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LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Kommunikation und Kooperation im Kinderschutz – (nicht nur) aus rechtlicher Sicht
März 2013 Alfred Oehlmann 1
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe
(Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt ? - Zahlen- In Deutschland sind 2,6 Millionen Kinder und Jugendliche von der Alkoholabhängigkeit des Vater oder der Mutter betroffen (1)- Ca. mindestens 30 000 Kinder haben Eltern, die von illegalen Drogen
abhängig sind- Mehr als 30 Prozent der Kinder aus suchtbelasteten Familien werden
selbst suchtkrank – meistens sehr früh in ihrem Leben; sehr viele Kinder aus den Familien leiden unter verschiedenen psychischen Beeinträchtigungen und Belastungen- Etwa 10 000 Kinder pro Jahr leiden an gesundheitlichen Folgen des
Alkoholkonsums ihrer Mütter während der Schwangerschaft (u.a. FAS) (alle Zahlen aus „Kindern von Suchtkranken Halt geben, Hrsg. Freundeskreis der Suchtkrankenhilfe, Juli 2011 (BKK), Seite 2:
http://www.bkk.de/versicherte/selbsthilfe/selbsthilfeprojekte/kindern-von-suchtkranken-halt-geben/
März 2013 Alfred Oehlmann 2
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe (Gesundheitshilfe) und
Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt ?- Betroffene
Ich habe Aufgaben an Marie abgegeben, die ich als Mutter hätte wahrnehmen müssen. .... Heute kann ich sagen, dass ich Marie und ihrer Schwester ein Stück Kindheit genommen habe“ (Mona, Angehörige)
In der nassen Zeit habe ich meine Vaterrolle zwar ausfüllen wollen, aber ich habe es nicht geschafft. Marie hat für mich Verantwortung übernommen – und ich als Vater nicht für sie (Fritz, Suchtkranker)
Immer wenn wir alleine waren, hat Mama geweint und mir alles erzählt, was Papa wieder gemacht hat. Ich wollte das doch gar nicht hören (Melanie, 12)
März 2013 Alfred Oehlmann 3
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe
(Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt?
„Ich trug meinen Vater solange auf den Schultern, bis meine Mutter ein Messer aus der Küche geholt hatte, und ihn vom Strick abschnitt ....“ (Julian, 13, über den Suizidversuch seines drogenabhängigen
Vaters)
„Ich lade keine Klassenkameraden zu mir nach Hause ein. Ich will nicht, dass
jemand sieht, wie meine Mutter ist (Kind einer suchtkranken Mutter)
Er hat es wunderbar verstanden, psychischen Druck auf uns alle auszuüben,
zum Beispiel durch Einschüchterungen, Drohungen und dergleichen mehr.
Das Gewalttätigste dabei war, wenn er die Eingangstür eingetreten hat – aus
Wut darüber, weil wir nicht aufgemacht haben (Daniel, 17)
März 2013 Alfred Oehlmann 4
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe (Gesundheitshilfe)
und Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt ? – Fall Kleinkind
Fall aus Jugend-Sucht-Hilfe , Materialien, LWL ,2012, Seite , 55f;
http://www.lwl.org/LWL/Jugend/lwl_ks/Publikationen/materialien
März 2013 Alfred Oehlmann 5
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe
(Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt?
Fall aus Jugend-Sucht-Hilfe , Materialien, LWL ,2012, Seite , 57f;
März 2013 Alfred Oehlmann 6
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe
(Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe im Kinderschutz angezeigt?
Kommunikation und Kooperation zwischen Suchthilfe (Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe im Kinderschutz ist – wie die vorgenannten Beispiele zeigen – m.E. sachlich nicht nur angezeigt, sondern dringend notwendig – schon allein weil die Mitarbeiter und Systeme zu wenig über die jeweiligen Systeme und ihre Möglichkeiten wissen.
März 2013 Alfred Oehlmann 7
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Fachaussage Prof.Dr. med.H.Berzeswki in Zeitschrift
FPR 2003, 312,315 Aufsatz: Suchterkrankungen„Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Aspekt süchtigen Verhaltens eines oder beider Elternteile zu wenig bei der Bewertung der familiären Situation und den daraus folgenden Entscheidungen berücksichtigt wird. Den vielfältigen Erscheinungsformen einer Abhängigkeit, der Abneigung, Missbrauch systematisch zu hinterfragen, um konfliktbehaftete Auseinandersetzungen zu vermeiden, dem Verleugnungsverhalten bis hin zum zweckgerichteten Lügen des Konsumenten kann nur begegnet werden, wenn bei geringstem Verdacht Suchtexperten hinzugezogen werden. Hierdurch kann weiteres Leid von Kindern abgewendet werden“ .
Der Autor ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und früherer Leiter der Psychiatrischen Intensiv- und
Kriseninterventionsstation am Universisätsklinikim Benjamin Franklin der FU Berlin
März 2013 Alfred Oehlmann 8
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Spricht (rechtlich) etwas gegen Kommunikation und Kooperation?- Es spricht m.E. nichts gegen Kommunikation und Kooperation.- Logischerweise kommt es bei der Frage der Rechtmäßigkeit auf die
jeweiligen Inhalte der Kommunikation und Kooperation an.Wenn man will, dass KuK nicht von Zufällen oder nur von persönlichen Kontakten abhängig sind, muss man die KuK auch strukturieren und ordnen – Die Frage ist, ob die Institutionen und Menschen das wirklich wollen oder ob es Ängste und Vorbehalte gibt, die dies verhindern könnten (... Das sind meine Klienten; ..die Einbeziehung der öffentlichen Jugendhilfe zerstört die Vertrauensbasis und Weiteres). Wenn beide Seiten es wollen, kommt man auch zu einer formell und rechtlich korrekten Grundlage/ Vereinbarung. U.a. gibt es seit dem 1.1.2012 auch ein Gesetz zur Kommunikation und Information im Kinderschutz:
März 2013 Alfred Oehlmann 9
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Art. 1: Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG)
Art. 2: Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch
Art. 3: Änderung anderer Gesetze (SGB IX)
Art. 4: Evaluation (bis zum 31.12.2015)
Art. 5: Neufassung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Ermächtigung zur Veröffentlichung des Gesetzestextes)
Art. 6: Inkrafttreten (01.01.2012)
10Alfred Oehlmann
Überblick über das BKiSchG
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Inhalte und Aussagen zu Netzwerken nach § 3 KKGWas: Aufgaben der Netzwerke:
Information über Angebots- und Aufgabenspektrum
Klärung struktureller Fragen der Angebotsgestaltung- und entwicklung
Verfahren im Kinderschutz aufeinander abstimmen
Wer: Im Prinzip können alle mitmachen, die direkt oder indirekt mit Kinderschutz zu tun haben können (siehe
Aufzählung in § 3 Abs. 2 KKG , beachte das Wort „insbesondere“ vor der Aufzählung Aber: Mitarbeit
freiwillig
Sofern Landesrecht keine andere Regelung trifft, soll die verbindliche Zusammenarbeit als Netzwerk durch den
örtlichen Träger der Jugendhilfe organisiert werden, § 3 Abs. 3 Satz 1 KKG
Die Beteiligten sollen die Grundsätze für eine Zusammenarbeit in Vereinbarungen festlegen, § 3 Abs.3 Satz 2
KKG
Auf vorhandene Strukturen soll zurückgegriffen werden, § 3 Abs. 3 Satz 3 KKG
11Alfred Oehlmann
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Frage: Fällt Ihnen an der nächsten Folie aus einem Vortrag von Frau.Dr. Bathke vom ISA und an der Aufzählung der Institutionen in § 3 KKG etwas auf?
März 2013 Alfred Oehlmann 12
LWL-Landesjugendamt Westfalen
Orchester Netzwerk Kinderschutz
Öffentliche Jugendhilfe
Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe
Schwanger-schafts- und Beratungs-
stellenEinrichtungen und Dienste
zum Schutz vor Gewalt
Örtl. Träger der Juhi
Agenturen
für Arbeit
Angehörige der
Heilberufe
Einrichtungen/Dienste für Minderjährige mit Behinderungen
Frühförderstellen
Schulen
Gesundheitsämter Sozialpädiatrische Zentren
Krankenhäuser
Polizei/Ordnungsbehörden Familiengericht
Sozialämter
Familienbildungsstätte
Gemeinsame Servicestellen
Mütter-genesung
© Dr. Sigrid A. Bathke
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Mögliche Inhalte von Information, Kommunikation und Kooperation
zwischen Suchthilfe (Gesundheitswesen) und JugendhilfeMinimal: Wechselseitige Information über Angebots- und Aufgabenspektrum und Ansprechpartner für Fachfragenz.B. Möglichkeiten der Angebote, in denen Kinder gemeinsam mit suchtkranken Eltern untergebracht werden, ggf. Ansprechpartner/Informationen auch für Kinder „aus dem Suchthilfebereich z.B. http://www.nacoa.de/ oder Gruppen für Kinder suchtkranker Eltern http://www.nacoa.de/images/stories/pdfs/wichtige-fakten.pdf-Umgekehrt: Darstellung von Möglichkeiten und Grenzen der öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfe Diese Informationen sind wichtig, um zunächst innerhalb der Systeme auf Hilfen und Möglichkeiten anderer Systeme verweisen zu können.
März 2013 Alfred Oehlmann 14
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ziele der lokalen Netzwerke (§ 3 Abs. 1 KKG) II
Weitere mögliche Zielsetzungen und Aufgaben der Netzwerke*
Schaffung von Transparenz über unterschiedliche Hilfsangebote und Sicherstellung umfassender Beratung.
Abstimmung zwischen den Beteiligten zur Erbringung früher, rechtzeitiger sozialer und gesundheitlicher Hilfen.
Realisierung der erforderlichen und zügigen Hilfen und Leistungen. Sicherstellung der Rahmenbedingungen / Klärung der Verfahren für eine
effektive und schnelle Zusammenarbeit bei möglicher Kindeswohlgefährdung. Erhöhung der Wahrnehmungsfähigkeit für besondere Risiken für Kinder z.B.
mit suchtkranken Eltern . Früherkennung individueller Gefährdungen von Kindern zu intensivieren.
15
* Das neue Bundeskinderschutzgesetz, Meysen/Eschelbach, Nomos Verlagsgesellschaft, 1. Auflage 2012, Seite 92 ff.
Alfred OehlmannMärz 2013
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Ist prinzipiell auch eine Information oder eine Kooperation zum Einzelfall bei Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung zw. Suchthilfe/Jugendhilfe möglich?
Ggf. Einzelfall / Einzelfälle vorstellen
- Mit Einverständnis der Betroffenen ist dies m.E. immer möglich. Allerdings kann man
für ein Einverständnis auch aktiv „werben“
- Zur Frage des Umgangs mit Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung trifft auch
das Gesetz über Kommunikation und Information im Kinderschutz in § 4 eine
Aussage:
März 2013 Alfred Oehlmann 16
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Kinderschutz durch Berufsgeheimnisträger? § 4KKG
§ 4 KKG regelt bundesweit ein dreistufiges Verfahrens für Berufsgeheimnisträger nach § 4 Abs.1 KKG (z.B. Ärzte, SB) , nur dann erlaubte Namensweitergabe an JA
Stufe 3Hinweis auf Einschalten des JA und Offenbaren
Stufe 2 (§ 4 Abs.2 KKG)Gefährdungseinschätzung mitEinholen einer Fachberatung*
Stufe 1 (§ 4 Abs.2 KKG/8bSGBVIII)Eltern anspr.und ggf. Einwirkenauf Inanspruchnahme von Hilfe (§ 4 Abs.1 KKG)
* Anspruch – aber keine Verpflichtung - auf Fachberatung durch insoweit erfahrene Fachkraft (nach
Kunkel, BKiSchG – Meilenstein oder Mühlstein, 2012,S.11)
Alfred Oehlmann 17
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
§ 4 KKG und Herausforderungen für öff. Träger
18
§ 4 KKG: Erörterung und ggf. Hinwirken auf Hilfen („sollen“) Keine Pflicht, nur Befugnis zur Namensweitergabe, subjektive Einschätzung
Herausforderungen für den Träger der öffentlichen Jugendhilfe, § 4 Abs.2 KKG, § 8 b SGB VIII:
Auf zusätzliche, z.T. sehr qualifizierte Anfragen einstellen, Beratungskapazitäten müssen vorhanden sein, quantitativ und qualitativ (siehe z.B. Projekt Kreis Unna)
Informationen über Jugendhilfeangebot für Ärzte/Suchhilfe etc. und Ansprechpartner i.e.F.
§ 4 KKG ist erstmals eine bundeseinheitliche Verfahrensnorm für Berufsgruppen mit Schweigepflicht n.§ 203 StGB, denen man aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation zutraut, dass sie zu Gesprächen mit Eltern fähig sind (BT Drs.17/6256, S.33), wie z.B. Ärzte, Psychologen/Psychotherapeuten, Suchtberater)
Alfred Oehlmann
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Einbindung der Suchthilfe (Gesundheitshilfe) in gemeinsame Kinderschutzkonzepte in Einzelfällen?
Mit Einverständnis der betroffenen Eltern denkbarWichtig ist, dass dies für alle Beteiligten klar und transparent ist
Wichtig erscheint auch, dass die unterschiedlichen Rollen/Aufgaben klar sind und die Beteiligten auch Ihre Grenzen benennen/kennen
(Hinweis: In der Analyse von misslungen Kinderschutzfällen zeigte sich, dass in zahlreichen Fällen mehrere professionelle Helfer beteiligt waren. Woran liegt das, wie kann man dies vermeiden oder das Risiko verringern? )
Gegen den Willen der Beteiligten ist eine solche gemeinsame Arbeit nicht durchführbar (rechtliche und sonstige fachliche Hindernisse)
März 2013 Alfred Oehlmann 19
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Netzwerkpartner (§ 3 Abs. 2 KKG) III
Um die Netzwerke arbeitsfähig zu halten, muss im Einzelnen geklärt werden, wer die unterschiedlichen Einrichtungen und Dienste repräsentiert bzw. vertritt und wie darüber hinaus der Transfer zu den anderen Angeboten sichergestellt wird.
Welche konkreten Einrichtungen und Dienste der öffentlichen und freien Jugendhilfe sollen direkt am Netzwerk beteiligt werden?
Welche konkreten Personen und Funktionen der anderen Netzwerkpartner sind wichtig?
Welche Chancen oder Hemmnisse bieten kreisweit agierende Institutionen?(Gesundheitsämter, Agentur für Arbeit, Polizei, Kliniken/Krankenhäuser,
Sozialpädiatrische Zentren, Beratungsstellen, Gerichte) Zu klären bleibt auch die Frage ob und wie die selbstständigen und
freiberuflichen Netzwerkpartner entschädigt werden!
20Alfred OehlmannMärz 2013
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Aufgaben des Netzwerkkoordinators I
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Ansprache der Institutionen/Akteure und Werbung zur Teilnahme am Netzwerk
Vorbereitung der Netzwerktreffen Teilnahme am und Nachbereitung der Netzwerktreffen Ergebnissicherung und -transfer Erarbeitung von Absprachen, Arbeitspapieren, Leitlinien etc. Schnittstelle zwischen dem Netzwerk und Dritten (andere Netzwerke,
Institutionen etc.) …
Alfred OehlmannMärz 2013
LWL-Landesjugendamt Westfalen
I
Strategische Dimension der Netzwerke(Notwendige Vorüberlegungen des öffentlichen Trägers)
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Netzwerkarbeit als Bestandteil der Jugendhilfeplanung begreifen!„Ein“ oder „mehrere“ Netzwerke? (Ausrichtung an Themen, Sozialräumen
und/oder Lebensphasen des Kindes) Entwicklung eines Konzeptes für die Netzwerkstruktur (Ziele und Zweck
der Netzwerke sowie Grundzüge der Kooperationskultur)
Alfred OehlmannMärz 2013
LWL-Landesjugendamt Westfalen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und alles Gute für die
weitere Arbeit der Suchthilfe (Gesundheitshilfe) und Jugendhilfe
im Kreis Unna und auch und besonders für die suchtkranken
Eltern und ihre Kinder!
Alfred Oehlmann,
LWL-Landesjugendamt