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Livius Ab urbe condita3. Livius’ Deutung der Episode 42 4. Interpretieren: Ein Bericht aus der Forschung – Titus Livius: Erzähltechnik und Zeitbezüge 44 Appius Claudius und Verginia

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LiviusAb urbe conditaBearbeitet von Wulf Brendel

Lehrerband

classicaKompetenzorientierte lateinische LektüreHerausgegeben von Peter Kuhlmann

Vandenhoeck & Ruprecht

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Wulf Brendel, Livius, ab urbe condita - Lehrerband

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Bibliografi sche Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.ISBN 978-3-647-90023-0

Umschlagabbildung: [email protected]

© 2012 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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Inhalt

Königszeit

Der Raub der Sabinerinnen (1,9) 5

1. Stadt ohne Zukunft? 5

2. Die Falle 7

3. Die Reaktionen nach dem Raub 8

4. Vergleichen und Interpretieren: Der Raub der Sabinerinnen bei Ovid und Livius 9

Lucretia – das Ende der Königszeit (1,57,6–59,2) 11

1. Eine Wette unter jungen Männern 11

2. Ein verliebter Tarquinier 13

3. Lucretias Rache 16

4. Die Lucretia-Geschichte im ethnografischen Zusammenhang 17

5. Vergleichen und Interpretieren: Die Lucretia-Geschichte bei Ovid und Livius 18

Der Krieg gegen die Etrusker

Horatius Cocles (2,10,1–13) 20

1. Der Brückenposten 20

2. Einer gegen alle – alle gegen einen 22

3. Der Sprung 23

4. Vergleichen und Interpretieren: Horatius Cocles bei Livius und Valerius Maximus 24

Mucius Scaevola (2,12,3–16) 25

1. Der Entschluss 25

2. Der Plan schlägt fehl 26

3. Mucius beweist seinen Mut 27

4. Mucius’ zweite Tat 28

5. Vergleichen und Interpretieren: Paralleltexte zu Mucius Scaevola 30

Cloelia (2,13,6–11) 31

1. Cloelias erste Tat 31

2. Cloelias zweite Tat 32

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Exempla für gutes und schlechtes Verhalten in der Republik

Der Alte (2,23,1–8) 34

Marcius Coriolanus (2,34,8–11; 2,35,6–7; 2,40,1–10) 36

1. Innenpolitische Kämpfe: Patrizier gegen Plebejer 36

2. Vom innenpolitischen Gegner zum außenpolitischen Feind 37

3. Die Frauen 37

4. Die Rede von Coriolans Mutter 39

5. Vergleichen und Interpretieren: Die Veturia-Rede bei Livius und Shakespeare 40

Der Retter – Cincinnatus (3,26,8–10; 3,27,1–4; 3,28,1–3; 3,26,7) 41

1. Die Berufung 41

2. Cincinnatus’ Handeln als Diktator 42

3. Livius’ Deutung der Episode 42

4. Interpretieren: Ein Bericht aus der Forschung – Titus Livius: Erzähltechnik und Zeitbezüge 44

Appius Claudius und Verginia (3,44,1–8; 3,47,1–5; 3,48,4–7) 45

1. Der begierige Decemvir 45

2. Ein abgekartetes Spiel 46

3. Der Richterspruch 47

4. Die Tat des Verginius 47

Der Lehrer von Falerii (5,26,10; 5,27,3–15) 50

1. Ein unmoralisches Geschenk 50

2. Der nackte Lehrer 52

3. Die Kapitulation 52

Tierische Rettung (5,47,1–7) 53

1. Ein nächtlicher Angriff 53

2. Die Rettung 54

Der Geldverleiher und der Junge (8,28,1–8) 57

Botschafter römischer Größe – Scipio (26,49,8–15; 26,50,1–13) 59

1. Der Gentleman 59

2. Einer wie viele! 60

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Königszeit

Raub der Sabinerinnen

Interpretationskizze:

- Aitiologische Darstellung: Die Herkunft der Römer aus verschiedenen Völkerschaften wird aitiologisch erklärt.

- Eine traditionelle Frevelgeschichte wird – soweit möglich – positiv umgedeutet und gerechtfertigt: Bitte des Romulus um Eheverbindungen gilt als gerecht, die Sabiner verhalten sich ungerecht und hochmütig. Nach dem Raub erweisen sich die römischen Männer als Frauenversteher. [Fortsetzung 1,10-13: Sabinerinnen lieben ihre römischen Männer und schlichten Krieg zwischen Sabinern und Rom → Tatius wird Mitkönig]

1. Stadt ohne Zukunft? (B)

Möglicher Unterrichtsablauf

Erster Abschnitt: Iam res Romana – conubia essent (Z. 1-8) 1. Sachklärung: conubium

Vor der Erschließung sollte das Konzept des Begriffes conubium mithilfe des Zusatztextes (S. 13) erläutert werden. Dadurch wird nicht nur das Verstehen ermöglicht, sondern es ergibt sich auch ein Motivationseffekt, weil Schüler die Klärung von Begriffen und Konzepten, die in der Welt der Römer verankert sind, spannend finden. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass Romulus’ diplomatische Initiative die mögliche Eheverbindung auf eine rechtliche Grundlage stellen soll.

Vertiefung der Bedeutung und Konstruktion von nubere: Eine Wortklärung erfolgt a) etymologisch b) über Synonyme oder Antonyme c) über den Kontext

nubere, verwandt mit nubes, is f.: Wolke, übertragen: Schleier (im Dt.: Schleierwolke). Vor der Hochzeit verhüllt die Braut ihr Gesicht mit einem roten Schleier (flammeum) für den Mann. Daher wird nubere im Lateinischen mit Dativ konstruiert: den Schleier nehmen für; heiraten.

Zum Weiterlesen: Weeber, Karl-Wilhelm: »Hochzeit«. In: Alltag im Alten Rom. Düsseldorf / Zürich 1997.

Alternative: Die Begründung für die Entsendung der Legaten kann auch als Leerstelle des Textes nach der Übersetzung von den Schülern erfragt werden: Warum entschließen sich die Väter und Romulus zu dieser Vorgehensweise?

2. Erschließung durch Einbezug a) der Überschrift b) des Konnektors sed c) des Schlüssel-

begriffes penuria, der in Opposition zu valida bzw. magnitudo steht, und conubium

3. Übersetzung des Abschnittes

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Zweiter Abschnitt: Tum – miscēre (Z. 9-23)

1. Übersetzung Tum – peterent (Z. 9-12)

2. Wiederholung: Regeln der oratio obliqua

3. Erschließung der Rede (urbes – miscēre, Z. 13-23)

Arbeitsauftrag: »Nennen Sie Argumente der Legaten, die die Zustimmung der Nachbarn zu einer rechtlich abgesicherten Ehe bewirken könnten.«

4. Übersetzung der oratio obliqua (urbes – miscēre, Z. 13-23)

5. Vertiefung über die Prüfung der Argumente: Mischung aus objektiv nachprüfbaren (erkennbarer Aufschwung Roms) und nicht überprüfbaren Argumenten (Hilfe der Götter)

Dritter Abschnitt: Nusquam – conubium fore (Z. 24-30)

1. Feststellung der Hauptaussage durch Blick auf das erste Wort (nusquam) und die letzten beiden Wörter (conubium fore)

2. Erschließung der Beweggründe über die Prädikate spernebant und metuebant

3. Übersetzung

Lösungsskizzen zu den Aufgaben

Aufgabe 1: Gliederung

Z. 1-8: Frauenmangel bedroht Roms Größe und Macht (Hintergrundinformation im Impf.) Z. 9-23: Romulus’ erster Versuch: Gesandtschaft zu den Nachbarn (neue Handlung im Perf.) Z. 24-30: Zurückweisung durch die Nachbarvölker

Aufgabe 2: Argumentation

Ziel: societas conubiumque

Argumentation: Der Aufschwung Roms (magnas opes, magnum nomen) basiert auf zwei Säulen: a) auf der eigenen Leistung (sua virtus) und b) auf der Hilfe der Götter (di iuvent). Für jeden Nachbarn seien diese zwei Säulen offensichtlich (chiastische Wiederaufnahme origini Romanae [...] deos adfuisse [...] non defuturam virtutem). Mit proinde schließt sich die aus dieser Argumentationskette sich zwingend ergebende Konsequenz für die Nachbar-völker an: Wer am Aufschwung partizipieren will, darf sich der Verbindung der Völker (sanguinem ac genus miscere) nicht verweigern (ne gravarentur).

Die Reaktion der Nachbarn ist schroff (nusquam benigne am Satzanfang als Haupttonstelle). Verachtung (spernebant), Furcht (metuebant) und schließlich als Gipfel der Klimax purer Zynismus (feminis quoque asylum aperuissent […] demum compar conubium fore) stehen in Kontrast zur argumentativ aufgebauten, aber dennoch metaphysisch untermauerten Rede der Gesandten.

Zur Vertiefung: Gödde, Susanne: Der Raub der Sabinerinnen. Gewaltsame Assimilation. In: Hartmann, Andreas / Neumann, Michael: Mythen Europas, Bd. I. Regensburg 2004, S. 82-104.

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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2. Die Falle (A)

Möglicher Unterrichtsablauf

1. Globales Erfassen des Inhaltes über die Namen im ersten Abschnitt (s. Aufgabe 5) und z. B. das lineare Dekodieren der Verbalaussagen (insbesondere im zweiten Abschnitt).

2. Für die Erarbeitung der Aufgabe 6 bietet es sich an, die Schüler beschreiben zu lassen, wie sie sich die Handlung bei der Paraphrase des Textes szenisch vorstellen (wichtig: unter Beachtung der Informationsreihenfolge).

Lösungsskizze zu Aufgabe 6

Das Drehbuch der Szene ist auf den dramatischen Höhepunkt des Raubes hin ausgerichtet:

Vor dem geistigen Auge des Lesers erscheint das Bild einer Stadt, die voll von neugierigen

(studio videndae novae urbis) Massen war (die Alliteration multi mortales an der Hauptton-

stelle Satzanfang). Das historisch-konstatierende Perfekt convenēre kennzeichnet das Ergeb-

nis: Rom wimmelt von Menschen!

Die Kamera fährt näher heran und identifiziert insbesondere die Nachbarn aus Caenina, Crus-

tumeria und Antemnae. Das asyndetische Trikolon unterstreicht ihre Unterschiedslosigkeit,

von denen dann die Sabiner als Hauptakteure durch den Konnektor iam abgehoben werden.

Die Kamera fährt noch näher heran und zeigt eine große Zahl Sabiner; man sieht Kinder und

Frauen. Hierbei verstärkt die variierende Verknüpfung (cum Abl. sociativus und ac als »und

dazu«) den Eindruck einer großen Anzahl, wobei die coniuges zusätzlich besonders betont

werden. Wir sehen die Gäste durch Rom schlendern (invitati betont, dass beide Parteien durch

das hospitium gebunden sind) und den Aufschwung der Stadt bewundern (mirantur). Es wird

eine Scheinidylle gemalt, die die folgende dramatische Wendung kontrastiv vorbereitet. Ein

Indiz für das Kommende ist das Präsens historicum (in lebhafter Erzählung).

Der dramatische Höhepunkt wird aber nun nicht direkt angeschlossen, sondern durch einen

temporalen Gliedsatz (ubi… vēnit… erant) vorbereitet: Jeder weiß, was kommt, aber die

Spannung wird noch erhöht. Die Nerven – auch der die schlendernden Sabinerinnen aus dem

Hinterhalt beobachtenden Römer – sind zum Zerreißen angespannt, die Sekunden verstrei-

chen für die Entführer quälend langsam (Imperfekt zum Ausdruck der begleitenden Neben-

umstände bei erant), da (tum) bricht die Gewalt (vis) aus. Das historische Präsens bei discurrit

unterstreicht die affektvolle Schilderung. Die Episode endet mit einer nüchtern-sachlichen

Zusammenfassung (»Polizeibericht«), wobei nicht der erreichte Zustand, sondern das histo-

rische Ergebnis betont wird – domos referebant: Romulus’ Plan ist aufgegangen!

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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3. Die Reaktionen nach dem Raub

Lösungsskizzen zu den Aufgaben

Aufgabe 7:

- Die Angehörigen werden in einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Trauer zunächst in panischer Angst um ihre Töchter sein, weil sie so schamlos hintergangen und ihre Kinder entführt worden sind. Später wird diese Angst sich mit Wut mischen.

- Auch die Töchter werden furchtbare Angst haben, weil sie ahnen können, was ihnen un-mittelbar bevorsteht. Das weitere Schicksal ist ungewiss.

Aufgabe 8:

Aufgabe 9:

Aussagekräftig ist für das Männerbild insbesondere der letzte Abschnitt, in welchem die Män-ner klischeehaft dargestellt werden: Ihnen geht es um Sex, und um das zu erreichen, umgar-nen sie die Frauen (blanditiae, cupiditas, amor). → Tipp: Song »Männer sind Schweine« von der Band »Die Ärzte«

Das Frauenbild erschließt sich durch Romulus’ Argumentation. Zum einen betont er die mate-rielle Sicherheit, die Frauen in der Ehe haben, zum anderen die emotionale Bindung an Kin-der. Auch hier sind typische Frauenrollen zu sehen: Die Frau, die versorgt sein muss, und die Frau als Mutter.

Gerade der letzte Satz (muliebre ingenium efficaces preces sunt) offenbart das – aus heutiger Sicht – klischeehafte Denken Livius’: Frauen sind genetisch so programmiert (in-gen-ium), dass sie auf männliche Schmeicheleien reinfallen!

Anklage der Eltern Romulus’ Rechtfertigung

incusantes violati hospitii foedus Verletzung des Gastrechts

per fas ac fidem decepti Die Falle ist ein Verstoß gegen das Recht und

das fides-Verhältnis.

patrum id superbia factum Blick zurück: Der Hochmut der Sabiner sei für das Geschehen verantwortlich.

in societate fortunarum omnium civitatisque et liberum fore. Blick voraus: Romulus wirbt mit einer rechtlich verankerten Ehe und den damit für die Frauen verankerten Rechten.

saepe ex iniuria postmodum gratiam ortam Die Erfahrung lehrt, dass aus Ungerechtigkeit Zuneigung entstehen kann.

Emotionale, menschliche Reaktion, daher naheliegend

superbia der Väter rechtfertigt nicht die Vergewaltigung der Töchter! Auch die Aussicht auf eine rechtmäßige Ehe kann die iniuria aus heutiger Sicht nicht ungeschehen machen und daraus Zuneigung werden lassen. Das ist eher unwahrscheinlich!

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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Romani

Sabini

Fides

Vertrauen SchutzTreue

Das fides -Verhältnis

Nach einer Idee von Th. Wirth/ Ch. Seidl/ Ch. Utzinger: Sprache und Allgemeinbildung, Zürich 2006, S. 218.

(Weiteres unter: http://www.swisseduc.ch/altphilo/latein/lsprache/lwoerter_einleitung.html )

4. Vergleichen und Interpretieren: Der Raub der Sabinerinnen bei Ovid

und Livius

Lösungsskizzen zu den Aufgaben

Aufgabe 10:

In Ovids ars amatoria ist der Mythos vom Raub der Sabinerinnen thematisch eingebettet in

das Thema Jagd auf Mädchen während des Theaterbesuches oder bei den Spielen im Zirkus.

Aus dem livianischen exemplum für Romulus’ Entschlossenheit, auch am Rande der Legalität

zum Wohle Roms zu handeln, macht Ovid eine Ursprungslegende für die Jagd von Männern

auf unverheiratete Mädchen. Im Mittelpunkt des Vergleichstextes steht jedoch – und hier liegt

der entscheidende Unterschied zu Livius – die Panik der Sabinerinnen im Augenblick der

Entführung.

Livius Ovid Magna pars forte, in quem quaeque

inciderat,

raptae <sunt>.

Quasdam formā

excellentes

primoribus patrum

destinatas […]

domos referebant.

Nüchtern-sachlicher

Bericht aus der Per-

spektive des Erzählers.

Intention:

Funktionalisierung der

Entführung; keine Per-

sonalisierung des Leids.

illae timuere […].

Constitit in nulla,

qui fuit ante, color.

Nam timor unus

erat, facies non una

timoris:

Furcht, Erbleichen der Ge-

sichter, das Raufen der

Haare, Ohnmacht, Trauer,

Schweigen, die Rufe nach

der Mutter, Klagen, Erstar-

ren und Flucht (color an

Haupttonstelle Versende);

Polyptoton timor – timoris;

Nach einer Idee von Th. Wirth / Ch. Seidl / Ch. Utzinger: Sprache und Allgemeinbildung. Zürich 2006, S. 218. (Weiteres unter: http://swisseduc.ch/altphilo/latein/lsprache/lwoerter_einleitung.html)

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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pars laniat crines,

pars sine mente

sedet,

altera maesta silet,

frustra vocat altera

matrem.

Haec queritur,

stupet haec;

haec manet, illa

fugit.

Ducuntur raptae,

genialis praeda,

puellae,

et potuit multas

ipse decere timor.

Anapher pars – pars:

Gleichheit im Unglück, aber

Unterschiede in der Sicht-

barwerdung;

Chiasmus altera ...silet –

vocat altera;

haec queritur – stupet haec;

Asyndetische Aufzählung

zur Betonung der Hektik;

Differenzierte Beschreibung

der Reaktion einzelner

Mädchen → Ovid macht

aus den Sabinerinnen

individuelle Opfer, sieht

aber die Mädchen aus

männlicher Perspektive.

Ihre Furcht macht die Mäd-

chen noch zusätzlich anmu-

tig und dadurch umso be-

gehrenswerter.

Aufgabe 11: Bildvergleich

Pietro da Cortonas Gemälde ist Ovids Beschreibung der Panik der Mädchen näher als Livius’ nüchtern-sachliche Darstellung. Während Ovids Schwerpunkt auf den Verben liegt (laniat, stupet, vocat,…), stellt der Maler drei Mädchen in den Vordergrund. Ihre Gesichter spiegeln deutlich ihre Angst und Verzweiflung; dadurch und durch ihre Kleidung und Körperhaltung werden sie in ihrem gemeinsamen Schicksal individualisiert. Das Bild drückt Dramatik aus: Die eine wehrt sich heftig, die andere ist gerade auf der Flucht; aber bei allen betont der Künstler ihre anmutige Weiblichkeit. Durch die unterschiedliche Beleuchtung werden die Geraubten von kaum als Individuen identifizierbaren Räubern abgehoben. Romulus, mit einer Krone dargestellt, leitet die Aktion von einer erhöhten Position aus (zwischen den Säulen links im Bild). Auf Romulus’ planerische Umsicht verweist Livius indirekt durch die knappen unpersönlichen Feststellungen (ex composito und signo dato), während Ovid ganz direkt Romulus als zentrale Instanz nennt: rex populo praedae signa repente dedit (V. 114). 1

Aufgabe 12: Tagebucheintrag

Ziel der Aufgabe ist, dass die Schülerinnen und Schüler einen Perspektivenwechsel vor-nehmen und – auf der Basis der Texte – Gedanken und Gefühle äußern; z. B. am Abend: Hass und Schmerz; nach vier Wochen: Heimweh, aber erste Gefühle angesichts der intensiven Be-mühungen der Römer; nach 1 Jahr: Nach der Geburt der gemeinsamen Kinder überwiegt das Gefühl, nun nach Rom zu gehören.

1 Dieser Vers ist in der Schülertextausgabe nicht enthalten, da der Akzent auf der Reaktion des entführten Mäd-chens liegt.

ISBN Print: 9783525900239 — ISBN E-Book: 9783647900230© 2012, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

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