61
osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr. Rolf Busam im SS 2006 Dr. Michael Schraudner Internetbegleiter http://math.uni-heidelberg.de/studinfo/schraudner/anabusam1.html

L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

  • Upload
    others

  • View
    15

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Losungen der Aufgaben zur Vorlesung

Analysis I

von PD Dr. Rolf Busam

im SS 2006

Dr. Michael Schraudner

Internetbegleiterhttp://math.uni-heidelberg.de/studinfo/schraudner/anabusam1.html

Page 2: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Ubungsblatt 1

Aufgabe 1

Zeigen Sie, dass fur jede naturliche Zahl n gilt:

(a) 2 ist ein Teiler von n2 − n

(b) 6 ist ein Teiler von n5 − n

(c) 8 ist ein Teiler von (2n + 1)2 − 1

Losung:

(a) Man kann die naturlichen Zahlen in folgende zwei Mengen aufteilen N = G ∪U mit G := {2, 4, 6, . . .} ={2m | m ∈ N} und U := {1, 3, 5, . . .} = {2m− 1 | m ∈ N}.Nun faktorisiert man den Ausdruck n2 − n = n(n− 1). Eine der beiden Zahlen n und n− 1 ist gerade,da n der Nachfolger von n− 1 ist. Folglich ist einer der beiden Faktoren durch 2 teilbar und damit auchder gesamte Ausdruck.

(b) Faktorisiere den Ausdruck n5 − n = n(n4 − 1) = n(n2 − 1)(n2 + 1) = n(n − 1)(n + 1)(n2 + 1) (hierwurde zwei mal die dritte Binomische Formel verwendet). Die weitere Faktorisierung des Terms (n2 + 1)ist fur die Losung der Aufgabe nicht relevant.

Wir wissen bereits, dass sich einer der beiden Terme n und (n−1) durch 2 teilen lasst, weiterhin uberlegtman sich schnell und in volliger Analogie zum ersten Aufgabenteil, dass sich eine der drei aufeinanderfolgenden Zahlen (n− 1), n, (n + 1) durch 3 teilen lasst. Die beiden Teiler 2 und 3 multiplizieren sichzum Teiler 6 des gesamten Ausdrucks.

(c) (2n + 1)2 − 1 = (4n2 + 4n + 1) − 1 = 4n2 + 4n = 4(n2 + n) = 4n(n + 1). n(n + 1) ist durch 2teilbar (siehe Aufgabenteil (a)). Der Teiler multipliziert sich mit der 4 aus dem faktorisierten Ausdruckzum Teiler 8 fur den Gesamtausdruck.

Aufgabe 2

Beweisen Sie folgende Regeln der Bruchrechnung:

Fur a, b, c, d ∈ R mit b 6= 0 und d 6= 0 gilt

(a) ab = c

d genau dann, wenn ad = bc gilt, speziell gilt ab = ax

bx fur alle x ∈ R, x 6= 0

(b) ab ±

cd = ad±bc

bd

(c) ab ·

cd = ac

bd

(d)abcd

= adbc , falls auch c 6= 0 gilt.

(e) 1ab

=(

ab

)−1 = ba , falls auch a 6= 0 gilt.

Losung:

1

Page 3: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) ’=⇒’: Multiplikation der ersten Gleichung mit bd 6= 0 ergibt

a

b=

c

d=⇒ (ab−1)bd = (cd−1)bd ⇐⇒ a(b−1b)d = c(d−1d)b ⇐⇒ ad = cb = bc

’⇐=’: Multiplikation der zweiten Gleichung mit (bd)−1 (b 6= 0 ∧ d 6= 0 =⇒ bd 6= 0) ergibt

ad = bc =⇒ ad

bd=

bc

bd⇐⇒ a

b=

c

d

Folgerung: Setze c = ax, d = bx, (x 6= 0), so folgt aus ad = abx = bax = bc sofort ab = c

d = axbx

(b)a

b± c

d

(a)=

ad

bd± cb

db=

ad

bd± bc

bd=

ad± bc

bd(Benutze x = d 6= 0 bzw. x = b 6= 0)

(c)a

b· c

d= d−1b−1ac = (bd)−1ac =

ac

bd

(d)abcd

= (d−1c)−1b−1a = c−1db−1a = (bc)−1ad =ad

bcmit c 6= 0

(e) (a

b

)−1

=1ab

= (b−1a)−1 = a−1b =b

amit a 6= 0

Aufgabe 3

Sei K :={x ∈ R; x = a + b

√2, a, b ∈ Q

}. Zeigen Sie, dass K mit der von R ’geerbten’ Addition bzw.

Multiplikation ein Korper ist. Besitzt die Gleichung y2 = 3 in K eine Losung?

Losung: Es ist bei dieser Aufgabe nicht notig, alle Korperaxiome einzeln nachzuweisen. Es genugt zu zeigen,dass es sich bei K um einen Unterkorper von R handelt. So gelten Kommutativ-, Assoziativ- und Distributiv-gesetze auf K als Teilmenge von R. Zu zeigen sind lediglich folgende sechs Punkte:

(a) 0 ∈ K. Es gilt 0 = 0 + 0 ·√

2 =⇒ 0 ∈ K.

(b) Abgeschlossenheit von K bezuglich der Addition:

Seien a + b√

2, a + b√

2 ∈ K, so ist (a + b√

2) + (a + b√

2) = (a + a︸ ︷︷ ︸∈Q

) + (b + b︸ ︷︷ ︸∈Q

)√

2 ∈ K.

(c) Additives Inverses zu a + b√

2 ∈ K ist (−a) + (−b)√

2 ∈ K wegen:

(a + b√

2) + ((−a) + (−b)√

2) = (a− a) + (b− b)√

2 = 0 + 0 ·√

2 = 0 + 0 = 0

(d) 1 ∈ K. Es gilt 1 = 1 + 0 ·√

2 =⇒ 1 ∈ K.

(e) Abgeschlossenheit von K bezuglich der Multiplikation: Seien a + b√

2, a + b√

2 ∈ K, so folgt:

(a + b√

2) · (a + b√

2) = aa + ab√

2 + ab√

2 + bb(√

2)2 = (aa + 2bb︸ ︷︷ ︸∈Q

) + (ab + ab︸ ︷︷ ︸∈Q

)√

2 ∈ K

2

Page 4: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(f) Liegt das multiplikative Inverse (a + b√

2)−1 fur alle a + b√

2 ∈ K \ {0} wieder in K? Es gilt:

(a + b√

2)−1 =1

a + b√

2︸ ︷︷ ︸6=0

=a− b

√2

(a + b√

2)(a− b√

2)=

a− b√

2a2 − 2b2

=a

a2 − 2b2︸ ︷︷ ︸∈Q

− b

a2 − 2b2︸ ︷︷ ︸∈Q

√2

Daher ist (a + b√

2)−1 ∈ K.

Bemerkung: Wegen a + b√

2 6= 0 ist auch a − b√

2 6= 0 und die Erweiterung des Bruches ist erlaubt(Fur a − b

√2 = 0, ware a = b

√2 also entweder b = 0 =⇒ a = 0 oder b 6= 0 =⇒

√2 = a

b ∈ Q ). Der am Ende auftretende Nenner a2 − 2b2 = (a + b

√2)(a − b

√2) ist niemals null aufgrund der

Nullteilerfreiheit von R (a2 − 2b2 = 0 wurde bereits (a + b√

2) = 0 oder (a− b√

2) = 0 implizieren).

Besitzt die Gleichung y2 = 3 in K eine Losung?

Nein! Die Gleichung besitzt keine Losung in K.

Beweis: [Widerspruch] Wir nehmen an, obige Gleichung hatte eine Losung y ∈ K der Form y = a + b√

2 mita, b ∈ Q \ {0} (also a · b 6= 0). Man erhalt:

y2 = 3 =⇒ (a + b√

2)2 = 3 =⇒ a2 + 2ab√

2 + 2b2 = 3 =⇒√

2 =3− a2 − 2b2

2ab︸ ︷︷ ︸∈Q

=⇒√

2 ∈ Q

Es bleiben die beiden Falle a = 0 oder b = 0:

b = 0 : y2 = 3 =⇒ a2 = 3 =⇒√

3 ∈ Q b 6= 0, a = 0 : y2 = 3 =⇒ b2 · 2 = (b

√2)2 = 3 siehe nachfolgende Bemerkung

Bemerkung: Sei b = mn ∈ Q \ {0} mit m,n teilerfremd, so gilt: 2m2 = 3n2 =⇒ 2|3n2 also 2|n2 und somit

2|n, d.h. 4|n2. Weiter folgt 4|3n2 = 2m2 also 2|m2 d.h. 2|m zur Teilerfremdheit von n, m. �

Also besitzt die Gleichung y2 = 3 keine Losung in K. �

Aufgabe 4

Seien a > 0 und b > 0 positive reelle Zahlen mit a ≤ b. Beweisen Sie die Ungleichungskette

a2 ≤(

2ab

a + b

)2

≤ ab ≤(

a + b

2

)2

≤ a2 + b2

2≤ b2

Wann gilt jeweils das Gleichheitszeichen ?

Losung: Aus der Voraussetzung a > 0 und b > 0 folgt ab > 0, a + b > 0, (a + b)2 > 0.

a ≤ b

⇐⇒ a + b ≤ 2b Addition von b

⇐⇒ a(a + b) ≤ 2ab Multiplikation mit a > 0 erhalt die Ungleichung

⇐⇒ a ≤ 2aba+b Division durch (a + b) > 0 erhalt die Ungleichung

⇐⇒ a2 ≤ a( 2aba+b ) ≤ ( 2ab

a+b )2 Multiplikation mit a > 0 bzw. 2ab

a+b > 0 erhalt die Ungleichung

0 ≤ (a− b)2 = a2 − 2ab + b2

⇐⇒ 4ab ≤ a2 + 2ab + b2 = (a + b)2 Addition von 4ab

⇐⇒ 4ab(a+b)2 ≤ 1 Division durch (a + b)2 > 0 erhalt die Ungleichung

⇐⇒ ( 2aba+b )

2 ≤ ab Multiplikation mit ab > 0 erhalt die Ungleichung

3

Page 5: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

•0 ≤ (a− b)2 = a2 − 2ab + b2

⇐⇒ 4ab ≤ a2 + 2ab + b2 Addition von 4ab

⇐⇒ ab ≤ a2+2ab+b2

4 =(

a+b2

)2Division durch 4 > 0 erhalt die Ungleichung

•0 ≤ (a− b)2 = a2 − 2ab + b2

⇐⇒ a2 + 2ab + b2 ≤ 2a2 + 2b2 Addition von (a + b)2 = a2 + 2ab + b2

⇐⇒(

a+b2

)2 ≤ a2+b2

2 Division durch 4 > 0 erhalt die Ungleichung

a ≤ b

⇐⇒ a2 ≤ ab ≤ b2 Multiplikation mit a > 0 bzw. b > 0 erhalt die Ungleichung

⇐⇒ a2 + b2 ≤ 2b2 Addition von b2

⇐⇒ a2+b2

2 ≤ b2 Division durch 2 > 0 erhalt die Ungleichung

Alle Aquivalenzumformungen ergeben sich aus der Voraussetzung a, b > 0. Die Implikationen “=⇒” alleinebeweisen die Ungleichungskette. Da sich alle Umformungsschritte auch umkehren lassen (d.h. betrachte dieRuckrichtungen “⇐=”) und da (a− b)2 = 0 einzig fur a = b erfullt ist, gilt Gleichheit jeweils nur fur a = b. �

Aufgabe 5

Jager Lustig kehrt nach erfolgreicher Jagd mit seinem Dackel Waldi vom Hochsitz auf einem schnur-geraden Waldweg zum Jagdhaus zuruck. Der Dackel lauft dabei dreimal so schnell wie der Jager.Aus Vorfreude uber die Wurst, die ihn im Jagdhaus erwartet, lauft Waldi zum Jagdhaus voraus, kehrtdort (blitzartig) um und lauft den Weg zuruck bis er seinen Herren wieder trifft, kehrt am Treffpunktwieder um, lauft zum Jagdhaus etc. Als Jager Lustig am Jagdhaus ankommt hat er eine Strecke voneinem Kilometer zuruckgelegt.

Welche Strecke hat dabei der Dackel zuruckgelegt?

Losung: 0. Losung (’intuitive Losung’): Wenn der Hund 3mal so schnell lauft wie sein Herrchen und dasHerrchen 1 km zurucklegt, dann lauft sein Hund 3 km. fertig :-)

1. Losung (’physikalischer Ansatz’: s = v ·t): Geschwindigkeit ist Weg pro Zeit; in gleichen Zeitraumen verhaltensich die zuruckgelegten Strecken also wie die jeweiligen (konstanten) Geschwindigkeiten. Die Laufzeit (t) vonWaldi und dem Jager sind gleich (es wird ja angenommen, dass Waldi ’blitzartig’ umkehrt, dafur also keine Zeitbenotigt). Waldi lauft dreimal so schnell wie sein Herrchen (vw = 3 · vj). Die Strecke, die der Jager zurucklegtist sj = 1 km. Insgesamt gilt also fur die Strecke von Waldi:

sw = vw · t = 3 · vj ·sj

vj= 3 · sj = 3 km

2. Losung (Analytische Losung durch Aufsummieren der einzelnen Teilstrecken): Es sei A0 der Startpunktdes Ruckweges (der Hochsitz). A1 sei der erste Treffpunkt von Jager und Hund, bzw. allgemein An dern-te Treffpunkt und JH schließlich die Jagdhutte. Wie man nach kurzer Uberlegung feststellt liegt der ersteTreffpunkt A1 genau in der Mitte zwischen dem Hochsitz A0 und der Jagdhutte JH. Mit derselben Uberlegungstellt man fest:

A1 liegt in der Mitte der Strecke A0 JHA2 liegt in der Mitte der Strecke A1 JHA3 liegt in der Mitte der Strecke A2 JHbzw. allgemein:An+1 liegt in der Mitte der Strecke An JH.

r r r r rJH A3 A2 A1 A0. . .

18

14

12

XXXXXXXXXXXzXXXXXXzXXXz 14

+ 18

= 38

12

+ 14

= 34

1 + 12

= 32

4

Page 6: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Es bezeichne l(x) die Lange der Strecke x. Damit gilt fur Jager Lustig:

1 km = l(A0 JH) = l(A0 A1) + l(A1 A2) + l(A2 A3) + . . . =(

12

+14

+18

+ . . .

)km

Wobei 12 + 1

4 + 18 + . . . eine geometrische Reihe

∑∞i=1 qi darstellt, mit q := 1

2 und somit den Grenzwert q1−q = 1

besitzt.

Fur Waldi gilt: Er legt im i-ten Schritt die Strecken Ai−1 JH und JH Ai zuruck, fur deren Lange gilt:l(Ai−1 JH) = 1

2i−1 sowie l(JH Ai) = 12i . Insgesamt also die Lange 1

2i−1 + 12i = 3

2i :(32

+34

+38

+ . . .

)km = 3 ·

(12

+14

+18

+ . . .

)km = 3 km

Ubungsblatt 2

Aufgabe 6

Bestimmen Sie explizit die folgenden Mengen

L1 := {x ∈ R; |3− 2x| < 5} L2 :={

x ∈ R, x 6= 2;x + 4x− 2

< x

}L3 := {x ∈ R; x(2− x) > 1 + |x|} L4 :=

{x ∈ R;

1x + |x− 1|

< 2}

und stellen Sie (wenn moglich) die Mengen Lj (1 ≤ j ≤ 4) mit Hilfe von Intervallen dar.

Losung:

• Zu L1:

|3− 2x| ist 3− 2x, falls x < 32 bzw. −3 + 2x, falls x ≥ 3

2

Fall 1: x < 32 ∧ 3− 2x < 5 ⇐⇒ x < 3

2 ∧ x > −1 ⇐⇒ x ∈]− 1, 32 [

Fall 2: x ≥ 32 ∧ −3 + 2x < 5 ⇐⇒ x ≥ 3

2 ∧ x < 4 ⇐⇒ x ∈ [ 32 , 4[

Insgesamt ist L1 = ]− 1, 32 [∪ [ 32 , 4[= ]− 1, 4[.

• Zu L2:x + 4x− 2

< x ⇐⇒ −x2 + 3x + 4x− 2

=x + 4x− 2

− x < 0

Fall 1: x > 2, d.h. (x− 2) > 0 und somit −x2+3x+4x−2 < 0 ⇐⇒ x2 − 3x− 4 > 0.

Die Nullstellen von x2−3x−4 sind offensichtlich −1 und 4. Fur 2 < x < 4 ist x2−3x−4 < x2−3x−x =x(x− 4) < 0. Fur x > 4 (d.h. −4 > −x) ist dagegen x2 − 3x− 4 > x2 − 3x− x = x(x− 4) > 0. Alsogilt x ∈]4,∞[.

Fall 2: x < 2, d.h. (x− 2) < 0 und somit −x2+3x+4x−2 < 0 ⇐⇒ x2 − 3x− 4 < 0.

Wegen x2 − 3x − 4 = x2 − 2 32x + 9

4 −94 − 4 =

(x− 3

2

)2 − ( 52

)2< 0 ⇐⇒

∣∣x− 32

∣∣ < 52 wird der

Ausdruck genau fur −1 < x < 4 negativ, also gilt in diesem Fall x ∈]− 1, 2[.

Insgesamt ist L2 = ]− 1, 2[∪ ]4,∞[.

• Zu L3:x(2− x) > 1 + |x| ⇐⇒ 0 > 1 + |x| − 2x + x2 ⇐⇒ 0 > (x− 1)2 + |x|

Dies kann wegen (x− 1)2 ≥ 0 und |x| ≥ 0 nie erfullt sein. Also ist L3 = ∅.

5

Page 7: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

• Zu L4:

x+ |x− 1| ≤ 0 ⇐⇒ |x− 1| ≤ −x. Fur x ≥ 1 ist dies nie erfullt, wegen x−1 ≤ −x ⇐⇒ x ≤ 12 .

Fur x < 1 ebenso, da −x + 1 ≤ −x ⇐⇒ 1 ≤ 0. Der Nenner x + |x− 1| ist also immer großer (unddamit insbesondere ungleich) 0.

Somit darf man mit dem Nenner multiplizieren und die Ungleichung bleibt erhalten:

1x + |x− 1|

< 2 ⇐⇒ 1 < 2(x + |x− 1|) ⇐⇒ 12

< x + |x− 1|

Fur x > 12 ist letztere Ungleichung offensichtlich immer erfullt, da |x− 1| ≥ 0. Das Gleiche gilt auch fur

x ≤ 12 < 1, wegen x + (−x + 1) = 1 > 1

2 .

Damit ist L4 = ]−∞,∞[ = R.

Aufgabe 7

Bestimmen Sie – falls existent – jeweils Infimum und Supremum der folgenden Mengen und unter-suchen Sie, ob diese Mengen jeweils ein Maximum bzw. Minimum besitzen:

M1 := {1 + (−1)n; n ∈ N} M2 :={

1n

+1m

; m,n ∈ N}

M3 :={x ∈ R; x2 + x + 1 ≥ 0

}M4 :=

{x ∈ Q; x2 < 9

}Losung:

• Sei a ∈ M1 =⇒ ∃n ∈ N so daß a = 1 + (−1)n.

(a) Sei n gerade (n = 2 m, m ∈ N) =⇒ a = 1 + (−1)2 m = 1 + 1m = 2

(b) Sei n ungerade (n = 2m + 1, m ∈ N) =⇒ a = 1 + (−1)2 m+1 = 1 + 1m · (−1) = 1− 1 = 0

Wegen ∀ a ∈ M1 : a = 2 ∨ a = 0 folgt M1 = {0, 2} und daher min(M1) = inf(M1) = 0 undmax(M1) = sup(M1) = 2

• (a) Zeige max(M2) = sup(M2) = 2:Fur alle n, m ∈ N gilt 1

n ≤ 1 und 1m ≤ 1 also 1

n + 1m ≤ 1 + 1 = 2. Fur m = n = 1 gilt

1n + 1

m = 11 + 1

1 = 2. Damit ist 2 eine obere Schranke, die in M2 sogar angenommen wird.

(b) Zeige inf(M2) = 0 aber 0 /∈ M2:∀ a ∈ M2 : a = 1

m + 1n mit m,n ∈ N. Wegen 1

m > 0, 1n > 0 folgt stets a > 0. Damit ist 0 eine

untere Schranke fur M2.

Sei ε > 0, dann gibt es ein n ∈ N mit 2n < ε (Archimedisches Prinzip). Also gilt ε > ( 1

n + 1n ) ∈ M2

und ε ist keine untere Schranke fur M2. Damit ist 0 die großte untere Schranke, also inf(M2) = 0.

Da es keine m,n ∈ N gibt mit 1m + 1

n = 0 folgt, dass 0 /∈ M2 und die Menge M2 besitzt keinMinimum.

• x2 + x + 1 ≥ 0 ⇐⇒(x + 1

2

)2 + 34 ≥ 0. Wegen

(x + 1

2

)2 ≥ 0 und 34 > 0 gilt M3 = R und M3 hat

weder Infimum noch Supremum (somit erst recht kein Minimum oder Maximum).

• x2 < 9 ⇐⇒ |x| < 3 =⇒ M4 =] − 3, 3[∩Q. Wir wissen: inf(] − 3, 3[) = −3 und sup(] − 3, 3[) = 3.Da Q dicht in R liegt, folgt sofort inf(M4) = −3 und sup(M4) = 3. Wegen −3, 3 /∈ M4 ⊂ ]− 3, 3[ hatM4 kein Minimum und kein Maximum.

6

Page 8: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Aufgabe 8

Seien A und B nichtleere Teilmengen von R und es gelte a ≤ b fur alle a ∈ A und alle b ∈ B. ZeigenSie: Es gilt

supA = inf B

genau dann, wenn die folgende Bedingung erfullt ist:

Zu jedem ε > 0 gibt es ein a ∈ A und ein b ∈ B, so dass b− a < ε gilt.

Losung: Vorbemerkung: Gilt fur zwei nichtleere Mengen A,B ⊂ R fur alle a ∈ A und alle b ∈ B dieUngleichung a ≤ b dann gilt auch supA ≤ inf B (vgl. auch Beweis in der Zentralubung), denn jedes b ∈ B istobere Schranke von A. Speziell muß fur die kleinste obere Schranke supA von A gelten:(∗) supA ≤ b fur jedes b ∈ BNach (∗) ist supA eine untere Schranke fur B, daher gilt fur die großte untere Schranke inf B von B(∗∗) supA ≤ inf B

Bemerkung: ”Zwischen” A und B liegt offenbar das abgeschlossene Intervall [supA, inf B]. Es kann sein, daßdieses Intervall auf einen einzigen Punkt zusammenschrumpft, daß also supA = inf B gilt. A und B liegendann ”dicht” beieinander. Die Frage, wann supA = inf B gilt, ist z.B. in der Integrationstheorie von großerBedeutung.

Nun zur eigentlichen Aufgabe: Wie bei jeder ”genau dann”-Aussage sind zwei Richtungen zu zeigen:

”=⇒”: Es sei supA = inf B.

Dann ist zu zeigen: Zu jedem ε > 0 gibt es ein a ∈ A und ein b ∈ B mit b−a < ε. Wegen ε > 0 ist auch12ε > 0. Wir wenden die ε-Charakterisierung von supA (vgl. 1.3.1) mit ε/2 statt ε an und erhalten:

Es gibt ein a ∈ A mit

supA− ε

2< a (2.1)

Wendet man die ε-Charakterisierung von inf B an (vgl. 1.3.1), wieder mit ε/2 statt ε, so erhalt man dieExistenz eines b ∈ B mit

b < inf B +ε

2(2.2)

Setzt man s := supA = inf B, so gilt wegen (2.1) und (2.2)

−a < −s +ε

2und b < s +

ε

2

und hieraus durch Additionb− a < s +

ε

2− s +

ε

2=

ε

2+

ε

2= ε .

”⇐=”: Umgekehrt gebe es zu jedem ε > 0 ein a ∈ A und ein b ∈ B mit b− a < ε.

Dann ist die Gleichung supA = inf B zu zeigen.

Zunachst folgt aus der Vorbemerkung a ≤ supA ≤ inf B ≤ b

also − supA ≤ −a und inf B ≤ b

und hieraus durch Addition inf B − supA ≤ b− a

Wegen b− a < ε folgt inf B − supA < ε

Fur die reelle Zahl x := inf B − supA sind damit die Voraussetzungen des Fundamentallemmas (1.2.4)erfullt. Es gilt also x ≤ 0. Wegen supA ≤ inf B folgt x = inf B − supA ≥ 0 und daher x = 0, d.h.supA = inf B

7

Page 9: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Aufgabe 9

In der Vorlesung wurde die Existenz von Quadratwurzeln aus nichtnegativen reellen Zahlen bewiesen(im Skript Satz 1.3.2).

Zeigen Sie:

(a) Fur a, b ∈ R, a ≥ 0, b ≥ 0 gilt die Rechenregel√

ab =√

a√

b

(b) Aus 0 ≤ a < b folgt√

a <√

b

Losung: Die Quadratwurzel√

a einer nicht-negativen reellen Zahl a ≥ 0 ist die eindeutige nicht-negativeLosung x ≥ 0 der Gleichung x2 = a.

(a) Sei x, y ∈ R, x, y ≥ 0 mit x2 = a und y2 = b (d.h. x =√

a und y =√

b).

Es gilt (x · y)2 = x2 · y2 = a · b. Da x · y ≥ 0 folgt√

a ·√

b = x · y =√

a · b wegen der Eindeutigkeit derWurzel (1.3.3 im Skript).

(b) Indirekt: Sei x, y ∈ R, x, y ≥ 0 mit x2 = a und y2 = b (d.h. x =√

a, y =√

b).

Sei weiter 0 ≤ a < b und wir nehmen an√

a ≥√

b also x ≥ y. Durch Multiplikation dieser Ungleichungmit x =

√a ≥ 0 bzw. y =

√b ≥ 0 folgt

a = x2 = x · x ≥ x · y ≥ y · y = y2 = b

im Widerspruch zur Voraussetzung a < b. Die gemachte Annahme√

a ≥√

b ist somit falsch und es gilt0 ≤

√a <

√b wie gefordert.

Aufgabe 10 [Zur Logik mit ”oder”]

Fur Carola, Friedrich, Michael, Kiki, Sarah und Thilo war das Ergebnis der letzten Mathe-Klausurrecht unterschiedlich ausgefallen, weil die Noten 1,2,3,4,5 und 6 aufgetreten sind.

Folgendes ist bekannt:

(A) Michael hatte eine”3” oder Friedrich eine ”2”.

(B) Entweder Kiki oder Michael hatte die ”5” geschrieben.

(C) Carola hatte eine ”1” oder eine ”3”.

(D) Kiki hatte die ”4” oder Sarah die ”3” geschrieben.

(E) Thilo erzielte die Traumnote ”1” oder Friedrich nicht die Note ”2”.

Wer bekam welche Note?

Sie sollen Ihre Antwort naturlich begrunden.

Losung: Jede der 5 Klauseln (A) bis (E) muß wahr sein, d.h. mindestens eine der beiden mit ”oder”verknupften Bedingungen muß wahr sein.

Bei 6 Personen und genau 6 auftretenden Noten kommt jede Note genau einmal vor (Schubfachprinzip).

Eine kurze Losung benutzt eine Fallunterscheidung, nach der von Thilo erreichten Note (Wir benutzen dieAnfangsbuchstaben der Vornamen als Variablen fur die erzielten Noten):

8

Page 10: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

• Aus der Annahme T 6= 1 folgt sofort:

T 6= 1(E)=⇒ F 6= 2

(A)=⇒ M = 3

(B)=⇒ K = 5

(D)=⇒ S = 3

Wir erhalten einen Widerspruch, da sonst M und S beide die Note 3 haben wurden, was nicht moglichist, da jede Note genau einmal auftritt. Damit sind bereits alle 600 = 5 · 5 · 4 · 3 · 2 Variablenbelegungenmit der Forderung T 6= 1 als unmoglich erkannt.

• Es bleibt die Moglichkeit T = 1, aus der wir folgern:

T = 1(C)=⇒ C = 3 =⇒ S 6= 3

(D)=⇒ K = 4

(B)=⇒ M = 5

(A)=⇒ F = 2

Fur Sarah bleibt nur die Belegung S = 6 (alle anderen Noten sind bereits einmal vergeben). Alle 6Variablen sind so festgelegt. Die Losung ist daher (wenn uberhaupt zulassig) eindeutig bestimmt.

Schließlich muß die Zulassigkeit dieser einzig moglichen Variablenbelegung uberpruft werden, indem dieWahrheitswerte aller (zumindest der noch nicht benutzten) Klauseln (A) bis (E) getestet werden: (A),(B), (C), (D) sind bereits nach Konstruktion erfullt. (E) ist wahr, da ja T = 1 ist.

Damit ist die Notenverteilung eindeutig bestimmt zu C = 3, F = 2, K = 4, M = 5, S = 6, T = 1. �

Ubungsblatt 3

Aufgabe 11

Zeigen Sie, dass der durch d(a, b) := |a− b| fur a, b ∈ R definierte Abstand die folgenden Eigenschaftenhat:

(M1): d(a, b) ≥ 0; d(a, b) = 0 ⇐⇒ a = b

(M2): d(a, b) = d(b, a)(M3): d(a, c) ≤ d(a, b) + d(b, c)

dabei sind a, b, c beliebige reelle Zahlen.

Zeigen Sie ferner, dass d(a, b) ≥ 0 aus den anderen angegebenen Eigenschaften gefolgert werdenkann. Beim Beweis sollen sie nur die Eigenschaften (a), (b), (c) des Betrags aus Satz 1.2.8 benutzen,nicht aber auf seine Definition zuruckgreifen.

Losung: Nach Satz 1.2.8 gelten fur die Betrags-Funktion folgende Rechenregeln:

(a) |a| ≥ 0 und |a| = 0 ⇐⇒ a = 0

(b) |ab| = |a| |b|

(c) |a± b| ≤ |a|+ |b|

Vorbemerkung: Wir zeigen zunachst |1| = |−1| = 1, ohne auf die Definition des Betrages zuruckzugreifen,d.h. wir verwenden nur die Eigenschaften (a),(b). Es gilt (da 1 6= 0):

0(a)< |1| = |1 · 1| (b)

= |1| · |1| = |1|2 ⇐⇒ 1 = |1|

Die gleiche Rechnung fur −1 ergibt:

1 = |1| = |(−1) · (−1)| = |−1| · |−1| = |−1|2

Wegen |−1| ≥ 0 ist |−1| die eindeutige Quadratwurzel der Zahl 1, also gilt |−1| = 1.

Mit Eigenschaft (b) folgt sofort: ∀x ∈ R : |−x| = |−1 · x| (b)= |−1| · |x| = 1 · |x| = |x|

9

Page 11: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(M1): Da die Betrags-Funktion nach (a) nur nicht-negative Werte annimmt, folgt sofort:d(a, b) = |a− b| ≥ 0 ∀ a, b ∈ R.

Fur a, b ∈ R gilt d(a, b) = 0 ⇐⇒ |a− b| = 0(a)⇐⇒ (a− b) = 0 ⇐⇒ a = b ebenfalls nach (a).

(M2): Fur alle x ∈ R gilt nach der Vorbemerkung |x| = |−x|. Setze x := (a − b) so folgt daraus d(a, b) =|a− b| = |x| = |−x| = |−(a− b)| = |b− a| = d(b, a)

(M3): Fur alle x, y ∈ R gilt die Dreiecksungleichung |x + y| ≤ |x| + |y| nach (c). Setze x := (a − b) undy := (b− c), so folgt:

d(a, b)+d(b, c) = |a− b|+|b− c| = |x|+|y| ≥ |x + y| = |a− b + b− c| = |a− c| = d(a, c)%quadnach (c)

Zusatz: Es gilt nach (M3): d(a, a) ≤ d(a, a) + d(a, a) insbesondere also 0 ≤ d(a, a). Weiter ist 0 ≤ d(a, a) ≤d(a, b) + d(b, a) = 2d(a, b) nach (M2) und somit 0 ≤ d(a, b) fur beliebige a, b ∈ R. �

Aufgabe 12

Eine Teilmenge M ⊂ R heißt konvex, wenn fur alle x, y ∈ M mit x ≤ y auch [x, y] ⊂ M gilt.

Zeigen Sie, dass M ⊂ R genau dann konvex ist, wenn M ein Intervall (von irgendeinem Typ) ist.

Losung:

”⇐=”: M ⊂ R ist ein Intervall =⇒ M ist konvex, d.h. ∀x ≤ y ∈ M : [x, y] ⊂ M . Alle 11 Intervalltypenuntersuchen (viele Falle sind fast identisch, werden hier aber trotzdem aufgefuhrt):

• Fur M = ∅ ist nichts zu zeigen (x, y ∈ ∅ existieren nicht). Fur M = R ist die Behauptung klar, da∀x ≤ y ∈ R : [x, y] ⊂ R. Fur M = {a} = [a, a] (a ∈ R) gilt ∀x ≤ y ∈ {a} : x = y = a und[x, y] = [a, a] ⊂ [a, a].

• Sei M = [a, b] (a < b ∈ R). Fur alle x ≤ y ∈ [a, b] gilt a ≤ x ≤ y ≤ b. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig,so gilt a ≤ x ≤ z ≤ y ≤ b, also z ∈ [a, b] und damit [x, y] ⊂ [a, b].

• Sei M = ]a, b[ (a < b ∈ R). Fur alle x ≤ y ∈ ]a, b[ gilt a < x ≤ y < b. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig,so gilt a < x ≤ z ≤ y < b, also z ∈ ]a, b[ und damit [x, y] ⊂ ]a, b[.

Lemma 1 Seien Si ⊂ R (beliebige) konvexe Mengen (i ∈ I), so ist auch der Durchschnitt S :=⋂i∈I Si konvex.

Beweis: Fur alle x ≤ y ∈ S gilt: ∀ i ∈ I : x ≤ y ∈ SiSi konvex

=⇒ ∀ i ∈ I : [x, y] ⊂ Si =⇒[x, y] ⊂

⋂i∈I Si = S, also ist S konvex. �

• Die Intervalle [a, b[ = [a, b]∩ ]a−1, b[ und ]a, b] = [a, b]∩ ]a, b+1[ (a < b ∈ R) sind als Durchschnittzweier konvexer Intervalle nach obigem Lemma selbst konvex.

• Sei M = ] − ∞, b]. Fur x ≤ y ∈ ] − ∞, b] gilt x ≤ y ≤ b. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig, so giltx ≤ z ≤ y ≤ b, also z ∈ ]−∞, b] und damit [x, y] ⊂ ]−∞, b].

• Sei M = ] − ∞, b[. Fur x ≤ y ∈ ] − ∞, b[ gilt x ≤ y < b. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig, so giltx ≤ z ≤ y < b, also z ∈ ]−∞, b[ und damit [x, y] ⊂ ]−∞, b[.

• Sei M = [a,∞[. Fur x ≤ y ∈ [a,∞[ gilt a ≤ x ≤ y. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig, so gilt a ≤ x ≤z ≤ y, also z ∈ [a,∞[ und damit [x, y] ⊂ [a,∞[.

• Sei M = ]a,∞[. Fur x ≤ y ∈ ]a,∞[ gilt a < x ≤ y. Sei nun z ∈ [x, y] beliebig, so gilt a < x ≤ z ≤ y,also z ∈ ]a,∞[ und damit [x, y] ⊂ ]a,∞[.

10

Page 12: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

”=⇒”: M ⊂ R ist konvex =⇒ M ist ein Intervall in R.

Ohne Einschrankung sei ∅ 6= M 6= {a} = [a, a] (da ∅ und [a, a] Intervalle sind, ist die Behauptung indiesen Fallen trivial), d.h. ∃x < y ∈ M .

Da M konvex ist, gilt: ∀ z /∈ M ∀x ≤ y ∈ M : z < x ∨ z > y (sonst ware x ≤ z ≤ y undz ∈ [x, y] 6⊂ M). Alle reellen Zahlen, die zwischen zwei Elementen aus M liegen, gehoren also ebenfallszu M .

Ist M sowohl nach oben als auch nach unten unbeschrankt, so hat man zu jeder reellen Zahl z ∈ RElemente x, y ∈ M mit x < z < y. Somit gehort z zu M (z ∈ [x, y] ⊂ M wegen M konvex), d.h.M = R.

Das Vollstandigkeitsaxiom besagt, daß jede nicht leere, nach oben beschrankte Menge reeller Zahleneine kleinste obere Schranke besitzt. Analog hat jede nicht leere, nach unten beschrankte Menge reellerZahlen eine großte untere Schranke.

Man unterscheidet folgende 3 Falle (nach obigem ist M auf mindestens einer Seite beschrankt):

(a) M 6= ∅ ist nach oben und nach unten beschrankt. =⇒ Sei a := inf M , b := supM . Zunachst zeigtman, daß fur alle z ∈ R mit a < z < b bereits z ∈ M gilt. Sei dazu ε := min

{12 (z − a), 1

2 (b− z)}

>0, so folgt a + ε < z < b− ε. Nach der ε-Charakterisierung des Supremums/Infimums gibt es nuna′, b′ ∈ M mit a ≤ a′ < a + ε < z < b − ε < b′ ≤ b. Dann ist z ∈ [a′, b′] ⊂ M aufgrund derKonvexitat von M . Damit ist ]a, b[⊂ M . Andererseits ist M ⊂ [a, b] (da a eine untere Schrankeund b eine obere Schranke zu M ist). Je nachdem, ob a = inf M ∈ M bzw. b = supM ∈ M hatdie Menge M die Gestalt [a, b], ]a, b], [a, b[ oder ]a, b[.

(b) M 6= ∅ ist nach oben beschrankt aber nach unten unbeschrankt. =⇒ Sei b := supM . Wieder zeigtman ∀ z ∈ R : z < b =⇒ z ∈ M : Fur ε := 1

2 (b−z) > 0 existiert ein b′ ∈ M mit z < b−ε < b′ ≤ b(ε-Charakterisierung des Supremums) und wegen der Unbeschranktheit von M nach unten findetman a′ ∈ M mit a′ < z. Wie zuvor erzwingt dies z ∈ [a′, b′] ⊂ M (Konvexitat von M). Dann gilt] −∞, b[⊂ M ⊂ ] −∞, b] (b ist obere Schranke an M). Je nachdem, ob b = supM ∈ M odernicht, hat M die Gestalt ]−∞, b] oder ]−∞, b[.

(c) Vollig analog hat eine nach unten beschrankte, nach oben unbeschrankte Menge M 6= ∅ die Form]a,∞[ bzw. [a,∞[ (Sei a := inf M . Zeige ∀ z ∈ R : a < z =⇒ z ∈ M : Zu ε := 1

2 (z − a) > 0existiert a′ ∈ M mit a ≤ a′ < a + ε < z. Wegen Unbeschranktheit von M nach oben findet manb′ ∈ M mit z < b′. Dies erzwingt z ∈ [a′, b′] ⊂ M also ]a,∞[⊂ M ⊂ [a,∞[, da a untere Schrankean M).

Wieder tauchen also alle 11 Intervalltypen in den einzelnen Fallen auf.

Aufgabe 13

Zeigen Sie der Reihe nach:

(a) M := {1} ∪ {x ∈ R; x ≥ 2} ist induktiv, also N ⊂ M

(b) Es gibt kein m ∈ N mit 1 < m < 2

(c) S := {n ∈ N; n− 1 ∈ N0} ist induktiv, also ist S = N

(d) T := {n ∈ N; es gibt kein m ∈ N mit n < m < n + 1} ist induktiv, also ist T = N

(e) Sind m,n ∈ N und gilt m < n, dann ist m + 1 ≤ n

Losung:

(a) Es sei auf die Definition einer Zahlmenge (2.1.1) verwiesen. Prufe diese Eigenschaften fur M nach:

11

Page 13: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

• M ⊂ R nach Definition von M .

• 1 ∈ M ebenfalls nach Definition.

• Sei x ∈ M , so ist entweder x = 1 und daher x + 1 = 1 + 1 = 2 ≥ 2 oder x ≥ 2 und daherx + 1 ≥ 2 + 1 ≥ 2. In beiden Fallen liegt also x + 1 ∈ R wieder in M .

Hieraus ergibt sich, dass die Menge M induktiv ist. Da die naturlichen Zahlen als Schnitt aller Zahlmengencharakterisiert wurden und M als Zahlmenge nachgewiesen wurde, folgt N ⊂ M .

(b) Wieder benutzen wir die Charakterisierung von N als Schnitt aller Zahlmengen. Die Menge M ausTeilaufgabe (a) ist eine Zahlmenge und somit gilt N ⊂ M . Da es kein m ∈ M mit der Eigenschaft1 < m < 2 gibt (nach Definition von M), folgt, daß auch N keine solche Zahl enthalten kann. Also gibtes keine naturliche Zahl m mit 1 < m < 2.

(c) Analog zu (a) sind wiederum die Eigenschaften einer Zahlmenge zu zeigen:

• S ⊂ R nach Definition von S wegen N ⊂ R.

• 1 ∈ S gilt wegen 1− 1 = 0 ∈ N0 = N ∪ {0}.• Sei n ∈ S ⇐⇒ n ∈ N ∧ n−1 ∈ N0 =⇒ n+1 ∈ N ∧ (n+1)−1 = n ∈ N ⊂ N0 =⇒ (n+1) ∈ S.

Also ist die Menge S induktiv. Wie in (a) erhalt man N ⊂ S und aus der Definition von S auch sofortS ⊂ N, also S = N.

(d) Vorbemerkung: Analog zu (a) kann man fur jedes n ∈ N zeigen, dass die Menge Mn := {1, 2, . . . , n}∪{x ∈ R; x ≥ n + 1} induktiv ist. Analog zu (b) zeigt man dann fur alle n ∈ N, dass kein m ∈ N existiertmit n < m < n + 1.

Hieraus folgt sofort: T = N, da die erste Bedingung n ∈ N in der Definition von T bereits die zweiteBedingung impliziert.

Da N induktiv ist, ist auch T induktiv (Alternativ kann man fur T auch die Eigenschaften einer Zahlmengeexplizit nachweisen).

(e) Wir fuhren einen kurzen Widerspruchsbeweis: Sei m,n ∈ N mit m < n und nehme an, daß m + 1 > n.Dies wurde sofort die Ungleichung m < n < m + 1 implizieren, die aber nach der Vorbemerkung inTeilaufgabe (d) fur kein n ∈ N erfullt sein kann. Damit ist m + 1 > n falsch und es gilt m + 1 ≤ n.

Aufgabe 14

(a) Zeigen Sie: Fur alle n ∈ N gilt:

3(n

3

)n

≤ n ! ≤ 2(n

2

)n

Hier konnen Sie die Ungleichungen 2 ≤(1 + 1

n

)n ≤ 3 fur n ∈ N oder die Bernoullische Unglei-chung benutzen.

(b) Finden Sie fur die folgenden Summen (n ∈ N) jeweils einen expliziten Ausdruck und bestatigenSie die erhaltene Formel durch Induktion oder direkt.

i. 12 + 32 + 52 + · · ·+ (2n− 1)2

ii. 11·2 + 1

2·3 + · · ·+ 1n(n+1)

iii. 1− 4 + 9− · · ·+ (−1)n+1n2

12

Page 14: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(c) Sei f1 := f2 := 1 und fn+2 := fn+1 + fn fur n ∈ N.

Zeigen Sie: Fur alle n ∈ N gilt

fn =1√5

((1 +

√5

2

)n

(1−

√5

2

)n)

Welche Großenordnung hat f100, welche f101/f100 ?

Losung:

(a) Fuhre Induktion uber n fur die Aussage A(n) : 3(

n3

)n ≤ n !

Induktionsanfang (n = 1):

3(

13

)1

≤ 1 ! ⇐⇒ 1 ≤ 1

Die Aussage A(1) gilt also.

Es gelte die Induktionsannahme A(n) : 3(

n3

)n ≤ n !

Induktionsschritt (n n+1): Wir beginnen mit der Induktionsannahme und der angegebenen Unglei-chung

(1 + 1

n

)n ≤ 3: (1 +

1n

)n

·(n

3

)n

≤ 3(n

3

)n

≤ n !

Multiplikation dieser Ungleichung mit (n + 1) > 0 ergibt:

3 ·(

n + 13

)·((

1 +1n

)· n

3

)n

= (n + 1) ·(

1 +1n

)n

·(n

3

)n

≤ (n + 1) · n ! = (n + 1) !

Zusammenfassen der Terme auf der linken Seite ergibt

3 ·(

n + 13

)n+1

= 3 ·(

n + 13

)·(

n + 13

)n

≤ (n + 1) !

die Gultigkeit der Aussage A(n+1) und nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion die Gultigkeit vonA(n) fur alle n ∈ N.

Die Argumentation fur die Aussage B(n) : n ! ≤ 2(

n2

)nverlauft ganz analog:

Induktionsanfang (n = 1):

1! = 1 ≤ 1 = 2 ·(

12

)1

Also gilt B(1).

Es gelte die Induktionsannahme B(n) : n ! ≤ 2(

n2

)nInduktionsschritt (n n + 1): Wir verwenden die Induktionsvoraussetzung (IV) und die Ungleichung2 ≤

(1 + 1

n

)n(*):

(n + 1)! = n! · (n + 1)(IV)

≤ 2 ·(n

2

)n

· (n + 1) = 2 ·(n

2

)n

· 2 · n + 12

(*)

≤ 2 ·(n

2

)n

·(

1 +1n

)n

· n + 12

= 2 ·(

n + 12

)n

· n + 12

= 2 ·(

n + 12

)n+1

Dies ergibt die Gultigkeit der Aussage B(n + 1) und nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion dieGultigkeit von B(n) fur alle n ∈ N.

13

Page 15: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(b) i. Der Ausdruck ist kompakter darstellbar als 12 + 32 + 52 + . . . + (2n− 1)2 =∑n

k=1 (2k − 1)2. Einekurze Rechnung ergibt:

n∑k=1

(2k − 1)2 =n∑

k=1

(4k2 − 4k + 1) = 4n∑

k=1

k2 − 4n∑

k=1

k + %sumnk=11

Fur die einzelnen Summen hat man folgende Ausdrucke (siehe Skript S.48-49):

n∑k=1

k2 =n(n + 1)(2n + 1)

6

n∑k=1

k =n(n + 1)

2

n∑k=1

1 = n

Wir fassen die 3 Terme zusammen und finden damit den expliziten Ausdruck fur∑n

k=1 (2k − 1)2 :

n∑k=1

(2k − 1)2 = 4n(n + 1)(2n + 1)

6− 4

n(n + 1)2

+ n =n(2n− 1)(2n + 1)

3= %fracn3(4n2 − 1)

Den gefundenen expliziten Ausdruck kann man durch vollstandige Induktion bestatigen (Es wareauch richtig – aber deutlich aufwendiger – die 3 Summenformeln einzeln per Induktion zu beweisen,was im Skript ja bereits teilweise ausgefuhrt ist.):

Induktionsanfang (n = 1):∑1

k=1 (2k − 1)2 = (2− 1)2 = 1 = 13 (4− 1) = 1

3 (4 · 12 − 1)Es gelte die Induktionsvoraussetzung

∑nk=1 (2k − 1)2 = n

3 (4n2 − 1)Induktionsschritt (n n + 1):

n+1∑k=1

(2k − 1)2 =n∑

k=1

(2k − 1)2 + (2(n + 1)− 1)2 (IV)=n

3(4n2 − 1) + (2n + 1)2

wegen der Identitat

n

3(4n2 − 1) + (2n + 1)2 =

43n3 − n

3+ 4n2 + 4n + 1 =

13(4n3 + 12n2 + 11n + 3) =

=13(n + 1)(4n2 + 8n + 3) =

(n + 1)3

(4(n2 + 2n + 1)− 1) =(n + 1)

3(4(n + 1)2 − 1)

folgt umgehend der Induktionsschluß und die Gultigkeit der gefundenen Formel fur alle n ∈ N.

ii. Wir schreiben den Ausdruck zunachst mithilfe der Identitat 1k(k+1) = (k+1)−k

k(k+1) = 1k −

1k+1 etwas

um:

11 · 2

+1

2 · 3+ . . . +

1n(n + 1)

=n∑

k=1

1k(k + 1)

=n∑

k=1

(1k− 1

k + 1

)=

=(

1− 12

)+(

12− 1

3

)+(

13− 1

4

)+ . . . +

(1n− 1

n + 1

)Durch Verschieben der Klammern (Assoziativitat) heben sich die Ausdrucke paarweise auf (Tele-skopsumme):

1 +(−1

2+

12

)︸ ︷︷ ︸

=0

+(−1

3+

13

)︸ ︷︷ ︸

=0

+(−1

4+

14

)︸ ︷︷ ︸

=0

+ . . . +(− 1

n+

1n

)︸ ︷︷ ︸

=0

− 1n + 1

= 1− 1n + 1

=n

n + 1

Wieder kann man den expliziten Ausdruck C(n) :∑n

k=11

k(k+1) = nn+1 durch vollstandige Induktion

bestatigen:

Induktionsanfang (n = 1):∑1

k=11

k(k+1) = 11·(1+1) = 1

2 = 11+1

Es gelte die Induktionsvoraussetzung C(n).

14

Page 16: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Induktionsschritt (n n + 1):

n+1∑k=1

1k(k + 1)

=n∑

k=1

1k(k + 1)

+1

(n + 1) · ((n + 1) + 1)(IV)=

n

n + 1+

1(n + 1) · (n + 2)

=

=n(n + 2) + 1

(n + 1)(n + 2)=

n2 + 2n + 1(n + 1)(n + 2)

=(n + 1)2

(n + 1)(n + 2)=

n + 1n + 2

Somit ist die Aussage C(n + 1) wahr und die Formel ist fur alle n ∈ N gultig.

iii. Induktionsbeweis fur

1− 4 + 9− · · ·+ (−1)n+1n2 =n∑

k=1

(−1)k+1k2 =n∑

k=1

k2 − 2 ·%floor n

2∑k=1

(2k)2 =

=n(n + 1)(2n + 1)

6− 2 · 4 ·

⌊n2

⌋(⌊

n2

⌋+ 1)(2 ·

⌊n2

⌋+ 1)

6=

=

{n(n+1)(2n+1)−n(n+2)(2n+2)

6 falls n geraden(n+1)(2n+1)−8·n−1

2 (n−12 +1)(2·n−1

2 +1)6 falls n ungerade

=

{n(n+1)(2n+1−2(n+2))

6 falls n geraden(2n2+3n+1−2n2+2)

6 falls n ungerade

=

{−n(n+1)

2 falls n geraden(n+1)

2 falls n ungerade= (−1)n+1 n(n + 1)

2

Dieser explizite Ausdruck wird wieder durch vollstandige Induktion bestatigt:

Induktionsanfang (n = 1):∑1

k=1 (−1)k+1k2 = (−1)1+112 = 1 = (−1)1+1 1(1+1)2

Es gelte die Induktionsvoraussetzung fur n, d.h.∑n

k=1 (−1)k+1k2 = (−1)n+1 n(n+1)2

Induktionsschritt (n n + 1):

n+1∑k=1

(−1)k+1k2 =n∑

k=1

(−1)k+1k2 +(−1)n+2(n+1)2 (IV)= (−1)n+1 n(n + 1)2

+(−1)n+2(n+1)2 =

= (−1)n+1 n + 12

(n− 2(n + 1)) = (−1)n+1 n + 12

· (−1)(n + 2) = (−1)n+2 (n + 1)(n + 2)2

Damit gilt die explizite Formel fur alle n ∈ N.

(c) Es muß gezeigt werden, dass der explizite Ausdruck fur fn konsistent zur Definition der fn mittelsRekursionsvorschrift ist (dies geschieht mit vollstandiger Induktion):

Induktionsanfang (n = 1, 2):

f1 =1√5

(1 +√

52

)1

(1−

√5

2

)1 =

1√5

(1 +

√5− (1−

√5)

2

)=

1√5

(2√

52

)= 1

f2 =1√5

(1 +√

52

)2

(1−

√5

2

)2 =

1√5

((1 +

√5)2 − (1−

√5)2

4

)=

=1√5

((1 + 2

√5 + 5)− (1− 2

√5 + 5)

4

)=

1√5

(4√

54

)= 1

Seien a :=(

1+√

52

)und b :=

(1−

√5

2

), so gilt:

1 + a = 1 +

(1 +

√5

2

)=

2 + 1 +√

52

=3 +

√5

2· 2

2︸︷︷︸=1

=1 + 2

√5 + 5

4=

(1 +

√5

2

)2

= a2

15

Page 17: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

und analog ergibt sich fur b die Identitat 1 + b = b2 (Nachrechnen).

Induktionsschritt (n, n + 1 n + 2):

fn + fn+1 =1√5

((1 +

√5

2

)n

(1−

√5

2

)n)+

1√5

(1 +√

52

)n+1

(1−

√5

2

)n+1

=1√5

((an − bn) +

(an+1 − bn+1

))=

1√5

an(1 + a︸ ︷︷ ︸=a2

)− bn(1 + b︸ ︷︷ ︸=b2

)

=1√5

(ana2 − bnb2

)=

=1√5

(an+2 − bn+2

)=

1√5

(1 +√

52

)n+2

(1−

√5

2

)n+2 = fn+2

Damit ist gezeigt, daß der explizite Ausdruck fur fn auf den Startwerten f1, f2 die korrekten Ergebnisseliefert und zudem die Rekursionsvorschrift erfullt. Nach Dedekind’schem Rekursionssatz gilt deshalb dieexplizite Darstellung fur alle n ∈ N.

Da außerdem a > 1 und b < 1 ist, folgt fur den Ausdruck f100, dass b100 vernachlassigbar klein wird unddeshalb fur die Großenordnung von f100 gilt:

f100 ≈1√5

(1 +

√5

2

)100

≈ 3, 54 · 1020

Betrachtet man den Ausdruck fn+1fn

fur n � 1 (sprich ’n groß gegenuber 1’), so konnen wiederum die

Terme bn und bn+1 vernachlassigt werden:

fn+1

fn=

an+1 − bn+1

an − bn≈ an+1

an= a

Fur den ’hohen’ Wert n = 100 liegt f101f100

also in der Großenordnung a = 1+√

52 ≈ 1, 618.

Aufgabe 15

Hieronymus B. Einbahn, nach dem in Heidelberg viele Straßen benannt sind, entdeckte im Jahr 1777die Einbahninsel TSUN-DEL mit n Orten (n ∈ N) und genau einem Weg zwischen je zwei Orten. DieWege waren jedoch so schmal, dass man sie nur in einer Richtung befahren konnte. KRAO-SE, derHerrscher der Einbahninsel, hat deshalb nur eine Fahrtrichtung zugelassen. Dennoch gelang es H. B.Einbahn unter Beachtung dieser Regel jeden Ort auf seiner Reise genau einmal zu besuchen. Wie hater das angestellt?

Losung: Mathematisch ausgedruckt behauptet die Aufgabe folgendes:

Gegeben seien n ∈ N verschiedene Orte v1, v2, . . . , vn, so daß zu je zwei Orten vi, vj (1 ≤ i 6= j ≤ n) genaueine Verbindungsstraße mit Fahrtrichtung vi → vj oder vj → vi existiert. (Ob die Fahrtrichtung vi → vj odervj → vi zulassig ist, liegt an der nicht naher bekannten Festlegung des Herrschers KRAO-SE). Unabhangig vonder Große von n und von der Wahl der erlaubten Fahrtrichtungen (Pfeilrichtungen) existiert stets ein Weg, deralle Orte genau einmal enthalt (Vornehm in der Sprache der Graphentheorie ausgedruckt: In jedem Turniergra-phen (gerichtete Version eines vollstandigen Graphen) mit n ∈ N Ecken existiert ein gerichteter Hamiltonweg).

Um diese Aussage zu zeigen, benutzt man einen Induktionsbeweis uber die Anzahl n der Orte:

16

Page 18: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Sei A(n) := “Zu n Orten in obiger Situation existiert eine zulassige Route” oder mathematisch:

A(n) = “Zu einer Menge V := {v1, v2, . . . , vn} mit der Eigenschaft:

∀ 1 ≤ i 6= j ≤ n gilt entweder vi → vj oder vj → vi (nicht beides zugleich)

existiert eine Kette vi1 → vi2 → . . . → vin−1 → vinmit {i1, i2, . . . , in−1, in} = {1, 2, . . . , n}”

Induktionsanfang:

n := 1: Hier ist V := {v1} und die eindeutige Route v1 ist zulassig. =⇒ A(1) ist korrekt.

Wir betrachten zunachst noch den Fall n = 2:n := 2: Hier ist V := {v1, v2} und entweder v1 → v2 oder v2 → v1. Im ersten Fall ist v1 → v2 eine zulassigeRoute, im zweiten Fall v2 → v1. =⇒ A(2) ist korrekt.

Fur n := 3 gibt es 8 mogliche Verteilungen der Fahrtrichtungen auf die 3 Strecken zwischen v1 und v2; v2 undv3 sowie v1 und v3. In allen 8 Fallen findet man eine zulassige Route (Ubung).

Induktionsschritt:

Wir setzen A(n) als wahr voraus und zeigen A(n + 1).

Zu V := {v1, v2, . . . , vn, vn+1} sei V ′ := {v1, v2, . . . , vn} = V \ {vn+1}. Dann gilt fur die n elementigeMenge V ′ bereits die Aussage A(n) und die zulassige Route sei vi1 → vi2 → . . . → vin−1 → vin

mit{i1, i2, . . . , in−1, in} = {1, 2, . . . , n− 1, n}Um A(n + 1) zu zeigen genugt es nun diese Route auf n Orten um den noch nicht besuchten Ort vn+1 zuerweitern. Abhangig von den durch KRAO-SE festgelegten Fahrtrichtungen geht das wie folgt:

1. Fall: Die Straße zwischen vn+1 und vi1 hat die Fahrtrichtung vn+1 → vi1 =⇒ Man hangt vn+1 amAnfang der Route an: vn+1 → vi1 → vi2 → . . . → vin−1 → vin (es gilt {i1, i2, . . . , in−1, in}∪{n + 1} ={1, 2, . . . , n− 1, n, n + 1}). Man hat damit eine zulassige Route durch alle n + 1 Orte in V gefunden.

2. Fall: Die Straße zwischen vn+1 und vin hat die Fahrtrichtung vin → vn+1 =⇒ Man hangt vn+1 andas Ende der Route an: vi1 → vi2 → . . . → vin−1 → vin → vn+1 (wieder gilt {i1, i2, . . . , in−1, in} ∪{n + 1} = {1, 2, . . . , n− 1, n, n + 1}). Man hat eine zulassige Route gefunden.

3. Fall: Weder vn+1 → vi1 noch vin → vn+1 sind zulassige Fahrtrichtungen (sonst Fall 1 oder Fall 2) =⇒Es gilt vi1 → vn+1 und vn+1 → vin

Dann sei 1 ≤ j < n ein Index, an dem gilt vij→ vn+1 und vn+1 → vij+1 (Ein solcher Index existiert, da ja

irgendwann die Fahrtrichtung von “Straßen die nach vn+1 fuhren” zu “Straßen die von vn+1 wegfuhren”wechseln muß).

Nun zerschneidet man die Route auf den n Orten aus V ′ genau zwischen vijund vij+1 und setzt dort

den “Umweg” vij→ vn+1 → vij+1 ein:

vi1 → . . . → vij→ vij+1 → . . . → vin

vij→ vn+1 → vij+1

vi1 → . . . → vij→ vn+1 → vij+1 → . . . → vin

Auch hier hat man also (mit etwas Aufwand) eine zulassige Route konstruiert.

Bemerkung: Tatsachlich sind die Falle 1 und 2 Spezialfalle der Situation in Fall 3. Der zu wahlendeIndex j ware dabei 0 (Anfang) oder n (Ende).

=⇒ A(n + 1) ist korrekt.

Nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion gilt die Aussage A(n) fur alle n ∈ N. �

Ubungsblatt 4

Aufgabe 16

Sei m ∈ N und Am := {1, 2, . . . ,m}. Zeigen Sie, dass es fur jede Abbildung f : Am → An mit m > n ∈ Nzwei verschiedene Zahlen m1,m2 ∈ Am mit f(m1) = f(m2) gibt.

17

Page 19: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Losung: Beweis durch Widerspruch:

Offensichtlich gilt |Am| = m fur alle m ∈ N. Wir nehmen an, dass die zu zeigende Behauptung falsch ist. Also

gibt es eine Abbildung f : Am → An derart, dass fur alle mi 6= mj ∈ Am gilt: f(mi) 6= f(mj). Nach Definition

der Abbildung enthalt An dann (mindestens) die paarweise verschiedenen Elemente f(1), f(2), . . . , f(m) =⇒|An| ≥ m. zu |An| = n und n < m. �

Aufgabe 17

Wieviele Teilmengen mit einer geraden bzw. ungeraden Anzahl von Elementen hat eine Menge mitn ∈ N Elementen?

Losung: Wir benutzen den Binomischen Satz: (a + b)n =∑n

k=0

(nk

)anbn−k

Fur a = −1 und b = 1 gilt dann

0 = (−1 + 1)n =n∑

k=0

(−1)n

(n

k

)=bn−1

2 c∑k=0

(−1)2k+1

(n

2k + 1

)+bn

2 c∑k=0

(−1)2k

(n

2k

)

= −bn−1

2 c∑k=0

(n

2k + 1

)︸ ︷︷ ︸

x

+bn

2 c∑k=0

(n

2k

)︸ ︷︷ ︸

y

Also gilt y − x = 0. Weiter gilt 2n = (1 + 1)n =∑n

k=0

(nk

)=∑bn−1

2 ck=0

(n

2k+1

)+∑bn

2 ck=0

(n2k

)= x + y

Durch Einsetzen erhalt man daher x = 2n−1 und y = 2n−1. Da(nk

)die Anzahl der k-elementigen Teilmen-

gen einer n-elementigen Menge angibt, ist x =∑bn−1

2 ck=0

(n

2k+1

)= 2n−1 die gesuchte Anzahl der Teilmengen

mit ungerader Anzahl von Elementen und y =∑bn

2 ck=0

(n2k

)= 2n−1 diejenige mit gerader Anzahl von Elementen.

Spezialfall: Die leere Menge hat nur eine einzige Teilmenge (gerader Elementanzahl), namlich die leere Mengeselbst. Dies ist auch klar, da die Anzahl aller Teilmengen einer n-elementigen Menge wie oben gezeigt 2n

ist, was fur n = 0 (die leere Menge) genau 20 = 1 Teilmenge ergibt, die aber entweder eine gerade oder eineungerade Elementanzahl haben muss (Je 2n−1 = 1

2 Teilmenge mit gerader und ungerader Elementanzahl ergibthier keinen Sinn). Deshalb wurde die Behautpung nur fur n ∈ N aufgestellt. �

Aufgabe 18

Auf n(∈ N) Orchester sollen k(∈ N0) Musiker so verteilt werden, dass im j-ten Orchester genaukj(∈ N0) Musiker sitzen, also k1 + k2 + · · ·+ kn = k .

Zeigen Sie, dass es genauk!

k1! k2! · · · kn!verschiedene Verteilungen gibt.

Losung: Es sei: n die Anzahl der Orchester und k die Anzahl der Musiker.

Im j-ten Orchester sollen nun genau kj Musiker sitzen, so dass insgesamt k1 + k2 + . . . + kn = k gilt. Furjede Permutation der Menge aller Musiker plazieren wir daher die ersten k1 Musiker dieser Permutation im

18

Page 20: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

ersten Orchester, die nachsten k2 Musiker dieser Permutation im zweiten Orchester, und so weiter . . . undschließlich die letzten kn Musiker im letzten Orchester. Nun ist die Anzahl der moglichen Permutationen imi-ten Orchester unabhangig von der Anzahl der moglichen Permutationen im j-ten Orchester (fur i 6= j).

Die Anzahl der Verteilungen auf das erste Orchester ist(

kk1

)(wahle k1 aus allen k Musikern)

Die Anzahl der Verteilungen auf das zweite Orchester ist(k−k1

k2

)(wahle k2 aus den restlichen k − k1 Musikern)

...Die Anzahl der Verteilungen auf das i-te Orchester ist

(k−k1−...−ki−1

ki

)...

Die Anzahl der Verteilungen auf das letzte Orchester ist(k−k1−...−kn−1

kn

)Die Gesamtzahl der Verteilungen ergibt sich wegen der Unabhangigkeit als Produkt der Anzahlen von Vertei-lungen in jedem Orchester (Teleskopisches Produkt):(

k

k1

)·(

k − k1

k2

)· . . . ·

(k − k1 − . . .− ki−1

ki

)· . . . ·

(k − k1 − . . .− kn−1

kn

)=

=k!

k1! · (k − k1)!· (k − k1)!k2! · (k − k1 − k2)!

· . . . · (k − k1 − . . .− kn−1)!kn! · (k − k1 − . . .− kn−1 − kn)︸ ︷︷ ︸

=0!

=k!

k1!k2! . . . kn!

Anders ausgedruckt gibt es insgesamt k! mogliche Permutationen der Menge der Musiker. Innerhalb des j-ten Orchesters gibt es genau kj ! mogliche Permutationen der Menge der entsprechenden kj Musiker. Dadie Reihenfolge der Musiker innerhalb des jeweiligen Orchesters keine Rolle spielt (Permutationen innerhalbeines jeden Orchesters ergeben die gleiche Verteilung), muss durch die Anzahl entsprechender Permutationeninnerhalb jedes der n Orchester dividiert werden. �

Aufgabe 19

Die folgenden komplexen Zahlen schreibe man in der Normalform a+ b i, a, b ∈ R und berechne ihrenBetrag:

(a)

(1 + i

1− i

)4

, (b)2 + i

2− i, (c) (1 + i)n + (1− i)n, n ∈ N, (d)

(−1

2+ i

√3

2

)−1

Losung:

(a) z = ( 1+i1−i )

4 = (( 1+i1−i )

2)2 = ( 2i−2i )

2 = (−1)2 = 1 = 1 + 0 · i; |z| = 1

(b) z = 2+i2−i = (2+i)2

4+1 = 4+4i−15 = 3

5 + 45 i; |z| =

√925 + 16

25 = 1

(c) Durch Ubergang in Polarkoordinaten erhalt man: 1±i =√

2(cos(±π4 )+i sin(±π

4 )) =√

2(cos π4 ±i sin π

4 ).

=⇒ z = (1+ i)n +(1− i)n = (√

2)n((cos π

4 + i sin π4 )n +(cos π

4 − i sin π4 )n)

)= (

√2)n(cos nπ

4 + i sin nπ4 +

cos nπ4 − i sin nπ

4

)= (

√2)n+2 cos nπ

4 + 0 · i

|z| = (√

2)n+2∣∣cos nπ

4

∣∣ , wobei der Kosinus je nach n die Werte ±1, ± 12

√2 oder 0 annimmt.

Rest bei n durch 8 0 1 2 3 4 5 6 7

cos(nπ4 ) 1 1

2

√2 0 − 1

2

√2 −1 − 1

2

√2 0 1

2

√2

(√

2)n+2 cos(nπ4 ) (

√2)n+2 (

√2)n+1 0 (

√2)n+1 (

√2)n+2 (

√2)n+1 0 (

√2)n+1

Die Werte in den letzten 4 Spalten der zweiten Zeile sind das Negative der Eintrage in den ersten 4Spalten. Die Eintrage der dritten Zeile (Betrag der komplexen Zahl) sind bereits periodisch modulo 4.

19

Page 21: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(d) z = (− 12 + i

√3

2 )−1 = 2−1+i

√3

= 2(1+i√

3)−1−3 = − 1

2 − i√

32 ; |z| =

√14 + 3

4 = 1

Aufgabe 20

Kapt’n Schwarzbart, der alte Haudegen, hinterließ bei seinem unerwarteten Ableben im Alter von107 Jahren auch eine Schatzkarte mit einer Beschreibung, einen vergrabenen Schatz zu finden.

• Gehe direkt vom Galgen zur Palme, dann gleich viele Schritte unter rechtem Winkel nach rechts– steck’ die erste Fahne!

• Geh vom Galgen zu den drei Felsbrocken, genausoweit unter rechtem Winkel nach links – steck’die zweite Fahne!

• Der Schatz steckt in der Mitte zwischen den beiden Fahnen.

Die Erben starteten sofort eine Expedition auf die Schatzinsel.

Die Palme und die markanten Felsbrocken waren sofort zu identifizieren. Vom Galgen war keine Spurmehr zu finden. Dennoch stieß man beim ersten Spatenstich auf die Schatztruhe, obwohl man dieSchritte von einer (zufalligen und sehr wahrscheinlich) falschen Stelle aus gezahlt hatte.

Wie war das moglich? Wo lag der Schatz?

Tipp: Rechnen Sie in C!

Losung: Einer der Erben ist Mathematiker und kommt auf die (geniale?) Idee, die Insel als Teil der KomplexenZahlenebene C aufzufassen, wobei er den Ursprung beliebig wahlt. Er uberlegt sich die Position des Schatzes,also wo er graben musste, in Abhangigkeit eines beliebigen Startpunktes Γ (potentieller Galgen). Die Palme (warja hoffentlich die Einzige) liege in diesem Koordinatensystem an der Position P ∈ C, wahrend die Felsbrocken(Rocks) an der Koordinate R ∈ C liegen. Der Weg vom Galgen zur Palme bzw. zu den Steinen ist dann (P −Γ)bzw. (R− Γ).

In C entspricht eine Drehung nach rechts um 90◦ der Multiplikation mit −i und eine Drehung nach links um90◦ einer Multiplikation mit i.

Die erste Fahne hat also die Koordinaten F1 = Γ+(P −Γ)+ (−i) (P −Γ) = P +(−i) (P −Γ) und die zweitedie Koordinaten F2 = Γ + (R − Γ) + i (R − Γ) = R + i (R − Γ). Die Mitte zwischen den Fahnen und damitdie Position des Schatzes S ∈ C hat somit die Koordinaten (arithmetisches Mittel):

S =F1 + F2

2=

R + P

2+ i

R− P

2

Kapt’n Schwarzbart war also so genial die Beschreibung invariant, d.h. unabhangig unter einer beliebigenPosition des Galgens zu formulieren. An der Formel sieht man, dass die Wahl des Startpunktes vollig beliebigist.

Bemerkung: Man sieht an der Formel ubrigens sehr schon, wo der Schatz liegen muss: R+P2 ist der Mittelpunkt

zwischen der Palme und den Steinen. (R − P ) Ist die Strecke von P nach R und i ist ja die Drehung um 90◦

nach links. Der Schatz liegt damit an der Spitze des gleichschenkelig, rechtwinkligen (im Gegenuhrzeigersinnorientierten) Dreiecks PRS.

Schwarzbart hatte also auch schreiben konnen:

Gehe von der Palme geradeaus zu den Felsbrocken. Auf halbem Wege drehe dich nachlinks und lege die gleiche Strecke (halbe Entfernung zwischen Palme und Felsen) zuruck.Dort liegt der Schatz.

Aber vielleicht liegt ja ein Tumpel oder ein Vulkan oder ahnliches auf der direkten Verbindungslinie zwischenPalme und Felsen, der dieses direkte Vorgehen verhindert. �

20

Page 22: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Ubungsblatt 5

Aufgabe 21

Bestimmen Sie fur n = 3, 4 und 5 alle z ∈ C mit

zn = 1

Geben Sie die Losungen jeweils in der Standardform a + b i, a, b ∈ R an und zeigen Sie, dass dieLosungen die Eckpunkte eines dem Einheitskreis einbeschriebenen regelmaßigen n-Ecks sind (n = 3, 4und 5).

Tipp fur den Fall n = 5:

z4 + z3 + z2 + z + 1 = (z2 + gz + 1)(

z2 − 1g

z + 1)

mit g :=1 +

√5

2.

Losung: Die n komplexen Losungen der Gleichung zn = 1 lauten in Polarform:

ζk = cos(

2π k

n

)+ i sin

(2π k

n

)k = 0, 1, . . . , n− 1

Diese Losungen kann man fur festes n mithilfe der bekannten Sinus- und Cosinuswerte direkt in die Standardforma + b i (a, b ∈ R) umrechnen. Alternativ kann man die Gleichung zn = 1 fur kleine n faktorisieren und so dieLosungen direkt (in Standardform) bestimmen:

n=3: z3 = 1 ⇐⇒ 0 = z3 − 1 = (z − 1) · (z2 + z + 1), also z1 = 1 = 1 + 0 · i mit |z1| = 1 und

z2/3 =−1±

√1− 4 · 1 · 12

= −12±√−32

= −12± i

√3

2mit

∣∣z2/3

∣∣ =√14

+34

= 1

z1, z2, z3 liegen auf dem Einheitskreis (haben Betrag 1) und ihr gegenseitiger Abstand ist jeweils:

|z1 − z2| =

√√√√(1−(−1

2

))2

+

(0−

√3

2

)2

=

√94

+34

=√

3

|z2 − z3| =

√√√√((−12

)−(−1

2

))2

+

(√3

2−

(−√

32

))2

=√

0 + 3 =√

3

|z3 − z1| =

√√√√((−12

)− 1)2

+

((−√

32

)− 0

)2

=

√94

+34

=√

3

=⇒ z1, z2, z3 bilden die Eckpunkte eines dem Einheitskreis einbeschriebenen gleichseitigen 3-Ecks.

n=4: z4 = 1 ⇐⇒ 0 = z4 − 1 = (z2 − 1) · (z2 + 1) = (z − 1)(z + 1)(z − i)(z + i), also z1 = 1 = 1 + 0 · i,z2 = −1 = −1 + 0 · i, z3 = i = 0 + 1 · i und z4 = −i = 0 + (−1) · i mit |zj | = 1 fur j = 1, 2, 3, 4 (alle zj

liegen auf dem Einheitskreis). Der Abstand benachbarter Losungen ist jeweils√

2, d.h. zj (j = 1, 2, 3, 4)bilden die Ecken eines gleichseitigen 4-Ecks (Quadrats):

|z1 − z3| =√

(1− 0)2 + (0− 1)2 =√

1 + 1 =√

2

|z3 − z2| =√

(0− (−1))2 + (1− 0)2 =√

1 + 1 =√

2

|z2 − z4| =√

((−1)− 0)2 + (0− (−1))2 =√

1 + 1 =√

2

|z4 − z1| =√

(0− 1)2 + ((−1)− 0)2 =√

1 + 1 =√

2

21

Page 23: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

n=5: z5 = 1 ⇐⇒ 0 = z5 − 1 = (z − 1) · (z4 + z3 + z2 + z + 1) Tipp= (z − 1)(z2 + g z + 1)(z2 − 1g z + 1).

Der erste Faktor ergibt wieder die Losung z1 = 1, die Losungen der beiden quadratischen Faktoren

bestimmt man mit der p-q-Formel zu z2/3 = − 1+√

54 ± i

√10−2

√5

4 sowie zu z4/5 =√

5−14 ± i

√10+2

√5

4 .Wie zuvor haben diese Losungen den Betrag 1, liegen also auf dem Einheitskreis. Der gegenseitige

Abstand benachbarter Losungen ist jeweils 12

√10 + 2

√5, so daß zj (j = 1, 2, 3, 4, 5) die Eckpunkte

eines gleichseitigen 5-Ecks bilden.

Aufgabe 22

Fur z, w ∈ C sei

δ(z, w) :=

{|z − w| falls es ein λ ∈ R, λ > 0 mit z = λw gibt

|z|+ |w| sonst

Zeigen Sie, dass durch δ : C× C → R eine Metrik auf C definiert wird.

Warum nennt man wohl diese Metrik gelegentlich die ”Metrik des franzosischen Eisenbahnsystems”?

Losung: Es sind die Metrikeigenschaften nachzuweisen:

(M1): δ(z, w) ≥ 0, da |z − w| ≥ 0 und |z|+ |w| ≥ 0

δ(z, w) = 0 ⇐⇒

{|z − w| = 0 fur z = λw mit 0 < λ ∈ R|z|+ |w| = 0 sonst

Definitheit⇐⇒

{z = w also λ = 1 (sonst ware |z − w| > 0)

z = 0 = w da sonst |z| > 0 oder |w| > 0 und daher |z|+ |w| > 0⇐⇒ z = w

Dies zeigt die positive Definitheit von δ.

(M2): Seien z, w ∈ C, so daß ein 0 < λ ∈ R existiert mit z = λw. Dies ist aquivalent dazu, daß fur λ′ := 1λ

die Aussagen 0 < λ′ ∈ R und w = 1λz = λ′z gelten. Damit zeigt man die Symmetrie von δ fur alle

z, w ∈ C:

δ(z, w) =

{|z − w| ∃ 0 < λ ∈ R : z = λw

|z|+ |w| sonst=

{|w − z| ∃ 0 < λ′ ∈ R : w = λ′z

|w|+ |z| sonst= δ(w, z)

Bemerkung: Die Bedingung ∃ 0 < λ ∈ R : z = λw induziert eine Aquivalenzrelation z ∼ w auf derMenge der komplexen Zahlen (Reflexivitat ist durch die Wahl λ = 1 gegeben, Symmetrie wurde obenfur λ und λ′ gezeigt. Transitivitat folgt, da das Produkt zweier positiver reeller Zahlen 0 < λ ∈ R und0 < λ ∈ R wieder eine positive reelle Zahl ergibt). Die Aquivalenzklassen dieser Relation bestehen genauaus den Punkten einer vom Ursprung ausgehenden Halbgeraden (ohne den Ursprung) in C, sowie einerKlasse, die nur den Ursprung selbst enthalt. Wir schreiben deshalb z ∼ w falls 0 < λ ∈ R mit z = λwexistiert (z, w liegen in derselben Aquivalenzklasse) und z 6∼ w falls kein solches 0 < λ ∈ R existiert.

(M3): Es seien v, w, z ∈ C drei beliebige Punkte. Wir unterscheiden zwei Falle:

1. Fall: z ∼ w, d.h. es existiert 0 < λ ∈ R mit z = λw. Entweder es gilt v ∼ z und damit auch v ∼ w(wegen Transitivitat der Relation ∼), oder v 6∼ z und damit v 6∼ w (wegen z ∼ w).

δ(z, w) = |z − w| ≤ |z − v|+ |v − w| ≤

{|z − v|+ |v − w| (z ∼ v ∧ v ∼ w)|z|+ |v|+ |v|+ |w| (z 6∼ v ∧ v 6∼ w)

= δ(z, v) + δ(v, w)

22

Page 24: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

2. Fall: z 6∼ w, d.h. es existiert kein 0 < λ ∈ R mit z = λw. Da z 6∼ w die Situation z ∼ v ∧ v ∼ wausschließt, gilt wieder mithilfe der Dreiecksungleichung des Absolutbetrages:

δ(z, w) = |z|+ |w| ≤

|z|+ |v|+ |w − v| (z 6∼ v ∧ v ∼ w)|z − v|+ |v|+ |w| (z ∼ v ∧ v 6∼ w)|z|+ |v|+ |v|+ |w| (z 6∼ v ∧ v 6∼ w)

= δ(z, v) + δ(v, w)

Damit erfullt die Abbildung δ auch die Dreiecksungleichung und hat so alle Eigenschaften einer Metrik.

Identifiziert man die franzosische Landkarte mit einem Teil der komplexen Zahlenebene und legt den Ursprungnach Paris, so gibt es zwei Moglichkeiten den Abstand zweier Stadte mit Hilfe des Eisenbahnnetzes zu beschrei-ben:Liegen beide Stadte Z,W auf einer Halbgeraden die vom Ursprung (Paris) ausgeht, so sind ihre Richtungsvek-toren kollinear und die Position der Stadt Z mit der komplexen Koordinate z lasst sich durch λ > 0 mal dieKoordinate w der Stadt W beschreiben (es gilt z ∼ w). Dann gibt es eine direkte Schienenverbindung in demsternformigen franzosischen Eisenbahnnetz. Die Entfernung ist die Betragsdifferenz |z − w|.Liegen die Stadte Z,W von Paris aus gesehen nicht auf einer Halbgeraden (also z 6∼ w), so muss man, umvon der einen zur anderen zu kommen den Umweg uber Paris fahren. Die Distanz per Eisenbahn zwischen denbeiden Stadten ist dann die Summe |z|+ |w| ihrer Abstande vom Koordinatenursprung Paris. �

Aufgabe 23

Sei K = R oder K = C.

Fur z = (z1, · · · , zn) ∈ Kn, n ∈ N, sei

‖z‖1 :=n∑

j=1

|zj | , ‖z‖2 :=

√√√√ n∑j=1

|zj |2 , ‖z‖∞ := max {|zj | | 1 ≤ j ≤ n}

Beweisen Sie die Ungleichungen

(a) ‖z‖∞ ≤ ‖z‖2 ≤√

n ‖z‖∞(b) ‖z‖∞ ≤ ‖z‖1 ≤ n ‖z‖∞(c) 1√

n‖z‖1 ≤ ‖z‖2 ≤ ‖z‖1

Losung:

‖z‖1 :=∑n

j=1 |zj | Summe uber die Betrage aller Komponenten eines Vektors

‖z‖2 :=√∑n

j=1 |zj |2 Wurzel aus der Summe der Betrags-Quadrate (euklidische Norm)

‖z‖∞ := max1≤j≤n |zj | Die betragsmaßig großte Komponente eines Vektors

(a) Fur z = (z1, · · · , zn) ∈ Kn, n ∈ N beliebig betrachte folgende Ungleichungskette. Dabei sei 1 ≤ k ≤ nein Index, fur den gilt |zk| = max1≤j≤n |zj |:

‖z‖∞2 =

(max

1≤j≤n|zj |)2

≤ |zk|2 +n∑

j=1, j 6=k

|zj |2︸ ︷︷ ︸≥0

=n∑

j=1

|zj |2 = ‖z‖22 = |z1|2 + . . .+ |zk|2 + . . .+ |zn|2

≤ |zk|2 + . . . + |zk|2 + . . . + |zk|2︸ ︷︷ ︸da max1≤j≤n |zj | = |zk| ≥ |zj | ∀ j = 1, . . . , n

= n ·(

max1≤j≤n

|zj |)2

= n · ‖z‖∞2

23

Page 25: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

=⇒ ‖z‖∞2 ≤ ‖z‖2

2 ≤ n · ‖z‖∞2

Setze x := ‖z‖∞ ∈ R und y := ‖z‖2 ∈ R, so ist x ≥ 0 und y ≥ 0. Wir wissen dass gilt x2 ≤ y2 ⇐⇒x ≤ y (fur x, y ≥ 0), demnach folgt umgehend die Aussage ‖z‖∞ ≤ ‖z‖2 ≤

√n · ‖z‖∞

(b) Analog zur Betrachtungsweise in (a) findet man (wieder sei k der Index einer betragsmaximalen Kom-ponente des Vektors z):

‖z‖∞ = max1≤j≤n

|zj | ≤ |zk|+n∑

j=1, j 6=k

|zj |︸ ︷︷ ︸≥0

=n∑

j=1

|zj | = ‖z‖1 = |z1|+ . . . + |zk|+ . . . + |zn|

≤ |zk|+ . . . + |zk|+ . . . + |zk|︸ ︷︷ ︸da max1≤j≤n |zj | = |zk| ≥ |zj | ∀ j = 1, . . . , n

= n · max1≤j≤n

|zj | = n · ‖z‖∞

damit folgt auch schon die Aussage ‖z‖∞ ≤ ‖z‖1 ≤ n · ‖z‖∞(c) Aus den beiden doppelten Ungleichungen in (a) und (b) folgt bereits: 1

n ‖z‖1 ≤ ‖z‖∞ ≤ ‖z‖2 ≤√n ‖z‖∞ ≤

√n ‖z‖1. Gesucht ist aber eine noch bessere (optimale) Abschatzung von ‖z‖2 durch ‖z‖1

nach oben und unten.

Die Abschatzung nach unten folgt aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung |〈v, w〉| ≤ ‖v‖2 · ‖w‖2:

‖z‖1 =n∑

j=1

|zj | =

∣∣∣∣∣∣n∑

j=1

1 · |zj |

∣∣∣∣∣∣ = |〈1, z〉|C.S.

≤ ‖1‖2 · ‖z‖2 =

√√√√ n∑j=1

|1|2 ·

√√√√ n∑j=1

|zj |2 =√

n · ‖z‖2

wobei 1 := (1, 1, . . . , 1) ∈ Kn und z := (|z1| , |z2| , . . . , |zn|) ∈ Kn sind.

Die Abschatzung nach oben folgt wieder elementar:

0 ≤ ‖z‖2 ≤ ‖z‖1 ⇐⇒ 0 ≤

√√√√ n∑j=1

|zj |2 ≤n∑

j=1

|zj | ⇐⇒ 0 ≤n∑

j=1

|zj |2 ≤

n∑j=1

|zj |

2

⇐⇒ 0 ≤n∑

j=1

|zj |2 ≤n∑

j=1

|zj |2 +n∑

i,j=1, i 6=j

|zi| · |zj |︸ ︷︷ ︸≥0

=n∑

i,j=1

|zi| · |zj | =

n∑j=1

|zj |

2

Aufgabe 24

(a) Stellen Sie eine Vermutung uber den Grenzwert der Folge (an) =(

3n+15n−2

)auf und versuchen Sie

dann, Ihre Vermutung durch Ruckgriff auf die ε-N-Definition zu beweisen.

(b) Ist die Folge (fn) der Fibonacci-Zahlen (vgl. Blatt 3, Aufgabe 14) konvergent?

(c) Untersuchen Sie die komplexe Zahlenfolge (cn) mit cn := 1(1+i)n auf Konvergenz.

Losung:

24

Page 26: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) Wir vermuten fur die Folge (an)n∈N den Grenzwert 35 . Zu zeigen: ∀ ε > 0 ∃N ∈ N : ∀n ≥ N :∣∣an − 3

5

∣∣ < ε

Beweis: ∣∣∣∣an −35

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣3n + 15n− 2

− 35

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ 1125n− 10

∣∣∣∣ = 1125n− 10

∀n ∈ N

Sei nun ε > 0 beliebig. Es gilt 0 < 1125N−10 < ε ⇐⇒ N > 11

25ε + 25 . Die letzte Ungleichung ist zugleich

fur alle naturlichen Zahlen n ≥ N erfullt. Nach Archimedischem Axiom existiert zu jedem vorgegebenenε > 0 eine naturliche Zahl N = Nε =

⌈1125ε + 2

5

⌉+ 1, so dass fur alle n ≥ N gilt:∣∣∣∣an −

35

∣∣∣∣ = 1125n− 10

≤ 1125N − 10

< ε

Die Folge konvergiert daher gegen den Grenzwert 35 . �

(b) Wir zeigen per Induktion, dass fur die Folge fn der Fibonacci-Zahlen folgendes gilt:

∀n ∈ N : A(n) : fn ≥ 1

Induktionsanfang: Fur n = 1, 2 gilt f1 = f2 = 1 ≥ 1, also sind A(1) und A(2) wahr.

Induktionsannahme: Die Aussage A(m) sei richtig fur alle naturlichen Zahlen m ≤ n.

Induktionsschritt (n − 1, n n + 1): Da fn−1 ≥ 1 (A(n − 1) ist wahr) und fn ≥ 1 (A(n) ist wahr)folgt sofort

fn+1 = fn + fn−1 ≥ 1 + 1 ≥ 1

Also gilt A(n+1) und nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion ist A(n) damit fur alle n ∈ N erfullt.

Fur die Differenz zweier aufeinanderfolgender Fibonacci-Zahlen erhalt man deshalb fn+2−fn+1 = fn+1+fn − fn+1 = fn ≥ 1

Ab dem Index n = 2 wachst die Folge der Fibonacci-Zahlen damit in jedem Schritt um mindestens 1.Jede ε = 1

2 -Umgebung um eine beliebige reelle Zahl kann daher hochstens 2 Folgenglieder enthalten. Sieenthalt also niemals fast alle (alle bis auf endlich viele) Folgenglieder und die Folge (fn)n∈N konvergiertnicht (tatsachlich wachst sie uber alle Grenzen).

(c) Wir zeigen, dass (cn)n∈N eine komplexe Nullfolge ist und benutzen dabei, dass die Folge (qn)n∈N fur alleq ∈ R mit |q| < 1 eine Nullfolge bildet:

|cn − 0| =∣∣∣∣ 1(1 + i)n

∣∣∣∣ = 1|1 + i|n

=1

√2

n =(

1√2

)nn−→∞−−−−→ 0 da

∣∣∣∣ 1√2

∣∣∣∣ < 1

Aufgabe 25

Folgende 10 Informationen stehen Ihnen zur Verfugung:

i. Die einzigen Tiere in diesem Haus sind Katzen.

ii. Jedes Tier, das gern in den Mond starrt, ist als Schoßtier geeignet.

iii. Wenn ich ein Tier verabscheue, gehe ich ihm aus dem Weg.

iv. Es gibt keine fleischfressenden Tiere außer denen, die bei Nacht jagen.

v. Es gibt keine Katze, die nicht Mause totet.

vi. Kein Tier mag mich, außer denen im Haus.

25

Page 27: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

vii. Kangurus sind nicht als Schoßtiere geeignet.

viii. Nur fleischfressende Tiere toten Mause.

ix. Ich verabscheue Tiere, die mich nicht mogen.

x. Tiere, die bei Nacht jagen, starren gerne in den Mond.

Wenn Sie nun diese Informationen verwenden, wie sollten Sie sich gegenuber Kangurus verhalten?

Losung: Es ist naheliegend mit Information (vii) zu beginnen.

Das Kanguru ist also nicht als Schoßtier geeignet.(ii)

=⇒ Es starrt nicht gerne in den Mond.(x)

=⇒ Das Kanguru jagt also nicht bei Nacht.(iv)=⇒ Fleischfressend ist es auch nicht.(viii)=⇒ Kangurus toten also auch keine Mause.(v)

=⇒ Erkenntnis aus dieser Information: Das Kanguru kann keine Katze sein.(i)

=⇒ Das Kanguru kann also nicht in diesem Haus sein.(vi)=⇒ Es mag mich nicht.(ix)=⇒ Weil es mich nicht mag, verabscheue ich es.(iii)=⇒ Ich gehe Kangurus aus dem Weg!

Ausgehend von den zehn Informationen, sollte ich Kangurus also besser aus dem Weg gehen.

Anmerkung: Entsprechend der Formulierung von Information (i) weiß man auch direkt, dass keine Kangurusim Haus sein konnen. Dann gelangt man entspechend schneller zu dem Ergebnis, Kangurus lieber aus dem Wegzu gehen. Allerdings muss man dann noch die nicht verwendeten Informationen uberprufen, ob sich aus ihnenweitere Verhaltensweisen ableiten lassen. Was hier naturlich nicht der Fall ist. �

Ubungsblatt 6

Aufgabe 26

Beweisen Sie folgende Grenzwertaussagen:

(a) limn→∞

n2 + n + 24n3 + 1

= 0 (b) limn→∞

(n + 1)2 − n2

n= 2

(c) limn→∞

1 + 23 + 33 + · · ·+ n3

n4=

14

(d) limn→∞

(n∑

k=1

1k(k + 1)

)= 1

Losung:

(a) Zunachst kurzen wir Zahler und Nenner durch n3. Wir erhalten: limn→∞n2+n+24n3+1 = limn→∞

1n + 1

n2 + 2n3

4+ 1n3

.

Nun einige Vorbemerkungen:

• Die Folge (an)n∈N =(

1n

)n∈N ist eine Nullfolge. Dies ergibt sich aus dem Archimedischen Prinzip

(vgl. auch Skript 7.8 (3)).

• Mit dem Sandwich-Lemma (Skript 8.3) identifiziert man auch (bn)n∈N =(

1n2

)n∈N als Nullfolge: Es

gilt namlich 0 ≤ 1n2 ≤ 1

n ∀n ∈ N. Zudem sind die konstante Folge (0)n∈N und(

1n

)n∈N Nullfolgen.

26

Page 28: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

• Mit dem gleichen Argument ist auch (cn)n∈N =(

1n3

)n∈N eine Nullfolge.

• Mit der Permanenzeigenschaft (Skript 8.5) identifiziert man die Folgen (dn)n∈N =(

2n3

)n∈N und

(en)n∈N =(4 + 1

n3

)n∈N als konvergente Folgen mit den Grenzwerten 0 bzw. 4.

Unter mehrfacher Verwendung der Permanenzregeln ergibt sich insgesamt: limn→∞1n + 1

n2 + 2n3

4+ 1n3

= 04 = 0

(b) limn→∞

(n + 1)2 − n2

n= lim

n→∞

n2 + 2n + 1− n2

n= lim

n→∞

(2 +

1n

)= lim

n→∞2 + lim

n→∞

1n

= 2 + 0 = 2

(c) Aus der Vorlesung ist die Formel∑n

k=1 k3 = n2(n+1)2

4 bekannt. Hieraus ergibt sich:

limn→∞

1 + 23 + 33 + . . . + n3

n4= lim

n→∞

∑nk=1 k3

n4= lim

n→∞

n2(n+1)2

4

n4= lim

n→∞

n2(n + 1)2

4 · n4=

= limn→∞

n2 + 2n + 14 · n2

= limn→∞

1 + 2n + 1

n2

4=

14

wiederum mittels Permanenzregeln.

(d) Nach Ubungsaufgabe 14 gilt∑n

k=11

k(k+1) = nn+1 . Hiermit erhalt man wiederum unter Benutzung der

Permanenzregeln:

limn→∞

(n∑

k=1

1k(k + 1)

)= lim

n→∞

n

n + 1= lim

n→∞

(1− 1

n + 1

)= lim

n→∞1− lim

n→∞

1n + 1

= 1− 0 = 1

Aufgabe 27

Die Folge (xn) sei rekursiv definiert durch x0 := 1 und xn :=√

1 + xn−1 fur n ∈ N. Zeigen Sie, dass

(xn) konvergiert und den Grenzwert g := 1+√

52 besitzt.

Losung: Wir zeigen, dass (xn)n∈N0 beschrankt (i) und monoton wachsend (ii) ist. Daraus folgt die Existenzeines eindeutigen Grenzwertes nach Monotonieprinzip (Skript 9.3)! Danach nutzen wir die rekursive Definitionder Folge aus und bestimmen den Grenzwert.

(i) Beschranktheit:

Behauptung: 1 ≤ xn ≤ 2 ∀n ∈ N0

Induktionsanfang (n = 0): 1 ≤ x0 = 1 ≤ 2

Induktionsvoraussetzung: 1 ≤ xn ≤ 2 gilt bereits.

Induktionsschritt (n n + 1): Benutze die Monotonie der Quadratwurzel (vgl. Aufgabe 9(b)).

1 ≤√

2 =√

1 + 1(IV)

≤√

1 + xn = xn+1 =√

1 + xn

(IV)

≤√

1 + 2 =√

3 ≤ 2

=⇒ (xn)n∈N0 ist also beschrankt.

(ii) Die Folge (xn)n∈N0 ist monoton wachsend:

Behauptung : xn ≥ xn−1 ∀n ∈ N

Induktionsanfang (n = 1): x1 =√

1 + x0Def=√

1 + 1 =√

2 ≥ 1 Def= x0

Induktionsvoraussetzung: xn ≥ xn−1 gilt bereits.

Induktionsschluss (n n + 1): Benutze erneut die Monotonie der Quadratwurzel.

xn+1 =√

1 + xn

(IV)

≥√

1 + xn−1 = xn

=⇒ (xn)n∈N0 ist monoton wachsend.

27

Page 29: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Nach dem Monotonieprinzip (Skript 9.3) konvergiert die Folge (xn)n∈N0 . Da alle Folgenglieder im Intervall[1, 2] liegen, liegt auch der (eindeutige) Grenzwert in diesem Intervall (vgl. Satz 8.1 im Skript).

Fur den Grenzwert x ∈ [1, 2] gilt x = limn→∞ xn. Aufgrund der rekursiven Definition erfullt dieser folgendeGleichung (Permanenzregeln anwendbar, da (xn)n∈N0 ja konvergiert; Limes und Quadratwurzel vertauschen,vgl. Zentralubung):

x = limn→∞

xn = limn→∞

√1 + xn−1 =

√1 +

(lim

n→∞xn−1

)=√

1 + x

Der letzte Schritt ist gultig, da fur m := n− 1, die Bedingung n →∞ aquivalent zu m →∞ ist und folglich

limn→∞ xn−1 = limm→∞ xmDef= x gilt.

Der Grenzwert x erfullt daher die Gleichung x =√

1 + x oder aquivalent x2 = 1+x. Mit der p-q-Formel findet

man die Losungen der quadratischen Gleichung x2−x−1 = 0 zu x1 := 1+√

52 und x2 := 1−

√5

2 . Da x2 negativ

ist und x1 in [1, 2] liegt, ist x1 = 1+√

52 = g der gesuchte Grenzwert. �

Aufgabe 28

Die komplexe Folge (cn) konvergiere gegen c ∈ C.

(a) Zeigen Sie, dass dann auch die Folge (σn) =

(∑nk=1 ck

n

)gegen c konvergiert.

(b) Gilt auch die Umkehrung von (a)? Beweis oder Gegenbeispiel!

Losung:

(a) Sei ε > 0 beliebig. Da (cn)n∈N gegen c ∈ C konvergiert, gibt es ein N1 := N( ε2 ) ∈ N, so dass fur alle

n ≥ N1 die Abschatzungung |cn − c| < ε2 gultig ist.

Somit gilt fur alle n ≥ N1:

|σn − c| =∣∣∣∣∑n

k=1 ck

n− c

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣∑nk=1(ck − c)

n

∣∣∣∣ =∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

+

∑nk=N1

(ck − c)n

∣∣∣∣∣ ≤≤

∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣+∣∣∣∣∣∑n

k=N1(ck − c)n

∣∣∣∣∣ ≤∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣+∑n

k=N1|ck − c|

n<

<

∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣+ (n−N1 + 1) · ε2

n≤

∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣+ n · ε2

n=

∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣+ ε

2

Da∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)∣∣∣ ∈ R konstant ist, gibt es nach Archimedischem Axiom ein N2 ∈ N, so dass

∀n ≥ N2: ∣∣∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)n

∣∣∣∣∣ =∣∣∣∑N1−1

k=1 (ck − c)∣∣∣

n<

ε

2

Damit gilt fur alle n ≥ N := max {N1, N2}: |σn − c| < ε2 + ε

2 = ε, womit die Konvergenz der Folge(σn)n∈N gegen den Grenzwert c bewiesen ist.

(b) Die Umkehrung ist falsch, wie folgendes Gegenbeispiel zeigt:

Sei cn := (−1)n. Dann konvergiert (σn)n∈N gegen 0, wahrend (cn)n∈N offensichtlich nicht konvergentist (vgl. Skript 7.8 (5)).

Elementare Begrundung fur die Konvergenz von (σn)n∈N gegen 0:

28

Page 30: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Die Summe∑n

k=1 ck ist entweder 0 (n gerade) oder −1 (n ungerade). Somit ist |∑n

k=1 ck| ≤ 1 fur allen ∈ N. Daraus folgt aber zu jedem vorgegebenem ε > 0 sofort die Existenz von N ∈ N mit:

|σn − 0| =∣∣∣∣∑n

k=1 ck

n

∣∣∣∣ = |∑n

k=1 ck|n

≤ 1n≤ 1

N< ε

fur alle n ≥ N :=⌈

⌉+ 1.

Aufgabe 29

Sei a ∈ C, a 6= 0, und√

a eine ihrer beiden Wurzeln. Zeigen Sie, dass die mit einem beliebigen

Startwert z0 ∈ C−R i√

a durch zn+1 := 12

(zn + a

zn

)rekursiv definierte Folge (zn) gegen eine Wurzel

aus a konvergiert und zwar gegen diejenige, die in derselben durch die Gerade G := R i√

a bestimmtenHalbebene liegt wie z0. Was passiert bei z0 ∈ G?

Losung: Wir definieren ωn := zn√a. Dann gilt:

zn+1 =12

(zn +

a

zn

)⇐⇒ zn+1√

a=

12

(zn√a

+√

a

zn

)⇐⇒ ωn+1 =

12

(ωn +

1ωn

)Es ist wegen der Proportionalitat naturlich klar, dass zn genau dann konvergiert, wenn ωn konvergiert (Perma-nenzregel).

Weiter ist z0 ∈ R i√

a ⇐⇒ ω0 ∈ R i, d.h. wir starten mit ω0 = z0√a∈ C \ R i.

Zuerst zeigen wir, dass der mogliche Grenzwert von ωn in der selben Halbebene bezuglich der Geraden R i wieω0 liegen muss: Fur ωn = Re(ωn) + i Im(ωn) gilt namlich

Re(ωn+1) + i Im(ωn+1) = ωn+1 =12

(ωn +

1ωn

)=

12

(ωn +

ωn

|ωn|2

)=

=12

(Re(ωn) + i Im(ωn) +

1|ωn|2

(Re(ωn)− i Im(ωn)

))=

=12

(Re(ωn)

(1 +

1|ωn|2

)︸ ︷︷ ︸

>0

+i Im(ωn)(1− 1

|ωn|2))

(6.1)

also Re(ωn+1) > 0 ⇐⇒ Re(ωn) > 0 ⇐⇒ Re(ω0) > 0 ∀n ∈ N und Re(ωn+1) < 0 ⇐⇒ Re(ωn) < 0 ⇐⇒Re(ω0) < 0 ∀n ∈ N. Startet man also mit ω0 in der rechten/linken Halfte der komplexen Ebene, so liegen alleFolgenglieder ωn (n ∈ N) in dieser Halbebene.

Es bleibt also nur noch zu zeigen, dass die Folge im ersten Fall gegen 1 im zweiten Fall gegen (−1) konvergiert(denn genau dann konvergiert (zn)n∈N gegen

√a bzw. −

√a). Hierfur geben wir zwei mogliche Beweise:

(a) Beweis:

• Wir betrachten zunachst den Fall Re(ω0) > 0 (rechte Halbebene) und zeigen Konvergenz der Folge(ωn)n∈N gegen +1:

Sei |ωn| ≤ 23 , so gilt nach (6.1):

Re(ωn+1) =12

Re(ωn)(1 +

1|ωn|2

)≥ 1

2Re(ωn)

(1 +

94)

=138

Re(ωn) > 0

29

Page 31: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

d.h. der Realteil der Folge (ωn)n∈N wachst in jedem Schritt (unabhangig vom Imaginarteil) minde-stens auf das 13

8 -fache an, bis schließlich |ωn| > 23 ist (spatestens, wenn Re(ωn) > 2

3 ist).

Umgekehrt fuhrt die Bedingung |ωn| ≥ 32 auf die Ungleichung:

0 ≤ |ωn+1| =∣∣∣∣12(ωn +

1ωn

)∣∣∣∣ ≤ 12

(|ωn|+

1|ωn|

)≤ 1

2|ωn|+

23

=3 |ωn|+ 4

6≤ 17

18|ωn|

d.h. der Betrag der Folgenglieder ωn schrumpft in jedem Schritt auf das 1718 -fache, bis schließlich

|ωn| < 32 ist.

OE kann man daher annehmen, daß bereits 23 < |ω0| < 3

2 gilt (Weglassen der ersten Folgenglieder).Speziell gilt dann fur alle n ∈ N die Abschatzung 2

3 < |ωn| < 32 , da (induktiv):

23

=12

∣∣∣∣23 +132

∣∣∣∣ < |ωn+1| =∣∣∣∣12(ωn +

1ωn

)∣∣∣∣ = 12

∣∣∣∣ωn +1

ωn

∣∣∣∣ < 12

∣∣∣∣32 +123

∣∣∣∣ = 32

Alle Folgenglieder liegen somit in dem Kreisring mit innerem Radius 23 und außerem Radius 3

2 umden Ursprung der komplexen Zahlenebene (geschnitten mit der rechten Halbebene, da Re(ωn) > 0).

Nun zeigen wir, daß der Abstand von ωn zu 1 in jedem Schritt mindestens um den Faktor√

134 < 1

kleiner wird:

|ωn+1 − 1| =∣∣∣∣12(ωn +

1ωn

)− 1∣∣∣∣ = 1

2

∣∣∣∣ωn +1

ωn− 2∣∣∣∣ = 1

2 |ωn|∣∣ωn

2 + 1− 2ωn

∣∣ ==

12 |ωn|

∣∣(ωn − 1)2∣∣ = |ωn − 1|

2 |ωn||ωn − 1| <

√134

|ωn − 1|

wobei der Faktor√

134 aus folgender Abschatzung stammt:

23

< |ωn| <32

=⇒ 49

< |ωn|2 =⇒ 1 <94|ωn|2 + 2 Re(ωn)︸ ︷︷ ︸

>0

=94|ωn|2 + 2 · ωn + ωn

2

⇐⇒ |ωn − 1|2 = (ωn − 1) · (ωn − 1) = |ωn|2 − ωn − ωn + 1 <134|ωn|2

⇐⇒ |ωn − 1|2

4 |ωn|2<

1316

=⇒ |ωn − 1|2 |ωn|

<

√134

< 1

Damit gilt |ωn − 1| ≤(√

134

)n

· |ω0 − 1| und die Folge (ωn)n∈N mit Re(ω0) > 0 konvergiert gegen

+1. Aquivalent hierzu konvergiert (zn)n∈N mit z0 ∈ {z ∈ C | z = λ√

a + i µ√

a mit λ, µ ∈ R, λ > 0}(i.e. die Halbebene in der

√a liegt) gegen

√a.

• Der Fall Re(ω0) < 0 (aquivalent z0 ∈ {z ∈ C | z = λ√

a + i µ√

a mit λ, µ ∈ R, λ < 0}, i.e. dieHalbebene in der −

√a liegt) folgt vollig analog. Gleiche Abschatzungen ergeben Konvergenz von

(ωn)n∈N gegen −1, d.h. Konvergenz von (zn)n∈N gegen −√

a.

(b) Beweis: Wieder fuhren wir nur den Fall Re(ω0) > 0 aus:

Man betrachte die Folge

αn :=ωn − 1ωn + 1

Nach (6.1) gilt Re(ωn) > 0 ∀n ∈ N und der Nenner wird niemals 0.

(αn)n∈N konvergiert offensichtlich genau dann gegen 0, wenn (ωn)n∈N gegen 1 konvergiert (genau dannwenn (zn)n∈N gegen

√a konvergiert). Der Witz an der Sache ist die rekursive Definition von αn:

αn+1 =ωn+1 − 1ωn+1 + 1

=12

(ωn + 1

ωn

)− 1

12

(ωn + 1

ωn

)+ 1

=ωn + 1

ωn− 2

ωn + 1ωn

+ 2=

ωn2 + 1− 2ωn

ωn2 + 1 + 2ωn

=

=(ωn − 1)2

(ωn + 1)2= αn

2 =(α0

)2(n+1)

30

Page 32: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

kurzes Rechnen zeigt:

|α0|2 = α0 · α0 =ω0 − 1ω0 + 1

· ω0 − 1ω0 + 1

=|ω0|2 − 2 Re(ω0) + 1|ω0|2 + 2 Re(ω0) + 1︸ ︷︷ ︸

=|ω0+1|2

= 1− 4 Re(ω0)|ω0 + 1|2︸ ︷︷ ︸

>0

< 1

Also geht (αn)n∈N gegen 0 (geometrische Folge) und die Aussage ist gezeigt.

Im Fall Re(ω0) < 0 betrachte man die Folge βn := ωn+1ωn−1 (wieder wird der Nenner nach (6.1) niemals 0).

Diese konvergiert genau dann gegen 0, wenn (ωn)n∈N gegen −1 konvergiert (aquivalent dazu konvergiert(zn)n∈N gegen −

√a). Erneut gilt

βn+1 =ωn+1 + 1ωn+1 − 1

=ωn

2 + 1 + 2ωn

ωn2 + 1− 2ωn

=(ωn + 1)2

(ωn − 1)2= βn

2 =(β0

)2(n+1)

und |β0|2 = 1 +4 Re(ω0)|ω0 − 1|2︸ ︷︷ ︸

<0

< 1 �

Damit konvergiert die Folge (zn)n∈N mit z0 ∈ C \R i√

a stets gegen diejenige Quadratwurzel√

a bzw. −√

a,die in der gleichen Halbebene bezuglich der Geraden R i

√a liegt, wie der Startwert z0.

Fur z0 ∈ R i√

a konvergiert die Folge (zn)n∈N dagegen nicht.

Beweis: Wieder betrachtet man wir die Folge (ωn)n∈N, diesmal mit einem Startwert ω0 = z0√a∈ R i, d.h.

Re(ω0) = 0. Aus der Darstellung (6.1) folgt, ωn+1 = i 12 Im(ωn)

(1 − 1

|ωn|2)∈ R%, i. Alle Folgenglieder ωn

(n ∈ N) haben damit Realteil 0 und liegen auf der imaginaren Achse R i (aquivalent liegen alle Folgengliederzn (n ∈ N) auf der Geraden R i

√a).

Speziell gilt |ωn| = Im(ωn) und fur xn := Im(ωn) gilt die Rekursionsvorschrift x0 := z0i√

a∈ R, xn+1 =

12

(xn − 1

xn

)∈ R.

Man sieht sofort, daß die Folge nicht wohldefiniert ist, falls ein xn = 0 wird (dann enthalt die Definition vonxn+1 eine Division durch Null). Aber auch wenn alle Folgenglieder definiert sind hat man keinen Grenzwert,denn die einzig moglichen (reellwertigen) Konvergenzpunkte der (reellen) Folge (xn)n∈N mussten folgendeGleichung erfullen:

x = limn→∞

xn+1 = limn→∞

12(xn −

1xn

)=

12(x− 1

x

)⇐⇒ 2x = x− 1

x⇐⇒ x = − 1

x

⇐⇒ x2 = −1 x ∈ R

Damit konvergiert die Folge (xn)n∈N nicht und somit konvergiert auch (zn)n∈N nicht.

Alternativ kann man zeigen, daß aufeinanderfolgende Glieder der Folge (xn)n∈N mindestens Abstand 1 haben:

|xn+1 − xn| =∣∣∣∣12(xn −

1xn

)− xn

∣∣∣∣ = 12

∣∣∣∣xn +1xn

∣∣∣∣ ≥ 12· 2 = 1

Somit ist (xn)n∈N keine (reelle) Cauchy-Folge und konvergiert deshalb auch nicht. �

Aufgabe 30

Ein Kriminalfall:

KHK K. hat drei Tatverdachtige, nennen wir sie P,Q und R. Die Vorermittlungen haben ergeben:

31

Page 33: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) Wenn sich Q oder R als Tater herausstellen, dann ist P unschuldig.

(b) Ist aber P oder R unschuldig, dann muss Q der Tater sein.

(c) Ist R schuldig, dann ist P Mittater.

Wer also war(en) der/die Tater, wer ist unschuldig?

Losung: Zunachst wollen wir die drei Aussagen aus der Umgangssprache in die Sprache der Logik ubersetzen.Dabei ist Vorsicht bei Aussage zwei geboten: Die Negation steht nicht vor der Klammer (d.h. ¬(p∨ r) ⇒ q istkeine richtige Ubersetzung).

Definition der logischen Aussagen:

p: P ist Tater (bzw. Mittater, falls es mehrere Tater gibt)

q: Q ist Tater (Mittater)

r: R ist Tater (Mittater)

Damit erhalt man folgende Ubersetzung von KHK K’s Ermittlungen:

(a) q ∨ r ⇒ ¬p (b) ¬p ∨ ¬r ⇒ q (c) r ⇒ p

Im Wesentlichen gibt es drei verschiedene Moglichkeiten die Aufgabe zu losen. Sicherlich am einfachsten (aberauch etwas stupide) ist es, eine Wahrheitstabelle anzufertigen. Es gibt drei Variablen p, q, r, d.h. 23 = 8Zeilen in der Tabelle. Zu uberprufen ist die logische Und-Verknupfung der obigen drei Aussagen. Stellt sich dieAussagenkombination bei genau einer Zeile als wahr heraus, ist die Aufgabe eindeutig gelost.

Die zweite Moglichkeit besteht darin, die logische Und-Verknupfung der drei Aussagen aquivalent umzuformen,bis die Losung offensichtlich ist. Dabei benutzt man die aussagenlogische Aquivalenz: (a ⇒ b) ⇐⇒ (¬a ∨ b)und formt die Und-Verknupfung der drei Bedingungen aussagenlogisch aquivalent um (vgl. Proposition 1.1 aufden Folien der Zentralubung):

(q ∨ r ⇒ ¬p) ∧ (¬p ∨ ¬r ⇒ q) ∧ (r ⇒ p)

⇐⇒(¬(q ∨ r) ∨ ¬p

)∧(¬(¬p ∨ ¬r) ∨ q

)∧(¬r ∨ p

)⇐⇒

((¬q ∧ ¬r) ∨ ¬p

)∧((p ∧ r) ∨ q

)∧(¬r ∨ p

)⇐⇒

(((¬q ∧ ¬r) ∧ (p ∧ r)

)∨((¬q ∧ ¬r) ∧ q

)∨(¬p ∧ (p ∧ r)

)∨(¬p ∧ q

))∧(¬r ∨ p

)⇐⇒

((¬q ∧ ¬r ∧ p ∧ r)︸ ︷︷ ︸

falsche Aussage

∨ (¬q ∧ ¬r ∧ q)︸ ︷︷ ︸falsche Aussage

∨ (¬p ∧ p ∧ r)︸ ︷︷ ︸falsche Aussage

∨ (¬p ∧ q))∧(¬r ∨ p

)⇐⇒ (¬p ∧ q) ∧ (¬r ∨ p)

⇐⇒ (¬p ∧ q ∧ ¬r) ∨ (¬p ∧ q ∧ p)︸ ︷︷ ︸falsche Aussage

⇐⇒ (¬p ∧ q ∧ ¬r)

d.h. Q ist Tater und weder P noch R sind (Mit-)Tater.

Alternativ geben wir eine dritte Moglichkeit, die sicherlich am ehesten dem Vorgehen des KHK K. entsprechenwurde. Er wird verschiedene Verdachte haben und diese durchspielen. Dabei muss jedoch neben der Eindeu-tigkeit auch die Existenz der Losung gezeigt werden. Schließlich konnten schlampige Ermittlungen zu sichwidersprechenden Aussagen gefuhrt haben. Das Aussagensystem ist also auf Konsistenz zu prufen.

32

Page 34: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Zur Eindeutigkeit:

p(1)=⇒ ¬(q ∨ r) ⇐⇒ ¬q ∧ ¬r

(2)=⇒ ¬q ∧ q

r(1)=⇒ ¬p ∧ r

(3)=⇒ ¬p ∧ p

¬q(2)=⇒ ¬(¬p ∨ ¬r) ⇐⇒ p ∧ r

(1)=⇒ p ∧ ¬p

Falls das Aussagensystem konsistent ist, heißt die Losung also q ∧ (¬p) ∧ (¬r).

Um die Existenz der Losung nachzuweisen, sind alle moglichen Schlusse aus ihr zu ziehen. Dabei darf keinWiderspruch auftreten.

q(1)=⇒ ¬p wahr

¬p(2)=⇒ ¬p ∧ q

(3)=⇒ q ∧ ¬r wahr

¬r(2)=⇒ q wahr

Damit ist wieder Q als der einzige Tater entlarvt. �

Ubungsblatt 7

Aufgabe 31

Sei a ∈ R, a > 0, und x0 ∈ R, x0 > 0, so gewahlt, dass a x0 < 2 gilt. Zeigen Sie, dass die mit demStartwert x0 und durch xn+1 := 2xn−axn

2, fur n ≥ 0 rekursiv definierte Folge (xn) ab n ≥ 1 monotonwachst und gegen 1

a konvergiert.

Zeigen Sie ferner, dass die Konvergenz quadratisch ist, d.h. es gibt eine positive reelle Zahl C, sodass fur alle n ∈ N gilt ∣∣∣∣xn+1 −

1a

∣∣∣∣ ≤ C

(xn −

1a

)2

Fur a = 7 und x0 = 0,1 berechne man x1, x2, x3, x4, x5.

Losung: Die Beschranktheit von (xn)n∈N erhalt man sofort aus

∀n ∈ N : xn = 2xn−1 − axn−12 =

1a− a

(xn−1

2 − 2xn−1

a+

1a2

)=

1a− a

(xn−1 −

1a

)2

︸ ︷︷ ︸≥0 (a>0)

≤ 1a

Wir zeigen die Monotonie der Folge (xn)n∈N wie in der Aufgabe verlangt. Fur n ≥ 1 sieht man sofort:

xn+1 = 2xn − axn2 = xn(2− a xn︸︷︷︸

≤a−1

) ≥ xn

(2− a

1a

)= xn

Naturlich folgt die Konvergenz der Folge (xn)n∈N nun aus Satz 9.3 (Skript).

Der Grenzwert z := limn→∞ xn erfullt – aufgrund der Rekursionsvorschrift – notwendig folgende Gleichung:

z = 2z − az2 ⇐⇒ 0 = z − az2 = z · (1− az) ⇐⇒ z = 0 ∨ z =1a

Da aber x1 = 2x0 − ax02 = x0(2− ax0︸︷︷︸

<2

) > 0 und die Folge (xn)n∈N ab n ≥ 1 monoton wachst, ist auch ihr

Grenzwert echt großer als Null. Somit gilt limn→∞ xn = 1a > 0 wie gefordert.

33

Page 35: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Die quadratische Konvergenz ergibt sich wie folgt:

∣∣∣xn+1 −1a︸ ︷︷ ︸

≤0

∣∣∣ = 1a− xn+1 =

1a− 2xn + axn

2 = a ·(

1a2

− 2xn1a

+ xn2

)=

= a ·(

1a− xn

)2

≤ C ·(

xn −1a

)2

mit C ≥ a > 0

Damit ergibt sich zugleich noch ein alternativer Beweis der Konvergenz: Aus der Gleichungskette∣∣∣∣xn+1 −1a

∣∣∣∣ = a

∣∣∣∣xn −1a

∣∣∣∣2 = a

(a

∣∣∣∣xn−1 −1a

∣∣∣∣2)2

= . . . = a·a2 ·. . .·a2n

·∣∣∣∣x0 −

1a

∣∣∣∣2n+1

=1a

(a

∣∣∣∣x0 −1a

∣∣∣∣)2n+1

und der Tatsache, daß

a

∣∣∣∣x0 −1a

∣∣∣∣ = |ax0 − 1| < 1 (wegen 0 < ax0 < 2)

folgt

0 ≤∣∣∣∣xn+1 −

1a

∣∣∣∣ = 1a

(a

∣∣∣∣x0 −1a

∣∣∣∣)2n+1

=1a|ax0 − 1|︸ ︷︷ ︸

<1

2n+1 n→∞−−−−→ 0 =⇒ xnn→∞−−−−→ 1

a

Um zu sehen, was quadratische Konvergenz bedeutet berechnen wir die ersten sieben Folgenglieder fur a = 7und x0 = 0.1 (mit MAPLE):

> Digits:=75;

Digits := 75> a:=7:x[0]:=0.1:for i from 1 to 7 do x[i]:=2*x[i-1]-a*x[i-1]^2 od;

x1 := 0.13x2 := 0.1417

x3 := 0.14284777x4 := 0.1428571422421897

x5 := 0.14285714285714285449568544449737x6 := 0.1428571428571428571428571428571428080902311386783930763164415817

x7 := 0.142857142857142857142857142857142857142857142857142857142857142857126014022> evalf(1/7);

0.142857142857142857142857142857142857142857142857142857142857142857142857142

Bei Vergleich mit dem exakten Wert 17 = 0.142857 erkennt man, dass sich die Anzahl der korrekten Dezimal-

stellen in jedem Iterationsschritt verdoppelt. Das Verfahren konvergiert also sehr schnell. �

Aufgabe 32

Sei (an) eine Folge positiver reeller Zahlen. Zeigen sie, dass folgende Eigenschaften aquivalent sind:

(a) Zu jeder reellen Zahl C > 0 gibt es eine naturliche Zahl N , so dass fur alle n ∈ N mit n ≥ Ngilt an > C. (Man sagt: ”Die Folge (an) wachst uber alle Grenzen”).

(b) Die Folge (bn) :=(

1an

)ist eine Nullfolge.

34

Page 36: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Losung: Seien C, ε > 0 reell mit ε = 1C (mit C durchlauft auch ε alle positiven reellen Zahlen, ebenso

umgekehrt) so gelten folgende Aquivalenzen:

(a) ⇐⇒ ∀C > 0 ∃N ∈ N : ∀n ∈ N mit n ≥ N gilt: an > C

⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃N ∈ N : ∀n ∈ N mit n ≥ N gilt: an >1ε

⇐⇒ ∀ ε > 0 ∃N ∈ N : ∀n ∈ N mit n ≥ N gilt:1an

< ε

⇐⇒(

1an

)n∈N

konvergiert gegen Null

⇐⇒ (bn)n∈N ist Nullfolge

⇐⇒ (b)

Aufgabe 33

Sei a eine positive reelle Zahl. Man wahle eine positive reelle Zahl x0 mit x03 > a als Startwert und

definiere rekursiv (fur n ∈ N0):

xn+1 := xn +a− xn

3

3xn2

=2xn

3 + a

3xn2

Zeigen Sie: (xn) konvergiert monoton fallend gegen die eindeutig bestimmte positive Losung derGleichung x3 = a.

Bezeichnung: limn→∞ xn =: 3√

a

Man zeige wieder die quadratische Konvergenz:∣∣xn+1 − 3√

a∣∣ ≤ C (xn − 3

√a)2 (fur ein C > 0 geeignet)

Fur a = 2 und x0 = 2 bestimme man x1, x2, x3, x4, x5.

Losung: Es gilt: xn+1 = 13 (3xn + a

xn2 − xn) = 1

3 (2xn + axn

2 ).

1. Induktiv zeigt man, dass xn > 0 fur alle n ∈ N0 gilt. Fur n = 0 ist dies nach Voraussetzung erfullt(x0 > 0). Weiter folgt aus xn > 0 (und a > 0) sofort xn+1 = 1

3

(2xn + a

xn2

)> 0. Damit ist die Folge

nach unten beschrankt.

2. Fur alle n ∈ N0 gilt xn3 ≥ a.

Beweis: Der Induktionsanfang ist klar: x03 > a nach Voraussetzung. Im Induktionsschritt impliziert

xn3 ≥ a sofort:

xn+13 = xn

3 · xn+13

xn3

= xn3 ·(

xn+1

xn

)3

= xn3

(xn + a−xn

3

3xn2

xn

)3

=

= xn3

(1 +

a− xn3

3xn3

)3

≥ xn3

(1 +

a− xn3

xn3

)= xn

3 · a

xn3

= a

wobei bei der Abschatzung “≥” nach unten die Bernoullische Ungleichung (mit Exponent 3) verwendet

wurde, was moglich ist, da −2xn3 < 0 < a und damit −1 < a−xn

3

3xn3 ≤ 0. �

35

Page 37: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

3. Nun konnen wir zeigen, daß fur alle n ∈ N0 gilt xn+1 ≤ xn, d.h. die Folge (xn)n∈N ist monoton fallend.

Beweis:

xn+1 =13

(2xn +

a

xn2

)≤ xn ⇐⇒ 2xn +

a

xn2≤ 3xn ⇐⇒ a

xn2≤ xn ⇐⇒ a ≤ xn

3

Aus 1. 2. und 3. folgt nun, dass die Folge (xn)n∈N insgesamt monoton fallend und (durch 0) nach untenbeschrankt ist, d.h. sie konvergiert nach Satz 9.3 (Skript) gegen einen eindeutigen Grenzwert, fur welchen gilt:

0 ≤ x = x +a− x3

3x2oder aquivalent x3 = a ∧ x ≥ 0

Mit anderen Worten: (xn)n∈N konvergiert nach 1. und 3. monoton fallend gegen die eindeutig bestimmte po-sitive Losung der Gleichung x3 = a.

Wir zeigen nun die quadratische Konvergenz. Da xn+1 ≥ 3√

a und x = limn→∞ xn = 3√

a gilt:

∣∣xn+1 − 3√

a∣∣ = xn+1 − x =

13

(2xn +

a

xn2

)− 1

3

(2x +

a

x2

)=

13

(2(xn − x) + a

(1

xn2− 1

x2

))=

13

(2(xn − x) + a

(1xn

− 1x

)·(

1xn

+1x

))=

13

(2(xn − x) + a

x− xn

xn x

(1xn

+1x

))=

13(xn − x)

(2− a

xn x

(1xn

+1x

))=

13(xn − x)

(1− x2

xn2

+ 1− x

xn

)=

13(xn − x) ·

(1− x

xn

)·((

1 +x

xn

)+ 1)

=13(xn − x) ·

(xn − x

xn

)·(

2 +x

xn

)=

13· 1xn

·(

2 +x

xn

)· (xn − x)2

≤ C · (xn − x)2 mit C :=1x

=13√

a> 0

Die letzte Abschatzung gilt, da wegen xn ≥ x = 3√

a fur alle n ∈ N0 sofort

∀n ∈ N0 :13· 1xn

·(

2 +x

xn

)≤ 1

3· 1x· 3 =

1x

=13√

a=: C

folgt.

Die ersten 7 Iterationen zu a = 2 und x0 = 2 lassen sich in MAPLE z.B. mit der folgenden Schleife berechnen:

> Digits:=75;

Digits := 75> a:=2:x[0]:=2:for i from 1 to 7 do

> x[i]:=evalf((2*x[i-1]^3+a)/(3*x[i-1]^2)) od;

36

Page 38: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

x1 := 1.5x2 := 1.29629629629629629629629629629629629629629629629629629629629629629629629630x3 := 1.26093222474174855127236079617031997984378936759889140841521793902746283699x4 := 1.25992186056592625032709872756596163029388789602612678875139513200243373224x5 := 1.25992104989539477442883227583580694702571309648689103069245140042551622368x6 := 1.25992104989487316476721082322559990978283014226995650436345102336814342785x7 := 1.25992104989487316476721060727822835057025146470154499293074625036063252767

> evalf(2^(1/3));

1.25992104989487316476721060727822835057025146470150798008197511215529967651

Wieder hat man also eine sehr schnelle Konvergenz (hohe Genauigkeit schon nach wenigen Schritten). �

Aufgabe 34

Zeigen Sie, dass die folgenden Reihen konvergieren und die angegebenen Summen haben

(a)∑∞

k=0

(12k + (−1)k

3k

)= 11

4 (b)∑∞

k=1k+3

k(k+1)(k+2) = 54

(c)∑∞

k=11

(2k−1)2 = 34s mit s :=

∑∞k=1

1k2 (d)

∑∞k=1

1fkfk+2

= 1

dabei ist fk die k-te Fibonacci-Zahl.

Losung:

(a) Wir fassen die gegebene Reihe als Grenzwert der Folge ihrer (endlichen) Partialsummen mit oberem

Summationsindex N auf und durfen fur jede Partialsumme die geometrische Summenformel∑N

k=0 qk =1−qN+1

1−q ∀N ∈ N, q 6= 1 anwenden :

∞∑k=0

12k

+(−1)k

3k= lim

N→∞

(N∑

k=0

12k

+(−1)k

3k

)= lim

N→∞

(N∑

k=0

12k

+N∑

k=0

(−13

)k)

=

= limN→∞

(1−

(12

)N+1

1−(

12

) +1−

(−13

)N+1

1−(−1

3

) )= lim

N→∞

(1−

(12

)N+1)· 4

3 +(1−

(−13

)N+1)· 1

2

12 ·

43

=

= limN→∞

32 ·(

43 −

43 ·(

12

)N+1 + 12 −

12 ·(−1

3

)N+1)

= limN→∞

(2 + 3

4 − 2 ·(

12

)N+1 − 34 ·(−1

3

)N+1)

Da∣∣ 12

∣∣ < 1 und∣∣−1

3

∣∣ < 1 geht der jeweilige Subtrahend −2 ·(

12

)N+1bzw. − 3

4 ·(−1

3

)N+1gegen 0.

Aufgrund der Permanenzregeln ergibt sich nach Grenzwertbildung das Resultat:

∞∑k=0

12k

+(−1)k

3k= lim

N→∞

32·

(43− 4

3·(

12

)N+1

+12− 1

2·(−13

)N+1)

=

= limN→∞

(2 +

34− 2 ·

(12

)N+1

− 34·(−13

)N+1)

= 2 +34

=114

(b) Mittels Partialbruchzerlegung k+3k(k+1)(k+2) =

32k −

2k+1 +

12

(k+2) findet man folgende Darstellung der Reihe:

∞∑k=0

k + 3k(k + 1)(k + 2)

=∞∑

k=0

32k

− 2k + 1

+1

2(k + 2)=

12·∞∑

k=0

3k− 4

k + 1+

1k + 2

37

Page 39: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Nun bedienen wir uns abermals der obigen Technik (Reihe ist Grenzwert der Folge ihrer Partialsummen):

∞∑k=0

k + 3k(k + 1)(k + 2)

= limN→∞

12·

N∑k=0

3k− 4

k + 1+

1k + 2

=12· lim

N→∞

(N∑

k=0

3k− 4

k + 1+

1k + 2

)

Nun schreiben wir die Summe in den ersten Elementen aus um zu sehen welche Terme sich moglicherweisewegheben. Offensichtlich heben sich der letzte Term einer Klammer mit dem zweiten Term der nachstenKlammer, sowie dem ersten Term der darauffolgenden Klammer weg (Teleskopsumme), so dass wirfolgende Formel fur unsere endliche Summe finden:

N∑k=0

3k− 4

k + 1+

1k + 2

=

=(

31 −

42 + ��

13

)+(

32 − ��

43 + AA

14

)+(��33 − AA

44 + ��AA

15

)+(AA34 − ��AA

45 + 1

6

∥∥)+ . . .

. . . +(�

��3N−2 −Z

ZZ4

N−1 + ��SS1N

)+(Z

ZZ3

N−1 −��SS4N + 1

N+1

)+(��SS3N − 4

N+1 + 1N+2

)=

= 31 −

42 + 3

2 + 1N+1 −

4N+1 + 1

N+2 = 52 −

3N+1 + 1

N+2

Einsetzen dieser Formel, sowie Ausfuhren des Grenzprozeßes unter Benutzung der Permanenzregeln ergibtdas Resultat:

12· lim

N→∞

(N∑

k=0

3k− 4

k + 1+

1k + 2

)=

12· lim

N→∞

(52− 3

N + 1+

1N + 2

)=

12· 52

=54

(c) Wir nutzen die Defintion der ζ-Funktion ζ(2) =∑∞

k=11k2 =: s aus:

∞∑k>0 gerade

1k2

=∞∑

k=1

1(2k)2

=14

∞∑k=1

1k2

=s

4

Damit gilt sich bereits die Behauptung:

∞∑k=1

1(2k − 1)2

=∞∑

k>0 ungerade

1k2

=∞∑

k=1

1k2

−∞∑

k>0 gerade

1k2

= s− s

4=

34s

(d) Wir wollen wieder wie in Teilaufgabe (a) und (b) vorgehen. Dazu benotigen wir jedoch zunachst eine

Formel fur unsere endliche Summe∑N

k=11

fkfk+2. Ein weißes Blatt und etwas Experimentieren ergibt die

nicht offensichtliche Vermutung∑N

k=11

fkfk+2= 1− 1

fN+1fN+2, die per Induktion zu beweisen ist:

Induktionsanfang (N = 1):∑1

k=11

fkfk+2= 1

f1f3= 1

2 = 1− 12 = 1− 1

f2f3

Da f1 = f2 = 1 und f3 = 2 ist, gilt die Gleichheit.

Induktionsvoraussetzung: Fur N gilt die Aussage.

Induktionsschritt (N N + 1):

N+1∑k=1

1fkfk+2

=N∑

k=1

1fkfk+2

+1

fN+1fN+3

IV= 1− 1fN+1fN+2

+1

fN+1fN+3=

= 1− 1fN+1

(1

fN+2− 1

fN+3

)= 1− 1

fN+1

(fN+3 − fN+2

fN+2fN+3

)=

= 1− 1fN+1

(fN+1

fN+2fN+3

)= 1− 1

fN+2fN+3

Weiter wissen wir daß die Folge (fn)n∈N divergiert (Nach Aufgabe 24 (b) wachst sie uber jede Grenze).

Per Induktion zeigt man fn ≥ n− 1 ∀n ∈ N:

38

Page 40: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Induktionsanfang (n = 1, 2): f1 = 1 ≥ 0 = 1− 1 und f2 = 1 ≥ 1 = 2− 1

Induktionsvoraussetzung: Fur n gilt die Aussage bereits.

Induktionsschritt (n n+1): n+1 ist mindestens 3, da wir ja im Induktionsanfang die Aussage schonfur n = 1 und n = 2 gezeigt haben. Zudem ist fn ≥ 1 ∀n ∈ N (vgl. Aufgabe 24 (b)).

fn+1 = fn + fn−1

IV

≥ (n− 1) + fn−1 = n + fn−1 − 1︸ ︷︷ ︸≥0

≥ n

Nach diesen Vorbereitungen beginnen wir mit unserer Argumentation: Wenn die Reihe∑∞

k=11

fkfk+2den

Wert 1 haben soll, muß die Folge ihrer Partialsummen gegen 1 konvergieren, also:

0 ≤ limN→∞

∣∣∣∣∣N∑

k=1

1fkfk+2

− 1

∣∣∣∣∣ = limN→∞

∣∣∣∣1− 1fN+1fN+2

− 1∣∣∣∣ = lim

N→∞

1fN+1fN+2

≤ limN→∞

1N(N + 1)

= 0

Folglich konvergiert die Folge der Partialsummen gegen 1 und die gegebene Reihe hat den Wert 1.

Aufgabe 35

Bei unserer Zeitreise durch die Geschichte der Mathematik verweilen wir auf unserem fliegendenTeppich in der Zeit der Christenverfolgung uber der Arena des Kolosseums in Rom und entdeckenin der kreisformigen Arena einen Christen und einen sehr hungrigen Lowen an verschiedenen Stellender Arena, die aber beide gleich schnell laufen konnen. Zur Einfachheit denken wir uns beide jeweilszu einem Punkt geschrumpft.

Was wurden Sie an Stelle des Christen tun?

(a) Ein Stoßgebet zum Himmel schicken und auf ein Wunder hoffen?

(b) Was sonst? (Versuchen Sie eine Uberlebensstrategie zu entwickeln.)

Tipp: Die Reihe∑

1k2 ist konvergent, die Reihe

∑1k ist divergent.

Losung: In der Literatur gibt es verschiedene Losungsansatze zu diesem Problem. Eine erfolgreiche Uberlebens-strategie funktioniert wie folgt – dabei leiten wir als “Gottesbote” auf unserem fliegenden Teppich den ehrfurch-tigen Christen wie folgt an:

Zunachst mussen wir sicherstellen, daß der Christ sich zumindest ein kleines Stuck vom Rand der Arenawegbewegt. Dazu lassen wir ihn 1

3 des Abstandes d > 0 zwischen ihm und dem Lowen direkt auf den Lowen zulaufen. Auf diese Weise stellen wir zudem sicher, daß der Christ gottesfurchtig genug ist und den unergrundlichen– fur ihn gefahrlich anmutenden – Weisungen Gottes folgt. Naturlich kann wahrenddessen der Lowe hochstens13 des anfanglichen Abstandes auf den Christen zulaufen. Da die Arena kreisformig (d.h. konvex) ist undsowohl Christ als auch Lowe an verschiedenen Punkten starten, befinden sie sich nach dieser Startphase nochmindestens 1

3 ·d voneinander und der Christ genau a > 0 vom Rand der Arena entfernt (elementargeometrische

Uberlegung mit Pythagoras ergibt a ≥ R−√

R2 − 2d2

9 , wobei R den Radius der Arena bezeichnet; Zeichnung).

Nun haben wir den Christen lange genug auf die Probe gestellt. Wir wahlen daher ε := d3 > 0 und weisen den

Christ an, sich nach folgendem Algorithmus zu bewegen (die Position des Christen im n-ten Schritt sei Cn, diedes Lowen Ln):

Die Verbindungsgerade CnLn teilt die Arena in zwei Teile.Liegt der Mittelpunkt in einem dieser Teile, so lauft der Christ senkrecht zur Verbindungsgeraden CnLn in ebendiesen (großeren) Teil. Dabei uberquert er im Punkt Mn den Durchmesser der Arena, der parallel zu CnLn ist.Ab dieser Stelle lauft der Christ (in der gleichen Richtung) noch genau die Distanz ε

n und erreicht damit Cn+1.

39

Page 41: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Liegt das Zentrum dagegen auf der Geraden CnLn (diese ist selbst der Durchmesser), so kann der Christsenkrecht zu CnLn beliebig in eine der beiden Halften laufen und erreicht wieder nach einer Distanz von ε

n denPunkt Cn+1.

Wir mussen nun noch zeigen, daß der Christ auf diese Weise beliebig lange uberleben kann, d.h. daß sich dergesamte Vorgang innerhalb der Arena abspielt, er eine unendlich lange Wegstrecke zurucklegt und der Abstandzum Lowen dabei stets (fur alle n ∈ N und auf den Laufwegen dazwischen) positiv bleibt.

• Behauptung: Der Abstand zwischen Christ und Lowe ist stets positiv.

Dies zeigt man induktiv: Der Abstand ‖C1 − L1‖2 von C1 zu L1 ist mindestens d3 > 0. Sei zu Be-

ginn des n-ten Schrittes der Abstand ‖Cn − Ln‖2 Christ zu Lowe positiv. Fur jeden Punkt p auf derStrecke CnCn+1 erhalt man ein rechtwinkliges Dreieck ∆(LnCnp), in dem nach Pythagoras ‖p− Ln‖2 =√‖p− Cn‖22 + ‖Cn − Ln‖2

2 > ‖p− Cn‖2 gilt. Der Lowe kann den Christen also auch bei optimaler Stra-

tegie (kurzester Laufweg) nicht erreichen und der Abstand ist auch fur p = Cn+1 noch positiv. Fur dieStartpositionen des nachsten Schrittes gilt wieder:

‖Cn+1 − Ln+1‖2 ≥ ‖Cn+1 − Ln‖2 − ‖Ln+1 − Ln‖2 ≥ ‖Cn+1 − Ln‖2 − ‖Cn+1 − Cn‖2 > 0

• Behauptung: Der gesamte Vorgang findet innerhalb der Arena statt.

Wieder impliziert Pythagoras:

‖Cn+1 −O‖22 = ‖Cn+1 −Mn‖22 + ‖Mn −O‖22 ≤( ε

n

)2

+ ‖Cn −O‖22 ≤

≤( ε

n

)2

+(

ε

n− 1

)2

+ ‖Cn−1 −O‖22 ≤( ε

n

)2

+(

ε

n− 1

)2

+ . . . +(ε

1

)2

+ ‖C1 −O‖22 =

= ε2n∑

j=1

1j2

+ ‖C1 −O‖22 < ε2 · ζ(2) + ‖C1 −O‖22 ≤ 2 · ε2 + ‖C1 −O‖22 ≤

29d2 + (R− a)2 ≤ R2

Fur den Abstand jedes Punktes p auf der Strecke CnCn+1 zum Mittelpunkt O der Arena gilt damit:

‖p−O‖2 ≤ max {‖Cn −O‖2 , ‖Cn+1 −O‖2} < R

und der gesamte Weg des Christen verlauft somit innerhalb der Arenamauern.

• Behauptung: Der Christ kann eine unendlich lange Wegstrecke zurucklegen.

Im n-ten Schritt legt der Christ zumindest die Distanz εn zuruck. Somit gilt fur die Gesamtdistanz bis

zum n-ten Schritt:n∑

j=1

‖Cj+1 − Cj‖2 ≥n∑

j=1

ε

j= ε ·

n∑j=1

1j

n→∞−−−−→∞

Da die harmonische Reihe divergiert, wachst die zuruckgelegte Distanz uber alle Grenzen.

=⇒ Der Christ uberlebt mit dieser Strategie unendlich lange (vielleicht hat er ja bereits das ewige Leben,wahrend der “unglaubige” Lowe sicher nach endlicher Zeit stirbt). �

Ubungsblatt 8

Aufgabe 36

Untersuchen Sie, fur welche z ∈ C die folgenden Reihen konvergieren∑(zk

k2

)k≥1

,∑(

k! zk)k≥0

,∑(

k!kk

zk

)k≥1

40

Page 42: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Losung:

(i) Behauptung:∑∞

k=1zk

k2 ist absolut konvergent fur |z| ≤ 1 und sonst divergent.

Wir beweisen dies mit Hilfe des Wurzelkriteriums (im Skript 10.2.13):

k

√∣∣∣∣zk

k2

∣∣∣∣ = |z| k

√1k2

=|z|(k√

k)2

k→∞−−−−→ |z|

denn aus der Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel (Kapitel 6 im Skript)erkennt man

1 = min {k, 1} ≤ k√

k · 1 = k√

k =(√

k ·√

k · 1 · . . . · 1︸ ︷︷ ︸k−2 mal

) 1k ≤

√k +

√k + (k − 2)k

=

= 1 +2√k− 2

k

k→∞−−−−→ 1

woraus folgt, dass k√

kk→∞−−−−→ 1 (vgl. auch Beispiel 7.8 (11) im Skript).

Wir sehen, dass limk→∞k

√∣∣∣ zk

k2

∣∣∣ = |z| ist. Damit konvergiert die Reihe absolut, wenn |z| < 1 und

divergiert, falls |z| > 1. Im Fall |z| = 1 macht das Wurzelkriterium keine Aussage. Die Reihe ist in diesem

Fall aber ebenfalls absolut konvergent, denn die Reihe der Absolutbetrage∑∞

k=1

∣∣∣ zk

k2

∣∣∣ =∑∞

k=1|z|kk2 =∑∞

k=11k2 = ζ(2) konvergiert unter der Voraussetzung |z| = 1.

(ii) Behauptung: Die Reihe∑∞

k=0 k!zk ist divergent fur alle komplexen Zahlen z 6= 0 (und trivialerweisekonvergent fur z = 0).

Wir beweisen mit Hilfe des Quotientenkriteriums (im Skript 10.2.11):

∀ z 6= 0 :∣∣∣∣ak+1

ak

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ (k + 1)! · zk+1

k! · zk

∣∣∣∣ = (k + 1)! · |z|k+1

k! · |z|k= (k + 1) · |z| k→∞−−−−→∞

Daher muss die Reihe fur alle z 6= 0 divergieren. Fur z = 0 ergibt sich mit der Konvention 00 := 1 dieReihe 1 + 0 + 0 + . . ., diese ist offensichtlich konvergent (ihr Wert ist 1).

(iii) Behauptung:∑∞

k=1k!kk zk ist absolut konvergent fur |z| < e und divergent fur |z| ≥ e.

Wir ziehen fur den Beweis wieder das Quotientenkriterium heran:∣∣∣∣ak+1

ak

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣zk+1 · (k + 1)! · kk

(k + 1)k+1 · zk · k!

∣∣∣∣ = ∣∣∣∣ z · kk

(k + 1)k

∣∣∣∣ = |z|(1 + 1

k

)k k→∞−−−−→ |z|e

Damit ist limk→∞

∣∣∣ak+1ak

∣∣∣ = |z|e . Der Grenzwert ist kleiner 1 genau fur |z| < e, d.h. die Reihe konvergiert

absolut fur |z| < e. Er ist großer 1 genau fur |z| > e und die Reihe divergiert in diesem Fall.

Im Fall |z| = e macht das Quotientenkriterium folgende Aussage:

∀ |z| = e, k ∈ N :∣∣∣∣ak+1

ak

∣∣∣∣ = |z|(1 + 1

k

)k =e(

1 + 1k

)k ≥ 1 da

(1 +

1k

)k

≤ e

Die Reihe ist hier also divergent.

41

Page 43: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Aufgabe 37

Geben Sie die ersten 10 Summanden einer Umordnung der alternierenden harmonischen Reihe

1− 12 + 1

3 −14 + · · ·+ (−1)n−1

n + · · · an, welche die Summe 1 hat.

Losung: Die alternierende harmonische Reihe ist bedingt konvergent (i.e. konvergent, aber nicht absolutkonvergent). Die Existenz der gesuchten Umordnung ist sichergestellt durch den Riemannschen Umordnungssatzfur bedingt konvergente Reihen

∑ak (Satz 10.4.6). Das hier zur Losung angegebene Verfahren funktioniert

analog bei jeder bedingt konvergenten Reihe und liefert zugleich einen konstruktiven Beweis des RiemannschenUmordnungssatzes. Der Notation des Skripts folgend, bezeichnen wir mit (a+

k ) die Teilfolge von (ak) bestehendaus den positiven Folgengliedern und mit (a−k ) diejenige bestehend aus den Absolutbetragen der negativen(Nullen werden weggelassen). In unserem Beispiel ist (a+

k ) = (1, 13 , 1

5 , 17 , . . .) und (a−k ) = ( 1

2 , 14 , 1

6 , . . .).

Man geht folgendermaßen vor: In einer Summe A0 summiert man zunachst so viele positive Glieder der Folge(a+

k ) auf, bis der Wert der Summe erstmals großer gleich dem gewunschten Grenzwert c ist. In unserem FallA0 := 1. In einer zweiten Summe B0 subtrahiert man von A0 so viele Glieder der Folge (a−k ), bis der Wert derSumme gerade kleiner als c ist. Bei uns also B0 := 1− 1

2 .

Daraus bestimmt man dann A1 indem man zu B0 so viele der nachsten, noch nicht benutzten Glieder der Folge(a+

k ) hinzuaddiert bis die Summe wieder gerade großer als c ist. Bei uns also A1 := 1− 12 + 1

3 + 15 ≈ 1, 033. Die

Summe B1 erhalt man genau wie oben wieder aus A1 durch Subtraktion so vieler der noch nicht benutztenGlieder von (a−k ), dass die Summe gerader kleiner als c ist. In unserem Fall brauchen wir dazu nur 1

4 von A1

zu subtrahieren. Also B1 := 1− 12 + 1

3 + 15 −

14 ≈ 0, 783.

Jetzt bestimmt man A2 aus B1 genauso wie man oben A1 aus B0 gewonnen hat und B2 aus A2 genauso wieoben B1 aus A1. Dann erhalt man A2 := 1 − 1

2 + 13 + 1

5 −14 + 1

7 + 19 ≈ 1, 037 und B2 := 1 − 1

2 + 13 + 1

5 −14 + 1

7 + 19 −

16 ≈ 0, 871.

Nun ist klar wie es weiter geht: Man bestimmt immer Ai aus Bi−1 und dann Bi aus Ai. Wir haben mitdiesem Verfahren eine induktive Definition von Ai und Bi gegeben. Klarerweise ergibt sich eine Umordnungder ursprunglichen Reihe, da ja sukzessive (in jedem Schritt mindestens ein Glied hinzunehmen) alle Glieder aus(a+

k ) bzw. (a−k ) genau einmal verwendet werden. In unserem Fall erhalt man die gesuchten zehn Summandendirekt aus A3 := 1− 1

2 + 13 + 1

5 −14 + 1

7 + 19 −

16 + 1

11 + 113 ≈ 1, 038

Die Konvergenz der so konstruierten Reihe definiert durch die Folge ihrer Partialsummen (Ai) gegen c folgtnun aus der Tatsache, dass (a+

k ) als Teilfolge der Nullfolge (ak) (die Reihe∑

ak konvergiert ja, d.h. (ak) mussNullfolge sein) selbst eine Nullfolge ist und sich (Ai) von c hochstens um das zuletzt hinzu addierte Folgengliedaus (a+

k ) unterscheiden kann.

Zur Wohldefiniertheit der obigen Konstruktion ist es noch notwendig, dass auch stets genugend viele ”große”Glieder aus (a+

k ) und (a−k ) zur Verfugung stehen um Ai > c aus Bi−1 < c bzw. Bi < c aus Ai > c konstruierenzu konnen. Das folgt aber direkt aus der Bemerkung (b) zu Satz 10.4.3, wonach fur eine beliebige bedingtkonvergente Reihe

∑ak, die Reihen

∑a+

k und∑

a−k divergent sind und also uber alle Grenzen wachsen (alleihre Glieder sind positiv). �

Aufgabe 38

(a) Stellen Sie die rationale Zahl 19 fur g = 10, g = 7 und g = 12 jeweils als g-al-Bruch dar.

(b) Zeigen Sie: Hat die reelle Zahl r ∈ [0, 1[ die g-al-Entwicklung

r = 0, z1 z2 z3 . . .

dann ist r genau dann rational, wenn es ein p ∈ N und N ∈ N gibt, so dass fur alle n ∈ N mitn ≥ N gilt zn+p = zn (schließlich periodische g-al-Bruchentwicklung).

Losung:

42

Page 44: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) Man arbeitet nach dem g-al-Algorithmus (Theorem 10.3.4 im Skript): Sei g = 10, z0 := 0 und r0 := r = 19

z1 := [10r0] =[109

]= 1, r1 := 10r0 − z1 = 10

9 − 1 = 19

z2 := [10r1] =[109

]= 1, r2 := 10r1 − z2 = 10

9 − 1 = 19

z1 = z2 = z3 = . . . = 1 r = 19 = 0.1 = 0.1111 . . .

Sei g = 7, z0 := 0 und r0 := r = 19

z1 := [7r0] =[79

]= 0, r1 := 7r0 − z1 = 7

9 − 0 = 79

z2 := [7r1] =[499

]= 5, r2 := 7r1 − z2 = 49

9 − 5 = 49

z3 := [7r2] =[289

]= 3, r3 := 7r2 − z3 = 28

9 − 3 = 19

z4 := [7r3] =[79

]= 0, r4 := 7r3 − z4 = 7

9 − 0 = 79

z3k+1 = 0, z3k+2 = 5, z3k+3 = 3 ∀ k ∈ N0 r = 19 = 0.053 = 0.053053053 . . .

Sei g = 12, z0 := 0 und r0 := r = 19

z1 := [12r0] =[129

]= 1, r1 := 12r0 − z1 = 12

9 − 1 = 39

z2 := [12r1] =[369

]= 4, r2 := 12r1 − z2 = 36

9 − 4 = 0

z3 := [12r2] = [0] = 0, r3 := 12r2 − z3 = 0− 0 = 0

z1 = 1, z2 = 4, z3 = z4 = z5 = . . . = 0 r = 19 = 0.14

(b) ”=⇒”: Sei r ∈ [0, 1[∩Q rational, r = ab mit a ∈ N0, b ∈ N, a < b.

Betrachtet man den g-al Algorithmus, so erkennt man sofort, daß mit r0 = r = ab auch alle Reste rj (j ∈

N0) die Form 0b , 1

b , . . . , b−1b haben. Man hat also nur endlich viele Moglichkeiten. Nach Schubfachprinzip

existieren i < j ∈ N0 mit ri = rj . Dies impliziert zi+1 = [g ri] = [g rj ] = zj+1 und ri+1 = g ri − zi+1 =g rj − zj+1 = rj+1 und induktiv ∀ k ∈ N : zi+k = zj+k ∧ ri+k = rj+k.

Die Reste und die Ziffern wiederholen sich daher ab der Stelle N := i+1 mit Periode p := j− i > 0,d.h.∀n ∈ N mit n ≥ N gilt:

zn = zi+k = zj+k = zj−i+i+k = zp+i+k = zn+p und

rn = ri+k = rj+k = rj−i+i+k = rp+i+k = rn+p (mit k := n− i ∈ N)

Die g-al Entwicklung von r ist (schließlich) periodisch.

”⇐=”: Sei die g-al Entwicklung r = 0, z1 z2 z3 . . . von r ∈ [0, 1[ (schließlich) periodisch, i.e. ∃N ∈N, p ∈ N : ∀n ≥ N : zn+p = zn so gilt:

r =∞∑

j=1

zj

gj=

N−1∑j=1

zj

gj+

∞∑i=0

N+(i+1)·p−1∑j=N+i·p

zj

gj

=N−1∑j=1

zj

gj+

N+p−1∑j=N

zj

gj+

N+2p−1∑j=N+p

zj

gj+

N+3p−1∑j=N+2p

zj

gj+. . . =

=N−1∑j=1

zj

gj+

N+p−1∑j=N

zj

gj+

1gp

·N+p−1∑

j=N

zj+p

gj+

1g2p

·N+p−1∑

j=N

zj+2p

gj+ . . .

zj = zj+p = zj+2p=

=N−1∑j=1

zj

gj+(

1 +1gp

+1

g2p+ . . .

N+p−1∑j=N

zj

gj=

N−1∑j=1

zj

gj+

∞∑k=0

(1gp

)k

·N+p−1∑

j=N

zj

gj=

=N−1∑j=1

zj

gj+

11− 1

gp

·N+p−1∑

j=N

zj

gj

43

Page 45: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

wobei im letzten Schritt die Konvergenz der geometrischen Reihe∑∞

k=0

(1gp

)k

= 11− 1

gpmit

∣∣∣ 1gp

∣∣∣ < 1

benutzt wurde.

Da∑N−1

j=1zj

gj ∈ Q und∑N+p−1

j=Nzj

gj ∈ Q ist auch r ∈ Q.

Aufgabe 39

Geben Sie eine Partialsumme an, welche die Summe der Reihe∑∞

k=0ik

k! bis auf einen Fehler < 10−8

approximiert.

Losung: Wir setzen exp(i) :=∑∞

k=0ik

k! und SN (i) :=∑N

k=0ik

k! . Dann soll gelten:

|exp(i)− SN (i)| =

∣∣∣∣∣∞∑

k=N+1

ik

k!

∣∣∣∣∣ =∣∣∣∣∣ 1(N + 1)!

·∞∑

k=0

ik

k!

∣∣∣∣∣ < 10−8 (8.1)

Benutzung der Dreiecksungleichung ergibt:

|exp(i)− SN (i)| ≤ 1(N + 1)!

·∞∑

k=0

|i|k

k!=

1(N + 1)!

·∞∑

k=0

1k!

=1

(N + 1)!· e

Damit ist die obige Abschatzung (8.1) auf jeden Fall gultig, sobald e(N+1)! < 10−8 ist. Man berechnet direkt,

daß dies fur N ≥ 11 der Fall ist ( e(11+1)! = e

12! = e479001600 ≈ 0.567489 · 10−8).

Alternativ kann man die Aufgabe auch mithilfe der Abschatzung aus dem Leibniz-Kriterium (10.2.2 im Skript)losen. Dazu zerlegt man die Reihe in zwei alternierende Teilreihen (Real- und Imaginarteil):

∞∑k=0

ik

k!=

∞∑k=0

(−1)k

(2k)!+ i ·

∞∑k=0

(−1)k

(2k + 1)!

und bestimmt N ∈ N so daß beide Partialsummen∑bN

2 ck=0

(−1)k

(2k)! und∑bN−1

2 ck=0

(−1)k

(2k+1)! jeweils einen Fehler

kleiner 10−8√

2haben:

∣∣∣∣∣∞∑

k=0

ik

k!−

N∑k=0

ik

k!

∣∣∣∣∣ =∣∣∣∣∣∣∣∞∑

k=0

(−1)k

(2k)!+ i ·

∞∑k=0

(−1)k

(2k + 1)!−bN

2 c∑k=0

(−1)k

(2k)!− i ·

bN−12 c∑

k=0

(−1)k

(2k + 1)!

∣∣∣∣∣∣∣ =

=

√√√√√√∣∣∣∣∣∣∣∞∑

k=0

(−1)k

(2k)!−bN

2 c∑k=0

(−1)k

(2k)!

∣∣∣∣∣∣∣2

+

∣∣∣∣∣∣∣∞∑

k=0

(−1)k

(2k + 1)!−bN−1

2 c∑k=0

(−1)k

(2k + 1)!

∣∣∣∣∣∣∣2

≤Leibniz

√√√√( 1(2(⌊

N2

⌋+ 1))!

)2

+

(1

(2(⌊

N−12

⌋+ 1) + 1)!

)2

< 10−8

Tatsachlich ist das gefundene N = 11 sogar die kleinste Zahl, so daß die Partialsumme∑N

k=0ik

k! obige Fehler-abschatzung in (8.1) erfullt:

> Digits:=15;

Digits := 15> evalf(sum(I^k/k!,k=0..infinity));

44

Page 46: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

0.540302305868139 + 0.841470984807896 I> for i from 8 to 12 do print(i,‘

> Partialsumme:‘,evalf(sum(I^k/k!,k=0..i)),‘

> Fehler:‘,evalf(abs(sum(I^k/k!,k=i+1..infinity)))); od;

8, Partialsumme :, 0.540302579365079 + 0.841468253968253 I, Fehler :, 0.274450099822461 10−5

9, Partialsumme :, 0.540302579365079 + 0.841471009700176 I, Fehler :, 0.274627386823100 10−6

10, Partialsumme :, 0.540302303791887 + 0.841471009700176 I, Fehler :, 0.249787193719885 10−7

11, Partialsumme :, 0.540302303791887 + 0.841470984648067 I, Fehler :, 0.208239525163158 10−8

12, Partialsumme :, 0.540302305879562 + 0.841470984648067 I, Fehler :, 0.160236215782242 10−9

Aufgabe 40

Eine kleine Schnecke kriecht mit einer Geschwindigkeit von 10 Zentimetern pro Minute auf einemGummiband entlang, das pro Minute vom Schneckenexperimentator um jeweils einen Meter weitergedehnt wird. Vor Beginn des Experiments ist das Band einen Meter lang. An einem seiner Endenstartet die Schnecke.

Wir machen folgende Modellannahmen:

• Der Dehnungsvorgang ist beliebig wiederholbar.

• Der Schneckenexperimentator und die Schnecke leben beliebig lange.

Schafft es die Schnecke, das andere Ende des Bandes jemals zu erreichen und wenn sie es schafft,wie lange braucht sie dafur?

Losung: Das Gummiband wird in jedem Schritt gleichmaßig uber seine ganze Lange gedehnt (sowohl dasschon zuruckgelegte Wegstuck hinter der Schnecke, als auch das noch vor ihr liegende Stuck wachst). SeineLange betragt im n-ten Schritt, i.e. wahrend der n-ten Minute des Experiments, genau bn = n Meter (rekursiveFolge mit b1 := 1 und bk+1 := bk + 1).

Betrachten wir zunachst die relative Position der Schnecke auf dem Gummiband: Die Schnecke legt in jederMinute genau 10 cm zuruck. Dies entspricht im ersten Schritt genau 1

10 der Bandlange, im n-ten Schrittdagegen nur 1

10 ·1bn

= 110·n der Bandlange. Durch den Dehnvorgang verandert sich die relative Position auf

dem Gummiband nicht.

Nach dem n-ten Schritt hat die Schnecke daher von ihrem Startpunkt aus gemessen genau den relativen Anteil

rn =110

+1

2 · 10+

13 · 10

+ . . . +1

n · 10=

n∑k=1

110 · k

=110

n∑k=1

1k

des Bandes zuruckgelegt. Die Schnecke erreicht (in endlicher Zeit) das Ende, falls rn ≥ 1 fur ein n ∈ N.Genauer kommt sie in der n-ten Minute an, in der rn erstmals ≥ 1 wird.

Alternativ betrachtet man die absolute Position der Schnecke: Diese wird durch folgende Rekursion beschrieben:

s1 :=110

sn+1 := sn ·bn+1

bn+

110

= sn ·n + 1

n+

110

Mittels vollstandiger Induktion beweist man die explizite Darstellung der Folge (sn)n∈N: sn = n · 110

∑nk=1

1k

Induktionsanfang (n = 1): s1 = 1 · 110

∑1k=1

1k = 1

10

Induktionsvoraussetzung: Die explizite Darstellung fur sn ist gultig.

45

Page 47: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Induktionsschritt (n n + 1):

sn+1 = sn ·n + 1

n+

110

=

(n · 1

10

n∑k=1

1k

)· n + 1

n+

110

=

= (n + 1) · 110

·

(n∑

k=1

1k

+1

n + 1

)= (n + 1) · 1

10

n+1∑k=1

1k

Wieder erreicht die Schnecke das Ende das Gummibandes, wenn ein n ∈ N existiert, so daß sn ≥ bn oderaquivalent sn

bn= 1

10

∑nk=1

1k ≥ 1 ist.

Da die harmonische Reihe∑∞

k=11k divergiert, existiert insbesondere ein n ∈ N, so daß die Partialsumme∑n

k=11k ≥ 10 ist. Das kleinste solche n findet man mit MAPLE zu n = 12367. Die Schnecke hat das En-

de des Gummibandes wahrend der 12367-ten Minute, i.e. nach 8 Tagen 14 Stunden und 7 Minuten erreicht(selbstverstandlich ohne dabei jemals eine Pause eingelegt zu haben und unter standiger Aufrechterhaltung derSchnecken-Turbo-Geschwindigkeit von 10 cm/min).

> Digits:=25:for i from 12360 to 12370 do print

> (‘i=‘,i,‘ Partialsumme=‘,evalf(sum(1/k,k=1..i))) od;

i =, 12360, Partialsumme =, 9.999476848442164539226144i =, 12361, Partialsumme =, 9.999557748045756481625626i =, 12362, Partialsumme =, 9.999638641105131987207247i =, 12363, Partialsumme =, 9.999719527621349733708905i =, 12364, Partialsumme =, 9.999800407595468141991015i =, 12365, Partialsumme =, 9.999881281028545376119603i =, 12366, Partialsumme =, 9.999962147921639343449378i =, 12367, Partialsumme =, 10.00004300827580769470676i =, 12368, Partialsumme =, 10.00012386209210782407286i =, 12369, Partialsumme =, 10.00020470937159686926649i =, 12370, Partialsumme =, 10.00028555011533171162704

Ubungsblatt 9

Aufgabe 41

Zeigen Sie: Ist (ak) eine monoton fallende Folge nichtnegativer reeller Zahlen, dann ist die Reihe∑(ak)k≥1 genau dann konvergent, wenn die ”verdichtete Reihe”

∑(2ja2j )j≥0 konvergiert.

Zeigen Sie als Anwendung, dass die allgemeine harmonische Reihe∑(

1ks

)k≥1

(mit s ∈ Q) genau dann

konvergiert, falls s > 1 gilt.

Losung:

Beweis:∞∑

j=0

2j · a2j = a1 + 2a2 + 4a4 + 8a8 + . . .

Wir definieren:

sn :=n∑

k=1

ak tn :=n∑

j=0

2j · a2j

46

Page 48: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Da (ak)n∈N eine monoton fallende Folge nichtnegativer Zahlen ist, gilt fur n < 2k+1 folgende Abschatzung:

sn ≤ a1 + (a2 + a3) + (a4 + a5 + a6 + a7) + . . . + (a2k + . . . + a2k+1−1) ≤≤ a1 + 2a2 + 4a4 + . . . + 2k · a2k = tk

Nach dem Satz uber monotone Folgen ist die Konvergenz der Folge (sn)n∈N gesichert, falls die verdichteteFolge (tk)k∈N konvergiert (ihr Grenzwert liefert dann eine obere Schranke fur die Folge der Partialsummen sn).

Umgekehrt gilt fur n ≥ 2k die Abschatzung:

sn ≥ a1 + a2 + (a3 + a4) + . . . + (a2k−1+1 + . . . + a2k) ≥ a1 + a2 + 2a4 + . . . + 2k−1a2k =12a1 +

12tk

Wenn also die verdichtete Reihe divergiert, i.e. tkk→∞−−−−→∞, so ergibt sich sn

n→∞−−−−→∞.

Die beiden Reihen∑

ak und∑

(2j a2j ) sind somit entweder beide beschrankt oder beide unbeschrankt. IhrKonvergenzverhalten ist daher gleich. �

Wir betrachten als Anwendung die allgemeine harmonische Reihe∑∞

k=11ks mit einer rationalen Zahl s ∈ Q:

Wir sehen, dass die Reihe∑∞

k=11ks fur s > 1 konvergiert und fur s ≤ 1 divergiert, denn aus dem Obigen folgt

fur die verdichtete allgemeine harmonische Reihe:

∞∑j=0

2j 1(2j)s

=∞∑

j=0

2(1−s)j =∞∑

j=0

qj

mit q := 21−s > 0. Dies ist gerade die geometrische Reihe, welche genau dann konvergiert, wenn q =(

12

)s−1<

1 oder dazu aquivalent wenn s > 1. �

Aufgabe 42

Sei K = R oder K = C und `2(K) :={

(ak)k≥1 | ak ∈ K und∑|ak|2 ist konvergent

}. Zeigen Sie:

(a) Fur (ak) ∈ `2(K) und (bk) ∈ `2(K) ist auch die Reihe∑

(|ak| · |bk|) konvergent.

Tipp: Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung oder Ungleichung zwischen arithmetischem & geome-trischem Mittel und Majorantenkriterium.

(b) `2(K) ist ein K-Vektorraum.

(c) Es gilt: ∣∣∣∣∣∞∑

k=1

akbk

∣∣∣∣∣2

( ∞∑k=1

|ak| |bk|

)2

≤∞∑

k=1

|ak|2 ·∞∑

k=1

|bk|2

Losung:

(a) Fur alle Zahlen ak, bk aus K gilt bekanntlich 0 ≤ (|ak| − |bk|)2 = |ak|2 − 2 |ak| · |bk| + |bk|2 also

|ak| · |bk| ≤ 12

(|ak|2 + |bk|2

)Da die Summanden der Reihe

∑(|ak| · |bk|) alle nicht negativ sind, sind die

Partialsummen automatisch großer gleich Null und wachsen monoton. Außerdem konvergiert die Folgeder Partialsummen genau dann, wenn sie absolut konvergiert (macht bei nichtnegativen Gliedern keinenUnterschied) und die beiden Grenzwerte stimmen dann uberein. Wenn wir also eine (monoton steigende)konvergente Majorante finden konnen, sind wir fertig. Das ist aber mit obiger Ungleichung einfach, denn:

n∑k=1

|ak| · |bk| ≤n∑

k=1

12(|ak|2 + |bk|2) =

12

n∑k=1

|ak|2 +12

n∑k=1

|bk|2

47

Page 49: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

also wegen obigen Uberlegungen und dem Permanenzprinzip:

∞∑k=1

|ak| · |bk| ≤12

∞∑k=1

|ak|2 +12

∞∑k=1

|bk|2

wobei die beiden Reihen∑|ak|2 und

∑|bk|2 ja nach Voraussetzung konvergieren, da (ak)k∈N und

(bk)k∈N in `2(K) liegen.

(b) Erst einmal benotigt man naturlich einen Kandidaten fur eine Vektorraumstruktur. Es ist sinnvoll fur zweiFolgen (ak)k∈N und (bk)k∈N die Addition zu definieren als:

(ck)k∈N = (ak)k∈N ⊕ (bk)k∈N := (ak + bk)k∈N

und die Skalarmultiplikation mit λ ∈ K als:

λ · (ak)k∈N := (λ ak)k∈N

Diese beiden Operationen machen aus der Menge ALLER Folgen in K einen Vektorraum, was sichleicht nachprufen lasst, denn die Summe zweier Folgen ist eine Folge, das Produkt einer Zahl und einerFolge ebenso und die Gruppeneigenschaften der Addition sowie die Vertraglichkeiten zwischen Additionund Skalarmultiplikation folgen aus der Definition (Dies ist eine gute Ubung, um nocheinmal explizitdie Vektorraumaxiome nachzuweisen). Es handelt sich ubrigens um ein Beispiel fur einen unendlich-dimensionalen Vektorraum. Wir zeigen im Folgenden, dass der `2(K) ein linearer Teilraum ist (Testfrage:welcher Dimension?):

Es ist also zu zeigen, dass `2(K) abgeschlossen bezuglich der Addition und Skalarmultiplikation mit λ ∈ Kist. (Die Nullfolge ist naturlich ein Element von `2(K), da die Nullreihe

∑0 =

∑|0|2 konvergiert).

Seien (ak)k∈N ∈ `2(K), (bk)k∈N ∈ `2(K) und λ ∈ K. Dann gilt:

∞∑k=1

|λ ak|2 = limn→∞

n∑k=1

|λ ak|2 = |λ|2 limn→∞

n∑k=1

|ak|2 = |λ|2∞∑

k=1

|ak|2

d.h. mit∑|ak|2 konvergiert auch

∑|λ ak|2 und die Folge (λ ak)k∈N liegt in `2(K).

Weiter gilt:

∞∑k=1

|ak + bk|2 = limn→∞

n∑k=1

|ak + bk|2 = limn→∞

n∑k=1

(|ak|2 + 2 Re(ak bk) + |bk|2

)(*)

≤ limn→∞

n∑k=1

|ak|2 + 2 limn→∞

n∑k=1

|ak| |bk|+ limn→∞

n∑k=1

|bk|2

(a)

≤ 2∞∑

k=1

|ak|2 + 2∞∑

k=1

|bk|2

wobei in (*) die Eigenschaften des Betrages Re(ak bk) ≤∣∣ak bk

∣∣ = |ak| · |bk| und das Permanenzprinzipbenutzt wurden.

(c) Die zu beweisenden Ungleichungen folgen daraus, dass fur alle n ∈ N gilt (was wir unten zeigen):∣∣∣∣∣n∑

k=1

ak bk

∣∣∣∣∣2

(n∑

k=1

|ak bk|

)2

=

(n∑

k=1

|ak| |bk|

)2

≤n∑

k=1

|ak|2n∑

k=1

|bk|2 (9.1)

Aufgrund der rechten Ungleichung existiert der Limes n →∞ (beide Reihen rechts konvergieren). Durchdiesen Grenzubergang ergibt sich aus obiger Ungleichungskette die Behauptung.

Die linke Ungleichung in (9.1) gilt, nach Dreiecksungleichung. Die Gleichheit in der Mitte folgt, weilbekanntlich fur alle a, b ∈ K gilt |a b| = |a| |b| = |a| |b|. Die rechte Ungleichung ist nichts anderes als einSpezialfall der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung fur n-dimensionale K-Vektorraume!

48

Page 50: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Man kann sie aber auch direkt nachweisen: Dazu sei bemerkt, dass die rechte Ungleichung auf jeden Fallgilt, wenn eine der beiden Folgen nur aus Nullen besteht (dann steht rechts und links des Ungleichheits-zeichens jeweils 0). Wir nehmen daher an, dass die Folge (bk)k∈N nicht nur aus Nullen besteht, i.e. es gibtein N ∈ N, so daß bN das erste Folgenglied ungleich Null ist. Offensichtlich gilt die rechte Ungleichungin (9.1) fur n < N (wieder ergibt sich 0 ≤ 0). Sei nun n ≥ N , so ist

∑nk=1 |bk|2 > 0. Weiter gilt fur alle

λ > 0 und µ ∈ R:

0 ≤ 1λ

n∑k=1

(λ |ak|+ µ |bk|)2 =1λ

n∑k=1

(λ2 |ak|2 + µ2 |bk|2 + 2λ · µ · |ak| · |bk|

)speziell fur λ :=

∑nk=1 |bk|2 > 0 und µ := −

∑nk=1 |ak| · |bk| gilt:

0 ≤ 1λ

n∑k=1

(λ2 |ak|2 + µ2 |bk|2 + 2λ · µ · |ak| · |bk|

)=

(λ2

n∑k=1

|ak|2 + µ2 λ− 2λ µµ

)= λ

n∑k=1

|ak|2 − µ2

=n∑

k=1

|bk|2 ·n∑

k=1

|ak|2 −

(n∑

k=1

|ak| · |bk|

)2

also die rechte Ungleichung in (9.1).

Mathematische Anmerkung:Man kann auf `2(K) wie folgt ein Skalarprodukt definieren: 〈(ak)k∈N, (bk)k∈N〉 :=

∑∞k=1 ak bk

Solange diese Summe konvergiert (und das tut sie fur alle Folgen (ak)k∈N, (bk)k∈N aus `2(K) sogarabsolut, wie in (a) gezeigt) hat sie die selben algebraischen Eigenschaften wie im endlich-dimensionalen,woraus die Skalarprodukteigenschaften sofort folgen (eben genau so wie in n Dimensionen). Das wirft

ubrigens auch ein anderes Licht auf die Summe∑|ak|2: Es handelt sich bei `2(K) um den Raum aller

Folgen, denen man eine Norm zuweisen kann, die von einem Skalarprodukt herkommt!

Historische Anmerkung:Es handelt sich bei `2(K) um einen erstmals von David Hilbert untersuchten Raum. Die von Hilbertin seiner Veroffentlichung benutzten Methoden (wenn damals auch noch sehr rudimentar) bilden bisheute den Grundstein der Funktionalanalysis. Es handelt sich bei `2(K) um ein Beispiel eines vollstandi-gen (i.e. jede Cauchy-Folge konvergiert) normierten unendlich-dimensionalen Vektorraumes, welche manheute Hilbertraume nennt. Hilbert wollte damit ursprunglich nur Integralgleichungen losen, das darausentstandene Konzept des Hilbertraumes ist jedoch viel allgemeiner und hat sich rasant schnell entwickelt.Hilbert soll seinen Schuler Weyl nach einem Vortrag gefragt haben: ,,Herr Weyl, eine Sache mussen Siemir erklaren: Was ist das eigentlich, ein �Hilbert’scher Raum�? Das habe ich nicht verstanden.”

Aufgabe 43

Zeigen Sie:

(a) Die Menge E(N) aller endlichen Teilmengen von N ist abzahlbar.

(b) Die Menge P(N) aller Teilmengen von N ist uberabzahlbar.

Tipp zu (b): Nehmen Sie an, es gibt eine Bijektion f : N → P(N) und betrachten Sie dann dieMenge A := {n ∈ N | n /∈ f(n)}.

Losung:

49

Page 51: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) Sei Ai := {1, 2, . . . , i} mit i ∈ N. Dann gilt: |P(Ai)| = 2i, fur alle i ∈ N. P(Ai) ist also immer endlich.Offensichtlich ist

⋃i∈N P(Ai) = E(N) (Jede Menge M aus P(Ai) mit i beliebig ist als (endliche)

Teilmenge von Ai naturlich in E(N) enthalten. Umgekehrt existiert aber auch fur jedes M aus E(N) eini mit M ⊂ Ai also M ∈ P(Ai).)

Damit existiert folgendes Abzahlschema uber alle P(Ai):

P(A1) ∅ → {1}

P(A2) ∅ {1} {2} → {1, 2}

P(A3) ∅ {1} {2} {1, 2} {3} → {1, 3} → {2, 3} → {1, 2, 3}

P(A4) ∅ {1} {2} {1, 2} {3} {1, 3} {2, 3} {1, 2, 3} {4} → {1, 4} → . . .

......

......

......

......

......

...

E(N) ist also abzahlbar.

Alternativ kann man die Abbildung f : E(N) → N betrachten, die wie folgt definiert wird: Sei (pn)n∈N :=(2, 3, 5, 7, . . .) die monoton wachsende Folge aller Primzahlen. Zu M ∈ E(N) definiert man f(M) :=∏

n∈M pn. Da M eine endliche Menge ist gilt f(M) ∈ N (endliches Produkt von Primzahlen). Zudemist die Abbildung f injektiv, denn zu M 6= N ∈ E(N) gibt es oE n ∈ N mit n ∈ M aber n /∈ N . Diesimpliziert pn

∣∣ f(M) aber pn 6∣∣ f(N), also f(M) 6= f(N).

Schrankt man f auf sein Bild f(E(N)) ⊂ N ein, erhalt man eine Bijektion zwischen E(N) und einer(hochstens abzahlbaren) Teilmenge von N. Da E(N) die abzahlbar vielen einelementigen Mengen {n} mitn ∈ N enthalt, ist somit E(N) ∼ N also abzahlbar.

(b) Beweis: [Durch Widerspruch] Angenommen es gabe eine Bijektion f : N → P(N). Fur jedes n ∈ N istdann f(n) eine Teilmenge von N. Sei nun A die Menge A := {n ∈ N : n /∈ f(n)}Per Definition ist A eine Teilmenge von N, also ein Element der Potenzmenge P(N). Da f laut Annahmesurjektiv ist, gibt es dann ein m ∈ N mit: f(m) = A

Fallunterscheidung:

• Sei m ∈ A. Widerspruch zur Konstruktion von A: m /∈ f(m) = A.

• Sei m /∈ A. Daraus folgt nach Definition von A, daß m ∈ f(m) = A, was ebenfalls ein Widerspruchist.

Die Annahme war also falsch, damit kann P(N) nicht abzahlbar sein, ist also uberabzahlbar. �

Alternativ kann man hier die in der Zentralubung gezeigte Uberabzahlbarkeit der Menge {0, 1}N aller 0/1-

Folgen benutzen, indem man eine Bijektion f : P(N) → {0, 1}N wie folgt konstruiert: Sei M ∈ P(N),

so definiere f(M) := (xn)n∈N mit xn :=

{1 falls n ∈ M

0 falls n /∈ M∀n ∈ N. Die Folge (xn)n∈N ist also die

charakteristische Funktion der Menge M ⊂ N (Man uberlege sich, warum f bijektiv ist). Damit folgt

P(N) ∼ {0, 1}N, also uberabzahlbar.

Aufgabe 44

Untersuchen Sie die folgenden Funktionen auf Stetigkeit:

50

Page 52: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) f : Q → R mit

f(x) =

{1, falls x >

√5

−1, falls x <√

5

Hier konnen Sie benutzen, dass es keine rationale Zahl r mit r2 = 5 gibt.

Gibt es eine stetige Funktion f : R → R mit f |Q = f ?

(b) f : R → R mit

f(x) =

{x, falls x rational

0, falls x irrational

(c) f : R → R mit f(x) = bxc+√

x− bxc.Skizzieren Sie im Fall (c) auch den Graphen von f . Ist f streng monoton wachsend? Beweis?

Losung:

(a) Behauptung: f ist stetig in allen Punkten des Definitionsbereichs.

Bei dieser Aufgabe liegt der Kniff in der Definition der Funktion – insbesondere in der Wahl des De-finitionsbereiches. Die Aufgabe lasst sich sowohl mit der ε-δ-Definition der Stetigkeit als auch mit derFolgenstetigkeit bearbeiten.

• ε-δ-Charakterisierung: Sei a ∈ Q beliebig.

Fur ε > 2 ist die Forderung ”∃ δ > 0, dass aus |x− a| < δ die Relation |f(x)− f(a)| < ε folgt”trivial, wegen |f(x)− f(a)| ≤ 2 fur alle moglichen Wahlen von x und a.

Sei 0 < ε ≤ 2. Setze dann δ := |a−√5|2 > 0 (da

√5 /∈ Q, also

∣∣a−√5∣∣ > 0). Dann ergibt sich

f(x) − f(a) = 0 fur alle x ∈ Uδ(a), wobei Uδ(a) := ]a − δ, a + δ[∩Q und somit insbesondere|f(x)− f(a)| < ε. Hiermit ist f nach Theorem 11.2.1 stetig.

• Folgenstetigkeit:

Sei a ∈ D = Q beliebig gewahlt, also insbesondere a 6=√

5. Hieraus ergibt sich fur eine gegena konvergierende Folge (xn)n∈N und ε :=

∣∣a−√5∣∣ > 0: ∃N ∈ N : ∀n ≥ N : |xn − a| < ε.

Nach der Definition von f folgt fur alle n ≥ N : f(xn) = f(a) und somit limn→∞ f(xn) = f(a).Also ist f nach Theorem 11.2.1 folgenstetig und man hat die Aquivalenz der beiden moglichenStetigkeitsdefinitionen an diesem konkreten Beispiel verifiziert.

Nein, es existiert keine stetige Funktion f : R → R mit f |Q = f .

Beweis: Wir nehmen an, eine solche Funktion wurde existieren. Dann ware f in allen Punkten desDefinitionsbereiches stetig, also insbesondere stetig im Punkt

√5 ∈ R. Betrachten wir nun zwei verschie-

dene reelle (sogar rationale) Zahlenfolgen, die beide, einmal von rechts und einmal von links gegen√

5konvergieren:

• Sei an := b√5·10nc10n . Insbesondere sind alle an ∈ Q, d.h. es gilt f(an) = f(an) und an <

√5,

d.h. f(an) = −1 ∀n ∈ N. Nach Annahme ist f stetig, somit insbesondere folgenstetig und wegenlimn→∞ an =

√5 muss gelten f(

√5) = limn→∞ f(an) = limn→∞ f(an) = limn→∞−1 = −1.

• Sei bn := d√5·10ne10n . Insbesondere sind wieder alle bn ∈ Q mit bn >

√5, d.h. f(bn) = f(bn) = 1.

Nach Annahme ist f stetig, somit insbesondere folgenstetig und wegen limn→∞ bn =√

5 mussgelten f(

√5) = limn→∞ f(bn) = limn→∞ 1 = 1.

Dies ist jedoch ein Widerspruch (zwei verschiedene (Grenz-)Werte fur f(√

5))! Also gibt es keine stetigeFortsetzung von f auf R. �

(b) Behauptung: Die gegebene Funktion ist nur stetig in 0.

51

Page 53: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

• 1. Schritt: f ist stetig in 0.

Beweis: Am einfachsten zeigt man die Stetigkeit in 0 via Folgenstetigkeit. Sei (an)n∈N eine Nullfolge.Es existiert also fur alle ε > 0 ein N ∈ N mit: ∀n ≥ N : |an| < ε. Dies impliziert sofort ∀n ≥ N :|f(an)| ≤ |an| < ε und somit ist auch (f(an))n∈N eine Nullfolge, womit die Folgenstetigkeit wegenf(0) = 0 gezeigt ist.

Alternativ mit der ε-δ-Stetigkeit: Sei ε > 0 vorgegeben. Wahle δ := ε > 0, so gilt ∀x ∈ R:

|x| = |x− 0| < δ =⇒ |f(x)− f(0)| = |f(x)− 0| =

{|x| x rational

0 x irrational≤ |x| < δ = ε �

• 2. Schritt: f ist nicht stetig in a 6= 0.

Beweis: Betrachte zunachst 0 6= a ∈ Q und wahle ε := |f(a)|2 > 0. Dann existiert fur alle

δ > 0 ein b ∈ ]a − δ, a + δ[ mit b ∈ R \ Q (Q ist dicht in R). Insbesondere ist f(b) = 0 und|f(a)− f(b)| = |f(a)| = 2ε > ε. Speziell kann fur ε < |f(a)| die Eigenschaft aus der ε-δ-Charakterisierung der Stetigkeit nicht erfullt werden und f ist unstetig in allen Punkten a ∈ Q\{0}.Sei nun a ∈ R \ Q. Zu a > 0 wahle 0 < s < t ∈ Q mit a ∈ [s, t] =: I. Die Wahl von 0 < s < timpliziert 0 /∈ I. Nun gilt fur alle q ∈ I ∩ Q : |f(q)| = q ≥ s = |f(s)| > 0. Setzt man nun

ε := |f(s)|2 > 0, so gibt es fur alle δ > 0 ein x ∈ I ∩ Q mit |x− a| < δ aber |f(x)− f(a)| =

|f(x)− 0| = x ≥ s = |f(s)| = 2ε > ε und f ist nicht stetig bei a.

Zu a < 0 wahle 0 > t > s ∈ Q mit a ∈ [s, t] =: I. Die Wahl von s < t < 0 impliziert 0 /∈ I. Nun

gilt fur alle q ∈ I ∩ Q : |f(q)| = |q| ≥ |t| = |f(t)| > 0. Setzt man nun ε := |f(t)|2 > 0, so findet

man wieder kein δ > 0 so daß fur alle x ∈ R mit |x− a| < δ =⇒ |f(x)− f(a)| = |f(x)| < ε. �

Damit ist f nur im Nullpunkt stetig.

(c) Behauptung: Die Funktion f ist stetig schlechthin, d.h. stetig in allen Punkten des Definitionsbereiches.

Die Funktion x 7→ bxc ist konstant und somit stetig auf Intervallen der Form ]a, a + 1[ mit a ∈ Z (vgl.auch Skript 11.1.2 (c) oder 11.2.2 (d)). Nach den Rechenregeln fur stetige Funktionen (Skript Kapitel12) ist somit auch die aus stetigen Funktionen zusammengesetzte Funktion f(x) = bxc +

√x− bxc

stetig auf Intervallen dieser Form (Dabei wird benutzt, daß die Identitat x 7→ x auf ganz R und dieWurzelfunktion x 7→

√x auf [0,∞[ stetig ist – Skript 11.2.2 (b) und daß stets x ≥ bxc ist):

R → R : x 7→ bxc stetig bei a /∈ Z

=⇒ R → R : x 7→ x− bxc stetig bei a /∈ Z (Summe zweier stetiger Funktionen)

=⇒ R → R : x 7→√

x− bxc stetig bei a /∈ Z (Verknupfung zweier stetiger Funktionen)

=⇒ R → R : x 7→ bxc+√

x− bxc stetig bei a /∈ Z (Summe zweier stetiger Funktionen)

Es bleibt also die Stetigkeit an allen ganzzahligen Stellen zu zeigen. Dies macht man am Besten mitFolgenstetigkeit. Zu a ∈ Z gilt bac = a und f(a) = bac +

√a− bac = a. Sei (xn)n∈N eine gegen a

konvergente Folge, d.h. ∀ ε > 0 ∃N ∈ N : ∀n ≥ N : |xn − a| < ε. OE nehmen wir an, daß der Abstandaller Folgenglieder xn zu a kleiner als 1

2 ist. Dann gilt bxnc = a falls xn ≥ a und bxnc = a − 1 fallsxn < a.

Wir mussen zeigen, daß f(a) = limn→∞ f(xn) gilt. Betrachte dazu:

|f(xn)− f(a)| =∣∣∣bxnc+

√xn − bxnc − a

∣∣∣ = {|a +√

xn − a− a| xn ≥ a∣∣∣a− 1 +√

xn − (a− 1)− a∣∣∣ xn < a

=

{|√

xn − a| xn ≥ a∣∣∣√xn − (a− 1)− 1∣∣∣ xn < a

n≥N<

{√ε

ε→0−−−→ 0 xn ≥ a

1−√

1− εε→0−−−→ 0 xn < a

Fur ε → 0 geht der Betrag |f(xn)− f(a)| also gegen 0 (zu jedem ε > 0 hat man ein N ∈ N, so daß furalle n ≥ N die Differenz zwischen f(xn) und f(a) kleiner als ε ist). Dies zeigt f(a) = limn→∞ f(xn)wie gefordert.

52

Page 54: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Behauptung: f ist monoton wachsend.

Die Funktion f ist monoton wachsend auf Intervallen der Form [a, a + 1[ mit a ∈ Z. Ist namlich x < y(x, y ∈ [a, a + 1[ ) so gilt f(x) = bxc +

√x− bxc = a +

√x− a < a +

√y − a = f(y) aufgrund der

Monotonie der Quadratwurzel. Außerdem gilt fur x ∈ [a, a + 1[ :

f(x) = bxc+√

x− bxc = a +√

x− a︸ ︷︷ ︸<1

< a + 1 = f(a + 1)

Beide Aussagen zusammen ergeben die streng-wachsende Monotonie von f auf ganz R.

> plot(floor(x)+sqrt(x-floor(x)),x=-5..5,numpoints=1000,thickness=2);

–4

–2

0

2

4

–4 –2 2 4x

Aufgabe 45

Neues aus der Schneckenwelt:

Nach einem wusten Trinkgelage mit vergorenem Saft ist die chinesische Schnecke Ko-Shi in einen4 m tiefen Brunnenschacht gefallen. Beim Versuch aus dem Schacht herauszuklettern schafft sieam ersten Tag einen Meter. Den zweiten Tag teilt sie sich in zwei Etappen ein, schafft pro Etappeaber nur q Meter (0 < q < 1). Am dritten Tag schafft sie drei Etappen mit jeweils q2 Metern, amvierten Tag vier Etappen von jeweils q3 Metern etc. Die Schnecke will naturlich in endlicher Zeit amBrunnenrand ankommen. Wie groß muss dann q mindestens sein?

Tipp: Die Schnecke hieß mit Nachnamen Plo-Dugd.

Losung: Wie bereits durch den chinesischen Namen der Schnecke angedeutet, laßt sich das Cauchy-Produktzweier (geometrischer) Reihen benutzen, um die Aufgabe schnell zu losen:

Die vom Boden des Brunnenschachtes aus gemessene, bis zum n-ten Tag zuruckgelegte Wegstrecke betragt:sn := 1 + (q + q) + (q2 + q2 + q2) + . . . + n · qn−1 =

∑n−1k=0(k + 1) · qk

53

Page 55: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Dies laßt sich folgendermaßen darstellen:

sn = q0 · q0 + (q0 · q1 + q1 · q0) + (q0 · q2 + q1 · q1 + q2 · q0) + . . . +n−1∑j=0

qj · q(n−1)−j =

=n−1∑k=0

k∑j=0

qj · qk−j

Die Schnecke erreicht (und uberquert) den Rand des Brunnens genau dann in endlicher Zeit, wenn ein n ∈ Nexistiert, so daß sn ≥ 4 ist.

Fur q ≥ 1 ist dies immer der Fall (die Schnecke uberschreitet spatestens am dritten Tag den Rand).

Die Folge (sn)n∈N entspricht genau den Partialsummen des Cauchy-Produktes der geometrischen Reihe∑

qk

mit sich selbst. Aufgrund der absoluten Konvergenz von∑

qk fur |q| < 1 gilt nach Produktreihensatz (Skript

10.4.7):∑∞

k=0 qk ·∑∞

k=0 qk =∑∞

k=0

(∑kj=0 qj · qk−j

)Da mit q ≥ 0 (die Schnecke ist ja hoffentlich nicht so betrunken, daß sie in die falsche Richtung kriecht) alleReihenglieder nicht-negativ sind, existiert ein n ∈ N mit sn ≥ 4 genau dann, wenn der Grenzwert der Folge(sn)n∈N, d.h. das obige Produkt der geometrischen Reihe mit sich einen Wert > 4 hat.

Fur 0 ≤ q < 1 hat man:

4 <

∞∑k=0

k∑j=0

qj · qk−j

=∞∑

k=0

qk ·∞∑

k=0

qk =1

1− q· 11− q

⇐⇒ (1− q)2 <14

⇐⇒ q >12

Die Schnecke muß also q > 12 wahlen, um in endlicher Zeit aus dem Brunnenschacht zu kommen (bei q = 1

2wurde sie dem Rand beliebig nahe kommen, ihn aber in endlicher Zeit nie erreichen, bei q < 1

2 bleibt sogar einWegstuck ubrig). �

Ubungsblatt 10

Aufgabe 46

Sei f : C → C definiert durch z 7→ z3 und sei a ∈ C beliebig.

(a) Zeigen Sie mit Hilfe des ε-δ-Kriteriums, dass f in a stetig ist.

(b) Finden sie zu ε := 10−2 und a := 0, 2 bzw. a := 20 ein moglichst großes δ > 0, so dass|f(z)− f(a)| < ε fur alle z mit |z − a| < δ gilt.

Losung: Unser Ziel ist es |f(z)− f(a)| =∣∣z3 − a3

∣∣ durch einen Term mit einer Abhangigkeit von a ∈ C undδ > 0 (aber keiner Abhangigkeit von z) nach oben abzuschatzen. Dabei soll laut Voraussetzung (fur Stetigkeit)|z − a| < δ gelten.

∣∣z3 − a3∣∣ = |z − a| ·

∣∣z2 + a · z + a2∣∣ = |z − a| ·

∣∣∣∣∣(

z +12a

)2

+34a2

∣∣∣∣∣≤ |z − a| ·

((|z|+ 1

2|a|)2

+34|a|2)

Den auftretenden Term |z − a| konnen wir naturlich direkt durch δ nach oben abschatzen. Wir mussen unsalso nur noch eine Abschatzung fur |z|+ 1

2 |a| uberlegen.

|z| − |a| ≤ |z − a| < δ =⇒ |z| < δ + |a| =⇒ |z|+ 12|a| < δ +

32|a|

54

Page 56: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Jetzt fordern wir noch δ ≤ 1 und damit naturlich auch δ2 ≤ 1 und erhalten:

∣∣z3 − a3∣∣ < δ

((δ +

32|a|)2

+34|a|2)

= δ

(δ2 + 3 |a| δ +

94|a|2 +

34|a|2)

= δ(3 |a|2 + 3 |a| δ + δ2

)δ ≤ 1

≤ δ(3 |a|2 + 3 |a|+ 1

) !≤ ε

⇐⇒ δ ≤ 1 ∧ δ ≤ ε

3 |a|2 + 3 |a|+ 1

Wir wahlen also δ := min{

1, ε3|a|2+3|a|+1

}> 0. Dann folgt aus |z − a| < δ mit obiger Rechnung

∣∣z3 − a3∣∣ < ε,

also die Stetigkeit von f an der (jeder) Stelle a ∈ C.

Das Auffinden eines moglichst großen δ > 0 wird zunachst dadurch erschwert, dass es sich bei f um einekomplexe Funktion handelt. Dass beide zu untersuchenden Werte fur a reell sind, vereinfacht die Aufgabeetwas. Mit einer kleinen Skizze kommt man schnell darauf, dass die Bedingung |z − a| < δ aquivalent istzu z = a + δ′ exp(iα) mit α ∈ ] − π, π] beliebig und 0 ≤ δ′ < δ beliebig (alle Punkte z liegen innerhalbeines Kreises um a mit Radius δ). Nun folgt eine kleine Rechnung (man beachte die Rechenregeln fur diePolarkoordinatendarstellung komplexer Zahlen), die schlimmer aussieht als sie ist:

∣∣z3 − a3∣∣ = ∣∣(a + δ′ exp(iα))3 − a3

∣∣ = ∣∣∣a3 + 3a2δ′ exp(iα) + 3aδ′2 exp(i2α) + δ′

3 exp(i3α)− a3∣∣∣ =

= δ′ |exp(iα)|︸ ︷︷ ︸=1

∣∣∣3a2 + 3aδ′ exp(iα) + δ′2 exp(i2α)

∣∣∣ = δ′∣∣∣3a2 + 3aδ′ exp(iα) + δ′

2 exp(i2α)∣∣∣

In der folgenden kleinen Nebenrechnung benutzen wir |w|2 = w · w, exp(iα) = exp(−iα) und cos(α) =Re(exp(iα)) = exp(iα)+exp(−iα)

2 um den Betrag (bzw. dessen Quadrat) moglichst optimal abzuschatzen:

∣∣∣δ′2 exp(i2α) + 3aδ′ exp(iα) + 3a2∣∣∣2 =

= (δ′2 exp(i2α) + 3aδ′ exp(iα) + 3a2)(δ′2 exp(−i2α) + 3aδ′ exp(−iα) + 3a2) =

= δ′4 + 9a2δ′

2 + 9a4 + 6aδ′3 cos(α) + 18a3δ′ cos(α) + 6a2δ′

2 cos(2α)

Fur beliebiges a > 0 und δ′ > 0 ist dieser Term offensichtlich fur α = 0 (d.h. cos(α) = cos(2α) = 1) maximal.Das ist dann sozusagen der ’worst case’ fur unsere gesuchte Abschatzung. Fur dieses α gilt nun naturlich∣∣(a + δ′ exp(iα))3 − a3

∣∣ =∣∣(a + δ′)3 − a3

∣∣. Da dieser Term ebenfalls monoton in δ′ wachst und δ′ beliebignahe von unten an δ herankommt, kann in folgender Abschatzung wieder das ungestrichene δ verwendet werden.

sup{∣∣(a + δ′)3 − a3

∣∣ : 0 ≤ δ′ < δ}

=∣∣(a + δ)3 − a3

∣∣ = (a + δ)3 − a3 !< ε ⇐⇒ δ <

3√

ε + a3 − a

Fur die gegebenen Zahlenwerte wird fur ε := 10−2 und a := 0, 2 die obige Bedingung optimalerweise durchδ = 0, 0621 und fur a := 20 durch δ = 8, 3 · 10−6 erfullt. �

Aufgabe 47

Sei f : R → R definiert durch

f(x) =

1 falls x ≥ 1 oder x ≤ −10 falls x = 0

1k+1 falls 1

k+1 ≤ |x| < 1k (k ∈ N)

55

Page 57: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

(a) Skizzieren Sie den Graphen von f im Intervall [−2, 2].

(b) Zeigen Sie, dass f in a = 0 stetig ist.

Tipp: Es gilt |f(x)| ≤ |x|

Losung:

(a) Wir skizzieren den Graphen der Funktion f mit Maple. Um die Funktion (speziell den letzten Fall) einfacheingeben zu konnen, benutzen wir folgende Aquivalenz:

1k + 1

≤ |x| < 1k

⇐⇒ k <1|x|

≤ k + 1

Fur x ∈ R mit 1k+1 ≤ |x| < 1

k gilt somit⌈

1|x|⌉

= k + 1 und daher 1k+1 =

⌈1|x|⌉−1

> plot(piecewise(abs(x)>=1,1,x=0,0,1/ceil(1/abs(x))),x=-2..2,

> discont=true,numpoints=1000,thickness=2);

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

–2 –1 1 2x

(b) Zunachst uberlegt man sich anhand der Funktionsdefinition, daß fur alle x ∈ R stets |f(x)| ≤ |x| gilt:Fur x = 0 ist dies klar (|0| = 0 = |f(0)|). Fur x ≥ 1 oder x ≤ −1 ebenfalls (|x| ≥ 1 = f(x) = |f(x)|).Fur alle ubrigen x gilt schließlich 1

k > |x| ≥ 1k+1 = f(x) = |f(x)| (mit einem k ∈ N geeignet). Damit ist

der Tipp explizit nachgewiesen.

Die Funktion f ist in a = 0 stetig, wie man leicht mittels eines ε-δ-Arguments einsieht: Zu vorgegebenemε > 0 setzt man δ := ε > 0. Fur alle x ∈ R mit |x| = |x− 0| < δ gilt nun offenbar:

|f(x)− f(0)| = |f(x)− 0| = |f(x)| ≤ |x| < δ = ε

und somit ist f in a = 0 stetig.

Bemerkung: Man beachte, daß f an allen Stellen a = 1n (n ∈ Z \ {0}) unstetig ist. Die Unstetigkeits-

stellen haufen sich also bei 0, i.e. die Menge{

1n

∣∣ n ∈ Z \ {0}}

hat den Haufungspunkt 0. Trotzdem istf bei a = 0 stetig.

56

Page 58: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Aufgabe 48

(a) Geben sie ein Beispiel fur ein Intervall [a, b] und eine Funktion f : [a, b] → R an, die auf [a, b] nichtstetig ist und die nicht jede zwischen f(a) und f(b) gelegene Zahl als Funktionswert annimmt.

(b) Geben Sie ein Beispiel fur ein Intervall [a, b] und eine Funktion f : [a, b] → R, die nicht auf [a, b]stetig ist, die aber jede zwischen f(a) und f(b) gelegene Zahl als Funktionswert annimmt.

Losung: Diese Aufgabe tangiert die Thematik des Zwischenwertsatzes. Dieser lautet:

Satz 1 (ZWS) Sei D ⊂ R ein echtes Intervall, f : D → R stetig und a < b ∈ D. Ist c irgendeine reelle Zahlmit f(a) ≤ c ≤ f(b) oder f(b) ≤ c ≤ f(a), dann gibt es (mindestens) ein p ∈ [a, b] mit f(p) = c.

Im Aufgabenteil (b) wird gezeigt, dass es auch nicht-stetige Funktionen gibt, die die Aussage des Zwischen-wertsatzes erfullen, wohingegen Teil (a) zeigt, dass der Zwischenwertsatz in seiner Allgemeinheit fur unstetigeFunktionen eben nicht gilt.

(a) Wir definieren eine Funktion f : [0, 1] → R wie folgt: f(x) :=

{0 falls x ≤ 1

2

1 falls x > 12

f ist nicht stetig in a = 12 . Betrachtet man namlich die Folge (an)n∈N gegeben durch an = 1

2 + 1n > 1

2 ,so gilt limn→∞ f(an) = limn→∞ 1 = 1 6= 0 = f( 1

2 ). Zudem existiert kein p ∈ [0, 1] mit f(p) = 12

nach Konstruktion unserer Funktion. Damit wird nicht jede Zahl zwischen 0 = f(0) und 1 = f(1) alsFunktionswert angenommen (tatsachlich liegen ja uberhaupt nur 0 und 1 im Bild von f).

(b) Wieder definieren wir eine Funktion g : [0, 1] → R mit g(x) :=

{x falls x ≤ 1

2

x− 12 falls x > 1

2

Diese Funktion ist wiederum nicht stetig an der Stelle a = 12 , denn mit obiger Folge (an)n∈N erhalt man:

limn→∞

g(an) = limn→∞

(12

+1n

)− 1

2= lim

n→∞

1n

= 0 6= 12

= g

(12

)Die Funktion nimmt jedoch jede zwischen 0 = g(0) und 1

2 = g(1) gelegene Zahl als Funktionswertan, denn bereits g|[0, 1

2 ] ist surjektiv (sogar bijektiv) auf[0, 1

2

]. Fur c ∈

[0, 1

2

]ist die Urbildmenge

g−1(c) = {x ∈ [0, 1] | g(x) = c} ⊇ {c} 6= ∅

Aufgabe 49

Sei f : R → R eine Funktion, die fur alle x, y ∈ R die (Funktional-)Gleichung

(∗) f(x + y) = f(x) + f(y) erfullt.

Zeigen Sie, dass fur f folgende Eigenschaften aquivalent sind:

(a) f ist in einer r-Umgebung von 0 beschrankt.

(b) f ist in einem Punkt a ∈ R stetig.

(c) f ist in jedem Punkt a ∈ R stetig.

(d) Fur alle x ∈ R gilt f(x) = c x mit c := f(1).

Bestimmen Sie als Anwendung die stetigen Losungen von (∗).

57

Page 59: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Losung: Man bemerkt zunachst, daß die Funktionalgleichung (∗) den Wert von f bei 0 eindeutig festlegt:

f(0) = f(0 + 0)(∗)= f(0) + f(0) = 2 · f(0) =⇒ f(0) = 0

Weiter folgt f(−x) = −f(x) ∀x ∈ R, denn 0 = f(0) = f(x + (−x))(∗)= f(x) + f(−x).

Nun beweisen wir die Aquivalenz der angegebenen Eigenschaften durch einen Ringschluß:

”(d)⇒ (c)”: Nach Voraussetzung ist f : R → R mit x 7→ f(x) = c · x = f(1) · x eine lineare Funktion.Diese sind stetig in allen Punkten a ∈ R ihres Definitionsbereiches (vgl. Skript 11.2.2(f)).

”(c)⇒ (b)”: Eine Funktion f : R → R, die in jedem Punkt a ∈ R stetig ist, ist insbesondere in einem(speziellen) Punkt a ∈ R stetig.

”(b)⇒ (a)”: Wir zeigen zunachst, daß aus der Stetigkeit von f an einem (speziellen) Punkt a ∈ R mithilfeder Funktionalgleichung die Stetigkeit von f bei 0 ∈ R folgt:

Sei ε > 0 beliebig. Da f stetig bei a ∈ R ist, wahlt man ein δ > 0, so daß ∀ y ∈ R : |y − a| < δ =⇒|f(y)− f(a)| < ε. Dieses δ ist auch an der Stelle 0 ∈ R gultig, d.h. ∀x ∈ R : |x− 0| < δ gilt (mansetzt y := x + a, dies impliziert |y − a| = |x + a− a| = |x− 0| < δ also |f(y)− f(a)| < ε aufgrund derStetigkeit bei a):

|f(x)− f(0)| = |f(x)− 0| = |f(x) + f(a)− f(a)| (∗)= |f(x + a)− f(a)| = |f(y)− f(a)| < ε

Damit ist f an der Stelle 0 stetig und somit insbesondere beschrankt in einer Umgebung von Null, dennzu ε := M > 0 beliebig existiert ein r := δ > 0, so daß fur alle x ∈ Ur(0) (d.h. |x− 0| < r = δ) bereits|f(x)| = |f(x)− f(0)| < ε = M gilt.

”(a)⇒ (d)”: Aquivalent zu diesem Schritt zeigen wir die Kontraposition ”¬(d)⇒ ¬(a)”:

Da f nach Voraussetzung keine lineare Funktion ist (¬(a)), existiert ein y ∈ R \ {0} mit f(y) 6= f(1) · y.Sei α := f(y)− f(1) · y 6= 0. Aufgrund der Funktionalgleichung gilt dann:

∀n ∈ N :∣∣∣∣f (10n y − b10n yc

n

)∣∣∣∣ (∗)=∣∣∣∣f(

10n

ny) + f(−b10n yc

n)∣∣∣∣ (∗)

=∣∣∣∣10n

nf(y)− b10n yc

nf(1)

∣∣∣∣ ==∣∣∣∣10n y − b10n yc

nf(1) +

10n

∣∣∣∣ ≥ ∣∣∣∣10n

∣∣∣∣− ∣∣∣∣10n y − b10n ycn

f(1)∣∣∣∣ =

=10n

n|α| − 10n y − b10n yc

n|f(1)|

Offensichtlich ist 0 ≤ 10n y− b10n yc ≤ 1 und die Folge(

10n y−b10n ycn

)n∈N

ist deshalb nach Sandwich-

Lemma (Skript 8.3) eine Nullfolge (0 ≤ 10n y−b10n ycn ≤ 1

n ∀n ∈ N).

Zu vorgegebenem Radius r > 0 existiert daher ein N ∈ N, so daß fur alle n ≥ N zum einen10n y−b10n yc

n < r und zum anderen 10n y−b10n ycn |f(1)| < |α| ist. Damit gilt:

∀n ≥ N :∣∣∣f( 10n y−b10n yc

n︸ ︷︷ ︸∈Ur(0)

)∣∣∣ ≥ 10n

n|α| −

(10n y−b10n yc

n

)|f(1)|︸ ︷︷ ︸

<|α|

>

(10n

n− 1)|α| n→∞−−−−→∞

Die Funktion f nimmt damit innerhalb jeder r-Umgebung Ur(0) um 0 beliebig große Funktionswerte an,ist also nicht beschrankt.

Die Antwort auf die Zusatzfrage ist bis auf eine Kleinigkeit bereits in den Aquivalenzen enthalten: StetigeLosungen der Funktionalgleichung sind nach (d) lineare Funktionen. Offensichtlich erfullt sogar jede lineareFunktion f : R → R, x 7→ c ·x die Funktionalgleichung, denn ∀x, y ∈ R : f(x+y) = c ·(x+y) = c ·x+c ·y =f(x) + f(y). Damit sind fur c := f(1) alle reellen Zahlen zulassig.

58

Page 60: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Alternativ kann man die stetigen Losungen der Funktionalgleichung auch direkt bestimmen. Wir benutzenzunachst nur die Funktionalgleichung, um die Funktionswerte von f an allen rationalen Zahlen x ∈ Q festzu-legen:

∀n ∈ N : f(n) = f(1 + . . . + 1︸ ︷︷ ︸n-mal

)(∗)= f(1) + . . . + f(1)︸ ︷︷ ︸

n-mal

= n · f(1)

∀n ∈ N : f(1) = f(

1n + . . . + 1

n︸ ︷︷ ︸n-mal

)(∗)= f

(1n

)+ . . . + f

(1n

)︸ ︷︷ ︸n-mal

= n · f(

1n

)=⇒ f

(1n

)=

1n· f(1)

∀m,n ∈ N : f(

nm

)= f

(1m + . . . + 1

m︸ ︷︷ ︸n-mal

)(∗)= f

(1m

)+ . . . + f

(1m

)︸ ︷︷ ︸n-mal

= n ·(

1m · f(1)

)=

n

m· f(1)

Beachtet man noch die oben bewiesenen Resultate f(0) = 0 und f(−x) = −f(x), so ist der Wert von fauf allen rationalen Zahlen definiert und zumindest die Einschrankung f |Q hat die in (d) angegebene Gestaltf(x) = f(1) · x ∀x ∈ Q.

Die Zusatzforderung f sei stetig, impliziert f(x) = f(1) · x ∀x ∈ R, da die rationalen Zahlen Q dichtin den reellen Zahlen R liegen und stetige Funktionen durch ihre Werte auf einer dichten Teilmenge desDefinitionsbereiches bereits eindeutig festgelegt sind (vgl. Bemerkung 12.4 im Skript). �

Aufgabe 50 [Das ”Sonnenaufgangslemma”]

Sei f : R → R eine stetige Funktion. Ein Punkt x ∈ R heißt Schattenpunkt fur f , wenn es ein y ∈ Rmit y > x und f(y) > f(x) gibt. Die Punkte a < b ∈ R, seien keine Schattenpunkte fur f , aber dasIntervall ]a, b[ bestehe nur aus Schattenpunkten fur f .

Zeigen Sie: Es gilt dann f(x) < f(b) fur alle x ∈ ]a, b[ und f(a) = f(b).Geben Sie ferner eine Begrundung fur den in der Uberschrift genannten Namen.

Tipp: Man betrachte eine Stelle in [x, b], in der f |[x,b] das Maximum annimmt.

Losung: Sei f : R → R stetig.

Da a, b ∈ R keine Schattenpunkte sind, gilt: ∀x ∈ R : x > a =⇒ f(x) ≤ f(a) und ∀ y ∈ R : y > b =⇒f(y) ≤ f(b)

Speziell gilt ∀x ∈ ]a, b] : f(x) ≤ f(a) (∗)Annahme: ∃x ∈ ]a, b[ : f(x) = f(a)

Da a kein Schattenpunkt ist, folgt ∀ y > a : f(y) ≤ f(a) = f(x) also speziell ∀ y > x (> a) : f(y) ≤ f(x) undx ware kein Schattenpunkt alle Punkte in ]a, b[ sind Schattenpunkte. Damit gilt ∀x ∈ ]a, b[ : f(x) < f(a)

Wir zeigen nun noch, daß wie gefordert f(a) = f(b) gilt. Dies impliziert sofort ∀x ∈ ]a, b[ : f(x) < f(a) = f(b).

Nach Gleichung (∗) wissen wir, daß f(b) ≤ f(a).Annahme: f(b) < f(a)

Sei M :={

x ∈ [a, b]∣∣ f(x) ≥ f(a)+f(b)

2

}. Wegen f(a) > f(a)+f(b)

2 ist die Menge M nicht leer (a ∈ M) und

enthalt wegen der Stetigkeit von f auch Punkte x > a (vgl. Satz 13.1.1 im Skript). Da f(b) < f(a)+f(b)2

folgt b /∈ M und wieder wegen der Stetigkeit von f existiert ein δ > 0, so daß M ∩ [b − δ, b] = ∅ (vgl. Satz13.1.1). Setze c := supM . Tatsachlich ist M abgeschlossen, da durch eine ≥-Bedingung der stetigen Funktion

f definiert (vgl. 13.3.3 im Skript), und das Supremum ist ein Maximum. Es gilt: c ∈ ]a, b[ und f(c) ≥ f(a)+f(b)2

aber ∀ y ∈]c, b] : f(y) < f(a)+f(b)2 ≤ f(c). Zudem gilt fur alle y > b : f(y) ≤ f(b) < f(a)+f(b)

2 ≤ f(c) (dab kein Schattenpunkt). Zusammen folgt ∀ y > c : f(y) < f(c), also c kein Schattenpunkt c ∈ ]a, b[ istSchattenpunkt nach Voraussetzung.

Damit gilt f(a) = f(b) und ∀x ∈ ]a, b[ : f(x) < f(b).

59

Page 61: L¨osungen der Aufgaben zur Vorlesung Analysis I von PD Dr ...€¦ · Die Strecke, die der J¨ager zur ¨ucklegt ist s j = 1 km. Insgesamt gilt also f¨ur die Strecke von Waldi:

Der Name ”Sonnenaufgangslemma” laßt sich wie folgt veranschaulichen:Man faßt das Schaubild der Funktion f auf R als Relief einer Landschaft (Berge, Taler und Ebenen) auf. Nungeht die Sonne im Osten, d.h. bei der “fiktiven” Koordinate x = +∞ auf und bestrahlt diese Hugellandschaft(die Sonnenstrahlen sind dabei Geraden parallel zur x-Achse). Naturlich konnen die Strahlen sich nur durchdie Luft (oberhalb des Graphen von f) ausbreiten. Die Erde (unterhalb des Graphen von f ist “sonnenun-durchlassig”). Strahlen, die einen “Berggipfel” des Schaubildes von f treffen, i.e. das Schaubild von f nurberuhren, laufen ungehindert weiter.

Ein Schattenpunkt ist nun ein Punkt (x, f(x)) der von den Sonnenstrahlen nicht erreicht wird (eben im Schattenliegt). Dies ist genau dann der Fall, wenn es (mindestens) einen Punkt (y, f(y)) mit y > x und f(y) > f(x)gibt. �

60