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Ausgabe 1/2004 Magazin des Deutschen Krebsforschungszentrums einblick Streitpunkt Hormonersatz Science und Fiktion Reich trifft Wiestler

Magazin des Deutschen Krebsforschungszentrums einblick · komplexe Räderwerk unserer giganti-schen Computermaschinerie in Gang und schützen das System vor Viren, Würmern und sonstigen

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Ausgabe 1/2004Magazin des Deutschen Krebsforschungszentrums

einblick

Streitpunkt Hormonersatz

Science und Fiktion

Reich trifft Wiestler

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Ausgabe 1/2004Magazin des Deutschen Krebsforschungszentrums

einblick

Streitpunkt Hormonersatz

Science und Fiktion

Reich trifft Wiestler

inhalt

Das „Lebenselixier“ Sauerstoff spielt auch in

der Krebstherapie eineRolle

4 Die Computerstreik-BrecherDie Abteilung Zentrale Datenverarbeitung

8 Streitpunkt HormonersatzWechseljahresbeschwerden versus Brustkrebsrisiko

12 Der gedopte LebenssaftEpo in der Krebstherapie

15 Edles Gas für die LungeKörperhohlräume mit Heliumsichtbar machen

17 Science und FiktionIrreführende Berichterstattung:Antimaterie gegen Krebs

20 Reich trifft WiestlerInterview mit Professor Otmar D. Wiestler und Professor Jens Reich zur Debatte über Stammzellenforschung

24 Wilde Typen im Antitumor-EinsatzParvoviren in der Hirntumor-Therapie

26 Biochips aus dem LaserdruckerAminosäuren als „Druckerschwärze“ in der medizinischen Diagnostik

29 Den Blockierer blockierenEntwicklungsbiologie trifft Osteoporoseforschung

31 Gütesiegel für BrustzentrenQualitätsoffensive soll Behandlung von Brust-krebspatientinnen verbessern

34 Magazin

38 PersonenImpressum

39 Glosse

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Professor Otmar Wiestler, seit JanuarVorstandsvorsitzender und Wissen-schaftlicher Stiftungsvorstand desDeutschen Krebsforschungszentrums,bezeichnete seinen Amtsantritt als eine„Herausforderung, auf die man nur sel-ten trifft“. Bekannt wurde der Neuro-pathologe nicht nur wegen seiner heraus-ragenden Arbeiten auf dem Gebiet derHirntumoren, sondern auch als Stamm-zellforscher. Die starken Emotionen, diedie Diskussion um die Stammzellfor-schung von Anfang an begleitet haben,bekam Wiestler in den vergangenenJahren unmittelbar zu spüren. Zusam-men mit Professor Jens Reich vom Max-Delbrück-Zentrum in Berlin plädiert erim aktuellen Doppelinterview für eineverantwortungsbewusste Forschungs-ethik ohne Denkverbote.Parallel zum Wechsel an der Führungs-spitze haben wir in der Redaktion or-dentlich Frühjahrsputz gemacht. Wirfreuen uns, Ihnen hiermit die erste Aus-gabe des einblick im neuen Outfit prä-sentieren zu können. Unser Magazin istjetzt durchgehend vierfarbig und tech-nisch aufgerüstet für eine künftigeinternetbasierte Parallelversion. Aufge-frischt und akzentuiert haben wir auchunser Logo, das den Auftakt bildet zueinem Corporate Design in der LeitfarbeBlau.Die Experten in unserer ZentralenDatenverarbeitung bahnen uns denWeg in die elektronische Zukunft. MitElan und Kompetenz halten sie daskomplexe Räderwerk unserer giganti-schen Computermaschinerie in Gangund schützen das System vor Viren,Würmern und sonstigen digitalen Lei-den. Unserer Zeit einen Schritt vorausist auch die Entwicklung eines Laser-

druckers zur Herstellung moderner Bio-chips für die medizinische Diagnostik.An die Stelle der Druckerschwärze tre-ten dabei Aminosäuren, an die desPapiers Glasplättchen.Mit der Hormonersatztherapie in denWechseljahren greifen wir eine Kontro-verse auf, die derzeit viele Frauen ver-unsichert. Besonders schwierig ist dieRisiko-Nutzen-Abwägung bei Krebspa-tientinnen mit Wechseljahrsbeschwer-den. Zwei Experten von der Univer-sitäts-Frauenklinik in Heidelberg gebeneinen Überblick über die aktuellenMöglichkeiten und Grenzen der Be-handlung. Die Zertifizierung von Brust-zentren, über die wir in einem anderenBeitrag berichten, gibt Frauen endlicheine Möglichkeit zur Qualitätsbewer-tung an die Hand. Ein weiteres Beispielfür die Zwiespältigkeit von Hormon-wirkungen stellen wir Ihnen mit demErythropoetin vor. Dieses Hormon wirdbei Krebspatienten mit Blutarmut häu-fig eingesetzt, scheint aber keineswegsso nützlich zu sein wie bisher gedacht.Wenn Zeitungen in riesigen Letternüber „Durchbrüche“ in der Krebsbe-handlung berichten, hat der Wahrheits-gehalt dieser Meldungen meist ehermit Science-fiction als mit Science zutun. Die falschen Hoffnungen, diedamit bei Betroffenen geweckt werden,registriert der Krebsinformationsdienstdes Deutschen Krebsforschungszen-trums wie ein empfindliches Barome-ter. Wir zeigen Ihnen ein exemplari-sches Beispiel, bei dem die vermeintli-che „Sensation“ nüchtern betrachtetnicht einmal ein „Sensatiönchen“ war.Das einzig Positive daran: Das DeutscheKrebsforschungszentrum wird nochlange nicht überflüssig werden.

editorial

Dr. Julia Rautenstrauch

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Die Computerstreik-

Leiter der ZDV: Dr. Kurt Böhm

In der Zentralen Datenverarbeitungdes Deutschen Krebsforschungs-

zentrums laufen alle Fäden deshauseigenen Computernetzwerks

zusammen. Dass es in der Welt derForscher unkonventioneller zugeht

als in Unternehmen, wirkt sichzuweilen auch auf die Arbeit der

IT-Fachleute aus.

Computer treten immer dann in Streik,wenn es besonders ungelegen kommt.Kurz vor dem Kongress, während desExperiments, in der Endphase des For-schungsantrags. In solchen und auch inminderschweren Fällen helfen die Ser-vice-Mitarbeiter der Zentralen Daten-verarbeitung (ZDV).„Auf unser Service-Zentrum sind wir besonders stolz“, sagtDr. Kurt Böhm, der Leiter der ZDV.„Es istdie Schnittstelle zu unseren Kunden.“ Böhm und seine Mitarbeiter betrachtendie um Rat Suchenden nicht als lästigeBittsteller, wie das in Rechenzentrenvon Universitäten gelegentlich vor-kommt. An die Stelle von abgeschotte-ten Büros trat deshalb schon vor zehnJahren ein offener, lichtdurchfluteterBereich mit Schreibtischen für das Ser-vice-Personal und Computer-Inseln fürBesucher. „Unsere Hotline ist ganz ein-fach über eine zentrale Rufnummer zuerreichen“, erklärt Michael Cop, der fürdie Service-Abteilung verantwortlichist. Was seine Mitarbeiter nicht sofortklären können, leiten sie intern an Spe-zialisten weiter. Cop blickt auf eineTrennwand aus Glas: „Dahinter sitzenzwei Fachleute, die sich um die schwie-rigeren Fälle kümmern.“ Dazu gehörteauch jener koreanische Gastwissen-schaftler, dessen Notebook partoutnicht ans Netz wollte. Cop fand dieUrsache schließlich selbst mit Unter-stützung des Wissenschaftlers, der ihmalle Einträge der so genannten Bios-Software vom Koreanischen ins Engli-sche übersetzte.Bis zu eintausend Mal klingelt das Servi-ce-Telefon in jedem Monat. „Das meistekönnen wir mündlich klären“, sagt Ger-trud Williamson vom Support, „nur inzehn Prozent der Fälle müssen wir vorOrt ran.“ Den letzten Großeinsatz hattedie ZDV im vergangenen Sommer, alsder Computerwurm Blaster zuschlug.Damals waren alle 20 Mitarbeiter derZDV pausenlos im Einsatz, um den digi-talen Plagegeist wieder loszuwerden.„Blaster kam freundlicherweise wäh-

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Brecherrend der Urlaubszeit“, sagt Tobias Reber,der für die zentralen Server verantwort-lich ist. Die Firewall des Zentrums über-wand der Wurm freilich nicht. Einge-schleppt hat ihn ein Wissenschaftlermit seinem privaten Notebook, vorbeian allen Sicherheitsschleusen.Damals galt es, rund 1600 PCs mitunterschiedlichen Versionen des Be-triebssystems Windows manuell zuüberprüfen. Die 250 Macintosh-Com-puter und 200 Unix-Rechner des Zen-trums waren von der Attacke nichtbetroffen. „Blaster ist wie Herpes“, sagtReber, „den wird man so schnell nichtmehr los.“ Das gilt in erster Linie für diePCs, die Laborgeräte steuern und aminternen Netzwerk angeschlossen sind.Sie bilden vielfach die Achillesferse derComputersicherheit, weil sie sich nichtimmer gegen Viren und andere Schäd-linge aus dem Netz immunisieren las-sen. „Die Hersteller der Laborgeräteuntersagen es uns oft, die nötigenSicherheitsupdates auf die PCs zu spie-len“, erklärt Reber. Es bestehe dieGefahr, dass die Geräte nicht mehrfunktionieren.

Die Firewall steht: DieComputerexperten wehrenBedrohungen von außen mitvereinten Kräften ab

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Immer im Bilde, wie man Pro-bleme mit dem PC in den Griffkriegt: Die Mitarbeiter der ZDV

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„Wenn wir eine Bank wären, hätten wires viel leichter“, ergänzt sein Chef, Dr.Böhm. Denn die Situation in einer For-schungseinrichtung sei nicht vergleich-bar mit der eines Unternehmens. Wis-senschaftler müssten gelegentlich eineneue Software ausprobieren oder sogarselbst entwickeln. „Hier wird kreativgearbeitet“, sagt Böhm, deshalb sei eineeinheitliche Hard- und Software-Aus-stattung aller Mitarbeiter nicht möglich.Dennoch strebt die ZDV zumindest eineeinheitliche Software-Grundausstat-tung an. „Wir empfehlen zum Beispielallen Mitarbeitern, vom veralteten E-Mail-Programm Pegasus auf das neueOutlook 2003 umzusteigen“, sagt derWindows-Experte Günther Krysmans-ki. Er sorgt dafür, dass alle Dienste desBetriebssystems im Hintergrund rei-bungslos ablaufen. Outlook ist Bestand-teil des Büroprogramms Microsoft Offi-ce, zu dem auch die TextverarbeitungWord gehört. Treten in der Praxis Pro-bleme mit Word oder Outlook auf, dannschlägt die Stunde von Monika Gai. Vie-len Anwendern hat sie schon einmaldabei geholfen, einen E-Mail-Anhangzu öffnen. Einem größeren Publikum istsie auch durch ihre Word- und E-Mail-Schulungen bekannt.„Und dann bin ichauch noch der Informationsminister“,meint sie scherzhaft. Monika Gai stelltden Rundbrief ZDV-Info zusammenund betreut den Auftritt der ZDV imIntranet.Dieses hauseigene Netzwerk des Krebs-forschungszentrums besteht aus 20 Kilo-meter Glasfaserleitungen und 225 Kilo-metern Kupferleitungen, rechnet Hol-ger Haas vor. Haas ist für die Daten-kommunikation verantwortlich. Dazuzählen neben den Datennetzen auchdie Hardware-Firewall-Systeme, dieEindringlinge aus dem Internet fern-halten sollen. Ein Großteil der Informa-tion, die im Krebsforschungszentrumanfällt, landet früher oder später aufBändern in der zentralen Datensiche-rung. Auf 120 Terabyte ist der Speicher-platz inzwischen angewachsen. „Dasentspricht 170 000 CDs“, vergleichtHaas. Aufeinander gestapelt würdendiese CDs einen 270 Meter hohen Turmergeben, „aber ohne Hüllen“, wie Haasanmerkt. Zum Vergleich: Der Eiffelturmist 239 m hoch.

Die Datensicherung auf Bandkassettenerledigen Roboter. Durch ständigesKopieren bewahren sie die Forschungs-ergebnisse vor dem schleichendenDatenverfall. „Medizinische Datenmüssen wir über einen Zeitraum von20 bis 25 Jahren aufbewahren“, sagtHanna Hahne von der Unterabteilungfür Zentrale Server. Archivierungbedeute aber nicht, einfach den Daten-träger in einen Schrank zu sperren,erklärt sie. „Den können Sie nach 20Jahren nicht mehr lesen.“ Das Leselauf-werk sei dann ebenso ausgestorben wiedie erforderliche Anwendung und derpassende Computer. „Wir können dieDaten nur am Leben halten“, stellt siefest. Die Anwender müssten selbstdafür sorgen, dass sie mit ihnen späternoch etwas anfangen können. Für diePraxis bedeutet das, dass die Forscherihre Dateien im zeitlosen Ascii-Formatablegen, welches sich auch in künftigeProgramme importieren lässt. Die ZDVspeichert dann eine Kopie der Daten ineinem internen Format. Bei Bedarfstellt die ZDV dann wieder die Ascii-Daten den Wissenschaftlern zur Verfü-gung.Das seit 1994 existierende Archivsys-tem hat bereits vier Generationen vonSpeichermedien erlebt. Denn jedes Jahrerhöht sich das Datenvolumen im Deut-schen Krebsforschungszentrum um 80Prozent. Ein Großteil davon sind Dateneines relativ kleinen Personenkreises:Von den 2000 Mitarbeitern des Zen-trums nutzen 126 die verfügbarenSupercomputer, um Fragestellungender Bioinformatik, Quantenchemie,Molekulardynamik oder der Sequenz-analyse zu bearbeiten. Dass den Wis-senschaftlern am Krebsforschungszen-trum eines der leistungsstärksten Com-putersysteme in Europa zur Verfügungsteht, verdanken sie einem klugenSchachzug des ZDV-Leiters Böhm. Er hatschon früh auf zwei Anbieter gesetzt,die auch heute noch existieren – was indieser Marktnische nicht selbstver-ständlich ist. Und er ist dazu überge-gangen, die Geräte nur noch zu mieten.„Die Verträge laufen über vier Jahre“,erläutert er, „zur Halbzeit werden dieSysteme jeweils auf den neuestenStand gebracht.“ Böhm hat das so ein-gefädelt, dass jedes Jahr einer der bei-

Großrechner bewältigen Datenstapel im Eiffelturm-Format

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den Hersteller sein System aktualisiert.„Dadurch können wir unseren Wissen-schaftlern stets die neueste Prozessor-technik bieten“, stellt er fest.Das aktuelle System besteht aus dreiSpezialrechnern von Hewlett-Packardmit Itanium-2-Hochleistungsprozesso-ren von Intel, sowie aus einem Verbundvon 96 Unix-Computern der MarkeIBM. Zusammen leisten die Systeme 0,8Teraflops (Billionen mathematischeOperationen in der Sekunde).Im Gegensatz zu früheren Systemenfänden alle Supercomputer im zentra-len Maschinenraum Platz. Dennochsind die Geräte über vier Räume ver-teilt. „Früher hatten wir ein Stellflä-chenproblem, heute haben wir ein Kli-maproblem,“ erklärt Böhm. Die hoch

gezüchteten Prozessoren erzeugen eineso starke Abwärme, dass die herkömm-liche Luftkühlung an ihre Grenzenstößt. „Wir haben zurzeit eine Kühlka-pazität von 160 Kilowatt“, sagt Böhm,„und die brauchen wir auch.“ Abhilfeversprechen sich die Fachleute vonübergroßen „Kühlschränken“, dieeigens für Supercomputer gebaut wer-den.Noch aber bläst kalte Luft aus den Öff-nungen am Boden und sorgt so für dietypische Geräuschkulisse eines Rech-nerraums. Im Service-Zentrum geht esdagegen vergleichsweise ruhig zu,wenn man einmal vom Hotline-Telefonabsieht. Denn irgendein Computerstreikt immer.

Michael Lang

Im Umgang mit dem Betriebssystem Linux bleibendie IT-Spezialisten cool

Die Datenbankerermöglichen schnellenZugriff auf gespeicherteInformation

Probleme mit dem Mail-Eingang,dem Netzwerk, dem zentralenServer oder der Maus? Das Teamder ZDV hilft

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eitpunktFrauen im Alter um die 50 werden

häufig mit Hormonpräparaten behan-delt, wenn sie unter Wechseljahres-

beschwerden leiden. In letzter Zeit ver-unsichern Studien, die die Entstehung

von Brustkrebs mit diesen Hormonen inVerbindung bringen, betroffene Frauen.

Hormonersatz

einsetzbar, da der Tumor durch eine sol-che Behandlung einen Wachstumsreizerhalten und die Krankheit so weiterfortschreiten kann. Das bekanntesteBeispiel eines Tumors, der durch einesolche Therapie ungünstig beeinflusstwird, ist Brustkrebs. Die Krebstherapieorientiert sich heute immer mehr dar-an, die Lebensqualität der Patientinnenzu steigern, ohne deren Sicherheit zugefährden. Da Wechseljahresbeschwer-den eine entscheidende Einbuße vonLebensqualität bedeuten, stellt die The-rapie eine Herausforderung für denArzt dar. Krebspatientinnen mit Wech-seljahresbeschwerden lassen sich imwesentlichen in drei Gruppen auftei-len, die eine unterschiedliche Proble-matik aufweisen. Die erste Gruppe be-steht aus Patientinnen mit Wechseljah-resbeschwerden, die bereits vor derKrebserkrankung eine Hormonthera-pie begonnen haben. Diese Patientin-nen müssen nach der Krebsdiagnosedie Hormonersatztherapie abbrechen,so dass die Beschwerden wieder einProblem darstellen können. Dies be-trifft sicher den größten Teil der Patien-tinnen, da Brustkrebs seinen Häufig-keitsgipfel während der Wechseljahrehat. Da die meisten Patientinnen dieserAltersgruppe an einem hormonabhän-gig wachsenden Brustkrebs erkranken,ist es besonders wichtig, dass der Arztdiese Fragen früh anspricht und gemein-sam mit der Patientin über andere Thera-pien nachdenkt.Einige der Patientinnen, die unter einerHormontherapie an Brustkrebs erkran-ken, stellen auch die Frage, ob nichtetwa die Therapie für diese Krebser-krankung verantwortlich sei. Dies lässtsich bislang nicht mit abschließenderSicherheit beantworten. Man kannaber sagen, dass ein bestehender Tu-mor der Brust durch den Hormonein-fluss unter Umständen schneller wach-sen kann.Bei der zweiten Gruppe von Patientin-nen stellen sich die Wechseljahresbe-schwerden auf Grund der Nebenwir-kungen einer Chemotherapie oder ei-ner Antihormontherapie ein. Die meis-ten Chemotherapien schädigen dieEierstöcke, und so kommt es häufig vor,dass diese unter einer solchen Therapiemehr oder weniger vorzeitig die Hor-

Die typischen Wechseljahresbeschwer-den umfassen einen ganzen Komplexvon Symptomen, der bei jeder Frauanders ausgeprägt ist. Häufige Be-schwerden sind Hitzewallungen undSchweißausbrüche. Aber auch Stim-mungsschwankungen, Durchschlafstö-rungen, Probleme mit Harninkonti-nenz, Trockenheit der Scheide sowieeine nachlassende Libido können dieLebensqualität dieser Frauen beein-trächtigen.Bislang galt die Hormonersatztherapiebei gesunden Frauen als Methode derWahl, sofern keine Risikofaktorenbekannt waren, die zu Komplikationender Therapie führen können. Studien,wie die im vergangenen und vorletztenJahr veröffentlichten „Eine-Million-Frauen-Studie“ und die „Women'sHealth Initiative Study“ zeigten einenZusammenhang zwischen der Therapieund dem Auftreten von Brustkrebs auf.Dies führte dazu, dass diese Behand-lungsform kritischer und nur noch mitstrenger Indikationsstellung verordnetwerden sollte.Bei Patientinnen, die an einem bösarti-gen Tumor leiden, der unter dem Ein-fluss von Hormonen wachsen kann,war diese Therapiemöglichkeit schonimmer nur in sehr begrenztem Umfang

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drigen Östrogenspiegel leben müssen,zu einem besonders hohen Risiko führt,an Osteoporose zu erkranken. Es ist alsounbedingt notwendig, sich bei diesenPatientinnen Gedanken über eine guteProphylaxe zu machen, die sie vor einerOsteoporose schützt. Ein weiterer wich-tiger Aspekt ist, dass sich viele derPatientinnen in einem Alter befinden,in dem sie noch Kinder bekommenmöchten. Prinzipiell ist eine Schwan-gerschaft nach einer Brustkrebserkran-kung möglich und birgt, soweit man esderzeit beurteilen kann, kein erhöhtesRisiko. Es wird allerdings empfohlen,mindestens zwei Jahre nach der Dia-gnose nicht schwanger zu werden, danach dieser Zeit die Wahrscheinlichkeit,dass die Erkrankung erneut auftritt,besser einzuschätzen ist. Leider führteine therapiebedingte Schädigung derEierstöcke in vielen Fällen dazu, dassdie Wahrscheinlichkeit einer Schwan-gerschaft sinkt. Dies bedeutet häufigeine starke psychische Belastung derPatientin, so dass ein Paar in dieser Situ-ation begleitend zu einer Fertilitätsbe-handlung unbedingt eine familienthe-rapeutische Unterstützung in An-spruch nehmen sollte.Welche Möglichkeiten zur Therapie vonWechseljahresbeschwerden bei Brust-krebspatientinnen existieren derzeit?Gemäß den Empfehlungen der Deut-schen Gesellschaft für Senologie, diesich mit Brustleiden beschäftigt, wirdausdrücklich darauf hingewiesen, dassPatientinnen mit Brustkrebs nur beigravierenden Beeinträchtigungen derLebensqualität und nach Therapiever-suchen mit anderen Medikamenteneine Hormonersatztherapie angebotenwerden kann. Dies sollte nur nach aus-führlicher Aufklärung über das erhöhteRisiko eines Fortschreitens der Krebser-krankung erfolgen. Ebenso muss allesechs Monate ein Auslassversuch derTherapie erfolgen.Bei Hitzewallungen und Schlafstörun-gen sollten zuerst naturheilkundlicheAlternativen angewendet werden.Hierbei ist zu beachten, dass die ver-wendeten Präparate keine so genann-ten Phytoöstrogene enthalten. DieseSubstanzen, wie sie zum Beispiel inSoja- und Traubensilberkerzen-Präpa-raten vorkommen, können unter Um-

monproduktion einstellen. Dies führtdann zu den typischen Wechseljahres-beschwerden. Aber auch Patientinnen,bei denen eine Antihormontherapiedes Brustkrebses durchgeführt wird,zeigen die typischen Symptome. Beieiner solchen Therapie soll durch dasMedikament ein hormonabhängigerTumor am Wachsen gehindert werden.Hierbei werden auch alle anderen Wir-kungen der Geschlechtshormone block-iert, so dass die Patientin künstlich indie Wechseljahre versetzt wird. Sowohlbei den Patientinnen, die eine Chemo-therapie erhalten, als auch bei denen,die mit Hormonen behandelt werden,ist im Vorfeld eine genaue Aufklärungüber die möglicherweise auftretendenBeschwerden und eine symptomati-sche Therapie der Beschwerden mit denunten beschriebenen Strategien not-wendig.Eine besondere Untergruppe sind sehrjunge Patientinnen, die an Brustkrebserkranken. Diese Patientinnen leidendurch den sehr starken Hormonabfallhäufig besonders unter den Beschwer-den. Hinzu kommt, dass die lange Zeit,die diese Patientinnen mit einem nie-

Auch ohne den umstrittenenEinsatz von Hormonen ist es

möglich, unbeschwert dieWechseljahre zu erleben

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ständen einen wachstumsförderndenEinfluss auf Brustkrebszellen haben.Möglich ist ein Therapieversuch mit Sal-beitee bei Hitzewallungen oder mitJohanniskrautpräparaten, die Schlaf-störungen und Depressivität positivbeeinflussen. Das lange Zeit bei Hitze-wallungen angewendete Präparat Cloni-din hat sich in Studien leider nicht alswirkungsvoll herausgestellt. Sollten diepflanzlichen Präparate keine Wirkungzeigen, kann ein Therapieversuch mitVenlafaxin unternommen werden. Fürdiese Substanz,die eigentlich für die The-rapie von Depressionen zugelassen ist,isteine positive Wirkung in Studien belegt.

Individuelle Osteoporose-Vorbeugung ist wichtigOsteoporose ist besonders bei jungenPatientinnen und bei Patientinnen, dieeine antihormonelle Therapie erhalten,ein wichtiges Problem. Ausgenommendavon sind Frauen, die Tamoxifenerhalten. Tamoxifen hat eine Knochenaufbauende Wirkung und stellt somitkein Risiko dar. Zur Prophylaxe derOsteoporose sollten die betroffenenFrauen Calcium-Präparate kombiniertmit Vitamin D einnehmen. Studienhaben gezeigt, dass Patientinnen, diemit Aromatasehemmern behandeltwerden, von einer Osteoporose-Prophy-laxe mit so genannten Bisphosphona-ten profitieren. Patientinnen, die be-reits an Osteoporose leiden, sollten aufjeden Fall eine Therapie mit Bisphos-phonaten erhalten.Trockenheit der Scheide und Verände-rungen der Schleimhäute der Harnwe-ge lassen sich entweder durch den Ein-satz von Gleitmitteln oder die lokaleAnwendung von Östrogenen behan-deln. Letzteres sollte allerdings nurnach ausführlicher Aufklärung und beistarken Beschwerden angewendet wer-den, da eine Wirkung auf den Rest desKörpers nicht sicher auszuschließen ist.Die Harninkontinenz, die meist aufeiner Kombination von Schleimhaut-veränderungen und einer Gebärmut-tersenkung beruht, lässt sich auchdurch gezielte Beckenbodengymnastikoder operative Maßnahmen positivbeeinflussen.Der Verlust der Libido bei den Patien-tinnen hat sicher mehrere Gründe. Zum

einen ist der veränderte Hormonspie-gel verantwortlich für die Symptoma-tik, zum anderen sind auch die Auswir-kung der operativen Therapie und dasdamit einhergehende veränderte Kör-perbild sowie partnerschaftliche Ein-flüsse mitbestimmend. Leider sind fürdiese Problematik keine medikamentö-sen Behandlungsansätze bekannt, dieim Hinblick auf die Krebserkrankungunbedenklich sind. Es kann hilfreichsein, die aus dem Libidoverlust entste-henden partnerschaftlichen Belastun-gen durch eine psychotherapeutischeBegleitung aufzufangen.Zum Schluss möchten wir noch auf eineSubstanz eingehen, die in der letztenZeit bei der Therapie der Wechseljahrs-beschwerden auch bei Brustkrebs-patientinnen Anlass zur Hoffnunggegeben hat: Tibolon, ein künstlichesSteroidhormon, das in Studien keinenEinfluss auf die Brustdichte zeigt. Es lagalso nahe, dass Tibolon auch keine Aus-wirkung auf das Wachstum von Brust-krebszellen hat. Leider hat die „Eine-Million-Frauen-Studie“ gezeigt, dassgesunde Frauen, die mit dem Wirkstoffbehandelt wurden, gegenüber unbe-handelten Frauen ein erhöhtes Brust-krebsrisiko hatten. Diese Studie sagtzwar nichts über Patientinnen mitBrustkrebs aus, legt aber den Schlussnahe, dass auch Tibolon einen Einflussauf das Wachstum von Brustkrebszel-len hat. Solange es keine Studien gibt,die die Unbedenklichkeit der Substanzzeigen, sollte Tibolon mit der gleichenZurückhaltung wie andere Hormonprä-parate verordnet werden.

Spezialsprechstunde der Frauenklinik in HeidelbergDa die Therapie der Wechseljahresbe-schwerden entscheidend für die Le-bensqualität der betroffenen Frauen ist,hat die Universitäts-Frauenklinik inHeidelberg eine Spezialsprechstundefür Patientinnen mit dieser Problema-tik eingerichtet. Das Beratungs- undTherapieprogramm richtet sich strengnach den erwähnten Vorgaben. Darü-ber hinaus wird das therapeutische Pro-gramm durch Einbeziehung der Ambu-lanz für Naturheilkunde und derArbeitsgruppe Psychoonkologie erwei-tert. Jüngere Untersuchungen haben

gezeigt, dass sich die Lebensqualitätvon Frauen mit Brustkrebs durchpsychotherapeutische Intervention ent-scheidend verbessern lässt. Hierbeikommen sowohl Einzel- als auch Paar-und Gruppentherapien zum Einsatz.Zudem gibt es die Möglichkeit, an einerMusiktherapie teilzunehmen.Zusammenfassend kann man sagen,dass die Therapie der Wechseljahresbe-schwerden bei Brustkrebspatientinnenein wichtiger Baustein in den Bemü-hungen ist, die Lebensqualität dieserFrauen zu verbessern. In letzter Zeitwerden neue Substanzen erprobt, diestatt der Hormonersatztherapie einge-setzt werden können. Weitere Studienund die Einbeziehung alternativer The-rapieformen sollten in Zukunft zu einerweiteren Verbesserung der Behand-lungsmöglichkeiten führen.

Alexander Marmé und Michael von Wolff

Die Autoren sind als Ärzte an der Universitäts-Frauenklinik

in Heidelberg tätig

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Der gedopte LebenssaftKrebspatienten leiden häufig unter Blutarmut, da ihreBlutbildung entweder direkt durch Tumoren oder als Folge einer Chemotherapie verringert ist.Neue Studien haben Diskussionen darüber ausgelöst,ob das Hormon Erythropoetin, das als Medikament dieBlutbildung ankurbelt, die Überlebenschancen vonKrebskranken verschlechtert.

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„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, wus-ste schon Goethes Mephisto. Was die-sen Saft so besonders macht, wissenauch Menschen mit einer Anämie.Denn wer an Blutarmut leidet, fühltsich ständig schlapp und kommtschnell außer Atem. Der Grund: Es sindnicht genügend rote Blutkörperchenvorhanden, die den Sauerstoff aus derLunge in den restlichen Körper trans-portieren. Dort wird er benötigt, um ausGlukose Energie zu gewinnen. Zu wenigrote Blutkörperchen, zu wenig Sauer-stofftransport, zu wenig Energie. Krebs-patienten haben häufig eine Anämie.Das liegt zum einen daran, dass Tumo-ren durch ihr Wachstum direkt die Blut-bildung im Knochenmark stören. Zumanderen kann die Tumortherapie dieProduktion der Blutzellen ins Stockenbringen. Oft ist die ständige Müdigkeit,unter der die Patienten dadurch leiden,fast noch schlimmer als die Chemothe-rapie oder die Erkrankung an sich.Doch die Medizin kann hier helfen. Esist gelungen, das Hormon Erythropoe-tin, das in der Niere gebildet wird unddie Blutbildung ankurbelt, künstlichherzustellen und es als MedikamentPatienten mit Anämie zur Verfügungzu stellen. 1989 ist solch ein Erythropoe-tin-Präparat der Firma Amgen unterdem Namen „Epogen“ zum ersten Malzugelassen worden. Welcher Bedarf fürsolch ein Medikament bestand undimmer noch besteht, wird an der Ent-wicklung des Unternehmens deutlich:Von einem kleinen Unternehmen hatsich Amgen nach der Einführung vonEpogen zur größten Biotech-Firma derWelt entwickelt.

Nierenhormon Erythropoetin kurbeltdie Blutbildung anErythropoetin wird nach Angaben vonPrivatdozentin Dr. Ursula Klingmüller,Leiterin der Arbeitsgruppe Systembio-logie der Signaltransduktion im Deut-schen Krebsforschungszentrum, sehrvielfältig in der Medizin verwendet. FürPatienten mit Nierenversagen – Ery-thropoetin kann nicht mehr im ausrei-chenden Maß vom Körper in der Nieregebildet werden – ist das Medikamentsogar lebenswichtig.„Ohne Erythropoe-tin haben diese Patienten keine Chance,wenn ihr Hämoglobin-Wert, also das

Maß für die Sauerstofftransportkapa-zität, unter eine kritische Grenze fällt.“ Doch das Hormon scheint noch mehrzu können: „Es gibt Berichte, dassErythropoetin im Gehirn dafür sorgt,dass die neuronalen Zellen bei Sauer-stoffmangel länger überleben“, soKlingmüller weiter. Und auch aufTumorzellen scheint Epo, wie das Hor-mon auch kurz genannt wird, Wirkungzu haben – so lassen zumindest Ergeb-nisse von Untersuchungen an Mäusenmit Tumoren vermuten. Bei diesen hat-te das Hormon nämlich das Tumor-wachstum gestoppt und zu deren Rück-bildung geführt. Und schließlich gibt esHinweise, dass eine Bestrahlung oderChemotherapie effektiver ist, wenn diePatienten normale Hämoglobin-Wertehaben und der Tumor während derTherapie gut mit Sauerstoff versorgt ist.Das würde bedeuten, dass eine Behand-lung mit Erythropoetin eine Tumorthe-rapie effektiver macht und die Progno-se der Patienten verbessert.Doch dieser Nutzen konnte noch nichtbelegt werden – im Gegenteil: In ver-schiedenen Studien stellte sich heraus,dass die Therapie mit Erythropoetin diePrognose von Krebspatienten sogarverschlechtern könnte. In einer dieserStudien wurden 351 anämische Patien-ten mit einem Tumor im Mund- oderHalsbereich, die eine Bestrahlungerhielten, mit Erythropoetin odereinem Placebo behandelt. Darauf stiegzwar bei den mit dem Wirkstoff thera-pierten Patienten der Hämoglobinge-halt des Blutes an, die Prognose dieserPatienten verschlechterte sich aber imVergleich zur Placebo-Gruppe: In derGruppe mit Erythropoetin entwickeltesich der Tumor bei 116 Patienten weiteroder führte sogar zum Tod; in der Place-bogruppe war dies dagegen nur bei 92Erkrankten der Fall. Ohne Erythropoe-tin lebten die Patienten im Schnitt 745Tage ohne eine Progression des Tumors,mit der Substanz lag diese Zeitspannebei 406 Tagen.„Diese Studie hat eine heftige Diskus-sion losgetreten“, sagt Klingmüller.Denn der Aufbau der Untersuchunghatte gewisse Schwachpunkte, die dieForscher zum Teil auch selbst einräu-men. So waren etwa Patienten in dieStudie aufgenommen worden, die

ohnehin schon sehr schlechte Aussich-ten hatten; viele Patienten waren Rau-cher. „Außerdem waren die Erfolge derStrahlentherapie unbefriedigend, sodass die Vermutung nahe liegt, dass diePatienten nicht optimal behandelt wor-den waren“, berichtet Klingmüller wei-ter. Aber sie gibt zu bedenken: „Ande-rerseits sind Studienergebnisse immerleicht angreifbar, wenn mit Patientengearbeitet wird.“ Denn optimal könnedie Zusammensetzung der Teilnehmereigentlich nie sein, so dass es in solchenStudien viel schwieriger ist als beiLaborexperimenten, immer für gleich-bleibende Bedingungen zu sorgen.

Epo ist möglicherweise schädlich fürKrebspatientenAuch wenn diese Untersuchung an-fechtbar ist, ist Klingmüllers Urteil ein-deutig: „Man muss bei der Gabe solcheines Hormons, das doch einen wesent-lichen Eingriff im Körper bewirkt, vielvorsichtiger sein. Diese Studie lässt ver-muten, dass eine begleitende Erythro-poetin-Behandlung, die doch zur Ver-besserung der Lebensqualität von Krebs-patienten mit Anämie beitragen soll,das eigentliche Therapieziel konterka-riert.“ Was dahinter steckt, ist eine Fra-ge, mit der sich Klingmüller und ihreArbeitsgruppe auseinandersetzen.Mittelpunkt der Forschung ist dabei derRezeptor, an den Erythropoetin bindetund so eine Reaktion in der Zelle aus-löst. Dieser Rezeptor befindet sich aufden Vorläuferzellen der Erythrozyten.Beim Andocken von Erythropoetinwird das Wachstum der Zellen stimu-liert. „Lange dachte man, dass sich derRezeptor nur auf diesen Zellen befin-det“, so Klingmüller. Doch dann ent-deckten Forscher den Rezeptor auch aufanderen Zellen, etwa auf solchen, diedie innere Wand von Gefäßen bildenoder auf neuronalen Zellen. „Jetzt kri-stallisiert sich jedoch immer mehr her-aus, dass Tumorzellen ebenfalls in derLage sind, diesen Rezeptor zu produzie-ren, so dass auch diese Zellen plötzlichauf Erythropoetin antworten können“,berichtet Klingmüller. Bisher ist dieAndockstelle auf künstlich vermehrtenZellen von Knochenmarkstumoren undBrustkrebszellen gesichtet worden.Andere Forscher haben festgestellt,

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dass Erythropoetin das Wachstum derBlutgefäße in Tumoren der weiblichenReproduktionsorgane steigert. „Dabeispielt vermutlich ein Signalweg eineRolle, den ich mit meiner Arbeitsgruppeim DKFZ erforsche“, so die Biologin. IhreGruppe hat gerade eine neue Methodeentwickelt, mit dem sie diesen Signal-weg in der Zelle untersuchen kann.„Mitunserer Untersuchung konnten wir zei-gen, dass man ganz gezielt in diesenSignalweg eingreifen kann.“ NachAndocken des Erythropoetins an denRezeptor wird ein Signalmolekül vonder Zelloberfläche in den Zellkern trans-portiert. Dies geschieht über Transport-proteine. „Wenn es uns gelingt zu ver-hindern, dass die Transportproteine dieSignalmoleküle erkennen, und damitdas Signal nicht mehr in den Zellkerngelangt, hätten wir einen neuenAnsatzpunkt für die Tumorbekämp-fung“, erklärt Klingmüller ihren For-schungsansatz.Die Wissenschaftlerin sucht jetzt nacheiner Möglichkeit, gezielt in diese Sig-nalwege einzugreifen. Langfristig könn-te daraus eine therapeutische Strategieresultieren, mit der sich das Tumor-wachstum bei anämischen Krebspa-tienten, die mit Erythropoetin behan-

delt werden sollen, verhindern ließe.Folgendes schwebt der Forscherin vor:eine Kombination aus der Erythropoe-tin-Therapie und der lokalen Behand-lung in der Tumorregion mit dem neu-en Präparat, das an Ort und Stelle mög-liche negative Wirkungen des Epo ver-hindern soll. Jetzt sei sie auf der Suchenach einem Partner aus der Industrie,der sie bei dieser Entwicklung unter-stütze, so Klingmüller.Bis es soweit ist, ist aber bei der Thera-pie mit Erythropoetin noch große Vor-sicht geboten. Schließlich ist nichtsicher geklärt was das Hormon im Kör-per alles bewirken kann. Erythropoetinzu verordnen, um dadurch die Wirkungeiner Strahlen- oder Chemotherapie beiPatienten mit normalen Hämoglobin-werten zu verbessern, sollte man ange-sichts der Ergebnisse der Studie sicherunterlassen, meint Klingmüller. Undbei Krebspatienten mit einer Anämie?Klingmüllers meint dazu: „Bei diesenPatienten muss sorgfältig abgewogenwerden, ob sie Erythropoetin bekom-men sollen, oder ob sie nicht auch mitder Anämie ganz gut leben können.“

Swanett Koops

Schlechter Sauerstofftrans-port im Körper: Krebspatien-ten leiden häufig unter Blut-armut, da sie zu wenig roteBlutkörperchen bilden(rechts: elektronenmikro-skopische Aufnahme)

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Edles

GASfür die Lunge

Hoch aufgelöste undkontrastreiche Bilder

der Atemwege und derLunge sowie wertvolle

Informationen zur Lun-genfunktion – dies ver-spricht eine modifizier-te Version der Magnet-

resonanztomografie.Viele Fragen bei Patien-

ten mit Erkrankungender Lunge lassen sich

möglicherweise mitdieser Methode künftig

präziser beantworten.

Mit polarisiertem Helium wirdsichtbar, dass die Lunge einesPatienten einen Belüftungsdefekthat (linkes Bild, siehe Pfeil) – imGegensatz zur Lunge eines gesun-den Probanden (rechtes Bild).Unten: Bei einem transplantier-ten Lungenflügel ist im wahrstenSinne alles im grünen Bereich,während im rechten Flügel dasGewebe zerstört (rot) und so gutwie gar nicht belüftet ist(schwarz)

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Der Nutzen der Magnetresonanztomo-grafie (MRT, auch Kernspintomografie)für die Medizin tritt nicht erst seit derVergabe des Nobelpreises im letztenJahr immer stärker zu Tage. Nun zeich-net sich noch ein weiteres Einsatzge-biet ab: die Lungendiagnostik. So lassensich zum Beispiel die Größe einzelnerLufträume in den Lungen, die Vertei-lung der Atemluft während der Einat-mung, der regionale Sauerstoffpartial-druck und die Sauerstoffaufnahme insBlut messen. Für die Behandlung vonPatienten mit chronischer Bronchitis,Asthma, Emphysem oder Lungentumo-ren sind dies wichtige Parameter. Dassdie MRT solche Aussagen erlaubt, istnicht selbstverständlich, denn norma-lerweise liefert sie lediglich Bilder vonKörperregionen mit hoher Protonen-dichte, also hauptsächlich wasserhalti-gem Gewebe. Dabei werden Protonen,das heißt Wasserstoffkerne, „polari-siert.“ Dieser Vorgang beruht auf derDrehbewegung der Kernteilchen umihre eigene Achse, dem so genannten„Spin.“ Legt man von außen ein Mag-netfeld an, richten sich die Rotations-achsen bei allen Teilchen einheitlichaus. Schaltet man das Magnetfeld ab,kehren die Protonen in ihren Ur-sprungszustand zurück. Die Aufhebungder Polarisierung resultiert in messba-ren Signalen, aus denen sich verschie-dene Informationen ableiten lassen.

Polarisiertes Heliumgas wird sicht-bar im KernspintomografenDa die Atemluft der Lunge nur sehrwenige Wasserstoffkerne enthält, kanndas Organ mit der konventionellenKernspintomografie nur sehr schwerabgebildet werden. Eine Lösung desProblems liegt in einer modifiziertenVersion der MRT, bei der statt der Proto-nen Heliumkerne polarisiert werden.Die Voraussetzungen dafür wurdenvon Physikern der Universität Mainzgeschaffen. Professor Ernst Otten undProfessor Werner Heil gelang es, hochpolarisiertes Heliumgas herzustellen,das sich als Signalquelle in der MRT eig-net. Von den beiden Grundlagenfor-schern stammte auch die Idee, dieseSonderform des Edelgases, Helium-3, inder Medizin zu verwenden: Eingeatme-tes Helium könnte das Lungenvolumen

sichtbar machen. Der neue Ansatz stießauf großes Interesse bei Dr. PeterBachert und Dr. Michael Bock. Die Medi-zinphysiker des Deutschen Krebsfor-schungszentrums passten die her-kömmliche MRT für den Einsatz mithoch polarisiertem Helium an. ImAnschluss daran hat Professor Hans-Ulrich Kauczor an der Mainzer Universi-tätsklinik das Bild gebende Verfahrensowohl bei Gesunden als auch bei mehrals 100 Patienten mit unterschiedlichenLungenerkrankungen im Rahmen kli-nischer Studien untersucht. Der Radio-loge – mittlerweile Leiter der AbteilungRadiologie im Deutschen Krebsfor-schungszentrum – lächelt, wenn er andie Anfänge zurückdenkt: „Ursprüng-lich musste eine Testperson das Helium-gas einatmen und für etwa 30 Sekun-den die Luft anhalten. Inzwischengenügen 10 Sekunden.“ Viele weitereBedingungen sind mittlerweile opti-miert worden. Kauczor ist von der Über-legenheit der Methode für die Lungen-untersuchung gegenüber anderen Bildgebenden Verfahren überzeugt:„Helium ist ein äußerst reaktionsträgesEdelgas. Der Körper nimmt das Gasnach dem Einatmen so gut wie garnicht ins Blut auf. Es ist nicht giftig, undes sind keine schädlichen Nebenwir-kungen bekannt.“ Der Vorteil gegenü-ber der Computertomografie (CT) istoffensichtlich: Die MRT mit Helium-3kommt ohne belastende Strahlen aus,so der Mediziner. Hinzukomme, dassdie CT zwar für die Untersuchung derLungenanatomie geeignet sei, aber nurbegrenzt für die Funktionsananlysetauge, also zum Beispiel nichts darüberaussagt, wie gut sich die eingeatmeteLuft in der Lunge verteilt und der Sauer-stoff ins Blut gelangt. Gerade darin liegtaber die Stärke der Helium-MRT: ImGegensatz zu Gesunden zeigen lungen-kranke Patienten eine ungleichmäßigeVerteilung des eingeatmeten Gases mitverschiedenen Lücken. Selbst kleinsteBereiche, die nicht belüftet werden, undgeringfügige Einschränkungen desGasaustausches werden bei der MRTsichtbar. Die Vorteile des Verfahrenszeigen sich sowohl bei Asthmakranken,bei denen sich die Wirkung von einge-atmeten Medikamenten (Aerosolen)direkt darstellen lässt, als auch bei

Patienten nach Lungentransplantation,bei denen eine Organabstoßung früh-zeitig erkannt werden kann. Auch imVergleich zu anderen Methoden, z. B.der Nuklearmedizin, erweist sich dieHelium-MRT als überlegen: Die Edelga-se Xenon und Krypton sowie das Aero-sol „Technegas“ ermöglichen nur einebegrenzte räumliche und zeitliche Auf-lösung. Beim Einsatz von Helium in derMRT dagegen lässt sich gut nachvollzie-hen, wie schnell sich die Gasteilchen imLungenvolumen verteilen, was wiede-rum Rückschlüsse auf die Struktur desOrgans erlaubt.

Zukunft der Helium-MRT hängt auchan der KostenfrageAuch die Helium-MRT muss noch man-che Bewährungsprobe bestehen, bevorder Weg in die klinische Anwendungfrei ist. So gilt es die Empfindlichkeitund Spezifität der Methode zu überprü-fen. Aus diesem Grund findet aktuell inMainz, Sheffield und Kopenhagen einegroße Studie statt, die von der Europäi-schen Union im 5. Rahmenprogrammgefördert wird. Nicht zuletzt wird eseine Frage der Kosten sein, ob das neueVerfahren Einzug in die Lungenfunk-tionsdiagnostik erhält, denn Helium-3ist ein seltenes Isotop; zudem hat dieaufwändige Polarisation ihren Preis.Kauczor ist dennoch zuversichtlich:„Die bisherigen positiven Entwicklun-gen und Erfahrungen ermutigen uns,die klinischen Studien fortzusetzen.“

Dagmar Anders

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Die „Sensation“ oder der „Durchbruch“ im Kampf gegen Krebsgeistern immer mal wieder durch die Medien. Leider steht derWahrheitsgehalt solcher Meldungen nicht in proportionalemVerhältnis zur Buchstabengröße der Zeitungsüberschriften.Patienten, bei denen damit falsche Hoffnungen auf Heilungs-chancen geweckt werden, sind oft die Leidtragenden.

Science undFiktion

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Antimaterie fris

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Die hoffnungsfrohe Nachricht kampünktlich zum Fest. Am 23. Dezember2003 verkündete Bild ihren Lesern:„Die-se schreckliche, heimtückische Krebs-krankheit – jetzt wollen Physiker sieendgültig besiegen.“ Ihre Waffe: Anti-Materie -Teilchen aus der Gegenwelt,die sich, wenn sie auf gewöhnlicheMaterie treffen, mit ihr zusammen aus-löschen, weshalb es seit der Entstehungdes Universums keine Antiteilchenmehr gibt. Nichts bleibt dann übrigaußer einem Haufen Energie. Die Anti-Materie explodiere „präzise in derKrebszelle“, schrieb Bild weiter.„Die zer-platzt dann – wie eine Seifenblase.“„Viele Patienten und ihre Angehörigenglaubten, ihr schönstes Weihnachtsge-schenk in der Bild entdeckt zu haben“,erzählt Renate Haselmann, die in derAbteilung Radiologie des DeutschenKrebsforschungszentrums (DKFZ) dasPatiententelefon betreut. Zwischen denJahren kam es zu einer Anrufflut, wiesie Haselmann noch nicht erlebt hat.Professor Gerhard Kraft von der Gesell-schaft für Schwerionenforschung (GSI)in Darmstadt, dessen Name in dem Bild-Artikel genannt worden war, wurde vonKrebspatienten sogar an den Weih-nachtsfeiertagen zu Hause angerufen.Doch die verzweifelten Anrufer mus-sten schnell feststellen, dass es nicht ihrKrebs sein würde, der wie eine Seifen-blase zerplatzt. Vielmehr zerplatztenihre Träume. „Viele Patienten habengeweint, als sie merkten, dass das nichteintreten wird, was sie sich erhofft hat-ten“, sagt Haselmann.Genau genommen stand in dem Bild-Artikel nur ein einziger falscher Satz.Der aber führte – zusammen mit einerreißerischen Überschrift („Forschermachen sensationelle Entdeckung:Anti-Materie frisst Krebszellen“) dazu,dass viele Krebskranke Anti-Materie alsneue Wunderwaffe betrachteten. Man-che verzweifelten am Telefon, nachdemsie erfahren hatten, dass es auf diesemForschungsfeld bisher lediglich Labor-Experimente gibt, die noch nicht überVersuche an Zellen im Reagenzglas hin-ausgekommen sind. Patienten könntenvon dem neuen Ansatz – sofern er sichüberhaupt als wirksam erweist – frühes-tens in zehn oder zwanzig Jahren profi-tieren.

Bisher ist Anti-Materie vor allem Physi-kern bekannt – und Freunden der Scien-ce Fiction. Denn in den Star-Trek-Episo-den katapultieren die energiereichenAnti-Teilchen als höchst effektiverRaketenantrieb das Raumschiff Enter-prise durch die Galaxien. Wissenschaft-ler am Europäischen Teilchenbeschleu-niger CERN in Genf wollen die hoheEnergie der Anti-Materie tatsächlichdazu nutzen, Krebszellen zu zerstören.Sie gehören zu den wenigen Forschernweltweit, denen es bisher überhauptgelungen ist, winzige Mengen Anti-Materie in ihren Teilchenbeschleuni-gern herzustellen.

Wasserstoffatome und Schwerionensind keine AntimaterieDass die Forscher glauben, die unge-wöhnlichen Teilchen aus der Gegen-welt könnten eines Tages tatsächlichgegen Krebs helfen, liegt an den Erfah-rungen mit bestimmten Materie-Teil-chen, die ähnlich energiereich sind.Denn Teile von Atomen werden bereitsmit Erfolg in der Krebsbehandlungerprobt. Zu ihnen gehören die Kernevon Wasserstoffatomen (Protonen) so-wie deren dicke Vettern, die so ge-nannten Schwerionen. Sie bestehen ausKohlenstoffatomen, denen die Elektro-nen weggenommen wurden.Der Vorteil all dieser Energiebündel: Siegeben ihre Energie hochpräzise ab.Während die harten Röntgenstrahlen,die schon seit langem in der Strahlen-therapie von Tumoren eingesetzt wer-den, immer gesundes Gewebe in Mitlei-denschaft ziehen, vollbringen Protonen,Schwerionen und Anti-Teilchen ihr Zer-störungswerk mit geringeren Neben-wirkungen. Denn sie setzen den Löwen-anteil ihrer Energie – anders als Rönt-genstrahlen – erst am Ende ihres Wegesfrei. Aus diesem Grund kann man dieTeilchen zielgenau auf das Tumorgewe-be richten und so die Schäden im gesun-den Gewebe gering halten.Schwerionen und Protonen werdendeshalb vor allem an Tumoren im Kopf-Halsbereich erprobt, bei denen höchstePräzision nötig ist, weil eine Verletzungdes umliegenden Gewebes wie Hirn-stamm, Sehnerv oder Rückenmark,unbedingt vermieden werden muss.Rund 200 Krebskranke wurden seit

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sst Krebszellen

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1997 in einem Pilotprojekt in Darmstadtbei der GSI mit Schwerionen behandelt– mit großem Erfolg. Je nach Tumorartging der Krebsherd in 80 bis 100 Pro-zent der Fälle zurück, sagt der PhysikerKraft, der die Schwerionen-Therapiegemeinsam mit dem HeidelbergerRadiologen Jürgen Debus vorantreibt.Die Nebenwirkungen der schwerenIonen seien gering: Die Patienten littenmeist nur unter leichten Schwellungender Schleimhäute und unter Hautrö-tungen.Im Darmstädter Forschungszentrumkönnen aber höchstens 50 Patientenpro Jahr behandelt werden. Deshalbwird an der Radiologischen Universi-tätsklinik in Heidelberg gerade für 72Millionen Euro eine eigene Anlage fürdie Schwerionen- und Protonenthera-pie gebaut, die ab dem Jahr 2006 fürmehr als tausend Kranke pro Jahr zurVerfügung stehen soll. Zunächst sollenbesagte Tumoren im Kopf- und Halsbe-reich behandelt werden.„Der Schaden in benachbartem gesun-den Gewebe wäre bei diesen Tumorar-ten zu groß. Außerdem sprechen sie aufdie konventionelle Bestrahlung nurschwer an“, sagt Jürgen Debus, der seitkurzem Professor für Radiologie an derUniversitätsklinik Heidelberg ist undunter dessen Leitung das neue Zentrumarbeiten wird. Nur bei der Behandlungder Schädelbasis-Tumoren gilt dieSchwerionen-Therapie als etabliertesHeilverfahren. Bei allen anderen Tumo-ren ist der Beschuss mit Schwerionennoch eine experimentelle Therapie.Von all dem hatte ein paar Tage vor Bilddie Süddeutsche Zeitung berichtet: Am19. Dezember beschrieb sie die erstenVersuche in Genf, in denen ein paarHamsterzellen in einem Reagenzglasmit Anti-Materie beschossen wordenwaren. Der Artikel wies auch daraufhin, dass ein verwandter Ansatz inDarmstadt und Heidelberg verfolgtwird, der sich aber ganz anderer Teil-chen bedient. Diesen Artikel nahm sichBild zum Vorbild und zitierte sogar dar-aus. Doch dabei verschwieg das Blatt,dass die Anti-Materie-Forscher selbstvon Versuchen an krebskranken Tierennoch weit entfernt sind – „Galaxienweit“, wie die Süddeutsche Zeitungbetonte.

Und noch eine Verschärfung leistetesich Bild: Das Blatt behauptete, dieSchwerionen seien eine „Vorstufe“ derAnti-Materie – und suggerierte somit,eine Behandlung mit letzterer sei greif-bar nah. Das Thema Antimaterie ließauch die Telefone des Krebsinforma-tionsdienstes (KID) im DKFZ klingeln.„Die Patienten bezogen sich auf denArtikel in der Bild, der offenbar viele fal-sche Hoffnungen geweckt hat“, sagtHans-Joachim Gebest, Leiter des KID.Dass die Anti-Materie so viele Men-schen angesprochen hat, führt er aufdas „Mystisch-Obskure“ zurück, das mitjenen galaktischen Anti-Teilchen ver-bunden ist, die in unserer Welt eigent-lich keine Rolle spielen.

Unseriöse Berichterstattung wecktfalsche Hoffnung bei PatientenJeder neue Forschungsansatz wecke beiKranken und ihren Angehörigen Hoff-nungen, sagt Gebest. Das lasse sichkaum vermeiden. Verstärkt würden dieEmotionen aber, wenn von „Durch-bruch“ oder „sensationeller Entde-ckung“ die Rede sei. „Die meisten Be-troffenen jagen zunächst den ver-meintlich neuen Therapien hinterher.Bis sie akzeptieren können, dass es kei-ne Hoffnung mehr gibt, muss fastimmer viel Zeit vergehen.“ UnseriöseBerichterstattung lasse diesen Erkennt-nisprozess sehr schmerzhaft für dieBetroffenen verlaufen.

Christina BerndtDie Autorin ist Redakteurin im

Wissenschaftsressort der Süddeutschen Zeitung

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interview

Reich trifftWiestler

Professor Otmar D. Wiestler

Professor Jens Reich

Seit Januar ist Professor Otmar D. Wiestler Wissen-schaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsfor-

schungszentrums (DKFZ). Schon im Vorfeld seinerBerufung nach Heidelberg war spekuliert worden,

dass damit der embryonalen Stammzellforschung inDeutschland politisch der Weg geebnet werden sollte.Zu Unrecht:Wiestler will im DKFZ nur mit den ethisch

nicht umstrittenen adulten Stammzellen forschen.Die populäre Unterscheidung in „böse“ und „gute“

Stammzellen hält er dennoch für fragwürdig. AuchProfessor Jens Reich, Bioinformatiker im Max-

Delbrück-Zentrum in Berlin und Mitglied des Nationa-len Ethikrates, plädiert in dieser Frage für eine verant-

wortungsbewusste Diskussion ohne ideologischeScheuklappen.„einblick“ arrangierte ein Gespräch mit

beiden Wissenschaftlern.

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Herr Professor Reich, mit ProfessorWiestler kommt nicht nur das Gebietder Hirntumorforschung, sondern auchdie Stammzellforschung ans DKFZ. Mitdiesem Begriff sind Hoffnungen undÄngste verknüpft. Was halten Siedavon?

Reich: Wiestler wird sicher einen star-ken Einfluss auf das Profil des DKFZ neh-men: Mit seinen Themen passt er her-vorragend zum Forschungsauftrag desHauses. Stammzellen, insbesondereembryonale Stammzellen, und Krebs-zellen sind ja verwandt – nur beimEmbryo freut man sich darüber, dass erwächst, und beim Krebs ärgert man sichdarüber. Es ist von großem Interesse zuverstehen, warum eine embryonaleStammzelle oder eine adulte Stammzel-le etwas tut oder nicht tut und warumeine Krebszelle plötzlich etwas tut, wasihre normale Vorläuferzelle nichtmachen würde. Das Spannungsfeld die-ser wissenschaftlichen Fragen kommtmit Wiestler an das DKFZ, und das findeich sehr interessant.

Wiestler: Ich bin ja kein reiner Stamm-zellforscher, sondern komme aus denNeurowissenschaften,beschäftige michseit vielen Jahren intensiv mit den The-men Krebs und Epilepsie und in denletzten Jahren auch mit der Rekonstruk-tion des Nervensystems durch Stamm-zellen. Diese Arbeitsrichtung wird inHeidelberg keine Rolle spielen. Ichmöchte aber das Interesse an Stamm-zellen nicht aufgeben, sondern im DKFZein neues Gebiet erschließen, das sichganz gezielt mit den Parallelen in derBiologie von Stammzellen und Krebs-zellen befasst. Wie Stammzellen wei-sen auch Krebszellen eine ungeheureVielgestaltigkeit auf, obwohl sie docheigentlich aus genetisch identischenZellen bestehen. Die Fähigkeit, ihrWachstum zu regulieren, in Ruhepha-sen zu fallen und plötzlich wieder mitder Teilung anzufangen, gehört ebensozu den Kernmerkmalen von Krebs- wievon Stammzellen. Auch der intensiveAustausch, den Krebszellen unterein-ander und mit anderen Zellen ihrerUmgebung pflegen, zeigt, dass sieEigenschaften haben, die viele Zellenwährend der Entwicklung durchma-

chen. Schließlich ist auch das Phäno-men der Krebszellen, sich im Körper zuverstecken und plötzlich, nach Mona-ten, Absiedlungen zu entwickeln, eineKardinaleigenschaft von Stammzellen.Auch zur Beantwortung der Frage,woher Krebserkrankungen überhauptkommen, insbesondere in Geweben,deren Zellen sich eigentlich nicht mehrteilen können, wie zum Beispiel Ner-vengewebe, könnten Erkenntnisse ausder Stammzellforschung beitragen.

Wie beurteilen Sie die Unterscheidungin „gute“ und „böse“ Stammzellen?

Reich: Das ist eine Trennung auf dermetaphysischen Ebene, nicht auf derbiologischen. Die Befürwortung dereinen und die Verteufelung der ande-ren Seite kann ich als Wissenschaftlernicht nachvollziehen. Dass Forschungpolitisch reguliert werden muss, wennsie in Menschenrechte eingreift, be-streitet ja niemand. Die Frage ist, obexperimentelle Entwicklungsbiologie,wenn sie an menschlichen Zellenerfolgt, Menschenrechte verletzt. DieEntscheidung darüber kann man nichteinfach aus dem Ärmel schütteln, dasist sehr schwierig. Der Totipotenz-begriff war bisher das einzige Instru-ment, um im experimentellen Bereichzu entscheiden, ob etwas ein Menschist oder nicht. Allerdings ist dieserBegriff heute nicht mehr brauchbar,denn die Totipotenz einer Zelle – alsodie Fähigkeit, sich zu einem ganzenOrganismus weiterzuentwickeln – istim Labor manipulierbar geworden, sielässt sich an- oder abschalten. Der Toti-potenzbegriff steht jedoch im Gesetzund wird im Parlament immer hochge-halten. Außerdem ist es für mich ganzunerträglich, wenn – wie in unseremStammzellgesetz – ein Forschungspro-jekt an embryonalen Stammzellen alsausnahmsweise gestattete Straftatdefiniert wird. Diesen Schuh dürfen wiruns als Wissenschaftler nicht anziehen.

Wiestler: Wir haben in dieser jahrelan-gen Debatte immer dagegen plädiert,die Stammzellforschung in verschiede-ne Sektoren aufzuteilen, die unabhän-gig nebeneinander stehen, also dieguten, problemlosen erwachsenen

Stammzellen auf der einen und diebösen embryonalen Stammzellen aufder anderen Seite. Das ist blauäugigund wird dem Forschungsgedankennicht gerecht. Wir haben nur dann dieChance, dieses Forschungsgebiet auchfür die Medizin zu erschließen, wennwir beide Bereiche parallel vorantrei-ben. Die embryonalen Stammzellenbrauchen wir dringend, um grundle-gende Eigenschaften von Stammzellenbesser zu verstehen, zum Beispielwarum sie außerhalb des Körpers soschnell wachsen, was adulte Stammzel-len nicht tun, oder wie ihre Entwick-lung gesteuert wird. Die Informationdaraus wird unverzichtbar sein, umauch das Potenzial der Alternative, deradulten Stammzellen, optimal ausnut-zen zu können. In bestimmten Berei-chen können die embryonalen Stamm-zellen auch langfristig Vorteile behal-ten, etwa für die Gewinnung vonErsatzzellen aus Organen, in denen esnatürlicherweise keine Stammzellengibt, wie zum Beispiel im Nervensys-tem. Die Vorstellung, man könnte sichauf ein Gebiet der Stammzellforschungbeschränken und dennoch das ganzePotenzial dieser Forschung nutzen, istpolitisch zwar verständlich, aber wis-senschaftlich naiv .

Soll oder muss die Politik der ForschungGrenzen setzen?

Reich: Die Politik oder die Gesellschaft,die dahinter steht, darf sagen, wir wol-len Forschung in diese oder jene Rich-tung haben und dafür gibt es Geldbeziehungsweise kein Geld. SolcheÜberlegungen sind legitim. Wenn diePolitik dagegen bestimmte Dinge ver-bieten will, muss sie sehr starke Gründehaben, wenn zum Beispiel Menschen-rechte verletzt werden. Denn wir habenja im Artikel 5 des Grundgesetzes auchdie Forschungsfreiheit zu verteidigen.Ich bin überzeugt, dass es nicht gut ist,der Forschung Tabus aufzuerlegen, nurweil die Richtung irgendwelchen Leu-ten nicht passt. Ich sehe keinen funda-mentalen Unterschied darin, ob maneinem Hirntoten ein Organ entnimmtoder einer sterbenden Blastozyste eineZelle, die für den Zweck, zu dem sieursprünglich hergestellt worden ist,

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interview

nicht mehr verwendet werden kann.Warum das eine gängige Praxis ist unddas andere ein Verbrechen, ist für michnicht nachvollziehbar. Wenn ganz ver-schiedene Moralvorstellungen hinterden Positionen stehen, kann man ent-weder gar nichts regeln oder muss Kom-promisse finden, die dann aber meis-tens nicht befriedigend sind. Aber diesezwielichtige Situation, in der Menschenwie etwa Oliver Brüstle arbeiten müs-sen, ist für mich unerträglich. Diese Leu-te sind ja keine Mafiosi, die man unterden Vorbehalt des Strafrechts stellenmüsste. Unter solchen Bedingungenwird natürlich niemand in Deutschlanddiese Forschung anfassen.

Wiestler: Das wesentliche Dilemmaunseres Umgangs mit Embryonen gehtja auf den Schwangerschaftsabbruchzurück. Wir treiben Hunderttausendevon Föten jedes Jahr ab, und ich habenie ein Argument gehört, wie man derBevölkerung erklären kann, warumAbtreibung legitim ist, tägliche Praxis,von den Krankenkassen finanziertwird, und warum die Entnahme vonStammzellen aus einem ganz frühenEmbryo, der im Rahmen der künst-lichen Befruchtung angefallen ist, eineschwere Straftat sein soll. Obwohl erkeine Lebensmöglichkeit mehr hat,weil er nach mehreren Jahren tief-gekühlter Lagerung nicht mehr in eineGebärmutter eingepflanzt werdenkann. Da ist ein Gedankenbruch, dermit keiner Argumentation zu erklärenist. Politisch verstehe ich das sehr gut,niemand möchte mehr in die Abtrei-bungsdebatte einsteigen. Wir habenDiskussionen mit engagierten Men-schen aus dem grünen Spektrum

geführt, die auf der einen Seite mitVehemenz die Abtreibung als einnatürliches Recht verteidigt haben, dasjeder in Anspruch nehmen kann, aufder anderen Seite aber mit derselbenVehemenz die Forschung mit Stamm-zellen kategorisch abgelehnt haben. ImGegensatz dazu hatte die Kirche immereinen ganz klaren Standpunkt, nachdem unter gar keinen Umständen einEingriff in embryonales Leben erfolgendarf. Hier kann man allenfalls die Fragestellen, ob diese Position der heutigenLebensrealität gerecht wird.

Leidet die Attraktivität des Forschungs-standorts Deutschland unter der starkmoralisch geprägten Debatte?

Reich: Wenn Sie ein Gesetz haben, dasdie embryonale Stammzellgewinnungunter Strafe stellt und nur unter kom-plizierten Ausnahmebedingungen er-laubt, senden Sie ein negatives Signalfür junge Leute, die in diesem Bereicharbeiten wollen. Diese werden also ent-weder ins Ausland gehen oder sich einanderes Forschungsgebiet suchen müs-sen, und das passiert gegenwärtigschon. Nicht ohne Grund gibt es inGroßbritannien tausende von Anträ-gen zur embryonalen Stammzellfor-schung, in Deutschland nach einemJahr nur fünf.

Wiestler: Ich glaube eigentlich nicht,dass die Attraktivität des Forschungs-standortes Deutschland entscheidenddurch die Debatte um die Stammzell-forschung beeinträchtigt wird. DiesesArgument erscheint mir zu einfach,auch wenn es häufig von Journalistenaufgegriffen wurde – von Wissen-

Professor Otmar D. Wiestler

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schaftlern habe ich es eigentlich kaumgehört. Die Attraktivität des For-schungsstandortes Deutschland leidetaus verschiedenen Gründen. Die Frage,wie wir mit Forschungsregularien undbioethischen Problemen insgesamtumgehen, hat bereits in der Vergangen-heit unser Renommee als Wissen-schaftsstandort in Mitleidenschaft ge-zogen. Man denke nur daran, dass zumBeispiel Joschka Fischer als Umwelt-minister in Hessen jahrelang verhin-dert hat, dass gentechnisch hergestell-tes Insulin produziert werden durfte,was er heute aus der Rückschau ver-mutlich auch nicht mehr so sehen wür-de. Damals wurde der Forschungs-standort Deutschland nachhaltig be-schädigt, weil pharmazeutische Firmenaufgrund der politischen Rahmen-bedingungen ihre Produktion ins Aus-land verlagert haben.

Was würde passieren, wenn aus derStammzellforschung relevante Ergeb-nisse für die Krankheitsbekämpfungherauskämen?

Reich: In dem Moment, da bin ichsicher, würde Deutschland sofort seinemoralischen Bedenken vergessen. Lei-der werden nie die positiven Folgeneiner solchen Forschung ins Kalkülgezogen, sondern immer nur die nega-tiven. Es gibt keine Antwort darauf, waswäre, wenn aus dieser Forschung tat-sächlich wesentliche Erkenntnisse fürdie Volksgesundheit herauskämen undwenn eines Tages Krankheiten wie Alz-heimer oder Parkinson mit Stammzell-produkten behandelt werden könnten.Ich würde gerne von den Entschei-dungsträgern einmal hören: „Ja, wir

wissen um dieses mögliche moralischeDilemma und nehmen die Folgen auf-grund unserer Überzeugung ausdrück-lich in Kauf.“ So wie wir auch keine bil-ligen Fußbälle kaufen wollen, die durchKinderarbeit in der dritten Welt produ-ziert wurden. Es gibt eine romantischedeutsche Tradition, deren Grundideedarin besteht, dass der technische Fort-schritt etwas ist, das die Zufriedenheitund das Glück der Menschen bedroht.Diese Tradition wird immer wiederspürbar, wenn neue Durchbrüche erfol-gen. Es gibt in Deutschland eine starke,aber tief sitzende Skepsis gegenüberder technologischen oder instrumen-tellen Vernunft, rechts genauso wielinks, in konservativen Kreisen ebensowie bei Anhängern der FrankfurterSchule.

Wiestler: Auch ich glaube, dass Deutschland seine moralischen Beden-ken über Bord werfen würde, das ist dieMacht des Faktischen. Bei der Stamm-zellforschung ist im Moment nochnicht abzusehen, ob und vor allemwann sich klinische Anwendungenabzeichnen werden, und man solltedafür auch keine falsche Werbungbetreiben. Aber spätestens in demMoment, wo Erkenntnisse aus dieserForschung in die klinische Anwendunggehen, gäbe es kein Argument mehr,deutschen Patienten diese Behandlungvorzuenthalten.

Das Gespräch führte Julia Rautenstrauch

Professor Jens Reich

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Bestimmte Hirntumoren sind schnelltötende Killer, viele Betroffene überle-ben das Jahr nach der Diagnose nicht.Dies gilt vor allem für das Glioblastomamultiforme, einen Hirntumor, an demin Deutschland ungefähr 2000 Men-schen pro Jahr neu erkranken. DieseTumoren zählen zur Gruppe der Gliomeund entstehen aus dem Nervenstütz-gewebe des Gehirns, den Gliazellen. DieStandardtherapien stoßen im wahr-sten Sinne an Tumorgrenzen, da Hirn-tumoren von hochempfindlichem ge-sundem Nervengewebe umgeben sind,was eine Operation ebenso einschränktwie eine Strahlenbehandlung. EineChemotherapie wird durch die Blut-Hirn-Schranke in den Blutgefäßenerschwert, die den Übertritt vielerMedikamente in das Gehirn verhindert.In einem gemeinsamen Projekt suchendie Neurochirurgie der Universitätskli-nik Heidelberg unter Leitung von Pro-fessor Andreas Unterberg und dieTumorvirologen des Deutschen Krebs-forschungszentrum (DKFZ) unter Lei-tung von Professor Jean Rommelaerenach Behandlungsalternativen. Dabeiuntersuchen der Neurochirurg Dr. Kar-sten Geletneky und ein Team um Dr. JanCornelis im DKFZ, ob sich Hirntumor-zellen gezielt mit Hilfe von Parvovirenzerstören lassen – ein Prozess den manals Onkolyse bezeichnet.Virus und Hirntumor, das klingt wie einTreffen zwischen Teufel und Beelzebub.Viren lösen aber nicht immer Krankhei-ten aus: Einige hemmen das Wachstumvon Krebszellen. Dazu gehören ver-schiedene Parvoviren, die vor allem

Nagetiere befallen. Die kleinen hüllen-losen Viren mit einzelsträngigem DNS-Genom können sich oft in Tumorzellenvermehren und diese abtöten. NormaleZellen bleiben davon unbehelligt. Diesgilt auch für den Wildtyp des Ratten-parvovirus H-1. Mit diesem natürlichvorkommenden Virus betraten Gelet-neky und Cornelis experimentellesNeuland in der Gliomtherapie-For-schung. Mit im DKFZ-Boot sind auch Dr.Marta Herrero y Calle, die jetzt in derNeurochirurgischen UniversitätsklinikFreiburg forscht, und die Arbeitsgruppevon Professor Jörg Schlehofer. Einenersten Teil ihrer Ergebnisse haben siejetzt in der Fachzeitschrift „Internatio-nal Journal of Cancer“ veröffentlicht.Ins Interesse therapeutischer Ansätzesind diese Viren gerückt, da bis heute

Wilde Typenim Antitumor- Einsatz

Virologen und Klinikersuchen nach neuen

Therapieansätzengegen Glioblastome,

einer besondersaggressiven Hirn-tumor-Art; dabei

sollen ParvovirenKrebszellen zerstören.

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keine natürlichen Infektionen mitNagerparvoviren bekannt sind, dieKrankheiten beim Menschen auslösen.Außerdem bauen die Viren ihre Genenicht in das Erbgut einer infiziertenWirtszelle ein; dadurch sinkt das Risiko,so genannte Onkogene im mensch-lichen Genom zu aktivieren, die zur Bil-dung von Krebs führen können. DieTumorforscher testeten die Wirkungvon H-1 auf humane Gliomzellen impräklinischen Stadium. Parallel unter-suchten sie Ratten- und Mäusegliom inVersuchstieren, wobei sich bestätigte,dass das Virus keine Krankheiten aus-löste. Die jetzt publizierten Ergebnisseaus der Zellkultur lassen vermuten,dass die Viren in weiteren Vermeh-rungszyklen immer neue Tumorzelleninfizieren und töten könnten und

dadurch ein nachhaltiger Effekt gegendas Tumorgewebe möglich ist.„Wie dasVirus Tumorzellen in den Zelltod treibt,haben wir noch nicht genau verstan-den“, sagt Jan Cornelis. Vieles deute aberdarauf hin, das die toxische Wirkungmit dem Virus-Protein NS-1 zusammen-hängt. Dr. Laurent Deleu, ein Kollege vonCornelis, stellte fest, dass bei verschiede-nen humanen Gliomzellen unterschied-liche Mechanismen für den H-1-Virusvermittelten Zelltod verantwortlichwaren. Das H-1-Virus zerstörte auch Tu-morzellen, die gegenüber Chemothera-peutika resistent waren.„Prinzipiell könnte man viele Tumorar-ten auf ihre Empfindlichkeit gegenüberParvoviren testen“, sagt Cornelis. In frü-heren Versuchen der Arbeitsgruppe rea-gierten nicht alle überprüften Tumor-zellen empfindlich auf das Virus. Weite-re Tests der Forscher zeigten aber, dassParvoviren sowohl Zellen aus Bauch-speicheldrüsenkarzinomen als auchbesonders effektiv aus Gliomen zerstö-ren. Geletneky:„Gliome sind fast immerauf das Gehirn beschränkte Tumoren,die nur in sehr geringem Maß Metasta-sen in anderen Organen bilden. Das istein vorteilhaftes Modellsystem, in demwir den Tumor mit Viren gut erreichenkönnen und mit dem wir zukünftigauch andere, zum Beispiel rekombinan-te, das bedeutet genetisch veränderteViren, auf ihre lytische und therapeuti-sche Aktivität testen können.“Bei anderen Tumoren, die stark in ande-re Organe metastasieren, wie dieBauchspeicheldrüsenkarzinome, müs-ste man hingegen Viren im ganzen Kör-per verteilen. „Zurzeit denken wir dar-an, die Viren gezielt und in hoher Dosie-rung direkt in den Hirntumor zu inji-zieren“, beschreibt Geletneky die favo-risierte Strategie einer lokalen Anwen-dung. Hierzu gibt es erste Erfahrungenaus Untersuchungen an Ratten, beidenen die injizierten Viren im Gehirnkeine toxischen oder entzündlichenReaktionen hervorgerufen haben.Ein gewichtiges Problem des Virenein-satzes ist die fatale Neigung der Glio-blastomzellen,bereits sehr frühzeitig ausdem Primärtumor abzuwandern undgefährliche Tumorneubildungen imGehirn auszulösen. Ob die injiziertenParvoviren diese abgewanderten Zellen

Links: Computersimulation derOberfläche eines ParovirusUnten links: Angefärbte Vireninnerhalb einer infizierten Hirn-tumorzelleUnten rechts:Kernspintomogra-fische Aufnahmen des Kopfeseines Hirntumor-Patienten inverschiedenen Schnittebenen

erreichen, wissen die Forscher nicht.„Wir bräuchten einen Schneeball-Effekt, bei dem nicht nur die bei derersten Injektion infizierten Tumorzel-len, sondern danach auch benachbartegetötet werden“, sagt Cornelis. Außer-dem hofft das Team auf einen zusätz-lichen Effekt: eine mögliche Immuni-sierung gegen die Tumorzellen. Spezia-lisierte Gliazellen des Gehirns könntencharakteristische Tumorantigene ausabgestorbenen Tumorzellen auf ihrerOberfläche präsentieren und dadurchdas Immunsystem des Patienten auchgegen Tumorzellen richten, die nichtvirusinfiziert sind.„Wir haben gesehen,dass die Wildtyp-Viren schon gut funk-tionieren. Jetzt sind wir gespannt, obwir genetisch veränderte Viren entwi-ckeln können,mit denen wir eventuell dieWirksamkeit beim Menschen verbes-sern könnten“, blickt Cornelis nachvorn. Zurzeit testen die Virologen ver-schiedene rekombinante Parvoviren,die fremde Gene in Tumorzellen schleu-sen. Die Produkte dieser fremden Genekönnten zum Beispiel das Immunsy-stem stimulieren oder als Zellgift wir-ken und Krebszellen töten. Cornelis hältauch eine Kombination aus Wildtyp-und rekombinanten Viren als Behand-lungsoption für denkbar. „Prinzipiellmüssen wir aber die einzelnen Ansätzeerst einzeln entwickeln, bevor wir übereine kombinierte klinische Anwendungnachdenken können“, ergänzt Geletne-ky. Er rechnet aber damit, dass sich dieParvoviren in Zukunft noch gegenandere Hirntumorarten werden einset-zen lassen. „Wir wollen natürlich unse-re Ergebnisse aus der Präklinik und denTieruntersuchungen in klinischen Stu-dien mit Patienten überprüfen. Bisdahin wird aber vermutlich noch einigeZeit vergehen.“

Jürgen Lösch

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Biochips aus dem Laserdrucker

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszen-trums wollen mit einem umgebauten Laserdruckermoderne Biochips für die medizinische Diagnostik her-stellen. An die Stelle der Druckerschwärze treten dabeiAminosäuren, die Grundbausteine von Proteinen.

Flüssige Aminosäuren werden auf einer Glasplatte ausgestrichen.An der Art, wie sie kristallisieren, erkennendie Wissenschaftler, ob die Aminosäurenrichtig „angemischt“ wurden

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„Wir werden wohl einen Kran benöti-gen, um den Drucker durch das großeFenster hier in den dritten Stock zubekommen“, meint Dr. Ralf Bischoff,Abteilung Molekulare Biologie der Mit-ose im Krebsforschungszentrum. Ge-meinsam mit seinen Kollegen Dr. FrankBreitling aus der Abteilung MolekulareGenomanalyse und Dr. Volker Stadler,Abteilung Chip-basierte Peptidbiblio-theken, erwartet er die Anlieferung desungewöhnlichen Laserdruckers. Diedrei Meter lange und eine halbe Tonneschwere Sonderanfertigung, die in kei-nen Aufzug passt, entstand am Fraun-hofer Institut für Produktionstechnikund Automatisierung in Stuttgart.„Wirhaben viele Puzzlesteine,“ sagt Breit-ling, „die wir mit Hilfe des Druckersendlich zusammenfügen können.“ Mit dem umgebauten Laserdruckermöchten die drei Forscher hochmoder-ne Biochips für die medizinische Dia-gnostik herstellen. Die Tonerschwärzeersetzen sie durch Aminosäuren, dasPapier durch eine Glasplatte. In mehre-ren Durchläufen druckt die StuttgarterMaschine computergesteuert 20 ausge-wählte Aminosäuren exakt übereinan-der auf die Glasplatte. Die auf dieseWeise miteinander verketteten Amino-säuren bilden spezifische Eiweißbruch-stücke. Hunderttausende solcher sogenannter Peptide lassen sich in einemdefinierten Muster aufbringen, es ent-steht ein „Peptid-Array“, sozusagen diechemische Visitenkarte einer Erkran-kung. Mit den Peptidarrays sollen Ärztekünftig ein Instrument in Händen hal-ten, mit dem sie zum Beispiel Infektio-nen besser untersuchen können. Gera-de Infektionskrankheiten wie etwaTuberkulose oder die durch Zeckenübertragene Borreliose verlaufen jenach Patient sehr unterschiedlich. Hiersetzt der Peptidchip an: Er bindet gezieltAntikörper, die das Immunsystem alsAntwort auf einen Erreger gebildet hat.Aus dem Tropfen Blut eines Malaria-kranken etwa sollen die Peptidsondenalle relevanten Antikörper herausfi-

schen. Der Arzt erhält dadurch ein Anti-körperprofil, das unter anderem auchAufschluss über die verschiedenen Ent-wicklungsstadien des Malariaerregersgeben kann. Um das realisieren zu kön-nen, liegt noch ein weiter Weg vor denForschern. Zuerst müssen sie dieGesamtheit aller Proteine des Erregersin Form von Peptiden („Peptidom“) aufdem Array abbilden. „Ein Peptidom-Array hat das Potenzial, eine Differenti-aldiagnose von Krankheitsbildern zuermöglichen“, erklärt Breitling.Die Schwierigkeit: Das Peptidom desMalariaerregers Plasmodium falcipa-rum umfasst 500 000 Peptide. Bei her-kömmlichen Peptidarrays werden diePeptide flüssig,als kleine Tröpfchen,auf-getragen. Weil die Flüssigkeit beim Auf-treffen auf der Unterlage zerfließenkann, lassen sich auf einem 20 mal 20Zentimeter großen Träger heutzutagehöchstens 50 000 Peptide unterbringen.

Der Trick mit den festen AminosäurenBreitling und Bischoff haben sich nuneinen Weg ausgedacht, wie sie zu einerhöheren Peptiddichte kommen. „Wirdrucken mit dem Laserdrucker die Ami-nosäuren als feste Partikel auf den Trä-ger“, erklärt Breitling, „dann kannnichts zerfließen.“ Der eigentliche Trickfolgt danach: Der feste Toner wird aufdem Träger bei 80 Grad Celsius verflüs-sigt, sodass erst dort die Peptidkette inLösung verlängert wird. „Diese Tempe-raturen halten Aminosäuren aus“, sagtder Chemiker Stadler. „Niemand voruns kam auf die Idee, die Reaktionspa-kete mit den Aminosäuren erst auf demTräger zu verflüssigen“, erklärt Bischoff.Für diese Idee erhielten die Forscherbereits vor drei Jahren mehrere Preise.Die aktuellen Arbeiten konzentrierensich vor allem darauf, den spezifischenAminosäuretoner für das Druckwerkdes Laserdruckers zu entwickeln. Jededer 20 am Proteinaufbau beteiligtenAminosäuren benötigt eine eigeneTonerkartusche, die im Drucker hinter-einander angeordnet sind. Das erklärt

zum Teil die außergewöhnliche Längedes Druckers. In seinem Innern führteine Art Schlitten die Glasplatte desspäteren Arrays nacheinander an allen20 Tonerkartuschen vorbei. Die geplan-te Aminosäuresequenz ist auf der Foto-walze des Druckers als spezifischesMuster elektrischer Ladungen ver-schlüsselt. Nur die Tonerpartikel derje-nigen Aminosäuren, die gerade „an derReihe“ sind, werden elektrostatischangezogen und auf die Glasplattegedruckt.Dieses Prinzip hat die Heidelberger For-scher auf eine weitere Idee gebracht: Ineinem zweiten, vom Laserdrucker un-abhängigen Ansatz bringen sie, eben-falls unter Ausnutzung spezifischerLadungsmuster, die Aminosäurendirekt auf einen Chip. Dazu verwendensie einen Computerchip, der in Zu-sammenarbeit mit dem Lehrstuhl fürTechnische Informatik der UniversitätHeidelberg entworfen wird. Zehntau-sende feinster Elektroden darauf lassensich einzeln ansteuern und selektiv auf-laden. Daran wird dann der Aminosäu-retoner angelagert, der zuvor entgegen-gesetzt aufgeladen wurde. Analog zumLaserdrucker wird anschließend aufdem Chip der Toner geschmolzen,sodass die chemische Reaktion der Pep-tidsynthese ablaufen kann.Auf diese Peptidchips passen einesTages vielleicht Millionen von Peptid-sonden. Platz genug für einen Univer-sal-Chip, der einmal alle menschlichenProteine als überlappende Peptide tra-gen könnte. Für die Forschung wäre einsolcher Chip von unschätzbarem Wert,weil sich mit ihm möglicherweise dieWirksamkeit von Medikamenten oderdie Effekte von therapeutischen Maß-nahmen überprüfen lassen könnten.Doch das ist noch Zukunftsmusik.Wie stellen die Forscher zurzeit über-haupt fest, dass ein Peptid oder einAntikörper am Peptidchip angedockthat? Ein elegantes Verfahren, das ohnedie üblichen Markierungssubstanzenauskommt, entwickelt der Lehrstuhl für

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Mit einem umgebautenLaserdrucker (Seite 27oben rechts, Seite 28links Mitte und unten)wollen Forscher desDeutschen Krebsfor-schungszentrums Bio-chips für die medizini-sche Diagnostik herstel-len. Die Tonerschwärzewird durch angefärbteAminosäuren ersetzt.Oben: die pulvrige Aus-gangsform

Angewandte Physikalische Chemie derUniversität Heidelberg. Stadler und sei-ne Kollegen passen diese Methode des„Labelling Free Detection“ an die Ver-hältnisse auf ihrem Biochip an.Dazu stellen sie fein verteilte Goldna-nopartikel gleicher Größe her. „Da allePartikel annähernd gleich groß sind,haben alle die gleichen optischenEigenschaften“, erklärt Stadler. Sobaldein spezifischer Antikörper an ein „ver-goldetes“ Peptid adsorbiert, leuchtendie Partikel in einer anderen Farbe. Die-ser „Chamäleon-Effekt“ scheint sogar soempfindlich zu sein, dass die Forscherdamit nicht nur den Ort einer Peptid-bindung auf dem Chip lokalisieren, son-dern sogar das Geschehen an ein- undderselben Bindungsstelle zeitaufgelöstverfolgen können. „Das wird aber nochJahre dauern“, meint Bischoff. Bis dahinkönnten die ersten Peptidchips im Ein-satz sein.

Michael Lang

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Den Blockiererblockieren

Eier sammeln ist nicht nur am Oster-sonntag angesagt, sondern wird dasganze Jahr unter Leitung von ChristofNiehrs in der Abteilung MolekulareEmbryologie des Deutschen Krebsfor-schungszentrums praktiziert. Die Eierstammen allerdings nicht vom Oster-hasen, sondern von Krallenfröschen.Bei diesen afrikanischen Fröschen na-mens Xenopus suchen die Entwick-lungsbiologen nach Genen, die die Ent-wicklung vom Ei über die Kaulquappebis zum erwachsenen Tier steuern. InsInteresse der Forscher ist jetzt einMechanismus gerückt, der das Kno-chenwachstum beeinflusst: Wenn manes schaffen würde, diesen gezielt zukontrollieren, könnte dies zu einemneuem Behandlungsansatz bei Osteo-porose führen, so die Idee der Entwick-lungsbiologen. Bei dieser Erkrankungnimmt die Knochendichte so stark ab,dass das Skelett porös und brüchigwird. Infolgedessen steigt das Risiko,einen Knochenbruch zu erleiden.Es erscheint vielleicht etwas abwegig,dass ein Frosch dazu dient, eine neueStrategie zur Behandlung der Osteopo-rose zu entwickeln. Hinter diesemAnsatz steht jedoch eine Reihe wert-voller Erkenntnisse, die in der Grund-

Entwicklungsbiologen des Deutschen Krebsfor-schungszentrums erforschen, wie aus einem Ei ein

ausgewachsenes Tier entsteht. Ergebnisse dieserUntersuchungen fließen jetzt in die Suche nach

neuen Wirkstoffen zur Behandlung von Knochen-erkrankungen wie Osteoporose.

Entwicklungsstadiendes afrikanischen Kral-lenfrosches Xenopus(rechts). Ist das ProteinDickkopf-1 in großerMenge aktiv, kann sicheine Kaulquappe mitzwei Köpfen entwick-eln (links). Diese Er-kenntnisse zur Schädel-entwicklung sollenhelfen, neue Strategienzur Behandlunug vonKnochenerkrankungenzu finden.

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lagenforschung gewonnen wurden. DieHauptrolle für das neue Konzept spieltdie Familie der Dickkopf-Gene, dieNiehrs und seine Mitarbeiter in be-fruchteten Froscheiern entdeckten. Derungewöhnliche Name stammt aus derBeobachtung, dass Tiere, die diese Erb-anlage in unnatürlich großer Mengeaktivieren, einen vergrößerten Kopfentwickeln. Die Dickkopf-Gene gehörenzur Gruppe der so genannten Kontroll-gene. Sie steuern das Zellwachstum undregulieren, zu welchen Zelltypen sichembryonale Zellen entwickeln. Sind die-se Gene fehlgesteuert, können Krebsund anderen Krankheiten entstehen.„Eine besondere Rolle spielt das speziel-le Protein Dickkopf-1, abgekürzt Dkk1“,erklärt Gary Davidson, ein Mitarbeitervon Niehrs. „Wir haben uns gefragt,welche Aufgaben Dkk1 hat und welcheProteine dabei beteiligt sind.“ Als„Hauptkomplize“ von Dkk1 identifizier-ten die Entwicklungsbiologen denRezeptor LRP 5, der unter anderem aufder Oberfläche Knochen aufbauenderZellen (Osteoblasten) vorkommt. DieForscher fanden heraus, dass die Bin-dung des Proteins Dkk1 an den RezeptorLRP 5 eine Kaskade von weiteren Genenaktiviert und dadurch die Knochenbil-dung hemmt. Aber nicht allein Dkk1beeinflusst den Knochenstoffwechsel,auch der Rezeptor LRP 5 spielt einewichtige Rolle. Zu dieser Erkenntnisführte die Tatsache, dass es Familiengibt, die eine etwa sechsmal höhereKnochendichte haben als der Durch-schnittsmensch. Bei diesen Personenkonnten amerikanische Humangeneti-ker aus New Haven eine Mutation imLRP 5-Gen nachweisen, die bewirkt,dass zuviel Knochenmaterial gebildetwird. Über den gegenteiligen Effektberichtete ein internationales Forscher-team 2001 in der Fachzeitschrift „Cell“.Sie fanden eine weitere Mutation beiLRP 5, die eine verminderte Knochenbil-

dung bewirkt, was schon bei Kindernzu Osteoporose führt. Das kommt zwarnur ganz selten vor, zeigt aber, dass LRP 5nicht nur beim Frosch den Knochenbausteuert, sondern auch beim Menscheneine entsprechende Funktion hat. DieseEigenschaft macht das Zusammenspielzwischen dem Dickkopf-Gen und LRP 5für die Osteoporose-Forschung interes-sant. Die Wissenschaftler suchen nachMöglichkeiten, das Knochenwachstumanzuregen oder den Knochenabbau zubremsen.„Wir versuchen jetzt eine Sub-stanz zu finden, die den Blockierer Dkk1blockiert. Das funktioniert wie in derMathematik, wo Minus mal Minusgleich Plus ergibt“, erläutert Davidsonden neuen Therapieansatz. Hierfürtestet die Firma ProSkelia in Paris der-zeitig Wirkstoffe, die das Andocken vonDkk1 an LRP 5 verhindern sollen.

Dickkopf-1 spielt auch eine Rolle beiMultiplem MyelomWie wichtig diese Erkenntnisse aus derEntwicklungsbiologie auch für dieKrebsforschung sind, zeigen neueUntersuchungen von John Shaughnes-sy und seinem Team vom Institut fürMyelom-Genetik der Universität inArkansas. Die amerikanischen Wissen-schaftler entdeckten, dass das ProteinDkk1 auch Auswirkungen auf das Mul-tiple Myelom hat. Bei dieser Krebser-krankung wuchern entartete Knochen-markszellen, die so genannten Mye-lomzellen, vor allem im Knochenmarkvon Wirbelsäule, Becken, Rippen undSchädel. Dort verursachen sie Löcher inden Knochen, durch die sie sich weiterausbreiten. Die Zerstörung des gesun-den Knochenmaterials führt zu starkenSchmerzen und oft auch zu Knochen-brüchen. Shaughnessy und Kollegenvermuten, dass Dkk1 beim MultiplenMyelom Verursacher dieser Knochen-schäden ist. Die Genetiker isolierten10 000 Gene aus Myelomzellen und

untersuchten ihre Aktivität bei 36Tumorpatienten mit gesunden Kno-chen und 137 Patienten, bei denenzusätzlich zu ihrer Tumorerkrankungbereits eine Zerstörung des Knochensstattgefunden hat. Das Team umShaughnessy identifizierte dabei vierGene, die bei den Krebspatienten mitKnochenschäden stärker aktiv und inviel zahlreicher vorlagen als bei denPatienten ohne Knochenbeschwerden.Zu ihrer Überraschung war eins der vierGene des bereits bekannten ProteinsDkk1. Auch im Blut der Patienten mitangegriffener Knochensubstanz konn-ten die Wissenschaftler aus den Verein-igten Staaten größere Mengen des Pro-teins nachweisen. Auch hier ist dieInteraktion zwischen Dkk1 und LRP 5von Bedeutung: Bei Patienten mit einergroßen Menge des Proteins Dkk1 warder Knochenaufbau stark gehemmt,während bei den Patienten mit gesun-den Knochen kein Dkk1 vorlag. Darüberhinaus verhindert künstlich hergestell-tes Dkk1-Protein in Laborexperimentendie Entstehung von funktionsfähigenOsteoblasten aus Vorläuferzellen.Shaughnessy nimmt an, dass von Mye-lomzellen produziertes Dkk1 die Osteo-blastenentwicklung stört und so denKnochenaufbau sabotiert. Dadurchwird das Gleichgewicht zwischen Kno-chenabbau und -aufbau verschoben,was zur Zerstörung der Knochensub-stanz führt. Mögliche Ansätze zur The-rapie des Myeloms sollen zum Beispielmit Antikörpern das Protein Dkk1unschädlich machen.„Die Grundlagenforschung zur Frosch-entwicklung hat uns geholfen, die Vor-gänge beim menschlichen Knochen-stoffwechsel ein Stückchen weit besserzu verstehen,“ schlussfolgert ChristofNiehrs, „doch bis zur wirklichenAnwendung bei Patienten ist es nochein weiter Weg.“

Friederike Fellenberg

Bei Osteoporose nimmtdie Knochendichte imVergleich zum gesunden Knochen (links) so starkab, dass der Knochen(rechts) porös und brüchigwird

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Gütesiegelfür Brustzentren

„Brustzentrum“ ist kein geschützter Begriff,jede Klinik kann sich damit schmücken.

Um Patientinnen den Weg zu einer gutenKlinik zu weisen, werden jetzt objektive

Qualitätskriterien entwickelt, nach denensich Kliniken als anerkannte Brustzentren

zertifizieren lassen können.

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Ob eine Frau mit Brustkrebs geheiltwerden kann oder zumindest viele Jah-re damit überlebt, hängt von der Früh-erkennung, den Eigenschaften desTumors und der Behandlungsqualitätab. Zwei Größen sind beeinflussbar,nämlich die rechtzeitige Entdeckungdes Krebses und eine optimale Behand-lung – am besten in einem ausgewiese-nen Zentrum. Entsprechende Vorgaben,wie ein solches Brustzentrum im Ideal-fall beschaffen sein sollte, haben euro-päische Brustkrebsspezialisten derEuropean Society of Mastology (EUSO-MA) entwickelt und im Jahre 2000 inden EUSOMA-Richtlinien publiziert.Daraufhin haben sich auch in Deutsch-land viele Kliniken einfach als Brust-zentren bezeichnet, ohne die hierfürerforderlichen Qualitätskriterien zuerfüllen. Die Realität ist vielmehr, dassDeutschland im europäischen Ver-gleich in der Früherkennung und derBehandlungsqualität mangelhaft ab-schneidet, was die schlechteren Über-lebensraten hierzulande zeigen.Um die Qualität der Brustkrebstherapiezu verbessern und dem Wildwuchs anselbst ernannten Brustzentren ent-gegenzuwirken, haben die Deutsche

Krebsgesellschaft (DKG) und die Deut-sche Gesellschaft für Senologie, also fürBrustheilkunde – die DGS – ein aufwän-diges Zertifizierungsverfahren für Kli-niken entwickelt, die den Titel „Zertifi-ziertes Brustzentrum“ als Aushänge-schild für einen hochwertigen Quali-tätsstandard führen wollen.Die Anwärter müssen einen umfassen-den Kriterienkatalog, die so genannten„Fachlichen Anforderungen für Brust-zentren“ (FAB) erfüllen, um das begehr-te Gütesiegel zu bekommen. Grundlagebilden die evidenzbasierten Behand-lungsleitlinien der deutschen Fach-gesellschaften unter Einbeziehung dereuropäischen Vorgaben. Ziel ist es,Patientinnen die Sicherheit zu geben,dass sie in einem zertifizierten Brust-zentrum die Diagnostik und Therapienach dem neuesten Stand des Wissensauf ihre individuelle Situation abge-stimmt erhalten.

Unabhängige Experten nehmenBrustzentren unter die LupeBewirbt sich eine Klinik für die Zertifi-zierung, muss sie zunächst in einerSelbstauskunft die erforderlichen Da-ten und Dokumente vorlegen. Wird siedann nach deren Überprüfung zumVerfahren zugelassen, testen eigensgeschulte unabhängige Experten dasZentrum vor Ort nach klinisch-wissen-schaftlichen Kriterien auf Herz undNieren. Zusätzlich prüfen TÜV oder eineandere Zertifizierungsstelle noch dasQualitätsmanagement nach vorgege-benen Normen (zum Beispiel ISO 9001).Fachleute begutachten etwa, ob eineregelmäßige Qualitätssicherung ge-währleistet ist, das heißt, ob Behand-lungsergebnisse wie unter anderem dieAnzahl der Krankheitsrückfälle, dieÜberlebenszeit der Patienten und derenLebensqualität dokumentiert und aus-gewertet werden. Unter diese fach-lichen Anforderungen fallen auch orga-nisatorische Abläufe, die auf die Le-bensqualität der Patientinnen großenEinfluss haben. Eines von mehrerenBeurteilungskriterien ist, ob einePatientin einen Termin in der Brust-sprechstunde, die auch Spezialsprech-stunden für erblichen Brustkrebsanbieten muss, innerhalb von zweiWochen bekommt. Die Wartezeit im

Grund zur Zuversicht:Nur Brustzentren, diekonkrete Behandlungs-kriterien erfüllen, dür-fen sich mit der Bezeich-nung „zertifiziert“schmücken. Damiterhalten Patientinneneine objektive Entschei-dungshilfe bei der Wahlder Klinik

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Brustzentrum sollte unter einer Stundeliegen und die endgültige Diagnoseinnerhalb von einer Woche vom Arztpersönlich im direkten Kontakt mitge-teilt werden.Unter den zahlreichen Anforderungenist besonders wichtig, ob die Patientindie Möglichkeit hat, sich von eineminterdisziplinären Behandlungsteamaus Gynäkologen, Operateuren, interni-stischen Krebsspezialisten (Onkolo-gen), Strahlenmedizinern und Patholo-gen beraten zu lassen. Gefordert wer-den mindestens einmal wöchentlichsolche Befundbesprechungen im Team.Wie wichtig die interdisziplinäre Zu-sammenarbeit für den Behandlungs-erfolg ist, zeigen die Ergebnisse ver-schiedener Studien. So wurde in einerUntersuchung aus dem Jahre 1998nachgewiesen, dass die Sterberate dererkrankten Frauen allein dadurch um18 Prozent gesenkt werden konnte.Weiter sehen die Zertifizierungsrichtli-nien vor, dass in dem Zentrum odereiner angeschlossenen dezentralen Ein-richtung pro Jahr zunächst mindestens100 Frauen mit der Erstdiagnose Brust-krebs operiert werden, nach drei Jahrensollten es 150 sein. Jeder Brustoperateur– ob Gynäkologe oder Chirurg – mussmindestens 50 Operationen im Jahrnachweisen können. Als Qualitätskrite-rium zählt auch der Anteil an brust-erhaltenden Operationen – das Mini-mum sind 50 Prozent. Nach einem Jahrsind 70 Prozent zu erfüllen.Die Radiologen des Zentrums solltenjährlich für mindestens 3000 Mammo-grafien Befunde erstellen, später sogar5000. Dabei sollte anfangs mindestensjede fünfte Aufnahme von einem weite-ren Experten beurteilt werden. Ziel ist es,alle Aufnahmen von zwei Radiologenbeurteilen zu lassen. Die Pathologen soll-ten jährlich anfangs 300 Proben vonBrustgewebe, später 500 beurteilen. DieTeilnahme des Zentrums an Studienwird ebenfalls als Beweis für Qualitätherangezogen. Mindestens 20 Prozentder Patientinnen sollten in Studien ein-bezogen werden. Mit einer psychosozia-len Betreuung durch Psychoonkologenund den Zugang zu Selbsthilfegruppensoll das Zentrum einem elementarenBedürfnis der Betroffenen und ihrer An-gehörigen ebenfalls Rechnung tragen.

Nach positiver Bewertung des umfas-senden Forderungskatalogs wird demZentrum das vorläufige Zertifikat„Brustzentrum mit Empfehlung derDeutschen Krebsgesellschaft und derDeutschen Gesellschaft für Senologie“erteilt. Die Qualität wird nach einemJahr erneut unter die Lupe genommenund nach drei Jahren erfolgt eine Re-Zertifizierung mit nochmaliger Über-prüfung aller Kriterien inklusive desQualitätsmanagements. Dann müssenalle maximalen Zielvorgaben erfülltsein. Inzwischen sind 16 Zentren in derBundesrepublik und eines in Österreichvon den Fachgesellschaften zertifiziertworden, darunter auch die Brustzen-tren an den Universitätskliniken Tübin-gen, Ulm, Freiburg, Heidelberg undMannheim.

Frauen sollen in Kliniken aktiv nachdem Brustzentrum-Zertifikat fragenIn diesem Jahr rechnet die DKG mit 80weiteren Verfahren. Bis jede Frau einzertifiziertes Zentrum in ihrer nahenUmgebung vorfindet, werden nachAngaben des Präsidenten der DGS, Pro-fessor Diethelm Wallwiener, dem Ärzt-lichen Direktor der Universitäts-Frau-enklinik Tübingen, noch zwei bis dreiJahre verstreichen. Um schon jetztsicher zu gehen, in einem geprüftenZentrum behandelt zu werden, ratendie Fachgesellschaften den Patientin-nen einfach direkt zu fragen, ob dasBrustzentrum das Gütesiegel der Deut-schen Krebsgesellschaft und der Deut-schen Gesellschaft für Senologie hat.Eine Liste der zertifizierten Zentren istauch auf den Internet-Seiten der DKG(www.krebsgesellschaft.de) und derDGS (www.senologie.org) zu finden,außerdem gibt es eine Checkliste fürPatientinnen mit Hinweisen, welcheKriterien ein qualitativ gutes Zentrumerfüllen muss. Die Zertifizierung ist bis-lang freiwillig. Lediglich in Nordrhein-Westfalen sind die Kliniken dazu ver-pflichtet. Der DGS-Präsident wünschtsich ein einheitliches Zertifizierungs-verfahren in Deutschland. Hier seiendie Politiker gefordert, so Wallwiener.Teilweise unterschiedlichen Vorgabenin den europäischen Empfehlungenund den deutschen Leitlinien habenunter anderem bei Patientinnen-Initia-

tiven Kritik ausgelöst. Strittig sind zumBeispiel die Unterschiede in der gefor-derten Mindestanzahl operativer Ein-griffe: 100 an deutschen Zentren ge-genüber 150 in den Europäischen Richt-linien, wobei hierzulande 150 Erstope-rationen anvisiert werden. Wichtigerals der Operateur sei aber das Team inder Brustkrebstherapie, sagt Wallwie-ner. Auf Kritik stößt auch, dass in dendeutschen Zertifizierungsrichtlinienvorerst nur 20 Prozent, nach einer Über-gangsphase die Hälfte der Brustkrebs-fälle in interdisziplinären Fallkonferen-zen beraten werden müssen. Ab-weichend davon sollen laut EUSOMA-Richtlinien alle Frauen einbezogen wer-den. Dies werde auch in deutschen Zen-tren angestrebt, bekräftigt Wallwiener.Die Zertifizierungsrichtlinien werdenstets überarbeitet und ergänzt; letztlichsollen die europäischen und deutschenVorgaben einander angeglichen wer-den.

Ingeborg Bördlein

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Ein Schlafmittel mit geringen Neben-wirkungen sollte es sein. Doch was eineBehandlung mit Contergan stattdessenanrichtete, wurde erst deutlich, als eszu spät war – betroffen waren Kindervon Frauen, die während der Schwan-gerschaft Contergan genommen hat-ten: „Allein in Deutschland sind etwa12 000 Kinder mit Missbildungen derArme und Beine zur Welt gekommen“,berichtet Professor Hartmut Gold-schmidt, Onkologe an der Medizini-schen Universitätsklinik und PoliklinikHeidelberg. Der Wirkstoff des Schlaf-mittels, Thalidomid, erhält 40 Jahrenach seiner Ächtung eine zweite Chan-ce. Denn in der verheerenden Wirkungder Substanz steckt auch neue Hoff-nung für Krebspatienten. Forscher umGoldschmidt fanden heraus, dass eineUrsache für die Missbildungen derGliedmaßen offenbar eine gestörteGefäßneubildung war. „Deshalb hatman angenommen, dass Thalidomiddie Bildung von neuen Blutgefäßenhemmt“, so Goldschmidt. Da die Gefäßein Tumoren meist besonders starkwachsen, war es ein logischer Schritt,Thalidomid als Krebsmittel zu testen.So wurde die Substanz vor sechs Jahrenzum ersten Mal bei Patienten mit Multi-plem Myelom geprüft. Diese Krebsart,bei der ein meist vom Knochenmarkausgehender Tumor die Bildung vonroten Blutkörperchen und Abwehrzel-len stört und zu Abwehrschwäche undBlutarmut führt, spricht besonders gutauf Thalidomid an. Ein Grund hierfürkönne sein, dass der Wirkstoff auch dasImmunsystem beeinflusst.Inzwischen werden immer mehr Men-schen mit Multiplem Myelom mit Tha-lidomid behandelt. Auch Goldschmidthat bei über 300 Patienten positiveErfahrungen mit dieser Therapie ge-macht. Durchschnittlich werde dasTumorwachstum 16 Monate lang un-terdrückt, so der Onkologe. Bei einemseiner Patienten habe Thalidomid denTumor jetzt schon seit vier Jahren inSchach gehalten.

Grundsätzlich gilt bei der Therapie: Jehöher die Dosis, desto besser die Wir-kung. Der Haken an der Sache: Thalido-mid hat Nebenwirkungen. So klagendie Patienten häufig über Gefühlsstö-rungen, Verstopfung und starke Müdig-keit. „Doch Thalidomid hat nicht mehrNebenwirkungen als andere Krebsme-dikamente“, meint Goldschmidt.Auf der Suche nach einem Mittel mitguter Wirkung, aber wenig Nebenwir-kungen nehmen die Forscher jetzt einemit Thalidomid verwandte Substanzunter die Lupe: Revimid soll bessergegen den Krebs wirken, aber nicht sostarke Nervenschäden auslösen. Ob dasso ist, soll eine Studie klären, an derauch die Universitätsklinik in Heidel-berg beteiligt ist. Zurzeit werden dieersten Patienten in die Studie aufge-nommen. Bis Thalidomid und Revimidzur Krebstherapie in Deutschland zuge-lassen werden, wird jedoch noch einigeZeit vergehen. Goldschmidt: „Für Thali-domid ist die Zulassung beantragt,beim Revimid wird dies wohl noch zweiJahre dauern.“

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VomSaulus

zumPaulus

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Sex in the (Univer-) City„Unter den Talaren, der Mief von Tau-send Jahren.“ Mit diesem Kampfruf der68er könnte man im übertragenen Sin-ne Siegfried Bärs neuestes Buch „DieZunft, das Wesen der Universität“ zu-sammenfassen. Nahezu jede Professo-ren- und Wissenschaftlergeneration, soBär alias Hubert Rehm, brachte ihre –kleinere oder größere – Universitätsre-form auf den Weg; aber keine vermoch-te am Kern der Universität etwas zuändern. Verantwortlich hierfür ist, soBär, der Charakter der Universität, dener anhand „der Geschichte des Profes-sorwerdens und des professoralen Lie-beslebens“ zu ergründen versucht.„DieZunft“ ist keine dröge Universitäts-geschichte, sondern eine romanhaftanmutende Beschreibung dieser Insti-tution und ihrer Protagonisten, fakten-reich und detailliert. Präzise skizziertder Autor den zum Verständnis nötigenhistorischen Kontext, und lässt in Origi-nalzitaten den Geist der jeweiligen Zeitlebendig werden. Die Kurzbiographienvon Peter Abälard, Ulrich Zäsi, JohannJakob Moser, Justus Liebig, Fritz Haberund Sigmund Rascher erzählt Bär ineiner herrlich direkten und lebhaftenSprache.Unnachahmlich ist Bärs pointierte Cha-rakterisierung erfolgreicher Professo-renkarrieren der frühen Neuzeit: „DieFamilie bildete die Tür zur Berufung,der Schwiegervater den Angelpunkt,während die Professorentochter dasSchlüsselloch besaß.“ Dass beim Einsatzdes Schlüssels Vorsicht angebracht war,erfuhr – schmerzhaft – der mittelalter-liche Philosoph Peter Abälard. Dieserhatte die Nichte des Kanonikers Fulbertverführt, was deren erboste Verwandt-schaft dazu veranlasste ihn zu kastrie-ren. Auch sonst war dem professoralenLiebesleben nichts fremd: Homoerotik,Sadomasochismus, Kindesunterschie-bung und … ganz normale Ehen.

Das Wesen der Universität aber bliebüber die Jahrhunderte unverändert.Rückblickend erscheinen die zyklischwiederkehrenden Reformversuche, obin der Verwaltung, bei den Finanzen, indem Berufungs- oder Zulassungsver-fahren, geradezu sisyphushaft. Bärzeigt auch auf, warum es ab 1890 zumAufstieg und ab 1930 zum Niedergangder deutschen Wissenschaft kam.Der Autor belässt es nicht beim Kritteln.Eine Liste „zünftiger Vorschläge“ run-det das Werk ab, Forderungen, die ihmzu Roger Bacons Zeiten schlecht bekom-men wären. Jener galt als eine Hoff-nung der in Selbstgefälligkeit erstarr-ten Universität, weil er die Einführungdes Experiments als Quelle der Erkennt-nis propagierte. Wegen „verdächtigerNeuigkeiten“ wurde er unter Arrestgestellt. Dieses Schicksal muss Bär nichtfürchten.

wid

„Die Zunft – das Wesen der Univer-sität, dargestellt an der Geschichtedes Professorwerdens und des pro-fessoralen Liebeslebens“ von Sieg-fried Bär, erschienen im Lj-VerlagHerfort & Sailer GbR, Freiburg,2003, 364 Seiten, Preis: 29,80 Euro.

Das Buch kann unter:www.laborjournal.deoder per Fax unter 0761 - 35738bestellt werden.

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Pilotprojekt PleuraAls Asbest im vergangenen Jahrhun-dert als Baustoff fast universell einge-setzt wurde, wusste man noch nichtviel über sein gesundheitsgefährden-des Potential. Heute steht fest, dassdurch Einatmen der feinen Fasern desMinerals gefährliche Krebserkrankun-gen wie zum Beispiel Tumoren desBrustfells (Pleura) entstehen können.Diese Pleuramesotheliome gehen vonder so genannten Deckzellschicht desBrustfells aus – einer einschichtigenoberflächlichen Epithelschicht. TrotzTherapiemaßnahmen wie chirurgi-scher Entfernung des Tumors, Chemo-oder Strahlentherapie, schreitet dieErkrankung rasch fort. Nur in seltenenFällen und in einem frühen Stadiumder Erkrankung ist eine Heilung mög-lich.Ein Problem in der strahlentherapeuti-schen Behandlung der Erkrankungstellt das um die Pleura liegende gesun-de Gewebe dar. Mit einer konventionel-len Strahlentherapie kann das Bestrah-lungsfeld nicht genau genug begrenztwerden. Folge: Nicht nur der Tumor,sondern auch das gesunde Gewebewird geschädigt. Eine effektive Be-strahlung zur Behandlung des Tumorsist so häufig nicht möglich. Dr. MarcW. Münter vom Deutschen Krebsfor-schungszentrum (DKFZ) konnte zusam-men mit Wissenschaftlern der Thorax-klinik Heidelberg und der UniversitätHeidelberg zeigte, dass auch kompli-ziert geformte Pleuramesotheliome mitder „Intensitätsmodulierten Radiothe-rapie“ (IMRT) behandelt werden kön-nen – bisher wurde das Verfahren vorallem zur Bestrahlung von Prostata-krebs oder rückenmarksnahen Tumo-ren eingesetzt. Bei der IMRT wird dasBestrahlungsfeld in viele kleine Teilbe-reiche zerlegt, die dann Punkt für Punktmit jeweils unterschiedlichen Inten-sitäten bestrahlt werden können. Dabei

berechnet das am DKFZ entwickelteComputerprogramm KonRad auf derBasis klinischer Daten des Patientenund der gewünschten Dosisverteilungdie Bestrahlungsfelder. Das Programmberücksichtigt auch Strahlendosen, diePatienten bei vorangegangenen Be-handlungen schon verabreicht wurden.Diese Art der Bestrahlungsplanungnennt man „inverse Strahlenplanung.“Eine Unter- oder Überdosierung desTumorgewebes wird so vermieden unddas umgebende Gewebe weitgehendgeschont.In einer Pilotstudie, die kürzlich in derFachzeitschrift „Strahlentherapie undOnkologie“ veröffentlicht wurde, be-handelten die Heidelberger Medizineracht Patienten mit fortgeschrittenenPleuramesotheliomen, die vorher er-folglos mit Operation und Chemothera-pie therapiert worden waren. Durch dieIMRT verbesserte sich die Prognose derPatienten. In nachfolgenden Studiensoll die Technik auch bei früherenErkrankungsstadien zum Einsatz kom-men.

Bei

Brustkorbquerschnitt mitPleuramesotheliom: Das Bild

zeigt eine Behandlungsplanungin der IMRT; die Farben entspre-

chen Bereichen, die unterschied-lich stark bestrahlt werden

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Viele Chemikalien, darunter auchSchadstoffe aus dem Tabakrauch, wer-den erst im menschlichen Körper ingefährliche Gifte umgewandelt. Verant-wortlich dafür sind bestimmte Enzymeder Cytochrom-P450 (CYP)-Familie.Die Cytochrome-P450 sind an Stoff-wechselprozessen beteiligt, über die –zum großen Teil in der Leber – körper-eigene Substanzen wie Hormone, aberauch Fremdstoffe wie Pharmaka, was-serlöslich gemacht und im Urin ausge-schieden werden. Oft hat diese bioche-mische Reaktion fatale Nebenwirkun-gen: So wandelt das Cytochrom-P4503A4 in der Lunge Substanzen aus demTabakrauch in Krebs erzeugende Stoff-wechselprodukte um.Vom Gen für CYP3A4 existieren in derBevölkerung mehrere Varianten, diemöglicherweise über die Menge oderdie Aktivität des von der Zelle produ-zierten Enzyms entscheiden. Dass einebestimmte Genvariante mit erhöhtemLungenkrebsrisiko in Zusammenhangsteht, entdeckten kürzlich Toxikologendes Deutschen Krebsforschungszen-trums. In einer von der DeutschenKrebshilfe geförderten Studie unter-

suchten sie gemeinsam mit Kollegenaus der Thoraxklinik Heidelberg an 800Lungenkrebspatienten und über 400Kontrollpersonen die Verteilung derCYP3A4-Genvarianten. Dabei fandensie, dass Raucher mit der VarianteCYP3A4*1B doppelt so häufig am be-sonders aggressiven kleinzelligen Lun-genkrebs erkrankten wie Träger ande-rer Varianten des Gens.Betrachtet man die Studienteilnehmergetrennt nach Geschlecht, ist das Risikofür Frauen höher als für Männer. Wer-den nur die starken Raucher (eineSchachtel täglich über mehr als 20 Jah-re) in die Berechnung eingeschlossen,so erhöht sich bei männlichen Trägernder Genvariante CYP3A4*1B das Risikoauf das Dreieinhalbfache, bei Frauengar auf das Achtfache.Empfiehlt sich also ein Gentest für Rau-cher? Nein, meinen die Wissenschaft-ler. Für die Träger der „harmlosen“ Vari-anten von CYP3A4 bringt er nur trügeri-sche Sicherheit. Denn das individuelleRisiko wird von einer Vielzahl von Fak-toren beeinflusst, von denen viele nochnicht bekannt sind.„Raucher gefährdensich mit ihrer Sucht in jedem Fall,“ so Dr.Angela Risch, Leiterin der Studie,„selbstwenn ihr Risiko für Lungenkrebs tat-sächlich gering ausfallen sollte, soriskieren sie doch unzählige andereschwere Gesundheitsschäden – vomAsthma über Herzinfarkt und Schlag-anfall bis zu Krebs in anderen Orga-nen.“

koh

RAUCHERINNEN gefährdet

Leben Raucherinnen gefährlicher? Bei bestimmten Genvarianten ist das

Lungenkrebsrisiko bei Frauen deutlichhöher als bei Männern

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Professor Wolfhard Semmler, Leiter derAbteilung Medizinische Physik in derRadiologie, und seine Mitarbeiter JanaSikora, Dr. Reiner Umathum und Dr.Michael Bock gehören zu den neunGewinnerteams des Innovationswett-bewerbs zur Förderung der Medizin-technik 2003 des Bundesministeriumsfür Bildung und Forschung. Die Wissen-schaftler entwickelten das Konzepteines neuen optischen Sensors, mitdem die Position eines Operations-instruments oder Führungsdrahtesunter Kontrolle eines Magnetresonanz-tomographen festgestellt werden kann.Ein solcher Sensor könnte dazu bei-tragen, dass Katheter-Untersuchungennicht mehr unter Röntgenbeobachtungdurchgeführt werden. Das Ministeriumstellt 170 000 Euro für die weitere Erfor-schung dieser Technologie zur Verfü-gung.Professor Henri-Jacques Delecluse hatEnde November die Leitung der Abtei-lung Pathologie infektionsbedingterTumoren übernommen. Im Mittel-punkt seiner Arbeit steht die Infek-tionsbiologie von Epstein-Barr-Viren(EBV). Delecluse will herausfinden, wel-che molekularen Prozesse bei der Entar-tung EBV-infizierter Zellen ablaufen.Dr. Markus Feuerer hat den Preis der Dr. Feldbausch-Stiftung in Höhe von2500 Euro erhalten. Die Kommission„Stiftungen und Preise“ der Medizini-schen Fakultät Heidelberg würdigtdamit die erstklassige Doktorarbeit zurRolle des Knochenmarks bei der Akti-vierung von Zellen des Immunsystems,die er in der Abteilung Zelluläre Immu-nologie durchgeführt hat.Dr. Clarissa Gerhäuser, Abteilung Toxi-kologie und Krebsrisikofaktoren, undihre Arbeitsgruppe Chemopräventionhaben zusammen mit Professor HansBecker, Universität des Saarlandes, undseinem Mitarbeiter Dr. Axel Alt den mit5000 Euro dotierten Phoenix-Pharma-zie-Wissenschaftspreis 2003 für dieUntersuchungen zur krebspräventivenWirkung von Xanthohumol, einemInhaltsstoff aus Hopfen, erhalten.

Professor Dietrich Keppler, Leiter derAbteilung Tumorbiochemie, wurde fürsein bisheriges Lebenswerk mit demLucie-Bolte-Preis 2003 der gleichnami-gen Stiftung ausgezeichnet. Der Preisist mit 10 000 Euro dotiert. Kepplerbeschäftigte sich mit grundlegendenMechanismen der Leberschädigung,der Pathogenese und Pathochemie vonLebererkrankungen. In den letzten Jah-ren klärte er grundlegende Transport-vorgänge der Leberzellen auf.Dr. Annette Bornhäuser hat den For-schungspreis „Rauchfrei leben“ in Höhevon 3000 Euro erhalten. Der ÄrztlicheArbeitskreis Rauchen und Gesundheite. V. würdigt damit die Mitarbeiterinder Stabsstelle Krebsprävention alsAutorin der „Handlungsempfehlungenfür eine wirksame Tabakkontrollpolitikin Deutschland“, einem Sonderbandder Roten Reihe.Zum 12. Mal zeichnete das DeutscheKrebsforschungszentrum im Rahmendes jährlichen GraduiertenforumsNachwuchsforscher aus dem eigenenHaus aus: Frank Aumann, PatriziaBastone, Elisabeth Bertl, Lars Humme-rich, Kerstin Knerr und Karsten Taubererhielten Reisestipendien in Höhe vonjeweils 500 Euro. Die Preise würdigendie herausragende Posterpräsentationwissenschaftlicher Arbeiten.Professor Otmar D. Wiestler hat dentranslationalen Teil des DeutschenKrebspreises erhalten. Erkrankt einPatient an einem Hirntumor, ist dieexakte Bestimmung der Tumorartlebenswichtig. Die Präzision der Dia-gnose hängt hauptsächlich von dergenauen Beurteilung des Tumorgewe-bes ab. Mit der Einrichtung des Hirn-tumor-Referenzzentrums in Bonn hatWiestler die Beurteilung der Gewebe-proben auf eine sichere Grundlagegestellt und die Qualität und Zuverläs-sigkeit der Diagnostik erhöht. Der Wis-senschaftler teilt sich die mit 7500 Eurodotierte Auszeichnung mit ProfessorJürgen Becker, Universität Würzburg.

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impressum

einblick ISSN 0933-128X

Ausgabe 1/2004

Das Magazin des Deutschen Krebsforschungszentrums

„einblick” erscheint drei- oder viermal pro Jahr

Herausgeber: Deutsches Krebsforschungszentrum

Heidelberg

Verantwortlich: Dr. Julia Rautenstrauch

Redaktion: Stabsabteilung für Presse-und Öffentlichkeits-

arbeit: Dagmar Anders, Jürgen Lösch

An dieser Ausgabe haben außerdem mitgearbeitet:Christian Beitel, Dr. Christina Berndt, Ingeborg Bördlein,

Dr. Friederike Fellenberg, Dr. Sibylle Kohlstädt,

Widmar König, Dr. Swanett Koops, Dr. Michael Lang,

Dr. Alexander Marmé, Dr. Michael von Wolff

Design: Angelika Kilian.ART www.Angelika.Kilian.com

Prepress: aktivcomm GmbH www.aktivcomm.de

Druck: ABT Print und Medien GmbH www.abt-medien.de

Nachdruck: Die Wiedergabe und der Nachdruck von

Artikeln aus „einblick” ist nur mit ausdrücklicher

Genehmigung der Redaktion möglich.

einblick kann vorerst kostenlos abonniert werden.

Redaktionsanschrift: Deutsches Krebsforschungszentrum

Stabsabteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg

Telefon: +49 (0) 6221-422854, Telefax: +49 (0) 6221-422968

E-Mail: [email protected]

www.dkfz.de/einblick

bildnachweisYan de Andres (S. 5–7, 20, 22, 23, 26–28, 31–32, 37), Deutsche

Krebshilfe (S. 5), Mauritius (S. 8, 10, U2), Johann Bernreiter /

[email protected] (U1, U2 S. 10, 14, U4), Jürgen Berger,

Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen

(S. 14), Abteilung Radiologie, DKFZ (S. 15), Paramount

Motion Pictures (S. 17–19), Dr. Karsten Geletneky (S. 24–25

rechts, links unten), Jan Cornelius (U2, S. 24–25 oben), Dr.

Ralf Bischof (U2, S. 26–28), Abteilung Molekulare Embryo-

logie, DKFZ (S. 29), Prof. Christian Kasperk (S. 29), Lj-Verlag

(S. 35), Dr. Marc Münter (S. 36).

Spendenkonto: Deutsche Bank Heidelberg

BLZ 672 700 03, Konto 01/57008

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beim telefonischen Krebsinformationsdienst (KID)

Telefon: 06221-410121, montags bis freitags von 8.00 bis

20.00 Uhr, oder per E-Mail unter:

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einblick 1/04 39

glosse

Am Boulevard

des Verpuffens

An dieser Stelle mal ein weinerliches Lamento in eigener Sache. Stets die Fackelseriöser Wissenschaftsberichterstattung hochzuhalten, lässt zuweilen auch dieRedaktion einblick ermattet ins Bürogestühl sinken. Neidvoll blicken wir dann aufdie Kollegen in den Boulevard-Medien, die in fetten Lettern grundlos euphorischüber die krassesten Wissenschaftsmirakel reportieren dürfen. Besonders das ver-winkelte Thema Krebs lädt nicht selten mäßig talentierte Journalistendarstellerdazu ein, jedes Elixier, das ein paar Hamsterzellen in einer Petrischale hingemeu-chelt hat, zum neuen Star am Medikamentenhimmel auszurufen. Der Wahrheits-gehalt mancher Meldung dümpelt im Homöopathischen, erlaubt ist, was gefällt.Wir hingegen, edel und gut, haben als Lohnknechte eines öffentlichen Forschungs-instituts unseren Eid auf den humanistischen Informations- und Bildungsauftragalles Öffentlich-Rechtlichen geleistet. Da dichtet man tagein, tagaus Sätze vollerAnmut, um Öffentlichkeit und Forschung, die sich oft in naturgegebener Verständ-nislosigkeit wie Mann und Frau gegenüberstehen, in ein Liebespaar zu verwan-deln. Hinterher bleibt die Romanze allerdings doch wieder im Blind-date-Stadiumhängen. Na ja, „Worte sind verwehende Illusionen am Boulevard des Verpuffens“,tröstet uns der Erkenntnistheoretiker Max Goldt.

Mann, was hatten wir nicht alles in den vergangenen Wochen: Antimaterie lässtGeschwüre zerbröseln, Pizza hilft gegen Krebs, Deo fördert Krebs, Hunde erschnüf-feln Tumoren, es nimmt kein Ende. Und wir? Krebsen (wuuhahaha, Späßlegemacht) wieder mal rum bei der Themensuche. Ach, was soll´s, unsereiner wirdschließlich dafür bezahlt, die frohe Forschungskunde nach draußen zu tragen.Regel Numero eins im Wissenschaftsjournalismus: Beginne nie einen Satz mitdem Wort „Desoxyribonukleinsäure“, alldieweil das den Leser von ungetrübterLeseekstase ausschließen könnte. Derowegen könnten wir es mal mit Effektha-scherei versuchen. Tiere, Sex und Verbrechen gehen immer gut, fristen in unseremThemenportfolio aber ein Mauerblümchendasein. Träumen dürfen wir aber schondavon, dass dereinst die Tagesschau mit „Wie heute die Zeitschrift einblick desDKFZ enthüllte...“ anmoderiert wird, was dann eine „Brennpunkt“-Sendung nachsich zieht, wegen der sich die nachfolgenden Sendungen um eine Viertelstundeverschieben.

Zwecks Steigerung der Öffentlichkeitswahrnehmung denken wir auch darübernach, uns fürderhin unter den Autorenpseudonymen DJane Cancer und Grandma-ster Onkogen zeitgenössisch aufzumotzen. Zuerst schicken wir den einblick aberin neuem Outfit in den Publizistik-Frühling. Zu diesen Zeilen darf getanzt werden.

Jürgen Lösch

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