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Elektrotechnik & Informationstechnik (2013) 130/8: 251–252. DOI 10.1007/s00502-013-0161-1 51. OGE-FACHTAGUNG Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Probleme aus Sicht des Strommarktes H. Dulle Online publiziert am 12. Dezember 2013 © Springer Verlag Wien 2013 Erneuerbare Energien werden europaweit gefördert, um somit die europäischen Klimaziele zu erreichen, die so genannten 20-20-20- Ziele. Energieeffiziente Gebäude, eingesetzte erneuerbare Energien und ein sich wandelnder Transportsektor, der von Ölprodukten ab- kehren soll, sollten die CO 2 -Emissionen innerhalb Europas reduzie- ren, wobei ein EU-weiter Emissionshandel diese Reduktion entspre- chend unterstützen sollte. Der derzeitige Preis für ein CO 2 -Zertifikat liegt bei 4,56 (Stand 14. Oktober 2013), wodurch Kohle und Braunkohlekraftwerke mit hohen CO 2 -Emissionen wesentlich günstiger zu betreiben sind als beispielsweise Gaskraftwerke. Neben der indirekten Unterstützung für erneuerbare Energien durch die Klimaziele werden diese in den europäischen Mitglieds- staaten auch direkt gefördert, wobei es sich hierbei um länderspezi- fische Regelungen handelt. Während in Österreich und Deutschland vor allem Einspeisetarife an die Erzeuger bezahlt werden, gibt es in der Tschechischen Republik entweder einen Einspeisetarif oder einen Aufschlag auf den Elektrizitätspreis. In Rumänien und Polen werden Grüne Zertifikate an die Erzeuger ausgegeben, die einerseits den Strom und andererseits an andere Marktteilnehmer diese Zertifikate verkaufen. Da die jeweiligen Förderungen für Investoren lukrativ sind, wer- den derzeit viele dieser EE-Kraftwerke erbaut, wobei vor allem, auf- grund der relativ geringen topografischen Voraussetzungen, Wind- und Solarkraftwerke überproportional an das Netz angeschlossen werden. Diese beiden Kraftwerkstypen sind jedoch von äußeren Be- gebenheiten, wie Windstärke und Sonneneinstrahlung, abhängig. Obwohl sich die Prognosen für Windstärke beziehungsweise das Sonnenaufkommen in den letzten Jahren deutlich verbessert ha- ben, ist die Netzstabilität durch plötzliche Schwankungen gefährdet. Diese Schwankungen in der Elektrizitätsproduktion müssen schnell von anderen Produzenten ausgeglichen werden – die meisten Koh- lekraftwerke sind dazu nicht in der Lage, die geforderte Schwan- kungsbreite schnell abzudecken. Im Gegensatz dazu sind Gaskraft- werke geeigneter, da sie schneller Leistungsänderungen bereitstel- len können. Derzeit werden europaweit auch Kapazitätszahlungen für unpro- fitable Kraftwerke diskutiert oder wurden zum Teil schon eingeführt, um somit die nötige Netzstabilität gewährleisten zu können – hier- bei wird häufig übersehen, dass nicht nur Kapazität benötigt wird, sondern auch Flexibilität. Im Zuge einer von Pöyry durchgeführten Studie über den Wert der Flexibilität, die im November 2013 veröffentlicht wurde, wurden vier Möglichkeiten festgestellt, die Flexibilität innerhalb des Netzes zu gewährleisten und die Netzstabilität zu sichern: (1) flexible Produktion (vor allem Gaskraftwerke), (2) erhöhte Import- und Exportkapazitäten; (3) Demand Side Response und (4) Stromspeicherung. Basierend auf den bereits am Markt feststellbaren Verhältnissen, – dass der Strom-Großhandelspreis vor allem durch die Einspei- sung von Wind- und Solarenergie gesteuert wird, haben wir diesen Zusammenhang innerhalb der Studie weiter untersucht. Negative Preisentwicklungen, wie sie beispielsweise am Sonntag, den 16. Juni 2013, vorgekommen sind, werden sich dadurch in Zukunft häufen – ebenso wie positive Spitzenpreise, jenseits der 400/MWh. Ab- bildung 1 zeigt, wie sich die Preise im Jahr 2030 im Vergleich zu den Preisen im Jahr 2010 verhalten könnten. Neben einer erhöhten Schwankung der Großhandelspreise ge- fährdet die Volatilität der erneuerbaren Energien auch die Netzsta- bilität, sofern nicht ausreichend flexible Kapazität am Markt vorhan- den ist (Abb. 2). Im Gegensatz zu beispielsweise Kohle- oder Nuklearkraftwerken, die aus technischen Gründen weitgehend ihrem festgelegten Fahr- plan folgen müssen, haben flexible Kraftwerke derzeit die Möglich- keit, zusätzliche Gewinne zu erzielen, indem: (1) Spitzen in den Day-Ahead- und Intraday-Märkten durch erhöh- te Produktion abgedeckt werden; (2) das Kraftwerk am Regelenergiemarkt partizipiert; (3) spezifische Verträge mit dem Netzbetreiber bestehen; oder (4) ein Kapazitätsmechanismus in einigen Märkten besteht. Die derzeitigen Anreize reichen jedoch nicht aus, um Flexibilität ent- sprechend zu fördern, da: die Prämie für das kurzfristige Bereitstellen von Energie zu niedrig ist beziehungsweise sich über zu kurze Zeiträume erstreckt; der Kapazitätsmechanismus sich auf die Kapazität und nicht auf die Flexibilität fokussiert. Dies liegt vor allem daran, dass die Zahlungen des Netzbetreibers für bestimmte Dienste fixiert sind (Nachfragemonopol, nicht marktbasiert); die Spot- und Ausgleichsenergiepreise geglättet sind (regulatori- scher Druck und aufgrund des Handelns des Übertragungsnetz- betreibers) und es nur begrenzte Möglichkeiten gibt, grenzüberschreitend Flexibi- lität zu verkaufen. Ein vorläufiges Resultat der Flexibilitätsstudie ist, dass anstelle von Kapazitätsmechanismen der Handel von Flexibilität sinnvoller wäre. November/Dezember 2013 130. Jahrgang © Springer Verlag Wien heft 8.2013 Kurzfassung eines Vortrags bei der 51. Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik im OVE, die am 10. und 11. Oktober 2013 in Graz stattfand. Dulle, Horst, Pöyry Management Consulting Austria GmbH, Laaer-Berg-Straße 43, 1100 Wien, Österreich (E-Mail: [email protected]) 251

Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Probleme aus Sicht des Strommarktes

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Page 1: Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Probleme aus Sicht des Strommarktes

Elektrotechnik & Informationstechnik (2013) 130/8: 251–252. DOI 10.1007/s00502-013-0161-1 51. OGE-FACHTAGUNG

Lösungsansätze zur Bewältigungbestehender Probleme aus Sichtdes StrommarktesH. Dulle

Online publiziert am 12. Dezember 2013© Springer Verlag Wien 2013

Erneuerbare Energien werden europaweit gefördert, um somit dieeuropäischen Klimaziele zu erreichen, die so genannten 20-20-20-Ziele. Energieeffiziente Gebäude, eingesetzte erneuerbare Energienund ein sich wandelnder Transportsektor, der von Ölprodukten ab-kehren soll, sollten die CO2-Emissionen innerhalb Europas reduzie-ren, wobei ein EU-weiter Emissionshandel diese Reduktion entspre-chend unterstützen sollte.

Der derzeitige Preis für ein CO2-Zertifikat liegt bei € 4,56 (Stand14. Oktober 2013), wodurch Kohle und Braunkohlekraftwerke mithohen CO2-Emissionen wesentlich günstiger zu betreiben sind alsbeispielsweise Gaskraftwerke.

Neben der indirekten Unterstützung für erneuerbare Energiendurch die Klimaziele werden diese in den europäischen Mitglieds-staaten auch direkt gefördert, wobei es sich hierbei um länderspezi-fische Regelungen handelt. Während in Österreich und Deutschlandvor allem Einspeisetarife an die Erzeuger bezahlt werden, gibt es inder Tschechischen Republik entweder einen Einspeisetarif oder einenAufschlag auf den Elektrizitätspreis. In Rumänien und Polen werdenGrüne Zertifikate an die Erzeuger ausgegeben, die einerseits denStrom und andererseits an andere Marktteilnehmer diese Zertifikateverkaufen.

Da die jeweiligen Förderungen für Investoren lukrativ sind, wer-den derzeit viele dieser EE-Kraftwerke erbaut, wobei vor allem, auf-grund der relativ geringen topografischen Voraussetzungen, Wind-und Solarkraftwerke überproportional an das Netz angeschlossenwerden. Diese beiden Kraftwerkstypen sind jedoch von äußeren Be-gebenheiten, wie Windstärke und Sonneneinstrahlung, abhängig.Obwohl sich die Prognosen für Windstärke beziehungsweise dasSonnenaufkommen in den letzten Jahren deutlich verbessert ha-ben, ist die Netzstabilität durch plötzliche Schwankungen gefährdet.Diese Schwankungen in der Elektrizitätsproduktion müssen schnellvon anderen Produzenten ausgeglichen werden – die meisten Koh-lekraftwerke sind dazu nicht in der Lage, die geforderte Schwan-kungsbreite schnell abzudecken. Im Gegensatz dazu sind Gaskraft-werke geeigneter, da sie schneller Leistungsänderungen bereitstel-len können.

Derzeit werden europaweit auch Kapazitätszahlungen für unpro-fitable Kraftwerke diskutiert oder wurden zum Teil schon eingeführt,um somit die nötige Netzstabilität gewährleisten zu können – hier-bei wird häufig übersehen, dass nicht nur Kapazität benötigt wird,sondern auch Flexibilität.

Im Zuge einer von Pöyry durchgeführten Studie über den Wertder Flexibilität, die im November 2013 veröffentlicht wurde, wurdenvier Möglichkeiten festgestellt, die Flexibilität innerhalb des Netzeszu gewährleisten und die Netzstabilität zu sichern:

• (1) flexible Produktion (vor allem Gaskraftwerke),• (2) erhöhte Import- und Exportkapazitäten;• (3) Demand Side Response und

• (4) Stromspeicherung.

Basierend auf den bereits am Markt feststellbaren Verhältnissen,– dass der Strom-Großhandelspreis vor allem durch die Einspei-sung von Wind- und Solarenergie gesteuert wird, haben wir diesenZusammenhang innerhalb der Studie weiter untersucht. NegativePreisentwicklungen, wie sie beispielsweise am Sonntag, den 16. Juni2013, vorgekommen sind, werden sich dadurch in Zukunft häufen– ebenso wie positive Spitzenpreise, jenseits der € 400/MWh. Ab-bildung 1 zeigt, wie sich die Preise im Jahr 2030 im Vergleich zu denPreisen im Jahr 2010 verhalten könnten.

Neben einer erhöhten Schwankung der Großhandelspreise ge-fährdet die Volatilität der erneuerbaren Energien auch die Netzsta-bilität, sofern nicht ausreichend flexible Kapazität am Markt vorhan-den ist (Abb. 2).

Im Gegensatz zu beispielsweise Kohle- oder Nuklearkraftwerken,die aus technischen Gründen weitgehend ihrem festgelegten Fahr-plan folgen müssen, haben flexible Kraftwerke derzeit die Möglich-keit, zusätzliche Gewinne zu erzielen, indem:

• (1) Spitzen in den Day-Ahead- und Intraday-Märkten durch erhöh-te Produktion abgedeckt werden;

• (2) das Kraftwerk am Regelenergiemarkt partizipiert;• (3) spezifische Verträge mit dem Netzbetreiber bestehen; oder• (4) ein Kapazitätsmechanismus in einigen Märkten besteht.

Die derzeitigen Anreize reichen jedoch nicht aus, um Flexibilität ent-sprechend zu fördern, da:

• die Prämie für das kurzfristige Bereitstellen von Energie zu niedrigist beziehungsweise sich über zu kurze Zeiträume erstreckt;

• der Kapazitätsmechanismus sich auf die Kapazität und nicht aufdie Flexibilität fokussiert.

Dies liegt vor allem daran, dass

• die Zahlungen des Netzbetreibers für bestimmte Dienste fixiertsind (Nachfragemonopol, nicht marktbasiert);

• die Spot- und Ausgleichsenergiepreise geglättet sind (regulatori-scher Druck und aufgrund des Handelns des Übertragungsnetz-betreibers) und

• es nur begrenzte Möglichkeiten gibt, grenzüberschreitend Flexibi-lität zu verkaufen.

Ein vorläufiges Resultat der Flexibilitätsstudie ist, dass anstelle vonKapazitätsmechanismen der Handel von Flexibilität sinnvoller wäre.

November/Dezember 2013 130. Jahrgang © Springer Verlag Wien heft 8.2013

Kurzfassung eines Vortrags bei der 51. Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft fürEnergietechnik im OVE, die am 10. und 11. Oktober 2013 in Graz stattfand.

Dulle, Horst, Pöyry Management Consulting Austria GmbH, Laaer-Berg-Straße 43,1100 Wien, Österreich (E-Mail: [email protected])

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Page 2: Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Probleme aus Sicht des Strommarktes

51. OGE-FACHTAGUNG H. Dulle Lösungsansätze zur Bewältigung bestehender Probleme aus Sicht

Abb. 1. Preisvergleich des Großhandelspreises im Jahr 2010 zu 2030

Abb. 2. Prognostizierte Stromproduktion an einem sonnigen Tag in Jahr 2030

Durch beispielsweise einen Handel an der Börse könnte man dieseKraftwerkscharakteristik entsprechend fördern und Anreize setzen,damit weiter in flexible Kapazität investiert wird. Durch diese relativeinfache Maßnahme würde gewährleistet werden, dass flexible Ka-pazität zur Verfügung steht, wenn es zu großen Schwankungen inder Produktion von erneuerbaren Energien kommt.

Teilresultate der eigentlichen Studie werden Ende November pu-bliziert, da es sich hierbei jedoch um eine Auftragsstudie handelt,können leider nicht alle Ergebnisse veröffentlicht werden. Fragenzum Thema Wert der Flexibilität und benötigte Rahmenbedingun-gen können gerne bilateral diskutiert werden.

252 heft 8.2013 © Springer Verlag Wien e&i elektrotechnik und informationstechnik