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DOI: 10.1002/bewi.201301649 Ina Heumann Linus Pauling, Roger Hayward und der Wert von Sichtbarmachungen* Summary: Linus Pauling, Roger Hayward, and the Value of Visualizations. Linus Pauling’s work was intrinsically linked to visualizations. While his use of three- and two-dimensional inscriptions has been the focus of much scholarly re- search, the production of visualizations remains a rather poorly studied subject. This article focuses on the cooperation between Pauling and Roger Hayward, an architect by profession who came to scientific illustration in the late 1920s. By con- centrating on the papers of Pauling and Hayward I describe the workflow between scientist and illustrator. Although Hayward’s visualizations were epistemically in- dispensable and economically profitable, they were never fully acknowledged as such. This was due to the ongoing conflicts caused by the economic strategies pur- sued by Pauling and his publisher, Hayward’s personal style, and science’s general disregard for images as epistemic instruments. I suggest that these contentious rela- tionships between scientist, illustrator, and publisher are paradigmatic for the his- tory of scientific visualization. Keywords: molecular graphics, structural chemistry, W. H. Freeman & Co., econo- mies of publishing, visual history of science, inscription, Linus Pauling, Roger Hay- ward, SchlɒsselwɆrter: Molekɒlgrafiken, Strukturchemie, W. H. Freeman & Co., Verlags- Ɇkonomien, visuelle Geschichte des Wissens, Inskription, Linus Pauling, Roger Hayward, Manche Menschen passen auf eine irritierende Weise nicht in ihre Zeit; sie durchbre- chen die gȨngigen Kategorien, sind zugleich avantgardistisch und altmodisch, leisten vieles und werden doch beinahe vergessen. Einer dieser unzeitgemȨßen Menschen war Roger Hayward (1899–1979). Er konnte viel und war dennoch nur in wenigen Bereichen Experte, eine Mischung, die im 20. Jahrhundert ungewɆhnlich und, wenn man Pech hatte, wenig eintrȨglich war. Hayward war zugleich Maler, Illustrator, Puppenspieler, gelernter Architekt, Mondspezialist und Modellbauer; 1 er erfand einen Nussknacker, hatte Patente fɒr Tintenfɒller, ein Weinglas und Projektoren ein- gereicht, als wissenschaftlicher Berater Walt Disneys gearbeitet und ein Handbuch fɒr Jagdbomber illustriert. 2 Er baute Teleskope und Quarz-Instrumente, Miniatur- hȨuser und Prismen, und bei all dem aquarellierte und zeichnete er. Hayward ver- 313 Ber. Wissenschaftsgesch. 36 (2013) 313–333 www.bwg.wiley-vch.de i 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim * Die Recherchen, die diesem Beitrag zugrunde liegen, konnten durch ein Stipendium der Oregon State University Libraries in Corvallis durchgefɒhrt werden. Ich danke den Mitarbeitern des dortigen Archivs, insbesondere Chris Petersen, Will Clark und Trevor Sandgathe, fɒr ihre exzel- lente Unterstɒtzung. Dank gebɒhrt darɒber hinaus Mary Jo und Bob Nye fɒr ihre außerge- wɆhnliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft.

Linus Pauling, Roger Hayward und der Wert von Sichtbarmachungen

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Page 1: Linus Pauling, Roger Hayward und der Wert von Sichtbarmachungen

DOI: 10.1002/bewi.201301649

Ina Heumann

Linus Pauling, Roger Hayward und der Wert vonSichtbarmachungen*

Summary: Linus Pauling, Roger Hayward, and the Value of Visualizations.Linus Pauling’s work was intrinsically linked to visualizations. While his use ofthree- and two-dimensional inscriptions has been the focus of much scholarly re-search, the production of visualizations remains a rather poorly studied subject.This article focuses on the cooperation between Pauling and Roger Hayward, anarchitect by profession who came to scientific illustration in the late 1920s. By con-centrating on the papers of Pauling and Hayward I describe the workflow betweenscientist and illustrator. Although Hayward’s visualizations were epistemically in-dispensable and economically profitable, they were never fully acknowledged assuch. This was due to the ongoing conflicts caused by the economic strategies pur-sued by Pauling and his publisher, Hayward’s personal style, and science’s generaldisregard for images as epistemic instruments. I suggest that these contentious rela-tionships between scientist, illustrator, and publisher are paradigmatic for the his-tory of scientific visualization.

Keywords: molecular graphics, structural chemistry, W. H. Freeman & Co., econo-mies of publishing, visual history of science, inscription, Linus Pauling, Roger Hay-ward,

Schl�sselw�rter: Molek�lgrafiken, Strukturchemie, W. H. Freeman & Co., Verlags-�konomien, visuelle Geschichte des Wissens, Inskription, Linus Pauling, RogerHayward,

Manche Menschen passen auf eine irritierende Weise nicht in ihre Zeit; sie durchbre-chen die g�ngigen Kategorien, sind zugleich avantgardistisch und altmodisch, leistenvieles und werden doch beinahe vergessen. Einer dieser unzeitgem�ßen Menschenwar Roger Hayward (1899–1979). Er konnte viel und war dennoch nur in wenigenBereichen Experte, eine Mischung, die im 20. Jahrhundert ungew�hnlich und, wennman Pech hatte, wenig eintr�glich war. Hayward war zugleich Maler, Illustrator,Puppenspieler, gelernter Architekt, Mondspezialist und Modellbauer;1 er erfandeinen Nussknacker, hatte Patente f�r Tintenf�ller, ein Weinglas und Projektoren ein-gereicht, als wissenschaftlicher Berater Walt Disneys gearbeitet und ein Handbuchf�r Jagdbomber illustriert.2 Er baute Teleskope und Quarz-Instrumente, Miniatur-h�user und Prismen, und bei all dem aquarellierte und zeichnete er. Hayward ver-

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Ber. Wissenschaftsgesch. 36 (2013) 313–333 www.bwg.wiley-vch.de

i 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

* Die Recherchen, die diesem Beitrag zugrunde liegen, konnten durch ein Stipendium der OregonState University Libraries in Corvallis durchgef�hrt werden. Ich danke den Mitarbeitern desdortigen Archivs, insbesondere Chris Petersen, Will Clark und Trevor Sandgathe, f�r ihre exzel-lente Unterst�tzung. Dank geb�hrt dar�ber hinaus Mary Jo und Bob Nye f�r ihre außerge-w�hnliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft.

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tiefte sich in Chemie, Mathematik und Optik, dachte �ber Molek�lstrukturen und�ber Stil als grundlegendes Muster kultureller Artefakte nach. Er diskutierte viel,vor allem mit seinen zahlreichen Korrespondenzpartnern, denen er wissenschaftlicheund technische �berlegungen, philosophische Betrachtungen, Gedichte, Bilder undErz�hlungen aus seinem Alltag zukommen ließ. Insgesamt, so schrieb er, lagen seineInteressen zu etwa gleichen Teilen in Kunst und Wissenschaft.3 Außer einem Bache-lor of Science in Architektur, den er 1922 abgeschlossen hatte, und einer Lizenz alsMaschinenbauer verf�gte Hayward jedoch �ber keine formalen Abschl�sse. Er warein intellektueller Selfmademan, der sich sein breites naturwissenschaftliches undk�nstlerisches Wissen selbst erarbeitet hatte – auf die harte Tour, wie er schrieb:„[G]et the books and dig it out for yourself.“4

Hayward stilisierte sich als jemanden, der ausschließlich seinen Neigungen folgte,ohne auf eventuelle finanzielle Erw�gungen R�cksicht zu nehmen.5 Abgesehen da-von, dass diese Selbstdarstellung nicht ganz zutraf, war Hayward mit seiner Strategiezumindest zeitweise ungeheuer erfolgreich. Er verstand es, seine Talente zu nutzen.Der eindr�cklichste Beleg daf�r war seine langj�hrige Zusammenarbeit mit demChemiker und zweimaligen Nobelpreistr�ger Linus Pauling, die in mehrere be-r�hmte Publikationen m�ndete. Darunter waren General Chemistry: An Introduc-tion to Descriptive Chemistry and Modern Chemical Theory, ein Lehrbuch f�r denUniversit�tsunterricht, das Pauling seit den 1930er Jahren entwickelt hatte, und das,reich durch Hayward illustriert, 1947 in erster Auflage von W. H. Freeman & Co.ver�ffentlicht wurde, sowie das „show piece“ The Architecture of Molecules, dasrechtzeitig zum Weihnachtsrummel 1964 ebenfalls bei W. H. Freeman & Co. er-schien – ein Buch, das durch Haywards Molek�lportraits Chemie vom Klassenraumins Wohnzimmer transportieren sollte und das Hayward und Pauling als gleichbe-rechtigte Autoren auff�hrte.6

In den Bildern, die Hayward zu beiden B�chern beigesteuert hatte, gelang es ihmin außergew�hnlicher Weise, wissenschaftliche Annahmen Wirklichkeit werden zulassen. Er machte Molek�le sichtbar und visualisierte Experimentaldaten in einerWeise, die, wie ich im Folgenden zeigen will, epistemisch produktiv, wirtschaftlichlukrativ und f�r Linus Paulings Karriere entscheidend war.

„A Creative Scientific Artist“

In der dritten Schublade von Linus Paulings pers�nlichem Safe, deren Zusammen-hang in den Oregon State University Libraries Special Collections bis heute bewahrtwird, findet sich ein Brief William H. Freemans an Pauling. Er ist auf den 12. Januar1953 datiert und adressiert ohne Umschweife ein Problem: „Dear Linus: About Ro-ger Hayward: – I am not surprised that the matter came up. I can understand be-cause I think I understand Roger. I have no solution but want to find one. We cantalk further about this when I see you, for we must have Roger happy.“7

Offensichtlich kriselte die bislang so erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wis-senschaftler, Verleger und Zeichner. Hayward war unzufrieden, was Pauling undFreeman �beraus beunruhigte – aus verst�ndlichen Gr�nden: 1953 wurde fieberhaftan der zweiten Auflage von General Chemistry gearbeitet. Das Lehrbuch war eindurchschlagender Erfolg. Bereits nach einem Jahr hatten sich an die 8.000 Exemplareverkauft, eine �konomische Anerkennung, die sich inhaltlich in den Rezensionen

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des Buches gespiegelt hatte, die kurz nach seinem Erscheinen publiziert worden wa-ren. Es wurde als „outstanding elementary textbook of general chemistry“ und „oneof the most interesting and stimulating books in the field“ gefeiert, nicht ohne auchdie „exzellenten Illustrationen“ Haywards zu erw�hnen.8

F�r Pauling und seine Familie bedeutete dieser Bestseller eine erhebliche finan-zielle Besserstellung, die sich nicht zuletzt im Neubau eines Swimmingpools auf ih-rem kalifornischen Anwesen niederschlug. Bereits 1948 betrug der Verkaufserl�s f�rPauling �ber 4.000 US-Dollar.9 Ein Jahr sp�ter waren es bereits �ber 5.000 US-Dol-lar.10 Im Vergleich dazu nahmen sich Haywards Erl�se bescheiden aus: Auf in denUSA verkaufte B�cher erhielt er ein Prozent des Verkaufserl�ses, das zur H�lfte aufKosten des Verlags, zur H�lfte auf Kosten Paulings ging; auf B�cher, die �ber denausl�ndischen Markt verkauft worden waren, sogar nur ein halbes Prozent der Ein-nahmen. Diese Regelung, so war vor der Publikation von General Chemistry verein-bart worden, galt f�r die erste ebenso wie f�r alle folgenden Auflagen, so dass sichHaywards Erl�s 1948 auf 425 US-Dollar, ein Jahr darauf auf 570 US-Dollar belief.11

Es �berrascht insofern nicht, dass bei Hayward in den Monaten nach Erscheinen desBuches erheblicher Unmut entstanden war. Er hatte sich unmittelbar an Fragen der�konomischen Organisation der Zusammenarbeit entsponnen, ber�hrte aber auchdie epistemische Autorit�t sowie die pers�nliche und berufliche Positionierung derAkteure. Insofern k�ndigte Hayward an, k�nftig keine Illustrationen mehr zu �ber-nehmen, bis eine f�r ihn finanziell befriedigendere L�sung gefunden sei.12

Seine Drohung traf Freeman und Pauling hart. Sie wussten, was sie an Haywardhatten, wie Freeman in seinem bereits zitierten Brief deutlich machte: „First, Rogeris not the ordinary illustrator. He is remarkably good, has both soundness and a cer-tain personality in his drawings, each of which means a lot to us.“13 Was machteHayward zu diesem außergew�hnlichen Illustrator?

Die Qualit�t seiner Bilder war auf Haywards Herkunft und seine beruflichen Er-fahrungen, vor allem aber auf sein Interesse f�r wissenschaftliche Entwicklungen zu-r�ckzuf�hren. Hayward wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Keene, einem kleinenOrt in New Hampshire geboren. Er kam aus einer Familie mit einer ausgepr�gtenk�nstlerischen Ader. Sowohl sein Großvater, der Maler William Preston Phlebs, alsauch seine Mutter widmeten sich Malerei, Grafik und Bildhauerei und auch Hay-ward selbst re�ssierte in den 1930er Jahren als K�nstler.14 Vom Vater, einem Ge-sch�ftsmann, der sich in seiner Freizeit mit Uhrmacherei besch�ftigte, �bernahmHayward wiederum den Wunsch herauszufinden, wie die Dinge funktionierten.15

Nachdem er 1922 am Massachusetts Institute of Technology seinen Bachelor in Ar-chitektur abgeschlossen und erste Arbeitserfahrungen in einer Bostoner Firma ge-sammelt hatte, zog er 1929 an die Westk�ste nach Pasadena, um in das Architektur-b�ro seines ehemaligen Klassenkameraden einzusteigen. Dieser Umzug befl�gelteneben seiner Karriere als Architekt in erster Linie seine wissenschaftlichen Interes-sen, eine Entwicklung, die er im R�ckblick als sein „wissenschaftliches Erwachen“beschrieb:

I woke up in 1929 when I chanced to land at […] Pasadena in a house next door to three graduate stu-dents at CalTech. I sensed that they were talking a language which I didn’t understand. It occurred to methat this particular period will be noted in future years as the time of the great burst in scientific develop-ment. That I should live in this period and be utterly ignorant was to me unthinkable.16

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Einen Steinwurf vom California Institute of Technology (CalTech), dem neuen,nationalen Elitezentrum f�r naturwissenschaftliche Grundlagenforschung ent-fernt,17 begann Hayward, sich in naturwissenschaftliche Disziplinen – allen voranChemie und Atomphysik – einzuarbeiten. Er besuchte Seminare und Vorlesungen,vor allem aber las und diskutierte er mit seinen neuen Nachbarn:18 „I undertook alot of self-education (with generous assistance from the characters whom I met).“19

Unter Haywards CalTech-Bekanntschaften war neben Pauling, f�r den Haywardseit den 1930er Jahren Lehr-Skizzen, -Modelle und -Dias produzierte,20 John D.Strong, ein Physiker und Astronom. Strong und Hayward begannen, intensiv zu-sammenzuarbeiten, was schon bald ein Ergebnis zeitigte: 1938 erschien Proceduresin Experimental Physics, ein Buch, das sich der Herstellung von Apparaten und In-strumenten f�r physikalische Experimente – von der Glasbl�serei bis zum Teleskop-bau – widmete und mit Hunderten von Haywards Zeichnungen illustriert war.21

F�r Hayward stellte diese Zusammenarbeit mit Strong den Grundstock seiner wis-senschaftlichen Ausbildung dar, wie er sp�ter berichtete,22 und dass er dabei ein neu-artiges Genre der handwerklich-wissenschaftlichen Illustration geschaffen hatte,trug wesentlich zum Ansehen des Buches bei.

Zentrales Anliegen der Procedures war, grundlegende experimentelle Praktikender Physik zu beschreiben, wobei die Annahme leitend war, dass der ideale Weg zum

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Abb. 1: Aus der Werkstatt des Wissenschaftlers: Roger Haywards Illustrationen in John D. Strong, Pro-cedures in Experimental Physics, Eaglewood Cliffs: Prentice-Hall 1938.

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Verst�ndnis physikalisch-astronomischer Zusammenh�nge �ber handwerkliche Ar-beit im Labor verlief. Die Kluft zwischen Laborerfahrungen und -demonstrationeneinerseits und schriftlichen Erl�uterungen andererseits sollte programmatisch durchHaywards Zeichnungen geschlossen werden.23 In Absprache mit Strong entwickelteHayward seinen besonderen, informellen Illustrationsstil. Seine Abbildungen warenvisuelle Anleitungen, Skizzen, mit unruhigen, nicht durch Lineal oder Schablonenformalisierten Linien, die der Welt der Hobby-Bastelb�cher beziehungsweise derAd-hoc-Entw�rfe entsprungen schienen: „If a physicist or an architect is asked howsomething is done he is apt to take a pencil and, on the back of an envelope, explainwith a crude drawing. I tried to preserve some of this informal character.“24

Die Beschriftungen waren per Hand eingef�gt, was den vorl�ufigen und zwanglo-sen Charakter der Illustrationen zus�tzlich unterstrich. Ziel war es, durch die Bildereine emotionale Qualit�t herzustellen, die bestm�gliches kognitives Verst�ndnis beiden Lesenden erreichen sollte: „I tended to think that students would be less inhibi-ted by freehand drawings than formal drawings.“25 Evidenz und Autorit�t der In-halte sollte nicht �ber die Pr�zision der Linien, sondern �ber ihre Einsichtigkeit undVerst�ndlichkeit hergestellt werden.

Neben den vermittelten Arbeitsschritten, Apparaturen und Thesen ging es dabeiauch darum, den nicht rationalisierbaren und lehrbaren Erfahrungsraum des Laborseinsichtig zu machen. W�hrend die Texte die Tatsachen beschrieben, er�ffnetenHaywards Bilder die M�glichkeit, jenes „gestisch[e] Repertoir[e]“ zu visualisieren,das grundlegend f�r die naturwissenschaftliche Arbeit ist.26 Er machte das „verk�r-perte Geschick“, ein Denken mit den H�nden sichtbar. Erfahrenheit und jene Formdes „stummen Wissens“, das Geschick und intuitives Wissen verbindet, sollten sichschon durch Haywards Bilder �bermitteln.27 In ihrer Zwischenstellung zwischenLabor und Text konnten sie einen Raum er�ffnen, der kognitiv und emotional ein-ladend war. Die Dinge sollten zugleich attraktiv und vertraut wirken, �ngste ab-bauen und die Zug�nglichkeit erleichtern. Es ging darum, eine „Stimmung“ zu kre-ieren, die das Lernen erleichtern und die dargestellten Tatsachen autorisierenkonnte.28 Neben der schon geschilderten Informalit�t der Linie (vgl. Abb. 1) griffHayward dabei auf das Mittel zur�ck, eigentlich unwichtige Details zu �berzeich-nen: „I try to put in enough familiar details so the reader will recognize them andfeel on familliar [sic] ground. Therefore I am careful to show more detail of glass-ware, for instance, than he really needs. But the fact that there are reflections andhighlights on glass helps to establish a sense of familiar ground.“29

Haywards Stil kam den Interessen Paulings kongenial entgegen. Pauling hatte be-reits seit langem die Potenz von Sichtbarmachungen in Forschung und Lehre er-kannt.30 In den fr�hen 1930er Jahren hatte er ein ideales Lehrbuch der Chemie f�rStudierende entworfen: „I believe that a book could be valuable to young studentswhich gave them concrete pictures of molecules as we now picture them.“31 Mole-k�le sollten in ihrem individuellen Aufbau verstanden und unterrichtet werden, eineZielstellung, in der visuelle und kognitive Aspekte untrennbar verbunden waren. ImKern von Paulings Interesse als Forscher und Lehrer ging es darum, auf atomarerEbene Strukturaufkl�rung chemischer Substanzen zu betreiben. Er hob, so fasste esMax Perutz in seinem Nachruf auf Pauling zusammen, die Chemie aus „dem Flach-land in die Welt der dreidimensionalen Strukturen“.32 Gr�ße und Form waren dieentscheidenden Strukturprinzipien der molekularen Welt, die Pauling entwarf. Seine

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Chemie beruhte auf Dreidimensionalit�t und architektonischen Designs der Mole-k�le, die er methodisch durch den Bau von Modellen auf der Basis exakter Datenaufkl�rte.33 Insofern sollte auch General Chemistry Molek�le in ihrer Einzigartig-keit und chemischen Architektur portr�tieren und die handwerklichen Technikendeutlich machen, die zur chemischen Strukturaufkl�rung f�hren konnten. Zentralf�r dieses Ziel waren Visualisierungen, die die Dreidimensionalit�t der Welt wieder-geben konnten, und der geeignete Mann f�r diesen Job war, so machten sp�testensdie Procedures klar, Roger Hayward.34

Es war nicht nur Haywards informeller und eing�ngiger Stil, der ihn zu Paulingslangj�hrigem Illustrator machte. Wichtiger war, dass Hayward als Architekt in drei-dimensionalen Vorstellungswelten zu Hause war und sich durch seine Ausbildungauf die �bertragung von drei Dimensionen auf Papier vorbereitet hatte. Die Vers�h-nung von Raum und Zeichnung geh�rte zu jenen Problemen, die ihn sein Leben langbesch�ftigen sollten.35

Architektur, Kunst und Wissenschaft – in allen diesen Wissensfeldern verbandensich f�r Hayward Zeichnen und Verstehen unmittelbar miteinander. Skizzieren warf�r Hayward eine epistemische Technik, sein Mittel, dreidimensionale Objekte zuerfassen und verstehbar zu machen. Er war ein intellektueller Illustrator – „Peoplething [sic] that I am an unusual illustrator because I know more than most illustra-tors about the science which I draw“36 – und betrachtete seine Illustrationen alsAusdruck intellektueller Auseinandersetzung – „an intellectual expression“.37 SeineBilder beruhten auf intensiven Vorarbeiten und Recherchen. Hayward hatte elf wis-senschaftliche Zeitschriften abonniert, darunter New Scientist, Physics Today, Pro-ceedings of American Academy of Science und Endeavour.38 Dar�ber hinaus war erMitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften und hatte sich eine um-fangreiche Bibliothek aus B�chern und Sonderdrucken angelegt.

Seine intellektuelle Durchdringung der abgebildeten Objekte war nicht nur f�rdie eher technischen Zeichnungen in Strongs Procedures, sondern vor allem f�r dieZusammenarbeit mit Pauling unerl�sslich. Hatte er in der Arbeit f�r Strong noch aufdessen Objektbeschreibungen, Labordemonstrationen, Vorskizzen und Photogra-phien oder die Apparate selbst zur�ckgreifen k�nnen, um Bilder des Beschriebenenzu produzieren,39 musste er sich bei Paulings Molek�lmodellen in erster Linie aufsein Grundwissen der Chemie verlassen: „Paulings [material] is usually just a dis-cription [sic] and I have to do a lot of computing.“40 Illustration war weit mehr alsAbbilden: Es ging darum, das gezeichnete Objekt auf der Grundlage dessen zu pro-duzieren, was er dar�ber wusste und was Pauling oder seine anderen Auftraggeberihm dar�ber mitgeteilt hatten.41 Hayward bezeichnete diesen Vorgang der Repr�sen-tation als „Tatsachenverdrehung“ oder „T�uschung“ – „a sort of prevarication orperhaps deception which I frequently have to use“.42 Selbst wenn bisweilen nebenschriftlichen Beschreibungen auch �ltere Abbildungen von Molek�len oder chemi-schen Prozessen, Modelle oder Gespr�che mit Pauling und seinen Mitarbeitern Hay-wards Arbeit unterst�tzten,43 immer brauchte es erhebliche Imaginations- und Kon-struktionsleistungen, um die unsichtbaren Objekte in ihrer Dreidimensionalit�t zukonzipieren und sie dann wiederum zweidimensional zu zeichnen. Sichtbarmachenhieß Abstrahieren und war ein ebenso sinnlicher wie intellektueller Vorgang.

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Visuelle Denksysteme

Haywards Sichtbarmachungen waren f�r ihn selbst das Medium, um Zusammen-h�nge zu verstehen, seien sie technischer, statischer oder wissenschaftlicher Natur.Sie wurden jedoch auch f�r Pauling wissenschaftlich produktiv, die Zusammenarbeitzwischen ihm und Hayward gewissermaßen zu einem visuellen Denksystem. DieseBedeutung Haywards f�r Paulings Denken und Lehren schlug sich 1948 auch insti-tutionell nieder, als Hayward als „artist consultant“ offizieller Teil von Paulings De-partment am CalTech wurde.44 In den Quellen l�sst insbesondere eine Episode die-ses gemeinsame Denken in Bildern erkennen: Im Sommer 1951 wollte Pauling untergroßem Zeitdruck eine Molek�lstruktur publizieren und wandte sich mit der Bitteum Zuarbeit an Hayward:

Could you during the next few days make some drawings. […] I would like to have drawings made ofthe structure of Na2Cd11, closely similar to those that you have already made for me in pastel. There is,however, one difference, which I shall describe below – this involves an interchange of the six larger atomsand six of the smaller atoms.45

Es folgten ausf�hrliche, komplexe Beschreibungen der geforderten Struktur:The five drawings needed are, as before, a central atom surrounded by the skeleton of an icosahedron.

Then the complex of 13 atoms surrounded by the skeleton of a pentagonal dodecahedron. Then two viewsof the rhombic triacontahedron, one a skeleton drawing, as before, and the other a drawing showing 32atoms at the corners of the triaconthahedron.46

Hayward arbeitete rasch. Schon wenige Tage sp�ter wurde allerdings klar, dass es�nderungsbedarf an seinen Entw�rfen gab (vgl. Abb. 2).

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Abb. 2: Haywards Entwurf der Architektur von Na2Cd11, Juli 1951, Roger Hayward Papers, SpecialCollections, Oregon State University Libraries, Box 1.009, Folder 9.13.

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Die Struktur sei, so schrieb Pauling, ziemlich kompliziert, und der Erfolg des Pa-pers h�nge wesentlich von der Klarheit der Zeichnungen („the clarity of the dra-wings“) ab.47 Pauling kritisierte die einzelnen Bilder eingehend und bat um einegr�ndliche �berarbeitung:

As for [figure] E, I think that it would be worth while to draw it in a different way. I suggest that theedges of the cubic unit of structure be outlined, and that a triacontahedron resembling [figure] C be cir-cumscribed about each of the corners of the unit cube, in such a way that rhombic faces are shared.48

Hayward reagierte prompt: Drei Tage sp�ter schrieb er Pauling, dass die ge-w�nschte Struktur nicht darstellbar sei:

I believe that a review of the enclosed sketch for the revised figure E discloses that the octahedron can-not be placed where required if the radii and spacings are consistent with my interpretation of your direc-tions. Furthermore if all the triacontahedra are shown completely surrounding the octaheron [sic] the fi-gure will be unintelligible.49

Er wolle außerdem darauf hinweisen, so schloss Hayward seinen kurzen Brief,dass er die Abbildungen aus reinem Vergn�gen mache. „Such a catalogue of criti-cisms of drawings which you requested me to do in a hurry is not pleasant.“50

Eine knappe Woche passierte nichts. Dann antwortete Pauling. Sein Brief begannmit einer Entschuldigung:

Dear Roger: I return the sketches on the Na2Cd11 structure with my apology. I have just discovered, acouple of days ago while going over calculations […], that I had placed the large atoms in the wrong posi-tions in the rhomb. […] I think that this will take care of the steric difficulty that you have pointed out.51

Zwar hatte Pauling Haywards Arbeit angeleitet, indem er immer detailliertere Be-schreibungen von seinen Molek�lvorstellungen geschickt hatte. Der Kreislauf ausObjektbeschreibung und Kritik der von Hayward gelieferten Bilder, der in diesemBriefwechsel aus dem Sommer 1951 abzulesen ist, macht allerdings deutlich, dassHayward weit mehr als ein kontrollierter Auftragnehmer war: Der Wechsel zwi-schen Beschreiben und Sehen, zwischen Zwei- und Dreidimensionalit�t, war ent-scheidend f�r beide Seiten daf�r, dass Hayward keine �bereinstimmung zwischenText und Bild herstellen konnte und daf�r, dass Pauling seine fehlerhafte Grundan-nahme entdeckte. Zeichnen war ein Verfahren des Denkens, egal, ob es Haywardselbst war, der zeichnend versuchte, Paulings Strukturen zu verstehen, oder Pauling,der die Zeichnungen Haywards beschreibend entwarf und betrachtend durch-dachte.52 Hayward wurde gewissermaßen zu einem Forschungsinstrument. Seinedreidimensionalen Portr�ts – sei es in Zeichnungen oder in Modellen – erm�glichtenPauling, Strukturen zu entwerfen und zu �berpr�fen.53 Sie gaben dar�ber hinausauch den Lesern eine Idee der untersuchten Strukturen sowie der Evidenz undWahrheit der von Pauling behaupteten Tatsachen. Insofern war die bildliche Struk-turdarstellung ebenso entscheidend wie schwierig: „It seems to me that the problemof describing complicated crystal structure to the reader in the best possible way is avery important and difficult one.“54 In Haywards Sichtbarmachungen verbandensich Wissensproduktion und Wissenskommunikation: Sie halfen beim Denken, Pau-ling ebenso wie denjenigen, die seine publizierten Strukturvorschl�ge nachvollziehenwollten. Bilder leiteten und pr�sentierten Paulings Arbeit. Sie waren Medien, diezwischen Denken, Lehren und Nachvollziehen vermittelten und als solche in ganzunterschiedlichen Kontexten wirken konnten – als epistemische Techniken, alsKommunikationsinstrumente und als objektivierte, sichtbar gewordene Experimen-taldaten.55

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Welchen Wert haben Bilder?

Pauling war sich dieser Bedeutung des Visuellen f�r sein Denken und die Kommu-nikation seiner Thesen vollkommen bewusst: „[M]y original ideas in the field of sci-ence usually came or perhaps always came from my having a picture or model rela-ting to some phenomenon.“56 Dennoch begegnete er Hayward mit tiefer Ambiva-lenz. Er schwankte zwischen Anerkennung und Abwertung. Einerseits verließ ersich auf Hayward als zeichnendes Korrektiv seiner Beschreibungen – „in fact I hadrelied very much on him to have the details of the drawings correct“ – und bewun-derte dessen F�higkeiten uneingeschr�nkt.57 Andererseits schien er sogar Zweifel anHaywards chemischem Hintergrundwissen zu haben: „[H]e does not have enoughof a background in chemistry.“58 Die Beziehung zu seinem Illustrator wechseltezwischen Vertrauen und Kontrolle sowie zwischen Freundschaft und Gesch�ftsver-h�ltnis; der Modus ihrer Zusammenarbeit umfasste sowohl Mitarbeit als auch Zuar-beit. W�hrend er sich beispielsweise einerseits darauf verließ, dass Hayward binnenKurzem seine knappen Strukturbeschreibungen in Bilder �bersetzen konnte,59 tor-pedierte er ihn andererseits mit ausf�hrlichen �nderungsw�nschen, wie es das Bei-spiel der Struktur von Na2Cd11 gezeigt hatte. Seine Briefe an Hayward warenebenso n�chtern wie unpers�nlich. Teilweise korrespondierte er mit Hayward, in-dem er Freeman seine �nderungsw�nsche an den Illustrationen mitteilte und demeigentlichen Adressaten nur eine Kopie dieser Briefe zukommen ließ. Dieser schein-bar rein sachlichen Gesch�ftsbeziehung widersprach jedoch nicht zuletzt die Tatsa-che, dass Hayward und seine Frau Betty anl�sslich des Nobelpreisdinners direkt ne-ben Pauling und seiner Frau saßen.60 Widerspr�chlich war auch Paulings Haltungzu Hayward als potentiellem Koautor seiner Publikationen. Zwar erschienen meh-rere Beitr�ge, die Pauling und Hayward als gleichberechtigte Autoren auswiesen;dennoch wehrte sich Pauling mit dem Hinweis auf dessen mangelndes Wissen dage-gen, Hayward als Koautor f�r ein Buch �ber Techniken der Chemie einzuplanen,das Hayward konzipiert und Freeman und Pauling zur Publikation vorgeschlagenhatte.61

Pauling war in seiner ambivalenten Haltung gegen�ber Hayward nicht allein.Freemans weiter oben zitierter Brief aus dem Januar 1953 l�sst eine ebenso komplexeBeziehung erkennen. Der W�rdigung Haywards als „extraordinary illustrator“schloss sich dessen Abwertung als „Primadonna“ an: „Second. Roger is a bit of a pri-madonna. He has to be handled just so. He thinks of himself as a professional person– which he is – who wants to be treated as such, rather than as a skilled craftsman.Like all artists (and he is one of those, basically), he is a bit of a problem and [in] thiscase a bit of a genius.“62

Wie sp�testens mit dieser Charakterisierung Haywards deutlich wurde, schiensich der Streit zwischen Wissenschaftler und Verleger auf der einen, Illustrator aufder anderen Seite nicht nur um Geld zu drehen. Eng damit verwoben waren Fragender Hierarchie und des Respekts. Freemans Brief bem�hte mehrere Klischees, dieWissenschaft und Kunst kategorisierten und die Rollenverteilung zwischen Pauling,Hayward und ihm manifestierten. Haywards Vergleich mit einer Primadonna evo-zierte das Bild einer exaltierten S�ngerin. Aber auch die Einordnung des Illustratorsals Genie machte die Sache nicht besser: Hayward wurde zum emotionalen undkomplizierten Teil der Beziehung, w�hrend sich Pauling und Freeman als rationale

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und verantwortungsbewusste Wissenschafts- und Verlagsmanager davon abhebenkonnten. Kunst war Weiblichkeit gleichgestellt, Wissenschaft und Verlagsgesch�ftwurden m�nnlich konnotiert. Bewunderung und Anerkennung f�r Haywards Illus-trationen waren unmittelbar an die Abwertung seiner Person gebunden. Ziel war es,ein eindeutiges Verh�ltnis zwischen den Beteiligten herzustellen und die Relevanzihrer Arbeiten unmissverst�ndlich zu kategorisieren. Es ging darum, die Bedeutungvon Bildern zu bestimmen: Welchen Status haben Bilder, war die Frage, die im Kernder Auseinandersetzung stand, wie auch der n�chste Satz in Freemans Brief deutlichmachte: „Third. He [Hayward] overestimates the value of his drawings. He feelsthey are, square foot for square foot, as important as the text they illustrate. I think,obviously, he overestimates the value of his work.“63

Dass es so einfach nicht war, war Freeman durchaus bewusst. Hayward �ber-sch�tzte sich nicht, ganz im Gegenteil waren die Bilder ein wesentlicher Bestandteildes Erfolgs von W. H. Freeman & Co. Sie waren das Markenzeichen, insbesondereder von Pauling edierten Chemie-Reihe, in der unter anderem General Chemistry,College Chemistry und eine Anleitung zur chemischen Laborarbeit von Lloyd E.Malm und Harper W. Frantz erschienen waren.64 „Illustrations by Roger Hayward“erschien auf den Titelbl�ttern, Pauling dankte seinem Illustrator im Vorwort seinesLehrbuchs und Haywards Zeichnungen wurden prominent auf Werbeaussendungenund Verlagsbrosch�ren wiedergegeben.65 Sie waren ein Verkaufsargument. Hierzeigte sich, dass die gelungene Zusammenarbeit von Autor und Illustrator f�r denErfolg des Verlagshauses entscheidend war. Und tats�chlich stand General Chemi-stry gewissermaßen an der Wiege von W. H. Freeman & Co.

Freeman und Pauling hatten sich Mitte der 1930er Jahre kennengelernt, als Free-man noch als Vertreter f�r das in New York ans�ssige Verlagshaus The MacmillanCompany an der Westk�ste auf der Suche nach neuen Universit�tslehrb�chernwar.66 Schon Anfang der 1940er Jahre war General Chemistry in seinen Grundz�genkonzipiert und geschrieben, allerdings sollte es noch einige Jahre dauern, bis Paulingzu einer weiteren �berarbeitung seines Manuskripts kam. Inzwischen hatte sich derKontakt zwischen ihm und Freeman in einer Weise vertieft, dass sie beschlossen, einneues Verlagsunternehmen an der Westk�ste aufzubauen: „There is something tobuild here on the coast and we are going to build it.“67 Freeman machte sich selb-st�ndig und gr�ndete 1946 seinen auf Lehrb�cher spezialisierten Verlag; Paulinglehnte 15 Angebote anderer Verlage, General Chemistry zu publizieren, ab und wil-ligte ein, als Herausgeber einer Reihe zu fungieren, dessen erster Titel sein eigenesBuch werden sollte.68 Nicht nur die �berschw�nglichen Kritiken sprachen daf�r,dass die Entscheidung, auf einen jungen, aber dadurch beweglichen Verlag zu setzen,richtig gewesen war. Auch die Gesch�ftszahlen belegten die positive wirtschaftlicheEntwicklung.69 Bereits 1949/50 fuhr der Verlag seine ersten Gewinne ein. Er bot in-zwischen 13 Titel an und konnte die Schulden, die in den ersten Jahren entstandenwaren, allm�hlich abbauen. 1952/53 stieg der Verkauf um �ber ein Drittel – das Un-ternehmen war auf der profitablen Seite angekommen.70

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erstaunt es umso mehr, dass FreemanHaywards Frage nach dem Wert seiner Sichtbarmachungen so ausweichend beant-wortete:

How much does art contribute to the sale of a book? If it is pertinent, it can add to the sale of a book,provided the book is good. There is no doubt in our minds that your illustrations for Malm-Frantz have

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helped that book over the years, just as there is no doubt that the manual would not have sold so well,even with your illustrations, if it had not been an exceptional book.71

W�hrend Haywards Zeichnungen also gute B�cher verbessern konnten, waren siedennoch nicht mehr als eine „nette Verfeinerung“: „I think Linus’ chemistries wouldhave sold almost as well without your drawings, but without a doubt your drawingshave been one of their distinctly nice refinements.“72 Freeman reduzierte HaywardsArbeit auf Illustrationen, auf Zugaben, die sch�n, aber keineswegs notwendig waren.Das wichtigste seien gute B�cher, selbst wenn sie nur zweitklassige Abbildungenh�tten. Trotzdem sei bei Freeman & Co. allen klar, dass Illustrationen wesentlichund hilfreich f�r ein Buch sein k�nnten. Kurz gesagt: Zuerst kam der Text, dann dasBild; die Reihenfolge war ebenso klar wie die damit aufgebaute epistemische und�konomische Hierarchie. Implizit verneinte Freeman den wissenschaftlich produk-tiven Charakter von Haywards Bildern und bestritt, dass sie dar�ber hinaus wesent-lich f�r das Verst�ndnis und die Evidenz der behaupteten Fakten waren. Er negiertezugleich die Qualit�t und Potenz von Bildern sowie ihre wirtschaftliche Eintr�glich-keit. Die Schlussfolgerung ergab sich von selbst: Illustratoren brauchten im Grundegenommen nicht gesondert finanziell ber�cksichtigt zu werden, und dass Freemansich �berhaupt mit dem Problem der Tantiemen f�r Hayward herumschlug, zeich-nete, so sein Argument, den Verlag besonders aus: „Other publishers sell just asmany copies of some of their titles without going to such expense for illustra-tions.“73

Dass Freeman mit dieser Argumentation seinen wirtschaftlichen Interessen folgte,wird insbesondere dann deutlich, wenn man sich noch einmal die Vertr�ge undTantiemenaussch�ttungen vor Augen f�hrt, die Haywards Ertr�ge aus General Che-mistry bestimmten. Seine Gewinnbeteiligung ging, so gering sie auch war, zur H�lfteauf Kosten des Verlegers, zur anderen H�lfte auf Kosten des Autors.74 Den Wert vonBildern zu negieren, war insofern durchaus lukrativ – sowohl f�r den Verleger selbstwie auch f�r Pauling. Denn Pauling war von Anfang an „deeply interested in thewelfare of W. H. Freeman and Company“.75 Er profitierte von der Entwicklung desVerlagshauses nicht nur als Herausgeber und Autor seiner College-Publikationen.Von Anfang an hatte er sich auch finanziell an dem Unternehmen beteiligt. Zus�tz-lich zu den Tantiemen, die er als Herausgeber und Autor erhielt, hatte er sich ge-meinsam mit seiner Frau Ava Helen in W. H. Freeman & Co. eingekauft. Bereits imDezember 1946 sicherte er sich 250 Aktienanteile, die er f�r 2.500 US-Dollar erwarb,wenig sp�ter kamen weitere Wertpapiere dazu.76 Der wirtschaftliche Erfolg des Ver-lags floss ihm �ber Tantiemen und seine Aktien in zweifacher Weise zu. Und derPreis f�r Haywards Bilder wurde sowohl von seinen Gewinnanteilen als Autor undHerausgeber, aber auch von seinen Einnahmen am Gesamtunternehmen abgezo-gen.77

Hinter der Einordnung von Haywards Arbeit als „nice refinement“ lag, so kannvor diesem Hintergrund vermutet werden, auch und vor allem finanzielles Interesse,das Pauling und Freeman teilten. Haywards Bilder verkauften sich gut, sie waren lu-krativ; aber f�r alle, deren wirtschaftliche Interessen mit dem jungen Verlagshausverbunden waren, war es besser, diese Tatsache nicht an die große Glocke zu h�ngen.

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Stilfragen

Trotz der hochgekochten rhetorischen Atmosph�re, die den Streit von 1953 beglei-tete, l�ste sich der Konflikt �berraschend schnell wieder auf: Freeman und Haywardvereinbarten, dass jede Illustration f�r die Neuauflage von General Chemistry zu-s�tzlich zu Haywards Tantiemen mit 20 US-Dollar bezahlt werden sollte.78 Als w�renichts gewesen, konzipierten Pauling und Hayward schon wenige Tage, nachdemHayward die Zusammenarbeit eigentlich aufgek�ndigt hatte,79 einen gemeinsamenAufsatz, den sie bei Scientific American einreichen wollten.80 Und vier Wochen sp�-ter schien Hayward endg�ltig befriedet und motiviert an der Arbeit zu sein: Paulinghabe die Zeichnungen f�r die Neuauflage von General Chemistry auf nur f�nf redu-ziert, schrieb er erleichtert an Freeman: „All my fuss about them has become so tri-vial that I wish you would forget the whole business.“81

Allerdings war das Problem damit keineswegs aus der Welt, auch wenn die Zu-sammenarbeit f�r die n�chsten Jahre konfliktfrei zu verlaufen schien. Ende 1957 be-schlossen Freeman und Hayward, die vertragliche Basis der Zusammenarbeit dahin-gehend zu ver�ndern, dass Hayward ausschließlich f�r Freeman arbeitete und daf�rmit den Privilegien des Angestellten auch ein Gehalt bezog.82 Im Gegenzug daf�rverzichtete Hayward auf alle zuk�nftigen Tantiemen-Anspr�che, mit Ausnahme derAussch�ttung, die er an Strongs Concepts on Classical Optics zu erwarten hatte –teils aus nostalgischen Gr�nden, wie er schrieb, teils, um seiner Frau Betty wenigs-tens ein kleines regelm�ßiges Einkommen zu hinterlassen.83 Dieser Modus wurdeauf zehn Jahre festgelegt, sollte aber kurze Zeit sp�ter wiederum aufgel�st werden.

Bereits in den Vorgespr�chen f�r die neue vertragliche Basis hatte Freeman infreundschaftlicher Weise darauf gedrungen, dass Hayward als fester Illustrator ver-pflichtet sei, gegebenenfalls auf besondere stilistische Vorstellungen zuk�nftiger Au-toren zu reagieren: „You and we are, as I understand it, in agreement that where thesituation or author requires a different style, you will do your best to oblige.“84 Esscheint, als habe Freeman die aufziehenden Konflikte vorausgeahnt, denn tats�chlichwaren es wenig sp�ter Stilfragen, an denen sich ein neuer, schwerer Streit zwischenVerleger und Illustrator entz�ndete. Ausgangspunkt waren �nderungen, die PaulLorrain und Dale R. Corson, Autoren des Manuskripts Electromagnetic Fields andWaves, an Haywards Illustrationen f�r ihr Buch w�nschten, Verbesserungsw�nsche,die Hayward als Zumutung empfand. Sein Zorn hatte sich insbesondere daran ent-z�ndet, dass sie in seinen Stil eingreifen wollten. Statt seiner typischen, handgezeich-neten Konturen verlangten sie eine Linienf�hrung, die sich �sthetisch an topographi-schen Karten orientierte: glatt und gleichm�ßig. Haywards Reaktion war eindeutig:

I am not a draughtsman. I will not redraw figures until they conform to any other person’s idea of aes-thetic perfection. If my hand is not steady enough then other and more amenable hands will have to beemployed. My contract with the W.H. Freeman Company entitles them to 60% of my time in the capacityof an illustrator and not as a draughtsman.85

Freeman reagierte unmissverst�ndlich, aber gelassen: „[T]he work must be done –dull or not. We cannot afford to pay you and have done elsewhere work that you donot want to do or literally cannot do.“ Er bot Hayward zwei M�glichkeiten an: ent-weder den Vertrag zu annulieren und finanziell sowie rechtlich wieder auf die Tan-tiemenbasis zur�ckzugehen oder sich dem unbedingten Prinzip zu verpflichten, dassdie W�nsche eines Autors erf�llt werden mussten.86 Hayward pr�ferierte die Ver-tragsaufl�sung, ließ es sich jedoch nicht nehmen, in seinen weiteren Briefen an Free-

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man noch einmal auf sein Recht und seine Identit�t als wissenschaftlicher Illustratorzu pochen.

I see nothing in that document which commits me to the philosophy that the author or any other personis always right. I certainly would never sign a contract which would require me to satisfy any person orpersons who are not a party to that instrument.87

Er wolle sich nicht Freemans Willen beugen und sehe sich als Experte, dessen Mei-nung eigentlich erw�nscht sein sollte. Die Anerkennung seiner F�higkeiten war dieFreiheit, die er sich w�nschte, und insofern ein teures Gut:

If you would like to buy the remaining eight years of my contract I can assure you that the price willvery much exceed the mere restoration of the royalty payments for the books enumerated in the con-tract.88

Hayward forderte, so sein Argument, was ihm als stilpr�gender Illustrator zu-stand:

I realize that there are people who do not like my work and there is nothing peculiar or unusual aboutthat. But I see my name on the Freeman advertizing material and I hear Harper Frantz say that my workhas indeed changed the current styles of illustration in chemistry texts and therefore I expect to be regar-ded as the senior illustrator which my work has demonstrated.89

Drohungen hin oder her – Hayward hatte schlechte Karten. Rechtlich stehe er aufschwachen F�ßen, schrieb ihm Freeman einige Tage sp�ter. Er wiederholte seineBotschaft, dass die W�nsche von Verlag und Autor �ber Haywards Meinung gingen:

We and our authors are the sole judges of what goes into a book and you legally must abide to thatprinciple or you do not fulfill your part of the bargain with this company. […] Officially, my first premiseis that it is we who decide what is an illustration, and, second, that we and our authors must be satisfiedwith the work of any illustrator of ours, and that it is not in the company’s interests to have an illustratordisturbing relations with our authors.90

Im n�chsten Brief lenkte Hayward ein, versuchte, sein Verhalten noch einmal vordem Hintergrund seiner beruflichen Erfahrungen zu erkl�ren, und stimmte Free-mans Vorschlag zu, wieder ausschließlich auf Tantiemenbasis bezahlt zu werden.Freeman und er kehrten zu ihrer �blichen, freundschaftlichen Routine zur�ck.

Hinter diesem erneuten Zwischenfall stand neben den Themen, die den Streit ei-nige Jahre fr�her gepr�gt hatten – Fragen der �konomischen und wissenschaftlichenAnerkennung – eine Ver�nderung der Illustrationstechniken, die Hayward in denkommenden Jahren erheblich betreffen sollte. Haywards Stil wurde ,altmodisch‘,eine Entwicklung, die sich schon seit Ende der 1950er Jahre angek�ndigt hatte, nunaber an Fahrt gewann.91 Mehr und mehr setzte sich eine Hayward ganz und gar zu-widerlaufende Linienf�hrung durch: „a non-Haywardian preciseness of line and let-ter“.92 Haywards Zeichnungen wurden zunehmend als verschwommen, ,out of date‘und idiosynkratisch wahrgenommen und klaren, „sauberen Stilen“ der Vorzug gege-ben.93

In aller Sch�rfe deutlich wurde das Mitte der 1960er Jahre, als Pauling mit der�berarbeitung von General Chemistry f�r die dritte Auflage begann. Er bat darum,einige Probebilder von Hayward mit air-brush-Technik zu erhalten, um zu �berpr�-fen, ob dieser Wechsel der Illustrationstechniken seinen Vorstellungen entsprechenw�rde.94 Die Stimmung war angespannt: „I hope that Roger will be able to present atechnique that will please us“, schrieb Freemans Partner an Pauling. „It would be ashame to have him drop out as the illustrator of your books after all these years.“95

Schon wenige Wochen sp�ter lagen die gew�nschten Zeichnungen vor, und von Ver-lagsseite aus war man mit Haywards neuen Techniken durchaus zufrieden.96 Pau-lings Kritik war allerdings vernichtend: „I do not think that the two drawings rende-

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red mechanically by Roger are satisfactory. I could do a better job myself, although Ihave never been first rate in mechanical drawings.“97 Seine Linien seien nicht einheit-lich in ihrer Dicke, die Darstellungen wurstig („stubby“), die R�nder unregelm�ßig.Paulings Entscheidung war gefallen: Er gab Evan Gillespie den Vorzug, einem Illu-strator, mit dem er schon bei der Neuauflage von College Chemistry zusammengear-beitet hatte.98 „The drawings by Evan Gillespie […] are in my opinion better thanthe Roger Hayward illustrations – better than those in my present editions of Col-lege Chemistry and General Chemistry, and better than the samples that Roger hasprepared.“99

Drei Jahre sp�ter erschien die �berarbeitete dritte Auflage. Auf dem Deckblattwurde kein Illustrator mehr genannt; alle Abbildungen Haywards waren ersetztworden, wobei ihre Grundkomposition weitgehend �bernommen worden war.100 Inden Illustrationen der Neuauflage war nichts mehr vom skizzenhaften, schnellen StilHaywards �brig geblieben. Die Bilder strahlten Modernit�t aus und waren scheinbarohne den Einfluss einer individuellen Hand aufs Papier gebracht worden. Die Mole-

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Abb. 3: Fotografien der Molek�lentw�rfe von Evan L. Gillespie f�r die dritte Auflage von General Che-mistry, die 1970 erschien. Ava Helen and Linus Pauling Papers, Oregon State University Libraries, LinusPauling Books, 1970b2.14 General Chemistry.

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k�lportraits beruhten zumindest teilweise auf Computergraphiken.101 Objektivit�twar mechanisiert und die abgebildeten Strukturen und Apparate standardisiert wor-den, so dass die von Hayward transportierte Individualit�t der architektonischenStrukturen verschwunden war (vgl. Abb. 2 und Abb. 3).102 Hatten die von Haywardabgebildeten Apparate und Techniken noch in bestimmten R�umen stattgefunden,so war in Gillespies Bildern nur mehr ein abstrahierter, technischer Raum �brigge-blieben. Wissenschaft war zu einer ,reinen‘ Denkt�tigkeit geworden, schien in asepti-schen Settings stattzufinden. Sichtbarmachen selbst war nun wissenschaftlich objek-tiv geworden, Linien schienen nichts mehr auszudr�cken als den Inhalt, den sietransportieren sollten.103 W�hrend Pauling seine in die Jahre gekommenen Datenund Texte �berarbeiten konnte, wurde Hayward durch einen scheinbar namenlosenZeichner ersetzt.

Negationen der Sichtbarmachungen

Haywards Bilder verbanden handwerkliche, intellektuelle und visuelle Aspekte desDenkens. Sie vermittelten zwischen Labor und Unterrichtsr�umen, schufen visuelleTatsachen, die f�r die Produktion des Wissens ebenso grundlegend waren wie f�rseine Vermittlung. Die Sichtbarmachungen dienten Pauling als Dias in der Lehre,waren visuelle Argumente in seinen Vorlesungen, B�chern sowie wissenschaftlichenArtikeln und als solche wesentlich f�r Paulings Erfolg als Lehrer, Redner und Wis-senschaftler. Ob seine Karriere ohne die Mitwirkung von Hayward als visueller Ge-stalter seiner Thesen anders verlaufen w�re, muss offen bleiben. Sicher aber ist, dassdie Zusammenarbeit mit Hayward in mehrfacher Weise produktiv war. Sie wurde,wie das Beispiel der Darstellung von Na2Cd11 gezeigt hatte, epistemisch fruchtbar.Zeichnen und Denken waren in der Zusammenarbeit von Pauling und Hayward ver-zahnt, die Dreidimensionalit�t der chemischen Strukturen nicht ohne ihre Visualisie-rung zu entschl�sseln beziehungsweise zu kommunizieren. Gleichzeitig trugenHaywards Bilder erheblich zum Erfolg von Paulings Lehrb�chern bei. Sie machtenStrukturaufkl�rung nachvollziehbar, versinnbildlichten Paulings Beschreibungenund f�hrten unz�hlige Studierende in die Chemie ein. Haywards Bilder waren stil-bildend; er schuf eine visuelle Marke, die in der Lehre, aber auch im Verlagswesenunverkennbar werden sollte. Sie waren jahrelang Gesicht und Aush�ngeschild desWestk�stenverlags W. H. Freeman & Co. Wie die wiederholten Auseinandersetzun-gen zwischen Pauling, Freeman und Hayward zeigten, wurden die Bilder allerdingstrotz ihrer epistemischen, wissenskommunikativen und wirtschaftlichen Potenz inmehrfacher Weise negiert.

Zum einen wurde die Bedeutung von Bildern nicht immer anerkannt. Das hattezum Teil wirtschaftliche Gr�nde, befestigte aber auch Hierarchien, die Wissenschaftund Visualit�t klar voneinander trennten. Wissenschaft wurde ebenso wie das Ver-lagsgesch�ft als prinzipiell sprachliche T�tigkeit gedacht, in der Bilder keine odernur eine nebengeordnete Rolle spielten. Das widersprach Paulings visuellem Denk-stil, entsprach jedoch der Negation des Visuellen, die zur Geschichte der Wissen-schaft geh�rt.104 Bilder waren Beiwerk und entsprechend organisierte sich die Zu-sammenarbeit von Wissenschaftler, Illustrator und Verleger. Zum anderen zeigt sichan der Entwicklung von Paulings Publikationen, dass die Bilder zunehmend entsinn-licht wurden. Objektivit�t wurde nicht mehr durch auktoriale Autorit�t des Illustra-

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tors hergestellt, sondern durch Entpers�nlichung. W�hrend die Bilder Haywardsihre Gemachtheit ausstellten und gerade darin eine besondere Eing�ngigkeit undVerst�ndlichkeit zu erreichen versuchten, �nderte sich der Stil in den 1960er Jahrenzur Mechanisierung und Rationalisierung der Linie. Das Handwerklich-Sinnlichedes Denkens und Lehrens wurde verneint, an seine Stelle trat eine Linienf�hrung,die Evidenz qua Unpers�nlichkeit suggerierte.

Durch diesen Stilwandel distanzierten sich Pauling und Freeman dar�ber hinausvon jener Ebene des informellen, schnellen Wissensaustauschs, die Haywards Bilderso wesentlich gepr�gt hatte. Seine Bilder beriefen sich auf die Skizze als visuelles Er-kl�rungsmodell, die er nicht nur als Architekt eingesetzt hatte, sondern dar�ber hi-naus durch jahrzehntelange Erfahrung als Illustrator der amateurwissenschaftlichenRubrik „The Amateur Scientist“ in der popul�rwissenschaftlichen Zeitschrift Scien-tific American perfektioniert hatte.105 Eben hier hatte dieser informelle Werkstatt-charakter, das Schnelle und gleichzeitig Plastische seiner Bilder dazu beigetragen,unterschiedliche Wissenskulturen zu verbinden und freizeitwissenschaftliche Appa-raturen, Techniken und Experimentalaufbauten – von Teleskopen �ber Seismometerbis zu Sonnenuhren und Techniken der Vogelberingung – vorzustellen. HaywardsBilder waren als Bauanleitungen oder schematische Darstellungen zwischen wissen-schaftlicher Repr�sentationsform und technisch-haushaltswirtschaftlicher Bildspra-che angesiedelt. Ihre charakteristischen Merkmale von Handzeichnungen siedelten„The Amateur Scientist“ visuell in der Garage oder Werkstatt an und unterstrichenden enthierarchisierten Charakter des amateurwissenschaftlichen Forums. Haywardwandelte zwischen den Welten, verband in seiner Arbeit als Illustrator Berufs- undHobbywissenschaft. Vor diesem Hintergrund ist die abrupte �nderung der Bild-sprache in Paulings General Chemistry auch als eine deutliche Grenzziehung zwi-schen amateurwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Bildlichkeit zu lesen. Infor-malit�t und Entwurfscharakter wurden durch den Wechsel von Hayward zu Gille-spie aus der Wissenschaft verbannt. Amateurhafte Vorl�ufigkeit schien in derWissenschaft nichts mehr verloren zu haben.

Schließlich l�sst sich die Zusammenarbeit von Hayward, Freeman und Pauling alsAbwehr des Hybriden deuten. Hayward war, ebenso wie seine Bilder, ein Grenzg�n-ger. Er war kein professioneller Wissenschaftler, aber dennoch ein ernstzunehmenderGespr�chspartner, hatte sich sein Wissen weitgehend selbst erarbeitet und war ohneformale Ausbildung in das Gesch�ft der wissenschaftlichen Illustration hineinge-wachsen. Er war nicht ausschließlich K�nstler und nicht Wissenschaftler und konntedoch auf beiden Feldern Erfolge aufweisen. Ebenso vermittelten seine Bilder zwi-schen Werkstatt, Garage und Labor, verbanden universit�re, amateurwissenschaftli-che und studentische Wissenskulturen, waren f�r die Wissensproduktion ebenso ent-scheidend wie f�r die Kommunikation des Wissens. Haywards Sichtbarmachungenproduzierten Wissen und reproduzierten es, sie waren Prozess und Ergebnis desDenkens zugleich. Ihre Medialit�t durchbrach klare Grenzen zwischen Wissenschaftund Wissenschaftskommunikation, zwischen Amateuren und Experten, zwischenDenken und Lehren. Sie waren, wie Haywards Geschichte zeigt, ebenso schwer zukontrollieren wie ihr Zeichner selbst.

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Linus Pauling, Roger Hayward und der Wert von Sichtbarmachungen

1 Roger Hayward, Information for the Files of the Twenty Club, 9. November 1948, Courtesy of theRoger Hayward Papers, Special Collections, Oregon State University Libraries (im Folgenden: RHPapers), Box 1.015, Folder 15.3. Hayward modellierte Anfang der 1930er Jahre ein Mondmodell f�rdas Griffith Observatory, das in den 1950er Jahre in Walt Disneys Film „Man and the Moon“ auf-tauchte.

2 Vgl. Army Air Forces, Get that Fighter – Training Booklet, o.O. 1943; Dokumente zu Patenten bei-spielsweise in RH Papers, Box 3.001, Folder 1.1.

3 Lebenslauf von Roger Hayward, 21. Januar 1961, RH Papers, Box 1.014, Folder 14.1.4 Roger Hayward an Alan Scofield, 24. August 1966, RH Papers, Box 1.010, Folder 10.11.5 Roger Hayward an Alan Scofield, 24. August 1966, RH Papers, Box 1.010, Folder 10.11.6 Roger Hayward an Walter Guyton Cady, 16. August 1964, RH Papers, Box 1.003, Folder 3.2; Linus

Pauling, General Chemistry. An Introduction to Descriptive Chemistry and Modern ChemicalThought, San Francisco: W. H. Freeman & Co. 1947; Linus Pauling, Roger Hayward, The Architectu-re of Molecules, San Francisco: W. H. Freeman & Co. 1964.

7 William H. Freeman an Linus Pauling, 12. Januar 1953, Courtesy of the Ava Helen and Linus PaulingPapers, Oregon State University Libraries (im Folgenden: AHLP Papers), Linus Pauling Safe Con-tents, Drawer 3, Folder 3.002.

8 Vgl. beispielsweise die Rezensionen von General Chemistry von Martin D. Kamen, The QuarterlyReview of Biology 23/4 (1948), 380 sowie von J. S. Coles, Science, N. S. 107/2767 (9. Jan. 1948), 49.Ausf�hrlich zur Genese von General Chemistry Mary Jo Nye, From Student to Teacher. Linus Pau-ling and the Reformulation of the Principles of Chemistry in the 1930s, in: Anders Lundgren, Berna-dette Bensaude-Vincent (Hrsgg.), Communicating Chemistry. Textbooks and Their Audiences,1789–1939, Canton, MA: Science History Publications 2000, S. 397–413.

9 Royalty Statement General Chemistry, Year Ending June 30, 1948, AHLP Papers, LP Books,1947b.6.1, General Chemistry.

10 Royalty Statement General Chemistry, AHLP Papers, LP Books, 1947b.6.1, General Chemistry.11 Vgl. Agreement for Illustration of Textbook, 25. Januar 1947, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Fol-

der 2.009 sowie Royalty Statement General Chemistry, Year Ending June 30, 1948, AHLP Papers, LPBooks, 1947b.6.1, General Chemistry. Zu Haywards Tantiemen: William H. Freeman an Roger Hay-ward, 26. Juli 1949, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.1 sowie William H. Freeman an Roger Hayward,20. Juli 1950, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.2.

12 Roger Hayward an William H. Freeman, 30. Januar 1953, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.5.13 William H. Freeman an Linus Pauling, 12. Januar 1953, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 3, Folder

3.002.14 Einen Einblick in Haywards k�nstlerisches Schaffen bietet die Homepage der Special Collections der

Oregon State University Libraries: http://scarc.library.oregonstate.edu/omeka/items/browse?collection=16 (Zugriff 30. Juni 2013).

15 Roger Hayward an Alan Scofield, 24. August 1966, RH Papers, Box 1.010, Folder 10.11. Zu Hay-wards Biografie vgl. auch den Blog der Oregon State University Libraries unter http://osulibrary.oregonstate.edu/specialcollections/omeka/exhibits/show/hayward (Zugriff 30. Juni 2013).

16 Roger Hayward an Clair L. Stong, 8. April 1972, RH Papers, Box 1.013, Folder 13.1.17 Zur Entwicklung des CalTech in den 1920er und 1930er Jahren vgl. Lily E. Kay, The Molecular Vision

of Life. Caltech, The Rockefeller Foundation, and the Rise of the New Biology, New York: OxfordUniversity Press 1993, zu Paulings Forschungsinteressen bes. S. 146 ff.

18 Roger Hayward an John Early Jackson, 18. April 1961, RH Papers, Box 1.007, Folder 7.2.19 Roger Hayward an Clair L. Stong, 8. April 1972, RH Papers, Box 1.013, Folder 13.1. Außerdem kons-

truierte Hayward ein Teleskop und einen Spektrografen, der seinen Weg als Mitarbeiter bei BeckmanInstruments und am Mt. Wilson Observatorium in den 1940er Jahren bahnen sollte. Vgl. Roger Hay-ward an Frode Dann, 17. Oktober 1968, RH Papers, Box 1.003, Folder 3.20. Hayward arbeitete 1940bei Beckman Instruments, vgl. Roger Hayward an James R. Kramer, 3. Mai 1977, RH Papers, Box1.007, Folder 7.6 sowie RH an Dorman Luke, 15. Januar 1963, RH Papers, Box 1.007, Folder 7.14.

20 Vgl. Roger Hayward an Esbon R. Marsch, 14. Mai 1972, RH Papers, Box 1.008, Folder 8.4.21 John D. Strong, Procedures in Experimental Physics, Eaglewood Cliffs: Prentice-Hall 1938.22 Roger Hayward an John Early Jackson, 18. April 1961, RH Papers, Box 1.007, Folder 7.2.23 Vgl. Strong, Procedures (wie Anm. 21), Preface.24 Roger Hayward an James A. Goldmann, 9. Juli 1969, RH Papers, Box 1.004, Folder 4.16.25 Roger Hayward an Jesse W. M Dumond, 20. Oktober 1971, RH Papers, Box 1.003, Folder 3.30.

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Ina Heumann

26 Hans-J�rg Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Eine Geschichte der Protein-synthese im Reagenzglas, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S. 93.

27 Zu „tacit knowledge“ Michael Polanyi, Personal Knowledge. Towards a Post-Critical Philosophy,London: Routledge 1958.

28 Zur „Stimmung“ als Grundlage wissenschaftlicher Denkkollektive vgl. Ludwik Fleck, Entstehungund Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einf�hrung in die Lehre vom Denkstil und Denk-kollektiv, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2012, S. 130 f.

29 Roger Hayward an Dennis Flanagan, 19. Januar 1973, RH Papers, Box 1.004, Folder 4.8.30 Zu Paulings Modellbau-Methode vgl. beispielsweise Kay, The Molecular Vision (wie Anm. 17),

S. 157 f. sowie Eric Francœur, Molecular Models and the Articulation of Structural Constraints inChemistry, in: Ursula Klein (Hrsg.), Tools and Modes of Representation in the Laboratory Sciences,Dordrecht: Kluwer Academic Publishers 2001, S. 95–115; Mary Jo Nye, Paper Tools in the Chemistryof Linus Pauling, in: Klein (Hrsg.), Tools and Modes, S. 117–132; Nye, From Student to Teacher (wieAnm. 8). In den letzten Jahren sind eine Reihe wissenschaftshistorischer Biografien Paulings erschie-nen, in denen zwar sein Einsatz von Modellen, nicht aber die Zusammenarbeit mit Hayward disku-tiert wird. Vgl. beispielsweise Thomas Hager, Forces of Nature. The Life of Linus Pauling, New York:Simon & Schuster 1995; Ted Goertzel, Ben Goertzel, Linus Pauling. A Life in Science and Politics,New York: BasicBooks 1995.

31 Linus Pauling, Notes: Freshman Chemistry, 21. September 1932, AHLP Papers, LP Books, 1941b3.8.Vgl. die Reproduktion der Notiz auf dem Blog der Oregon State University Libraries Special Collec-tions unter http://scarc.library.oregonstate.edu/coll/pauling/calendar/1932/09/21.html (Zugriff 25.Juni 2013).

32 Max Perutz, Obituary Linus Pauling, Nature Structural & Molecular Biology 1, 10 (1994), 667–671,hier S. 668.

33 Zum architektonischen Prinzip der Strukturchemie Paulings vgl. beispielsweise Bruno Strasser, AWorld in One Dimension: Linus Pauling, Francis Crick and the Central Dogma of Molecular Biology,History and Philosophy of the Life Sciences 28, 4 (2007), 491–512; Nye, Paper Tools (wie Anm. 30);Christoph Meinel, Molecules and Croquet Balls, in: Soraya de Chadarevian, Nick Hopwood (Hrsgg.),Models. The Third Dimension of Science, Stanford: Stanford University Press 2004, S. 242–275.

34 Vgl. zu Paulings Bilderdenken ausf�hrlich Alberto Cambrosio, Daniel Jacobi, Peter Keating, Arguingwith Images: Pauling’s Theory of Antibody Formation, Representations 89, 1 (2005), 94–130. Zurgrundlegenden Schwierigkeit, dreidimensionale Modelle zweidimensional zu pr�sentieren beispiels-weise Francœur, Molecular Models (wie Anm. 30); Soraya de Chadarevian, Models and the Making ofMolecular Biology, in: Chadarevian, Hopwood (Hrsgg.), Models (wie Anm. 33), S. 339–368.

35 Vgl. etwa Roger Hayward an Jesse W. M. DuMond, 29. Oktober 1971, RH Papers, Box 1.003, Folder3.30. Dieser zeichnerische Umgang mit Raum, den Hayward unter anderem als Architekt gelernthatte, pr�gte auch Irving Geis, neben Hayward einer der großen Wissenschaftsillustratoren des 20.Jahrhunderts. Auch er hatte Architektur studiert und als K�nstler gearbeitet, bis er schließlich als Wis-senschaftsillustrator Karriere machte. Zu Geis vgl. Martin Kemp, Von Kendrews Kartierung zu Geis’Gem�lde, in: derselbe, Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Ph�nomene, K�ln:Dumont 2000, S. 179–182; Richard E. Dickerson, Irving Geis, Molecular Artist, 1908–1997, ProteinScience 6 (1997), 2483–2484; Bruce Paul Gaber, David S. Goodsell, Irving Geis: Dean of MolecularIllustration, Journal of Molecular Graphics and Modelling 15 (1997), 57–59; Chadarevian, Models andthe Making (wie Anm. 34), S. 349–353. Eine Geschichte der Formalisierung und Lehre sowie der Stil-bildung naturwissenschaftlicher Sichtbarmachungen im 20. Jahrhundert steht noch aus.

36 Roger Hayward an Margaret Rea Carley, 21. Juni 1958, RH Papers, Box 1.003, Folder 3.16.37 Lebenslauf von Roger Hayward, 21. Januar 1961, RH Papers, Box 1.014, Folder 14.1.38 Vgl. Roger Hayward an Withworth Ferguson, 15. Mai 1965, Box 1.003, Folder 3.13 sowie Roger Hay-

ward an Mary E. Warga, 3. Januar 1967, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.4.39 Roger Hayward an D. A. Tacke, Prentice-Hall, 28. Dezember 1937, RH Papers, Box 1.099, Folder

9.16.40 Roger Hayward an Albert Ingalls, 31. Mai 1951, RH Papers, Box 1.006, Folder 6.1.41 Roger Hayward an George E. Morris, 10. M�rz 1971, RH Papers, Box 1.008, Folder 8.13. Vgl. auch

Roger Hayward an Albert Ingalls, 31. Mai 1951, RH Papers, Box 1.006, Folder 6.1.42 Roger Hayward an Clair L. Stong, 7. Dezember 1961, RH Papers, Box 1.016, Folder 11.6.43 Vgl. etwa Linus Pauling an Roger Hayward, 1. September 1949, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13;

Linus Pauling an Roger Hayward, 30. Januar 1950, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13; eine ausf�hr-

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liche Strukturbeschreibung findet sich etwa in Linus Pauling an Roger Hayward, 25. Mai 1951, RHPapers, Box 1.009, Folder 9.13.

44 Roger Hayward an John D. Strong, 22. April 1948, RH Papers, Box 1.014, Folder 14.1 sowie ArlettaTownsend an Roger Hayward, 22. Januar 1948, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13. Paulings Lehreruhte in dieser Zeit in erheblichem Maß auf Haywards Illustrationen, die als Farbdias eine „todschik-ke Schau“ („a very snazy [sic] show“) boten: Roger Hayward an Albert Ingalls, 11. M�rz 1952, RHPapers, Box 1.006, Folder 6.2.

45 Linus Pauling an Roger Hayward, 19. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.46 Linus Pauling an Roger Hayward, 19. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.47 Linus Pauling an Roger Hayward, 24. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.48 Linus Pauling an Roger Hayward, 24. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.49 Roger Hayward an Linus Pauling, 27. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.50 Roger Hayward an Linus Pauling, 27. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.51 Linus Pauling an Roger Hayward, 2. August 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.52 Aus dem Briefwechsel geht nicht eindeutig hervor, dass Paulings Revision der Struktur von Na2Cd11

ausschließlich durch Haywards Sichtbarmachungen ausgel�st worden war. Allerdings legen die Briefenahe, dass Haywards Bilder daran entscheidenden Anteil hatten, Pauling auf seinen Fehler aufmerk-sam zu machen und seine Angaben zu �berarbeiten. Zur Potentialit�t von Zeichnen als epistemischesVerfahren vgl. zuletzt das Themenheft Knowledge in the Making, hrsg. von Christoph Hoffmann,Barbara Wittmann, Science in Context 26, 3 (2013) sowie die Beitr�ge in Karin Krauthausen, Omar W.Nasim (Hrsgg.), Notieren, Skizzieren. Schreiben und Zeichnen als Verfahren des Entwurfs, Z�rich,Berlin: Diaphanes 2010.

53 Vgl. beispielsweise Linus Pauling an Roger Hayward, 12. Juni 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder9.13: „Thanks very much for the rhombic triacontahedron, which is useful in the investigation of thesestructures.“

54 Linus Pauling an Roger Hayward, 2. August 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.55 Zur Mobilit�t von Inskriptionen grundlegend: Bruno Latour, Drawing Things together, in: Michael

Lynch, Steve Woolgar (Hrsgg.), Representations in Scientific Practice, Cambridge, MA: The MIT Press1990, S. 19–68.

56 Linus Pauling an Pierre Laszlo, 13. Juni 1983, zitiert nach Cambrosio u.a. (wie Anm. 34), S. 94.57 Linus Pauling an William H. Freeman, 5. Januar 1953, AHLP Papers, LP Books, 1953b.1 General

Chemistry; Linus Pauling an Harper W. Frantz, 1. Oktober 1948, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.58 Linus Pauling an William H. Freeman, 8. Juni 1948, AHLP Papers, LP Correspondence, Box 439,

Folder 5.59 Vgl. etwa Linus Pauling an Roger Hayward, 9. Juli 1951, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13; Linus

Pauling an Roger Hayward, 30. Januar 1950, ebd.60 Vgl. das Quellenzitat Haywards unter http://osulibrary.oregonstate.edu/specialcollections/omeka/ex-

hibits/show/hayward/development/pauling (Zugriff 30. Juni 2013).61 Vgl. etwa Linus Pauling, Robert B. Corey, Roger Hayward, The Structure of Protein Molecules,

Scientific American 191, 7 (1954), 50–59; Linus Pauling an William H. Freeman, 8. Juni 1948, AHLPPapers, LP Correspondence, Box 439, Folder 5.

62 William H. Freeman an Linus Pauling, 12. Januar 1953, AHLP Papers, Linus Pauling Safe Contents,Drawer 3, Folder 3.002.

63 William H. Freeman an Linus Pauling, 12. Januar 1953, AHLP Papers, Linus Pauling Safe Contents,Drawer 3, Folder 3.002.

64 Pauling, General Chemistry (wie Anm. 6); derselbe, College Chemistry. An Introductory Textbook ofGeneral Chemistry. Illustrations by Roger Hayward, San Francisco: W. H. Freeman & Co. 1950;Lloyd E. Malm, Harper W. Frantz, Essentials of Chemistry in the Laboratory, San Francisco: W. H.Freeman & Co. 1961.

65 Vgl. Pauling, General Chemistry (wie Anm. 6), S. vi sowie die Werbebrosch�ren in AHLP Papers, LPBooks, Folder 1947b6.5 General Chemistry und die Verlagswerbung in RH Papers, Box 1.016, Folder16.1, die nicht nur durch Haywards Bilder illustriert war, sondern auch noch explizit auf sie verwies:„It has Roger Hayward’s illustrations – 100 of them new – including two color plates“, hieß es bei-spielsweise in der Beschreibung von College Chemistry (wie Anm. 64).

66 Vgl. Charles L. Skelley, The Macmillian Company, an Linus Pauling, 14. Juli 1941, Pauling Papers,Ms Books, Box 5.008, Folder 8.14.

67 William H. Freeman an Linus Pauling, 21. Mai 1946, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder 2.009.

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Ina Heumann

68 Linus Pauling an Skelley, 8. Juni 1946, AHLP Papers, Ms Books, Box 5.008, Folder 8.14 sowie LinusPauling an Freeman, 7. Januar 1960, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder 39.49b.

69 Vgl. A Note To A Few Potential Investors: A Bit of History, W. H. Freeman & Co., vermutlich Win-ter 1946, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder 39.49b.

70 Vgl. Annual Report to the Stockholders, 5. September 1952, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder2.009. Anfang der 1960er Jahre hatte Pauling 390 Aktien. Vgl. handschriftliche Notiz Paulings, 25.Januar 1962, ebd. sowie Shareholders – W. H. Freeman & Company, 1964, ebd. Vgl. auch die weiterenBalance Sheets von W. H. Freeman von 1962/1963, ebd.; Report to the Stockholders, 1. Oktober 1962,AHLP Papers, LP Correspondence, Box 440, Folder 440.3.

71 William H. Freeman an Roger Hayward, 27. April 1956, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.8. Malm-Frantz bezog sich auf das Buch von Lloyd E. Malm und Harper W. Frantz, Essentials of Chemistry inthe Laboratory, das Hayward illustriert hatte und das 1961 bei Freeman & Co. in San Francisco er-schien. In den Vorgespr�chen f�r das Buch war die Bedeutung von Haywards Beitrag noch deutlichergewesen: Pauling empfahl dringend, Hayward als Illustrator zu gewinnen: „He has some excellentideas about illustrations pertinent to laboratory technique.“ Linus Pauling an William H. Freeman,20. Mai 1947, LP Papers, LP Correspondence, Box 439, Folder 439.5.

72 William H. Freeman an Roger Hayward, 27. April 1956, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.8.73 William H. Freeman an Roger Hayward, 27. April 1956, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.8.74 Vgl. Agreement for Illustration of Textbook, 25. Januar 1947, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Fol-

der 2.009.75 Linus Pauling an William H. Freeman, 7. Januar 1960, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder

39.49b.76 Subscription Agreement, 21. Dezember 1946, unterzeichnet von Freeman, seiner Gesch�ftsf�hrerin

und Pauling, AHLP Papers, LP Safe, Drawer 2, Folder 2.009.77 Vgl. beispielsweise Royalty Statement General Chemistry, Year Ending June 30, 1948, AHLP Papers,

LP Books, 1947b.6.1, General Chemistry.78 William H. Freeman an Roger Hayward, 25. Februar 1953, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.5.79 Roger Hayward an Linus Pauling, 30. Januar 1953, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13.80 Linus Pauling an Roger Hayward, 29. Januar 1953, RH Papers, Box 1.009, Folder 9.13 sowie Roger

Hayward an Linus Pauling, 5. Februar 1953, ebd.81 Roger Hayward an William H. Freeman, 2. M�rz 1953, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.5.82 William H. Freeman an Roger Hayward, 20. Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9; Em-

ployment Agreement, Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9. Etwa im gleichen Zeit-raum beendete Hayward seine Partnerschaft mit dem Architekturb�ro Lunden, Hayward & Co.

83 Roger Hayward an William H. Freeman, 24. Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9.„COCO“, wie das Buch im internen Sprachgebrauch genannt wurde, erschien 1958: John D. Strong,Concepts of Classical Optics, San Francisco: W. H. Freeman & Co. 1958.

84 William H. Freeman an Roger Hayward, 20. Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9.85 Roger Hayward an William H. Freeman, 2. Januar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1.86 William H. Freeman an Roger Hayward, 21. Januar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1.87 Roger Hayward an William H. Freeman, 27. Januar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1.88 Roger Hayward an William H. Freeman, 27. Januar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1. Vgl.

auch den Expressbrief zwischen Freeman & Co. und Hayward vom 27. Januar 1960, RH Papers, Box1.017, Folder 17.1 sowie Roger Hayward an William H. Freeman, 4. Februar 1960, RH Papers, Box1.017, Folder 17.1.

89 Roger Hayward an William H. Freeman, 27. Januar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1.90 William H. Freeman an Roger Hayward, 2. Februar 1960, RH Papers, Box 1.017, Folder 17.1.91 Vgl. William H. Freeman an Roger Hayward, 20. Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9

sowie William H. Freeman an Linus Pauling, 10. April 1959, AHLP Papers, LP Books, Folder1955b.3.

92 William H. Freeman an Roger Hayward, 20. Dezember 1957, RH Papers, Box 1.016, Folder 16.9.93 Vgl. etwa Lloyd E. Malm an Stanley Schaefer, 26. Februar 1963, AHLP Papers, LP Correspondence,

Box 440, Folder 440.4: „I personally prefer the somewhat cleaner style that Evan achieves.“ Freemanveranlasste 1968 eine erneute Begutachtung des Buches. Die Abbildungen wurden auch hier als abso-lut unmodern kritisiert („badly dated out“): Anonym an Freeman, 17. Dezember 1968, AHLP Papers,LP Books, 1953b2.3 General Chemistry.

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94 Linus Pauling an Stanley Schaefer, 28. Juli 1966, AHLP Papers, LP Books, 1953b.1 General Che-mistry.

95 Stanley Schaefer an Linus Pauling, 23. August 1965, AHLP Papers, LP Books, 1953b.1 General Che-mistry.

96 Stanley Schaefer an Linus Pauling, 1. September 1966, AHLP Papers, LP Books, 1953b.1 GeneralChemistry.

97 Linus Pauling an Stanley Schaefer, 29. September 1966, AHLP Papers, LP Books, 1963b.1 GeneralChemistry.

98 Vgl. dazu AHLP Papers, LP Books 1953b.3 College Chemistry.99 Linus Pauling an Stanley Schaefer, 29. September 1966, AHLP Papers, LP Books, 1963b.1 General

Chemistry.100 Linus Pauling, General Chemistry, 3rd edition, W. H. Freeman & Co. 1970.101 Vgl. Evan Gillespie an Linus Pauling, 19. Mai 1969, AHLP Papers, LP Books, 1970b2.14 General

Chemistry.102 Zur mechanisierten Objektivit�t grundlegend Lorraine Daston, Peter Galison, Das Bild der Objekti-

vit�t, in: Peter Geimer (Hrsg.), Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst undTechnologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002, S. 29–100.

103 Zur Entwicklung und dem Einsatz von Computergrafiken in der Molekularbiologie ab den 1960erJahren vgl. Eric Francœur, J�r�me Segal, From Model Kits to Interactive Computer Graphics, in:Chadarevian, Hopwood (Hrsgg.), Models (wie Anm. 33), S. 402–429.

104 Vgl. dazu beispielsweise Dieter Mersch, Visuelle Argumente. Zur Rolle der Bilder in den Naturwis-senschaften, in: Sabine Maasen, Torsten Mayerhauser, Cornelia Renggli (Hrsgg.), Bilder als Diskurse,Bilddiskurse, Weilerswist: Velbr�ck 2006, S. 95–116.

105 Hayward war von Ende 1949 bis Mitte der 1970er Jahre Illustrator der amateurwissenschaftlichenRubrik des Scientific American. Es war, wie der Herausgeber der Zeitschrift Dennis Flanagan es aus-dr�ckte, „a marriage made in heaven“: Dennis Flanagan an Roger Hayward, 13. Dezember 1954, RHPapers, Box 1.004, Folder 4.7.

Anschrift der Verfasserin: Dr. Ina Heumann, PAN – Perspektiven auf Natur, Museum f�r Naturkunde,Leibniz-Institut f�r Evolutions- und Biodiversit�tsforschung, Invalidenstraße 43, D-10115 Berlin, E-Mail: [email protected]

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