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DHH-TÖRN im Flagsund vor der Insel Engeløya. Eine Brü- cke, die in der Karte mit 25 Metern Durch- fahrtshöhe angegeben ist, wollen wir uns mor- gen näher ansehen. MITTWOCH, 24.7. Bei Nebel und Regen setzen wir am nächsten Morgen unseren Törn fort. Das ist schon ir- gendwie „gruselig“: Da die Durchfahrtshöhe für uns nur knapp reicht, fahren wir bei in Richtung Brücke setzendem Strom von etwa 2 Knoten vorsichtig rückwärts durch die Brü- cke. Im Fall des Falles hätten wir dann noch re- agieren können. Die Brücke ist mit 25 Metern Durchfahrtshöhe in der Karte angegeben – wir haben eine Masthöhe von 23 Metern. Es reicht – wie viel Platz wirklich noch war, kann nie- mand mehr sagen, viel war es jedenfalls nicht. Zunächst motoren wir den Skettenord und den Sagord hinauf. Als wir den Vestord er- reichen, hat der Wind zugenommen, sodass wir mit einer achterlichen Brise nur mit der großen Genua sieben Knoten erreichen. Wir haben die Festlandinseln verlassen und sind auf dem Weg hinüber zu den Lofoten. Der Troll gilt als Fabelwesen der nordischen Mythologie und neben den Riesen spielt er in den Volksmärchen eine wichtige Rolle. Wie man sich solche Trolle vorzustellen hat, kann man überall in den Souvenirshops sehen. Die Holzfiguren sind bucklig, vierschrötig und oſt mit einer langen Nase gestaltet. A uch auf meinem Weg die Mole hinab zum Liegeplatz der „Seeadler“ will sich die Einsamkeit nicht so recht einstellen. Die eben eingelaufene „Aida“ spuckt ihre erleb- nishungrigen Touristen aus und überschwemmt den Hafen mit ihren Mountainbike-Gruppen. Die „Seeadler“ ist schnell gefunden, und selbst hier: Von „Einsamkeit“ keine Spur. Alle sind schon an Bord und mit acht Personen ist die X-482 voll belegt. Wir wollen in den kommen- den zwei Wochen hinüber in die Lofoten segeln – zu einem Ausbildungstörn des DHH. Den Abend verbringen wir in der Stadt und stel- len fest, wie viel ein Bier in Norwegen so kostet – das kann man natürlich vorher lesen, aber wenn man dann die Rechnung in der Hand hat, dann fühlt das sich irgendwie anders an. MONTAG, 22.7. Am nächsten Morgen kaufen wir ein und es ist gut, dass Skipper Christian ein Fahrzeug vor Ort hat. Da bei den Preisen weitere Restaurantbesu- che eher unwahrscheinlich sind, kalkulieren wir unsere Verpflegung für zwei Wochen. Dann folgt eine ausführliche Sicherheitsein- weisung und wir lernen alle das Boot kennen. Lustig, aber auch sinnvoll sind dann noch die Leinenwurfübungen am Steg und vom anlegen- den Boot aus zum Steg. Nach so viel Programm und bei nahezu keinem Wind hat keiner mehr Lust, noch am frühen Abend auszulaufen. Wir schlagen die große Genua an, bereiten das Schiff vor und kochen – bis alles verstaut ist, vergeht der erste Tag wie im Flug. Wann der so richtig zu Ende ist, wird nicht klar, da es eigentlich nicht dunkel wird. DIENSTAG, 23.7. Am nächsten Morgen laufen wir aus. Wir ha- ben kaum die Hafeneinfahrt passiert, da will der Skipper wissen, mit wem er es zu tun hat. Ma- növertraining: Wir wechseln uns ab und fahren die verschiedensten Manöver. Nach zwei Stun- den geht es dann los in Richtung Norden. Unter Groß und Genua 1 segeln wir die Festlandküste hinauf. So recht kann sich der Wind aber nicht entscheiden. Immer wieder schläſt er ein, bis wir beschließen, die Segel wegzunehmen und zu motoren. Um 20:30 Uhr, nach 61 sm, ankern wir schließ- lich bei zehn Meter Wassertiefe in einer Bucht Als wir wenig später in den Trollord einlau- fen, rücken die steilen Felswände immer enger zusammen und der Nebel hängt zwischen den nassen Steinbrocken. Dass der Fjord nach den Trollen benannt ist, kann man gut nachvollzie- hen. Geheimnisvoll und düster zeigt sich dieser Ort. Aber statt der Fabelwesen taucht schließ- lich ein Schiff der Hurtigrutenflotte in der en- gen Schlucht auf und trägt auch noch am Bug stolz den Namen „Trollord“. Wir folgen dem Raſtsund und behalten die Var- der und Baaken im Auge, die das Fahrwasser begrenzen. Varder – das sind dunkle Steintür- me, oſt mit weißer Markierung, die schon von Weitem gut erkennbar sind. Einzelgefahren- stellen sind oſt durch Baaken gekennzeichnet. Diese Pfähle haben als Toppzeichen manch- mal einen waagerechten Arm, der auf die Seite zeigt, auf der passiert werden soll. Ob man sich auf diese Zeichen blind verlassen kann, darf bezweifelt werden. Wir nehmen den Plotter zu Hilfe und beobachten ständig genau die Tiefe. Am Abend machen wir in Stokmarknes fest und haben heute von unseren knapp 60 sm zu- mindest 15 sm unter Segeln zurückgelegt. DONNERSTAG, 25.7. Am Morgen besuchen wir das Museum der Hurtigruten-Linie in Stokmarknes, das die lan- ge Geschichte dieser stolzen Schifffahrtslinie erzählt. Hurtigruten (norwegisch für „schnelle Route“) bezeichnet die traditionelle norwegi- sche Postschifflinie, die seit 1893 die Orte der Im Revierführer Norwegen lese ich: „… wer alleine sein kann, für den ist dieses Revier nörd- lich des Polarkreises das Richtige …“. Ich stehe an der Hafenmole in Bodø und mit brutalem Getöse schraubt sich die NATO-Luftaufklärung in den nebelverhangenden Himmel. Vom nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt aus sorgen die Flieger der norwegischen Air Force für Sicherheit in den nördlichen Breiten. Trolle, Fischer, rote Häuser LOFOTEN Beste Bedingungen: Im Vestfjord – Richtung Svolvear 22 DER BLAUE PETER 23 22 DER BLAUE PETER

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DHH-TÖRN

im Flagsund vor der Insel Engeløya. Eine Brü-cke, die in der Karte mit 25 Metern Durch-fahrtshöhe angegeben ist, wollen wir uns mor-gen näher ansehen.

MITTWOCH, 24.7.Bei Nebel und Regen setzen wir am nächsten Morgen unseren Törn fort. Das ist schon ir-gendwie „gruselig“: Da die Durchfahrtshöhe für uns nur knapp reicht, fahren wir bei in Richtung Brücke setzendem Strom von etwa 2 Knoten vorsichtig rückwärts durch die Brü-cke. Im Fall des Falles hätten wir dann noch re-agieren können. Die Brücke ist mit 25 Metern Durchfahrtshöhe in der Karte angegeben – wir haben eine Masthöhe von 23 Metern. Es reicht – wie viel Platz wirklich noch war, kann nie-mand mehr sagen, viel war es jedenfalls nicht.

Zunächst motoren wir den Skettenfjord und den Sagfjord hinauf. Als wir den Vestfjord er-reichen, hat der Wind zugenommen, sodass wir mit einer achterlichen Brise nur mit der großen Genua sieben Knoten erreichen. Wir haben die Festlandinseln verlassen und sind auf dem Weg hinüber zu den Lofoten.

Der Troll gilt als Fabelwesen der nordischen Mythologie und neben den Riesen spielt er in den Volksmärchen eine wichtige Rolle. Wie man sich solche Trolle vorzustellen hat, kann man überall in den Souvenirshops sehen. Die Holzfiguren sind bucklig, vierschrötig und oft mit einer langen Nase gestaltet.

Auch auf meinem Weg die Mole hinab zum Liegeplatz der „Seeadler“ will sich die Einsamkeit nicht so recht einstellen.

Die eben eingelaufene „Aida“ spuckt ihre erleb-nishungrigen Touristen aus und überschwemmt den Hafen mit ihren Mountainbike-Gruppen.

Die „Seeadler“ ist schnell gefunden, und selbst hier: Von „Einsamkeit“ keine Spur. Alle sind schon an Bord und mit acht Personen ist die X-482 voll belegt. Wir wollen in den kommen-den zwei Wochen hinüber in die Lofoten segeln – zu einem Ausbildungstörn des DHH.

Den Abend verbringen wir in der Stadt und stel-len fest, wie viel ein Bier in Norwegen so kostet – das kann man natürlich vorher lesen, aber wenn man dann die Rechnung in der Hand hat, dann fühlt das sich irgendwie anders an.

MONTAG, 22.7.Am nächsten Morgen kaufen wir ein und es ist gut, dass Skipper Christian ein Fahrzeug vor Ort hat. Da bei den Preisen weitere Restaurantbesu-che eher unwahrscheinlich sind, kalkulieren wir unsere Verpflegung für zwei Wochen.Dann folgt eine ausführliche Sicherheitsein-weisung und wir lernen alle das Boot kennen. Lustig, aber auch sinnvoll sind dann noch die Leinenwurfübungen am Steg und vom anlegen-den Boot aus zum Steg. Nach so viel Programm und bei nahezu keinem Wind hat keiner mehr Lust, noch am frühen Abend auszulaufen. Wir schlagen die große Genua an, bereiten das Schiff vor und kochen – bis alles verstaut ist, vergeht der erste Tag wie im Flug. Wann der so richtig zu Ende ist, wird nicht klar, da es eigentlich nicht dunkel wird.

DIENSTAG, 23.7.Am nächsten Morgen laufen wir aus. Wir ha-ben kaum die Hafeneinfahrt passiert, da will der Skipper wissen, mit wem er es zu tun hat. Ma-növertraining: Wir wechseln uns ab und fahren die verschiedensten Manöver. Nach zwei Stun-den geht es dann los in Richtung Norden. Unter Groß und Genua 1 segeln wir die Festlandküste hinauf. So recht kann sich der Wind aber nicht entscheiden. Immer wieder schläft er ein, bis wir beschließen, die Segel wegzunehmen und zu motoren.

Um 20:30 Uhr, nach 61 sm, ankern wir schließ-lich bei zehn Meter Wassertiefe in einer Bucht

Als wir wenig später in den Trollfjord einlau-fen, rücken die steilen Felswände immer enger zusammen und der Nebel hängt zwischen den nassen Steinbrocken. Dass der Fjord nach den Trollen benannt ist, kann man gut nachvollzie-hen. Geheimnisvoll und düster zeigt sich dieser Ort. Aber statt der Fabelwesen taucht schließ-lich ein Schiff der Hurtigrutenflotte in der en-gen Schlucht auf und trägt auch noch am Bug stolz den Namen „Trollfjord“.

Wir folgen dem Raftsund und behalten die Var-der und Baaken im Auge, die das Fahrwasser begrenzen. Varder – das sind dunkle Steintür-me, oft mit weißer Markierung, die schon von Weitem gut erkennbar sind. Einzelgefahren-stellen sind oft durch Baaken gekennzeichnet. Diese Pfähle haben als Toppzeichen manch-mal einen waagerechten Arm, der auf die Seite zeigt, auf der passiert werden soll. Ob man sich auf diese Zeichen blind verlassen kann, darf bezweifelt werden. Wir nehmen den Plotter zu Hilfe und beobachten ständig genau die Tiefe. Am Abend machen wir in Stokmarknes fest und haben heute von unseren knapp 60 sm zu-mindest 15 sm unter Segeln zurückgelegt.

DONNERSTAG, 25.7.Am Morgen besuchen wir das Museum der Hurtigruten-Linie in Stokmarknes, das die lan-ge Geschichte dieser stolzen Schifffahrtslinie erzählt. Hurtigruten (norwegisch für „schnelle Route“) bezeichnet die traditionelle norwegi-sche Postschifflinie, die seit 1893 die Orte der

Im Revierführer Norwegen lese ich: „… wer alleine sein kann, für den ist dieses Revier nörd-lich des Polarkreises das Richtige …“. Ich stehe an der Hafenmole in Bodø und mit brutalem Getöse schraubt sich die NATO-Luftaufklärung in den nebelverhangenden Himmel. Vom nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt aus sorgen die Flieger der norwegischen Air Force für Sicherheit in den nördlichen Breiten.

Trolle, Fischer, rote Häuser

LOFOTEN

Beste Bedingungen: Im Vestfjord – Richtung Svolvear

22DER BLAUE PETER 2322 DER BLAUE PETER

DHH-TÖRN

norwegischen Nordwestküste verbindet. Der eigentliche Postverkehr wurde zwar 1984 einge-stellt, aber die weißen Schiffe mit rot-schwarzem Rumpf sind noch immer für den Fracht- und Passagierverkehr in dieser Region zuständig.

Am Mittag verlassen wir Stokmarknes und steu-ern in den Vesteralfjord hinaus. Da der Wind sehr schwach und erneut achterlich weht, be-schließen wir, den Spinnaker zu setzen. Skipper Christian geht mit uns noch einmal alle Schrit-te vom Setzen bis zum Bergen dieses Vorsegels durch und wenig später bläht sich die riesige, bunte Wurst vor dem Bug der „Seeadler“. Das Steuern erfordert jetzt verstärkte Aufmerksam-keit – leider schläft der Wind aber bald wieder ganz ein und wir müssen mal wieder motoren.

Am Spätnachmittag erreichen wir den kleinen Fischerort Laukvik. Wegen der geringen Was-sertiefe ist beim Einlaufen in den Hafen erhöhte Wachsamkeit gefragt. Gegen Abend lässt der Re-gen nach und auch der Nebel verzieht sich.

Um den Hafen herum sieht man die typischen Holzgerüste zum Trocknen der Fische. Trocken- oder Stockfisch ist noch immer einer der Export-artikel der Lofoten. Das ist kein Zufall, schon die Wikinger sollen auf ihren Reisen stets eine Portion getrockneten Kabeljau dabeigehabt ha-ben. Dieser war nicht nur haltbar, sondern auch reich an Nährstoffen wie Proteinen, Vitaminen, Eisen und Calcium. Die Herstellungsweise der Stockfische hat sich in den letzten 1.000 Jahren

nicht verändert, bis auf den heutigen Tag werden sie ohne Zuhilfenahme maschineller Trocknung produziert. Überhaupt werden die gefangenen Fische umfänglich verarbeitet: Aus ihnen wird neben dem Trockenfisch auch Lebertran herge-stellt und der Rogen (Fischlaich) wird als norwe-gischer Kaviar verkauft.

FREITAG, 26. 7.Beim Ablegen wartet wieder eine Überraschung auf uns. Das Hafenbecken ist eng und mit Stei-nen übersät. Hier sollen wir Hafenmanöver üben. Drehen auf dem Teller und dann rück-wärts längsseits anlegen. Christian spart nicht mit guten Tipps und bis alle sieben Crewmitglie-der ihre Manöver gefahren haben, gehen schon einmal zwei Stunden ins Land.

Kaum liegt Laukvik achteraus, heißt es plötzlich: Das GPS ist ausgefallen und der Plotter funkti-oniert nicht mehr. Rasch liegen die Seekarten, Dreiecke und Zirkel bereit und das Fernglas mit Peilkompass ist zur Hand. Wir teilen uns in Gruppen auf und beginnen mit der Arbeit. Wie können wir den Standort bestimmen? Kreuzpei-lung über zwei eindeutige Landmarken. Und das bei dem Nebel, der immer wieder die Sicht be-einträchtigt. Eintrag in die Karte und Betonnung voraus beobachten. Was muss da noch einmal bei der Kursberechnung berücksichtigt werden? Es dauert etwas, aber dann kommt die Naviga-tion in Schwung. Wie lange ist das her, dass wir das „händisch“ gemacht haben? Es geht voran und der Schiffsführer ist zufrieden mit unserer

Arbeit! Leider ist heute wieder kein Wind. Aber der Nebel hat sich verzogen – wir fahren durch eine atemberaubende Landschaft: Die Berge steigen himmelhoch direkt aus dem Meer auf und auf halber Höhe bilden sich Ringe aus wei-ßen Wolken um die dunklen Gipfel.

Am Spätnachmittag erreichen wir Svolvær – die Hauptstadt der Lofoten. Im Stadthafen fin-den wir einen Liegeplatz und ein Teil der Crew geht zum Einkaufen. Gegenüber am Steg liegt ein Fischerboot und wir fragen nach, ob wir Fisch kaufen können. Es ist so viel vom heu-tigen Fang übrig, dass wir acht Fische für das Abendessen geschenkt bekommen, die unser weiblicher Schassi („Schassine“) Bärbel dann auch schmackhaft verarbeitet.

SAMSTAG, 27.7.Der Hafen von Svolvær ist ein Labyrinth. Wir besorgen noch Gas in einer Ecke des Hafens und in einer anderen fahren wir zum Tanken – schöne Übungen zum An- und Ablegen. Und endlich ist er dann da, der Wind. Bei 20 Kno-ten unter Genua 1 und dem Groß ohne Reff geht es hinaus in den Vestfjorden. Bis zu zehn Knoten Geschwindigkeit werden erreicht. Da die Bedingungen so optimal sind, gehen wir nicht auf direkten Kurs nach Henningsvær. Der Himmel ist knallblau, die Sonne scheint – und das vor einer solchen Kulisse. Da muss Zeit sein für „ein bisschen Spaß“! Gegen Abend errei-chen wir Henningsvær bei Niedrigwasser. Wir finden schließlich einen Anleger, müssen aber zunächst die hohe Holzwand an einer Leiter hi-naufklettern. Der kleine Ort wimmelt von jun-gen Leuten, ihr Treffunkt sind die „Trevarefab-rikken“. Dort gibt es eine Zimmervermietung, einen Gastronomiebetrieb, Werkstätten und eine Sauna mit Meeresblick. Das bunte Volk zeigt sich in einer Mischung aus Flower-Power- und Alternativ-Bewegung und irgendwie sehr sympathisch. Nach dem Abendessen zieht es uns ins Städtchen und wir lauschen in verschie-denen Kneipen der Livemusik.

SONNTAG, 28.7.Es geht weiter die Innenseite der Lofoten hi-nunter nach Südwesten. Der Wind weht jetzt beständig und auf den etwa einen Meter hohen Wellen sind schon die Schaumkronen zu sehen. Vorsichtshalber fahren wir das Groß im ersten Reff und haben im Hafen schon die große Ge-nua gegen die Genua 3 ausgetauscht. Es gibt keine feste Wacheinteilung und wir lösen uns

am Ruder nach Bedarf ab. Die Crew setzt sich aus erfahrenen Seglern zusammen, sodass bei den meisten Manövern nicht viel abgesprochen werden muss.

Wir erreichen Ballstad nach 28 sm unter Se-geln. Die interessanten Orte auf den Lofoten liegen hier relativ eng beieinander, sodass die Schläge nicht die Länge haben wie zu Beginn unseres Törns.

MONTAG, 29.7.Unser Ziel für heute ist der kleine Fischerort Sund. Der Wind hat weiter zugenommen (in der Spitze bis 36 Knoten), sodass wir uns ent-schließen, das Groß ins zweite Reff zu nehmen. Die Einfahrt nach Sund gestaltet sich dann doch anstrengender als gedacht. Der Wind bläst – durch den Düseneffekt – in Böen mit großer Wucht durch die Einschnitte in den Bergen. Vor dem Festmachen wird noch die Wassertiefe ausgelotet. In der Nacht dreht der Wind und die „Seeadler“ wird gegen den An-leger gepresst. Wir legen alles dazwischen, was es an Fendern gibt, und gehen im stündlichen Wechsel Leinenwache.

In Sund kann man sie besonders schön se-hen, die roten Hütten der Fischer, „Rorbuer“ genannt. Diese Häuschen wurden von den Fischern in der Fangsaison genutzt. Das Wort „Rorbu“ setzt sich aus zwei Wörtern zusam-men: „Ro“ für rudern und „bu“ für wohnen. Diese Hütten ermöglichten das Fischen in Ge-genden und zu Jahreszeiten, in denen dieses sonst unmöglich gewesen wäre. Diese Fischer-hütten prägen das Bild der Lofoten und ihr roter Anstrich kommt von der billigen Tran-farbe, mit denen sie gegen Wind und Wetter geschützt wurden.

DIENSTAG, 30.7.Wir schauen uns noch den nur wenige Seemei-len entfernten Nusfjord an und machen uns dann – vor dem Wind – nur unter der Genua 3 auf den Weg nach Reine. Der malerisch gele-gene Ort ist wohl in den meisten Reiseführern abgebildet. Wir bleiben zwei Tage und schauen uns um. Wieder kaufen wir Fisch und lassen ihn uns schmecken. Auch in dieser Beziehung ist die Crew gut aufgestellt. Jeder bringt sich ein, kocht und hilft in der Küche und beim Ab-wasch. Es ist kein Plan nötig – wenn eine Arbeit zu erledigen ist, wird sie getan, ohne lange zu diskutieren.

DONNERSTAG, 1.8.Heute geht es von den Inseln hinüber zum Fest-land. Hatten wir in der Nacht noch 20 Knoten Wind und eine nervige Welle am Steg, so lässt er, kaum sind wir am Vormittag draußen vor dem Hafen, wieder einmal nach. Wir haben nur die Genua 3 oben und segeln erneut vor dem Wind. Um 14 Uhr schläft er ganz ein und wir werfen einmal mehr den Motor an. Am Nachmittag se-hen wir einen Wal, der gemächlich seine Bahn zieht. Die Lofoten versinken langsam im Dunst und sind bald nur noch als eine dunkle Kette schwarzer Zacken, zwischen denen Nebelfet-zen hängen, am Horizont zu erkennen. Als das Wasser vor Landegode flacher wird, bringen wir zwei Schleppangeln aus und schließlich haben wir einen stattlichen Dorsch an der Leine. Wir bekommen ihn an Deck und der Skipper be-reitet ihn für das Abendessen vor. 49 sm haben wir heute zurückgelegt, davon 16 unter Segeln. Morgen sind es dann noch rund 10 sm bis nach Bodø.

FREITAG, 2.8.Die „Seeadler“ wird gereinigt, die Genua abge-schlagen und verpackt, alle Segel werden aufs

Henningsvear – ein Treffpunkt, besonders für junge Leute

Die Rorbuer der Fischer sind an ihrem typischen roten Anstrich (Tranfarbe) zu erkennen

Deck geschafft und alles vorbereitet für die nächste Crew. Am Abend sitzen wir zusam-men bei Egon (einem Lokal am Hafen) zum Abschlussessen und lassen unseren Törn Revue passieren. Die norwegische Nordwestküste ist ein außergewöhnliches Revier. Die Navigati-on ist nicht immer ganz einfach und der Wind zeigte sich manchmal launisch. Landschaftlich sind die Inseln eindrucksvoll mit ihren steilen Felswänden, tiefen Fjorden und den kleinen Fischerörtchen. Wenn die Highlights eng bei-einander liegen, muss man abwägen zwischen den täglichen Segelstrecken und dem, was es zu sehen gibt. Wir haben viel geübt, aber auch viel gesehen. Der Skipper überließ uns reichlich Ver-antwortung und ich glaube, bei der Kompetenz der einzelnen Crewmitglieder hat er das auch nicht bereut.

Ach – und das mit der Einsamkeit: Irgendwie war ich scheinbar nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Auf einer der tausend kleinen Inselchen gibt es ganz sicher genügend Raum, um die beschriebene Einsamkeit zu finden.

Matthias Demeter

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