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GLAUBEN UND LEBEN 6 NR. 24 / 10. JUNI 2012 KURZ NOTIERT Nach neun Jahren im EKD-Aus- landspfarramt an der Costa del Sol (Südspanien) kehrt der west- fälische Pfarrer Friedhelm Pe- ters mit seiner Frau Heike nach Deutschland zurück. Zur Situati- on von deutschsprachigen Senio- ren im spanischen Urlaubsgebie- ten und zu den Tücken eines Le- bens in der Fremde befragte ihn Harald Mallas. n Was sind die Motive, die älte- re Menschen in die Ferne ziehen? Die Costa del Sol (Sonnenküste) wird ja als das europäische Seniorenpara- dies bezeichnet. Viele Menschen mit gesundheitlichen Nöten, wie Herz- und Lungen-Patienten, geht es hier deutlich besser als in Deutschland. Manche sagen sogar, ihre Lebenser- wartung steige statistisch um zehn volle Jahre. Andere sind einfach ver- mögend und können sich ein zwei- tes Zuhause in der Sonne leisten. Dabei bleibt die erste Heimat stets Deutschland. n Altwerden in der Ferne ist mit Unwägbarkeiten verbunden ... Schwierigkeiten lauern an vielen Stel- len: Der Sturzregen überflutet die Straße und reißt das Auto mit. Der Strom ist weg und bleibt es auch. Das Haus wird trotz höchster Sicherheits- standards ratzeputz leergeklaut. Der Handwerker kriegt es nicht hin, ein Loch zu bohren, um ein neues Kabel zu legen. Der Abhang rutscht weg und das Haus bekommt Risse. Es stimmt kaum eine Straßenkarte. Kein Tech- niker kommt, obwohl der Vertrag eine Reparatur in 24 Stunden zusagt. Bei der gesetzlichen Krankenversiche- rung dauert es drei Monate bis zu ei- ner EKG-Untersuchung. Die Liste hat kein Ende. n Warum ist Altwerden in Spanien anders als in Deutschland? Mañana heißt: Morgen und steht für alles, was nicht passiert. Erstaunlich: Da, wo Deutsche in der Regel sauer werden, bleiben Spanier ruhig und gelassen. Sie regen sich über ande- res auf. Mañana heißt eben auch: Die Sonne scheint doch und fällt nicht vom Himmel, auch wenn das jetzt alles nicht so wie erwartet läuft. Für viele Deutsche ist das eine Heraus- forderung an ihren Lebensstil. Sie wollen diese Gelassenheit erwerben. n Welche Rolle spielt für die Men- schen das Angebot der deutschspra- chigen Kirchengemeinde? Das Tourismuskonzept der EKD spricht im Hinblick auf das Angebot des evangelischen Pfarramtes von einem „Stück Heimat in der Frem- de“. Das trifft den Kern. n Haben Sie Ratschläge für Men- schen, die ein Leben in einem Ur- laubsparadies planen? Zunächst: Genau hinschauen und mit mehreren kürzeren und länge- ren Aufenthalten prüfen, ob man hier leben möchte. Nicht sofort eine Wohnung kaufen, sondern erst mie- ten und probewohnen. Erfahrene Deutsche als Berater befragen. Die Tücken des Lebens hier sind so an- ders, dass man selbst oft nicht da- rauf kommt. Zudem ist das Leben hier nicht billiger als in Deutschland, oft sogar teurer. Geld muss man also mitbringen. Verdienen lässt sich hier nichts. n Das evangelische Johanneswerk bot an drei spanischen Orten Seni- orenwohnungen und Pflegeplätze an. Welche Reaktionen haben nun die Schließungspläne ausgelöst? Entsetzen. Die Residencia Costa Tro- pical (Almuñeca) ist auch mit kirch- licher Initiative entstanden. Sie gibt der „Heimat in der Fremde“ ein Ge- sicht. Wohnen im Alter, selbst mit Pflege und Intensivpflege sind in die- sem Haus optimal. Eine Topadres- se unter den sonstigen Einrichtun- gen. Entsetzen auch deshalb, weil Versprechen gebrochen werden. Es hieß stets: Wenn ihr hier einzahlt, könnt ihr hier auch bis zum Lebens- ende wohnen. Das soll jetzt nicht mehr gelten. Es gibt Bewohner, die 14 Tage zuvor noch aufgrund dieser Zusagen ihre eigene Wohnung ver- kauft haben. So geht man nicht mit Menschen um, sagen die Betroffe- nen. Das propagierte Leitbild des Jo- hanneswerkes spricht von anderen Werten. n Haben sich betroffene Senioren bereits neu orientiert? Das ist noch völlig offen. Einige setz- ten auf hartnäckiges Bleiben, weil ihre Mitverträge eine Kündigung gar nicht vorsehen. Andere überlegen nach Deutsch- land zu gehen, um für die Zu- kunft den Stan- dard deutscher Pflege zu hal- ten. Manche prüfen den Wechsel in eine andere Ein- richtung an der Costa Blanca, die das Johan- neswerk anbie- tet. Wieder an- dere sind noch ganz ratlos. n Ihre Frau und Sie verabschieden sich aus dem Pfarramt in Südspanien. Welche Gefühle begleiten Sie? Wehmut und Freude. Wehmut, weil wir hier in jedem Jahr etwa sechs- tausend Menschen in Gottesdiens- ten und in vielen Situationen längs der Küste begleitet haben. Das wa- ren außergewöhnliche Begegnungen mit besonderen Leuten. Vielen wer- den wir im Herzen bleiben und um- gekehrt sie auch uns. Freude erfüllt uns, nach der langen Zeit im Ausland wieder im deutschen Umfeld wohnen zu können. Und unsere nächste Auf- gabe ist auch großartig: Tagesgroßel- tern bei zweien unserer Enkel. n Wird es in zehn Jahren noch evangelische Urlauberseelsorge an der Costa del Sol geben? Solange die Erde steht, werden die Küstenstrände der Costa del Sol ei- nen besonderen Reiz auf die Men- schen ausüben: Das hellste Licht leuchtet hier. Wasser und Wärme sind wunderbar. Andalusien ist ein großes Stück europäischer Ge- schichte. Die Fehlentwicklungen ei- nes unersättlichen Baubooms wer- den nicht bleiben dürfen, weil sonst die Menschen weg- bleiben, von denen die Region lebt. Auch Qualität und Preisniveau wer- den sich korrigie- ren müssen. n Die EKD hat also mit den Tourismus- pfarrstellen gut in- vestiert? Genau. Reisen öff- net nicht nur Län- der, sondern oft auch Herzen. Un- sere einladende Ar- beit hat viele dazu gebracht, neue Glaubensschritte zu gehen. Bei den Amtshandlungen haben wir mit vie- len gesprochen, die in Deutschland keine Zeit haben, einen Gottesdienst zu besuchen. Ab dem 1. September wird Pfarrer Christof Meyer mit seiner Partnerin Mi- riam Fischer aus Stuttgart die Arbeit an der Costa del Sol fortsetzen. Die Inter- netseite www.evpfa-costadelsol.de und die E-Mail Adresse gemeinde@evpfa- costadelsol.de bleiben bis auf Weiteres aktuell. UK Älter werden in der Fremde LEBENSTRÄUME Viele Menschen spielen mit dem Gedanken, ihren Ruhestand in wärmeren Regionen Europas zu verleben. Doch dieser Schritt will gut überlegt sein. Ein EKD-Auslandspfarrer gibt Rat Dietrich Bonhoeffer und die Losungen GEISTLICHES LEBEN Für Dietrich Bonhoeffer waren die Herrnhuter Losungen geistliches Grundnahrungsmittel, Entscheidungshilfe und Band der Gemeinschaft über alle Mauern hinweg Die tägliche Besinnung auf Lo- sung und Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeine ist vielen Christen geistliche Kraftquelle. Nur weni- ge wissen, dass deren Gebrauch besonders durch die Erfahrungen der Bekennenden Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus Brei- tenwirkung erfuhr. Von besonde- rer Bedeutung ist hier die Entwick- lung, die der Theologe Dietrich Bonhoeffer mit dem Losungsbuch machte. Darauf weist Peter Zim- merling, Praktischer Theologe an der Universität Leipzig, in einem Beitrag für das Deutsche Pfarrer- blatt (1/2012) hin. Den ersten Kontakt mit dem Andachtsbuch der Herrnhuter macht der junge Bonhoeffer im Elternhaus. Neben seiner Mut- ter, die in ihrer Jugend einige Mo- nate in Herrnhut verbrachte, war es besonders die Erzieherin Ma- ria Horn, welche die Herrnhuter Frömmigkeit im Hause Bonhoef- fer lebte. Allerdings spielte das Lo- sungsbuch – vermutlich wegen der Einstellung des Vaters – im Tages- ablauf der Familie keine Rolle. Doch sollte für Bonhoeffer das Andachtsbuch im Verlauf des Le- bens eine immer bedeutendere Rolle bekommen. Zunächst stand die eher kritische Auseinander- setzung im Vordergrund. In der Schrift „Gemeinsames Leben“ be- klagt der Theologe, dass über ei- nigen kurzen, ausgewählten Bi- belversen das Verständnis für die Zusammenhänge der Bibel verlo- ren ginge: „Die Heilige Schrift be- steht nicht aus einzelnen Sprü- chen, sondern sie ist ein Ganzes, das als solches zur Geltung kom- men will.“ Ohne es zu wissen be- findet er sich damit in Einklang mit Nikolaus Ludwig Graf von Zin- zendorf, für den die Losungen das Ziel hatten, „Menschen zu helfen, in den Gesamtzusammenhang der Bibel hineinzufinden“, betont Peter Zimmerling. Später entdeckt Bonhoeffer die gemeinschaftsstiftende Kraft der Losungen. Die Zeit des Wider- stands gegen Hitler bedeutete die Zerstreuung der ehemaligen Schü- ler und Vikare im Krieg und später die eigene Gefangenschaft. „Das gemeinsame Lesen der Losungen half, die geistliche Gemeinschaft mit Freunden, Schülern und Ver- wandten über alle räumliche Tren- nung hinweg zu bewahren“, sagt Zimmerling und ergänzt: „Indem sie alle täglich auf das gleiche Wort Jesu Christi hörten, blieben sie miteinander verbunden.“ Hinzu kommt, dass der Gebrauch von Bi- belversen aus dem Alten (Losung) sowie Neuen Testament (Lehrtext) festhält: Die Stimme des christli- chen Gottes ist in der ganzen Bibel zu hören. Ein Christsein ohne die bleibende Verbundenheit mit dem Judentum gibt es nicht. Während seiner Amerikareise (Sommer 1939), die Freunde orga- nisiert hatten, um Bonhoeffer aus Hitlerdeutschland in Sicherheit zu bringen, wurden die Losungsworte zur Entscheidungshilfe über bleiben oder umkehren. Offenbar bemühte sich der Theologe seinen Entschluss im Gespräch mit den täglichen Bi- belversen zu fassen. Er verstand – so Zimmerling – die Bibelworte „als Anrede Gottes, hineingesprochen in seine persönliche Situation“. Am Ende stand die Rückkehr. Im Gefägnis dann (ab 1943) wurden die Losungen neben den Paul-Gerhardt-Liedern und den Psalmen für Bonhoeffer zur wich- tigsten spirituellen Grundnah- rung. Sie gaben nicht nur Trost, den schrecklichen Gefängniser- fahrungen standzuhalten, son- dern halfen auch, mit dem Schei- tern des Attentats gegen Hitler und den Folgen fertig zu werden. Am 21. Juli 1943, kurz nach dem At- tentat, schrieb Bonhoeffer seinem Freund Eberhard Bethge von sei- ner inneren Unruhe und ergänz- te: „Dann freut man sich ganz ein- fach an den Losungen des Tages, ... und man kehrt zu den schönen Paul Gerhardtliedern zurück und ist froh über diesen Besitz.“ Gele- sen hatte er an diesem Morgen die Worte vom guten Hirten. Seine letzte Andacht hielt der zum Tode Verurteilte am 8. April 1945 – nicht über den Predigttext des Sonntags, sondern über Losung und Lehrtext: Jesaja 53, 5 und 1. Pet- rus 1, 3 – beides Texte, die in verdich- teter Weise die christliche Ewig- keitshoffnung beinhalten. hama n Der vollständige Beitrag von Pe- ter Zimmerling ist online lesbar auf www.deutsches-pfarrerblatt.de. Dort in „Archiv“ nach Ausgabe Ja- nuar/2012 suchen. Die Sinnsucherin ist angekommen Die Sängerin Nina Hagen hat schon vie- le durch ihre Unberechenbarkeit irritiert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat der Punk-Diva ein ganzseitiges Por- trät gewidmet, wie das Evan- gelische Me- dienmagazin „pro“ in seiner Online-Ausga- be berichtet. Friese tituliert die Sängerin in dem Artikel „Catharina die Große“ als „bi- beltreue Chris- tin“ und „Sinn- sucherin“, deren fester Glaube an Gott sie vor dem Absturz in die Drogenabhängig- keit bewahrt habe. Im Fragebogen „Ich über mich“ verrät die 57-Jährige, dass ihr Arbeitstag mit dem Griff zur Bibel beginnt. Sie beschreibt, dass sie Rat sucht im Ge- spräch mit Gott, der Bibel und ihrem Pas- tor. Und dass sie nicht noch einmal in der Talkshow mit Angela Merkel „so laut schrei- en“ würde. Ansonsten brauche sie nichts zu bereuen, weil sie durch ihren Glauben Ver- gebung gefunden habe. „Es scheint, als sei die Sinnsucherin, die ihre Botschaft längst auch in Kirchen verkündet, endlich ange- kommen“, schließt Friese. pro/UK Pfarrer Friedhelm Peters. FOTO: PRIVAT Im Alter in den Süden. Ein Traum vieler Senioren. FOTO: RAMVSEB Nina Hagen. FOTO: KIL

Älter werden in der Fremde - evpfa-costadelsol.de · res auf. Mañana heißt eben auch: Die Sonne scheint doch und fällt nicht vom Himmel, auch wenn das jetzt alles nicht so wie

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G L A U B E N U N D L E B E N6 NR. 24 / 10. JUNI 2012

K u r z n o t i e r t

Nach neun Jahren im EKD-Aus-landspfarramt an der Costa del Sol (Südspanien) kehrt der west-fälische Pfarrer Friedhelm Pe-ters mit seiner Frau Heike nach Deutschland zurück. Zur Situati-on von deutschsprachigen Senio-ren im spanischen Urlaubsgebie-ten und zu den Tücken eines Le-bens in der Fremde befragte ihn Harald Mallas.

n Was sind die Motive, die älte-re Menschen in die Ferne ziehen?

Die Costa del Sol (Sonnenküste) wird ja als das europäische Seniorenpara-dies bezeichnet. Viele Menschen mit gesundheitlichen Nöten, wie Herz- und Lungen-Patienten, geht es hier deutlich besser als in Deutschland. Manche sagen sogar, ihre Lebenser-wartung steige statistisch um zehn volle Jahre. Andere sind einfach ver-mögend und können sich ein zwei-tes Zuhause in der Sonne leisten. Dabei bleibt die erste Heimat stets Deutschland.

n Altwerden in der Ferne ist mit Unwägbarkeiten verbunden ...

Schwierigkeiten lauern an vielen Stel-len: Der Sturzregen überflutet die Straße und reißt das Auto mit. Der Strom ist weg und bleibt es auch. Das Haus wird trotz höchster Sicherheits-standards ratzeputz leergeklaut. Der Handwerker kriegt es nicht hin, ein Loch zu bohren, um ein neues Kabel zu legen. Der Abhang rutscht weg und das Haus bekommt Risse. Es stimmt kaum eine Straßenkarte. Kein Tech-niker kommt, obwohl der Vertrag eine Reparatur in 24 Stunden zusagt. Bei der gesetzlichen Krankenversiche-rung dauert es drei Monate bis zu ei-ner EKG-Untersuchung. Die Liste hat kein Ende.

n Warum ist Altwerden in Spanien

anders als in Deutschland? Mañana heißt: Morgen und steht für alles, was nicht passiert. Erstaunlich: Da, wo Deutsche in der Regel sauer werden, bleiben Spanier ruhig und gelassen. Sie regen sich über ande-res auf. Mañana heißt eben auch: Die Sonne scheint doch und fällt nicht vom Himmel, auch wenn das jetzt alles nicht so wie erwartet läuft. Für viele Deutsche ist das eine Heraus-forderung an ihren Lebensstil. Sie wollen diese Gelassenheit erwerben.

n Welche Rolle spielt für die Men-schen das Angebot der deutschspra-chigen Kirchengemeinde?

Das Tourismuskonzept der EKD spricht im Hinblick auf das Angebot des evangelischen Pfarramtes von einem „Stück Heimat in der Frem-de“. Das trifft den Kern.

n Haben Sie Ratschläge für Men-schen, die ein Leben in einem Ur-laubsparadies planen?

Zunächst: Genau hinschauen und mit mehreren kürzeren und länge-ren Aufenthalten prüfen, ob man

hier leben möchte. Nicht sofort eine Wohnung kaufen, sondern erst mie-ten und probewohnen. Erfahrene Deutsche als Berater befragen. Die Tücken des Lebens hier sind so an-ders, dass man selbst oft nicht da-rauf kommt. Zudem ist das Leben hier nicht billiger als in Deutschland, oft sogar teurer. Geld muss man also mitbringen. Verdienen lässt sich hier nichts.

n Das evangelische Johanneswerk bot an drei spanischen Orten Seni-orenwohnungen und Pflegeplätze an. Welche Reaktionen haben nun die Schließungspläne ausgelöst?

Entsetzen. Die Residencia Costa Tro-pical (Almuñeca) ist auch mit kirch-licher Initiative entstanden. Sie gibt der „Heimat in der Fremde“ ein Ge-sicht. Wohnen im Alter, selbst mit Pflege und Intensivpflege sind in die-sem Haus optimal. Eine Topadres-se unter den sonstigen Einrichtun-gen. Entsetzen auch deshalb, weil Versprechen gebrochen werden. Es hieß stets: Wenn ihr hier einzahlt, könnt ihr hier auch bis zum Lebens-

ende wohnen. Das soll jetzt nicht mehr gelten. Es gibt Bewohner, die 14 Tage zuvor noch aufgrund dieser Zusagen ihre eigene Wohnung ver-kauft haben. So geht man nicht mit Menschen um, sagen die Betroffe-nen. Das propagierte Leitbild des Jo-hanneswerkes spricht von anderen Werten.

n Haben sich betroffene Senioren bereits neu orientiert?

Das ist noch völlig offen. Einige setz-ten auf hartnäckiges Bleiben, weil ihre Mitverträge eine Kündigung gar nicht vorsehen. Andere überlegen nach Deutsch-land zu gehen, um für die Zu-kunft den Stan-dard deutscher Pflege zu hal-ten. Manche prüfen den Wechsel in eine andere Ein-richtung an der Costa Blanca, die das Johan-neswerk anbie-tet. Wieder an-dere sind noch ganz ratlos.

n Ihre Frau und Sie verabschieden sich aus dem Pfarramt in Südspanien. Welche Gefühle begleiten Sie?

Wehmut und Freude. Wehmut, weil wir hier in jedem Jahr etwa sechs-tausend Menschen in Gottesdiens-ten und in vielen Situationen längs der Küste begleitet haben. Das wa-ren außergewöhnliche Begegnungen mit besonderen Leuten. Vielen wer-den wir im Herzen bleiben und um-gekehrt sie auch uns. Freude erfüllt uns, nach der langen Zeit im Ausland wieder im deutschen Umfeld wohnen zu können. Und unsere nächste Auf-

gabe ist auch großartig: Tagesgroßel-tern bei zweien unserer Enkel.

n Wird es in zehn Jahren noch evangelische Urlauberseelsorge an der Costa del Sol geben?

Solange die Erde steht, werden die Küstenstrände der Costa del Sol ei-nen besonderen Reiz auf die Men-schen ausüben: Das hellste Licht leuchtet hier. Wasser und Wärme sind wunderbar. Andalusien ist ein großes Stück europäischer Ge-schichte. Die Fehlentwicklungen ei-nes unersättlichen Baubooms wer-den nicht bleiben dürfen, weil sonst

die Menschen weg-bleiben, von denen die Region lebt. Auch Qualität und Preisniveau wer-den sich korrigie-ren müssen.

n Die EKD hat also mit den Tourismus-pfarrstellen gut in-vestiert? Genau. Reisen öff-net nicht nur Län-der, sondern oft auch Herzen. Un-sere einladende Ar-beit hat viele dazu gebracht, neue

Glaubensschritte zu gehen. Bei den Amtshandlungen haben wir mit vie-len gesprochen, die in Deutschland keine Zeit haben, einen Gottesdienst zu besuchen.

Ab dem 1. September wird Pfarrer Christof Meyer mit seiner Partnerin Mi-riam Fischer aus Stuttgart die Arbeit an der Costa del Sol fortsetzen. Die inter-netseite www.evpfa-costadelsol.de und die e-Mail Adresse [email protected] bleiben bis auf Weiteres aktuell. UK

Älter werden in der FremdeLebenSträume Viele Menschen spielen mit dem Gedanken, ihren Ruhestand in wärmeren Regionen Europas zu verleben. Doch dieser

Schritt will gut überlegt sein. Ein EKD-Auslandspfarrer gibt Rat

Dietrich Bonhoeffer und die LosungengeiStLicheS Leben Für Dietrich Bonhoeffer waren die Herrnhuter Losungen geistliches

Grundnahrungsmittel, Entscheidungshilfe und Band der Gemeinschaft über alle Mauern hinweg

Die tägliche Besinnung auf Lo-sung und Lehrtext der Herrnhuter Brüdergemeine ist vielen Christen geistliche Kraftquelle. Nur weni-ge wissen, dass deren Gebrauch besonders durch die Erfahrungen der Bekennenden Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus Brei-tenwirkung erfuhr. Von besonde-rer Bedeutung ist hier die Entwick-lung, die der Theologe Dietrich Bonhoeffer mit dem Losungsbuch machte. Darauf weist Peter Zim-merling, Praktischer Theologe an der Universität Leipzig, in einem Beitrag für das Deutsche Pfarrer-blatt (1/2012) hin.

Den ersten Kontakt mit dem Andachtsbuch der Herrnhuter macht der junge Bonhoeffer im Elternhaus. Neben seiner Mut-ter, die in ihrer Jugend einige Mo-nate in Herrnhut verbrachte, war es besonders die Erzieherin Ma-ria Horn, welche die Herrnhuter Frömmigkeit im Hause Bonhoef-fer lebte. Allerdings spielte das Lo-sungsbuch – vermutlich wegen der Einstellung des Vaters – im Tages-ablauf der Familie keine Rolle.

Doch sollte für Bonhoeffer das Andachtsbuch im Verlauf des Le-

bens eine immer bedeutendere Rolle bekommen. Zunächst stand die eher kritische Auseinander-setzung im Vordergrund. In der Schrift „Gemeinsames Leben“ be-klagt der Theologe, dass über ei-nigen kurzen, ausgewählten Bi-belversen das Verständnis für die Zusammenhänge der Bibel verlo-ren ginge: „Die Heilige Schrift be-steht nicht aus einzelnen Sprü-chen, sondern sie ist ein Ganzes, das als solches zur Geltung kom-men will.“ Ohne es zu wissen be-findet er sich damit in Einklang mit Nikolaus Ludwig Graf von Zin-zendorf, für den die Losungen das Ziel hatten, „Menschen zu helfen, in den Gesamtzusammenhang der Bibel hineinzufinden“, betont Peter Zimmerling.

Später entdeckt Bonhoeffer die gemeinschaftsstiftende Kraft der Losungen. Die Zeit des Wider-stands gegen Hitler bedeutete die Zerstreuung der ehemaligen Schü-ler und Vikare im Krieg und später die eigene Gefangenschaft. „Das gemeinsame Lesen der Losungen half, die geistliche Gemeinschaft mit Freunden, Schülern und Ver-wandten über alle räumliche Tren-

nung hinweg zu bewahren“, sagt Zimmerling und ergänzt: „Indem sie alle täglich auf das gleiche Wort Jesu Christi hörten, blieben sie miteinander verbunden.“ Hinzu kommt, dass der Gebrauch von Bi-belversen aus dem Alten (Losung) sowie Neuen Testament (Lehrtext) festhält: Die Stimme des christli-chen Gottes ist in der ganzen Bibel zu hören. Ein Christsein ohne die bleibende Verbundenheit mit dem Judentum gibt es nicht.

Während seiner Amerikareise (Sommer 1939), die Freunde orga-nisiert hatten, um Bonhoeffer aus Hitlerdeutschland in Sicherheit zu bringen, wurden die Losungsworte zur Entscheidungshilfe über bleiben oder umkehren. Offenbar bemühte sich der Theologe seinen Entschluss im Gespräch mit den täglichen Bi-belversen zu fassen. Er verstand – so Zimmerling – die Bibelworte „als Anrede Gottes, hineingesprochen in seine persönliche Situation“. Am Ende stand die Rückkehr.

Im Gefägnis dann (ab 1943)wurden die Losungen neben den Paul-Gerhardt-Liedern und den Psalmen für Bonhoeffer zur wich-tigsten spirituellen Grundnah-

rung. Sie gaben nicht nur Trost, den schrecklichen Gefängniser-fahrungen standzuhalten, son-dern halfen auch, mit dem Schei-tern des Attentats gegen Hitler und den Folgen fertig zu werden. Am 21. Juli 1943, kurz nach dem At-tentat, schrieb Bonhoeffer seinem Freund Eberhard Bethge von sei-ner inneren Unruhe und ergänz-te: „Dann freut man sich ganz ein-fach an den Losungen des Tages, ... und man kehrt zu den schönen Paul Gerhardtliedern zurück und ist froh über diesen Besitz.“ Gele-sen hatte er an diesem Morgen die Worte vom guten Hirten.

Seine letzte Andacht hielt der zum Tode Verurteilte am 8. April 1945 – nicht über den Predigttext des Sonntags, sondern über Losung und Lehrtext: Jesaja 53, 5 und 1. Pet-rus 1, 3 – beides Texte, die in verdich-teter Weise die christliche Ewig-keitshoffnung beinhalten. hama

n Der vollständige Beitrag von Pe-ter Zimmerling ist online lesbar auf www.deutsches-pfarrerblatt.de. Dort in „Archiv“ nach Ausgabe Ja-nuar/2012 suchen.

Die Sinnsucherin ist angekommen

Die Sängerin Nina Hagen hat schon vie-le durch ihre Unberechenbarkeit irritiert. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)hat der Punk-Diva ein ganzseitiges Por-

trät gewidmet, wie das Evan-gelische Me-d ie n m a g a z i n „pro“ in seiner Online-Ausga-be berichtet. Friese tituliert die Sängerin in dem Artikel „Catharina die Große“ als „bi-beltreue Chris-tin“ und „Sinn-

sucherin“, deren fester Glaube an Gott sie vor dem Absturz in die Drogenabhängig-keit bewahrt habe. Im Fragebogen „Ich über mich“ verrät die 57-Jährige, dass ihr Arbeitstag mit dem Griff zur Bibel beginnt. Sie beschreibt, dass sie Rat sucht im Ge-spräch mit Gott, der Bibel und ihrem Pas-tor. Und dass sie nicht noch einmal in der Talkshow mit Angela Merkel „so laut schrei-en“ würde. Ansonsten brauche sie nichts zu bereuen, weil sie durch ihren Glauben Ver-gebung gefunden habe. „Es scheint, als sei die Sinnsucherin, die ihre Botschaft längst auch in Kirchen verkündet, endlich ange-kommen“, schließt Friese. pro/UK

Pfarrer Friedhelm Peters. Foto: PrivAt

Im Alter in den Süden. Ein Traum vieler Senioren. Foto: rAMvSeb

Nina Hagen. Foto: Kil