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E r stand unter der Du- sche, und das Einzige, was er denken konnte, war: Wie oft muss ich noch duschen, damit der Scheiß hier vorbei ist? Er spürte das Was- ser nicht, nicht die Wärme, das Einzige, was er fühlte, war Leere. Er drohte an ihr zu ersticken. Und dann? Wurde es dunkel. Ein Mann, gefangen in einem tiefen, schwarzen Loch. Zwölf Jahre ist das jetzt her. Wenn Dirk Schröder, 49, jetzt darüber spricht, bekommt man eine Ahnung davon, wie alles zusammengehört. Die Krise. Der Weg. Das Ziel. Wer sein Ziel nicht kennt, findet den Weg nicht, sagt er. Er hat seine Erfahrungen gemacht. Man kann anhand von Dirk Schröder einiges erzählen über die Krise des Mannes. Weil er ein gutes Beispiel da- für ist, was in der Welt im argen liegt, weil er durchlitten hat, was andere Männer durchleiden oder ihnen noch bevorsteht. Schröder ist Männercoach, und er ist einer der erfolgreichen. Er hat ein Buch geschrieben, er hält Vor- träge, er tritt in Talkshows auf und in ausverkauften Hallen. Schröder be- hauptet: „Der Mann hat die Kontrolle verloren.“ Zu ihm kommen Männer, die sich verrannt haben, die jemanden brau- chen, der ihnen auf die Finger guckt, aber auch Männer, die sich einfach wei- terentwickeln wollen. Seine Klienten sind Ärzte, Rechtsanwälte, Diplomaten, meist erfolgreich, sie reisen aus Ham- burg oder aus der Schweiz zu ihm nach Eutin, die meisten sind Mitte 40, denn: „In dem Alter fangen Männer an zu den- ken.“ Wenn Schröder gut mit ihnen ar- beitet, kommen sie nie wieder zu ihm. Er ist derjenige, der versucht, sie aufzu- fangen; ein Mann für die, wie er sagt, die genug „Arsch in der Hose haben“, ihre Zeit bei einem Männercoach zu verbrin- gen. „Es ist wie beim Fußball“, sagt er. „Wer sich entwickeln will, holt sich einen Trainer.“ Ein Jogi Löw für ange- schlagene Seelen. Sechs Prozent der Deutschen erlei- den im Laufe eines Lebens eine Depres- sion. Frauen sind zwar doppelt so häu- fig betroffen, das höchste Suizidrisiko aber haben ältere Männer. Männer trin- ken mehr Alkohol, sie sind öfter krank, sie verlieren eher den Job. Und es sind zu 80 Prozent die Frauen, die die Schei- dung einreichen. Zufall? Jens Lönneker, Chef des Marktforschungsinstitutes Rheingold Salon, ist überzeugt: „In der gesellschaftlichen Diskussion geht es viel um die Rolle und das Bild der Frau. Aber es geht nicht um die Männer.“ Für eine Studie hat sein Institut in einer re- präsentative Umfrage deutsche Männer zu ihren Befindlichkeiten befragt, da- nach war ihm klar: „Wir müssen uns in Deutschland um die Männer kümmern. Sie halten mit dem gesellschaftlichen Wandel nicht mehr mit.“ Nichts ande- res sagt Schröder. „Während Frauen sich viel besser in ihre Rolle eingefun- den haben, eiern Männer mehr rum und verlieren sich zwischen den Ansprü- chen. Sie brauchen jemanden, der ihnen hilft und sie in ihrer Not akzeptiert.“ Dirk Schröder trägt ein Hemd, das zu seinen blauen Augen passt. Er sitzt mit geradem Rücken auf einer cremefarbe- nen Couch. Über ihm hängt ein Bild an der Wand, das aussieht, als würde dar- auf ein Tintenfass explodieren. Es soll die Finsternis symbolisieren und das Licht am Ende eines Tunnels. „Gold- rausch“ heißt das Werk, es ist ein Ge- schenk der Mutter eines Kunden. Seine Praxis liegt im Schlosspark in Eutin, ein eindrucksvolles Grundstück mit knir- schender Kiesauffahrt und Blick auf den Eutiner See. Es gibt schlechtere Plätze zum Leben. Als er damals unter der Dusche stand, war nichts mehr in ihm außer der Ge- danke an das Ende. Er hatte beruflich Erfolg, er hatte eine Familie, irgendet- was aber war in ihm zerbrochen. Er ver- lor den Zugang zum Leben. Nach der Krise, die drei Jahre währte, strukturier- te er sein Leben neu; er, der 20 Jahre zu- vor als Ausbilder im christlichen Ju- gendwerk gearbeitet hatte, sattelte um, machte eine Ausbildung zum Coach, Spezialisierung: Mann. Es war die beste Entscheidung seines Lebens. Wenn heute nun Männer zu ihm kommen auf der Suche nach schnellen Antworten, dann winkt er ab. „Patentlö- sungen gibt es nicht von mir. Ich stelle Fragen. Durch die Fragen leite ich die Männer zurück zu ihrem Herzen.“ Er hat ein System entwickelt, das er die fünf Satelliten nennt. Es geht dabei um das Rauszoomen von Bedürfnissen und Wünschen, um Herausforderungen, und um Wachstumspotenzial geht es auch. „Nach sechs Stunden rollen die bei mir sortiert vom Hof.“ Es war Zufall, dass seine Neuaufstel- lung ausgerechnet in die Zeit fiel, in der sich der ehemalige Fußball-Nationaltor- wart Robert Enke das Leben nahm. Da- mals, Ende der Nullerjahre, gab es so etwas wie einen Moment des kollekti- ven Innehaltens. Es wurde viel geschrie- ben und geredet über Depressionen, über das Suchen und Finden, um Erfolg und Krisen, über das Hin-und-hergeris- sen-Sein zwischen Schein und Sein. Und vor allem aber wurde diskutiert über die Rolle des Mannes, die keine so klar definierte mehr ist. Sieben Jahre später sind die Probleme die alten. Schröder redet in schnellen Sätzen, ohne dabei unkonzentriert zu wirken, die Dinge sind ihm wichtig. Er spricht über Werte, über Familie und über den „zum Himmel schreienden Stolz“ der Männer, der ein Feld der Verwüstung hinter sich lässt; kaputte Ehen, orientie- rungslose Kinder. Vor ihm steht ein Glas Wasser auf dem Tisch, kleine Bläs- chen steigen darin auf. Von Marlene Dietrich stammt der Satz, wonach die meisten Frauen alles dransetzen, einen Mann zu ändern, „aber wenn sie ihn dann geändert haben, mögen sie ihn nicht mehr“. Ist die Frau also schuld an der Krise des Mannes? Berater und Psychologen zumindest sind sich einig, dass für die Orientie- rungslosigkeit des Mannes die verscho- benen Rollenbilder verantwortlich sind. Während es im Job immer mehr Frauen als gleichberechtigte Partner gibt, sind die Aufgaben zu Hause nach altem Mus- ter verteilt. Die Frau gibt bei der Erzie- hung der Kinder die Marschrichtung vor, sie kocht, sie kümmert sich, sie ent- scheidet meist in letzter Instanz, for- dert aber mehr Engagement von ihm ein. Ein Mann kann heute viel mehr falsch machen. In der Auswertung der Rheingold- Studie heißt es: „In ihrer Ratlosigkeit orientieren sich heute viele Männer un- bewusst am Blick der Frau. Sie versu- chen zu antizipieren, die Folge ist, dass Männer oft gar nicht ihre eigenen Wün- sche und Ansprüche artikulieren, son- dern in vorauseilendem Gehorsam auf lieb Kind machen. Sie passen sich brav an und zeigen sich verzagt und voller Selbstzweifel.“ Auch Dirk Schröder ist überzeugt: „Die meisten Männer wissen eigentlich genau, was ihr Problem ist, aber sie las- sen sich davon beeindrucken.“ Sie krei- sen darum wie Satelliten, ohne zu lan- den. „Frauen dagegen haben kein Pro- blem damit, sich Hilfe zu holen.“ Kein Wunder, dass es vor allem Frauen sind, die sich mit einem Wunsch nach einem Coaching bei ihm melden – für ihre Männer. Bei ihm selbst hat es drei Jahre ge- dauert, bis er sein Tal durchschritten hatte. Heute ist er, wie er sagt, ein rund- um zufriedener Mann, Vater von drei Kindern, verheiratet mit der „coolsten Frau, die ich je getroffen habe“. Fragt man ihn nach dem Weg aus der Misere, rät er seinen Geschlechtsgenossen: „Hört auf zu jammern. Hört auf eure in- nere Stimme. Guckt nach vorne. Küm- mert euch rechtzeitig.“ T Info: www.dermaennercoach.de VON MARION HAHNFELDT DIE MEISTEN MÄNNER WISSEN EIGENTLICH GENAU, WAS IHR PROBLEM IST DIRK SCHRÖDER, MÄNNERCOACH ,, Der Mann steckt angeblich in einer Sinnkrise: Er soll alles sein und darf nichts. Viele Männer haben deshalb ein Problem. Dirk Schröder aus Eutin, der Männer coacht, fordert von seinen Geschlechtsgenossen: „Hört auf zu jammern“ Der Coach, der aus der KRISE kam Viele von Dirk Schröders Klienten fühlen sich überfordert und sind verzweifelt GETTY IMAGES/CULTURA EXCLUSIVE WELT AM SONNTAG NR. 8 19. FEBRUAR 2017 6 HAMBURG Gut und günstig Seit einiger Zeit vergibt der „Guide Michelin“ dem Restaurant „Cox“ an der Langen Reihe regelmäßig eine Auszeichnung, die bei vielen Gastro- nomen fast so beliebt ist wie der be- rühmte Stern: Mit dem „Bib Gour- mand“ wird einem Lokal attestiert, dass es „sorgfältig zubereitete, preis- werte Mahlzeiten“ im Angebot hat. Diese lobende Einschätzung wollen wir noch einmal überprüfen. Touristen mögen beim ersten Mal vielleicht dem „Michelin“ ins „Cox“ folgen. Die Hamburger hingegen, al- len voran die St. Georgianer und auch die Schauspieler von der Kir- chenallee, Studenten, aber auch die Angestellten aus den benachbarten Büros schätzen das Restaurant nun schon seit fast 20 Jahren wegen sei- nes französisch anmutenden Bistro- Ambientes und der international ori- entierten Küche mit einigen regiona- len Akzenten. Mittags kann Matjesfi- let mit Apfelkren und Bohnen- Speck-Salat (8,50 Euro) ebenso auf der Karte stehen wie Tortiglioni mit Eismeergarnelen (11 Euro). Abends ist das Angebot im „Cox“ anspruchsvoller – und auch etwas teurer. Dann bietet das Küchenteam feinere Kreationen – wie Weißwurst von Hecht und Flusskrebsen mit Sü- ßem Senf-Dip und Rettich-Apfelsalat (12,50 Euro). Bei den Hauptgängen halten sich Fisch und Fleisch zahlen- mäßig die Waage, da konkurriert das knapp gegrillte Thunfischfilet in Blutorangen-Pfeffer-Vinaigrette (26 Euro) mit dem Krustenbraten vom Spanferkel in Malzbier-Jus mit Kartoffel-Senf-Püree (19,50 Euro). Unser Lunchmenü wollen wir mit einer kleinen Vorspeise beginnen. Gar nicht so einfach, denn die „klei- ne, scharfe Rinderfrikadelle“, die mir beim ersten Überfliegen der Speisenkarte aufgefallen ist, ent- puppt sich als veritabler Gang: Die wohlschmeckende, aber nicht gera- de pointiert scharfe Frikadelle wird mit einer gut bemessenen Portion cremigen Kohlrabisalats serviert, mit schwarzem Sesam bestreut (8 Euro). Meine Begleiterin freut sich über ihren vegetarischen Ein- stieg: Der gute frittierte Blumen- kohl wird von einer Creme von Au- berginen und Hummus (pürierte Ki- chererbsen) sowie einem frischen Salat begleitet, der durch etwas Ko- riander eine reizvolle Note be- kommt (6,50 Euro). Mein Hauptgang, eine geschmorte Hühnchenkeule mit Knochen, ver- langt etwas Geschick beim Sezieren auf dem vollen Teller, denn das safti- ge Fleisch soll dann mit Tomaten, Oliven, Kapern und Tagliatelle auf- gegabelt werden. Die Mühe wird auch mit dem kleinen Preis belohnt (12 Euro). Auf der anderen Seite des Tisches gibt es einen Hamburger Klassiker: Backfisch (12,50 Euro). Zum panierten, gut gegarten Fisch- filet passte der warme Kartoffel-Ro- te-Bete-Salat weniger: Zwischen den zu dicken Kartoffelscheiben störte die Rote Bete, lediglich die Blattsala- te mit Kürbiskernen passten in die- ser Kombination. Als Abschluss unserer Menüs pro- bieren wir diesmal den Grießstrudel mit Zwetschgenröster aus, der aller- dings weder in Konsistenz noch Ge- schmack unsere Erwartungen erfüllt (6,50 Euro). Der doppelte Espresso dazu kostet 3 Euro. Bei der Weinbestellung zum Menü sind wir – trotz der ordentlich be- stückten Karte – kein Risiko einge- gangen und haben den guten Grünen Veltliner von Winzer Fred Loimer im österreichischen Kamptal bestellt. Cox, St. Georg, Lange Reihe 68, Tel.: 24 94 22 Küchenzeiten: Mo–Fr 12–14.30 und 18.30–23 Uhr, Sa, So 18.30–23 Uhr Sitzplätze: 110 Plätze Service: engagierter, sehr freundli- cher Service Fazit: In entspannter Bistro-Atmo- sphäre genießen Hamburger wie Touristen die international ausge- richtete Küche. Bei dem guten Preis- Leistungs-Verhältnis vor allem mittags – nimmt man kleine Schwä- chen bei der Zubereitung in Kauf. GOURMETGESCHICHTEN VON DIETER BRAATZ, KRITIKER DER ZEITSCHRIFT „DER FEINSCHMECKER“ E ine meiner liebsten Gartensze- nen auf einem uralten Foto zeigt den Gärtner Otto Valentien mit knielanger Schürze, Strohhut auf dem Kopf, der gerade von seiner Wiese auf den Sonnenplatz vor seinem Haus zu- steuert. Einladend vor sich: ein kreis- rundes Korbmöbel, der Rattansessel „E10“ des Designers Egon Eiermann von 1949 (Foto, rechts). Valentien war in der jungen Bundesrepublik einer der einflussreichsten Gestalter naturnaher Gärten und Eiermann ein wichtiger Ver- treter der Nachkriegsmoderne. Keine Hängematte (zu unsolide), keine Son- nenliege (zu niedrig), kein Loungesofa (zu unförmig), dieser Sessel, kreisrund und geflochten, ist mein „Eines Tages muss ich es haben“-Möbel für den Gar- ten. Es gibt ihn noch. Der Produzent Ri- chard Lampert stellt ihn seit etlichen Jahren wieder her. Doch wohin mit ihm? Unser Keller ist mit Stühlen und Sesseln für den Som- mer bis an die Türen verbarrikadiert. Immer noch dabei die „Herlag original Noblesse“-Lehnstühle zum Klappen aus den 70er-Jahren, sauschwer aus lackier- ter Buche. Die waren angesagt, bis Ex- perten den Gärtnern empfahlen, das Laub im Winter zwischen den Stauden liegen zu lassen und sich die geölte Teakausrüstung von Garpa so gut zwi- schen Krötenteich und Eibenhecken einfügte. Schuld waren Gartenreisen nach England, wo Teakmöbel zum kolo- nialen Erbe gehören. Aus Platzmangel ist eine Etappe der Gartenmöblierung an uns vorüberge- gangen. Die Geschichte fing vor circa zehn Jahren an: Holz war out, kräftige Geflechte aus patentierter Kunstfaser in. Mit Vorliebe in einem rindenartigen Graubraunbeige, das ziemlich sicher als Camouflage der immer üppigeren Pro- portionen gedacht war. Wie Monster hocken diese Möbel auf den Terrassen. Liegen in gigantischer Blattform, nest- artige Sitzinseln, kastige Loungeland- schaften. Seit zwei Jahren lichtet sich zum Glück das Faserarsenal. Denn inzwischen redet fast niemand mehr von Gartenmöbeln. Es heißt jetzt „outdoor“, mit einem deutlich gestreck- ten O. Das deshalb, weil zu outdoor auch ein indoor gehört. Die gemeinten Gegenstände, UV-geschützt, „water- proofed“, können überall stehen. Eine fabelhafte Entwicklung, die dem Reper- toire an Garteneinrichtung jedes Jahr neue Objekte zuführt. Denn draußen ist viel Platz, den die Möbelindustrie ent- deckt hat, um das komplette Indoor-Ar- senal nach außen zu spiegeln. Küche, Dusche, Teppiche, alles ist da, sogar ei- ne Art Hybrid aus Strandkorb und Oh- renbackensessel, zwar auch geflochten, aber fantasievoller als zuvor („Canasta“ und „Crinoline“ von Patricia Urquiola für B&B Italia). Wobei es eine Vorliebe für Outdoor- Editionen von Klassikern gibt wie den zusammenklappbaren Stahlrohr-Klub- sessel „D 4“ von Marcel Breuer (bei Tecta) oder den Bauhausklassiker S 40 von Mart Stam (Thonet). Möbel, die wir lieben, aber leider nicht mehr in unse- ren gut gefüllten Zimmern unterbrin- gen konnten. Damit wird sichtbar, wo- rauf das Ganze angelegt ist: Wir sollen mit diesem Inventar nomadisch leben – drinnen, dann draußen und umgekehrt. Endlich vorbei die Zeit, in der wir nicht wussten, wohin mit all dem, was wir uns für den Garten anschaffen. T Die Autorin leitet das Ressort „Gar- ten“ bei „A&W Architektur & Wohnen“ Draußen ist das andere Drinnen VON ELKE VON RADZIEWSKY IM GARTEN RICHARD LAMPERT

lor den Zugang zum Leben. Nach der nere Stimme. Guckt nach ...marionhahnfeldt.de/wp-content/uploads/2016/09/... · Als er damals unter der Dusche stand, war nichts mehr in ihm außer

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Page 1: lor den Zugang zum Leben. Nach der nere Stimme. Guckt nach ...marionhahnfeldt.de/wp-content/uploads/2016/09/... · Als er damals unter der Dusche stand, war nichts mehr in ihm außer

E r stand unter der Du-sche, und das Einzige,was er denken konnte,war: Wie oft muss ichnoch duschen, damitder Scheiß hier vorbeiist? Er spürte das Was-

ser nicht, nicht die Wärme, das Einzige,was er fühlte, war Leere. Er drohte anihr zu ersticken. Und dann? Wurde esdunkel. Ein Mann, gefangen in einemtiefen, schwarzen Loch.

Zwölf Jahre ist das jetzt her. WennDirk Schröder, 49, jetzt darüber spricht,bekommt man eine Ahnung davon, wiealles zusammengehört. Die Krise. DerWeg. Das Ziel. Wer sein Ziel nichtkennt, findet den Weg nicht, sagt er. Erhat seine Erfahrungen gemacht.

Man kann anhand von Dirk Schrödereiniges erzählen über die Krise desMannes. Weil er ein gutes Beispiel da-für ist, was in der Welt im argen liegt,weil er durchlitten hat, was andereMänner durchleiden oder ihnen nochbevorsteht. Schröder ist Männercoach,und er ist einer der erfolgreichen. Erhat ein Buch geschrieben, er hält Vor-träge, er tritt in Talkshows auf und inausverkauften Hallen. Schröder be-hauptet: „Der Mann hat die Kontrolleverloren.“

Zu ihm kommen Männer, die sichverrannt haben, die jemanden brau-chen, der ihnen auf die Finger guckt,aber auch Männer, die sich einfach wei-terentwickeln wollen. Seine Klientensind Ärzte, Rechtsanwälte, Diplomaten,meist erfolgreich, sie reisen aus Ham-burg oder aus der Schweiz zu ihm nachEutin, die meisten sind Mitte 40, denn:„In dem Alter fangen Männer an zu den-ken.“ Wenn Schröder gut mit ihnen ar-beitet, kommen sie nie wieder zu ihm.Er ist derjenige, der versucht, sie aufzu-fangen; ein Mann für die, wie er sagt, diegenug „Arsch in der Hose haben“, ihreZeit bei einem Männercoach zu verbrin-gen. „Es ist wie beim Fußball“, sagt er.

„Wer sich entwickeln will, holt sicheinen Trainer.“ Ein Jogi Löw für ange-schlagene Seelen.

Sechs Prozent der Deutschen erlei-den im Laufe eines Lebens eine Depres-sion. Frauen sind zwar doppelt so häu-fig betroffen, das höchste Suizidrisikoaber haben ältere Männer. Männer trin-ken mehr Alkohol, sie sind öfter krank,sie verlieren eher den Job. Und es sindzu 80 Prozent die Frauen, die die Schei-dung einreichen. Zufall? Jens Lönneker,Chef des MarktforschungsinstitutesRheingold Salon, ist überzeugt: „In dergesellschaftlichen Diskussion geht esviel um die Rolle und das Bild der Frau.Aber es geht nicht um die Männer.“ Füreine Studie hat sein Institut in einer re-präsentative Umfrage deutsche Männerzu ihren Befindlichkeiten befragt, da-nach war ihm klar: „Wir müssen uns inDeutschland um die Männer kümmern.

Sie halten mit dem gesellschaftlichenWandel nicht mehr mit.“ Nichts ande-res sagt Schröder. „Während Frauensich viel besser in ihre Rolle eingefun-den haben, eiern Männer mehr rum undverlieren sich zwischen den Ansprü-chen. Sie brauchen jemanden, der ihnenhilft und sie in ihrer Not akzeptiert.“

Dirk Schröder trägt ein Hemd, das zuseinen blauen Augen passt. Er sitzt mitgeradem Rücken auf einer cremefarbe-nen Couch. Über ihm hängt ein Bild ander Wand, das aussieht, als würde dar-auf ein Tintenfass explodieren. Es solldie Finsternis symbolisieren und dasLicht am Ende eines Tunnels. „Gold-rausch“ heißt das Werk, es ist ein Ge-schenk der Mutter eines Kunden. SeinePraxis liegt im Schlosspark in Eutin, eineindrucksvolles Grundstück mit knir-schender Kiesauffahrt und Blick auf denEutiner See. Es gibt schlechtere Plätzezum Leben.

Als er damals unter der Dusche stand,war nichts mehr in ihm außer der Ge-danke an das Ende. Er hatte beruflichErfolg, er hatte eine Familie, irgendet-was aber war in ihm zerbrochen. Er ver-lor den Zugang zum Leben. Nach derKrise, die drei Jahre währte, strukturier-

te er sein Leben neu; er, der 20 Jahre zu-vor als Ausbilder im christlichen Ju-gendwerk gearbeitet hatte, sattelte um,machte eine Ausbildung zum Coach,Spezialisierung: Mann. Es war die besteEntscheidung seines Lebens.

Wenn heute nun Männer zu ihmkommen auf der Suche nach schnellenAntworten, dann winkt er ab. „Patentlö-sungen gibt es nicht von mir. Ich stelleFragen. Durch die Fragen leite ich dieMänner zurück zu ihrem Herzen.“ Erhat ein System entwickelt, das er diefünf Satelliten nennt. Es geht dabei umdas Rauszoomen von Bedürfnissen undWünschen, um Herausforderungen,und um Wachstumspotenzial geht esauch. „Nach sechs Stunden rollen diebei mir sortiert vom Hof.“

Es war Zufall, dass seine Neuaufstel-lung ausgerechnet in die Zeit fiel, in dersich der ehemalige Fußball-Nationaltor-wart Robert Enke das Leben nahm. Da-mals, Ende der Nullerjahre, gab es soetwas wie einen Moment des kollekti-ven Innehaltens. Es wurde viel geschrie-ben und geredet über Depressionen,über das Suchen und Finden, um Erfolgund Krisen, über das Hin-und-hergeris-sen-Sein zwischen Schein und Sein.Und vor allem aber wurde diskutiertüber die Rolle des Mannes, die keine soklar definierte mehr ist. Sieben Jahrespäter sind die Probleme die alten.

Schröder redet in schnellen Sätzen,ohne dabei unkonzentriert zu wirken,die Dinge sind ihm wichtig. Er sprichtüber Werte, über Familie und über den„zum Himmel schreienden Stolz“ derMänner, der ein Feld der Verwüstunghinter sich lässt; kaputte Ehen, orientie-rungslose Kinder. Vor ihm steht einGlas Wasser auf dem Tisch, kleine Bläs-chen steigen darin auf.

Von Marlene Dietrich stammt derSatz, wonach die meisten Frauen allesdransetzen, einen Mann zu ändern,„aber wenn sie ihn dann geändert haben,mögen sie ihn nicht mehr“. Ist die Fraualso schuld an der Krise des Mannes?

Berater und Psychologen zumindestsind sich einig, dass für die Orientie-rungslosigkeit des Mannes die verscho-benen Rollenbilder verantwortlich sind.Während es im Job immer mehr Frauenals gleichberechtigte Partner gibt, sinddie Aufgaben zu Hause nach altem Mus-ter verteilt. Die Frau gibt bei der Erzie-hung der Kinder die Marschrichtungvor, sie kocht, sie kümmert sich, sie ent-scheidet meist in letzter Instanz, for-dert aber mehr Engagement von ihmein. Ein Mann kann heute viel mehrfalsch machen.

In der Auswertung der Rheingold-Studie heißt es: „In ihrer Ratlosigkeitorientieren sich heute viele Männer un-bewusst am Blick der Frau. Sie versu-chen zu antizipieren, die Folge ist, dassMänner oft gar nicht ihre eigenen Wün-sche und Ansprüche artikulieren, son-dern in vorauseilendem Gehorsam auflieb Kind machen. Sie passen sich bravan und zeigen sich verzagt und vollerSelbstzweifel.“

Auch Dirk Schröder ist überzeugt:„Die meisten Männer wissen eigentlichgenau, was ihr Problem ist, aber sie las-sen sich davon beeindrucken.“ Sie krei-sen darum wie Satelliten, ohne zu lan-den. „Frauen dagegen haben kein Pro-blem damit, sich Hilfe zu holen.“ KeinWunder, dass es vor allem Frauen sind,die sich mit einem Wunsch nach einemCoaching bei ihm melden – für ihreMänner.

Bei ihm selbst hat es drei Jahre ge-dauert, bis er sein Tal durchschrittenhatte. Heute ist er, wie er sagt, ein rund-um zufriedener Mann, Vater von dreiKindern, verheiratet mit der „coolstenFrau, die ich je getroffen habe“. Fragtman ihn nach dem Weg aus der Misere,rät er seinen Geschlechtsgenossen:„Hört auf zu jammern. Hört auf eure in-nere Stimme. Guckt nach vorne. Küm-mert euch rechtzeitig.“

T Info: www.dermaennercoach.de

VON MARION HAHNFELDT

DIE MEISTENMÄNNER WISSENEIGENTLICH GENAU, WAS IHRPROBLEM IST DIRK SCHRÖDER, MÄNNERCOACH

,,Der Mann steckt angeblich in einer Sinnkrise:Er soll alles sein und darf nichts. Viele Männerhaben deshalb ein Problem. Dirk Schröder ausEutin, der Männer coacht, fordert von seinenGeschlechtsgenossen: „Hört auf zu jammern“

Der Coach,der aus derKRISE kam

Viele von Dirk SchrödersKlienten fühlen sichüberfordert und sindverzweifelt

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Abgezeichnet von:

ArtdirectorAbgezeichnet von:

TextchefAbgezeichnet von:

ChefredaktionAbgezeichnet von:

Chef vom Dienst

6 19.02.17 19. FEBRUAR 2017 WSHH-RVP1BELICHTERFREIGABE: --ZEIT:::BELICHTER: FARBE:

WELT AM SONNTAG NR. 8 19. FEBRUAR 20176 HAMBURGGut undgünstig

Seit einiger Zeit vergibt der „GuideMichelin“ dem Restaurant „Cox“ ander Langen Reihe regelmäßig eineAuszeichnung, die bei vielen Gastro-nomen fast so beliebt ist wie der be-rühmte Stern: Mit dem „Bib Gour-mand“ wird einem Lokal attestiert,dass es „sorgfältig zubereitete, preis-werte Mahlzeiten“ im Angebot hat.Diese lobende Einschätzung wollenwir noch einmal überprüfen.

Touristen mögen beim ersten Malvielleicht dem „Michelin“ ins „Cox“folgen. Die Hamburger hingegen, al-len voran die St. Georgianer undauch die Schauspieler von der Kir-chenallee, Studenten, aber auch dieAngestellten aus den benachbartenBüros schätzen das Restaurant nunschon seit fast 20 Jahren wegen sei-nes französisch anmutenden Bistro-Ambientes und der international ori-entierten Küche mit einigen regiona-len Akzenten. Mittags kann Matjesfi-let mit Apfelkren und Bohnen-Speck-Salat (8,50 Euro) ebenso aufder Karte stehen wie Tortiglioni mitEismeergarnelen (11 Euro).

Abends ist das Angebot im „Cox“anspruchsvoller – und auch etwasteurer. Dann bietet das Küchenteamfeinere Kreationen – wie Weißwurstvon Hecht und Flusskrebsen mit Sü-ßem Senf-Dip und Rettich-Apfelsalat(12,50 Euro). Bei den Hauptgängenhalten sich Fisch und Fleisch zahlen-mäßig die Waage, da konkurriert dasknapp gegrillte Thunfischfilet inBlutorangen-Pfeffer-Vinaigrette(26 Euro) mit dem Krustenbratenvom Spanferkel in Malzbier-Jus mitKartoffel-Senf-Püree (19,50 Euro).

Unser Lunchmenü wollen wir miteiner kleinen Vorspeise beginnen.Gar nicht so einfach, denn die „klei-ne, scharfe Rinderfrikadelle“, diemir beim ersten Überfliegen derSpeisenkarte aufgefallen ist, ent-puppt sich als veritabler Gang: Diewohlschmeckende, aber nicht gera-de pointiert scharfe Frikadelle wirdmit einer gut bemessenen Portioncremigen Kohlrabisalats serviert,mit schwarzem Sesam bestreut(8 Euro). Meine Begleiterin freutsich über ihren vegetarischen Ein-stieg: Der gute frittierte Blumen-kohl wird von einer Creme von Au-berginen und Hummus (pürierte Ki-chererbsen) sowie einem frischenSalat begleitet, der durch etwas Ko-riander eine reizvolle Note be-kommt (6,50 Euro).

Mein Hauptgang, eine geschmorteHühnchenkeule mit Knochen, ver-langt etwas Geschick beim Sezierenauf dem vollen Teller, denn das safti-ge Fleisch soll dann mit Tomaten,Oliven, Kapern und Tagliatelle auf-gegabelt werden. Die Mühe wirdauch mit dem kleinen Preis belohnt(12 Euro). Auf der anderen Seite desTisches gibt es einen HamburgerKlassiker: Backfisch (12,50 Euro).Zum panierten, gut gegarten Fisch-filet passte der warme Kartoffel-Ro-te-Bete-Salat weniger: Zwischen denzu dicken Kartoffelscheiben störtedie Rote Bete, lediglich die Blattsala-te mit Kürbiskernen passten in die-ser Kombination.

Als Abschluss unserer Menüs pro-bieren wir diesmal den Grießstrudelmit Zwetschgenröster aus, der aller-dings weder in Konsistenz noch Ge-schmack unsere Erwartungen erfüllt(6,50 Euro). Der doppelte Espressodazu kostet 3 Euro.

Bei der Weinbestellung zum Menüsind wir – trotz der ordentlich be-stückten Karte – kein Risiko einge-gangen und haben den guten GrünenVeltliner von Winzer Fred Loimer imösterreichischen Kamptal bestellt.

Cox, St. Georg, Lange Reihe 68,Tel.: 24 94 22Küchenzeiten: Mo–Fr 12–14.30 und18.30–23 Uhr, Sa, So 18.30–23 UhrSitzplätze: 110 PlätzeService: engagierter, sehr freundli-cher ServiceFazit: In entspannter Bistro-Atmo-sphäre genießen Hamburger wieTouristen die international ausge-richtete Küche. Bei dem guten Preis-Leistungs-Verhältnis – vor allemmittags – nimmt man kleine Schwä-chen bei der Zubereitung in Kauf.

GOURMETGESCHICHTEN

VON DIETER BRAATZ, KRITIKER DERZEITSCHRIFT „DER FEINSCHMECKER“

E ine meiner liebsten Gartensze-nen auf einem uralten Foto zeigtden Gärtner Otto Valentien mit

knielanger Schürze, Strohhut auf demKopf, der gerade von seiner Wiese aufden Sonnenplatz vor seinem Haus zu-steuert. Einladend vor sich: ein kreis-rundes Korbmöbel, der Rattansessel„E10“ des Designers Egon Eiermannvon 1949 (Foto, rechts). Valentien war inder jungen Bundesrepublik einer dereinflussreichsten Gestalter naturnaherGärten und Eiermann ein wichtiger Ver-treter der Nachkriegsmoderne. KeineHängematte (zu unsolide), keine Son-nenliege (zu niedrig), kein Loungesofa(zu unförmig), dieser Sessel, kreisrundund geflochten, ist mein „Eines Tagesmuss ich es haben“-Möbel für den Gar-ten. Es gibt ihn noch. Der Produzent Ri-chard Lampert stellt ihn seit etlichenJahren wieder her.

Doch wohin mit ihm? Unser Keller istmit Stühlen und Sesseln für den Som-mer bis an die Türen verbarrikadiert.Immer noch dabei die „Herlag originalNoblesse“-Lehnstühle zum Klappen ausden 70er-Jahren, sauschwer aus lackier-ter Buche. Die waren angesagt, bis Ex-perten den Gärtnern empfahlen, dasLaub im Winter zwischen den Staudenliegen zu lassen und sich die geölteTeakausrüstung von Garpa so gut zwi-schen Krötenteich und Eibenheckeneinfügte. Schuld waren Gartenreisennach England, wo Teakmöbel zum kolo-nialen Erbe gehören.

Aus Platzmangel ist eine Etappe derGartenmöblierung an uns vorüberge-gangen. Die Geschichte fing vor circazehn Jahren an: Holz war out, kräftigeGeflechte aus patentierter Kunstfaserin. Mit Vorliebe in einem rindenartigenGraubraunbeige, das ziemlich sicher als

Camouflage der immer üppigeren Pro-portionen gedacht war. Wie Monsterhocken diese Möbel auf den Terrassen.Liegen in gigantischer Blattform, nest-artige Sitzinseln, kastige Loungeland-schaften. Seit zwei Jahren lichtet sichzum Glück das Faserarsenal.

Denn inzwischen redet fast niemandmehr von Gartenmöbeln. Es heißt jetzt„outdoor“, mit einem deutlich gestreck-ten O. Das deshalb, weil zu outdoorauch ein indoor gehört. Die gemeintenGegenstände, UV-geschützt, „water-proofed“, können überall stehen. Einefabelhafte Entwicklung, die dem Reper-toire an Garteneinrichtung jedes Jahrneue Objekte zuführt. Denn draußen istviel Platz, den die Möbelindustrie ent-deckt hat, um das komplette Indoor-Ar-senal nach außen zu spiegeln. Küche,Dusche, Teppiche, alles ist da, sogar ei-ne Art Hybrid aus Strandkorb und Oh-

renbackensessel, zwar auch geflochten,aber fantasievoller als zuvor („Canasta“und „Crinoline“ von Patricia Urquiolafür B&B Italia).

Wobei es eine Vorliebe für Outdoor-Editionen von Klassikern gibt wie denzusammenklappbaren Stahlrohr-Klub-sessel „D 4“ von Marcel Breuer (beiTecta) oder den Bauhausklassiker S 40von Mart Stam (Thonet). Möbel, die wirlieben, aber leider nicht mehr in unse-ren gut gefüllten Zimmern unterbrin-gen konnten. Damit wird sichtbar, wo-rauf das Ganze angelegt ist: Wir sollenmit diesem Inventar nomadisch leben –drinnen, dann draußen und umgekehrt.Endlich vorbei die Zeit, in der wir nichtwussten, wohin mit all dem, was wir unsfür den Garten anschaffen.

T Die Autorin leitet das Ressort „Gar-ten“ bei „A&W Architektur & Wohnen“

Draußen ist dasandere Drinnen

VON ELKE VON RADZIEWSKY

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