosphäreerhalten. So sind zum Beispiel über der Ba-dewanne vier Einbauspots in der ab-gehängten Decke integriert. Bis auf die ge-flieste Wand bei der Badewanne ist die ge-samte Wandfläche mit einem feinen, cre-mefarbigen Edelputz gearbeitet.

    Die weniger wohnlichen Funktionen sindmit Toilette und Bidet aus dem eigentlichenBadezimmer ausgegliedert worden. Wand-WC und Bidet der Serie Starck 2 von Dura-vit befinden sich in einem neu eingezoge-nen, separaten Raum zwischen Bade-zimmer und Schlafzimmer. Der durch eineStufe erhöhte Intimbereich ist nur vom

    Alexandra Dold erzählt von Co-rinna, Mike, Mareike und Jenny

    Neben der eigentlichen Badplanung wa-ren die Wettbewerbsteilnehmer aufgefor-dert, die Geschichten rund um Corinnaund Mike weiterzuerzählen. AlexandraDold hob hierbei besonders auf die ganzunterschiedlichen Interessen der beidenFamilienmitglieder ab.„Für Corinna ist es schon Luxus, sich eineruhige Stunde im Bad zu gönnen, und

    zwar alleine, ohne Kinder. Das Schlafzim-mer jedoch vom Bad zu trennen, ver-schließt ihr viele Möglichkeiten der Ent-spannung und der Ruhe. Corinna findetErholung beim Baden, beim Dampfdu-schen, kann sich im Schlafzimmer oder aufder Récamiere ausruhen oder lesen. Dader Platz vor der großen Fensterfront nichtins Bad integriert wurde, kann sie sich hiernach ihren Vorstellungen und Wünscheneinrichten. Da in der Wohnung noch einzweites Bad vorhanden ist, wird diesesnach den Wünschen der Kinder einge-richtet. Somit müssen die Kinder nicht„ausgesperrt“ werden. Mike kann seineknapp bemessene Zeit am Wochenendezum Regenerieren nutzen, nach dem Jog-gen die Dampfdusche genießen und sichanschließend entspannen. In ihrem neuenBad werden die Wünsche von Corinna

    und Mike berücksichtigt und der design-orientierte, architektonische Stil mit Land-hausambiente kombiniert. Somit be-kommt Mike ein repräsentatives Bad nachseinen Vorstellungen und Corinna findetnoch ausreichend Platz, ihre gesammel-ten, originellen Deko-Teile aufzustellen,und bringt dadurch Wärme in den puris-tischen Stil. So bekommen auch Mike undCorinna ihr „eigenes Reich“.

    Weitere Informationen zur Firma Fleig-Versorgungstechnik gibt es unter www.fleig-klima.de

    Die zwei Waschschalen von Alape sind auf einem individuell angefertigten Holztisch mit einerLänge von 2,3 Meter platziert und werden mit Einhebel-Wand-Waschtischarmaturen Meta.02kombiniert

    Materialcollage: Brückenschlag zwischen altund neu, zwischen technischem Komfort undNaturelementen

  • 30 SBZ 11/2004

    Spezial

    Schlafraum zu betreten. Das Handwasch-becken ist eine Waschschale aus mattemEchtglas von Alape und steht auf einem ei-gens angefertigten Holzsockel. Der Bodenim Waschtischbereich besteht wieder ausLandhausdielen. Wände und Fußbodensind im WC-Bereich komplett mit Fliesenversehen. Weitere Accessoires, wie etwader von der Decke hängende Handtuch-halter Float von Dornbracht Interiors, run-den den Produktmix zwischen Moderneund Tradition ab. Im Übergangsbereichvom Bad ins Schlafzimmer können sich Co-rinna und Mike in einem raumhohen Spie-gel, umgeben von zwei Wandleuchten,ganz betrachten und vor dem Verlassen desHauses noch einen letzten Blick auf ihr Er-scheinungsbild werfen. Das Wohlfühlen sollnach der Auffassung von Alexandra Doldgroßgeschrieben werden. Dafür sollen nichtnur die Badewanne und die Dampfduschesorgen, sondern auch die mit einer Réca-miere ausgestattete Ruhezone im Winter-garten.

    Die Jury lobte den Entwurf von AlexandraDold aufgrund der schlüssigen Gesamtpla-nung und der geschmackvollen Stilausrich-tung für die angestrebte Zielgruppe. Be-sondere Beachtung fand das ausgetüftelteBeleuchtungskonzept sowie die herausra-gende zeichnerische Umsetzung. Ihre ers-ten Erfahrungen mit Badplanungen hatAlexandra Dold beim Keramikhersteller Du-ravit gemacht. Hier war sie für die Planungvon Kojen und Ausstellungsräumen ver-antwortlich. Doch die Aufgabe, Bäder fürkonkrete Menschen zu gestalten, erwiessich für die Schwarzwälderin als eine im-mer wieder befriedigende Herausforde-

    rung. Sie unterstützt mit ihren Entwürfendie rund 30 Mitarbeiter von Unterneh-mensinhaber Helmut Fleig. „Es war für michüberaus interessant, das Badezimmer vonCorinna und Mike zu planen, da beide sehrunterschiedliche Vorlieben und Ge-schmäcker haben. Außerdem reizte michdas große Badezimmer und die sich hier-aus ergebenen kreativen Möglichkeiten“,so Alexandra Dold über ihre Beweggründezur Wettbewerbsteilnahme. Ihre Ideen holtsie sich zum einen von den einschlägigenSanitärmessen oder Fachzeitschriften, ausWohn- und Lifestyle-Zeitschriften sowieaus gut gestalteten Schaufensterauslagen.Aber auch in ihren privaten künstlerischenArbeiten probiert sie immer wieder neueFarb- und Formzusammenstellungen aus.Sie geht davon aus, dass ihr Siegerentwurfin der Realisation rund 30 000 bis 40 000Euro kosten würde.

    Kontrastprogramm: Dominierendes Gestaltungselement sind die beiden antiken Wäscheschrän-ke, die ein Stück Individualität ins Bad bringen

    Wellnesswelten für Corinna und Mike: In der rechten Raumecke, vom Waschplatz abgesetztdurch den Wärmekörper Yucca von Zehnder, der als Raumtrenner eingesetzt wird, ist die Pha-ro Dampfdusche Aquafun untergebracht

    Das ThemaLicht erfährtim Entwurfvon Alex-andra Doldeine beson-dere Berück-sichtigung:Das Bad solldurch dieLichtgestal-tung einestimmungs-volle undangenehmeAtmosphäreerhalten

  • Gewinner der Kategorie „Familie“: Tabea Schwedes

    Badrituale im Cocoon der Moderne

    Tabea Schwedes von Badkultur, einer Filia-le des SHK-Traditionbetriebes Beuttenmül-ler in Stuttgart, entwarf für die beschriebe-ne Familie ein Badezimmer mit wohnlichenund räumlichen Qualitäten. Der vorgege-bene Grundriss der Etagenwohnung wurdevon Tabea Schwedes komplett überarbei-tet und in ein gleichmäßiges Gestaltungs-raster überführt. Badezimmer und Schlaf-zimmer sollen eine Einheit bilden. Auch ließsich die Innenarchitektin Schwedes von derThematik der Badrituale inspirieren und in-szenierte ein Badezimmer, das die ganz individuellen Bedürfnisse der Bewohner

    berücksichtigen soll. Das Badezimmer er-scheint als abgeschlossene Einheit in derWohnung, in dem die Familienmitgliederneue Energie und eine Steigerung der Le-bensqualität erfahren sollen. Architekto-nisch löst Schwedes diese Grundidee mitder Zweiteilung der Wohnung mittels ein-gezogener Wandelemente, die in Kombi-nation mit komplett den Raum untertei-lenden Schrankwänden den Raum in Zel-len unterteilen und das Bad von der restli-chen Wohnung abschotten. Die Wohnungwird in zwei große offene Bereiche geteilt:Auf der einen Seite der kommunikative, lau-te, öffentliche Bereich rund um die Küche,auf der anderen Seite der ruhige, gelasse-ne, langsame und intime Bereich mit demBadezimmer als Mittelpunkt. Ein Kinder-bzw. Gästebad ist das Bindeglied zwischenden beiden Bereichen. Der intime Bereichwird durch einen Ankleideraum bzw. eineGarderobe betreten. Hier werden die Schu-he ausgezogen, Filzpantoffeln sollen das

    Gefühl von „zuhause“ vermitteln. Der be-wusst gewählte schmale Durchgang in dasBade- bzw. Schlafzimmer soll das Nach-hausekommen in den Intimbereich unter-streichen. Ein zwischen den Schränken ein-gezogener Rahmen wird mit Filz bespanntund lässt nur eine schmale längliche Öff-nung, die wie eine Membran wirkt. Für denTransport von sperrigen Gegenständenkann der Durchgang erweitert werden. Derneu entstandene Raum ist querrechteckigund durch klare Bezugspunkte und Blick-achsen gegliedert. Der Bereich der Toiletteist noch einmal entrückt: Durch eine kleineTür in der Schrankfront gelangt man in dasseparate, kleine WC.

    32 SBZ 11/2004

    Preisträgerin: DieInnenarchitektinTabea Schwedesentwarf den „Le-bens-Raum“ fürCorinna, Mike,Mareike und Jenny

    Das Badezim-mer erscheintals abge-schlosseneEinheit in derWohnung, indem die Fami-lienmitgliederneue Energieund eine Stei-gerung der Le-bensqualitäterfahren sollen

  • Auf der Suche nach dem Bezugspunkt

    In der Mitte zweier Achsen befindet sichder eigentliche „Star“ des Entwurfes vonTabea Schwedes: Beim Göbek-tashi (tür-kisch: Nabel/Bauch/Zentrum) kreuzen sichdie Wege der Bewohner. Er ist ein beheiz-barer Marmorstein und soll als Zentrum desLebensraums der Familie dienen. Das Gö-bek-tashi kann als Badewanne, Sitzbank,Massageliege, Ruheliege, Rückenlehneoder Meditationszentrum genutzt werden.Die in Stein gefasste Wanne besitzt eineabsenkbare Steinplatte, die entweder alsWannenboden fungiert oder bündig mitder oberen Umrandung eine erhöhte Lie-gefläche für Massagen oder Waschungenbietet. Die Konstruktion bildet hier eine um-laufende Überlaufrinne rund um die Wan-ne aus. Im Boden befindet sich eine weite-re Ablaufrinne. Der dunkelbraune Jura-Öl-schiefer ist nach der Vorstellung vonSchwedes Blickpunkt und Symbol der Erd-verbundenheit und der Stärke. Da im All-tag von Corinna und Mike wenig Zeit fürsich selbst und für den Partner vorhandenist, sollen die Rituale rund um das Göbek-tashi neue Möglichkeiten der Kommunika-tion, des Rückzuges, der Erholung und derEntspannung bieten. „Rituale stärken denAlltag, schaffen ein neues Bewusstsein undhelfen in der Alltagshektik Akzente zu set-zen“, so die Gewinnerin Tabea Schwedesüber ihre innovative Produktidee. Die Stutt-garterin möchte die Badbenutzer mit derArchitektur und der Ausstattung animieren,Anwendungen im Badezimmer zu lernen:„Ich kann mir vorstellen, dass die beidenErwachsenen im Badezimmer Rituale er-

    fahren, wie etwa den Alltag abstreifen ander Pforte, den Tag im Sessel mit Blick nachOsten im Wintergarten beginnen, eine Wa-schung zelebrieren, gewaschen werden mitviel Schaum und mit einem Wasserschwallaus einem Eimer auf dem Göbek-tashi:“Direkt gegenüber dem Göbek-tashi befin-det sich das Bett der Eltern. In gleicher Ach-se befindet sich auf der gegenüberliegen-den Seite eine durch ein Wandelement be-grenzte, großzügige Dusche – das Paneelist ebenfalls aus dunkelbraunem Jura-Öl-schiefer –, die mit einer Tellerbrause vonDornbracht ausgestattet ist. An der Stirn-seite der Dusche findet sich ein Ofen, dermit einem Kaminfeuer eine warme Atmos-

    phäre bereiten kann. Neben der Dusche er-hält Mike seinen eigenen Waschplatz, dersehr spartanisch und auf das Wesentlichereduziert wurde. Wenn sich CorinnasHändchen für Kontrapunkte und „Gefun-denes“ in dem Entwurf auch wenig wie-derfinden, so räumte Schwedes ihren Be-dürfnissen nach Alleinsein einen umsogrößeren Raum ein: Der Wintergarten istCorinnas Rückzugswelt, in der andere Fa-milienmitglieder nichts zu suchen haben.Der lange Waschtisch aus hellem Eichen-holz kann nicht nur für die normale „Wä-sche“ genutzt werden, sondern kurzerhandauch als Arbeitsfläche. Optisch ins Freie ver-längert wird die Arbeitsfläche durch einenWaschtisch, der auf dem Balkon steht. Co-rinnas Welt kann mit einem breiten Vor-hang abgegrenzt werden, der nicht nur alsRaumteiler, sondern auch als Licht- undSchallschutz dient.

    Raumqualitäten im Lebens-Raum

    Der komplette „Lebens-Raum“ präsentiertsich in einem architektonischen, gradlinigenAmbiente in harmonischen Natursteinfar-ben. Der Putz aus Löschkalk und Marmor-pulver sowie Farberden soll eine leichtschattierende Oberfläche mit Tiefe an derWand erzeugen. Der Putz ist atmungsak-tiv, widerstandsfähig gegen Schimmelbefallsowie scheuerbeständig. Der leicht hell-graue Farbton soll dem Raum eine gewis-se Eleganz verleihen und steht im Einklangmit dem polierten Edelstahlrohr und den verchromten Armaturenoberflächen. Derdunklere Grauton an der Wandfläche hin-

    SBZ 11/2004 33

    Spezial

    Göbek-tashi (türkisch: Nabel/Bauch/Zentrum) ist ein beheizbarer Marmorstein, der als Zen-trum des Lebensraums der Familie dienen soll

    Männersache: Der Waschplatz für Mike ist auf das Wesentliche reduziert und für den schnel-len Start in den Tag entwickelt

  • ter dem Bett stärkt den Bewohnern optischden Rücken. Schwedes verwendete nur we-nige High-Tech-Materialien. SandfarbeneFeinsteinzeugfliesen im Format 30 × 60 cmsollen eine ruhige Bodenfläche bewirken.Die Pflanzkörbe und Tröge, die Bücher,Steine und Skulpturen auf Corinnas „Fens-terbrett“ sollen individuelle Highlights set-zen.

    Geschickte Lichtdramaturgie

    Die Spanndecke mit matter Oberfläche imHauptraum unterstreicht den Flächencha-rakter durch eine umlaufende Schattenfu-ge. Aus den Fugen scheinen durch ge-schickte Lichtdramaturgie regelrechte Licht-vorhänge an der Wand bei Mikes Wasch-platz hinab zu fallen. Wie zufällig verteilte,große runde Leuchten mit Dimm-Funktionschließen bündig mit der Deckenfläche abund wirken wie Guckfenster in den Himmel.Leuchten über dem Tisch im Wintergarten,in der Dusche und neben dem Waschtischsollen reichlich Licht für die jeweiligen Ak-tivitäten spenden. „Raumqualitäten kom-men in der heutigen Badplanung oft zukurz“ kritisiert Tabea Schwedes eine Grund-tendenz. Dass Schwedes mit dem gegebe-nen Raum virtuos umgegangen ist, hat dieJury mit der Auszeichnung anerkennen wol-len. Schwedes hat herausgearbeitet, dassFrauen und Männer ganz andere Bedürf-nisse im Intimbereich haben . . . und hatkonsequenterweise die Wege von Corinnaund Mike im Badezimmer klar getrennt.Ganz bewusst gesetzte Ritualstätten, wiedas innovative Göbek-tashi, bringen die Be-nutzer aber wieder zusammen. Die stilvolleZusammenstellung von Materialien, Bad-ausstattung, Farbe und Beleuchtung lässtein wirklich preiswürdiges Wohnbad ent-stehen. far

    Spezial

    Lieblingsecke: CorinnasBadwelt befindet sich imWintergarten und kannvom Badezimmer mit einem schweren Vorhang abgrenzt werden

    Tabea Schwedes erzählt von Corinna, Mike, Mareikeund Jenny

    Mit ihrem Wettbewerbsbeitrag reichteTabea Schwedes zahlreiche Grundrisse,Beleuchtungspläne, Collagen und Per-spektiven ein und beschrieb ausführlichdie Bedürfnisse und den Tagesablaufvon Corinna, Mike, Mareike und Jenny.Hier einige Ausschnitte aus ihren Auf-zeichnungen:„Corinna schläft in dem großen Bett aufder dem Wintergarten zugewandtenSeite. Wenn sie aufsteht, liegt die rest-liche Familie noch im Schlaf. Bevor diealltägliche Hektik beginnt, tritt Corinnadurch den Vorhang in ihr kleines Reichund begrüßt in ihrem Sessel, die aufge-hende Sonne betrachtend, den Tag.Wenn alle Familienmitglieder versorgtsind, gönnt sie sich manchmal ein biss-chen mehr Zeit für sich an ihrem Wasch-tisch. Den drei Meter langen Tisch ha-ben sie aus ihrer alten Wohnung mitge-bracht. Er ist ihr ganz alleiniges Refugi-um, an dem sie sich wäscht, pflegt,meditiert, liest, Briefe schreibt, kleinegrafische Entwürfe konzipiert und auchmal ihre Pflanzen umtopft. Der Balkonauf der rechten Seite gehört auch zuihrem Refugium. Dort entspannt sie inder Liege und genießt den Aufenthaltan der frischen Luft. Regelmäßig gönntsich Corinna ihren Badenachmittag, ent-weder alleine oder oft mit ihrer Freun-

    din zusammen. Ihre Leidenschaft giltden Massagen, unterstützt von duften-den Ölen und Essenzen, die sie auf demHolzofen erwärmt, in der Verbindungmit Waschungen, die sie gerne als Ri-tual inszeniert. Ihre Tochter Mareike ist froh und stolzauf ihr eigenes Bad, das gleich nebenMareikes Zimmer liegt. Die große Wan-ne im ,Familienbadezimmer’ nutzt siegelegentlich, wenn alle anderen ausge-flogen sind, dann liegt sie in der Wan-ne, entspannt oder schaut auch gernemal einen Film im Fernsehen an. DieSchwestern haben ein eigenes Schrank-fach im Kinderland. Jenny mag am lieb-sten die Sonntage, an denen sie manch-mal mit Mami und Papi in der großenWanne planscht oder Papi auf dem Bettliegt und sie ihm, in der Wanne liegend,Geschichten erzählt. Mike springt morgens aus dem Bett,sprintet in die Dusche und absolviert ge-legentlich auch ein paar Kniebeugen aufdem Balkon. Große Freude hat er an sei-nem reduzierten Waschplatz mit derberührungslosen Armatur. Keine Ablagelässt irgendeine Störung zu. Alle not-wendigen Dinge befinden sich in demSchrank hinter der letzten Tür derSchrankwand. Sogar Göbek-tashi hat erfür sich entdeckt, ehemals nur derWunschtraum von Corinna. Er hat er-fahren, wie anders er seinen Körperwahrnimmt, und entspannt auf demheißen Stein. Eine große Qualitätsstei-gerung in seinem Leben sind die neu ge-wonnenen Momente mit seiner Frau.” Weitere Infos über Badkultur und die Fir-ma Beuttenmüller gibt es unter www.beuttenmueller-bad.de