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Vergiftungsfitlle. 149 -- A 150 Lorchel-Vergiftung. Bericht yon i~I. Kochmann, Pharmakologisches Institut Halle. Um 8 Uhr abends des 13. ~Iai 1931 a~en ein Ehepaar etwa 11/2 Pfd. gesehmorte Lorcheln; diese waren in der Weise zubereitet, da~ sie in koehendes Salzwasser geschiittet und ungef~hr 3 Minuten gekocht wurden. Das Koehwasser wurde weggegossen und die Pilze mit Butter und Sahne angeriehtet. Etwa 5 Stunden sp~ter erkrankte die Dame unter heftigsten Leibsehmerzen, die yon der linken Unterbauehseite nach dem Riicken ausstrahlten. Gleichzeitig stellte sieh Erbreehen ein, das sich zunEchst etwa alle 10 l~Iinuten wiederholte und dann in l~ngeren Ab- stEnden noeh 11/2 Tage anhielt. Das Erbroehene war sehr bald gallig ge- fErbt. Fast gleiehzeitig mit dem Erbreehen traten w~ssrige Ent|eerungen auf, die sich oftmals unter tenesmusEhnlichen Erscheinungen in der Naeht wiederholten. Gro~e Schw~ehe und Hinf~lligkeit machten sich bemerk- bar. Objektiv wurde vom Arzt am n~chsten Tage eine Druckempfindiich- keit der Unterbauehgegend und aufgetriebener Leib festgestellt. Tem- peratur 36,2 o. Puls 60. Pantopon, das zur Schmerzlinderung genommen wurde, wurde sehr bald erbroehen. Der Zustand besserte sich langsam auf feuchtwarme Umschl~ge und Nahrungsenthaltung. Das Erbrechen hSrte nach Einnahme einer halben Tablette Luminal g~nzlich auf (0,05 g). Am 2. Tage nach der Aufnahme des Pflzgerichtes wurden die Schmerzen wieder heftiger, die Druekempfindiichkeit des Leibes lokalisierte sich nunmehr besonders in der l~Iagengegend. Die Skleren zeigten eine Spur gelblicher YerfErbung, im Urin war weder Eiwei~ noch Zucker und Gallen- farbstoff nachweisbar. Die Leber war nicht vergr~ert. Die Erholung nahm 3 Tage in Anspruch, doch blieb dariiber hinaus noch weitere 3 Tage eine gewisse Hinf~lligkeit und Mattigkeit bestehen. Bei dem Mann, wel- cher weniger yon dem Pflzgericht genossen hatte, traten 12 Stunden nach Aufnahme der Pilze Breehreiz, aber ohne Erbrechen ein. ~ine erhebliche Abgesehlagenheit veranla~te ihn, seinen Dienst zeitweise auszusetzen und sich niederzulegen. Sonstige Erscheinungen yon seiten des Magen-Darm- kanals wurden nieht beobachtet, doeh dauerte die Mattigkeit noch meh- rere Tage an, die durch Aufnahme yon starkem Kaffee bek~mpft wurde.

Lorchel-Vergiftung

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V e r g i f t u n g s f i t l l e .

149 - -

A 150

Lorchel-Vergif tung.

Bericht yon i~I. Kochmann, Pharmakologisches Institut Halle.

Um 8 Uhr abends des 13. ~Iai 1931 a~en ein Ehepaar etwa 11/2 Pfd. gesehmorte Lorcheln; diese waren in der Weise zubereitet, da~ sie in koehendes Salzwasser geschiittet und ungef~hr 3 Minuten gekocht wurden. Das Koehwasser wurde weggegossen und die Pilze mit Butter und Sahne angeriehtet. Etwa 5 Stunden sp~ter erkrankte die Dame unter heftigsten Leibsehmerzen, die yon der linken Unterbauehseite nach dem Riicken ausstrahlten. Gleichzeitig stellte sieh Erbreehen ein, das sich zunEchst etwa alle 10 l~Iinuten wiederholte und dann in l~ngeren Ab- stEnden noeh 11/2 Tage anhielt. Das Erbroehene war sehr bald gallig ge- fErbt. Fast gleiehzeitig mit dem Erbreehen traten w~ssrige Ent|eerungen auf, die sich oftmals unter tenesmusEhnlichen Erscheinungen in der Naeht wiederholten. Gro~e Schw~ehe und Hinf~lligkeit machten sich bemerk- bar. Objektiv wurde vom Arzt am n~chsten Tage eine Druckempfindiich- keit der Unterbauehgegend und aufgetriebener Leib festgestellt. Tem- peratur 36,2 o. Puls 60. Pantopon, das zur Schmerzlinderung genommen wurde, wurde sehr bald erbroehen. Der Zustand besserte sich langsam auf feuchtwarme Umschl~ge und Nahrungsenthaltung. Das Erbrechen hSrte nach Einnahme einer halben Tablette Luminal g~nzlich auf (0,05 g). Am 2. Tage nach der Aufnahme des Pflzgerichtes wurden die Schmerzen wieder heftiger, die Druekempfindiichkeit des Leibes lokalisierte sich nunmehr besonders in der l~Iagengegend. Die Skleren zeigten eine Spur gelblicher YerfErbung, im Urin war weder Eiwei~ noch Zucker und Gallen- farbstoff nachweisbar. Die Leber war nicht vergr~ert. Die Erholung nahm 3 Tage in Anspruch, doch blieb dariiber hinaus noch weitere 3 Tage eine gewisse Hinf~lligkeit und Mattigkeit bestehen. Bei dem Mann, wel- cher weniger yon dem Pflzgericht genossen hatte, traten 12 Stunden nach Aufnahme der Pilze Breehreiz, aber ohne Erbrechen ein. ~ine erhebliche Abgesehlagenheit veranla~te ihn, seinen Dienst zeitweise auszusetzen und sich niederzulegen. Sonstige Erscheinungen yon seiten des Magen-Darm- kanals wurden nieht beobachtet, doeh dauerte die Mattigkeit noch meh- rere Tage an, die durch Aufnahme yon starkem Kaffee bek~mpft wurde.

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Von zwei andern Personen, die yon dem aufgew~rmten Pilzgericht wenig gegessen hatten, blieb die eine g~nzlich versehont, w~hrend die andere sieh 2 Tage matt fiihlte.

Eine andere Ursache als die Aufnahme des Pilzgeriehtes war fiir die Krankheitserscheinungen nicht feststeUbar. Demnach hat sieh der seltene Fall ereignet, dab das einmalige kurze Abkochen der Speiselorchel nicht gentigte, um den Giftstoff zu entfernen. Es wird sich also in Zukunft empfehlen, das Kochen wenigstens 5 J~inuten lang fortzuse~zen, dann nach AbgieBen des ersten Koehwassers noch einmal kurz aufzukochen und aueh das zweite Koehwasser fortzuschiitten. Zumindestens aber muI~ nach dem ersten Koehen und WeggieBen des Koehwassers der Rest des- selben dureh ~bergiel~en mit heil~em Wasser entfernt werden. Bemer- kenswert ist auch die schnelle Stillung des Erbrechens und Brechrelzes durch eine halbe Tablette Luminal (0,05 g). Der Unterschied in der Schwere der Krankheitserscheinung ist weniger durch eine indiViduelle Disposition als durch die verschieden grol~b Menge der verzehrten Pilze zu erkl~ren.