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Dementen, 7. Juni 1951 Blatt Situe <;3iird)cr <;3cüung Abendausgabe Nr. 1248 Europäische Wirtschaftskommission O.E. Genf ,4. Juni Von allen Organen der regionalen Weltorganisa. tion für Europa ist die Wirtschaftskommission der Vereinigten Nationen, die gegenwärtig unter dem Vorsitz von Frau Karin Coek in Genf tagt, dasjenige, dat. am wenigsten geeignet ist, der ECE Sympathien einzutragen. Siebt es sich dach ständig den ideo- logischen Angriffen und Verdächtigungen der kom- munistischen Staaten gegenüber der freien Welt aus- gesetzt. Neben den Diskussionen im Schoß« der ECE nehmen leider die Auseinandersetzungen ideologi- scher Art einen allzu breiten Raum ein. Die Ver- treter der kommunistischen Staaten, die alles, was in der freien westlichen Welt, also in Westeuropa, auf wirtschaftlichem Gebiet getan wird, einzig und allein nach starren Dogmen zu beurteilen haben, sind im Grunde zu bedauern. Ist es ihnen doch ver- sagt, mit gesundem Menschenverstand die Argn mente der Gegenseite frei zu würdigen. Sie würdw. damit, falls sie es wagten, sich einer Ketzerei schul- dig machen, was für sie die schlimmsten persön- lichen Folgen haben würde. War an den ersten Tagungen der ECE der Marshall-Plan Hauptgegenstand der Anschuldigun- gen gewesen, welche die osteuropäischen Staaten gegen die westeuropäischen erhoben hatten, weil sie sieb ohn e diese Kritik angeblich dem amerikanischen Imperialismus verschrieben hätten, bo war ea im vergangenen Jahr der Vorwurf, daß sich die west- europäischen Staaten um die drohende Arbeitslosig- keit infolge eines Zusammenbruchs des kapitalisti- schen Wirtschaftssystems nicht bekümmerten, und heute wird ihne n im Schöße der ECE im Zeichen einer sowjetrussischen Friedenspropaganda vorge- halten, einige ihrer wirtschaftlichen Maßnahmen ließen darauf schließen, daß sie einen neuen Welt- krieg vorzubereiten beabsichtigten. In der allgemeinen Debatte aber die Arbeit der ECE erklärte Arutiunian, der sowjetrussische Dele- gierte, zunächst in allgemeiner Form, daß sich die ECE hüten sollte, die Mitgliedstaaten der Vereinig- ten Nationen in ihrem Rüstungswettlauf zu unter, stützen. Ihre Aufgabe bestehe vielmehr darin, die Entwicklung der normalen Produktionstätigkeit und de» normalen gegenseitigen Güteraustausches zu fördern. Die Aussprache über die Arbeit der ver. schiedenen Ausschüsse, wie des Landwirtschafts, komitees, desjenigen für Holz und Elektrizität ver- lief zunächst ruhig. In Verbindung mit den Arbeiten im Kohlenkomitee glaubte der polnische Delegierte dem Komitee vorwerfen zu können, daß es, statt -ich vor allem der Entwicklung der europäischen Kohlenförderung anzunehmen, dazu beitrage, über- seeische Importe zu fördern. Er machte darauf auf- merksam, daß Polen erfolgreiche Anstrengungen gemacht habe, seine Kohlenproduktion zu erhöhen, und daß es imstande sei, einen wesentlichen Beitrag zur Kohlenversorgung Europas zu leisten. In diesem Zusammenhang stellte der Vertreter der Schweiz, Dr. Hauswirth, fest, daß die Schweiz als reines Kohlenkonsumland ein Interesse an der Erhöhung der europäischen Kohlenförderung habe. Was die überseeischen Kohlen betreffe, müsse er in aller Objektivität feststellen, daß die amerikanahe Kohle franko Schweizer Grenze billiger sei als die polnische und deren Qualitäten in der Schweiz sehr geschätzt würden. Im übrigen betonte er, daß die schweize- rische Delegation dem .Studium des ganzen Kohlen- preisproblems große Bedeutung beimesse. In Verbindung mit der Aussprache über den StnhlawHchuß, in dem die Vertreter der osteuro- päischen Länder bisher nie mitgearbeitet haben, kam es von Seiten Arutiunians zu einer überaus phanta- sievollen Darstellung des angeblichen Ursprungs und der Ziele des Schuman-Planes. Es war eine nicht uninteressante Zusammenfassung darüber, wie Miinkau anscheinend den Schuman-Plan sieht. Dieser sei nämlich nichts anderes, behauptete er, als das Produkt der Imperialisten und amerikanischen Monopolisten. Er verfolge ausschließlich mili- tärische Zwecke, insbesondere die Aufrüstung Deutschlands. Die erste Anregung zu einer Zusam- menlegung der französischen und deutschen Kohlen- und Stahlindustrie, so behauptete Arutiunian, sei auf Veranlassung des amerikanischen Monopolisten General McCloy im Herbst 1040 gemacht worden. Da sie damals auf den Widerstand Englands gestoßen sei, hätten die Amerikaner daraufhin einen gewissen Hans Stein in Bonn, Vertrauensmann der deutschen Schwerindustrie, gewonnen. Er sei der eigentliche Urheber des von amerikanischer Seite inspirierten angeblichen Schumaii-Planefi. Man habe es verstanden, den Plan den Franzosen mundgerecht zu machen, der keineswegs im Interesse Frankreichs liege. Er diene dazu, Deutschland erneut mit einer Kriegsindustrie auszustatten, es seien die gleichen Leute, die Hitler geholfen liiitf n, den Krieg vorzu- bereiten, sowie die Clique der deutschen Revanchi- sten. Diese beiden Gruppen stünden im Solde der amerikanischen Monopolisten und ihrer imperia- listischen Absichten. Als Folge dieses Planes werde Frankreich genötigt sein, weniger gut arbeitende Werke zu- gunsten rationeller arbeitender deutscher Stahlwerke zti schließen. Auch Belgien werde sich gezwungen -eben, die Produktion von Kohlengruben zugunsten deutscher Gruben einzustellen. England halte sich anscheinend abseits. Es unterstütze jedoch tatsäch- lich den Plan durch Investitionen in der deutschen Ruhrindustrie und helfe damit auch seinerseits mit, einen neuen Krieg vorzubereiten. Kurz, hinter dem Schuman-Plan stunden ausschließlich militärische und strategische Gründe. Dem Stahlkomitee müsse der Vorwurf gemacht werden, daß es mit seinen Studien Über die europäische Stahlindustrie diesem gefährlichen und den Frieden bedrohenden Plan Vorschub geleistet habe. Der französische Vertreter Georges Boris scheine über gewisse Punkte nichts zu wissen, oder er suche sie zu Gegen dies e leninistisch-marxistische Interpre- tation reinsten Wassers machte Georgen Roris, der Vertreter Frankreichs, zunächst darauf aufmerk- sam, daß von sowjetrussischer Seit« kein einziger Beweis für die Richtigkeit der schwerwiegenden Anschuldigungen nnd Behauptungen erbracht wor- den sei. Frankreich sei im übrigen nicht so nrteils- los, wie es in diesem Zusammenhang dargestellt worden sei. Der Schuman-Plan, erklärte Boris, sei französischen Ursprungs; er erstrebe, wie die ver- öffentlichten Vertragsdokumente zeigen, zunächst eine politische Annäherung zwischen Frankreich und Deutsehland, er beabsichtige ferner, eine Grundlage für die Rationalisierung der westeuro- päischen Schwerindustrie zu schaffen, in Verbin- dung mit der Errichtung eines freien Marktes für ihre Erzeugnisse. In dieser Beziehung gewährleiste der Schuman-Plan jene Zusammenarbeit, wie sie in Polen nnd der Tschechoslowakei zwischen der Kohlen- und Stahlindustrie dieser Länder geschaf- fen worden sei. Eine große Anzahl französischer und deutscher Schwerindustrieller stünde im Übrigen dem Plan kritisch gegenüber sowie auch deutsche poli- tische Kreise, die Rußland keineswegs sehr günstig gesinnt seien. Die große Mehrheit des französischen Volkes sei für diesen Plan und hätte niemals dafür gewonnen werden können, wenn ihm irgendwelche aggressive Absichten zugrunde liegen würden oder durch ihn das deutsche Kriegspotential verstärkt würde. Der Vertreter Belgiens macht e u. a. geltend, daß der Schuman-Plan seiner Regierung erlaube, im Verlaufe der nächsten fünf Jahre eine Anzahl erschöpfter belgischer Kohlengruben unter für die Arbeiterschaft weit besseren Verhältnissen schließen zu können, als dies ohne Schuman-Plan der Fall wäre. Das belgische Volk wünsche im übrigen nichts mehr, als mit allen Völkern in Frieden leben zu können, auch mit deti Russen. Der holländische Dele- gierte erklärte, daß Holland als Kohlenimportland nie einem Plan beitrete n würde, der, wie Arutiunian behauptete, die Stärkung der Monopolstellung der deutschen nnd französischen Schwerindustriellen zum Ziele habe. Das Gegenteil sei richtig. Die Ver- träge, weiche Aratiunian wahrscheinlich nicht genügen d kenne, seien alisgesprochen antikartel- listisch und antimonopolistisch. Der Vertreter der amerikanischen Delegation, Rob. E. Asher, bezeichnete die russische Darstellung des Schuman-Planes als ein als eine Sammlung von Unwahrheiten, dazu bestimmt, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den westlichen Staaten durch Verdächtigungen zu ver. hindern. Sie seien in Uebcrcinstimmung mit den Zwecken, welche die Sowjetunion im Rahmen der ECE zu verfolgen scheine und die darauf hinaus- laufen, jede konstruktive Zusammenarbeit der west- europäischen Staaten zu hintertreiben. Der Schuman- Plan verdanke sein Entstehen französischer Initia- tive. Die Vereinigten Staaten hätten ihn willkommen geheißen, weil er ihnen konstruktiv erscheine; aber gerade deswegen werde er von der Sowjetunion, wie seinerzeit der Marshall-Plan, bekämpft. Ein Antrag der osteuropäischen Staaten, das Mandat des Stahlkomitccs sei dahi n zu ergänzen, daß es sich vor allem darum bemühe, Maßnahmen und Studien zur Entwicklung der europäischen Stahlindustrie für Friedenszwecke zu fördern, und daß es sich enthalten sollte, indirekt oder direkt der Entwicklung der Kriegsindustrie zu helfen, wurde mit 11 gegen 5 Stimmen verworfen. Die Mehrheit der Kommission war nicht der Auffassung, daß der indirekt schwere Vorwurf in diesem Antrag irgend- wie akzeptiert werde n konnte. Lokale Chronik Zum Tode von Lenin* Logixgeber In Zürich starb im Alter von 86 Jahren Schuh- maohermeister Titus Kammerer, bei dem das Ehe- paar Lenin während seines Zürcher Asyls in den Jahren 1916 17 ein bescheiden möbliertet» Zimmer nebst Küche bewohnt hat. Lenjn, der zu Beginn des Ersten Weltkrieges als Flüchtling in die Schweiz gelangt war, hatte zuerst in Genf und hernach in Bern eine Toleranzbewilli- gung erhalten. Anfangs 1016 bewarb er sich um eine solcho in Zürich, da er hier seine schriftstelle- rischen Arbeiten die hiesigen Bibliotheken benutzen" wollte. Da nichts gegen das Ehepaar vorlag, erhielt dieses die befristete Aufenthaltsbewilligung unter der Bedingung der Stellung eine Barkaution von 3000 Franken, die Lenin natürlich nicht besaß, so daß mehrere sozialistische Stadtbürger, so Stadt- rat Otto Lang und Pfarrer Pflüger, für ihn Per- Bonalgarantie leisten mußten. Noch schwieriger war die Beschaffung cines Logis, da die Zimmer- und Wohnungsvermieter in jener Zeit von der Aufnahme Fremder und noch dazu tolerierter und polizeilich kontrollierter Ausländer nicht entzückt waren. Da erbarmte sich das Ehepaar Kammerer der Obdach- losen und räumte ihnen in der bescheidenen eigenen Wohnung im Hause zum an der Spiegelgasse ein dürftig möbliert«« Zimmer mit Küche ein, in der Lenin bis zu seiner Ausreise nach Rußland Anfang April 1017 ein zurückgezogenes Leben führte . Das Ehepaar Lenin habe »ehr beschei- den gelebt und jedenfalls über sehr geringe Ein- nahmen verfügt, aber es sei semen finanziellen Ver- pflichtungen pünktlich nachgekommen, licnin hübe sozusagen Tag und Nacht am Schreibtisch gearbeitet und nur sehr selten Besuche empfangen. Kümmerer, der im Nebenhaii.se einen Schuhladen hatte, amtete als Cerberus, der alle Besucher empfing und alle ablehnte, die nicht ausdrücklich Lenin erwünscht waren. Auch die ziemlieh umfangreiche Post mußte im Schuhladen abgegeben werden. I<;enin verließ meint nur nachts die Wohnung! wenn er sich mit Freunden treffen wollte. Kammerer hatte keine Ahnung von der politischen Bedeutung .-.eines Gastes und war höchst überrascht, als dieser eines Tages kurz mitteilte, daß er während der Krieg noch tobte nach Rußland zurückkehren wolle. Und noch größer wurde Kammerers Verwunderung, als er vernahm, welche Kolle sein einstiger, so stüler Logisherr in der Weltgeschichte zu spielen begann. Noch nach Jahren, als Lenin bereits tot war und Neuigkeitsjäger und Raritätensammler das Ehepaar bestürmten, sprachen sie nur mit Achtung von ihren einstigen I^gisleiiten und lehnten es strikt« ab, irgend ein bescheidenes Einrichtungsstück, das einst von Lenin und dessen Frau benutzt worden war, gegen klingendes Gold zu veräußern, obwohl der Schuhmacher Kämmerer selbst in bescheidenen Ver- hältnissen lebte. Selbst ein beträchtliches Angebot der Sowjetregierung, welche die ganze 1#on Lenin benutzte WohnungicinrcMung für die Ausstattung eines Leninmusoums in Moskau erwerben wollte, wies Kammerer ab. ^-_ Das Jugendfest Ut zu Ende .S'. 0. Unter dem seidigsten Früh.-ommerhimmel wird das Jugendfest abgebrochen. Es riecht nicht mehr nach frischen Küchlein und gerösteten Zuk- kermandcln es riecht nach Abbruch. Schon sind die Pferdchen der in den Stall der gel- ben Wagen gewandert, die sie zu einem neuen Feste bringen werden von den Schwänen verlassen liegt der Schwanenteich, auf dem traurig ein letztes Seerosenblatt schwimmt. Inmitten der abmontierten Berg, und Talbahn redet nur noch die große Silber- kugel von Lachen und Licht, die sich gestern pacht noch in ihren Tausenden von Facetten sprühend brachen. Das Tanzzelt wird abgebrochen es stand bei den Jugcndfentgästen ganz besonders hoch im Kurs , und in der Wirtschaft des Frauen- verein« stehen die farbig angemalten Oeltonnen. die Mittelpunkte so viel köstlicher alkoholfreier Fröh- lichkeit waren, um den erkalteten schwarzen Brat- wurst robt. Eine Klasse der Gewerbeschule hat frei, und die Jugendlichen brechen die Budenstadt selbst ab, die sie mit so viel Initiative aufgebaut haben. Am Bücherstand wird der letzte Rest in eine Kiste ver- packt; hochbefriedigt ist man hier, Bücher gingen glänzend! Vom Flohmarkt blieb nichts übrig als ein Stilleben in der Morgensonne: zwei Näh- maschinen und ein halbe* Bett mit dem zusammen- gebrochenen Polsterstuhl, aus dem das Roßhaar quillt und von der bunten Fröhlichkeit der vielen Ballone blieben nur die Wasserstoffbomben, die sie füllten. Muße hat man nun, alle die Plakatwände noch einmal anzuschauen und festzustellen, wie be- sonders hübsch formuliert und dem Sinn des Festes angepaßt auch die Geschäftsreklamen waren während man von den Dichterworten gar manches mit dem Stift notiert. Bald wird der Abbruch auch das hohe Bau- gespann im Herzen des Festes erreichen. Das aber wird auferstehen, denn das Jugendfest war das darf man wohl behaupten ein voller Erfolg. Trotz dem Wetter, das mit Tücke alle Trocknungs- verstiche von Kies nnd Torfmull zunichte machte und immer wieder den Festplatz in einen Sumpf zu verwandeln versuchte, sind die größten der ge- hegten Erwartungen erfüllt worden. Unübersehbar war die Menge, die an jedem der fünf Abende .sich zur n.-i-ar-tadt drängte man konnte so herrlich fröhlich sein an dienern Fest der Jugend, auch wenn man längst nicht mehr zu ihr gehörte! Noch liegt da» Ergebnis des letzten Abends nicht vor, noch konnte nicht überall abgerechnet werden, und doch darf man im Augenblick, da diese Zeilen in Druck gegen annehmen, daß der Ertrag des Jugendfestes allein 180 000 Frauken be- tragen wird. Dazu wird noch der Brückenzoll au« deiii Rachen der Leuen (jUesc Löwen sind übrigen» von Graphiker Heiner Hes>;c entworfen worden) an den Pontonbrücken kommen und ein Teil des Er- löse., aus dem Verkauf der Sitzplätze. Es ist eine große Summe, die dn um viel BfS*"«r«niW, viel An- strengung und gutem Willen von 750 Jugendlichen zusammengetragen wurde, und doch ist sie nur ein Teil des Fonds, den für ihr Jugendhatu zu äufnen »ich die Jugendlichen verpflichtet h»bMi. Da- rcbönc Projekt de« Jugendhaus wird das Wohlwollen aller Bevölkerungskreise noch weiterhin nötig haben. und Lena" im Sptelring der für Ferien und Freizeit** ms. Der unter der Leitung von Carl Zürcher stehende Spiclring dci guiig für Ferien und Freizeit" bring! in Rahmen der ÖOO- Jahr- Feier zugunsten des Jugendknasts ,!;i- Lustspiel und Lena" von Georg Büchner zur Aufführung. De» frühvollendeten, im wilden Ausbrach des be- drängenden Endes schaffenden Dichters Märchen- spiel voll scherzender Schwermut und geisttiefem Witz von Laiendarstellern gespielt zu wissen, be- reitete dem. der die Schwierigkeiten der Darstellung dieses Spieles crmißt und der weiß, wie oft schon der zarte Stoff dieses dichterischen Gewebes durch Ungeschick auf der Bühne zerrissen worden ist, etliches Erstaunen und Mißbehagen. Aber die Auf- führung, die am Mittwoch, 6. Mai, zum erstenmal über die Bühne des Theaters am Neumarkt ging, wandelte dieses Erstaunen ob so viel selbstvertrauen- der Keckheit ;ii die IVberraschting des Gelingens. Das Spiel gelang mcht nur deshalb, weil die Spie- ler, die Träger der Hauptrollen zum mindesten, wirklich« Begabung besitzen, sondern weil sie alle nnd vorab der Regisseur Hans Bühler, den mit dem Theater einzig Liebhaberschaft, kein beruflicher. Ehrgeiz verbindet, die Dichtung Büchners, welche die Heimkehr aus einer wertberaubten Welt der Langenweile in das Paradies der Faulheit singt, aus ihrer geistigen Mitte verstanden und «e .in ihrer zaubersamen Verschwärmtheit und ihrer melan- cholischen Ironie richtig aufgefaßt haben. Dies ist viel; aber nicht einziger Grund der Erfreuung, die wir an diesem Abend erlebten. Die Darsteller der Hauptrollen haben .ihr Spiel nicht allei n mit jener Hingabe, die üblich zum Laiendarsteller gehört, gegeben, sondern sie haben es ausgestattet mit wahren künstlerischen Fähig- keiten. Sie boten nicht bloß Ansätze zu Charakter- studien, sondern füllten ihre Rollen aus, bewältigten hie in echter Gestaltung. König Peter vom' Reiche Popo, an dessen Hof dieses sremütsdunkle Scherzo innerer Heimatlosigkeit spielt, fand in Bewegung und in Sprache seines Darstellers den genauen Widerklang jener fcttduminen, melancholischen Einsicht, daß der Mensch denken muß. wenn nur das Denken ihm nicht so schwer fiele. Prinz Leonce, sein Sohn, dieser Ironiker und Schwärmer aus .Man- gel an wirklichem Leben, der sich mit der Prinzessin Lena vom Reiche Pipi im Traum vom Tode Verlobt, bietet als Rolle eine Aufgabe, die reifes, vielschich- tiges Können verlangt und es wahrhaft auch erhielt. nicht anders als die Rolle des schalkvergnügten Landstreichers Valerio, des stets betrunkenen, dem <;lie gescheiten und heiter-dümmlichen Einfälle gleichsam aus der Weinflasche zuperlen. Diese drei männlichen Darsteller, aufs trefflichste unterstützt von der Darstellerin der Prinzessin Lena, ' über- raschten nicht allein durch eine erstaunliche Gelöst- heit und Sicherheit der Bewegungen, Gebärden und Mienen, sio brachten vielmehr auch Gebärde und Ausdruck in genaueste Uebcrcinstimmung mit Sinn und Musik des Wortes und sprächen, was sie über das Gewohnte laienmäßiger Darstellung, die zumeist nur über einen Ton der Sprache verfügt, mit einem Nuancenreichtum, der innig lyrischen Wortklang ebenso beherrschte wie den polternden Rüpelton, den Ausbruch der Verzweiflung ebenso wie den Ver- fall an die Schwermut; es wurde Sprache wirklich gestaltet, ihre Musik wurde erlauscht, ihre Sinnlich- keit geschmeckt, ihr Witz erspürt. So viel Könner.- sehaft ließ denn auch vergessen, daß die Darsteller der Nebenrollen, die tun Bestes sich bemühten, dem üblichen Stand des Laienspiels verpflichtet blieben. Die Regie hat die engen Verhältnisse der Neumarkt- bühne aufs glücklichst« überwinden können, indem sio den vordersten Parkettraum ins Spiel miteinbe- zug und durc h einfachen Beleuchtungswechsel die Veränderung des Spielplatzes angab. Das von Chri- stian Maurer und Erwin Hurter besorgte Biihrven- hild hielt sich in der schwebenden Leichtigkeit und der aller Wirklichkeitsgebundenheit enthobenen Stilisierung, die diesem Prinzenmärchen voll Duft dm Träumerischen und Irrealen gerecht sind. Die Musik der bereitete vor Beginn 'los Spiels die Stimmung und liebkoste sie, die von Spiel und Darstellung gefestigte, in den Zwischen- akten. Robert Saurenmanti +. 8. Gestern Mittwoch (regen Mittag hat ein Herzschlag dem Leben von Robert Saurenmann, dem ehemaligen Hauptkassier und Prokuristen der Zürcher Zeitung", in seinem Heim an der Hofwiesenstraße in Zürich ein jähes Ende genetzt. Schon seit Jahren zehrte ein schweres Herzleiden an dem sonst so robusten Manne, und schon im letzten Februar befürchtete man das Schlimmste. Aber unbeugsamer Wille zum Leben, hingebungsvolle Pflege durch die Seinen und ärztliche Kunst ließen immr r wieder Hoffnun- gen wach werden. So konnte selbst noch am Morgen des Todestages der Freund des Wanderns in der Natur seinen ihm so lieben Spaziergang wagen, der nun allerdings sein letzter sein sollte. Robert Paurcnmann entstammte der Zürcher Landschaft, besaß aber schon seit Jahrzehnten das Burgerrecht der Hauptstadt. Seine kaufmännische Laufbahn führte ihn, nach gut bestandener Lehre im Musikhaus Hug, zur Annoncen-Expedition Rudolf Mosse. Von dort trat er im Jahre 1014. als die iic Zürcher Zeitung" die Inseratenverwal- tung selber übernahm, in die Diens-te dieses Unter- nehmens, dem er 34 Jahre seine große Arbeitskraft und Sachkenntnis zur Verfügung stellte. Der Arbeitgeber anerkannte die tüchtigen Fähigkeiten und übertrug Robert Saun nmann 1034 die Füh- rung der Hauptkasse unter gleichzeitiger Beförde- rung zum Prokuristen. Mit vorbildlicher Umsicht und peinlicher Zuverlässigkeit stand er seinem ver- antwortungsvollen Posten vor. hei Vorgesetzten, Mitarbeitern und Untergebenen gleich geschätzt. Im Jahre 1048 wurde Robert Saurenmann wegen Erreichung der Altersgrenze pensioniert. Leider hat er den so wohlverdienten Ruhestand, der zudem noch durch sein Leiden verdüstert war, nicht lange genießen können. Neben der starken beruflichen Inanspruchnahme fand der nun Heimgegangene seine schönste Erholung daheim bei den Seinen, auf frohen Wanderungen und im Gesänge. Der Männerchor Außersihl lohnte seine langjährige Mitwirkung mit der Ehrenmitgliedschaft. Dem Vaterland diente der Verstorben* als flotter Artil- lerie-Wachtmeister der Gotthardbesatzung. So darf man wohl sagen, daß mit dem Heimgange von Robert Sa li renmann ein wohlgenütztes Leben sei- nen Abschloß gefunden hat. Unser aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen, die so unvermittelt rnM'h den sorgenden und liebenden Gatten und Vatt-r verloren haben. Theatergruppe Gymnasium Zürich, ms. Oscar Wilden triviale Komödie für ernsthafte Leute, oder Wie wichtig es ist, ernst *m sein", ist Gegenstand der darstellerischen Bemühungen, deren sich die Theatergruppe des Gymnasiums Zürich, von Hanspeter Meng geleitet, annimmt. Das amüsante Verwechslungsspiel lockte am Premieren- abend (4. Juni) im Theater am Neumarkt aus den jungen Darstellern fröhliche Hingabe, die für mancherlei mangelnde Begabung gutstand. So steckte denn der Rezensent die Elle strengen Mes- sens des im Spie} Gebotenen wieder in die. Tasche und ließ sieb einfangen von dem jugendlichen Eifer, der sich d a um ein möglichst zungi-nschlankcs Präsentieren von Wildes treffenden Worten mühte, die gerade so wahr sind, wie sie in einem zivilisier- ten Leben sein sollen. Man vergaß, daß solche Kon- versationsstücke, die ganz aus der Kraft der Dar- stellung leben, nach gewandten Schauspielern ver- langen, und fand, das Schönste an diesem Abend sei vielleicht dies, daß es den Achtzehnjährigen, die ihren gleichaltrigen Schulkameradinnen amouröse Findigkeiten zu sagen hatten, nicht seluns ihre . natürlich-ßcsundc Hemmung zu überwinden. Neue Zürcher Zeitung vom 07.06.1951

Lokale Chronik - Neue Zürcher Zeitung · 2017-03-08 · von Lenin und dessen Frau benutzt worden war, gegen klingendes Gold zu veräußern, obwohl der Schuhmacher Kämmerer selbst

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Page 1: Lokale Chronik - Neue Zürcher Zeitung · 2017-03-08 · von Lenin und dessen Frau benutzt worden war, gegen klingendes Gold zu veräußern, obwohl der Schuhmacher Kämmerer selbst

Dementen, 7. Juni 1951 Blatt Situe <;3iird)cr <;3cüung Abendausgabe Nr. 1248

EuropäischeWirtschaftskommission

O.E. Genf,4. JuniVon allen Organen der regionalen Weltorganisa.

tion für Europa ist die Wirtschaftskommission derVereinigten Nationen, die gegenwärtig unter demVorsitz von Frau Karin Coek in Genf tagt, dasjenige,

dat. am wenigsten geeignet ist, der ECE Sympathieneinzutragen. Siebt es sich dach ständig den ideo-logischen Angriffen und Verdächtigungen der kom-munistischen Staaten gegenüber der freien Welt aus-gesetzt. Neben den Diskussionen im Schoß« der ECEnehmen leider die Auseinandersetzungen ideologi-

scher Art einen allzu breiten Raum ein. Die Ver-treter der kommunistischen Staaten, die alles, wasin der freien westlichen Welt, also in Westeuropa,auf wirtschaftlichem Gebiet getan wird, einzig undallein nach starren Dogmen zu beurteilen haben,sind im Grunde zu bedauern. Ist es ihnen doch ver-sagt, mit gesundem Menschenverstand die Argnmente der Gegenseite frei zu würdigen. Sie würdw.damit, falls sie es wagten, sich einer Ketzerei schul-dig machen, was für sie die schlimmsten persön-

lichen Folgen haben würde.

War an den ersten Tagungen der ECE derMarshall-Plan Hauptgegenstand der Anschuldigun-gen gewesen, welche die osteuropäischen Staatengegen die westeuropäischen erhoben hatten, weil siesieb o h ne diese Kritik angeblich dem amerikanischenImperialismus verschrieben hätten, bo war ea imvergangenen Jahr der Vorwurf, daß sich die west-europäischen Staaten um die drohende Arbeitslosig-

keit infolge eines Zusammenbruchs des kapitalisti-schen Wirtschaftssystems nicht bekümmerten, undheute wird i h n en im Schöße der ECE im Zeicheneiner sowjetrussischen Friedenspropaganda vorge-halten, einige ihrer wirtschaftlichen Maßnahmenließen darauf schließen, daß sie einen neuen Welt-krieg vorzubereiten beabsichtigten.

In der allgemeinen Debatte aber die Arbeit derECE erklärte Arutiunian, der sowjetrussische Dele-gierte, zunächst in allgemeiner Form, daß sich dieECE hüten sollte, die Mitgliedstaaten der Vereinig-

ten Nationen in ihrem Rüstungswettlauf zu unter,stützen. Ihre Aufgabe bestehe vielmehr darin, dieEntwicklung der normalen Produktionstätigkeit undde» normalen gegenseitigen Güteraustausches zufördern. Die Aussprache über die Arbeit der ver.schiedenen Ausschüsse, wie des Landwirtschafts,komitees, desjenigen für Holz und Elektrizität ver-lief zunächst ruhig. In Verbindung mit den Arbeitenim Kohlenkomitee glaubte der polnische Delegierte

dem Komitee vorwerfen zu können, daß es, statt-ich vor allem der Entwicklung der europäischenKohlenförderung anzunehmen, dazu beitrage, über-seeische Importe zu fördern. Er machte darauf auf-merksam, daß Polen erfolgreiche Anstrengungengemacht habe, seine Kohlenproduktion zu erhöhen,und daß es imstande sei, einen wesentlichen Beitrag

zur Kohlenversorgung Europas zu leisten. In diesemZusammenhang stellte der Vertreter der Schweiz,

Dr. Hauswirth, fest, daß die Schweiz als reinesKohlenkonsumland ein Interesse an der Erhöhung

der europäischen Kohlenförderung habe. Was dieüberseeischen Kohlen betreffe, müsse er in allerObjektivität feststellen, daß die amerikanahe Kohlefranko Schweizer Grenze billiger sei als die polnische

und deren Qualitäten in der Schweiz sehr geschätzt

würden. Im übrigen betonte er, daß die schweize-rische Delegation dem .Studium des ganzen Kohlen-preisproblems große Bedeutung beimesse.

In Verbindung mit der Aussprache über denStnhlawHchuß, in dem die Vertreter der osteuro-päischen Länder bisher nie mitgearbeitet haben, kames von Seiten Arutiunians zu einer überaus phanta-

sievollen Darstellung des angeblichen Ursprungs undder Ziele des Schuman-Planes. Es war eine nichtuninteressante Zusammenfassung darüber, wieMiinkau anscheinend den Schuman-Plan sieht. Diesersei nämlich nichts anderes, behauptete er, als dasProdukt der Imperialisten und amerikanischenMonopolisten. Er verfolge ausschließlich mili-tärische Zwecke, insbesondere die AufrüstungDeutschlands. Die erste Anregung zu einer Zusam-menlegung der französischen und deutschen Kohlen-und Stahlindustrie, so behauptete Arutiunian, seiauf Veranlassung des amerikanischen Monopolisten

General McCloy im Herbst 1040 gemacht worden.Da sie damals auf den Widerstand Englandsgestoßen sei, hätten die Amerikaner daraufhin einengewissen Hans Stein in Bonn, Vertrauensmann derdeutschen Schwerindustrie, gewonnen. Er sei dereigentliche Urheber des von amerikanischer Seiteinspirierten angeblichen Schumaii-Planefi. Man habees verstanden, den Plan den Franzosen mundgerecht

zu machen, der keineswegs im Interesse Frankreichsliege. Er diene dazu, Deutschland erneut mit einerKriegsindustrie auszustatten, es seien die gleichenLeute, die Hitler geholfen liiitf n, den Krieg vorzu-bereiten, sowie die Clique der deutschen Revanchi-sten. Diese beiden Gruppen stünden im Solde deramerikanischen Monopolisten und ihrer imperia-listischen Absichten.

Als Folge dieses Planes werde Frankreichgenötigt sein, weniger gut arbeitende Werke zu-gunsten rationeller arbeitender deutscher Stahlwerkezti schließen. Auch Belgien werde sich gezwungen-eben, die Produktion von Kohlengruben zugunsten

deutscher Gruben einzustellen. England halte sichanscheinend abseits. Es unterstütze jedoch tatsäch-lich den Plan durch Investitionen in der deutschenRuhrindustrie und helfe damit auch seinerseits mit,einen neuen Krieg vorzubereiten. Kurz, hinter demSchuman-Plan stunden ausschließlich militärischeund strategische Gründe. Dem Stahlkomitee müsseder Vorwurf gemacht werden, daß es mit seinenStudien Über die europäische Stahlindustrie diesemgefährlichen und den Frieden bedrohenden PlanVorschub geleistet habe. Der französische VertreterGeorges Boris scheine über gewisse Punkte nichtszu wissen, oder er suche sie zu

Gegen d i e se leninistisch-marxistische Interpre-tation reinsten Wassers machte Georgen Roris, derVertreter Frankreichs, zunächst darauf aufmerk-sam, daß von sowjetrussischer Seit« kein einziger

Beweis für die Richtigkeit der schwerwiegendenAnschuldigungen nnd Behauptungen erbracht wor-den sei. Frankreich sei im übrigen nicht so nrteils-los, wie es in diesem Zusammenhang dargestelltworden sei. Der Schuman-Plan, erklärte Boris, seifranzösischen Ursprungs; er erstrebe, wie die ver-öffentlichten Vertragsdokumente zeigen, zunächsteine politische Annäherung zwischen Frankreichund Deutsehland, er beabsichtige ferner, eineGrundlage für die Rationalisierung der westeuro-päischen Schwerindustrie zu schaffen, in Verbin-dung mit der Errichtung eines freien Marktes fürihre Erzeugnisse. In dieser Beziehung gewährleiste

der Schuman-Plan jene Zusammenarbeit, wie sie inPolen nnd der Tschechoslowakei zwischen derKohlen- und Stahlindustrie dieser Länder geschaf-

fen worden sei. Eine große Anzahl französischer unddeutscher Schwerindustrieller stünde im Übrigen demPlan kritisch gegenüber sowie auch deutsche poli-tische Kreise, die Rußland keineswegs sehr günstiggesinnt seien. Die große Mehrheit des französischenVolkes sei für diesen Plan und hätte niemals dafürgewonnen werden können, wenn ihm irgendwelcheaggressive Absichten zugrunde liegen würden oderdurch ihn das deutsche Kriegspotential verstärktwürde. Der Vertreter Belgiens mach te u. a. geltend,

daß der Schuman-Plan seiner Regierung erlaube, imVerlaufe der nächsten fünf Jahre eine Anzahlerschöpfter belgischer Kohlengruben unter für dieArbeiterschaft weit besseren Verhältnissen schließenzu können, als dies ohne Schuman-Plan der Fallwäre. Das belgische Volk wünsche im übrigen nichtsmehr, als mit allen Völkern in Frieden leben zukönnen, auch mit deti Russen. Der holländische Dele-gierte erklärte, daß Holland als Kohlenimportland

nie einem Plan beitreten würde, der, wie Arutiunianbehauptete, die Stärkung der Monopolstellung derdeutschen nnd französischen Schwerindustriellenzum Ziele habe. Das Gegenteil sei richtig. Die Ver-träge, weiche Aratiunian wahrscheinlich nichtgenügend kenne, seien alisgesprochen antikartel-listisch und antimonopolistisch.

Der Vertreter der amerikanischen Delegation,Rob. E. Asher, bezeichnete die russische Darstellungdes Schuman-Planes als ein alseine Sammlung von Unwahrheiten, dazu bestimmt,die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen denwestlichen Staaten durch Verdächtigungen zu ver.hindern. Sie seien in Uebcrcinstimmung mit denZwecken, welche die Sowjetunion im Rahmen derECE zu verfolgen scheine und die darauf hinaus-laufen, jede konstruktive Zusammenarbeit der west-europäischen Staaten zu hintertreiben. Der Schuman-Plan verdanke sein Entstehen französischer Initia-tive. Die Vereinigten Staaten hätten ihn willkommengeheißen, weil er ihnen konstruktiv erscheine; abergerade deswegen werde er von der Sowjetunion, wieseinerzeit der Marshall-Plan, bekämpft.

Ein Antrag der osteuropäischen Staaten, dasMandat des Stahlkomitccs sei d a h in zu ergänzen,

daß es sich vor allem darum bemühe, Maßnahmenund Studien zur Entwicklung der europäischenStahlindustrie für Friedenszwecke zu fördern, unddaß es sich enthalten sollte, indirekt oder direkt derEntwicklung der Kriegsindustrie zu helfen, wurdemit 11 gegen 5 Stimmen verworfen. Die Mehrheitder Kommission war nicht der Auffassung, daß derindirekt schwere Vorwurf in diesem Antrag irgend-

wie akzeptiert werden konnte.

Lokale ChronikZum Tode von Lenin* Logixgeber

In Zürich starb im Alter von 86 Jahren Schuh-maohermeister Titus Kammerer, bei dem das Ehe-paar Lenin während seines Zürcher Asyls in denJahren 1916 17 ein bescheiden möbliertet» Zimmernebst Küche bewohnt hat.

Lenjn, der zu Beginn des Ersten Weltkrieges alsFlüchtling in die Schweiz gelangt war, hatte zuerstin Genf und hernach in Bern eine Toleranzbewilli-gung erhalten. Anfangs 1016 bewarb er sich um einesolcho in Zürich, da er hier seine schriftstelle-rischen Arbeiten die hiesigen Bibliotheken benutzen"wollte. Da nichts gegen das Ehepaar vorlag, erhieltdieses die befristete Aufenthaltsbewilligung unterder Bedingung der Stellung eine Barkaution von3000 Franken, die Lenin natürlich nicht besaß, sodaß mehrere sozialistische Stadtbürger, so Stadt-rat Otto Lang und Pfarrer Pflüger, für ihn Per-Bonalgarantie leisten mußten. Noch schwieriger wardie Beschaffung cines Logis, da die Zimmer- undWohnungsvermieter in jener Zeit von der AufnahmeFremder und noch dazu tolerierter und polizeilichkontrollierter Ausländer nicht entzückt waren. Daerbarmte sich das Ehepaar Kammerer der Obdach-losen und räumte ihnen in der bescheidenen eigenenWohnung im Hause zum an derSpiegelgasse ein dürftig möbliert«« Zimmer mitKüche ein, in der Lenin bis zu seiner Ausreise nachRußland Anfang April 1017 ein zurückgezogenes

Leben führte. Das Ehepaar Lenin habe »ehr beschei-den gelebt und jedenfalls über sehr geringe Ein-nahmen verfügt, aber es sei semen finanziellen Ver-pflichtungen pünktlich nachgekommen, licnin hübesozusagen Tag und Nacht am Schreibtisch gearbeitet

und nur sehr selten Besuche empfangen. Kümmerer,der im Nebenhaii.se einen Schuhladen hatte, amteteals Cerberus, der alle Besucher empfing und alleablehnte, die nicht ausdrücklich Lenin erwünschtwaren. Auch die ziemlieh umfangreiche Post mußteim Schuhladen abgegeben werden. I<;enin verließmeint nur nachts die Wohnung! wenn er sich mitFreunden treffen wollte. Kammerer hatte keineAhnung von der politischen Bedeutung .-.einesGastes und war höchst überrascht, als dieser einesTages kurz mitteilte, daß er während der Kriegnoch tobte nach Rußland zurückkehren wolle.Und noch größer wurde Kammerers Verwunderung,als er vernahm, welche Kolle sein einstiger, so stülerLogisherr in der Weltgeschichte zu spielen begann.

Noch nach Jahren, als Lenin bereits tot war undNeuigkeitsjäger und Raritätensammler das Ehepaarbestürmten, sprachen sie nur mit Achtung von ihreneinstigen I^gisleiiten und lehnten es strikt« ab,irgend ein bescheidenes Einrichtungsstück, das einstvon Lenin und dessen Frau benutzt worden war,

gegen klingendes Gold zu veräußern, obwohl derSchuhmacher Kämmerer selbst in bescheidenen Ver-hältnissen lebte. Selbst ein beträchtliches Angebotder Sowjetregierung, welche die ganze 1#on Leninbenutzte WohnungicinrcMung für die Ausstattungeines Leninmusoums in Moskau erwerben wollte,wies Kammerer ab. ^-_

Das Jugendfest Ut zu Ende

.S'. 0. Unter dem seidigsten Früh.-ommerhimmelwird das Jugendfest abgebrochen. Es riecht nichtmehr nach frischen Küchlein und gerösteten Zuk-kermandcln es riecht nach Abbruch. Schon sinddie Pferdchen der in den Stall der gel-ben Wagen gewandert, die sie zu einem neuen Festebringen werden von den Schwänen verlassenliegt der Schwanenteich, auf dem traurig ein letztesSeerosenblatt schwimmt. Inmitten der abmontiertenBerg, und Talbahn redet nur noch die große Silber-kugel von Lachen und Licht, die sich gestern pachtnoch in ihren Tausenden von Facetten sprühendbrachen. Das Tanzzelt wird abgebrochen esstand bei den Jugcndfentgästen ganz besondershoch im Kurs , und in der Wirtschaft des Frauen-verein« stehen die farbig angemalten Oeltonnen. dieMittelpunkte so viel köstlicher alkoholfreier Fröh-lichkeit waren, um den erkalteten schwarzen Brat-wurst robt.

Eine Klasse der Gewerbeschule hat frei, und dieJugendlichen brechen die Budenstadt selbst ab, diesie mit so viel Initiative aufgebaut haben. AmBücherstand wird der letzte Rest in eine Kiste ver-packt; hochbefriedigt ist man hier, Bücher gingenglänzend! Vom Flohmarkt blieb nichts übrig alsein Stilleben in der Morgensonne: zwei Näh-maschinen und ein halbe* Bett mit dem zusammen-gebrochenen Polsterstuhl, aus dem das Roßhaarquillt und von der bunten Fröhlichkeit der vielenBallone blieben nur die Wasserstoffbomben, die siefüllten. Muße hat man nun, alle die Plakatwändenoch einmal anzuschauen und festzustellen, wie be-sonders hübsch formuliert und dem Sinn des Festesangepaßt auch die Geschäftsreklamen warenwährend man von den Dichterworten gar manchesmit dem Stift notiert.

Bald wird der Abbruch auch das hohe Bau-gespann im Herzen des Festes erreichen. Das aberwird auferstehen, denn das Jugendfest war dasdarf man wohl behaupten ein voller Erfolg.Trotz dem Wetter, das mit Tücke alle Trocknungs-verstiche von Kies nnd Torfmull zunichte machteund immer wieder den Festplatz in einen Sumpfzu verwandeln versuchte, sind die größten der ge-hegten Erwartungen erfüllt worden.

Unübersehbar war die Menge, die an jedem derfünf Abende .sich zur n.-i-ar-tadt drängte mankonnte so herrlich fröhlich sein an dienern Fest derJugend, auch wenn man längst nicht mehr zu ihrgehörte! Noch liegt da» Ergebnis des letzten Abendsnicht vor, noch konnte nicht überall abgerechnetwerden, und doch darf man im Augenblick, dadiese Zeilen in Druck gegen annehmen, daß derErtrag des Jugendfestes allein 180 000 Frauken be-tragen wird. Dazu wird noch der Brückenzoll au«deiii Rachen der Leuen (jUesc Löwen sind übrigen»von Graphiker Heiner Hes>;c entworfen worden) anden Pontonbrücken kommen und ein Teil des Er-löse., aus dem Verkauf der Sitzplätze. Es ist einegroße Summe, die dn um viel BfS*"«r«niW, viel An-strengung und gutem Willen von 750 Jugendlichenzusammengetragen wurde, und doch ist sie nur einTeil des Fonds, den für ihr Jugendhatu zu äufnen»ich die Jugendlichen verpflichtet h»bMi. Da- rcböncProjekt de« Jugendhaus wird das Wohlwollen allerBevölkerungskreise noch weiterhin nötig haben.

und Lena" im Sptelringder für Ferien und Freizeit**

ms. Der unter der Leitung von Carl Zürcherstehende Spiclring dci guiig für Ferienund Freizeit" bring! in Rahmen der ÖOO-Jahr- Feierzugunsten des Jugendknasts ,!;i- Lustspielund Lena" von Georg Büchner zur Aufführung.De» frühvollendeten, im wilden Ausbrach des be-drängenden Endes schaffenden Dichters Märchen-spiel voll scherzender Schwermut und geisttiefemWitz von Laiendarstellern gespielt zu wissen, be-reitete dem. der die Schwierigkeiten der Darstellungdieses Spieles crmißt und der weiß, wie oft schonder zarte Stoff dieses dichterischen Gewebes durchUngeschick auf der Bühne zerrissen worden ist,etliches Erstaunen und Mißbehagen. Aber die Auf-führung, die am Mittwoch, 6. Mai, zum erstenmalüber die Bühne des Theaters am Neumarkt ging,wandelte dieses Erstaunen ob so viel selbstvertrauen-der Keckheit ;ii die IVberraschting des Gelingens.Das Spiel gelang mcht nur deshalb, weil die Spie-

ler, die Träger der Hauptrollen zum mindesten,wirklich« Begabung besitzen, sondern weil sie allennd vorab der Regisseur Hans Bühler, den mit demTheater einzig Liebhaberschaft, kein beruflicher.Ehrgeiz verbindet, die Dichtung Büchners, welchedie Heimkehr aus einer wertberaubten Welt derLangenweile in das Paradies der Faulheit singt, ausihrer geistigen Mitte verstanden und «e .in ihrerzaubersamen Verschwärmtheit und ihrer melan-cholischen Ironie richtig aufgefaßt haben. Dies istviel; aber nicht einziger Grund der Erfreuung, diewir an diesem Abend erlebten.

Die Darsteller der Hauptrollen haben .ihr Spielnicht a l l e in mit jener Hingabe, die üblich zumLaiendarsteller gehört, gegeben, sondern sie habenes ausgestattet mit wahren künstlerischen Fähig-keiten. Sie boten nicht bloß Ansätze zu Charakter-studien, sondern füllten ihre Rollen aus, bewältigtenhie in echter Gestaltung. König Peter vom' ReichePopo, an dessen Hof dieses sremütsdunkle Scherzoinnerer Heimatlosigkeit spielt, fand in Bewegungund in Sprache seines Darstellers den genauenWiderklang jener fcttduminen, melancholischenEinsicht, daß der Mensch denken muß. wenn nurdas Denken ihm nicht so schwer fiele. Prinz Leonce,sein Sohn, dieser Ironiker und Schwärmer aus .Man-gel an wirklichem Leben, der sich mit der PrinzessinLena vom Reiche Pipi im Traum vom Tode Verlobt,bietet als Rolle eine Aufgabe, die reifes, vielschich-tiges Können verlangt und es wahrhaft auch erhielt.nicht anders als die Rolle des schalkvergnügtenLandstreichers Valerio, des stets betrunkenen, dem<;lie gescheiten und heiter-dümmlichen Einfällegleichsam aus der Weinflasche zuperlen. Diese dreimännlichen Darsteller, aufs trefflichste unterstütztvon der Darstellerin der Prinzessin Lena, '

über-raschten nicht allein durch eine erstaunliche Gelöst-heit und Sicherheit der Bewegungen, Gebärden undMienen, sio brachten vielmehr auch Gebärde undAusdruck in genaueste Uebcrcinstimmung mit Sinnund Musik des Wortes und sprächen, was sie überdas Gewohnte laienmäßiger Darstellung, die zumeistnur über einen Ton der Sprache verfügt, mit einemNuancenreichtum, der innig lyrischen Wortklangebenso beherrschte wie den polternden Rüpelton,den Ausbruch der Verzweiflung ebenso wie den Ver-fall an die Schwermut; es wurde Sprache wirklichgestaltet, ihre Musik wurde erlauscht, ihre Sinnlich-keit geschmeckt, ihr Witz erspürt. So viel Könner.-sehaft ließ denn auch vergessen, daß die Darstellerder Nebenrollen, die tun Bestes sich bemühten, demüblichen Stand des Laienspiels verpflichtet blieben.Die Regie hat die engen Verhältnisse der Neumarkt-bühne aufs glücklichst« überwinden können, indemsio den vordersten Parkettraum ins Spiel miteinbe-zug und d u r ch einfachen Beleuchtungswechsel dieVeränderung des Spielplatzes angab. Das von Chri-stian Maurer und Erwin Hurter besorgte Biihrven-hild hielt sich in der schwebenden Leichtigkeit undder aller Wirklichkeitsgebundenheit enthobenenStilisierung, die diesem Prinzenmärchen voll Duftdm Träumerischen und Irrealen gerecht sind. DieMusik der bereitete vor Beginn'los Spiels die Stimmung und liebkoste sie, die vonSpiel und Darstellung gefestigte, in den Zwischen-akten.

Robert Saurenmanti +. 8. Gestern Mittwoch(regen Mittag hat ein Herzschlag dem Leben vonRobert Saurenmann, dem ehemaligen Hauptkassierund Prokuristen der Zürcher Zeitung", inseinem Heim an der Hofwiesenstraße in Zürich einjähes Ende genetzt. Schon seit Jahren zehrte einschweres Herzleiden an dem sonst so robustenManne, und schon im letzten Februar befürchteteman das Schlimmste. Aber unbeugsamer Wille zumLeben, hingebungsvolle Pflege durch die Seinenund ärztliche Kunst ließen immr r wieder Hoffnun-gen wach werden. So konnte selbst noch am Morgendes Todestages der Freund des Wanderns in derNatur seinen ihm so lieben Spaziergang wagen, dernun allerdings sein letzter sein sollte.

Robert Paurcnmann entstammte der ZürcherLandschaft, besaß aber schon seit Jahrzehnten dasBurgerrecht der Hauptstadt. Seine kaufmännischeLaufbahn führte ihn, nach gut bestandener Lehreim Musikhaus Hug, zur Annoncen-ExpeditionRudolf Mosse. Von dort trat er im Jahre 1014. alsdie iic Zürcher Zeitung" die Inseratenverwal-tung selber übernahm, in die Diens-te dieses Unter-nehmens, dem er 34 Jahre seine große Arbeitskraftund Sachkenntnis zur Verfügung stellte. DerArbeitgeber anerkannte die tüchtigen Fähigkeitenund übertrug Robert Saun nmann 1034 die Füh-rung der Hauptkasse unter gleichzeitiger Beförde-rung zum Prokuristen. Mit vorbildlicher Umsichtund peinlicher Zuverlässigkeit stand er seinem ver-antwortungsvollen Posten vor. hei Vorgesetzten,Mitarbeitern und Untergebenen gleich geschätzt.

Im Jahre 1048 wurde Robert Saurenmann wegenErreichung der Altersgrenze pensioniert. Leider hater den so wohlverdienten Ruhestand, der zudemnoch durch sein Leiden verdüstert war, nicht langegenießen können. Neben der starken beruflichenInanspruchnahme fand der nun Heimgegangeneseine schönste Erholung daheim bei den Seinen,auf frohen Wanderungen und im Gesänge. DerMännerchor Außersihl lohnte seine langjährigeMitwirkung mit der Ehrenmitgliedschaft. DemVaterland diente der Verstorben* als flotter Artil-lerie-Wachtmeister der Gotthardbesatzung. So darfman wohl sagen, daß mit dem Heimgange vonRobert Sa li renmann ein wohlgenütztes Leben sei-nen Abschloß gefunden hat. Unser aufrichtigesBeileid gilt den Angehörigen, die so unvermitteltrnM'h den sorgenden und liebenden Gatten undVatt-r verloren haben.

Theatergruppe Gymnasium Zürich, ms. OscarWilden triviale Komödie für ernsthafte Leute,

oder Wie wichtig es ist, ernst *m sein",ist Gegenstand der darstellerischen Bemühungen,deren sich die Theatergruppe des GymnasiumsZürich, von Hanspeter Meng geleitet, annimmt. Dasamüsante Verwechslungsspiel lockte am Premieren-abend (4. Juni) im Theater am Neumarkt aus denjungen Darstellern fröhliche Hingabe, die fürmancherlei mangelnde Begabung gutstand. Sosteckte denn der Rezensent die Elle strengen Mes-sens des im Spie} Gebotenen wieder in die. Tascheund ließ sieb einfangen von dem jugendlichenEifer, der sich da um ein möglichst zungi-nschlankcsPräsentieren von Wildes treffenden Worten mühte,die gerade so wahr sind, wie sie in einem zivilisier-ten Leben sein sollen. Man vergaß, daß solche Kon-versationsstücke, die ganz aus der Kraft der Dar-stellung leben, nach gewandten Schauspielern ver-langen, und fand, das Schönste an diesem Abendsei vielleicht dies, daß es den Achtzehnjährigen, dieihren gleichaltrigen Schulkameradinnen amouröseFindigkeiten zu sagen hatten, nicht seluns ihre .

natürlich-ßcsundc Hemmung zu überwinden.

Neue Zürcher Zeitung vom 07.06.1951

Lenin*
Lenin
Lenin
Lenin
Lenin
Lenin
Lenin
Lenin
Lenin