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gesundes 17. JAHRGANG | NR. 2 | JULI 2015 MAGAZIN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION P.b.b. 03Z034913 M – Verlagspostamt 1020 österreich Praxis Transferprojekte für die Jugendhilfe und Lehrlinge Im Interview Heiner Keupp, Helmut Mödlhammer, Pamela Rendi-Wagner Thema Gesundheit in allen Politikfeldern IM GESPRÄCH Für eine gesundheits- förderliche Gesamtpolitik. NICOLINE TAMSMA, PRÄSIDENTIN VON EUROHEALTHNET

Magazin Gesundes Österreich Ausgabe 2/2015

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Diese Ausgabe unseres Magazins "Gesundes Österreich" ist dem Thema "Health in all Policies" - Gesundheit in allen Politikfeldern gewidmet - also der ressortübergreifendene Zusammenarbeit für eine gesundheitsförderliche Gestaltung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen.

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MAGAZIN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTIONP.

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PraxisTransferprojekte fürdie Jugendhilfe undLehrlinge

Im InterviewHeiner Keupp, Helmut Mödlhammer,Pamela Rendi-Wagner

ThemaGesundheit in allen Politikfeldern

IM GESPRÄCH

Für einegesundheits-förderlicheGesamtpolitik.

“NICOLINE TAMSMA,PRÄSIDENTIN VONEUROHEALTHNET

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IMPRESSUM

Offenlegung gemäß § 25 MedG

Medieninhaber: Gesundheit ÖsterreichGmbH (GÖG), Stubenring 6, 1010 Wien, FN 281909y, Handelsgericht Wien

Herausgeber:Mag. Georg Ziniel, MSc, Geschäftsführer GÖG,und Dr. Klaus Ropin, GeschäftsbereichsleiterFonds Gesundes Österreich, einGeschäftsbereich der GÖG

Redaktionsadresse und Abonnement-Verwaltung:Fonds Gesundes Österreich,Aspernbrückengasse 2, 1020 Wien, Tel. 01/895 04 00-0, [email protected]

Redaktionsbüro: Mag. Dietmar Schobel,Meidlinger Hauptstr. 3/5-7, 1120 Wien,www.teamword.at, [email protected], Tel. 01/909 33 46

Redaktion:Mag.Gudrun Braunegger-Kallinger,Dr. Rainer Christ,Ing. Petra Gajar,Mag. Rita Kichler,Anna Krappinger, MA,Dr. Gert Lang,Mag. Hermine Mandl,Mag. Markus Mikl,Gabriele Ordo,Mag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH,Mag. Dietmar Schobel (Leitung),Mag. Gabriele Vasak,Mag. Petra Winkler

Graphik: Mag. Gottfried Halmschlager

Fotos: DI Johannes Hloch, Klaus Ranger,Moritz Wustinger, Fotolia, privat

Foto Titelseite: Moritz Wustinger

Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H.Erscheinungsweise: 3 x jährlichVerlags- und Herstellungsort:WienVerlagspostamt: 1020 Wien

Blattlinie: Das Magazin „Gesundes Österreich" ist Österreichs Plattform zumThema Gesundheitsförderung. Es präsentiertMenschen und vermittelt Inhalte aus denHandlungsfeldern Politik, Wissenschaft undPraxis.

INHALT02/15

MENSCHEN & MEINUNGEN

Drei Porträts: Gernot Antes, Sabine Haas undHeiner Keupp4 Kurz & bündig 5-7

Pamela Rendi-Wagner imInterview über die Rah-men-Gesundheitsziele furÖsterreich bis 2032 undden aktuellen Stand vonderen Umsetzung8

COVERSTORY Nicoline Tamsma, die Prä-sidentin von EuroHealth-Net, über die Bedeutungder Strategie „Health inall Policies“ in Europa10

Was wäre, wenn die Wirtschaft insgesamt nach den Kriterien der Gesundheitsförderung gestaltet wird?, fragt Thomas Mattig in seinemGastbeitrag.14

WISSEN

Kurz & bündig 15-17

Thema:Gesundheit in allenPolitikfeldern18-36

Um die Gesundheit derBevölkerung nachhaltigzu verbessern, ist dieZusammenarbeit allerPolitikbereichenotwendig.18

Drei Expert/innen antwor-ten auf die Frage: WelcheBedeutung hat Gesundheitin Ihrem Arbeitsbereich?23

Ein Projekt soll dafürsorgen, dass in deraußerschulischen Jugend-arbeit noch gezielterGesundheitskompetenzvermittelt wird.26

Der SozialpsychologeHeiner Keupp überGesundheitsförderung in der Kinder- undJugendhilfe28

Durch neue Zugänge sollen sozial benach-teiligte Menschen bessererreicht werden.29

BILDUNG UND GESUNDHEITWeshalb der Bildungsgrad in Zusammenhang zur Gesundheit stehtund wie Schulen insgesamt gesünder gestaltet werden können

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Wie die Region Fürsten-feld noch lebenswerterwerden soll30

Helmut Mödlhammererklärt, weshalb dieGemeinden viel für dieGesundheit derBürger/innen leisten.31

Ein Verein setzt sich fürdas Überleben derDorfläden in Vorarlbergein – und damit fürsoziale Gesundheit.32

RessortübergreifendeNetzwerke in Potsdam33

Länger und gesünderarbeiten34

Der Experte und BuchautorAlfons Hollederer überGesundheitsförderung fürArbeitslose.36

SELBSTHILFE

Rudolf Forster im Interviewüber Bürger- undPatientenbeteiligung37

Die Adressen derSelbsthilfe-Dachverbände38

Selbsthilfe für alle,deren Leben durch dasTrinken eines anderenbeeinträchtigt wird39

Die Selbsthilfe-organisation NF Kinder40

PRAXIS

Kurz & bündig 41-43

Ein erfolgreiches Projektin der LehrlingsstiftungEggenburg wird aufacht vergleichbareInstitutionen transferiert.44

Vielfalt birgt vielpositives Potenzial.46

Ein Leben lang gut zu Fußin steirischen Gemeinden50

In der Kinder- undJugendhilfe sollen ver-mehrt Initiativen fürGesundheitsförderungdurchgeführt werden.52

n Österreich gibt es füralle Menschen Ge-sundheitsversorgung

auf hohem Niveau. Wirwissen, dass unsere Ge-sundheit jedoch nicht allein von der Qualität dermedizinischen Behand-lung abhängt. Sie steht vorallem in Zusammenhangdazu, dass unsere Lebens-und Arbeitsbedingungenmöglichst gesundheitsförderlich gestaltet werden.Das wurde auch als Ziel 1 der österreichischen Rahmen-Gesundheitsziele für die Entwicklung des Gesundheitssystems bis 2032 festgelegt. Diese Aufga-be kann jedoch nicht vom Gesundheitssektor alleingelöst werden, sondern macht ressortübergreifendeZusammenarbeit aller Politikfelder notwendig, so wiedas im Konzept „Health in all Policies“ (HiaP) be-schrieben wird.Wie HiaP in Österreich und international umgesetztwird, war zentraler Inhalt der 17. Gesundheitsförde-rungskonferenz des Fonds Gesundes Österreich(FGÖ) Ende Juni in Salzburg und ist auch Thema unseres aktuellen Magazins „Gesundes Österreich“.Im Interview auf den Seiten 8 und 9 erläutert PamelaRendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsminis-terium, den aktuellen Stand der Umsetzung der 2012beschlossenen zehn Rahmen-Gesundheitsziele. UndNicoline Tamsma, die Präsidentin der europäischenDachorganisation für Gesundheitsförderung Euro-HealthNet, erklärt in der Coverstory die Bedeutungdes Ansatzes Gesundheit in allen Politikfeldern aufeuropäischer Ebene.Die weiteren Artikel befassen sich unter anderem damit, was in der Praxis in den Bereichen Bildung,Umwelt, Infrastruktur, Familie und Arbeitsmarkt bereits für mehr Gesundheit für alle getan wird. Beisozial Benachteiligten ist der Bedarf am höchsten. Umdiese Menschen möglichst gut zu erreichen, unter-stützt der FGÖ deshalb unter anderem Pilot- undTransferprojekte in den Bereichen Jugendarbeit, Kinder- und Jugendhilfe sowie überbetriebliche Lehr-ausbildung. Nicht zuletzt ist die Ebene der Gemein-den gerade auch für die Umsetzung von „Health in all Policies“ zentral. Hier kann vieles direkt undbürgernahe verwirklicht werden, was auch Helmut Mödlhammer, der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes im Interview auf Seite 31 betont.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre mit vie-len Anregungen für mehr Gesundheit für Ihre Lebens-oder Arbeitsbereiche,

Klaus Ropin,Geschäftsbereichsleiter FGÖ

EDITORIALLiebe Leserin, lieber Leser!

20Gesundheitsfolgen

bewerten.Durch eine Gesundheitsfolgenabschätzung soll beurteilt werden, wie sich politische Maßnahmen auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken.

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„Für mich ist stets im Fokus meinerArbeit gestanden, wie jene sozialBenachteiligten erreicht und un-terstützt werden können, bei de-nen der Bedarf für gesundheits-förderliche Maßnahmen besondershoch ist“, sagt Sabine Haas (52)von der Gesundheit ÖsterreichGmbH (GÖG). Die Sozialwissen-schafterin ergänzt: „Frühe Hilfen,also Beratung und Unterstützungfür Schwangere und Eltern vonKleinkindern sind dafür das besteInstrument. Sie setzen bereichs-übergreifende Zusammenarbeitvoraus, zum Beispiel des Sozial-,Bildungs- und Gesundheitswesens,so wie das auch im Konzept ,Ge-sundheit in allen Politikfeldern’vorgesehen ist. Und sie tragen zumehr gesundheitlicher Chancen-

gerechtigkeit bei, da sie bevorzugtsozial benachteiligten Menschenzugute kommen sollen.“Sabine Haas ist das zweitältestevon vier Geschwistern und im In-dustrieort Hirtenberg in Nieder-österreich aufgewachsen. Ihr Vaterwar Fabriksarbeiter und die MutterBürokraft. Sie hat an der Univer-sität Wien Soziologie studiert undwar ab 1987 für das Ludwig Boltz-mann-Institut für Medizinsozio-logie und ab 1995 für das Öster-reichische Bundesinstitut für Ge-sundheitswesen tätig, heute einervon drei Geschäftsbereichen derGÖG. Seit Herbst 2013 ist sie dortstellvertretende Leiterin der Ab-teilung Gesundheit und Gesell-schaft und leitet seit Jänner 2015auch das neu eingerichtete

Nationale Zentrum Frühe Hilfen.Für gesundheitlichen Ausgleichsorgt Sabine Haas, indem sie mitdem Rad zur Arbeit fährt, Yogapraktiziert und auf gesunde Ernährung achtet. Sie lebt im zweiten Bezirk in Wien und istmit dem Lagerarbeiter MondayEfeisomon verheiratet. TochterAmara ist sieben Jahre alt.

„Übergewicht von Kindern hatvergleichsweise wenig mit demWissen um ihre Ernährung zutun und sehr viel damit, wound wie sie aufwachsen“, weißGernot Antes (46). Er hat fünfJahren als Betreuer in Diät-camps für Heranwachsendemitgearbeitet, und in diesenhätten die Kinder meist in we-nigen Wochen sehr viele Kilosabgenommen – und diese zu-rück zuhause meist ebensoschnell wieder zugelegt. DieseBeobachtung sei für ihn mitein Grund gewesen, sich in-

tensiver mit dem Zusammen-hang zwischen den Lebensbe-dingungen und der Gesundheitauseinanderzusetzen, der auchim Konzept „Health in all Po-licies“ beschrieben wird.Gernot Antes hat 1997 seinStudium der Ernährungswis-senschaften an der UniversitätWien abgeschlossen und dannzwischen 2004 und 2008 denLehrgang Public Health an derMedizinischen Universität Grazbesucht. Er hat unter anderemals Behindertenbetreuer gear-beitet und war ab 2001 Sach-bearbeiter in der Gesundheits-planung der Stadt Wien. Seit2010 ist er selbständig tätig,unter anderem als Prozessbe-

gleiter für kommunale Gesund-heitsförderungsprojekte, alsTrainer und Lektor und seit Juli2014 auch als Koordinator desNetzwerks Gesunde StädteÖsterreichs. Seine Hobbies sindSingen, bei Tanzveranstaltun-gen Musik aufzulegen, Volley-ball und Bergwandern. „Der-zeit plane ich eine Tour vonWien zum Bodensee, bei derich im Zelt übernachten will“,erzählt der Gesundheitsförde-rer. Antes ist mit der Gesund-heitsmanagerin AnnemarieOhnoutka verheiratet. Stief-sohn Dorian Ohnoutka ist 23Jahre alt.

„Frühe Hilfen setzen bereichsübergreifende

Zusammenarbeit voraus.“

MENSCHEN & MEINUNGEN

Gesundheitsförderung ist schon seit den 1980er-Jahren ein Thema für mich und zwar im Zusam-menhang zu meiner Arbeit für den deutschen Ver-

band für Gemeindepsychologie. Beide Ansätze gehen davonaus, dass vor allem die Lebens- und Arbeitsbedingungengroßen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefindenhaben“, betont der deutsche Sozialpsychologe HeinerKeupp (72). Er ist als eines von fünf Kindern eines protes-tantischen Dorfpfarrers in Thierstein, Oberfranken, aufge-wachsen, und hat in Frankfurt, Erlangen und MünchenPsychologie und Soziologie studiert. In der Mainmetropolegehörten die Sozialphilosophen Theodor W. Adorno undMax Horkheimer zu seinen Lehrern. In seiner Dissertationhat sich Keupp mit der Soziogenese psychischer Störungenbefasst. 1978 wurde er Professor für Sozial- und Gemein-depsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen. Keupp hat sich für die Psychiatriereform in Deutschlandengagiert und eines der zentralen Themen seiner For-schungsarbeit war, wie sich der gesellschaftliche Wandelauf das Individuum auswirkt. In diesem Zusammenhangist der von Keupp geprägte Begriff der „Patchwork-Identität“bekannt geworden. 2008 ist er emeritiert und war danachunter anderem auch Vorsitzender der Kommission für den13. Kinder- und Jugendbericht der Deutschen Bundesre-gierung, der 2010 in den Bundestag eingebracht wurde.Keupp ist seit 48 Jahren verheiratet und hat zwei Kinderund zwei Enkel. Für die eigene Gesundheit sorgt er unteranderem durch tägliches Üben auf dem Cross-Trainer, dener zuhause aufgestellt hat.

„Die Lebens- und Arbeitsbedingungen haben großen Einfluss auf das Wohlbefinden.“

HEINER KEUPP, SOZIALPSYCHOLOGE

GERNOT ANTES, PUBLIC HEALTH-EXPERTE

SABINE HAAS, GESUNDHEIT ÖSTERREICH GMBH

„Übergewicht von Kindern hat vergleichsweise wenig mit dem Wissen um ihreErnährung zu tun.“

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Page 5: Magazin Gesundes Österreich Ausgabe 2/2015

MENSCHEN & MEINUNGEN

TABAKPRÄVENTIONS-INITIATIVE

„Zehn Prozent der Österreiche-rinnen und Österreicher habenvor ihrem 15. Geburtstag mitdem regelmäßigen Rauchen be-gonnen. Ich habe es mir zumZiel gesetzt, das zu ändern“, be-tonte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser Ende Mai inWien bei der Präsentation derInitiative „YOLO! – You OnlyLive Once!“. Diese dient der Ta-bakprävention bei 10- bis 14-Jährigen und setzt darauf, denJugendlichen auf Augenhöhe zubegegnen, statt ihnen mit demerhobenen Zeigefinger zu dro-hen. Das drückt auch der Sloganaus, der das Gefühl der Jugend-lichen im Hier-und-Jetzt zu lebenzum Ausdruck bringt und eben-

so, dass man stets selbst ent-scheiden kann, ob man zur Zi-garette greift. „Niemand fängtso ohne weiteres zu rauchen an,denn es kostet viel Überwindungbis der erste Lungenzug ohnezu husten gelingt“, sagte derVorstandsvorsitzende der Öster-reichischen ARGE Suchtvorbeu-gung Christoph Lagemann beider Vorstellung von YOLO!.Die Präventionsinitiative wirdbis Dezember 2015 online auffacebook und www.yolo.atsowie in den österreichischenSchulen umgesetzt. Über dieWebsite können sich Schüler/in-nen mit ihren Lehrer/innen auchzu einem Klassenwettbewerbanmelden und 500 Euro für dieKlassenkassa gewinnen. DasSpektrum der weiteren Aktivi-täten reicht von einem spieleri-schen „WhatsApp“-Handy Tool

bis zu nachhaltiger Präventions-arbeit im Klassenzimmer durchein qualitätsgesichertes Pro-gramm für Lebenskompetenzen.Über den Sommer läuft ein Pixelcontest, bei dem unter an-derem ein ipadAir2 zu gewinnenist. Im Herbst finden Bundes-länderevents statt. Begleitendgibt es für die teilnehmendenKids zahlreiche Give-aways wie

Free Cards, Bleistifte, T-Shirtsund Sonnenbrillen im Comic-Stil. Testimonials sind unter anderem die jungen Rock-musiker von „The Makemakes“,die Österreich beim Eurovisi-ons-Songcontest vertreten ha-ben. „Wir rauchen nicht. ZeroPoints für den blauen Qualm“,scherzten sie bei der Pressekon-ferenz zur Initiative.

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Gesundheitsministerin SabineOberhauser und Klaus Ropin, der Leiter des Fonds Gesundes Österreich bei der Präsentation der Initiative “YOLO!” zur Tabak-prävention bei 10- bis 14-Jährigenmit den jungen Rockmusikern vonThe Makemakes: Sänger und Gitarrist Dominic Muhrer, BassistMarkus Christ und Drummer FlorianMeindl (von links)

Leb’ Dein Leben. Ohne Rauch.YOLO!

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BGF-NETZWERK

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF)bedeutet, Betriebe und deren Strukturenund Prozesse insgesamt gesünder zu gestalten. Unternehmen, die das ver-wirklichen, können für jeweils drei Jahremit dem BGF-Gütesiegel des Österrei-chischen Netzwerkes für Betriebliche Ge-sundheitsförderung (ÖNBGF) ausge-zeichnet werden. Diese Qualitätsaus-zeichnung wird vom Fonds GesundesÖsterreich gefördert und wurde für denZeitraum 2015 bis 2017 an insgesamt 226Betriebe vergeben. Die Verleihungen er-folgten im ersten und zweiten Quartal2015 in feierlichem Rahmen in den Räu-men der Gebietskrankenkassen sowieder Versicherungsanstalt öffentlich Be-diensteter (BVA) und der Versicherungs-anstalt für Eisenbahnen und Bergbau(VAEB). „Umfassende Betriebliche Ge-sundheitsförderung hat in Österreich inden vergangenen Jahren zunehmendmehr Bedeutung bekommen“, sagt GertLang, Referent für Betriebliche Gesund-heitsförderung beim Fonds GesundesÖsterreich und ergänzt: „Diese Entwick-

lung soll nun in allen Bundesländernfortgesetzt und noch verstärkt werden,wobei gleichzeitig weiterhin auf hohemNiveau die Qualität gesichert werdensoll.“ Auf www.netzwerk-bgf.at sindweitere Informationen nachzulesen. Die

Website enthält auch die Adressen derRegional- und Servicestellen der Sozi-alversicherungen, die Unternehmen da-bei beraten und unterstützen, umfassen-de Betriebliche Gesundheitsförderungdurchzuführen.

MENSCHEN & MEINUNGEN

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GESUNDHEITSLAND KÄRNTEN

Je früher mit gesundheitsförderli-chen Maßnahmen begonnenwird, desto besser. In Kärntenwerden deshalb nun vom LandKärnten in Kooperation mit demVerein Gesundheitsland Kärntenund der Kärntner Gebietskran-kenkasse „Baby-Kleinkindtreffs“in verschiedenen Gemeinden or-ganisiert. Der Schwerpunkt liegtdabei vor allem auf ländlichenRegionen abseits der Ballungs-

zentren und speziell auf Ortschaf-ten, die dem GesundheitslandKärnten-Netzwerk für „GesundeGemeinden“ angehören. Wäh-rend eineinhalb Stunden werdenEltern von Babies und Kleinkin-dern bis zu drei Jahren in lokalenVeranstaltungsräumen zu allenGesundheitsfragen kostenlos in-formiert und beraten. Dafür ste-hen Expert/innen zur Verfügung,wie etwa Ärzt/innen, Stillberate-rinnen und Hebammen. Das Themenspektrum reicht von ge-sunder, ausgewogener Ernährungüber Kindererziehung und

Kinderkrankheiten bis zu Schlafenoder Sauber Werden. Die „Baby-Kleinkindtreffs“ sind ein Angebotim Rahmen des Projektes „Rich-tig essen von Anfang an“. Siewerden aus dem Kärntner Ge-sundheitsförderungsfonds finan-ziert und wurden im Bezirk Wolfs-berg gestartet. „Ab Herbst wirddiese Initiative auch auf den Be-zirk Völkermarkt ausgeweitet“,sagt der Gesundheitsland Kärn-ten-Geschäftsführer Franz Wutte.Weitere Einzelheiten sind unterwww.gesundheitsland.atnachzulesen.

Von Anfang an gesund bleibenFoto: G

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Kärnten

Die Zahl der gesunden Betriebe wächst

Vertreter/innen von Wiener Unternehmen, die mit dem BGF-Gütesiegel für 2015 bis 2017 ausgezeichnet wurden mitGesundheitsministerin Sabine Oberhauser (4. von links) und Ingrid Reischl (5. von links), der Obfrau der WienerGebietskrankenkasse.

Franz Wutte: „Die Initiative soll möglichstviele Eltern über Gesundheitsförderung fürBabies und Kleinkinder informieren.“

Foto: W

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MENSCHEN & MEINUNGEN

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Foto: PGA

Drei Länder, ein Gedanke

Der Kneipp-Verein Unna e.V. in Deutschland,die Reha- und Gesundheitsklinik Hveragerdi inIsland und der PGA – Verein für prophylaktischeGesundheitsarbeit aus Linz haben im Rahmendes EU Programmes „Lebenslanges Lernen“zwei Jahre lang zusammengearbeitet und Erfahrungen ausgetauscht, speziell auch solchezum Thema Gesundheitsförderung für sozialbenachteiligte Menschen. Jeder der drei Partnerorganisierte ein Treffen in seiner Einrichtung,bei dem deren Konzepte und Leistungen vor-gestellt wurden. So kooperiert etwa der Kneipp-Verein in Unna im östlichen Ruhrgebiet in Nord-rhein-Westfalen mit den „Quartiersmanagern“.Diese sind in der Kreisstadt mit rund 60.000Einwohner/innen für die Anliegen der Bewoh-nerinnen und Bewohner bestimmter Viertel zuständig, speziell solcher, in denen der Anteilsozial benachteiligter Menschen hoch ist. In Island ist für Kinder, ältere Menschen und Arbeitslose der Besuch von Schwimmbädernkostenlos. „Der PGA will unter anderem durch

die PGA Akademie, in der jährlich über 1.000Multiplikator/innen für den Gesundheitsbereichausgebildet werden, zu mehr Gesundheitskom-petenz für alle Menschen beitragen“, berichtetSonja Zauner, die stellvertretende Geschäfts-führerin des PGA. Im Mai fand in Linz die Abschlusskonferenz des Projektes statt, bei demauch ein Leitfaden erarbeitet wurde. Dieser wirdauf www.pga.at zur Verfügung gestellt werden.

DEUTSCHLAND, ISLAND, ÖSTERREICH

Vertreter/innen der Gesundheitseinrichtungen aus drei Län-dern mit Albert Maringer (links im Bild), dem Obmann derOberösterreichischen Gebietskrankenkasse und des PGA, bei der Abschlusskonferenz der Initiative im Mai in Linz.

Von links: Edmund Binder, Bürgermeister von Maria Laach,Petra Braun, Leiterin der Initiative „Tut gut!“, Sabine Dorner, Vizebürgermeisterin von Winklarn, der niederösterreichische Landeshauptmann-StellvertreterWolfgang Sobotka, Walburga Steiner von der Initiative„Tut gut!“, Andrea Eichinger, Vizebürgermeisterin vonKrummnußbaum, Maria Gruber, Vizebürgermeisterin von St. Leonhard am Forst und Bürgermeister Johannes Heurasaus St.Peter an der Au beim Vernetzungstreffen für die RegionMostviertel im Mai.

1995 wurde mit dem Programm „GesundeGemeinde“ in Niederösterreich begonnenund mittlerweile beteiligen sich 364 der insgesamt 573 Gemeinden in Österreichsgrößtem Bundesland daran. Engagierte Bürgerinnen und Bürger gründen offene Arbeitskreise und werden dabei durch dieInitiative „Tut gut!“ organisatorisch und finanziell unterstützt sowie von deren Regionalberater/innen begleitet. Gemeinsamwerden lokale Gesundheitskonzepte zu denSchwerpunkten Ernährung, Bewegung, mentale Gesundheit, Vorsorge und Medizinsowie Umwelt und Natur erarbeitet. EinzelneMaßnahmen im Rahmen des Programmssind etwa Gesundheitstage mit Checks fürdie Bürgerinnen und Bürger, die über 100„Tut gut!“-Schrittewege und 45 „Tut gut!“-

Wanderwege, die in ganz Niederösterreichzu gesunder Bewegung einladen sowie dasProjekt „Vitalküche – Gemeinschaftsverpfle-gung in Niederösterreich“. Das 20-Jahre-Jubiläum des Programms „Gesunde Gemein-de“ wurde im Mai mit Vernetzungstreffenin allen fünf Hauptregionen Niederösterreichsgefeiert, also im Waldviertel, Weinviertel, Industrieviertel und Mostviertel sowie in Niederösterreich Mitte. Insgesamt nahmen500 Personen teil.

NIEDERÖSTERREICH

20 Jahre „Gesunde Gemeinde“

Foto: NLK Johann Pfeiffer

Gudrun Braunegger-Kallinger: „Wirwollen ein Forumfür alle schaffen, die zu mehr Gesundheitskompe-tenz der Bevölkerungbeitragen können.“

FONDS GESUNDES ÖSTERREICH

Plattform für mehrGesundheitskompetenz

„Über Gesundheitskompetenz zu verfügen bedeu-tet, im Alltag jene Entscheidungen treffen zu kön-nen, die für das eigene gesundheitliche Wohl ambesten sind“, erklärt Gudrun Braunegger-Kallinger,Gesundheitsreferentin beim Fonds Gesundes Öster-reich. Das setzt Kenntnisse über das Gesundheits-system sowie über Gesundheitsförderung und Prävention voraus – und Möglichkeiten, um dieseanzuwenden. Das Konzept von Gesundheitskompe-tenz umfasst deshalb nicht nur die Fähigkeiten unddas Wissen des einzelnen Menschen. Es beziehtsich vor allem auch darauf, das Gesundheitssystemsowie Informationen zu Gesundheitsthemen für alle leicht nutzbar und verständlich zu gestalten.Vor Kurzem wurde nun dafür die ÖsterreichischePlattform Gesundheitskompetenz eingerichtet, dievom Bundesministerium für Gesundheit geleitetund vom Fonds Gesundes Österreich koordiniertwird. Mit an Bord sind bereits die Sozialversiche-rung, die Bundesministerien für Soziales und Bil-dung und die Länder. Weitere Bundesministerienund Nicht-Regierungsorganisationen werden nochzur Mitwirkung eingeladen. „Dieses Thema betrifftviele politische Sektoren, und wir wollen ein Forumfür alle schaffen, die etwas dazu beitragen können,die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zustärken“, sagt Gudrun Braunegger-Kallinger. Eineerste Tagung für Expert/innen und Entscheidungs-träger/innen wird am 23. September in Wien statt-finden. Infos dazu unter [email protected]

Foto: Klaus Pichler

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INTERVIEW

GESUNDES ÖSTERREICH Frau Sektionsleiterin Rendi-Wagner,Sie sind im Gesundheitsministeriumfür die zehn „Rahmen-Gesundheits-ziele“ für Österreich bis 2032 zustän-dig. Was soll durch diese Ziele er-reicht werden?Pamela Rendi-Wagner: Die zehn Zielewurden 2012 veröffentlicht und geben dengemeinsamen Handlungsrahmen für alle re-levanten Stakeholder in- und außerhalb desGesundheitssystems für die nächsten 20Jahre vor. Österreich hat ein sehr leistungs-fähiges Gesundheitssystem und unsere ab-solute Lebenserwartung liegt über demDurchschnitt der OECD-Staaten. Die Zahlder bei guter Gesundheit erlebten Jahre istmit knapp unter 60 jedoch unterdurchschnitt-lich. Die Rahmen-Gesundheitsziele sollendeshalb konkret dazu beitragen, dass dieÖsterreicherinnen und Österreicher bis 2032im Durchschnitt um zwei Jahre mehr beiguter Gesundheit verbringen.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie sind die zehn Rahmen-Gesund-heitsziele entstanden?Uns war besonders wichtig, diesen Prozesssehr breit, interdisziplinär und transparentanzulegen, mit vielen Möglichkeiten sich zubeteiligen. Begonnen wurde bei der Bun-desgesundheitskonferenz im Mai 2011, wobei politischen Entscheidungsträger/innenund Stakeholdern aus dem Gesundheitsbe-reich bereits erste Ideen gesammelt wurden.Dann waren die Bürgerinnen und Bürger

eingeladen, sich auf der Online-Plattformwww.gesundheitsziele-oesterreich.atmit der Frage zu beschäftigen: „Was ist Ihrpersönlich wichtigstes Gesundheitsziel? Undwas braucht man auf dem Weg dorthin?“.Rund 4.200 Menschen haben ihre Meinun-gen, Ideen und Vorschläge auf der Websiteeingetragen. Bis zum Frühjahr 2012 wurdendiese von einem Plenum von Fachleuten aus40 verschiedenen Bereichen in insgesamtfünf Workshops sortiert, diskutiert und er-gänzt. Ende Juni 2012 haben die Bundesge-sundheitskommission und anschließend auchder Ministerrat die zehn Rahmen-Gesund-heitsziele für Österreich beschlossen. Diesesind auch im Regierungsprogramm für dieJahre 2013 bis 2018 verankert.

GESUNDES ÖSTERREICH Woran orientieren sich die Rahmen-Gesundheitsziele grundsätzlich?Neun befassen sich mit Themen der Gesund-heitsförderung und nur eines ist der Kran-kenversorgung gewidmet. Außerdem gibt esvon den Partnern festgelegte Prinzipien,denen die Rahmen-Gesundheitsziele folgen.Dazu gehört vor allem auch, dass sie dazubeitragen sollen, bestehende gesundheitlicheund soziale Ungleichheit zu verringern. Wei-ters gehen die Ziele davon aus, dass unsereGesundheit sehr vielfältig beeinflusst wird –gemäß den Worten der Weltgesundheitsor-ganisation WHO überall dort, wo wir im Alltagleben, spielen, lernen, arbeiten und unsereFreizeit verbringen. Um die Bedingungen und Fo

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Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium, im Interview über die Rahmen-Gesundheitsziele für Österreich bis 2032 und den

aktuellen Stand von deren Umsetzung. Text: Dietmar Schobel

Mehr gesunde Lebensjahre füralle Menschen in Österreich

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Chancen für Gesundheit zu verbessern unddamit letztlich mehr Gesundheit zu ermögli-chen, ist die ressortübergreifende Zusam-menarbeit aller Politikbereiche gefragt. Sowie das auch im Konzept Health in all Policiesoder „Gesundheit in allen Politikfeldern“ be-schrieben wird.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie wurden die zehn Rahmen-Ge-sundheitsziele seit 2012 umgesetzt?Im Plenum des Rahmen-Gesundheitsziele-Prozesses wurde von Beteiligten verschiede-ner Politikfelder gemeinsam beschlossen, vierZielen zunächst Priorität zu geben, und alleProgramme mit bereits bestehenden Initia-tiven abzustimmen. Die priorisierten Zielesind 1: gesundheitsförderliche Lebens- undArbeitsbedingungen zu schaffen, 2: für ge-sundheitliche Chancengerechtigkeit zu sor-gen, 3: die Gesundheitskompetenz der Be-völkerung zu stärken und 4: gesundes Auf-wachsen zu unterstützen. Dem Plenum ge-hören Vertreter/innen von etwa 40 Institu-tionen aus unterschiedlichen Bereichen vonGesellschaft, Wirtschaft und Politik an. DasSpektrum reicht von acht Bundesministerienüber verschiedene Interessenvertretungenund den aks austria, das Forum österrei-chischer Gesundheitsarbeitskreise, bis zurARGE Selbsthilfe Österreich und sozialen Or-ganisationen, wie der Armutskonferenz.

GESUNDES ÖSTERREICH Was waren die nächsten Arbeits-schritte?Für die vier priorisierten Ziele sowie für dasjüngst in Umsetzung gegangene Gesund-heitsziel 8, gesunde und sichere Bewegungim Alltag zu fördern, wurden bereichsüber-greifende Arbeitsgruppen eingerichtet. Zudiesen waren jene Institutionen eingeladen,die bereit sind Maßnahmen zu setzen, umdas jeweilige Rahmen-Gesundheitsziel zu er-reichen. In den Arbeitsgruppen wurden alsOrientierung jeweils zwei bis drei Wirkungs-ziele festgelegt, um die Rahmen-Gesund-heitsziele zu konkretisieren. Außerdem wur-den Mess-Indikatoren erarbeitet, anhand de-rer festgestellt werden kann, ob diese Wir-kungsziele tatsächlich erreicht werden. DieArbeitsgruppen zu den priorisierten Zielenhaben auch bereits Berichte vorgelegt, in de-nen alle bestehenden und geplanten Pro-gramme und Maßnahmen gesammelt sind.

Im Bereich des Gesundheitsziels zur Verbes-serung der Gesundheitskompetenz wurdezum Beispiel heuer eine bundesweite Platt-form zu diesem Thema eingerichtet, die vomGesundheitsministerium geleitet und vomFonds Gesundes Österreich koordiniert wird.Diese soll bereits vorhandene Angebote ver-netzen und weiterentwickeln. Als weitereMaßnahme wird TEWEB, das Telefon- undwebbasierte Erstkontakt- und Beratungsser-vice, künftig eine bessere Orientierung imGesundheitswesen ermöglichen und bei-spielsweise die Bevölkerung über Behand-lungsangebote gezielt informieren.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie gut funktioniert die bereichs-übergreifende Zusammenarbeit beimGesundheitsziele-Prozess?Das Thema Gesundheit so umfassend zu ver-stehen, ressortübergreifend zu bearbeiten

und konkrete Maßnahmen zu beschließen,war neu in Österreich. Rückblickend hat dieseKooperation von Anfang an sehr gut funk-tioniert und international Beachtung gefun-den, speziell auch durch das europäischeRegionalbüro der Weltgesundheitsorganisa-tion WHO. Dessen Strategie „Gesundheit2020“ geht ebenfalls von einem Health inall Policies-Ansatz aus. Fünf Rahmen-Ge-sundheitsziele wurden oder werden bereitsbearbeitet. Vier weitere sind noch zu bear-beiten. Aus fachlicher Sicht wäre es wün-schenswert, wenn auf lange Sicht eine über-geordnete politische Ebene die strategischeLeitung übernimmt, um politisches Commit-ment auf höchster Ebene zu erzielen. Nichtzuletzt ist darauf hinzuweisen, dass vom Ge-samtziel besserer Gesundheit der Bevölkerungletztlich auch alle Gesellschaftsbereiche pro-fitieren: vom Bildungssektor bis zur Wirt-schaft.

Ziel 1 – Gesundheitsförderliche Lebens- und Arbeitsbedingungen für alleBevölkerungsgruppen durch Kooperationaller Politik- und Gesellschaftsbereicheschaffen.

Ziel 2 – Für gesundheitliche Chancenge-rechtigkeit zwischen den Geschlechternund sozioökonomischen Gruppen, unab-hängig von Herkunft und Alter sorgen.

Ziel 3 – Gesundheitskompetenz der Be-völkerung stärken.

Ziel 4 – Natürliche Lebensgrundlagen wieLuft, Wasser und Boden sowie alle unsereLebensräume auch für künftige Generatio-nen nachhaltig gestalten und sichern.

Ziel 5 – Durch sozialen Zusammenhalt dieGesundheit stärken.

Ziel 6 – Gesundes Aufwachsen für Kinderund Jugendliche bestmöglich gestaltenund unterstützen.

Ziel 7 – Gesunde Ernährung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln für alle zugänglich machen.

Ziel 8 – Gesunde und sichere Bewegung im Alltag durch entsprechende Gestaltungder Lebenswelten fördern.

Ziel 9 – Psychosoziale Gesundheit in allen Bevölkerungsgruppen fördern.

Ziel 10 – Qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung für allenachhaltig sicherstellen.

Nähere Erklärungen zu den zehn Rahmen-Gesundheitszielen sind in einer Kurz- sowie einer Langfassung über die Website www.gesundheitsziele-oesterreich.atabrufbar.

Die zehn Rahmen-Gesundheitsziele für Österreich wurden Ende Juni 2012 von derBundesgesundheitskommission beschlossen. Sie sind im Regierungsprogramm für die Jahre

2013 bis 2018 verankert. Für die Ziele 1, 2, 3, 6 und 8 haben sektionsübergreifende Arbeitsgruppen bereits Wirkungsziele beschrieben und konkrete Maßnahmen gesammelt

und entwickelt. Und so lauten die Ziele im Einzelnen:

DIE ZEHN RAHMEN-GESUNDHEITSZIELE

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10 gesundesösterreich

IM GESPRÄCH

GESUNDES ÖSTERREICH Frau Präsidentin Tamsma, worauf beruht die Strategie „Gesundheit inallen Politikfeldern“?Nicoline Tamsma: Unsere Gesundheit stehtnicht nur in Zusammenhang zur Qualität desGesundheitssystems. Sie wird vor allem auchdurch Faktoren aus anderen Bereichen be-stimmt, speziell durch soziale und ökonomi-sche Einflüsse sowie durch die Umweltbe-dingungen. Gesundheit ist somit als „Quer-schnittsmaterie“ zu betrachten, mit der sichalle Politikfelder befassen sollten. Schon inder „Ottawa Charta“, dem 1986 verabschie-deten grundlegenden Dokument zur Gesund-heitsförderung der Weltgesundheitsorgani-sation WHO, wird deshalb eine „gesund-heitsfördernde Gesamtpolitik“ gefordert. Die-ser Ansatz hat nach wie vor zentrale Bedeu-

tung, wenn wir es mit dem Ziel „Gesundheitfür alle“ ernst meinen. Damit tatsächlich allein der Bevölkerung bestmögliche Chancenhaben, ihre gesundheitlichen Potenziale auchzu verwirklichen, müssen wir Allianzen mitPartnern in allen gesellschaftlichen Bereichenschmieden und dabei systematisch vorgehen.

GESUNDES ÖSTERREICH Was bedeutet das für diejenigen, die sich in der Praxis für Gesund-heitsförderung oder Public Health engagieren?Eine wichtige Voraussetzung ist, dass wir Entscheidungsträger/innen in anderen Politik-feldern bewusst machen, welche gesundheit-lichen Auswirkungen ihre Vorhaben und Maß-nahmen haben. Mit dem Health Impact Assessment (HIA), der Gesundheitsfolgen-

abschätzung, gibt es dafür ein bewährtes wissenschaftliches Instrument, dessen An-wendung seit Jahren erprobt ist.

GESUNDES ÖSTERREICH Wie können diejenigen, die in ande-ren politischen Feldern tätig sind, ambesten für eine Zusammenarbeit mitdem Gesundheitsbereich gewonnenwerden?Wir müssen jedenfalls vermeiden, dass derEindruck entsteht, durch das Konzept „Healthin all Policies“ wolle der Gesundheitssektorandere Bereiche bevormunden. Stattdessenmüssen wir uns als Anwältinnen und Anwältefür bessere Gesundheitschancen für alle Men-schen in der Gesellschaft verstehen, und spe-ziell für diejenigen, die sozial benachteiligtsind. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist,

Fotos: Moritz W

ustin

ger

Nicoline Tamsma, die Präsidentin von EuroHealthNet, über die Bedeutung der Strategie „Health in all Policies“ in Europa, und weshalb für bessere Gesundheit der

Bevölkerung Kooperation aller Politikfelder notwendig ist. Text: Dietmar Schobel

1 + 1 = 3

Geboren: 1960 in Utrecht in den NiederlandenMein Zuhause liegt in der Nähe von Utrecht,und ich lebe allein. Ich habe einen Sohn, dernächstes Jahr sein Studium der internationalenKommunikation und Medienwissenschaft ab-schließen wird.Meine Hobbys sind Zeit mit Freunden zu verbringen, Rad fahren, wandern, Musik hörenund lesen.Ich reise leidenschaftlich gerne, zuletzt zumBeispiel nach Patagonien, in die Wüste Namib

und auf die Südinsel Neuseelands. In denNiederlanden tanke ich auf der Wattinsel Terschelling frische Energie.Ich esse gerne geräucherten Lachs oderauch ein gutes Curry.Meine Musik kommt von Sting, Seal, AnnieLennox und Coldplay und aktuell auch vonden Songwritern Benjamin Clementine undDotan. Auf meinem Nachtkästchen liegt„The last train to Zona Verde“, ein Bericht

des Reiseschriftstellers Paul Theroux aus denUSA über seine Fahrt von Kapstadt nach Angola. Außerdem lese ich gerade ein Buchüber holländische Zeitgeschichte.Was mich gesund erhält, sind mein Sinnfür Humor, genügend Bewegung und ausge-wogene Ernährung.Diese drei Eigenschaften beschreibenmich am besten: Ich bin ehrlich, engagiertund unterhaltsam.

ZUR PERSON NICOLINE TAMSMA

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dass wir versuchen, die anderen Politikbereicheund deren Vorhaben und Maßnahmen mög-lichst gut zu verstehen. So können gemeinsameZiele erkannt und die Vorteile und Synergienvon intersektoraler Zusammenarbeit in denVordergrund gestellt werden. Anders gesagt:Wir müssen potenziellen Partnern vermitteln,dass durch eine bereichsübergreifende Allianzfür bessere Gesundheit für alle MenschenWin-Win-Situationen für die beteiligten Insti-tutionen entstehen. So wird es möglich, dass1 + 1 nicht länger nur 2 ergibt, sondern 3.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Bedeutung hat der Ansatz„Gesundheit in allen Politikfeldern“auf Ebene der Europäischen Union?Die Europäische Union (EU) hat bekanntlichkeine weitreichenden Befugnisse im Gesund-heitswesen und dieses wird jeweils von denNationalstaaten organisiert. Doch die EU kanndie gesundheitspolitischen Strategien der Na-tionalstaaten und deren Zusammenarbeit indiesem Bereich unterstützen. Außerdem gibt

es einen Passus im EU-Vertrag, der besagt,dass alle politischen Strategien und Maß-nahmen der Europäischen Union so gestaltetwerden sollen, dass ein hohes Maß an Schutzfür die Gesundheit der EU-Bürger/innen ge-währleistet ist. Traditionell wird dieser Artikel168 so verstanden, dass die Gesundheit derMenschen jedenfalls nicht gefährdet werdensoll, wie das etwa speziell durch politischeMaßnahmen im Umwelt- oder Ernährungs-bereich geschehen kann. Es wäre hilfreich,wenn dieser Artikel zum Beispiel auch aufaktuelle finanzpolitische Maßnahmen bezo-gen würde. In einigen Ländern hat die der-zeitige Sparpolitik der EU nachweislich ne-gative gesundheitliche Auswirkungen. Das-selbe gilt für die EU-Empfehlungen, wie ein-zelne Mitgliedsstaaten ihre öffentlichen Aus-gaben verringern sollen. Umgekehrt habenMaßnahmen der Europäischen Union in Bereichen wie Beschäftigung und Sozialesaber natürlich auch positive Effekte für dieGesundheit der Bevölkerung in den Mitglieds-staaten.

GESUNDES ÖSTERREICH Gibt es einzelne Länder, die bei der Umsetzung von „Health in all Policies“ eine Vorreiterrolle übernommen haben?Wenn es um „Health in all Policies“ in Europageht, muss die Pionierarbeit von Finnlanderwähnt werden. Als das Programm „Gesundheit für alle“ der Weltgesundheits-organisation WHO vor fast 30 Jahren einge-führt wurde, war Finnland eines der erstenLänder, die es umgesetzt haben. Heute werden dort gesundheitliche Aspekte bei Entscheidungen von der Landwirtschafts- biszur Steuerpolitik mit berücksichtigt, und diesauf nationaler ebenso wie auf kommunalerEbene. Schweden hat erst vor Kurzem seinBekenntnis zum Ansatz „Gesundheit in allenPolitikfeldern“ als zentralem Element seinernationalen und lokalen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit erneuert.Dort wurde auch ein Komitee von Vertrete-rinnen und Vertretern verschiedener Minis-terien eingesetzt, das dafür sorgen soll, dassFo

tos: Moritz Wustinger

„Wir müssen Allianzenfür bessere Gesundheitfür alle Menschenschmieden.“

NICOLINE TAMSMA, PRÄSIDENTIN VON EUROHEALTHNET

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IM GESPRÄCH

die sozialen Bedingungen für Gesundheit verbessert werden. In den Niederlanden istfestgelegt, dass bei Maßnahmen der Raum-planung eine Gesundheitsfolgenabschätzungdurchzuführen ist. Auch die Rahmen-Gesund-

heitsziele von Österreich, die sich ebenfalls amKonzept „Health in all Policies“ orientieren,finden international große Beachtung.

GESUNDES ÖSTERREICH In welchen weiteren Ländern spieltdas Konzept schon eine große Rolle?Weitere Beispiele sind etwa Schottland undIrland. Diese beiden Länder stellen zudem dasThema gesundheitliche Chancengerechtigkeitin den Vordergrund. Das ist aktuell etwa in dernationalen Strategie „Healthy Ireland“ nach-zulesen. Nicht zuletzt geht „Gesundheit 2020“vom Ansatz Health in all Policies aus. Das istdas gesundheitspolitische Rahmenkonzept derEuropäischen Region der WHO für den Zeitraumvon 2012 bis 2020, das letztlich für alle 53Mitgliedsländer die Inspiration für entspre-chende nationale Strategien darstellen soll.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Funktion soll der DachverbandEuroHealthNet für die Gesundheits-förderung in Europa haben?Wir setzen uns für mehr Gesundheit für alleMenschen ein, wollen die bestehende gesund-

heitliche Ungleichheit verringern und Gesund-heit in allen Politikfeldern zum Thema machen.Dafür bauen wir Allianzen auf und arbeiten inBrüssel mit verschiedenen Generaldirektoratenzusammen, also den Verwaltungseinheiten derEuropäischen Kommission, die jeweils für einenbestimmten Politikbereich zuständig und funk-tional mit Ministerien auf nationaler Ebenevergleichbar sind. Mit der Generaldirektion Be-schäftigung gibt es im Bereich der sozialen In-vestitionen eine besonders enge Zusammen-arbeit – und dies gemeinsam mit unseren Mit-gliedsorganisationen auch auf nationaler Ebene.Außerdem sind wir ein Kompetenz-Netzwerk,das Fachwissen und Praxiserfahrungen zumThema Gesundheitsförderung sammeln undweitergeben will. Gerade im Gesundheitsbereichstehen alle Länder vor denselben Herausfor-derungen und können viel voneinander lernen.Ein aktuelles Beispiel für unsere Arbeit ist dasEU-Forschungsprojekt DRIVERS. Es hat sichdamit befasst, welche Strategien und Maß-nahmen in den Bereichen frühe Kindheit, faireBeschäftigung und soziale Sicherheit am bestengeeignet sind, für mehr gesundheitliche Chan-cengerechtigkeit zu sorgen.

EIN KURZER LEBENSLAUFVON NICOLINE TAMSMA

Die Niederländerin Nicoline Tamsma (55)ist in Groningen zur Schule gegangen undhat dort auch Psychologie studiert. Sie hatihr Studium 1984 abgeschlossen und wardanach als Forscherin an den Universitätenvon Groningen und Utrecht tätig, sowie alsExpertin für Gesundheitsförderung beimGemeinde-Gesundheitsdienst von Rotter-dam. Ab 1989 hat sie sieben Jahre lang dieMaßnahmen zur AIDS-Prävention dieserniederländischen Stadt koordiniert und da-bei im Rahmen eines WHO-Projektes mit14 anderen europäischen Städten vonDublin bis St. Petersburg laufend Know-how und Praxiserfahrungen ausgetauscht.Ab 1996 war Nicoline Tamsma als European Health Policy Coordinator amNuffield Institute for Health der UniversitätLeeds beschäftigt. Ab 1999 war sie Beraterin für internationale Angelegen-heiten beim Netherlands Institute for Careand Welfare. Seit 2005 arbeitet sie in die-sem Bereich für das niederländische Insti-tut für Public Health and the Environment(Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu – RIVM). Das RIVM beschäftigt insgesamt rund 1.500 Mitarbeiter/innen.Seit Juni 2014 ist Nicoline Tamsma zudemPräsidentin von EuroHealthNet.

EUROHEALTHNET IST EUROPAS SPRACHROHR FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG

EuroHealthNet mit Sitz in Brüs-sel hat 13 Mitarbeiter/innen undwurde 1996 ursprünglich alsEuropean Network of HealthPromotion Agencies (ENHPA)gegründet. Das Netzwerk stehtnationalen und regionalen Or-ganisationen für Gesundheits-förderung, Public Health undPrävention in Europa offen undhat derzeit 29 Mitglieder – vom

Flemish Institute for Health pro-motion and Disease preventionin Belgien über den Fonds Ge-sundes Österreich und die Regi-on Toskana bis zu Public HealthWales. EuroHealthNet hat zu-dem 16 Kooperationspartner,darunter etwa die nationalen Institute für Public Health inKroatien und Montenegro oderdas Ministerium für Gesundheit,

Soziales und Gleichberechtigungin Spanien. EuroHealthNet hatdrei Arbeitsbereiche: HealthPromotion Europe (HPE) istder Kernbereich, der sich der in-ternationalen Vernetzung unddem Wissensaustausch widmet.Das Center for Implementa-tion Research & Innovationin Health & Wellbeing (CIRI)soll Partnerschaften für anwen-

dungsorientierte Forschung un-terstützen. Die European Plat-form for Action on Healthand Social Equity (PHASE)soll Gesundheitsexperten undPartner aus anderen Bereichenzusammenbringen, die sich fürsoziale Gerechtigkeit und Wohl-befinden einsetzen. Die Websiteeurohealthnet.eu enthältweitere Informationen.

Nicoline Tamsma: „In einigen Ländern hat die derzeitige Sparpolitik der EU nachweislich negative gesundheitlicheAuswirkungen.“

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GASTBEITRAG

Health in all Policies“ – Gesundheitin allen Politikbereichen! Mit dieserAnsage stieg die Gesundheitsförde-

rung in die weltpolitische Arena. Wie siehtes rund ein Vierteljahrhundert nach der Ver-abschiedung der Ottawa- Charta aus? StattGesundheit gilt: „Economy in all Policies“.Doch der Triumph des Ökonomischen istteuer erkauft: Stress und psychische Störun-gen nehmen zu. Burnout reißt Lücken in dieFührungsriegen. Man kann solche Erkran-kungen nicht als persönliches Versagen abtun,sondern sie verweisen auf eine tiefer gehendeKrise unseres Wirtschaftssystems. Denn dieArt und Weise, wie wir unseren Wohlstanderwirtschaften, hat ihren Preis – möglicher-weise einen zu hohen. Aus Sicht der Ge-sundheit müssen wir fragen: Strebt die Wirt-schaft noch die richtigen Ziele an? Ist derBegriff des Wohlstands noch zeitgemäß?

Das Wohlbefinden ins Zentrum stellenIch habe selber den Versuch unternommen, Fragenaus der Gesundheitsförderung in die Ökonomiezu tragen. Herausgekommen ist der Entwurf einer„Healthy Economy“ – einer Wirtschaft, die nichteinfach materielle Güter vermehrt und anhäuft,sondern das Wohlbefinden des Menschen insZentrum stellt. Denn ich bin überzeugt, dass dieGesundheit in der Ökonomie eine viel wichtigereRolle spielen sollte und in Zukunft auch spielenwird. Salutogenese und Ökonomie können dabeiin einen fruchtbaren Dialog treten.• Die Ökonomie fragt: Wie entsteht

Wohlstand?• Die Salutogenese fragt: Wie entsteht

Gesundheit?Wenn wir diese beiden Fragen kombinieren, ge-langen wir zu einer neuen Sichtweise auf Arbeitund Produktion.

Was für die Gesundheit entscheidend istAus ökonomischer Sicht liegt der Zweck desWirtschaftens in der Versorgung mit Gütern.Um einen Mangel zu überwinden, werden Güterproduziert, und es werden Märkte geschaffen,damit diese dorthin gelangen, wo sie gebrauchtwerden. Das Wirtschaftssubjekt „homo oeco-nomicus“ mag sich mit dieser Zweckbestimmungzufriedengeben. Aus salutogenetischer Sichtkann sie nicht befriedigen. Aaron Antonowsky,der die Grundlagen der Salutogenese formulierte,ist bei seinen Forschungen zum Schluss gekom-men, dass die Fähigkeit, ein Geschehen als ver-stehbar, handhabbar und sinnvoll zu erfahren,für die menschliche Gesundheit entscheidendist. Diese Fähigkeit nannte er Kohärenzsinn.

Als Gedankenexperiment schlage ich vor, mitdiesem Modell ein neues Wirtschaftssubjekt zukreieren und dem homo oeconomicus den homosalutogenesis gegenüberzustellen. Der homosalutogenesis will nicht bloß seinen Nutzen ma-ximieren, er will• verstehen• handeln• und einen Sinn erkennen.Ich halte dieses Modell für realistisch und prak-tikabel. Es kann helfen, Arbeitsplätze menschen-gerechter zu gestalten. Denn nicht verstehen,nicht adäquat handeln können und keinen Sinnin der Arbeit erkennen, bedeutet Stress. Betrieb-liches Gesundheitsmanagement bedient sichzur Stressbekämpfung der salutogenetischenWerkzeuge: Verständlichkeit durch klare Struk-turen, Handhabbarkeit durch übersichtliche Ar-beitsabläufe, Sinnhaftigkeit durch Wertschätzung.

Das „salutogenetische Werkzeug“Man stelle sich vor, man würde die Kriteriender Salutogenese auch auf das Geldsystem an-wenden: Um der Verstehbarkeit willen müsstendie Banken völlige Transparenz walten lassen.Die Handhabbarkeit würde der Spekulation klareGrenzen setzen. Und wie würden Bildung undKultur blühen, wenn nur noch in Sinnstiftendesinvestiert würde... Unrealistisch? Warren Buffett,einer der erfolgreichsten Investoren der Gegen-wart, erklärte einmal seinen Erfolg damit, dasser nur in Dinge investiere, die er vollkommenverstehe. Das ist zwar nicht das volle Programm.Aber es zeigt, dass das salutogenetische Werk-zeug etwas taugt, auch außerhalb des Gesund-heitswesens.

Was wäre, wenn die Wirtschaft insgesamt nach den Kriterien der Gesundheitsförderung gestaltet wird: hand-habbar, sinnvoll und verständlich? In seinem Gastbeitragbeschreibt Thomas Mattig, Direktor der Stiftung

Gesundheitsförderung Schweiz, weshalb das nicht nurein Gedankenexperiment bleiben sollte.

Für eine gesundheitsförderliche

Wirtschaft

Der Jurist und Public Health-ExperteThomas Mattig (43) ist Direktor derStiftung Gesundheitsförderung Schweizmit rund 60 Mitarbeitenden in Bern undLausanne und hat das Buch „HealthyEconomy – Neue Denkformen für einegesunde Wirtschaft“ verfasst, das 2014erschienen ist. Mattig ist verheiratetund hat zwei Töchter im Alter von neunund sieben Jahren.

ZUR PERSON

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Foto: G

esundheitsförderung Schw

eiz

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WISSEN

15gesundesösterreich

stellungen dazu erhoben. Dannwurden in je einer Klasse proSchule für die Kinder und Jugend-lichen der „Testgruppe“ Maß-nahmen für aktive Mobilitätdurchgeführt. Sie wurden zumBeispiel zum Thema Verkehr in-formiert und nahmen an einem„Fahrrad-Aktionstag“ teil. Undbei der „Mobility-Challenge“ wardie beste Einzel-, Team- oderKlassenleistung an täglicher ak-tiver Mobilität gefragt. Nach denAktivitäten wurde neuerlich eineErhebung durchgeführt. Diesezeigte, dass bei den Kindern derTestgruppe deutliche Verbes-serungen erzielt werden konn-ten. Sie benutzen das Rad häu-figer und zeigten auch eine bes-sere Einstellung zum Zu-Fuß-Ge-

FORSCHUNGSPROJEKT

Welche Einstellung haben Ju-gendliche zu aktiver Mobilitätund wie können sie dazu bewegtwerden, mehr zu Fuß zu gehenund Rad zu fahren? Das warendie zentralen Fragen, mit denensich von 2012 bis 2014 das For-schungsprojekt „Jugend unter-wegs” der Universität für Bo-denkultur (BOKU) beschäftigt hat,das in Kooperation mit demFonds Gesundes Österreichdurchgeführt wurde. Zunächstwurde in zwei Schulen in Wien,einer Schule in Tulln sowie einerSchule in Deutschland in je zweiKlassen der aktuelle Stand desMobilitätsverhaltens und der Ein-

hen. Bei den Kindern der Kon-trollgruppe, für die keine entspre-chenden Aktivitäten durchgeführtworden waren, war dies nichtder Fall. Insgesamt nahmen 186Schülerinnen und Schüler imAlter zwischen zwölf und 14 Jah-ren an dem Forschungsprojektteil, das von Juliane Stark vomInstitut für Verkehrswesen derBOKU geleitet wurde. AnfangMai wurde für die Kinder und Ju-gendlichen aus Österreich an derBOKU in Wien ein Abschlusseventveranstaltet, bei dem Rückschauauf das Projekt gehalten und derUNTERWEGS-Film gezeigt wurde.Außerdem konnten im „Radlsa-lon“ über 20 verschiedene äu-ßerst kuriose Fahrradkonstruk-tionen ausprobiert werden. DasFo

tos: bm

vit/Zinner, Alexander Fritz

Jugend unterwegs

Infrastrukturminister Alois Stöger überreichteim Juni den Österreichischen Staatspreis für Mobilität an Projektleiterin Juliane Stark von der Wiener Universität für Bodenkultur.

Die teilnehmenden Schüler/innen ausÖsterreich bei der Abschlussveranstaltungfür das Forschungsprojekt im Mai an der Universität für Bodenkultur in Wien.

Projekt wurde Ende Juni mit demÖsterreichischen Staatspreis Mo-bilität 2015 des Bundesminis-teriums für Verkehr, Innovationund Technologie ausgezeichnet.Auf jugend-unterwegs.at sindweitere Informationen nachzu-lesen.

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Wiener Gesundheits-förderungskonferenz 2015

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INSPIRATIONEN FÜR DIE PRAXIS

Unter dem Motto „GesundeBewegung. Inspirationen fürdie Praxis der Gesundheitsför-derung“ lädt die Wiener Ge-sundheitsförderung am Mon-tag, 14. September 2015, zurWiener Gesundheitsförde-rungskonferenz 2015 ins Rat-haus der Bundeshauptstadt.Dabei werden sich internatio-nale Vortragende mit der Fragebeschäftigen, was „GesundeBewegung“ für unseren Alltagbedeutet und welche Rahmen-bedingungen dafür in einermodernen Stadt des 21. Jahr-hunderts notwendig sind. DasReferat von Christine McLaren,

Journalistin und Forscherin ausVancouver in Kanada, wird the-matisieren, wie die städtischeRaumplanung unser Leben ver-ändert. Gabriele Klein, Profes-sorin für Soziologie von Bewe-gung, Sport und Tanz an derUniversität Hamburg, wird sichin ihrem Vortrag mit gesell-schaftlichen Strategien für Be-

wegungsförderung befassen.Und Anton Innauer, als Athletund Trainer früher ein Star imSkisprungsport, wird erläutern,weshalb Spitzensport mit ge-sunder Bewegung oft nur weniggemein hat. Anmeldungen sindüber www.wig.or.atmöglich.Die Konferenzgebühr beträgt30 Euro.

WISSEN

TAGUNG IN GRAZ

Gesundheitsfolgenabschätzen

Ende Juni hat in Graz die dritte österreichischeTagung zur Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA)stattgefunden. Die Veranstaltung wurde vom Institutfür Gesundheitsförderung und Prävention (IfGP) undStyria vitalis durchgeführt und vom Fonds GesundesÖsterreich, dem Gesundheitsfonds Steiermark unddem Hauptverband der österreichischen Sozialversi-cherungsträger unterstützt. Rund 80 Teilnehmer/innen befassten sich dabei mit Theorie und Praxis derGFA, die ein Instrument für eine gesundheitsförderli-che Gesamtpolitik ist (siehe auch Artikel auf den Sei-ten 20 bis 22). Auf Gemeindeebene kann dieseMethode beispielsweise dafür genutzt werden, syste-matisch zu analysieren und zu bewerten, welcheGesundheitsfolgen durch die Neugestaltung einesöffentlichen Platzes, den Bau einer Straße oder dieUmsetzung von betreutem Wohnen für Senior/innenzu erwarten sind. Zu den nationalen Beispielen, diebei der Tagung präsentiert wurden, zählte auch dieGFA zur Ganztagsschule von Ines Spath Dreyer vomIfGP und Christine Neuhold von Styria vitalis. Diesehat ergeben, dass diese Schulform Gesundheit undWohlbefinden der Schüler/innen positiv beeinflussenkann, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind.Lea den Broder vom Niederländischen Institut fürPublic Health and the Environment (RIVM) präsentier-te internationale Beispiele. Dazu zählte eine GFA, diesich in Alameda County in Kalifornien mit denGesundheitsfolgen durch die Kürzungen finanziellerFörderungen für den Busverkehr befasst hat.

Stadtplanung und Gesundheit

HANDBUCH

Die Gesundheit der Bevöl-kerung wird von allen Poli-tikfeldern beeinflusst. DieStadtplanung im Sinne eineraktiven Steuerung der Ge-samtentwicklung von urba-nen Räumen zählt dabei zujenen Sektoren, für die dasin besonders hohem Ausmaßgilt. Stadtplanerische Ent-scheidungen wirken sichmeist auch sehr langfristigauf das Wohlbefinden derBürgerinnen und Bürger aus– über Jahrzehnte hinwegund länger. Ein verdienstvol-ler und übersichtlicher Sam-melband des Berner HansHuber Verlages beschäftigtsich deshalb damit, wie Ge-

sundheitsförderung und Prä-vention stärker als bislang indie Konzepte und Verfahrendieser Disziplin integriert wer-den können. Dies beginnt miteinem Rückblick auf Theorieund Praxis der Stadtplanung,der weit zurück reicht. DennAspekte der Gesundheit undSicherheit der Bürgerinnenund Bürger wurden schon inder Antike bei der Gründungund Anlage von Städten be-rücksichtigt. Im weiteren gehtes unter anderem um die Healthy Cities-Netzwerke derWeltgesundheitsorganisationWHO, Wohnen, Barrierefrei-heit, Freiraum- und Verkehrs-planung sowie die medizini-sche Versorgung als Teil derInfrastrukturplanung. Nichtzuletzt werden verschiedene

Handbuch Stadtplanung und Gesundheit,herausgegeben von Christa Böhme,Christa Kliemke, Bettina Reimannund Waldemar Süß, Verlag Hans Huber, 2012, 246 Seiten, 39,95 €

Von links: Karin Reis-Klingspiegl (Styria vitalis), Klaus Ropin (FGÖ), die Grazer Vizebürgermeisterin MartinaSchröck, der steirische Landesrat Christopher Drexler,Beate Atzler (IfGP), Martin Ozimic (Gemeindebund) undStefan Spitzbart (Hauptverband) bei der Tagung zum Thema Gesundheitsfolgenabschätzung in Graz

Foto: Johannes Brunnbauer/WiG

Foto: IfGP

Strategien und Instrumentevorgestellt. Dazu zählen diegesundheitsförderliche Stadt-teilentwicklung, das HealthImpact Assessment und Health Governance.

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WISSEN

BUCHTIPP

KommunaleGesundheits-landschaften

Im deutschen Gesundheitssektor werdendie maßgeblichen Entscheidungen zentralgetroffen – häufig zum Nachteil einerbedarfsgerechten Versorgung der Bevöl-kerung vor Ort. So lässt sich die Thesezusammenfassen, die Ernst-Wilhelm Luthe,Professor für Öffentliches Recht und Sozi-alrecht an der Universität Oldenburg inDeutschland dem von ihm herausgegebe-nen Sammelband „Kommunale Gesund-heitslandschaften“ zugrunde legt. In demFachbuch wird aus unterschiedlicheninhaltlichen Blickwinkeln beleuchtet, wes-halb Dezentralisierung und Vernetzungim Gesundheitssystem künftig zuneh-mende Bedeutung haben werden undebenso die intersektorale Zusammenar-beit der Bereiche Gesundheit, Bildungund Soziales. Im Fokus steht generell,welche Funktionen die Kommunen dabeiübernehmen können, wie diese gestaltetwerden sollten, und wie ihre Rolle imGesundheitsbereich insgesamt aufgewer-tet werden kann. Das Spektrum der ein-zelnen Beiträge reicht von der kommuna-len Gesundheitsberichterstattung und -planung über das Management örtlicherGesundheitsprojekte bis zur Gesundheits-wirtschaft. Der Sammelband bezieht sichzwar im Detail auf Deutschland; doch eslassen sich daraus auch interessante allge-meine Erkenntnisse für die Situation inÖsterreich gewinnen.

Leitfäden für Chancengerechtigkeit

GESUNDHEIT ÖSTERREICH GMBH

Wer einen geringen Bildungs-grad, ein geringes Einkommenoder eine niedrige beruflichePosition hat, dessen Gesund-heitszustand und Gesundheits-verhalten sind im Durchschnittbetrachtet in aller Regel ver-gleichsweise schlecht. Ein we-sentliches Ziel von Projekten zurGesundheitsförderung ist des-

halb, vor allem sozial und ge-sundheitlich benachteiligte Men-schen miteinzubeziehen. Wie dasam besten umgesetzt werdenkann, ist Inhalt mehrerer aktuellerPublikationen der GesundheitÖsterreich GmbH (GÖG). Einer-seits sind dies allgemeine Emp-fehlungen für mehr Chancenge-rechtigkeit, andererseits spezifi-sche für die Settings Kindergartenund Gemeinschaftsverpflegungsowie für die Zielgruppe derSchwangeren. Die Dokumente

wurden von Charlotte Klein, Bar-bara Fröschl, Rita Kichler, DanielaPertl, Aida Tanios und MarionWeigl von der GÖG verfasst. Monika Löbau war Projektassis-tentin, und Judith delle Grazievom Gesundheitsministeriumwar für die fachliche Begleitungzuständig. Die Leitfäden sind un-ter www.goeg.at verfügbar:im Bereich „Abteilungen“ unter„Gesundheit und Gesellschaft“in der Rubrik „Gesundheitsför-derung und Prävention“.

Gesundheitsinformationenverständlich gestalten

KONFERENZ IM HERBST

Gesundheitskompetenz ist dieindividuelle Fähigkeit von Men-schen, Gesundheitsinformatio-nen sammeln, verstehen undim Alltag anwenden zukönnen. Sie steht in we-sentlichem Zusam-menhang dazu, inwelcher Form Ge-sundheitsorganisatio-nen Informationen an-bieten. Das sollte so ge-schehen, dass diesemöglichst leicht ver-ständlich sind undzwar möglichstunabhängig vomBildungsgradund dem kultu-rellen Hinter-grund. In die-sem Sinnekönnen auchGesundheits-

einrichtungen „gesundheitskom-petent“ sein, wenn sie diesesPrinzip berücksichtigen. Wie Gesundheitskompetenz in derKrankenbehandlung gefördertwerden kann, ist deshalb die

zentrale Frage bei derKonferenz 2015 des Österrei-chischen Netz-werkes fürGesundheits-f ö r d e r n d e

Krankenhäuser

und Gesundheitseinrichtungen(ONGKG) Ende November inWien. Einzelne Vorträge werdensich zum Beispiel damit befas-sen, „Wie der Weg durch dasösterreichische Gesundheitssys-tem übersichtlicher werdenkann“ oder „Was Profis für ge-sundheitskompetente Kommu-nikation tun können“. WeitereInformationen sind unterwww.ongkg.at/konferenzenzu finden.

Kommunale Gesund-heitslandschaften, herausgegeben von Ernst-Wilhelm Luthe, Springer Verlag, 2013, 464 Seiten, 39,99 €

Foto: o

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–Fotolia.com

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WISSEN

der über Ressortgrenzen hinweg, ummehr Gesundheit für alle in Öster-reich lebenden Menschen zu errei-chen“, erklärte die Sektionsleiterinim Gesundheitsministerium.

Lebensumstände sind bestimmend„Wie gesund wir sind, hängt nur zueinem relativ geringen Teil von derQualität der Gesundheitsversorgungab“, sagt auch Sabine Haas, die stell-vertretende Leiterin der AbteilungGesundheit und Gesellschaft der Ge-sundheit Österreich GmbH. In einemGutachten des deutschen „Sachver-ständigenrates für die KonzertierteAktion im Gesundheitswesen“, einesGremiums von sieben Expert/innenfür Gesundheit und Public Health,heißt es dazu: „Der Erklärungsanteil

Für eine gesundheitsförderlicheGesamtpolitik

Die Gesundheit der Bevölkerung wird vor allem durch die Lebensumstände bestimmt. Um diese möglichst gesundheitsförderlich zu gestalten, ist die

Zusammenarbeit aller Politikbereiche notwendig.

Foto

: Klaus

Ran

ger

Klaus Ropin: „Um unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen möglichst gesundheitsförderlich zu gestalten, ist die Zusammenarbeit aller Politikbereiche notwendig.“

Die Strategie ,Health in all Po-licies’ besagt, dass das ThemaGesundheit auf die Ebene der

Gesamtpolitik gehoben werden soll.Denn unsere Gesundheit wird vorallem auch durch unsere Lebens-und Arbeitsbedingungen bestimmt.Um diese möglichst gesundheitsför-derlich zu gestalten, ist die Zusam-menarbeit aller Politikbereiche not-wendig“, erklärte Klaus Ropin, derLeiter des Fonds Gesundes Öster-reich (FGÖ), bei der 17. Österrei-chischen Gesundheitsförderungs-konferenz Ende Juni in Salzburg, diedem Thema „Health in all Policiesin der Praxis der Gesundheitsförde-rung“ gewidmet war und von PetraGajar vom FGÖ moderiert wurde.„Das umzusetzen ist allerdings nichtganz einfach“, ergänzte Klaus Ropin,„da dafür besondere Strukturen ge-schaffen werden müssen. Doch wirbefinden uns auf einem guten Weg,diese nach und nach zu entwickeln.“Rund 220 Teilnehmerinnen und Teil-nehmer aus verschiedensten Sekto-ren von Politik, Wissenschaft undPraxis waren zu der Tagung in dieStadt an der Salzach gekommen, umzu diskutieren, wie dieses Ziel ambesten erreicht werden kann. Sietauschten Know-how und praktischeErfahrungen aus und besuchten Ple-numsvorträge und Workshops. Pamela Rendi-Wagner (siehe auch Interview auf den Seiten 8 und 9)betonte bei der Tagung unter ande-rem, dass es notwendig sei, das „Silodenken“ zu überwinden: „Wirbenötigen ein tatkräftiges Miteinan-

des Gesundheitswesens im engerenSinne an der Veränderung der Le-benserwartung sowie der Mortalitätliegt nach zahlreichen nationalenund auch internationalen verglei-chenden Studien zwischen 10 und40 Prozent.“ Daraus lässt sich um-gekehrt schließen: 60 bis 90 Prozentdes Gesundheitszustandes und derLebenserwartung der Bevölkerungsind nicht auf die medizinische Ver-sorgung zurückzuführen. „Bereiche, welche die Gesundheitganz wesentlich beeinflussen sindunter anderem die Sektoren Umwelt,Verkehr, Finanzpolitik, Bildung undFamilie“, erklärt Sabine Haas undergänzt: „Besonders wichtig ist dieSozialpolitik. Die Höhe unseres Ein-kommens und Vermögens, welche

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bereits in der Ottawa Charta gestellt,dem grundlegenden Dokument derGesundheitsförderung, das 1986 beider ersten internationalen Konferenzder WeltgesundheitsorganisationWHO zu diesem Thema verabschie-det wurde. Heute wird der Ansatz„Health in all Policies“ in der Stra-

Arbeit wir haben und wie diese ge-staltet ist, oder ob wir keine Arbeithaben, kann sich sehr stark auf dieGesundheit auswirken.“ Die Forde-rung, dass „Gesundheit auf allenEbenen und in allen Politikbereichenauf die politische Tagesordnung ge-setzt werden“ muss, wird deshalb

tegie Gesundheit 2020 des Regional-büros Europa der WHO ebenso be-rücksichtigt wie in den österrei-chischen Rahmen-Gesundheitszie-len, welche die Richtung vorgeben,in welche sich das österreichischeGesundheitssystem bis zum Jahr2032 entwickeln soll.

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WIE GESUNDHEIT ENTSTEHT UND WAS DAFÜR WICHTIG IST

Ob wir gesund oder krank sind, hängt von der medizinischen Versorgung ab – und mehr noch von den Lebens- und Arbeitsbedingungen und anderen Einflüssen außerhalb des Gesundheitssystems. Das ist der Kerninhalt des

Konzeptes „Health in all Policies“, das im „Regenbogen-Modell“ übersichtlich dargestellt wird.

Das „Regenbogenmodell“ wurde1991 von den beiden Public Health-Forscher/innen Göran Dahl-gren und Margaret Whiteheadvorgestellt. Es soll sämtliche „Determinanten“ zeigen, welchedie Gesundheit von Individuen,aber auch den sozialen Zusam-menhalt innerhalb von Gesell-schaften beeinflussen. Im Zentrumstehen die unveränderlichen Ge-sundheitsmerkmale: Alter, Ge-schlecht und Erbanlagen.Die individuelle Lebensweiseist hingegen im Prinzip veränder-bar. Sie kann mehr oder wenigergesundheitsförderlich sein – zumBeispiel was das Rauch- und Trink-verhalten oder die Ernährungs-weise betrifft. Inwieweit das Ge-sundheitsverhalten eines einzelnen

Menschen tatsächlich veränderbarist, hängt auch davon ab, welcheVerhaltensmuster im Laufe einesLebens bislang erworben wurdenund welche Vorbilder dafür vor-handen waren. Speziell die sozialeHerkunft und die so genannte„Selbstwirksamkeitserwartung“können hier von Bedeutung sein.Letzteres ist ein Begriff aus derPsychologie und beschreibt die ei-gene Erwartung, aufgrund eigenerKompetenzen gewünschte Hand-lungen auch tatsächlich erfolgreichausführen zu können.Der nächste Ring des Regenbogenszeigt soziale Einflüsse. Allgemeingilt: Kontakte und gute Freund-schaften fördern die Gesundheit.

Zu Freund/innen und Kolleg/innenebenso wie innerhalb der näherenNachbarschaft und der Gemein-schaft.Die Lebens- und Arbeitsbe-dingungen im engeren Sinn ha-ben ebenfalls einen bedeutsamenEinfluss. Wichtige Fragen sind zumBeispiel: Muss ein Mensch kör-perliche Schwerarbeit verrichtenoder ist er im Job viel negativemStress ausgesetzt? Wie und wowohnt der oder die Betreffende?Hat er oder sie einen guten Zu-gang zur medizinischen Gesund-heitsversorgung?Nicht zuletzt können sich die allgemeinen Umweltbedin-gungen direkt oder indirekt stark

auf unsere Gesundheit auswirken.Nach Dahlgren und Whiteheadsind das unter anderem die Wirt-schaftslage, das Rechtssystem, die„Medienlandschaft“ oder der Zu-stand der „physischen Umwelt“,also zum Beispiel die Qualität vonLuft, Wasser oder Boden.Insgesamt zeigt das „Regenbo-genmodell“ auch, wo und wie imSinne des Konzeptes „Health inall Policies” durch gemeinsameAnstrengungen in allen Politikbe-reichen angesetzt werden kann,um mehr Gesundheit für alle Menschen zu ermöglichen. Denndiese entsteht dort, „wo die Men-schen spielen, lernen, arbeiten undlieben“, wie dies in der OttawaCharta zur Gesundheitsförderungso pointiert beschrieben wird.

Quelle: Fonds Gesundes Österreich nach Göran Dahlgren und Margaret Whitehead; Download unter: www.fgoe.org/presse-publikationen/downloads/fotos-grafiken/infografiken

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WISSEN

Im Herbst 2010 wurde in Österreichdas verpflichtende Kindergartenjahrfür Fünfjährige eingeführt. Seither

sollen alle Kinder in diesem Alter zu-mindest 16 bis 20 Stunden pro Wochein den Kindergarten. Für die Eltern istdiese Betreuung kostenlos. Laut der Statistik Austria ist die Betreuungsquoteder Fünfjährigen dadurch österreichweitvon 96,3 Prozent im Jahr 2008 auf 98,1Prozent im Kindergartenjahr 2011/2012angestiegen. Durch die Maßnahme sol-len aber vor allem auch Bildungspoten-

ziale früh genutzt, sowie Nachholbedarffrüh erkannt und nach Möglichkeit ab-gedeckt werden, speziell im sprachlichenBereich. Das soll allen Kindern höhereBildungschancen – und somit auch bes-sere Gesundheitschancen geben. Denndas Bildungsniveau steht in engem Zu-sammenhang zum Wohlbefinden.Die erste umfassende Gesundheitsfol-genabschätzung (GFA) in Österreich,die von der Gesundheit ÖsterreichGmbH als Pilotprojekt durchgeführtwurde, hat sich deshalb damit befasst,ob das verpflichtende Kindergartenjahrtatsächlich die erhofften Auswirkungenhat. „Die Resultate zeigen, dass grund-sätzlich sowohl für die Kinder als auchfür die Eltern positive Effekte zu erwar-ten sind, und das gilt speziell für sozialbenachteiligte Familien, also solche mitrelativ niedrigem Einkommen oder ver-gleichsweise niedrigem Bildungs-niveau“, fasst Gabriele Gruber von derGesundheit Österreich GmbH (GÖG)

die Ergebnisse zusammen. Sie ist nebenSabine Haas, Hans Kerschbaum, ChristineKnaller, Gabriele Sax und ElisabethTurscherl eine der Autor/innen dieserwissenschaftlichen Arbeit, die auf derWebsite gfa.goeg.at zum Download zurVerfügung steht. Für die Pädagog/innensind durch das verpflichtende Kinder-gartenjahr allerdings auch negative Effekte möglich. Das gilt vor allem, wenndie erforderlichen pädagogischen Rahmenbedingungen nicht gegebensind. Dies ist speziell dann der Fall, wenndie Zahl der Kinder pro Gruppe imDurchschnitt zunimmt und wenn relativwenig Platz vorhanden ist. Alle erwähn-ten Gesundheitsfolgen sind laut der GFAübrigens auch für die mögliche Einfüh-rung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres zu erwarten.

Politische Vorhaben bewerten„Allgemein betrachtet wird durch eineGesundheitsfolgenabschätzung syste-

Durch eine Gesundheitsfolgenabschätzung (GFA) kann beurteilt werden, wie sichpolitische Maßnahmen auf die Gesundheit auswirken. Das soll dazu beitragen,diese möglichst gesundheitsförderlich zu gestalten. Text: Dietmar Schobel

DIE GFA SUPPORT UNIT

Wie wirkt sich Politik auf dieGesundheit aus?

Fotos: Klaus Ra

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–Fotolia.com

Damit die Gesundheitsfolgenabschätzung alsInstrument für eine gesundheitsförderlicheGesamtpolitik in Österreich weiter verbreitetwird, hat die Gesundheit Österreich GmbH(GÖG) ein bundesweites Netzwerk zu diesemThema etabliert. Außerdem wurde bei derGÖG eine „GFA Support Unit“ eingerichtet,für die derzeit vier Mitarbeiter/innen tätig sind.Diese beraten potenzielle Auftraggeber/innen,Personen, die eine GFA durchführen wollensowie allgemein am Thema Interessierte zumBeispiel dabei, was Thema einer Gesundheits-folgenabschätzung sein könnte, unterstützenaber auch dabei, diese konkret durchzuführen.Außerdem werden Materialien für Fortbildungangeboten und bei Bedarf zudem vor Ort Vor-träge gehalten. Weitere Informationen enthältdie Website gfa.goeg.at, auf der auch ein„Leitfaden für die Praxis“ zur Verfügung steht,in dem genau beschrieben wird, wie eine Gesundheitsfolgenabschätzung selbständigumgesetzt werden kann. Rückfragen zum Thema GFA sind auch per E-Mail an [email protected] gerne möglich.

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WAS IST EINE GFA

Durch eine Gesundheitsfolgenabschätzungwird systematisch analysiert, wie sich ge-plante politische Vorhaben auf die Gesund-heit der Bevölkerung auswirken und wiesich diese Auswirkungen innerhalb der Bevölkerung verteilen. Ziel ist es, durch fundierte Informationen die Basis dafür zuschaffen, dass politische Entscheidungen im Sinne einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik erfolgen können sowie zumehr gesundheitlicher Chancengerechtig-keit beizutragen. Eine prospektive GFA stehtam Beginn der Entwicklung eines Vorha-bens, eine begleitende GFA verläuft parallelzur Umsetzung und eine retrospektive GFA bewertet die Wirkung eines Vorhabens,das bereits realisiert wurde.Eine Gesundheitsfolgenabschätzung hat5 Phasen:

Sichtung: Zunächst wird systematisch ge-prüft, ob eine GFA für das geplante Vorhabensinnvoll ist.Planung: Ein Zeitplan und ein Budgetplanwerden erstellt, und je nach Umfang der GFAkönnen auch eine Partizipations- und Kom-munikationsstrategie erarbeitet und eineSteuerungsgruppe eingesetzt werden.Bewertung: Informationen über die Ge-sundheitsauswirkungen eines Vorhabenswerden gesammelt und beurteilt.Berichtslegung und Empfehlungen: Die gesammelten Informationen und daraus abgeleitete Empfehlungen werden in einemBericht zusammengefasst.Monitoring und Evaluation: Der Prozessder Gesundheitsfolgenabschätzung wird dokumentiert, und es wird überprüft, ob dieEmpfehlungen umgesetzt wurden.

DIE EFFEKTIVITÄT VONGESUNDHEITSFOLGENABSCHÄTZUNGEN

Die Wissenschafterinnen Matthias Wismar,Judith Blau, Kelly Ernst und Josep Figuerashaben in einer Meta-Studie die „Effekti-vität“ von 158 Gesundheitsfolgenab-schätzungen untersucht, die zwischen1995 und 2005 in 17 Ländern auf natio-naler, regionaler oder lokaler Ebenedurchgeführt wurden. Ihr Resümee lau-tet, dass diese „ein effektives und kos-tengünstiges Instrument sind, das Politi-ker/innen bei der Entscheidungsfindung

unterstützen kann.“ Gesundheitsfolgen-abschätzungen (GFA) können in unter-schiedlicher Intensität durchgeführt wer-den. Das Spektrum reicht von einer rei-nen Faktensammlung am Schreibtischbis zu einer GFA bei der Fachleute undBürger/innen durch Befragungen undMethoden zu Beteiligung intensiv einbe-zogen werden. Der Kostenrahmen der inder Meta-Studie untersuchten Verfahrenreicht von 1.000 bis 145.000 Euro.

matisch analysiert und bewertet, wiesich geplante politische Vorhaben aufdie Gesundheit der Bevölkerung aus-wirken und wie sich die positiven undnegativen Auswirkungen innerhalb derBevölkerung verteilen“, erklärt ThomasAmegah vom Amt der SteiermärkischenLandesregierung die Grundlagen diesessozialwissenschaftlichen Instrumentes.Dabei werde mit dem umfassenden Be-griff von Gesundheit als vollständigemkörperlichem, seelischem und sozialemWohlbefinden der Weltgesundheitsor-ganisation WHO gearbeitet und beson-deres Augenmerk darauf gelegt, gesund-heitliche Chancengerechtigkeit herzu-stellen, also speziell die Gesundheit so-zial benachteiligter Gruppen zu fördern.Ein besonderer Vorteil der Gesundheits-folgenabschätzung liegt darin, dass nachMöglichkeit Betroffene und so genannte„Stakeholder“ in die Analyse und Be-wertung einbezogen werden, also Ver-treter/innen von Gruppen, die am je-weiligen Vorhaben berechtigtes Interessehaben.

Umfassende und kompakte GFAFür die erwähnte umfassende GFA zumverpflichtenden Kindergartenjahr wur-den unter anderem zahlreiche Studienzur frühen Förderung und Bildung vonKindern gesichtet und analysiert. Au-ßerdem wurde bei rund 200 Kindergar-tenleiter/innen aus der Steiermark durchFragebögen erhoben, welche Gesund-heitsfolgen sie vom verpflichtenden Kin-dergartenjahr erwarten. Weiters wurdeeine „Fokusgruppe“ durchgeführt, alsoeine moderierte Diskussion, bei der die Meinungen von rund zehn Teilneh-mer/innen festgehalten wurden. Imkonkreten Fall waren das unter anderemEltern und Kindergartenpädagog/innensowie Vertreter/innen der Kinder- undJugendanwaltschaft und von Trageror-ganisationen für Kindergarten. „Für diePraxis in Österreich müssen wir künftigvor allem auch eine Art Kompakt-GFAentwickeln, die in wenigen Wochendurchgeführt werden kann, und zumBeispiel nur aus einer Literaturrechercheund einem Beteiligungsworkshop zuderen Ergebnissen besteht“, meint Tho-mas Amegah.

Gabriele Gruber: „Die Gesund-heitsfolgenabschätzung zum verpflichtenden Kindergartenjahrzeigt, dass dieses grundsätzlichsowohl für die Kinder als auch fürdie Eltern positive Effekte hat.“

Thomas Amegah: „Eine Gesund-heitsfolgenabschätzung bewertet,wie sich geplante politische Vorhaben auf die Gesundheit derBevölkerung auswirken.“

Gernot Antes hat eine Gesund-heitsfolgenabschätzung zur Neugestaltung des Markt-platzes am Schirmitzbühel inKapfenberg durchgeführt.

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Damit dieses Instrument für eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitikin Österreich weiter verbreitet wird,hat die GÖG deshalb ein bundesweitesGFA-Netzwerk etabliert. In diesemtreffen sich regelmäßig Expertinnenund Experten, die am Thema interes-siert sind oder selbst schon eine Gesundheitsfolgenabschätzung durch-führen. Außerdem wurde bei der Gesundheit Österreich GmbH eine„GFA Support Unit“ eingerichtet, dieUnterstützung, Beratung und Fortbil-dungsmöglichkeiten anbietet (sieheauch Kasten: „Die GFA Support Unit“).In der Steiermark gibt es zudem schonein regionales GFA-Netzwerk. Aktuellwird in diesem Bundesland zum Beispiel von der Fachhochschule Joanneum eine GFA zum Ausbau derBundesstraße 68 in der Südoststeier-mark durchgeführt.

Praxiserfahrungen aus KapfenbergGernot Antes, der Koordinator des Öster-reichischen Netzwerkes gesunde Städte,hat ab Oktober 2013 mit hoher Beteili-gung von Bürger/innen eine GFA zurNeugestaltung eines Marktplatzes inder Siedlung Schirmitzbühel in Kapfen-berg erarbeitet. Rund 1.500 Menschen wohnen in dieser Anlage, die in den1930er-Jahren für Arbeiter/innen erbautwurde. „Die Anliegen der Anrainerin-nen und Anrainer wurden beim Umbauim Jahr 2014 dann auch großteils berücksichtigt“, freut sich der Expertefür Public Health. Nunmehr gibt es zumBeispiel mehr Möglichkeiten für sozialeBegegnung, etwa durch öffentlich nutz-bare Grünflächen, und der Kiosk amPlatz wurde künstlerisch gestaltet. Außerdem wurde die Fläche für dieStände für den wöchentlichen Obst- undGemüsemarkt verdoppelt. Doch die Gesundheitsfolgenabschät-zung und die Bürgerbeteiligung bei die-ser haben wohl auch bewirkt, dass derUmbau mehr politische Bedeutung be-kommen hat. Das Budget für die Neu-gestaltung des Platzes wurde von derStadtgemeinde Kapfenberg schließlichmehr als verdoppelt.

WEITERE BEISPIELE FÜRGESUNDHEITSFOLGENABSCHÄTZUNGEN

• In Glasgow wurde für die „Common-wealth Spiele“ 2014 mit mehr als 6.000Sportler/innen aus 71 Ländern eine umfas-sende Gesundheitsfolgenabschätzung durch-geführt. Mit hoher Beteiligung von Entschei-dungsträger/innen und Bürger/innen wurdenunter anderem Empfehlungen dafür erstellt,wie die Investitionen in neue Gebäude unddie Verkehrsinfrastruktur für die Großveran-staltung so erfolgen können, dass nachhaltigegesundheitsförderliche Wirkungen zu erwar-ten sind.

• Die Stadt Dornbirn in Vorarlberg hat voracht Jahren begonnen, Kindergärten zu„Familientreffpunkten“ zu machen, mit Ange-boten wie Vorträgen, gemeinsamen Früh-stücksrunden an Samstagen, Spielenachmit-tagen oder gemeinsamen Ausflügen. Eine2010 veröffentliche Gesundheitsfolgenab-schätzung des Kinder- und JugendfacharztesHarald Geiger stellt sowohl für die Eltern alsauch für die Pädagog/innen im Prinzip positi-

ve Gesundheitseffekte fest. Negative Gesund-heitsfolgen gab es damals für manche älterePädagog/innen, die sich überfordert fühltensowie für Alleinerzieher/innen, denen es oftnur schwer möglich war, an dem neuen Ser-vice teilzunehmen.

• In Minihof-Liebau im Südburgenland ha-ben der Allgemeinmediziner Ernst Eicher undandere Mitglieder des Vereins „Gesunde Entscheidung Süd“ 2011 eine Gesundheits-folgenabschätzung für ein Gebäude für „betreubares Wohnen“ durchgeführt, dasvon der Gemeinde neu errichtet werden soll-te. Dieses sollte möglichst bedürfnisgerechtund gesundheitsförderlich gestaltet werden.Dafür wurden unter anderem Interviews mitälteren Menschen in der Gemeinde geführt,die selbständig wohnen und ebenso mit Be-wohner/innen eines Altersheimes sowie mitPfleger/innen. Auf dieser Basis haben die Ver-einsmitglieder Empfehlungen erarbeitet, diebeim Bau dann auch berücksichtigt wurden.

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Nachholbedarf in ÖsterreichEin derartiges kompaktes Verfahren sollauch dazu beitragen, dass das in Öster-reich künftig öfter Gesundheitsfolgen-abschätzungen durchgeführt werden.Im Vergleich zu angelsächsischen undskandinavischen Ländern oder auch denNiederlanden, wo diese Methode schongroße Bedeutung hat, gibt es in Öster-reich bisher noch wenig Erfahrungendamit. Unter Expert/innen gilt die Gesundheitsfolgenabschätzung vor

allem auch als Instrument, um dem Kon-zept „Health in all Policies“ oder auch„Gesundheit in allen Politikfeldern“mehr praktische Relevanz zu geben.Durch eine GFA werden Gesundheits-fragen in Sektoren außerhalb des Ge-sundheitssystems zum Thema, wie etwadem Infrastruktur- oder Bildungsbereich.Wenn die GFA positive Ergebnisse erbringt, liefert sie natürlich auch guteGesundheitsargumente für die Umset-zung geplanter politischer Maßnahmen.

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UMFRAGE

Christian OperschallStellvertretender Leiter der Sektion Arbeitsmarkt im Bundesministerium für Arbeit, Soziales und KonsumentenschutzDas Thema Gesundheit hat in der Arbeitswelt wesentliche Bedeutung. Wenn die Arbeit Sinn stiftet und weder über-noch unterfordert, dann kann sie selbst ein Einfluss sein, der die Gesundheit fördert. Betriebliche Gesundheitsför-derung hat das zum Ziel und ist deshalb aus unserer Sicht eines von drei Handlungsfeldern für mehr Gesundheitund längere Arbeitsfähigkeit. Ein zweites ist der Arbeitnehmer/innenschutz, der ebenfalls die Beschäftigungsfähig-keit erhalten soll. Das geschieht unter anderem durch die Bestimmungen für die Gestaltung von Arbeitsstätten undden Einsatz von Arbeitsmitteln sowie die Arbeitszeitregelungen. Nicht zuletzt ist es wesentlich, Belastungen zu reduzieren sowie die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherzustellen, falls diese bereits beeinträchtigt ist.Für erwerbstätige und arbeitssuchende Menschen, auf die das zutrifft, gibt es das Programm „fit2work“, das 2011gestartet wurde und seit 2013 in ganz Österreich angeboten wird. Es soll für betroffene Personen, aber auch fürBetriebe den Zugang zu bestehenden Angeboten für Rehabilitation, persönliches Coaching und berufliche Weiter-bildung oder zu Leistungen der Sozialversicherungen, der Arbeitsinspektion, des Sozialministeriumsservice und desArbeitsmarktservice verbessern und koordinieren. Das setzt intersektorale Zusammenarbeit voraus und für diesegeben auch das Konzept „Health in all Policies“ und die Arbeit zur Umsetzung der österreichischen Rahmen-Gesundheitsziele wesentliche Impulse.

Robert LenderLeiter des Kompetenzzentrums Jugend im Bundesministerium für Familien und JugendGesundheit steht im Zentrum der Arbeit des Bundesministeriums für Familien und Jugend (BMFJ), denn allgemein betrachtetbeschäftigen wir uns mit der Frage des gesunden Aufwachsens und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind. Dasumfasst auch dazu beizutragen, dass Eltern das Familienleben und eine berufliche Karriere besser vereinbaren können. Au-ßerdem fördern wir Maßnahmen zur Weiterbildung von Eltern, die sich zum Beispiel damit auseinandersetzen, was heute ei-ne gute Erziehung ausmacht. In der Jugendstrategie des BMFJ lautet eines von neun Zielen, dass Österreich künftig bei derGesundheit Jugendlicher unter den drei besten Ländern in der Europäischen Union liegen soll. Besonderen Handlungsbedarfgibt es unter anderem in der Prävention von Übergewicht, Essstörungen, psychischen Problemen und Gewalt. Außerdemwollen wir durch gezielte Maßnahmen in der außerschulischen Jugendarbeit die Gesundheitskompetenz von Jugendlichenerhöhen. Das bedeutet einerseits, deren Gesundheitswissen zu verbessern sowie die Fähigkeit, dieses im Alltag anzuwen-den. Andererseits geht es darum, Gesundheitsangebote für Jugendliche leicht zugänglich und verständlich zu gestalten. Die Themen Familie und Jugend sind letztlich ebenso wie das Thema Gesundheit eine Querschnittsmaterie. Das macht intersektorale Zusammenarbeit notwendig, wie sie durch den bereichsübergreifenden Rahmen-Gesundheitsziele-Prozess angeregt wurde. In Zukunft sollten auch die Synergien im Bereich der Wissenschaft besser genutzt werden. Denn die Sektoren Bildung und Gesundheit sowie Jugend und Familie beschäftigen sich oft mit ähnlichen Forschungsfragen.

Martin EderRadverkehrskoordinator im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und WasserwirtschaftUnsere Arbeit mit klimaaktiv mobil – der Klimaschutzinitiative im Verkehr – besteht darin, aktive und umweltfreundliche Mobilität zu fördern, wie zu Fuß zu gehen, Rad zu fahren oder die Öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Dadurch werdendie CO2-Emissionen verringert und die Luftqualität verbessert. Wir haben dabei immer schon die Synergien mit dem Gesund-heitsbereich gesehen. Wer aktiv mobil ist, fördert auch sein Wohlbefinden und wird seltener krank. Eine Studie aus Dänemarkbelegt, dass Menschen, die zumindest drei Stunden pro Woche Rad fahren gegenüber denjenigen, die das nicht tun, ein um28 Prozent geringeres Sterberisiko haben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat mit dem Health Economic AssessmentTool (HEAT) ein Instrument entwickelt, mit dem sich der volkswirtschaftliche Nutzen durch aktive Mobilität berechnen lässt.Dieser beträgt allein für Österreichs Radlerinnen und Radler 800 Millionen Euro pro Jahr. Für uns sind die gesundheitlichenund ökonomischen Vorteile somit ein gutes zusätzliches Argument für Umweltmaßnahmen. Das gilt auch für die Strategie„Gesundheit in allen Politikfeldern“ im Allgemeinen, die Gesundheits- sowie Umweltfragen in anderen Politikbereichen vermehrt zum Thema macht. Ganz wesentlich ist auch, dass wir unsere Wohnanlagen heute so planen sollten, dass alle wichtigen Einrichtungen mit kurzen Wegen erreichbar sind. Wie bewegungsfördernd und klimafreundlich wir unsere Sied-lungsstrukturen anlegen, wird sich auf die nächsten 100 Jahre auswirken.

Wir haben Fachleute aus den Bereichen Arbeitsmarktpolitik, Umwelt und Familie und Jugend befragt, warum Gesundheitsfragen für ihre Tätigkeit wichtig sind und welche Bedeutung

aus ihrer Sicht die Strategie „Health in all Policies“ hat?

Welche Bedeutung hat das Thema Gesundheit in Ihrem Arbeitsbereich?

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Ohne Gesundheit keine Bildungund ohne Bildung keine Ge-sundheit“, bringt Eva Mitterbau-

er, Coach für Gesundheitsförderungund Schulentwicklung, die Zusammen-hänge zwischen diesen beiden wichti-gen Politikfeldern auf den Punkt. Tat-sächlich ist der starke Einfluss von Bil-dung auf die Gesundheit durch zahl-reiche wissenschaftliche Erhebungendokumentiert (siehe auch Kasten: „Da-ten und Fakten“). Wer höher gebildetist, erfreut sich im Durchschnitt betrach-tet einer besseren Gesundheit und zeigtauch ein günstigeres Gesundheitsver-halten.Weil die Bildung so großen Einfluss aufunser Wohlbefinden hat, ist es vomKonzept „Health in all Policies“ aus-gehend von besonderer Bedeutung,dass Gesundheitsfragen in diesem Po-litikfeld Thema sind. Im Schulsystemkann im Sinne der Gesundheitserzie-hung speziell Gesundheitswissen unddie Fähigkeit, dieses im Alltag auch anzuwenden weitergegeben werden.Außerdem könne aber vor allem auch

die Art, wie die Wissensvermittlung imAllgemeinen gestaltet werde, starkeAuswirkungen auf das Wohlbefindenhaben, meint Eva Mitterbauer: „WennBildung humanistische Grundwerteweitergibt, und nicht auf eine Ausbil-dung für bestmögliches Funktionierenin der Wirtschaft reduziert wird, dannfördert sie auch jene Fähigkeiten, diefür die psychosoziale Gesundheit deseinzelnen und der Gesellschaft insge-samt wichtig sind“. Das geschehe etwa,wenn die Schüler/innen dazu hinge-führt würden, für sich und andere Ver-antwortung zu übernehmen, Empathiezu entwickeln und generell ihre sozialenKompetenzen zu erweitern. Konkretwerde das durch Lernformen wie Grup-pen- und Partnerarbeit oder „Peer Tea-ching“ gefördert, bei dem Gleichaltrigevon Gleichaltrigen lernen, erklärt EvaMitterbauer. „In den Volksschulen undNeuen Mittelschulen sind diese Methoden heute weit verbreitet und inden Berufsbildenden Schulen teilweise.

In den Allgemeinbildenden HöherenSchulen herrscht jedoch noch der Fron-talunterricht vor“, ergänzt die Wienerin,die 30 Jahre Berufserfahrung als AHS-Lehrerin hat und aktuell in der Fortbil-dung für Lehrer/innen tätig ist.

Schulen insgesamt gesund gestaltenGesundheitsförderung in der Lebens-welt Schule besteht jedoch vor allemauch darin, Ausbildungsstätten insge-samt gesundheitsförderlich zu gestalten.Es sollen also nicht nur einzelne Akti-vitäten gesetzt werden, wie etwa Er-nährungsvorträge oder zusätzliche Be-wegungsangebote. Vielmehr soll dieSchule als Gesamtorganisation weiter-entwickelt werden. Partizipation, alsomitreden und mitentscheiden zu kön-nen, ist dabei zentral. Sowohl die Lehr-kräfte und Schulleiter/innen als auchdie Schüler/innen sollen sich an einemProzess beteiligen, durch den die Schuleim Allgemeinen und speziell auch derenKernaufgaben des Lehrens und Lernens

Der Bildungsgrad hat großen Einfluss auf die Gesundheit. Lesen Sie hier, wie stark dieser Zusammenhang ist und wie Schulen insgesamt gesünder

gestaltet werden können. Text: Dietmar Schobel

Vom Zusammenhang zwischenBildung und Gesundheit

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Eva Mitterbauer:„Ohne Gesundheitkeine Bildung undohne Bildung keineGesundheit.“

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Schritt für Schritt gesundheitsförderli-cher werden sollen.Gute Möglichkeiten, Gesundheitsför-derung für die gesamte Schule zumThema zu machen, bietet unter ande-rem auch die Qualitätsinitiative für All-gemein Bildende Schulen „SchulqualitätAllgemeinbildung“ (SQA). Diese Initiative des Bundesministeriums fürBildung und Frauen wird seit 2013 inganz Österreich umgesetzt. Gesund-heitsförderung ist dabei einer von mehreren Inhalten, die im Rahmen desEntwicklungsprozesses bearbeitet wer-den können. „In Wien etwa gibt es sehrviele Schulen, die sich für dieses Themaentschieden haben“, berichtet Eva Mitterbauer, die auch das Wiener Netz-werk gesundheitsfördernder Schulen(WieNGS) aufgebaut und dieses bis2007 geleitet hat.

Praxisbeispiele aus Wien und SalzburgWieNGS unterstützt gesundheitsför-dernde Aktivitäten und Projekte an Wie-ner Schulen. Aktuell beteiligen sich rund100 der insgesamt rund 600 Ausbil-dungsstätten in der Bundeshauptstadtauf vier unterschiedlichen Niveaus da-ran. Weitere Informationen dazu sindauf www.wiengs.at nachzulesen. Derumfassenden Gesundheitsförderung im„Setting“ Schule ist auch das Programm„Gesunde Volksschule Salzburg“ ge-widmet, das von AVOS – Prävention &Gesundheitsförderung betreut wird.„Das Programm soll während zwei bisdrei Jahren an den beteiligten Schuleneingeführt werden, die dabei von unsbegleitet werden“, erklärt Angelika Bu-kovski, stellvertretende Geschäftsführerinvon AVOS und dort auch für den Be-reich Bildungseinrichtungen zuständig.Dies soll in enger Abstimmung mit derbereits erwähnten Initiative „Schulqua-lität Allgemeinbildung“ geschehen, unddanach soll es an den Schulen nachhaltigverankert sein. Im Fokus des Salzburger Programmsstehen die Themen Ernährung, Bewe-gung, psychosoziale Gesundheit undLebenskompetenz, materielle Umweltund Sicherheit sowie Lehrer/innenge-sundheit. Innerhalb des Bereichs Ernäh-rung wird zum Beispiel die gesundheit-

liche Qualität der Schulverpflegung ana-lysiert und in der Folge die Entwicklungeiner eigenen Esskultur an der jeweili-gen Schule unterstützt. Weitere wichtigeThemen sind etwa „bewegter Unter-richt“ oder wie die Kinder zwischenden Unterrichtsstunden zu Bewegungangeregt werden können. Außerdemsollen die Kinder ihre Pausen insgesamtmöglichst sinnvoll verbringen. Expertenund Expertinnen helfen den Schulendabei, die Pausenräume dementspre-chend zu gestalten. Im Bezug auf dieGesundheit der Lehrkräfte geht es zumBeispiel darum, dass deren Arbeitsplätzesowie vor allem auch die Arbeitsabläufeund -strukturen möglichst gesundheits-förderlich sein sollen.

Gütesiegel für gesunde SchulenNachdem das Programm währendzwei bis drei Jahren eingeführt wurde,kann das Gütesiegel „Gesunde Volks-schule Salzburg“ verliehen werden.Dieses ist zwei Jahre gültig und wirdverlängert, falls die Schulen nach-weisen, dass sie weiterhin alle Kriteriendafür erfüllen. 24 der insgesamt 183Volksschulen im Land Salzburg habendas Gütesiegel bereits erhalten und jähr-lich sollen künftig jeweils 15 neue da-zukommen. gesundeschule.salzburg.atenthält weitere Informationen dazu.Für Neue Mittelschulen (NMS) gibt esdas Programm „Bewegte und GesundeSchule“, das den Schwerpunkt des Ent-wicklungsprozesses auf körperliche Ak-tivität legt. Bisher konnten 13 der ins-gesamt 71 NMS im Land Salzburg mitdem entsprechenden Gütesiegel aus-gezeichnet werden. „Bildung hat einen wesentlichen Ein-fluss auf Gesundheit und umgekehrtschafft die gesundheitsförderliche Gestaltung von Schulen natürlich auchgünstigere Voraussetzungen für Bildung, denn gesunde Schüler lernenbesser und gesunde Lehrer lehren besser“, hebt auch Angelika Bukovskiden engen Zusammenhang zwischendiesen beiden gesellschaftlichen Berei-chen hervor und betont: „Dieser wech-selseitige Nutzen muss für die Schulenerkennbar gemacht werden, damit siesich nachhaltig für Gesundheitsförde-

Je nach Bildungsniveau gibt es starke Un-terschiede im Bezug auf den Gesundheits-zustand und das Gesundheitsverhalten.Dieser Zusammenhang ist in zahlreichenErhebungen nachgewiesen. So können et-wa Männer, die eine Höhere Schule oderHochschule abgeschlossen haben, im Altervon 65 Jahren laut Angaben von StatistikAustria noch mit 12,6 weiteren Lebensjah-ren bei guter Gesundheit rechnen. FürPflichtschulabsolventen beträgt dieser Wertnur 6,7 Lebensjahre, also um rund sechsJahre weniger. Für Frauen sind die ent-sprechenden Vergleichswerte 11,1 gegen-über 7,5 Jahren. Gleichzeitig ist bekannt,dass die „Bildungsmobilität“ in Österreichgering ist. 41 Prozent der 15- bis 34-Jähri-gen aus einem akademischen Elternhauserreichen ebenfalls einen akademischenAbschluss. Das trifft hingegen nur auf fünfProzent derjenigen zu, deren Eltern maxi-mal eine Pflichtschule absolviert haben.

DATEN UND FAKTEN

Angelika Bukovski: „Der Nutzen von Gesund-

heitsförderung muss für die Schulen erkennbargemacht werden, damit sie sich nachhaltig dafür

engagieren.“

rung engagieren. Dann ist es auch mög-lich, bereichsübergreifend zusammen-zuarbeiten, von vielen Synergien zuprofitieren und sich gemeinsam für guteund gesunde Schulen einzusetzen.“ Das geschieht nicht zuletzt auch imRahmen des Kapazitätenaufbaus fürdas schulische Setting durch den FondsGesundes Österreich (FGÖ), bei demversucht wird, speziell auch die Direk-torinnen und Direktoren als Entschei-dungsträger/innen in den Schulen zuerreichen. Auch 2015 haben pädagogi-sche Hochschulen die Möglichkeit, Ge-sundheitsförderungsseminare zumThema „Grundlagen der Gesundheits-förderung“ und „Gesundes Führen“im Rahmen der Fortbildungskoopera-tionen mit dem FGÖ durchzuführen.

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WISSEN

Offene Jugendarbeit in Jugend-zentren sowie durch Streetwor-ker macht konkrete Gesund-

heitsangebote, wie etwa Koch- undSportworkshops sowie Beratung zumThema Verhütung oder bei psychischenProblemen. Vor allem ist sie aber auchinsgesamt gesundheitsförderlich, wennGesundheit umfassend als körperli-ches, geistiges und soziales Wohlbe-finden verstanden wird“, betont DanielaKern-Stoiber,die Geschäftsführerin vonbOJA, dem bundesweiten Netzwerkfür Offene Jugendarbeit und weist da-rauf hin, dass jeder der vier zentralenTätigkeitsbereiche von Jugendarbeit,nämlich Bildungs-, Kultur-, Sozial- undGesundheitsarbeit, wesentlich zumWohlbefinden von Jugendlichen bei-tragen könne. Insgesamt gehe es da-rum, einen sicheren Rahmen zu schaf-fen, in dem Jugendliche Entwicklungs-schritte machen können.

Jugendzentren sind offene Räume, oh-ne Konsumationspflicht, und das Spek-trum der vielfältigen Möglichkeiten,die sich Heranwachsenden hier bieten,reicht von Konzerten und kostenlosnutzbaren Proberäumen über Nach-hilfeunterricht bis zu Einzelberatungenin Krisensituationen. „Wichtig ist, dassalle Angebote freiwillig genutzt werdensollen“, sagt Daniela Kern-Stoiber:„Deshalb müssen die Sozialarbeiter/in-nen und anderen Fachleute, welche

diese gestalten, kreativ und ideenreichsein und dürfen keinen Druck oderZwang ausüben.“

Jugendarbeiter sind „Role Models“Das gilt speziell auch in Gesundheits-fragen. „Wer Jugendlichen zum Bei-spiel zum zehnten Mal erklärt, wie ge-sundheitsschädlich Rauchen ist, wirdkeinen Erfolg haben“, weiß die Ge-schäftsführerin von bOJA. Was hinge-gen tatsächlich einen gesundheitlichpositiven Einfluss haben könne, sei die

Funktion der Jugendarbeiter/innenals Vorbilder oder auch „Role Models“.Anders gesagt: Wenn Sozialarbeiterin-nen oder Sozialarbeiter „coole Nicht-raucher/innen“ sind, steigt die Wahr-scheinlichkeit, dass auch Teenagernicht zum Glimmstängel greifen. Dasgilt natürlich ebenfalls, wenn glaubhaftvorgelebt wird, dass extremes Body-building nicht die einzige Möglichkeitist, auf seine Fitness zu achten. Oderwenn vorgezeigt wird, dass gutes Aussehen nicht unbedingt in jenem Fo

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Jugendarbeit ist Gesundheitsförderung

Außerschulische Jugendarbeit kann in vielerlei Hinsicht gesundheitsförderlich sein.Ein Projekt soll dafür sorgen, dass Jugendzentren und -informationsstellen sowie

die mobile Jugendarbeit noch gezielter Gesundheitskompetenz vermitteln. Text: Dietmar Schobel

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vermeintlichen Schönheitsideal be-steht, das die Modewerbung in Formvon Models mit stark unterdurch-schnittlichem Gewicht präsentiert.Ein Projekt soll den Jugendarbeiter/in-nen nun die zahlreichen gesundheits-förderlichen Aspekte ihrer Tätigkeitstärker bewusst machen und gleich-zeitig dafür sorgen, dass die Synergienzwischen Jugendarbeit und Gesund-heitsförderung gezielter genutzt wer-den. Es wird bis 2017 in Salzburg, derSteiermark und Tirol in Organisationender Offenen oder auch außerschuli-schen Jugendarbeit wie Jugendzentren,Jugendtreffs und Einrichtungen fürmobile Jugendarbeit sowie in den Ju-gendinformationsstellen umgesetzt.Ein Ziel ist, die „Gesundheitskompe-

tenz“, von Jugendlichen zu erhöhen.Laut einer 2013 veröffentlichten Studiedes Ludwig Boltzmann Institutes Health Promotion Research mit rund600 Befragten ist diese bei rund 56 Pro-zent der 15-Jährigen in Österreich „pro-blematisch“ oder „inadäquat“. Dasheißt, dass sie zum Beispiel angeben,die Hinweise auf Lebensmittelverpa-ckungen, Gesundheitsinformationenin der Zeitung oder Auskünfte ihrerÄrztin oder ihres Arztes nicht gut ver-stehen zu können. Allgemein wird unter „Gesundheitskompetenz“ dieFähigkeit verstanden, Gesundheitsin-formationen sammeln, bewerten undim Alltag auch anwenden zu können.

Jugendeinrichtungen werden „gesundheitskompetent“Ein zweites Ziel ist, dass die Organisa-tionen selbst „gesundheitskompetent“werden, und Gesundheitsinformationenin einer Form kommunizieren, die fürJugendliche leicht verständlich ist. Beidem Projekt soll deshalb zunächst inden beteiligten Einrichtungen gemein-sam mit den Beschäftigten und den Ju-gendlichen erhoben werden, welcheThemen mit Gesundheitsbezug dort ei-ne Rolle spielen und wie diese am bestenvermittelt werden können. Die Initiativewird vom Fonds Gesundes Österreich,

Daniela Kern-Stoiber: „Offene Jugendarbeit ist insgesamt gesundheitsförderlich.“

dem Bundesministerium für Familienund Jugend, sowie dem Bundesminis-terium für Landesverteidigung undSport unterstützt. „Die Erkenntnissesollen in Leitfäden festgehalten und inPraxisprojekten angewendet werden,um sie schließlich auch auf andere Ein-richtungen für Offene Jugendarbeit undJugendinformationsstellen übertragenzu können“, sagt Daniela Kern-Stoiberzusammenfassend.

Jugendliche vor dem Jugendzentrum „Graf Hugo“ in Feldkirch am Tag der Offenen Jugendarbeit 2015

In Österreich gibt es über 600 Einrichtun-gen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit,die rund 2.000 Fachkräfte hauptamtlichbeschäftigen. bOJA, das bundesweite Netz-werk Offene Jugendarbeit vertritt seit 2009österreichweit deren Anliegen. Im sechsten„Bericht zur Lage der Jugend in Öster-reich“ des Bundesministeriums für Wirt-schaft, Familie und Jugend aus dem Jahr2011 werden die Ergebnisse einer Erhe-bung in 60 Jugendzentren wiedergegeben.Diese zeigt, dass das Kernpublikum zwi-schen 13 und 16 Jahren alt ist. In zwei-ter Linie sind jüngere Kids zwischen zehnund zwölf Jahren sowie Jugendliche bis 18Jahre die Besucherinnen und Besucher. Teil-weise sind auch junge Erwachsene ab 19Jahren noch „häufig“ oder „sehr häufig“in Jugendzentren. Die Besucher/innen blei-ben meist zwischen zwei und vier Stunden.Insgesamt sind die Jugendzentren stärkerOrte für männliche Jugendliche. 91Prozent der befragten Mitarbeiter/innengeben an, dass mehr männliche als weibli-che Nutzer/innen in ihre Einrichtung kom-men. Bei etwa einem Drittel der Jugend-zentren machen Jugendliche mit Migrati-onshintergrund mehr als die Hälfte derBesucher/innen aus. Das kleinste unter den60 Jugendzentren, in denen die Erhebungdurchgeführt wurde, hat eine Fläche von40 Quadratmetern, das größte 2.000 Qua-dratmeter. 40 Prozent der Einrichtungenstehen mehr als 200 Quadratmeter zur Ver-fügung. Die grundlegende Methode ist der„offene Betrieb“ und die Jugendzentrenverstehen sich als „Treffpunkte“. Vielfachwerden auch Projekte durchgeführt. Insge-samt wurden 247 genannt, am häufigstensolche zum Thema Sport und Bewegung.

DATEN UND FAKTEN ZUJUGENDZENTREN

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mehr Kooperation an den Schnittstellen zumGesundheitssystem notwendig, sowie mit demEingliederungsbereich, also mit den Institutio-nen, die für die Integration von Menschen mitBehinderung zuständig sind. Vereinfacht aus-gedrückt, brauchen wir Vernetzung statt Ver-säulung.

GESUNDES ÖSTERREICHKönnen Kinder und Jugendliche inDeutschland heute gesund aufwachsen?Die große Mehrheit wird ja durch das beste-hende System von Familien und Schulen ganzgut ins Leben eingeführt, und sie wachsen un-ter gesundheitsförderlichen sozialen Rahmen-bedingungen auf. 20 Prozent der Kinder undJugendlichen in Deutschland, also ein Fünftel,gehören jedoch Risikogruppen an. Das sindvor allem Kinder und Jugendliche aus benach-teiligten Lebenslagen, also aus Familien mitgeringem Bildungsgrad, geringem Einkommenoder mit Migrationshintergrund. Diese Heran-wachsenden haben sehr häufig auch einen imDurchschnitt schlechteren Gesundheitszu-stand. Insgesamt war bei Kindern und Jugend-lichen in den vergangenen Jahrzehnten eineVerschiebung von akuten zu chronischenKrankheiten und von somatischen zu psy-chischen Auffälligkeiten zu beobachten.

GESUNDES ÖSTERREICHWelche Rolle spielt die Gesundheits-förderung bereits in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland?Gesundheitsförderung steht mittlerweile in al-len Handlungsfeldern der Kinder- und Jugend-hilfe auf der Tagesordnung. Allerdings gibt eszu viele einzelne Projekte und große Qualitäts-unterschiede. Wir bräuchten klare Kriterien, an

denen sich Projekte orientieren können sowiemehr wissenschaftliche Evaluationen, um fest-zustellen, welche Angebote tatsächlich die er-wünschten Wirkungen bringen.

GESUNDES ÖSTERREICHWo und wie sollte in der Praxis vor allem angesetzt werden?Die Weichen für eine gesunde Entwicklungwerden früh gestellt. Frühe Hilfen, die sich anSchwangere und Eltern von Kleinkindern wen-den, haben deshalb besondere Bedeutung. EinBeispiel ist das Angebot der Familienhebam-men, die zu jungen Familien kommen, unddiese kostenlos zu Fragen der Säuglingspflegeberaten. An manchen Orten werden bis zu 30Besuche bezahlt. „Familienpaten“ sind ehren-amtlich Mitarbeitende, die regelmäßig Kontaktzu Familien halten, die von der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt „Eltern Talk“, das inBayern entwickelt wurde: Familien mit Migra-tionshintergrund können andere Familien zusich nach Hause einladen, um in einem moderierten Gespräch über Erziehungs-probleme zu sprechen. Diese Elternkreisewerden professionell begleitet.

Der deutsche Sozialpsychologe Heiner Keuppim Interview über Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe und die nachteiligen Folgen der „Versäulung“ von Institutionen.

Foto: Klaus Ranger

Vernetzung statt Versäulung

GESUNDES ÖSTERREICHIst Kinder- und Jugendhilfe Gesundheitsförderung?Heiner Keupp: Über die Strukturen der Kin-der- und Jugendhilfe wird vorwiegend Kontrol-le ausgeübt, und das ist nicht unbedingt Ge-sundheitsförderung. Die Kinder- und Jugend-hilfe könnte jedoch vermehrt auf Ziele der Ge-sundheitsförderung orientiert werden, vor al-lem wenn Gesundheit im Sinne der Weltge-sundheitsorganisation WHO als umfassendeskörperliches, geistiges und psychosozialesWohlbefinden verstanden wird. In Deutsch-land hat das derzeit in der öffentlichen Diskus-sion wachsende Bedeutung. Dies auch im Zu-sammenhang zum Thema „Inklusion“, alsowie wir erreichen können, dass möglichst alleMenschen gleichermaßen an der Gesellschaftteilhaben können. Eine wichtige Vorausset-zung auf der praktischen Ebene wäre, dass wirdie „Versäulung“ der beteiligten Institutionenüberwinden.

GESUNDES ÖSTERREICHWas ist damit gemeint?Damit wird die Ansicht bezeichnet, dass be-stimmte „Säulen“ des Gesellschaftssystemsauch nur für bestimmte, genau abgegrenzteFragen zuständig sein sollen, also zum Beispieldie Kinder- und Jugendhilfe ausschließlich da-für, Kinder vor Vernachlässigung, Missbrauchoder den Folgen von Armut zu schützen. Lautdem deutschen Sozialgesetzbuch ist es jedochauch Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, al-le Heranwachsenden in ihrer individuellen undsozialen Entwicklung zu fördern. Das lässt sichgut mit dem Ansatz der Gesundheitsförderungverbinden. Wenn wir eine neue Art von Kin-der- und Jugendhilfe aufbauen wollen, ist

Der Sozialpsychologe Heiner Keupp (72)war Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist Herausgeberdes 13. Kinder- und Jugendberichts derDeutschen Bundesregierung, der 2010 inden deutschen Bundestag eingebrachtwurde.

ZUR PERSON

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Fotos: WiG, IFZ

Ingrid Spicker: „Wir wollen vor allem diejenigen erreichen, bei denen der Bedarf am größten ist.“

Elisabeth Kapferer: „Österreich istein reiches Land und dennoch lebensehr viele Menschen unter uns, dievon Armut betroffen sind.“

lung „Gesunde Organisationen/GesundeRegionen“ bei der Wiener Gesundheitsför-derung und ergänzt: „Das ist allerdings inder Praxis oft nicht einfach. Häufig wird mitgesundheitsförderlichen Angeboten genauder gegenteilige Effekt erzielt. Sie werdenüberdurchschnittlich oft von höher gebilde-ten Menschen genutzt, die ohnehin schonauf ihre Gesundheit achten.“ Die WienerGesundheitsförderung versucht dies durchniederschwellige Maßnahmen zu ändern,die für die Zielgruppe der sozial Benachtei-ligten „maßgeschneidert“ werden. Ein Pra-xisbeispiel ist etwa, dass mit Teenagern undJugendzentren aktuell „Jugendgesundheits-konferenzen“ in mehreren Wiener Bezirkenabgehalten werden, bei denen sich 12- bis19-Jährige mehrere Monate lang mit demThema Gesundheit auseinandersetzen (sie-he auch Kurzbericht auf Seite 41). Oder dassBewohnerinnen und Bewohner von Ge-meindebauten zu ehrenamtlichen Gesund-heitsbeauftragten geschult wurden, die ge-sundheitliche Anliegen von Menschen in ih-rer Wohnumgebung aufgreifen und die Um-setzung von kleineren Initiativen unterstüt-zen sollen.

Vernetzungsgruppe des aks austriaWie „Gesundheitsförderung für sozioöko-nomisch Benachteiligte“ generell am bestengestaltet werden kann, ist auch Thema einerVernetzungsgruppe des aks austria, des Forums österreichischer Gesundheitsarbeits-kreise. Diese trifft sich zweimal pro Jahr zu Arbeitssitzungen und wird von Ingrid Spicker koordiniert. Die Gruppe soll denAustausch von Know-how und Praxiserfah-rungen fördern. Dazu zählt, dass ressort-

übergreifende Zusammenarbeit von Sekto-ren wie dem Gesundheits-, Sozial- und Bil-dungswesen im Sinne des Konzeptes Healthin all Policies von besonderer Bedeutung ist,wenn es darum geht, sozial Benachteiligteerfolgreich zu erreichen. Die Vernetzungs-gruppe hat sich unter anderem schon syste-matisch mit den gesundheitlichen Bedürfnis-sen von Alleinerzieher/innen, Älteren, Wohnungslosen oder erwerbsarbeitslosenMännern befasst. „Wer gesundheitsförderliche Maßnahmenfür sozial Benachteiligte anbieten will, solltediejenigen miteinbeziehen, die bereits mitdieser Zielgruppe arbeiten und deren Be-dürfnisse kennen. Das können zum BeispielMigrationsexpert/innen sein oderVertreter/innen der Obdachlosenhilfe oderder Jugendhilfe“, betont auch ElisabethKapferer und ergänzt: „Doch für Menschenaus dieser Gruppe kann Gesundheitsförde-rung oft auch schon darin bestehen, sie da-bei zu begleiten, besseren Zugang zur Ge-sundheitsversorgung zu erhalten.“

Wer weniger verdient und weniger gebildet ist, ist auch häufigweniger gesund – und nimmt seltener gesundheitsfördernde Angebote in Anspruch. Durch neue Zugänge sollen die Menschenmit dem höchsten Bedarf besser erreicht werden. Text: Dietmar Schobel

Die Menschen mit demgrößten Bedarf erreichen

Österreich ist ein reiches Land und den-noch leben sehr viele Menschen unteruns, die von Armut betroffen sind“,

sagt Elisabeth Kapferer, Wissenschafterin amZentrum für Ethik und Armutsforschung derUniversität Salzburg. Laut den aktuellen Zahlenaus der Erhebung EU-SILC (European UnionStatistics on Income and Living Conditions)sind 14 Prozent der Österreicher/innen „ein-kommensarm“. Das heißt, dass sie wenigerals 60 Prozent des Mittelwertes der Einkom-men in Österreich zur Verfügung haben. Füreine alleinstehende Person liegt diese statis-tische „Armutsschwelle“ zum Beispiel bei1.104 Euro. Fünf Prozent sind „manifest arm“.Das heißt, dass neben dem geringen Einkom-men zusätzlich mindestens drei von neun Ar-mutsanzeichen auf sie zutreffen, etwa, dasssie die Wohnung nicht angemessen warm hal-ten oder die Miete oder Gebühren nicht recht-zeitig begleichen können.Wer über wenig Einkommen verfügt, ist imDurchschnitt auch weniger gesund. Datender Statistik Austria zeigen, dass armutsge-fährdete Menschen im Vergleich zur Bevöl-kerungsgruppe mit dem höchsten Einkom-men doppelt so häufig angeben, dass ihrGesundheitszustand „schlecht“ oder „sehrschlecht“ ist. Menschen, die durch geringe-res Einkommen, aber auch geringere Bil-dung, geringeren beruflichen Status oder ei-nen Migrationshintergrund gesundheitlichbenachteiligt sind, sind daher eine wichtigeZielgruppe für Gesundheitsförderung.

Maßnahmen nach Maß„Wir wollen vor allem diejenigen erreichen,bei denen der Bedarf am größten ist“, be-tont Ingrid Spicker, die Leiterin der Abtei-

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Fotos: STGKK

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Helga Pesserer: „Wir wollen dieLebens- und Arbeitswelten in den beteiligten Gemeinden insgesamt gesundheitsförderlicher gestalten.“

Johannes Kogler: „Es war zunächstnicht einfach, Kleinbetriebe zu finden,die mitmachen.“

heitsförderung. Gesamtthema sind „Familien-und Erwerbsarbeit“, und was für deren besse-re Vereinbarkeit getan werden kann.

Zwölf Kleinbetriebe nehmen teilAn den Prozessen zur Betrieblichen Gesund-heitsförderung haben sich das Gemeindeamtin Großsteinbach, der Bauhof und das Ge-meindeamt in Burgau, zwei Kindergärten inBad Blumau und der Städtische Kindergartenin Fürstenfeld beteiligt. Außerdem konntenzwölf private, gewerbliche Kleinbetriebe ausdiesen Gemeinden für das Projekt gewonnenwerden – vom kleinen Hotel mit vier und Kfz-Betrieben mit fünf Beschäftigten über eineApotheke mit 17 bis zu einem Reinigungs-betrieb mit 50 Mitarbeiter/innen.In den Unternehmen wurde eine kompakteForm der Betrieblichen Gesundheitsförde-rung durchgeführt, die aus drei halbtägigenWorkshops besteht: Einem Arbeitskreis fürMitarbeiter, einem Gesundheitsgespräch fürFührungskräfte und schließlich einem Zu-sammenführungsworkshop. Insgesamt gehtes darum, die Arbeitsabläufe und die Zusam-menarbeit möglichst gesundheitsförderlichzu gestalten. Bei den Workshops wurde spe-ziell auch angesprochen, was für Beschäftig-te getan werden kann, die durch Kinderbe-treuung oder die Pflege älterer Menschenzusätzlich belastet sind. „Es war zunächstnicht einfach, Kleinbetriebe zu finden, diemitmachen. Diejenigen, die sich dafür ent-schieden haben, haben die Angebote der Be-trieblichen Gesundheitsförderung jedoch in-zwischen sehr zu schätzen gelernt“, freutsich Johannes Kogler vom Fachbereich PublicHealth und Gesundheitsförderung der Steier-märkischen Gebietskrankenkasse.

Initiativgruppen in den GemeindenAuf der Ebene der Gemeinden wurden „Ini-tiativgruppen“ für interessierte Bürger/innenund Vertreter/innen aus Betrieben eingerich-tet. Gemeinsam haben sie sich unter ande-rem damit befasst, welche Angebote in denBereichen Pflege und Kinderbetreuungschon vorhanden sind, und was noch ver-bessert werden kann. Viele der Ideen wur-den auch verwirklicht. „Eine Maßnahme istetwa, dass der dafür zuständige Ansprech-partner des regionalen Gesundheitszentrumsim Landeskrankenhaus Hartberg nun auchvor Ort in Fürstenfeld regelmäßig Sprech-stunden zu Themen wie Versorgung undPflege nach Spitalsentlassungen abhält. Daswird sehr gut angenommen“, berichtet Johannes Kogler.Manchmal können auch kleine Verände-rungen viel bewirken. So hat etwa bei derTreppe ins Strandbad in Burgau einHandlauf gefehlt. Dieser wurde ange-bracht, und jetzt können auch ältere Men-schen sicher ins Schwimmbecken steigen. Außerdem wurde eine regionale Plattformetabliert, über welche die Gemeinden Erfahrungen zu den Themen Pflege undKinderbetreuung sowie Nachbarschaftshil-fe austauschen können. „Dabei ist zumBeispiel die Idee entstanden, einengemeinsamen Gesundheitspass der Ge-meinden zu entwickeln und für die Aktivi-täten zur Betreuung von Kindern währendder Sommerferien einen Ferienpass“, berichtet Helga Pesserer. Die Zusammenar-beit über die Gemeindegrenzen hinwegsoll in Zukunft noch verstärkt werden. DasZiel dabei: die gesamte Region weiterhinnoch lebenswerter zu gestalten.

Ein Projekt in der Oststeiermark verbindet Gesundheits-förderung in Gemeinden und Betriebliche Gesundheits-förderung zu einem Konzept, das die gesamte Region Fürstenfeld lebenswerter machen soll.

Wie eine steirische Region noch lebenswerter werden soll

Iwü ham noch Fürstenföd“, den Hit der stei-rischen Band STS kennt jeder über 40. EinProjekt zur Gesundheitsförderung beschäftigt

sich seit November 2013 damit, wie die Stadt-gemeinde in der Oststeiermark und einige um-liegende Ortschaften noch lebenswerter gestaltetwerden können. Neben Fürstenfeld mit rund8.400 Einwohner/innen sind das Bad Blumaumit rund 1.600, Großsteinbach mit rund 1.300und Burgau mit rund 1.100 Einwohnerinnenund Einwohnern.„Wir wollen dazu beitragen, die Lebens- undArbeitswelten in den beteiligten Gemeindeninsgesamt gesundheitsförderlicher zu gestal-ten“, erklärt Helga Pesserer, die Leiterin desProjekts „Lebenswerte Region Fürstenfeld“,das von Styria vitalis und dem regionalen Unternehmensnetzwerk RUN entwickelt wur-de und vom Fonds Gesundes Österreich un-terstützt wird. Dabei werden zwei Strategienangewendet: Einerseits das bewährte Kon-zept der Betrieblichen Gesundheitsförderung,andererseits jenes der regionalen Gesund-

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Helmut Mödlhammer: „Alles, was die Gemeinden leisten,kommt direkt bei den Bürgerinnenund Bürgern an.“

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wand viel erreicht werden kann, und siewird schon in etlichen Gemeinden umge-setzt, unter anderem auch im SalzburgerLand. Sie soll dazu beitragen, dass sichKinder mehr bewegen, und dafür werdenein kurzes Stück vor den Schulen so ge-nannte „Elternhaltestellen“ eingerichtet.Hier können die Eltern ihre Kinder abset-zen und diese können den restlichen Wegdann sicher zu Fuß zurücklegen.

GESUNDES ÖSTERREICHWelche weiteren Arbeitsbereiche der Gemeinden sind aus gesundheit-licher Sicht besonders wichtig?Die Gemeinden sind auch für Straßen undWege zuständig und sollten diese so anle-gen, dass es erleichtert wird, im Alltag zuFuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren.Außerdem beschäftigen die Kommunenrund 75.000 Bedienstete, für die gezielteMaßnahmen der Betrieblichen Gesund-heitsförderung angeboten werden können.Weiters betreiben viele Gemeinden Heimefür Senior/innen, und das sollte ebenfallsin einer Form geschehen, welche die Ge-sundheit der Bewohner/innen und Be-schäftigten fördert. Die Bürgermeister/in-nen spielen eine besondere Rolle. Wenn siemöglichst gesund leben, kann das für vieleeine Vorbildwirkung haben.

GESUNDES ÖSTERREICHFühren die meisten Ortschefs solchein gesundes Leben?Das ist in diesem Stressberuf tatsächlichnicht ganz einfach. Keine andere politischeFunktion ist so fordernd. Hier tragen dieSeminare für Bürgermeister/innen des

Fonds Gesundes Österreich viel dazu bei,sich gezielt und systematisch damit aus-einanderzusetzen, wo und wie Gesundheitentsteht, wie jene der Gemeindebürger/in-nen verbessert werden kann, und was manfür das eigene Wohlbefinden tun kann.

GESUNDES ÖSTERREICHWelche Bedeutung haben die Initiati-ven für „gesunde Gemeinden“?Durch diese Initiativen sollen Ortschafteninsgesamt gesünder werden. Sie werdenmit guten Erfolgen in verschiedenen Bun-desländern durchgeführt. Doch es gibtauch Gemeinden, die unter dem Aspektder „Familienfreundlichkeit“ für mehr Le-bensqualität sorgen. Der Zugang ist ausmeiner Sicht zweitrangig, so lange in derPraxis etwas für das Wohl der Menschengetan wird. Gerade in kleineren Gemein-den ist übrigens auch eine gute Basis fürdie soziale Gesundheit der Einwohnerin-nen und Einwohner vorhanden. Hier sinddie Abläufe noch durchschaubar und dieGemeinschaft ist überschaubar.

Helmut Mödlhammer, der Präsident des österreichischen Gemeindebundes, im Interview über die umfassenden Dienste derGemeinden für die Bürger/innen und weshalb diese Leistungen

gesundheitsförderlich gestaltet werden sollten.

Foto: Klaus Ranger

Die Gemeinden leisten viel für die Gesundheit

der Bürgerinnen und Bürger

GESUNDES ÖSTERREICHHerr Präsident Mödlhammer, dasKonzept „Health in all Policies“ besagt, dass Gesundheit durch dieBedingungen in allen Bereichen desLebens beeinflusst wird. Welche Bedeutung hat dieser Ansatz aufEbene der Gemeinden?Helmut Mödlhammer: Alles was die Ge-meinden tun, kommt direkt bei den Bürge-rinnen und Bürgern an. Deshalb ist es vonbesonderer Bedeutung, dass die umfang-reichen Leistungen der Kommunen auchmöglichst gesundheitsförderlich gestaltetwerden. Das gilt speziell im Bezug auf die4.500 Pflichtschulen und 3.380 Kindergär-ten, die von österreichischen Gemeindenerhalten werden. Denn es ist wichtig, mög-lichst früh mit gesundheitsförderlichenMaßnahmen zu beginnen, da im Alter vonder Geburt bis zu etwa zehn Jahren vieleVerhaltensweisen nachhaltig geprägt wer-den. Kindern und Jugendlichen sollte unteranderem vermittelt werden, dass Rauchen„uncool“ ist, und es sollte bereits in jun-gen Jahren ein Bewusstsein für gesundeErnährung und die große Bedeutung kör-perlicher Aktivität geschaffen werden.Das wird immer wichtiger, denn zuneh-mend mehr Kinder verbringen viel zu vielZeit vor dem Computer sitzend oder mitdem Smartphone. Dazu muss ein Ausgleichgeschaffen werden.

GESUNDES ÖSTERREICHWas ist ein praktisches Beispiel dafür?Ein Beispiel unter vielen ist „Kiss and Go“.Diese Initiative zeigt, wie mit wenig Auf-

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Helmut Mödlhammer (63) war Chef-redakteur der Salzburger Volkszeitung, Ab-geordneter zum Salzburger Landtag und28 Jahre lang Bürgermeister von Hallwangim Salzburger Land. Er ist seit 1999 Präsi-dent des Österreichischen Gemeindebun-des, der die Interessen von 2.089 der2.100 österreichischen Gemeinden vertritt.

ZUR PERSON

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Fotos: priva

t, Verein dörfliche Lebensqualität u

nd Nahversorgung

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Kennen Sie das „Ochsenlädele“in Bildstein, den „Dorfladen“in Sulzberg-Thal oder den

„Konsumverein“ in Sonntag? Diedrei Geschäfte haben etwas gemein-sam: Sie sind klein, aber fein und si-chern die Nahversorgung in Vorarl-berger Gemeinden mit weniger als1.000 Einwohner/innen. Rund 720sind es in Bildstein über dem Rhein-tal, rund 680 in Sonntag im GroßenWalsertal und rund 370 in Sulzberg-Thal am Eingang zum Bregenzer-wald.„In kleineren Ortschaften sind dieNahversorger meist viel mehr alsnur eine Einkaufsmöglichkeit“, be-tont Karl-Heinz Marent, der Ge-schäftsführer des Vereins dörflicheLebensqualität und Nahversorgungin Vorarlberg. In den vergangenenJahren haben viele Dorfgasthäuserihre Pforten für immer geschlossen,und jetzt sind die Läden mit ihrenKaffee-Ecken oft der letzte Ort, andem noch miteinander getratschtwerden kann – oder „g’schwätzt“,wie das im Ländle heißt. Deshalbsind sie nicht nur für weniger mobileMenschen unersetzlich. „Hier findetdas Dorfleben noch statt – und wennStammkunden einmal nicht kom-men, macht sich das Personal Sorgenum sie“, weiß Karl-Heinz Marent.

Dorfläden bringen Lebensqualität60 Prozent der insgesamt 96 Gemein-den in Vorarlberg haben weniger als

3.000 Einwohner/innen. Weil die Lä-den für die Lebensqualität in Dörfernso wichtig sind, haben mehrere Bür-germeisterinnen und Bürgermeister2008 den erwähnten Verein gegrün-det. Obmann ist Ludwig Mähr, derAlt-Bürgermeister von Düns. DemVerein gehören inzwischen 40 Ge-meinden an und er kooperiert mit50 Nahversorgern. Zu diesen zählenGenossenschaften mit einem Ge-schäftsführer ebenso wie selbstän-dige Kaufleute, Bäcker oder Metzgermit angeschlossenem Lebensmittel-geschäft. Viele von ihnen machen in-zwischen mit einem einheitlichenLogo auf sich aufmerksam. Für diemeisten Läden ist es trotzdem nichteinfach, wirtschaftlich zu überleben,und in Gemeinden unter 1.000 Ein-wohner/innen ist das eigentlich

schon rein rechnerisch kaum mög-lich. Das Land Vorarlberg und dieStandortgemeinden fördern dieDorfläden deshalb im Durchschnittmit knapp 12.700 Euro pro Jahr.

Gesundheitsbeauftragte für die GemeindenDie Funktion des Vereins für den so-zialen Zusammenhalt und die Ge-sundheit insgesamt in den Dörfernkönnte im Rahmen eines Projekteskünftig sogar noch ausgebaut wer-den, meint Karl-Heinz Marent: „DasZiel wäre, dass es in jeder der betei-ligten Ortschaften einen Gesund-heitsbeauftragten der Gemeindegibt.“ Dieser soll Bürgerinnen undBürger, bei denen möglicherweiseein Bedarf besteht, über die vorhan-denen Möglichkeiten für professio-nelle soziale und gesundheitlicheUnterstützung im Land Vorarlberginformieren. „Außerdem sollen dieseAngebote mit ehrenamtlichen Diens-ten in den Gemeinden verknüpftwerden“, erklärt Karl-Heinz Marentund ergänzt: „Die betroffenen Bür-gerinnen und Bürger sollen aberauch auf die Möglichkeit aufmerk-sam gemacht werden, selbst durchehrenamtliche Tätigkeiten mehr amDorfleben teilzunehmen – zum Bei-spiel bei Vereinen, der FreiwilligenFeuerwehr oder auch durch Arbeitenfür die Gemeinde. So könnte die so-ziale Kraft des Dorfes noch bessergenutzt werden.“

Ein Verein in Vorarlberg setzt sich für das Überleben derDorfläden ein – und damit auch für soziale Gesundheit.Denn in Kleingemeinden sind die Nahversorger oft die letzten Treffpunkte für die Dorfgemeinschaft. Text: Dietmar Schobel

Die soziale Kraft des Dorfes nutzen

Karl-Heinz Marent: „In kleineren Ortschaften sind dieNahversorger meist viel mehr alsnur eine Einkaufsmöglichkeit.“

Inhaber Hanspeter Tauber und Verkäuferin Ida Gmeinervom „Ochsenlädele“ in Bildstein in Vorarlberg.

Fotos: Jennifer S

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Teilnehmer/innen einesLauffestes in der „gesunden Landes-hauptstadt Potsdam“

Gerhard Meck: „Das Thema Gesundheitkann positive Entwicklungen in allen Politikfeldern bewirken.“

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fende Zusammenarbeit zu initiieren. Dennochlässt sich dies nicht per Knopfdruck von heuteauf morgen in die Praxis umsetzen. Dafür sinddie bestehenden Abläufe und Strukturen vie-ler Ämter oder anderer Säulen der Verwaltungmeist zu stark auf die gesetzlich vorgegebe-nen Aufgaben begrenzt. Gerhard Meck regtdeshalb an, Schritt für Schritt vorzugehen:„Auf Stufe 1 beginnt das Gesundheitsamtmit einer Initiative und gewinnt Bündnispart-ner, zum Beispiel für eine Veranstaltung wie,Schülergesundheitstage’ oder ein ,Lauffest’für ältere Menschen. Auf Stufe 2 werden be-reits bestimmte Vorhaben gemeinsam organi-siert und jeder Bereich übernimmt bestimmteAufgaben und Arbeiten. Auf Stufe 3 etablie-ren sich schließlich lebensspezifische Netzwer-ke mit Koordinator/innen aus verschiedenenSektoren.“

Erfolg durch KooperationIn Potsdam, das auch zu den rund 70 Mitglie-dern des Netzwerkes Gesunde Städte inDeutschland zählt, hat sich diese Vorgangswei-se bewährt. Auf ein Beispiel ist Gerhard Meckbesonders stolz: „Der Stadtteil Trewitz mit sei-nen Plattenbauten, der früher einen schlechtenRuf hatte, ist ab 2011 zur ,Gartenstadt’ mit hoher Lebensqualität geworden. Das war dankeines Stadtentwicklungsprozesses mit hoherBürgerbeteiligung möglich, bei dem ressort-übergreifende Kooperation und Gesundheits-fragen eine große Rolle gespielt haben.“ InPotsdam wurde übrigens auch ein „erster Gesundheitsatlas“ erarbeitet, für den unter an-derem Daten aus den Schuleingangsuntersu-chungen von 2008 bis 2012 ausgewertet undauf Ebene von 18 Sozial- und Planungsräumenabgebildet wurden. Diese Darstellung zeigtdeutlich, dass die stadträumlichen Unterschie-de groß und Kinder aus Familien mit niedrigemSozialstatus erhöhten gesundheitlichen Risikenausgesetzt sind. „Auf dieser Basis sind nun ge-sundheitsförderliche Maßnahmen im Sinne ver-mehrter gesundheitlicher Chancengerechtigkeitgezielt planbar“, erklärt Gerhard Meck.

In der deutschen Stadt Potsdam wurden ressort-übergreifende Netzwerke für mehr Gesundheit in allen Lebensabschnitten aufgebaut: für Familien und Kinder ebenso wie für Erwachsene im Berufund ältere Menschen.

Fotos: Jennifer Schröder, meggy 2012

Gemeinsam mehr Gesundheitvon Null bis Hundert

Das Thema Gesundheit kann im Sinnedes Konzeptes ,Health in all Policies’ein Treiber für mehr Zusammenarbeit

und positive Entwicklungen in allen Politikfeldernsein“, betont Gerhard Meck, der ehemalige Ko-ordinator der Fachstelle gesunde Landeshaupt-stadt in Potsdam in Deutschland, und ergänzt,dass dabei zwei Dinge besonders wichtig seien:„Der Gesundheitssektor darf nicht den Anspruchstellen, bei diesem Prozess überall federführendsein zu wollen, und die Vertreter des Gesund-heitsbereichs müssen sich auch für die Ziele deranderen Ressorts interessieren.“Gerhard Meck war von 2005 bis zum März2015 als Koordinator für die sektorenübergrei-fenden Aktivitäten zur Gesundheitsförderungund Prävention in Potsdam verantwortlich, dasrund 160.000 Einwohner/innen hat. Währenddieser Zeit konnten in der Landeshauptstadtdes deutschen Bundeslandes Brandenburgnach und nach Netzwerke für Gesundheitsför-derung für alle Lebensphasen aufgebaut wer-den – von null bis hundert Jahren. Insgesamtkooperieren dafür rund 200 Institutionen, Ver-eine und Initiativen und stimmen ihre Angebo-te aufeinander ab. Das beginnt mit dem Netz-werk „Gesunde Kinder und Familien“ unddem Netzwerk „Gesunde Jugend“, wird mitden Netzwerken „Gesunder Betrieb – Gesun-de Arbeit“, „Lebensmitte“ und „Älter Wer-den“ fortgesetzt und durch den „PotsdamerRing für Menschen mit Behinderung“ ergänzt.

Wer zusammenarbeitet, multipliziertseine KräfteFür Kinder und Jugendliche arbeiten zum Bei-spiel Gesundheits-, Jugend- und Schulverwal-tungsamt sowie Kindertagesstätten, Schulen,Sportvereine, Jugendclubs, Streetworker, Ge-werbe und Handel, Kinos, Freizeitbäder, Wei-terbildungseinrichtungen und Kulturprojektezusammen. „Die Vorteile liegen auf der Hand.Wer allein arbeitet, kann seine Anstrengun-gen bestenfalls addieren. Wer zusammenar-beitet kann sie multiplizieren“, meint GerhardMeck. Das Thema Gesundheit und Lebensqualität istzwar im Prinzip gut geeignet, ressortübergrei-

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WISSEN

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Für viele Menschen ist Arbeit iden-titätsstiftend, strukturiert ihrenAlltag und gibt ihnen einen Platz

in der Gesellschaft“, sagt die Soziologinund Arbeitsmarktexpertin FriederikeWeber von der Unternehmensberatungprospect in Wien. Im Durchschnitt sindlaut Angaben von Expert/innen rundzehn bis 15 Prozent unserer Lebenszeitder Erwerbsarbeit gewidmet. Bei einerdurchschnittlichen Lebenserwartungvon rund 80 Jahren entspricht dies et-wa 70.000 bis 105.000 Stunden, die wiram Arbeitsplatz verbringen.Wie dieser gestaltet ist sowie unsereTätigkeit und der Betrieb insgesamtorganisiert sind, hat wesentliche Aus-wirkungen auf unsere Gesundheit.Wenn die Belastungen überwiegen,zum Beispiel durch Stress, Konflikte,Lärm, Staub, Kälte, Hitze oder zuschwere Lasten, dann kann Arbeit inZusammenhang zu erhöhter Krank-heitshäufigkeit stehen. „Doch Arbeitkann auch gesundheitsförderlich sein,und das gilt vor allem dann, wenn sieabwechslungsreich, aber nicht über-fordernd ist und erbrachte Leistungenanerkannt werden“, betont die Unter-nehmensberaterin: „Außerdem ist wis-senschaftlich belegt, dass sich gute so-zialen Beziehungen innerhalb vonTeams und zu den Vorgesetzten positivauf die Gesundheit auswirken.“

Arbeit gesünder gestaltenDer starke Zusammenhang zwischenunserer Arbeitssituation und unsererGesundheit wird auch in den zehn

österreichischen Rahmen-Gesundheits-zielen für die Entwicklung des öster-reichischen Gesundheitssystems bis2032 berücksichtigt.Das Ziel 1 lautet: „gesundheitsforder-liche Lebens- und Arbeitsbedingungenfur alle Bevolkerungsgruppen zu schaf-fen“. Das soll durch Kooperation allerPolitik- und Gesellschaftsbereiche er-möglicht werden, wie das auch imKonzept „Health in all Policies“ be-schrieben wird. Dieses besagt, dassGesundheit vor allem durch die Be-dingungen in verschiedensten gesell-schaftlichen Bereichen von der Infra-struktur bis zur Wirtschaft bestimmtwird – und nur zu einem relativ geringen Teil durch die Qualität derGesundheitsversorgung.Eine Gruppe von Vertreterinnen undVertretern von mehr als dreißig Insti-

tutionen hat sich bei mehreren Arbeits-treffen deshalb damit beschäftigt, wiedas Rahmen-Gesundheitsziel 1 erreichtwerden kann. Die Arbeitsgruppe wur-de von Christian Operschall geleitet,dem stellvertretenden Leiter der Sek-tion Arbeitsmarkt im Bundesministe-rium für Arbeit, Soziales und Konsu-mentenschutz. Der Bericht der Arbeits-gruppe, in dem bestehende und ge-plante Maßnahmen gesammelt sind,wurde im Februar 2015 veröffentlicht.Er ist im Internet verfügbar, unter:www.gesundheitsziele-oesterreich.at

Drei WirkungszieleUm das Rahmen-Gesundheitsziel 1 zukonkretisieren, wurden drei Wirkungs-ziele formuliert. Das Wirkungsziel 2 istspeziell den „Arbeitswelten“ gewidmetund besagt, dass insbesondere die Zahl Fo

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Wie Arbeit die Gesundheitbeeinflusst

Wie die Arbeit gestaltet wird, wirkt sich wesentlich auf unsere Gesundheit aus.Durch Betriebliche Gesundheitsförderung, Gesundheitsschutz und

Eingliederungsmanagement sollen wir gesünder und länger arbeiten können.Text: Dietmar Schobel

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der Betriebe erhöht werden soll, die sich„systematisch und strukturiert“ damitauseinandersetzen, Gesundheit zu er-halten und zu verbessern. Als Messgrö-ße soll die Zahl der Unternehmen die-nen, die bis 2032 mit dem Gütesiegelfür Betriebliche Gesundheitsförderung(BGF) ausgezeichnet sind. Das sollenzehn Prozent der Betriebe mit 0 bis 9Mitarbeitenden sein, 20 Prozent der Be-triebe mit 10 bis 49 Mitarbeitenden und30 Prozent der Betriebe mit 50 oder mehrMitarbeitenden. Das Gütesiegel wirdvom Österreichischen Netzwerk fürBGF für jeweils drei Jahre an Unterneh-men verliehen, die vor Kurzem ein BGF-Projekt abgeschlossen haben, oder ansolche Firmen, die BGF bereits in ihrenregulären Betrieb integriert haben undsie im Arbeitsalltag umsetzen. Es istauch das Herzstück des vom Fonds Ge-sundes Österreich geförderten Pro-gramms zur Qualitätssicherung der Be-trieblichen Gesundheitsförderung inÖsterreich. Diese durchzuführen be-deutet grundsätzlich, Organisationeninsgesamt systematisch gesünder zu ge-stalten. An diesem Prozess sollen sichmöglichst viele Beschäftigte aktiv be-teiligen. Gemeinsam werden sowohlverhältnis- als auch verhaltensbezogeneMaßnahmen vorgeschlagen und nachMöglichkeit auch verwirklicht. Einer-seits geht es also etwa darum, die Ar-beitsabläufe, die Zusammenarbeit inTeams oder die Qualität der Führungzu verbessern. Andererseits sollen zumBeispiel auch eine gesündere Ernährungoder ausgleichende Bewegung am Ar-beitsplatz ermöglicht werden.

Drei Handlungsfelder„Betriebliche Gesundheitsförderung isteines von drei Handlungsfeldern, in de-nen Maßnahmen für bessere Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit gesetztwerden“, erklärt Christian Operschall.Ein zweites ist derSicherheits- und Ge-sundheitsschutz. Die Palette der The-men reicht hier von den allgemeinenSchutzbestimmungen bei der Arbeitüber die Gestaltung von Arbeitsstättenund den Einsatz von Arbeitsmitteln biszu den Arbeitszeitregelungen und demSchutz bestimmter Personengruppen,wie zum Beispiel Jugendliche undSchwangere. Die Arbeitsinspektion alswichtigste Kontrollbehörde führt mitrund 300 Inspektor/innen in ganz Öster-reich Schwerpunktkontrollen durch undberät Unternehmen. Wenn bereits gesundheitliche Beein-trächtigungen vorhanden sind, geht esbeim Betrieblichen Eingliederungsma-nagement schließlich im Sinne der Se-kundärprävention darum, die Arbeits-und Beschäftigungsfähigkeit wieder-herzustellen. „fit2work“, eine Initiativeder österreichischen Bundesregierung,macht in solchen Fällen auf zwei Bera-tungsschienen sowohl für betroffenePersonen als auch für Betriebe Angebotezur Unterstützung. Das Programm solldafür sorgen, dass Arbeitnehmer/innen– vor allem auch nach einem längerenKrankenstand – nicht aus gesundheit-lichen Gründen ihren Arbeitsplatz ver-

lieren. Gleichzeitig sollen den Unter-nehmen die Arbeitskräfte und derenKnow-how erhalten bleiben.

Länger arbeitsfähig bleibenFür Personen, die oft im Krankenstandsind, mit einer körperlichen oder psy-chischen Beeinträchtigung leben oderaus gesundheitlichen Gründen arbeits-los sind oder befürchten dies zu werden,stehen so genannte „Casemanager/in-nen“ zur Verfügung. Gemeinsam mitdiesen Berater/innen können Betroffenebei fit2work erarbeiten, welche Tätig-keiten noch ausgeübt werden können,oder welche Möglichkeiten zur Reha-bilitation und Gesundheitsförderung esgibt. 2011 wurde mit den ersten Bera-tungsstellen in der Steiermark, Nieder-österreich und Wien gestartet. Seit 2013gibt es das Programm für längere Ar-beitsfähigkeit und mehr Gesundheit inganz Österreich. Mit Stand von EndeMärz 2015 haben rund 40.000 PersonenBasisinformationen erhalten und rund12.000 wurden in Form eines Case Management betreut. Außerdem habenbislang rund 700 Betriebe eine Beratungin Anspruch genommen. Insgesamt gehtes bei fit2work ebenso wie beim Arbeitsschutz und der Betrieblichen Gesundheitsförderung vor allem um eines: Dazu beizutragen, dass die Öster-reicherinnen und Österreicher gesundund sicher arbeiten können und letztlichauch länger arbeitsfähig bleiben.

Im Fehlzeitenreport 2014, der von ThomasLeoni vom Österreichischen Wirtschaftsfor-schungsinstitut verfasst wurde, sind diewichtigsten Ursachen für Krankenständezusammengefasst. Das sind heute vor allem Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Atemsystems. Zusammensind 50 Prozent der Krankenstandsfälleund gut 40 Prozent aller Krankenstandsta-ge auf diese Beschwerden zurückzuführen.Der Anteil der Verletzungen an den Ursa-chen für Fehltage hat dagegen in den ver-gangenen Jahren deutlich abgenommen

und 2013 erstmals unter 17 Prozent betragen. 2004 waren es noch 21 und1994 fast 23 Prozent. Die Zahl der Krankenstandstage infolge psychischer Erkrankungen hat sich hingegen seit Mitteder 1990er-Jahre fast verdreifacht. 2013waren bereits rund neun Prozent allerFehltage in Österreich durch psychische Er-krankungen bedingt.

Quelle: Thomas Leoni: „Fehlzeitenreport 2014 – Krankheits- und unfallbedingte Fehlzeiten in Öster-reich“, Dezember 2014, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung

DIE WICHTIGSTEN URSACHEN FÜR KRANKENSTÄNDE

Friederike Weber: „Arbeit kann gesundheitsförder-lich sein, vor allem wenn sie abwechslungsreich, aber nicht überfordernd ist und erbrachte Leistungenanerkannt werden.“

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WISSEN

GESUNDES ÖSTERREICHHerr Hollederer, sollte versucht wer-den, Arbeitslose verstärkt durch ge-sundheitsförderliche Maßnahmen zuerreichen?Alfons Hollederer: Unbedingt, denn Arbeitslosigkeit ist ein Krankheitsfaktor. Dasist für Österreich zum Beispiel im Fehlzeiten-report 2009 des Wirtschaftsforschungs-institutes dokumentiert. Arbeitslose habenim Durchschnitt 32,5 Tage Krankenstand proJahr, das ist rund dreimal so viel wie bei Beschäftigten mit 12,5 Tagen Krankenstandpro Jahr. Außerdem sind Arbeitslose zuneh-mend von gesundheitlichen Einschränkun-gen betroffen und diese erschweren es wiederum, Arbeit zu finden. Das ist ein Teufelskreis, wenn keine Gegenmaßnahmengetroffen werden.

GESUNDES ÖSTERREICHWo sollte dabei angesetzt werden?Arbeitslose sind sozial benachteiligt undnicht nur ihr Gesundheitszustand, auch ihrGesundheitsverhalten ist im Durchschnittschlechter. Sie sollten also allein schon des-halb im Fokus der Gesundheitsförderungstehen, denn diese hat grundsätzlich das

Ziel, bestehende gesundheitliche Ungleich-heit zu verringern. Gleichzeitig sind Arbeits-lose nur relativ schwer durch gesundheitsför-derliche Maßnahmen zu erreichen. Im Prinzip gibt es drei mögliche gute Zugängenach dem Lebensweltansatz:

• über die Familien und sozialen Gruppen,

• über Gesundheitsförderung in Gemeinden und Stadtteilen

• und nicht zuletzt über arbeitsmarktnaheSettings, zum Beispiel indem Angebotezur Schulung und Qualifizierung vonArbeitslosen mit Gesundheitsförderungkombiniert werden.

Wir müssen uns auch damit auseinanderset-zen, dass es zunehmend mehr unsicher undprekär Beschäftigte gibt, wie zum BeispielZeit- oder auch Leiharbeitnehmer. DieseGruppen, die stark von Arbeitslosigkeit be-droht sind, haben ebenfalls einen erhöhtenBedarf für Gesundheitsförderung und wer-den bislang kaum erreicht. Wir müssen nochviel mehr dahin gehen, wo es wirklich wehtut und erhöhte Krankheitsrisiken bestehen,statt nur Angebote für diejenigen mit ver-gleichsweise guter Gesundheit zu machen.

GESUNDES ÖSTERREICHWelche praktischen Beispiele gibt esaus Deutschland?In Deutschland gibt es schon seit rund 20Jahren Erfahrungen mit Gesundheitsförde-rung für Arbeitslose. „Aktiva“ etwa ist einan der Technischen Universität Dresden ent-wickeltes psychosoziales Kurzzeit-Trainingzur Förderung von Gesundheit und Hand-lungskompetenz bei Erwerbslosen. Im Rah-men der Modellprojekte „JobFit Regional“und „JobFit Nordrhein-Westfalen“ wurdenab 2004 Erfahrungen mit Gesundheitskom-petenzberatung für Arbeitslose im Rahmen

von Qualifizierungsmaßnahmen gesammelt.Bei „AmigA“ im Bundesland Brandenburgwerden Arbeitssuchende von einem Teamaus Fallmanager/innen, Sozialmediziner/in-nen und Diplom-Psycholog/innen beraten,wie sie ihre Gesundheit und Beschäftigungs-fähigkeit verbessern können. Aus den bisherigen Erfahrungen lässt sich ableiten,dass längerfristige Maßnahmen erfolgreichersind. Die Entwicklung steht jedoch erst amAnfang. Wir müssen uns in Forschung undPraxis noch viel mehr damit auseinander-setzen, welche gesundheitsförderlichenMaßnahmen für Erwerbslose tatsächlichwirksam sind.

GESUNDES ÖSTERREICHBesteht die beste Maßnahme nicht da-rin, erwerbslosen Menschen rasch wie-der Arbeit zu verschaffen?Ja, das lässt sich nicht bestreiten. Arbeit istnicht nur Gelderwerb, sondern kann unserem Leben Sinn geben, sie ermöglichtuns Identifikation und Teilhabe an der Gesellschaft, sie strukturiert den Alltag undschafft soziale Kontakte. Insofern hat Gesundheitsförderung für Arbeitslose einensozialkompensatorischen Charakter. Andererseits ist das auch kein Argument gegen Gesundheitsförderung für arbeits-suchende Menschen. Arbeitslosigkeit ist einFaktum und ebenso der erhöhte Bedarf fürGesundheitsförderung bei Arbeitslosen. Undder Arbeitslose von heute kann der Beschäf-tigte von morgen sein – und umgekehrt. Gesundheitsförderliche Maßnahmen könnenzudem dazu beitragen, dass Arbeitssuchen-de besser vermittelbar sind. Was wir jedochvermeiden müssen, ist Gesundheit zu fordern, statt sie zu fördern. Gesundheitsför-derung muss ein freiwilliges Angebot sein.

Der Experte und Buchautor Alfons Hollederer im Interview über Gesundheitsförderung für Arbeitslose unddie Erfahrungen damit in Deutschland. Text: Dietmar Schobel

Wir müssen dorthingehen, wo es weh tut

Alfons Hollederer leitet das Sachge-biet Versorgungsqualität, Gesundheits-ökonomie, Gesundheitssystemanalysedes Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Er hat unter anderem das Sachbuch„Gesundheit von Arbeitslosen fördern!“ herausgegeben, das 2009 im Fachhochschulverlag erschienen ist.

ZUR PERSON

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SELBSTHILFE

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voraussichtlich besser an die Bedürfnisse dieser Zielgruppen angepasst werden.

GESUNDES ÖSTERREICHWie sollten Beteiligungsprozesse gestaltet werden?Dafür gibt es kein Patentrezept. Doch in vie-len Ländern wurden bereits praktische Erfah-rungen gemacht. Allgemein hat man aus diesen gelernt, dass es nicht allein darumgeht, den Bürger/innen mehr Entscheidungs-macht zu geben. Zunächst ist vor allem wichtig, dass sie lohnende Beteiligungserleb-nisse haben. Wer sich beteiligt, will auch wissen, was mit seinem Input geschehen ist.Das muss bereits bei der Planung der Beteili-gungsprozesse berücksichtigt werden. Diesesollten dokumentiert und abschließend trans-parent evaluiert werden. Eine besonders bedeutsame Voraussetzung ist auch, dasssich alle wichtigen Stakeholder, also die Vertreter/innen aller Interessensgruppen, von Beginn an zur Beteiligung bekennen.

GESUNDES ÖSTERREICHWelche Länder gelten international als Vorbilder?In den Niederlanden gibt es bereits seit 20Jahren Erfahrungen mit der Beteiligung vonVertreter/innen von Patientenorganisationenan bestehenden Gremien des Gesundheits-systems und einen hohen öffentlichen Res-sourceneinsatz, um diese erfolgreich zu machen. Dort hat sich gezeigt, dass es für diePatientenvertreter/innen trotzdem immerschwierig ist, tatsächlich auf Augenhöhe mitden Expert/innen zu kommen. Deshalb ist esfür sie umso wichtiger, genau abzuwägen, in

GESUNDES ÖSTERREICHHerr Professor Forster, wozu solltenBürger/innen und Patient/innen an Entscheidungen im Gesundheitssystembeteiligt werden?Rudolf Forster: Beteiligung kann zu besse-ren Therapieergebnissen führen, oder wennman die Erwartungen etwas bescheidener ansetzt, zumindest zu mehr Zufriedenheit derPatientinnen und Patienten. Denn Bürger/in-nen und speziell Patient/innen können ihre Erfahrungen als Nutzerinnen und Nutzer derGesundheitsdienste einbringen. Wenn dieseberücksichtigt werden, kann das Gesundheits-system qualitativ besser und effizienter werden. Denn Laien verfügen über ein Erfah-rungswissen, das bei denjenigen, die profes-sionell im Gesundheitssystem agieren, in dieser Form nicht vorhanden ist. Das ist wahrscheinlich das wichtigste Argument. Das gilt speziell für Selbsthilfeengagierte, dadiese die Interessen von chronisch Krankenvertreten und somit von Menschen, die das Gesundheitssystem intensiv nutzen.

GESUNDES ÖSTERREICHWas sind weitere Argumente für Bürger- und Patientenbeteiligung?Sie ist ein wichtiger Beitrag dazu, Barrierenzwischen Expert/innen und der Öffentlichkeitabzubauen und kann mehr gesundheitlicheChancengerechtigkeit bewirken, wenn es ge-lingt Randgruppen einzubinden. Denn sozialbenachteiligte Menschen haben häufig einenschlechteren Zugang zum Gesundheitssystem.Wenn sie mehr eingebunden werden, dannkönnen Angebote der medizinischen Versor-gung, aber auch der Gesundheitsförderung,

wie vielen und welchen Gremien sie wirklichdabei sein sollen und können. Das gilt inähnlicher Weise auch für Deutschland, wo es seit 2004 eine Verordnung gibt, laut derSelbsthilfe- und Konsumentenorganisationensowie Patientenberatungsstellen an denSpitzen- und Steuerungsgremien des Gesund-heitssystems zu beteiligen sind. In Groß-britannien gibt es bereits eine bis in die1970er-Jahre zurückreichende Tradition derBeteiligung. In den vergangenen 15 Jahrenwurde daraus ein umfassendes Beteiligungs-system entwickelt, in dem Bürger/innen undPatient/innen auch die Gelegenheit haben,ihre Standpunkte und Positionen entspre-chend zu entwickeln, bevor sie diese dann inExpert/innengremien vertreten. In Österreichgibt es zwar seit 2008 ein grundsätzlichesBekenntnis der Regierung zur Öffentlichkeits-beteiligung und erste gute Beispiele fürPartizipation im Gesundheitssystem.Insgesamt fehlt es jedoch vorerst noch aneiner klaren Zielsetzung und entsprechendenUmsetzungsstrategien, einschließlich gesetzlicher, institutioneller und finanziellerVorkehrungen.

Der Gesundheitssoziologe Rudolf Forster über den Nutzen von Bürger- und Patientenbeteiligung für

das Gesundheitssystem und wie Partizipation international umgesetzt wird.

Beteiligung verbessert das

Gesundheitssystem

Rudolf Forster: „Beteiligung von Bürger/innenund Patient/innen an Entscheidungen im Gesundheitssystem kann zu besseren Therapieergebnissen führen.“

Foto: privat

Der Gesundheitssoziologe Rudolf Forster(66) war außerordentlicher Professor an derUniversität Wien und Key Researcher amLudwig Boltzmann Institut Health PromotionResearch. Er ist unter anderem auf das Thema Patienten- und Bürgerbeteiligung im Gesundheitssystem und in der Gesund-heitsförderung spezialisiert.

ZUR PERSON

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ALLE ADRESSEN AUF EINEN BLICK

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SELBSTHILFE

ÖSTERREICHARGE Selbsthilfe ÖsterreichSimmeringer Hauptstr. 24, 1110Wien, Tel: 01/740 40-2855arge@selbsthilfe-oesterreich.atwww.selbsthilfe-oesterreich.at

BURGENLANDBurgenländischer Landesver-band der Selbsthilfegruppenc/o Technologiezentrum Eisenstadt Haus TechLabThomas A. Edison Straße 27000 EisenstadtTel. 0664/783 64 70 (Arnold Fass,Obmann des Landesverbandes)office@selbsthilfe-landesver-band-burgenland.atwww.selbsthilfe-landesverband-burgenland.at

KÄRNTENSelbsthilfe Kärnten – Dachver-band für Selbsthilfeorganisa-tionen im Sozial- und Gesund-heitsbereich, Behindertenver-bände bzw. -organisationenKempfstraße 23/3, PF 1089021 KlagenfurtTel: 0463/50 48 71Fax: 0463/50 48 [email protected]

NIEDERÖSTERREICHSelbsthilfe Niederösterreich– Dachverband der NÖSelbsthilfegruppenTor zum LandhausWiener Straße 54 / Stiege A / 2. Stock3109 St. Pölten, Postfach 26

Tel: 02742/226 44Fax: 02742/226 [email protected]

OBERÖSTERREICHSelbsthilfe OÖ – Dachverband der SelbsthilfegruppenGarnisonstraße 1a/2. StockPF 61, 4021 LinzTel: 0732/797 666Fax: 0732/797 [email protected]

Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Magistrat der Stadt WelsQuergasse 1, 4600 WelsTel: 07242/235-7490Fax: 07242/[email protected]

SALZBURGSelbsthilfe Salzburg – Dachverband der SalzburgerSelbsthilfegruppenIm Hause der SGKK / Ebene 01 / Zimmer 128Engelbert-Weiß-Weg 105021 SalzburgTel: 0662/88 89-1800Fax: 0662/88 [email protected]

STEIERMARKSelbsthilfeplattform Steiermark –Dachverband der Selbsthilfein der SteiermarkGeschäftsstelle: Selbsthilfekon-taktstelle Steiermark/SBZLeechgasse 30, 8010 GrazTel: 0316/23 23 00Fax: 0316/23 23 [email protected]

TIROLSelbsthilfe Tirol – Dachverband der TirolerSelbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und SozialbereichInnrain 43/Parterre6020 InnsbruckTel: 0512/57 71 98-0Fax: 0512/56 43 [email protected]

Selbsthilfe Tirol – Zweigverein Osttirol Selbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und Sozialbereich c/o Bezirkskrankenhaus Lienz – 4. Stock Süd Emanuel von Hibler-Straße 5, 9900 LienzTel./Fax: 04852/606-290Mobil: 0664/38 56 [email protected]/osttirol

VORARLBERGService- und KontaktstelleSelbsthilfe VorarlbergHöchster Straße 30 6850 Dornbirn Tel./Fax: 05572/26 374 [email protected]

Lebensraum BregenzDrehscheibe im Sozial- undGesundheitsbereichClemens-Holzmeister-Gasse 26900 BregenzTel: 05574/527 00Fax: 05574/ 527 [email protected]

WIENSelbsthilfe-Unterstützungs-stelle SUS Wien c/o Wiener Gesundheits-förderung – WiGTreustraße 35-43Stg. 6, 1. Stock1200 WienTel: 01/4000-76 [email protected]

Medizinisches Selbsthilfezentrum Wien„Martha Frühwirth“Obere Augartenstraße 26-281020 WienTel./Fax: 01/330 22 [email protected]

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SELBSTHILFE

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In Liebe loslassen „Wir leben mit dem Problem Alkoholabhän-gigkeit oder haben damit gelebt. Aber beiden Gruppentreffen entdecken die meistenvon uns auch, dass keine Situation wirklichhoffnungslos ist, unabhängig davon, ob derAlkoholabhängige noch trinkt oder nicht“,sagt die Öffentlichkeitsarbeiterin von Al-Anon Wien, die im Austausch mit anderenBetroffenen auch selbst lernte, dass es da-rum geht, „in Liebe loszulassen“ und damitaufzuhören, sich in das Leben der Krankeneinzumischen und immer wieder zu versu-chen, Dinge für sie zu regeln. Die Gruppentreffen können Kraft und Ein-sicht schenken, und nach aller Erfahrung istes sehr wichtig, dass Angehörige dabei un-ter sich bleiben. Spezielle Angebote gibt esmit „Alateen“ für jüngere Angehörige undmit „Al-Anon Erwachsene Kinder von Alko-holikern“ für diejenigen, die in einem El-ternhaus aufgewachsen sind, in dem derAlkohol regierte. Denn: „Im Gegensatz zuErwachsenen, die nicht aus einem alkohol-kranken Umfeld stammen, haben dieseMenschen auffallend oft Probleme in ihreneigenen Partnerschaften und mehr Schwie-rigkeiten damit, zu vertrauen, sich selbst zufinden, Wünsche zu äußern oder sich abzu-grenzen“, sagt die Al-Anon-Mitarbeiterin.

Jeder Mensch, der einem Alkoholikernahe steht, ist unter ständigem Druckund überfordert. Deshalb braucht er

Hilfe“, sagt die Öffentlichkeitsarbeiterinvon Al-Anon Wien, die den Grundsätzendieser Organisation entsprechend anonymbleiben will. Die Selbsthilfegruppe für An-gehörige, die heuer ihr 40jähriges Beste-hen feiert, arbeitet seit jeher nach denPrinzipien der 1935 in den USA gegründe-ten „Mutterorganisation“ der AnonymenAlkoholiker.

Fatale Co-AbhängigkeitAl-Anon geht davon aus, dass Alkohol-abhängigkeit eine Krankheit ist, dieFamilien zerstören kann. „Angehörige undFreunde leiden mit und werden oft selbstkrank. In ihren verzweifelten Versuchen,Alkoholabhängigen zu helfen, zeigen siehäufig ein ähnliches Verhalten wie Abhän-gige selbst. Alles wird getan, um dieKranken vom Trinken abzuhalten oder auchum die Konsequenzen ihres Trinkens zuvertuschen“, erklärt die Al-Anon-Mitarbei-terin, die das Problem der Co-Abhängigkeitaus eigener Erfahrung kennt. Dabei ging ihrwie vielen anderen Betroffenen bald dieKraft aus, sie vergaß ihre eigenen Wünscheund Bedürfnisse, ihr eigenes Leben. Durch den Erfahrungsaustausch mit ande-ren Betroffenen und gegenseitige Unter-stützung ins Leben zurück zu finden ist deshalb erklärtes Ziel der Al-Anon Grup-pen. Und: Man geht davon aus, dass sichdie Ideen der Anonymen Alkoholiker, nachdenen Alkoholabhängige Nüchternheit wie-dererlangen, auch für die Gesundung ihrerAngehörigen eignen. Die Al-Anon Familien-gruppen arbeiten daher in leicht angepass-ter Form nach jenen zwölf Genesungs-schritten und zwölf Traditionen, die auchvon den Anonymen Alkoholikern empfohlenwerden.

Hilfe und Freundschaft findenDavon abgesehen gibt es einmal im Monatso genannte offene Meetings, bei denenAlkoholabhängige und deren Angehörigegemeinsam Gruppen bilden und Austauschpflegen. „Das, was Alkoholabhängige dortüber ihre Motive, Ängste und Sehnsüchte inden ,nassen’ Zeiten berichten, das, was sieüber den schweren Weg aus der Sucht he-raus erzählen, ist auch für uns Angehörigevon großer Bedeutung, denn wir wollenverstehen, was zu den individuellen Kata-strophen geführt hat, und welche Auswegees daraus gibt“, so unsere Informantin, diein der Gemeinschaft der Al-Anon Familien-gruppen tatsächlich Hilfe gefunden hat. Undsie hofft: „Dass andere in unserer Gemein-schaft ebenfalls die Hilfe und Freundschaftfinden, die wir bereits genießen dürfen.“

Al-Anon, die traditionsreiche Selbsthilfeorganisation für Angehörige und Freunde von Alkoholikern, bietet Hilfe für alle, deren Leben durch das Trinken

eines anderen beeinträchtigt wird oder wurde. Text: Gabriele Vasak

Sich selbst wieder finden

www.al-anon.at [email protected] Am 10. Oktober 2015, ab 10.30 Uhr findetin der Pfarre Reindorf, Ölweingasse 2, 1150 Wien, die folgende Veranstaltung statt: 40 Jahre Al-Anon Wien: „Freude am Leben“

INFO & KONTAKT

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SELBSTHILFE

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Für Claas Röhl und seine Frau war esein schwerer Schock, als sie erfuhren,dass ihre kleine Tochter von der un-

heilbaren Erbkrankheit Neurofibromatosebetroffen ist, an der in Österreich etwa3.000 Menschen leiden und die in unter-schiedlichen Formen auftritt. Typ 1 ist amhäufigsten und betrifft eine von 2.500 Ge-burten. Charakteristisch dafür sind Neuro-fibrome – Tumore, die Nerven und Hautbetreffen. Ihr unkontrolliertes Wachstumkann auch Organe bedrängen, und schwerBetroffene leiden je nach Ausprägung derKrankheit unter Fehlbildungen der Wirbel-säule, Gesichtsentstellung oder Hirn- oderRückenmarkstumoren, die zur Erblindung,Ertaubung oder Lähmungserscheinungenführen können.

Claas Röhls Tochter musste sich deshalbim zarten Alter von zweieinhalb Jahren ei-ner Chemotherapie unterziehen, und daswar für ihren Vater der Anlass, die Aufgabezu übernehmen, sich für die Belange derBetroffenen einzusetzen. „Im Dezember2013 gründete ich den Verein NF Kinderund stand nun vor der Herausforderung,zunächst Awareness für eine völlig

unbekannte Krankheit und eine neu ge-gründete Patientenorganisation zu schaf-fen. Denn kaum jemand weiß, was sichhinter dem Begriff Neurofibromatose ver-birgt, und dieses Nichtwissen betrifft leiderauch viele Ärzt/innen. Betroffene, die mas-siv bedroht sind, und für die es zum Teilum Leben und Tod geht, stehen oft völligallein da“, sagt der Selbsthilfe-Vertreter.

Die Opferrolle verlassen Tatsächlich gibt es in ganz Österreich nuram Allgemeinen Krankenhaus (AKH) inWien eine einzige Spezialambulanz fürKinder, die zudem nur einmal wöchentlichgeöffnet ist. Hilfesuchende warten in derRegel bis zu acht Wochen auf einen Ter-min. Claas Röhl krempelte also die Ärmelauf und begann, sich intensiv um Öffent-lichkeit zu bemühen. Es gelang ihm, meh-rere Medien für sein Anliegen zu gewin-nen, was auch bedeutet, dass Betroffenenun langsam den Weg zu NF Kinder fin-den. „Es geht uns auch darum, diese Men-schen und ihre Angehörigen dazu zu brin-gen, die Opferrolle zu verlassen und aktivzu werden für unser gemeinsames Ziel,und das ist eine optimale medizinische Be-treuung sowie Forschungsarbeit für geziel-te Therapien“, sagt Claas Röhl.

Mit Unterstützung durch Spenden und Fördergelder will der Selbsthilfevertreter inKooperation mit dem AKH Wien ein Institutfür Neurofibromatose aufbauen, in demauch ältere Patient/innen gut ambulantversorgt werden können und effizient

klinische Forschung betrieben werden soll.Daneben bietet NF Kinder Informationenzur Krankheit selbst an sowie dazu, wo esspeziell geschulte Psycholog/innen undPsychotherapeut/innen gibt. Außerdemwerden gemeinsame Aktivitäten organi-siert. „Momentan läuft etwa ein Pilotpro-jekt ,Familienwochenende’, an dem betrof-fene Kinder auf einem Reiterhof Reitthera-pien machen können, während ihren Elterndie Möglichkeit zum Erfahrungsaustauschund zur sanften Gesprächstherapie gebo-ten wird, und wir hoffen, dieses Angebotweiter ausbauen zu können“, erzählt ClaasRöhl.

Ein wesentliches Ziel ist für ihn auch, diezahlreichen negativen Nebenerscheinun-gen der Krankheit zu entstigmatisieren:„Zwei Drittel der Betroffenen haben kogni-tive Probleme, die sich häufig in Lernstö-rungen und Aufmerksamkeitsdefiziten äu-ßern. Das führt oft dazu, dass die Kinder inder Schule als dumm und faul abgestem-pelt und häufig nicht ihren Fähigkeitenentsprechend behandelt werden. Deshalbumfasst unser Angebot für Betroffene auchneuropsychologische Trainings, und natür-lich geht es für viele auch darum, Traumatazu bewältigen.“ Am wichtigsten ist ClaasRöhl aber, möglichst vielen MenschenHoffnung zu schenken: „Ich hoffe aufmöglichst viel Solidarität, damit wir dieForschung vorantreiben können und end-lich über wirksame Therapien verfügen.Denn das ist der größte Wunsch aller Betroffenen und ihrer Angehörigen.“

Die Selbsthilfeorganisation „NF Kinder“ vertritt die Belange von Menschen, die unter Neurofibromatose leiden.

Etwa 3.000 Menschen in Österreich sind von dieser unheilbaren Erbkrankheit betroffen. Text: Gabriele Vasak

Eine schwereAufgabe

Foto: privat

NF KinderTel. 0699/166 24 [email protected]

INFO & KONTAKT

Claas Röhl: „Es geht uns darum, NF-Betroffene und ihre Angehörigen dazuzu bringen, die Opferrolle zu verlassen.“

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WIENER GESUNDHEITSFÖRDERUNG

In zwölf Wiener Bezirken werdenvon der Wiener Gesundheitsför-derung 2015 und 2016 „Jugend-gesundheitskonferenzen“ veran-staltet. Dabei präsentieren Ju-gendliche Erwachsenen, was„Gesundheit“ für sie bedeutet.Zuvor setzen sich 12- bis 19-Jäh-rige mehrere Monate mit demThema auseinander und sollenihre eigenen Ausdruckformen da-für finden und zum Beispiel Koch-bücher, Filme, Comics und T-Shirtsdazu gestalten. Dabei werden siedurch eine „Supportgruppe“ vonErwachsenen unterstützt. Das

sind zum Beispiel Pädagog/innen,Mitarbeiter/innen der außerschu-lischen Jugendbetreuung undSchuldirektor/innen. Wichtig dabeiist, dass die Jugendlichen ihreSicht zu Themen wie Bewegung,Ernährung, Stress, Glück und Ge-sundheit im Allgemeinen darlegenkönnen und Spaß daran habensollen, sich damit auseinander-zusetzen. Durch diesen Prozesssollen jedoch letztlich auch nach-haltige, umfangreichere Konzepteentstehen, die einen besonderenWert für die Gesundheit der Ju-gendlichen darstellen. Die Ju-gendgesundheitskonferenzenwerden mit Vorsorgemitteln derBundesgesundheitsagentur fürdie Jahre 2015 und 2016 unter-

stützt und von der Wiener Ge-sundheitsförderung gemeinsammit dem „Institut für Frauen- undMännergesundheit/FEM“ und„queraum. kultur- und sozialfor-schung.“ umgesetzt. Sie werdenheuer in Mariahilf, Simmering,

Meidling, Penzing, Hernals undLiesing durchgeführt. 2016 folgendie Wiener Bezirke Landstraße,Wieden, Neubau, Josefstadt, Al-sergrund und Rudolfsheim-Fünf-haus. Alle Termine finden Sie unterwww.wig.or.at.

PRAXIS

Was Gesundheit für Jugendliche bedeutet

41gesundesösterreich

Fotos: WiG/And

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Ende Mai fand im Jugendzentrum JUVIVO 6 in Wien-Mariahilf eine Jugendgesundheitskonferenz statt. Im Vordergrund sind die Moderatorin Heidelinde Neuburger-Dumancic und ihreCo-Moderator/innen Natalia, Ismael und Sherif zu sehen.

Im Rahmen der Jugendgesundheits-konferenzen könnendie Jugendlichen unter anderem auch ihr Wissen zuverschiedenen Getreidesortentesten.

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Page 42: Magazin Gesundes Österreich Ausgabe 2/2015

Gesundheitsförderung am Poly

42 gesundesösterreich

Foto: a

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mbH

„Unser Schulbuffet“ im

BurgenlandPGA – VEREIN FÜR PROPHYLAKTISCHE

GESUNDHEITSARBEIT

AKS GESUNDHEIT VORARLBERG

„Im Vergleich zu anderenSchultypen gibt es an denVorarlberger PolytechnischenSchulen bislang kaum Maß-nahmen zur Gesundheits-förderung. Das möchten wirändern“, sagt der Sportwis-senschafter Stephan Schirmervon der aks gesundheitGmbH in Vorarlberg. Das sollim Rahmen eines zweiein-halb Jahre dauernden Pro-jektes geschehen, das vomGesundheitsförderungsfondsVorarlberg und dem FondsGesundes Österreich finan-ziell unterstützt wird. Zu-nächst beschäftigen sichSchülerinnen und Schüler

der Polytechnischen Schulein Dornbirn mit der Frage,welche Bedeutung Bewe-gung und Ernährung für siepersönlich haben. Davonausgehend überlegen siesich, wie ein Aktionstag aus-sehen müsste, der Schüle-rinnen und Schüler ihrerSchule begeistern kann. Ge-

meinsam mit Expert/innender aks gesundheit GmbH,dem „aha – Tipps und Infosfür junge Leute“ und „Si-cheres Vorarlberg“ wird soein Angebot entwickelt, dasim Laufe des kommendenSchuljahres an allen der elfPolytechnischen Schulen inVorarlberg umgesetzt wer-den soll, die daran interes-siert sind. „Genau gesagtsuchen wir gemeinsam mitden Mädchen und Jungeneine attraktive Verpackungfür das Thema Gesundheit“,erklärt Stephan Schirmer.

AVOS SALZBURG

1992 haben das Land Salzburg und AVOSPrävention und Gesundheitsförderung Salz-burg das Programm für Gesunde Gemeindengestartet. Aktuell nehmen sechs Stadtteilevon Salzburg sowie vierzig Ortschaften imSalzburger Land daran teil. Dazu gehört auchMaria Alm am Steinernen Meer mit seinenrund 2.100 Einwohner/innen, das heuer das10-Jahre-Jubiläum der Teilnahme feiert. „Die-se Gemeinde ist ein gutes Beispiel dafür, wiedurch das Programm Gesundheit in verschie-densten gesellschaftlichen Bereichen und Le-benswelten zum Thema gemacht wird“,meint Maria Pramhas von AVOS Salzburg. Somacht etwa der Kindergarten von Maria Almseit dem Vorjahr beim Projekt Gesunder Kin-dergarten von AVOS mit, bei dem gesund-heitsförderliche Maßnahmen für Kinder, El-tern und Pädagog/innen durchgeführt wer-den. Die Volksschule ist eine „Gesunde Schu-le“ mit einem Schwerpunkt auf körperlicheAktivität zum Beispiel durch „bewegten Un-

terricht“ und regelmäßigen Bewegungsein-heiten. Ältere Menschen, Erwerbstätige undJugendliche werden in Maria Alm durch Ge-sundheitsvorträge und ein reichhaltiges Kurs-angebot ebenfalls gezielt angesprochen. Ambeliebtesten ist Zumba, eine Kombinationvon Aerobic und Tanz, aber auch das Senio-renturnen, Yoga und der wöchentliche NordicWalking-Treff werden gut genutzt. Und „Le-bensstilgruppen“ bieten den Einwohner/in-nen die Möglichkeit, gemeinsam mit anderengesunde Bewegung und Entspannungsübun-gen zu machen oder sich mit dem Thema ge-sunde Ernährung zu befassen.

10 Jahre Gesunde Gemeinde Maria Alm

Stephan Schirmer: „An den Vor-arlberger Polytechnischen Schulengibt es bislang kaum Maßnahmenzur Gesundheitsförderung. Dasmöchten wir ändern.“

Benny Schreiner be-treibt die Schulbuffetsin der PolytechnischenSchule in Oberwart,der Neuen MittelschuleMarkt Allhau und derNeuen Musikmittel-schule Großpeters-dorf. Diese sind mitdem Gütesiegel für ge-sunde Ernährung „Un-ser Schulbuffet” aus-gezeichnet worden.

Aquajogging in der Gesunden Gemeinde Maria Almim Salzburger Land Fo

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Foto: P

GA

Die Initiative „Unser Schulbuffet“ des Ge-sundheitsministeriums bringt seit 2011 ge-sündere Ernährung an Österreichs Schulen.Damit ist sie auch ein wichtiger Bestandteilder umfassenden schulischen Gesundheits-förderung, durch welche die österreichischenAusbildungsstätten als Gesamtorganisatio-nen gesünder gestaltet und bessere Bedin-gungen für das Lehren und Lernen geschaf-fen werden sollen. Im Rahmen der Initiativewerden die Betreiber/innen von Schulbuffetsunter anderem informiert und beraten, wiesie ihr Angebot entsprechend den Leitlinienfür gesunde und ausgewogene Gemein-schaftsverpflegung gestalten können sowiegleichzeitig ansprechend und wirtschaftlich.Im Burgenland werden Buffetbetreiber/in-nen dabei seit heuer von einem mobilenCoach des Vereins für Prophylaktische Ge-sundheitsarbeit (PGA) mit Hauptsitz in Linzbegleitet. Sieben Schulbuffets haben die Maß-nahme zur Gesundheitsförderung bereitserfolgreich umgesetzt und konnten mit demGütesiegel „Unser Schulbuffet“ ausgezeich-net werden. 20 weitere Buffets werden zur-zeit betreut. „Unser Schulbuffet“ wurde bisEnde 2014 aus den Vorsorgemitteln „Ernäh-rung“ der Bundesgesundheitsagentur finan-ziert, danach wurden Kooperationspartnergesucht. Im Burgenland ist nunmehr dieBurgenländische Gebietskrankenkasse dieTrägerorganisation.

PRAXIS

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STYRIA VITALIS

Die steirische Einrichtung für Gesundheitsför-derung Styria vitalis führt seit Jänner 2015mit fünf steirischen Pflegeheimen das zwei-einhalb Jahre dauernde und vom Fonds Ge-sundes Österreich geförderte Projekt „Ge-sundheit hat kein Alter“ durch. Dabei werdennicht nur die Bewohner/innen und Beschäf-tigten miteinbezogen, sondern auch die An-gehörigen sowie die ehrenamtlichen Helfe-rinnen und Helfer. Zu Beginn wird bei allenBeteiligten erhoben, was sie brauchen, umim Pflegewohnheim gesund leben und arbei-ten zu können. Darauf aufbauend werden ineinem gemeinsamen Team, in dem wiederumalle Gruppen vertreten sind, konkrete Maß-nahmen entwickelt und umgesetzt. Ein zen-traler Bestandteil der Initiative ist die gezielteBewegungsförderung für die Bewohner/in-nen, um deren Selbstständigkeit im Alltagmöglichst lange zu erhalten. „Wer sich einGlas Wasser alleine holen kann, trinkt auch

regelmäßiger. Wer sich ein Buch selbststän-dig aus dem Regal nehmen oder die herun-tergefallene Fernbedienung vom Boden aufheben kann, braucht keine externe Hilfeund ist damit unabhängiger“, erklärt Projekt-

leiterin Christine Neuhold von Styria vitalis.Die Maßnahmen des Projektes, die sich beider aktuellen Umsetzung bewähren, sollenzukünftig anderen Wohnheimen in der Steiermark als Vorbild dienen.

Gesundheitsförderung in fünf Pflegeheimen

Bei der Kick-off-Veranstaltung für das Projekt „Gesundheit hat kein Alter“ im Caritas Senioren- und Pflegewohnhaus in Preding im Mai wurde unter anderem auch getanzt.

Foto: Styria vitalis

Gesundheitstouren durch Wien-Leopoldstadt

Fotos: Ulrike Fleischanderl/queraum

. kultur- und sozialforschung

AKTIV IM ALTER

„Senior Guides“ heißt ein Projekt, bei demältere Freiwillige dazu ermuntert und befähigtwerden, ihr Wissen über Sehenswertes, Schö-nes und Historisches in ihrer Wohnumgebungbei kostenlosen Führungen an andere zu ver-mitteln. Dabei wird nicht nur der Horizont er-weitert und Gemeinschaft gepflegt, sondernauch gemeinsam gesunde Bewegung ge-macht. In Wien wurde diese Initiative des For-schungsinstituts „queraum. kultur- und sozi-alforschung“ von Ende 2013 bis Ende 2014von der Wiener Gesundheitsförderung, demFonds Gesundes Österreich und dem Bun-desministerium für Arbeit, Soziales und Kon-sumentenschutz unterstützt. Das Projekt läuft

jedoch weiter und die Senior Guides führenvorerst bis inklusive Oktober 2015 kostenloseGesundheitstouren in der Leopoldstadt durch,zum Beispiel einen „Streifzug durch die unterenPraterauen“ oder eine Tour zum Thema „Das

Nordbahngelände Einst und Jetzt“. NähereInformationen dazu, wann und wo die Rund-gänge stattfinden, sind unter www.wig.or.atim Bereich „Gesundes Altern“ abrufbar.

Senior Guides machen mit interessiertenZuhörer/innen kostenlos Gesundheitstourenzu sehenswerten Plätzen im zweiten Wiener Gemeindebezirk.

PRAXIS

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44 gesundesösterreich

Ein erfolgreiches Projekt hat Lehrlingen in einer Einrichtung für überbetriebliche Lehrausbildung

in Niederösterreich mehr Gesundheit gebracht. Jetzt wird es als Transferprojekt in acht vergleichbaren

Institutionen umgesetzt. Text: Dietmar Schobel

PRAXIS

Health4You hat bei uns viel zumPositiven verändert. Dies vor al-lem auch, weil unsere Jugendli-

chen gesehen haben, dass sie dabei ernstgenommen und ihre Bedürfnisse be-rücksichtigt werden“, sagtReinhard Zu-ba, der Geschäftsführer der Lehrlings-stiftung Eggenburg. Das vom FondsGesundes Österreich geförderte Projektzur Gesundheitsförderung wurde ab2010 in der Einrichtung für überbetrieb-liche Lehrausbildung in Nieder-österreich umgesetzt. In der Stiftungwerden 16- bis 25-Jährige, die keinenArbeitsplatz bekommen haben, in sie-ben Lehrberufen von Malerei bis zuEDV-Technik ausgebildet, und es wer-den auch einjährige Qualifizierungenangeboten.Dank des Projektes gibt es nunmehrunter anderem regelmäßigen Betriebs-sport, Gesundheitstage, Workshops,Erlebniswochen und ein Kompetenz-training, bei dem Gesundheitsthemenbehandelt werden. Außerdem wurdeeine gewählte Vertretung der Jugend- lichen etabliert, die sich zum Beispiel

schon dafür eingesetzt hat, dass diePausenräume freundlicher gestaltetwurden, mit bequemen Sofas undStühlen. Für die Beschäftigten wurdenebenfalls Maßnahmen der Betriebli-chen Gesundheitsförderung verwirk-licht und zum Beispiel Bewegungs-übungen angeboten und ein „gesun-des Essen“ eingeführt. „Besonders er-freulich ist, dass sich die Beziehungenzwischen den Betreuer/innen undden Lehrlingen von einem autoritärenzu einem partnerschaftlichen Verhält-nis gewandelt haben“, betont Rein-hard Zuba: „Die Ausbildner/innensehen sich nicht mehr so stark alsLehrherren, deren Anweisungen stetszu folgen ist, und die Jugendlichensind selbstbewusster geworden: Sie

wissen, dass sie Rechte haben, aberauch Pflichten.“

Mehr Wissen über GesundheitDie Evaluation durch das Institute forSocial Research and Consulting (SORA)mit Sitz in Wien belegt die positive Wir-kungen von Health4You. So hat die Ini-tiative zum Beispiel das Gesundheits-bewusstsein der teilnehmenden Jugend-lichen gestärkt. Diese gaben unter an-derem an, dass sie nun wesentlich bes-ser über das Risiko von Alkohol undDrogen, sowie von Rauchen aufgeklärtsind. Außerdem sagten sie mehrheitlich,dass sie dank des Projektes besser überTechniken zum Stressabbau und ge-sunde Ernährung informiert sind. DieAuswertung hat zudem gezeigt, dassdie Projektteilnehmer/innen ihre eige-

Lehrlinge für Kosmetik und Fusspflege der ipcenter.at GmbH in Wien in einem Gesundheitszirkel mit ihrerAusbildnerin Elisabeth Wlacil.

Ein Gewinn für diegesamte Gesellschaft

INFO & KONTAKT

Fotos: ipcenter.at G

mbH

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Monika Kovacs: „In den Gesundheits-zirkeln haben die Jugendlichen Vorschläge fürGesundheits-aktivitäten gemacht.Ab September werden wir vieles davon umsetzen.“

Verein Lehrlingsstiftung EggenburgReinhard ZubaTel. 02984/38 76 oder 0664/819 97 [email protected]

ipcenter.atMonika KovacsTel. 01/667 83 02-25 oder 0676/84 667 83 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentinbeim FGÖ:Rita KichlerTel. 01/895 04 [email protected]

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45gesundesösterreich

nen Stärken und Schwächen besser ken-nengelernt haben, insgesamt mehr ander Arbeit in den Werkstätten interes-siert sind und sensibler mit ihren Kol-leg/innen umgehen.

Als Transferprojekt ausgewählt„Dass die Initiative so erfolgreich war,ist ein Grund, weshalb sie nunmehr alsTransferprojekt des Fonds GesundesÖsterreich ausgewählt wurde“, sagtRita Kichler, Gesundheitsreferentin beimFonds Gesundes Österreich, über Health4You, das nunmehr in ähnlicherForm in anderen Einrichtungen fürüberbetriebliche Lehrausbildung durch-geführt wird. Der zweite sei, dass indiesen Ausbildungsinstitutionen imSinne der gesundheitlichen Chancen-gerechtigkeit vor allem Jugendliche er-reicht würden, die aus Familien mitgeringem Einkommen und geringemBildungsgrad stammen und häufigauch gesundheitlich schlechter gestelltsind. „In der überbetrieblichen Lehr-ausbildung ist der Anteil dieser Jugend-lichen und speziell auch jener mit Mi-grationshintergrund sehr hoch“, erklärtRita Kichler: „Der Projekttransfer solldeshalb auch dazu beitragen, mehr ge-sundheitliche Chancengerechtigkeitherzustellen, wie das in den österrei-chischen Rahmen-Gesundheitszielenfür die Entwicklung des Gesundheits-systems bis 2032 vorgesehen ist.“

Transfer in acht weitere EinrichtungenHealth4You wird nun auch in acht wei-teren Einrichtungen für überbetrieblicheLehrausbildung in Wien, der Steiermark,Salzburg und Oberösterreich durchge-führt (siehe auch Kasten: „Wo das Trans-ferprojekt umgesetzt wird“). Diese wer-den während des gesamten Prozessesauch immer wieder zu Fortbildungs-und Vernetzungsveranstaltungen ein-geladen und haben dort die Möglichkeit,Erfahrungen auszutauschen. Der Trans-ferprozess wird von einem Lenkungs-ausschuss begleitet, der aus Mitgliedernund Stakeholdern aus unterschiedlichenBereichen besteht. Die ipcenter.at GmbHin Wien zählt zu den beteiligten Ein-richtungen. Sie betreibt unter anderemdie „Jugendwerkstatt“, in der verschie-

denste Lehrberufe erprobt werden kön-nen und bietet überbetriebliche Lehr-ausbildung in den Bereichen Informatik,Druck, Medien, Gesundheit und Kör-perpflege an. Etwa drei Viertel der Ju-gendlichen, die hier ausgebildet werden,haben einen Migrationshintergrund. Andem Projekt nehmen rund 70 weiblicheLehrlinge für Kosmetik und Fußpflegeteil sowie deren Ausbildner/innen. ImMärz wurde mit Gesundheitszirkelnbegonnen. Diese Gruppengesprächewurden von Monika Kovacs, der kauf-männischen Leiterin der ipcenter.atGmbH und ihrer Kollegin Suzanna Ko-zinamoderiert, die dafür eine entspre-chende Weiterbildung des Fonds Ge-sundes Österreich erhalten haben.

Vorschläge für mehr Chancengerechtigkeit„Wir haben uns unter anderem damitbeschäftigt, wie gut das Klima in derGruppe ist, welche Bedeutung Gesund-heit für die Jugendlichen hat, und wassie dafür tun wollen“, berichtet MonikaKovacs. Zu den Vorschlägen zählte etwa

Sport- und Wandertage zu veranstalten,gemeinsam Yoga zu machen, Vorträgezu gesunder Ernährung anzuhören,sich umfassend mit der Wirkung vonHeilkräutern auseinanderzusetzenoder für ein ausgewogenes Essensan-gebot bei der Arbeit zu sorgen. „AbSeptember werden wir vieles davonin die Tat umsetzen“, sagt die kauf-männische Leiterin der ipcenter.atGmbH und ergänzt: „Es war wirklichschön, bei den Gesundheitszirkeln dasGlitzern der Vorfreude auf diese ge-sundheitsförderlichen Aktivitäten inden Augen der Jugendlichen zu sehen.“ Bleibt zu hoffen, dass die Umsetzungauch insgesamt so erfolgreich gelingtwie in Eggenburg. Denn, um es mitden Worten des dortigen Geschäfts-führers Reinhard Zuba zu sagen:„Wenn Gesundheitsförderung für Teil-nehmer/innen der überbetrieblichenLehrausbildung so wie bei dem ProjektHealth4You umfassend und nachhaltigverwirklicht wird, dann ist das nichtnur ein Gewinn für die Gesundheit,sondern für die gesamte Gesellschaft.“

WO DAS TRANSFERPROJEKT UMGESETZT WIRD

• Die VfQ – Gesellschaft für Frauenund Qualifikation in Linz, Oberösterreichbetreibt Ausbildungsstätten für Tischlereiund Glaserei und 27 Mädchen und jungeFrauen sowie sechs Ausbildnerinnen neh-men hier am Transferprojekt teil.• Durch den Verein Fensterplatz inGraz werden zehn Betreuer/innen und rund100 Jugendliche erreicht, vor allem Schul-abbrecher/innen sowie Migrant/innen.• Über die ipcenter.at GmbH in Wiennehmen rund 70 weibliche Lehrlinge fürKosmetik und Fußpflege zwischen 15 und21 Jahren teil sowie zehn Ausbildner/innenund Sozialpädagog/innen.• Bei Weidinger & Partner in Wienwerden durch das Projekt an zwei Standor-ten rund 100 Jugendliche aus den BerufenMalerei und Anstrich, Metallverarbeitungund Tischlerei miteinbezogen sowie 15Mitarbeiter/innen und Ausbildner/innen.• Das Berufsförderungsinstitut (BFI)Wien gehört ebenfalls zu den beteiligten

Institutionen und zwar mit 200 Handels-lehrlingen und 33 Ausbildner/innen.• 40 Jugendliche aus unterschiedlichenLehrberufen und fünf Mitarbeiter/innensind bei „Die Berater“ in Salzburg beidem Transferprojekt dabei.• Über das BFI Steiermark können 566Jugendliche und 62 Mitarbeiter/innen vonder Gesundheitsinitiative profitieren.• Bei Jugend am Werk in der Steiermark sind 34 Ausbildner/innen sowie 327 Lehrlinge für verschiedene Berufe beteiligt.Bei dem Transferprojekt kooperiert derFonds Gesundes Österreich mit weiterenFördergebern: dem Arbeitsmarktservice,dem Hauptverband der osterreichischenSozialversicherungsträger, der WGKK,StGKK, SGKK und der Wiener Gesundheits-forderung. Außerdem wird dieses vomBMG, dem BMASK, dem Sozialministerium-service, der Arbeiterkammer und der Wirt-schaftskammer unterstützt.

Diese acht Einrichtungen für die überbetriebliche Ausbildung von Lehrlingenbeteiligen sich an dem Transferprojekt des Fonds Gesundes Österreich:

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Das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern birgt viel positives Potenzial. Wie man dieses heben kann, indem das Verbindende

gestärkt wird, zeigt das Projekt „Leibnitz verbindet“. Text: Gabriele Vasak

80 Ideen aus der BevölkerungTatsächlich haben sich die Menschen in Leibnitzin hohem Maß an der Initiative beteiligt und80 verschiedene Ideen für mehr soziale Ge-sundheit und Chancengerechtigkeit einge-bracht. Davon ausgehend wurden vier Pro-jektschwerpunkte gewählt. Die Aktivitäten zudiesen wurden von Initiativgruppen umgesetzt,an denen unter anderem Gemeinde-vertreter/innen, Vereine, Institutionen, Orga-nisationen aus Wirtschaft, Kultur und Sportsowie Vertreter/innen von Minderheiten, diein dem Projekt besonders angesprochen wa-ren, beteiligt waren. Gemanagt wurde allesvon der Projektleiterin Susi Khalil, der Pro-jektkoordinatorin Helga Cernko und einerSteuerungsgruppe.Ein Projektschwerpunkt war Betriebliche Ge-sundheitsförderung für die und mit den über150 Mitarbeiter/innen des „Betriebes Ge-meinde“ in Einrichtungen wie dem Wirtschafts-hof, dem Kindergarten, der Bibliothek undanderen mehr. Außerdem wurde von „Zua-grosten“ und Mitarbeiter/innen des Bürger-service eine Willkommensbroschüre für alleNeuankömmlinge in Leibnitz erarbeitet. Weiterswurde ein Kleinprojektepool eingerichtet undüber diesen die Verwirklichung zahlreicherweiterer Ideen mit 50 Prozent der Kosten un-terstützt, sofern sie den Kriterien des Projekteszur Gesundheitsförderung entsprachen. Derrestliche Betrag wurde in vielen Fällen vonWirtschaftsbetrieben übernommen.

Gemeinsam feiernDas Highlight des Projektes scheint für vielejedoch das zweitägige „Fest der Begegnung“im Mai 2014 gewesen zu sein. Da zeigten

PRAXIS

Vielfältige, bunte Gesellschaften bergenviel positives Potenzial, aber auchHerausforderungen. Leibnitz in der

Steiermark ist ein Paradebeispiel dafür, denndie Ortschaft erfreut sich großen Zuzugs. Inder Stadtgemeinde mit rund 12.000 Einwoh-ner/innen leben Menschen aus 51 verschie-denen Nationen. Wie das Verbindende zwi-schen diesen im Sinne sozialer Gesundheitund höherer Chancengerechtigkeit gestärktwerden kann, war Inhalt eines vom FondsGesundes Österreich unterstützten Projektes,das im Rahmen der Initiative „Zusammenleben in Vielfalt“ der Steiermärkischen Lan-desregierung entstanden ist. „Wir wolltenmit diesem Projekt in der immer bunter wer-

denden Gesellschaft von Leibnitz einerseitsdas Individuum stärken, andererseits allenLeibnitzer/innen das Gefühl geben, hier be-heimatet zu sein“, erzählt die Leiterin SusiKhalil von Styria vitalis über das Projekt„Leibnitz verbindet“. Was allerdings zu Be-ginn nicht ganz einfach schien, denn: „Imersten Zeitungsbericht über das Projekt wurdeich als ,Vielfaltstante’ dargestellt, die nundas Kebap statt der traditionellen Wurstspe-zialität Osterkrainer einführen will. Doch wirhaben nicht resigniert, sondern stattdessengute Kooperationen mit anderen Medienaufgebaut und die Menschen auf vielfältigeWeise motiviert mitzumachen, und schluss-endlich ist das mehr als gut gelungen.“

Vielfalt birgt viel Potenzial

Fotos: Styria vitalis, privat

Das zweitägige „Fest der Begegnung“ war ein Highlight des Projektes „Leibnitz verbindet“.

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mehrfach Behinderte den staunenden ande-ren, wie man Gips gießt, da lief bei einerModeschau eine Muslimin mit Kopftuch ge-meinsam mit der Landtagsabgeordneten überden Laufsteg, da jodelten Afrikaner/innenund schlugen Österreicher/innen die afrika-nische Trommel und vieles mehr. „Plötzlichwurde aus den Gruppen, von denen ich sonstnur in der Zeitung lese oder bestenfalls nochdie Verantwortlichen kenne, Menschen, mitdenen ich ebenso Fußball spielen kann wiemiteinander essen, die Spezialitäten einesHerkunftslandes kennen lernen, diskutierenund vieles mehr. Im Reden zeigt sich, wiesehr wir eigentlich verbunden sind, ganz ein-fach, weil wir in der selben Stadt leben. Daszu feiern war für mich das Bemerkenswertean ,Leibnitz verbindet’, und dass in diesemFeiern auch ein multireligiöses Gebet möglichwar, setzte dem Fest für mich als kirchlichemMitarbeiter die Krone auf“, schwärmt auchder Projektteilnehmer und aktive MitgestalterWalter Schreiber, Pastoralassistent der PfarreLeibnitz.

Ein voller ErfolgDie Verantwortlichen haben während desProjektes auch immer wieder evaluiert, alsosystematisch überprüft, ob die Maßnahmenmit den Bedürfnissen und Problemen derMenschen übereinstimmen und dieses warauch insgesamt als Entwicklungsprozess an-gelegt. Das bedeutet, dass die Bevölkerungnach der offiziellen Laufzeit des Projektesvon Mai 2013 bis Oktober 2014 weiterhinkontinuierlich eingeladen wird, sich aktiveinzubringen.Dass alles so gut lief und läuft führt SusiKhalil neben der Unterstützung durch denBürgermeister und die Mitarbeiter/innen derStadtgemeinde unter anderem auch auf denberühmten „Schneeballeffekt“ zurück: „Esgab nach den allerersten Startschwierigkeiten

von Anfang an kleine Erfolgserlebnisse, überdie auch in den Medien berichtet wurde.Wir hatten schließlich eine ständige Präsenzin Zeitungen und haben zudem die Men-schen stets eingeladen, weiter mitzuma-chen.“ Das Projekt „Leibnitz verbindet“ warfür die Koordinatorin Helga Cernko ebenfalls„ein voller Erfolg“: „Es wurde an vielen klei-nen Rädchen gedreht und durch diese vielenverzahnten Räder hat sich alles in Bewegunggesetzt.“ Aber: „Ohne professionelle Pro-zessbegleitung ist ein Projekt in diesem Um-fang nicht umzusetzen, da es jemanden ge-ben muss, der den roten Faden zieht. Und:Wenn man die Menschen zum Mitmachenbewegen will, geht das nur face-to-face.Nur durch intensive Beziehungsarbeit gibtes Beteiligung.“

Projektleiterin Susi Khalil: „Wirwollten mit diesem Projekt allenLeibnitzer/innen das Gefühl geben, hier beheimatet zu sein.“

Pastoralassistent Walter Schreiber: „Im Reden zeigt sich,wie sehr wir eigentlich verbundensind, ganz einfach, weil wir in derselben Stadt leben.“

INFO & KONTAKT

Projektleiterin:Susi Khalil Tel. 0316/82 20 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ:Anna Krappinger Tel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit:Land Steiermark, zam Leibnitz, Leibnitz KULT, Schulen der StadtgemeindeLeibnitz, Regionalmanagement, Wirtschaftstreibende der Region, ortsansässige Vereine, regionale Presse

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48 gesundesösterreich

Bei einem Projekt im Weinviertel wurden Vertreter/innenverschiedener Gesellschaftsbereiche und viele Bürger/innenbeteiligt. So wurde Gesundheit in der ganzen Region zum Thema – und diese erlernte „gesund zu sein“.

PRAXIS

Beim Projekt ,Rundum gsund imWeinviertel’ wurden Vertreter/in-nen verschiedenster gesellschaftli-

cher Bereiche miteinbezogen und eskonnten Menschen aller Altersgruppenerreicht werden“, sagt Johannes Wolf, derGeschäftsführer der LEADER RegionWeinviertel Ost und ergänzt: „Außerdemhat diese Initiative wichtige Impulse fürmehr Zusammenarbeit zwischen Ge-meinden gegeben und für die bessereVernetzung unterschiedlicher Sektorengesorgt.“ Das zu zwei Dritteln vom Fonds Gesun-des Österreich finanzierte Projekt zurumfassenden Gesundheitsförderung istzwischen September 2009 und Dezember2013 in fünf der sechs Kleinregionen um-gesetzt worden, die der LEADER-RegionWeinviertel Ost angehören. Die beteilig-ten Kleinregionen, die zwischen neunund 14 Gemeinden umfassen, sind das„Land um Laa“, die „Leiser Berge-Mis-telbach“, die „Region um Wolkersdorf“,die Kleinregion „Südliches Weinviertel“und das „Weinviertler Dreiländereck“.Das Förderprogramm LEADER der

Europäischen Union dient bekanntlichder Entwicklung ländlicher Räume. „Da-bei wird vor allem auf die Tatkraft derAkteurinnen und Akteure aus der Regiongesetzt. Das passt sehr gut mit der Ideeder Gesundheitsförderung zusammen,die ebenfalls Beteiligung der Betroffenenins Zentrum stellt“, betont Johannes Wolf.

Beteiligte aus allen BereichenTatsächlich hatte Partizipation auch beidem von den GesundheitsexpertinnenChristine Schwanke und Katja Racherdurchgeführten Projekt „Rundum gsundim Weinviertel“ von Beginn an hohe Be-deutung. Es wurde mit Gesprächsrundenbegonnen, zu denen in jeder KleinregionFachleute aus Bereichen wie Gesundheit,Soziales, Wirtschaft, Kultur, Bildung undPolitik sowie die Bürgerinnen und Bürgereingeladen wurden. Dabei wurde derIst-Zustand analysiert und davon aus-gehend wurden konkrete Projektideenzur Gesundheitsförderung für relevanteZielgruppen entwickelt und umgesetzt.So entstand etwa das Kleinregionsprojekt„Reaktiv Walken für berufstätige Frauen“im Land um Laa. Auf den Walking-Stre-cken in dieser Kleinregion fanden ge-führte Trainingseinheiten statt. Pro Stre-cke wurde auch eine Instruktorin aus-gebildet. Diese führen nun Reaktiv-Wal-king-Runden für alle interessierten be-rufstätigen Frauen durch. In der Region„Südliches Weinviertel“ wurden zumBeispiel unter dem Motto „Ich schau aufdich“ Nachbarschaftshelfer/innen ge-schult. Sie stehen jetzt für alle interes-sierten Senior/innen in ihren Gemeindenzur Verfügung und geben einfache Tipps

und Informationen weiter, wie Unfällezu Hause vermieden werden können.Insgesamt sind zwölf derartige Kleinre-gionsprojekte verwirklicht worden.

6.000 Menschen haben teilgenommenInsgesamt haben fast 6.000 Menschen aneiner der 130 Veranstaltungen von„Rundum gsund im Weinviertel“ teil-genommen. Dazu zählten auch die„Weinviertler Gesundheitsdialoge“ zuden Bereichen Gesundheit & Soziales,Wirtschaft, Kultur & Bildung, Tourismus& Regionalentwicklung sowie Politik,zu denen jeweils Expert/innen und in-teressierte Bürger/innen eingeladen wa-ren. Dabei wurde auch ein Leitbild mitVisionen, Zielen und möglichen „Bau-steinen“ für die Gesundheitsförderungin der Region in den nächsten Jahren er-arbeitet. „Das Projekt hat umfassendeGesundheit und speziell auch das Er-halten der Arbeitsfähigkeit bei den Ent-scheidungsträger/innen und den Men-schen in der Region zum Thema ge-macht. Viele wollen sich jetzt weiterhindafür engagieren“, sagt Johannes Wolfzusammenfassend, „denn Rundumgsund im Weinviertel hat dazu beige-tragen, dass Gesundheitsvorsorge deut-lich mehr als Querschnittsthema ver-standen wird, das auch im Alltag seinenPlatz haben muss.“ Für Fragen und Pro-jektideen stehen acht „Regionale Ge-sundheitsbeauftragte“ der Kleinregionenim östlichen Weinviertel bereit. Sie wur-den im Rahmen des Projekts ausgebildetund werden auch in Zukunft Multipli-kator/innen für Anliegen der Gesund-heitsförderung in der Region sein.

Wie eine RegionGesundheit erlernte

INFO & KONTAKT

LEADER Region Weinviertel OstJohannes WolfTel. 02245/212 [email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 [email protected]

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Johannes Wolf:„Das Projekthat dazu beigetra-gen, dass Gesund-heitsvorsorge deutlich mehr alsQuerschnitts-thema verstandenwird, das auch imAlltag seinen Platzhaben muss.“

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PRAXIS

Es ginge alles viel besser, wenn manmehr ginge“, wusste schon derdeutsche Dichter Johann Gottfried

Seume (1763 bis 1810). Tatsächlich istzu Fuß zu gehen gut für die Gesundheitund für ältere und alte Menschen hatdas besondere Bedeutung. Einerseitssind mit zunehmendem Alter andereFormen von Sport und Bewegung oftnur mehr eingeschränkt möglich. An-dererseits kann regelmäßiges Gehendazu beitragen, länger selbständig zubleiben. Laut den vom Fonds GesundesÖsterreich herausgegebenen „Öster-reichischen Empfehlungen fur gesund-heitswirksame Bewegung“ sind furaltere Menschen mindestens 150 Mi-nuten körperliche Aktivität mit mitt-lerer Intensitat pro Woche ratsam, ambesten verteilt auf mehrere Tage undzum Beispiel in Form von Gartenarbeitoder zügigem Gehen.„Ob ältere Menschen tatsächlich zuFuß gehen, hängt jedoch stark von derWohnumgebung ab und entscheidetsich häufig an Dingen, an die jüngerenoch gar nicht denken. Zum Beispiel,

ob es auf etwas längeren Wegen Rast-bänke und WCs gibt, oder ob Bäumeoder andere Schattenspender vorhan-den sind“, erklärt Christine Neuhold vonder steirischen Gesundheitsförderungs-einrichtung Styria vitalis. Ebenso wich-tig könne es etwa auch sein, ob Geh-steigkanten mit dem Rollator überwun-den werden können, Unterführungenbarrierefrei begehbar sind oder Wer-betafeln die Sicht behindern.

Gute Voraussetzungen schaffenIn den fünf steirischen Gemeinden Arn-fels, Bruck an der Mur, Lieboch, Kap-fenberg und Schladming wurde des-halb zwischen Juli 2011 und September2013 bei dem von ihr geleiteten Projekt„Gemeinsam Gehen“ erprobt, was auflokaler Ebene getan werden kann, da-mit ältere und alte Menschen bessereVoraussetzungen für das Gehen vor-finden. Dafür wurden in den Ortschaf-ten zunächst Initiativgruppen gegrün-det, an denen sich Senior/innen, Poli-tiker/innen und Vertreter/innen vonVereinen und Institutionen aus den Be-

reichen Sport, Soziales und Bauwesenbeteiligten. Die Mitglieder der Initia-tivgruppe und Vertreter/innen der Ziel-gruppe der Über-65-Jährigen haben zu-nächst einmal festgestellt, wo es in denGemeinden häufig von Senior/innengenutzte Routen gibt – zum Beispielzur Bank, in beliebte Geschäfte, zumArzt oder in die Apotheke. Außerdemwurde erhoben, welche Barrieren aufdiesen Strecken vorhanden sind, wennman mit dem Rollstuhl oder dem Rol-lator unterwegs oder nicht mehr so gutzu Fuß ist. Dafür wurden im Rahmeneiner gemeinsamen Arbeitssitzung aufeinem vergrößerten Stadtplan die wich-tigsten Routen und bestehende Barrie-ren mit Stecknadeln markiert. Das wur-de durch gemeinsame Begehungen vonFußgängerrouten ergänzt, bei denenauch Rollstuhlfahrer/innen und Nut-zer/innen einer Gehhilfe dabei waren.Danach wurden von den zuständigenBaubehörden viele Barrieren entfernt.„Dafür sind oft schon ganz kleine Ver-änderungen ausreichend, die eine Ge-meinde vielleicht 100 Euro oder nochweniger kosten“, weiß etwa SabineChristian, die als Baudirektorin vonKapfenberg bei solchen Begehungendabei war. Diese Verbesserungen könn-ten zum Beispiel darin bestehen, Geh-steigkanten abzuschrägen, Hecken zustutzen, die den Gehsteig blockieren,oder WCs behindertengerecht einzu-richten, so die Expertin: „Bei einigenBänken an der Mürz, wo wir uns oft ge-wundert hatten, weshalb sich an diesemschönen Platz nie ältere Menschen nie-dersetzen, haben wir zum Beispiel er-fahren, dass die Sitzhöhe zu gering war,um gut wieder aufstehen zu können.“ Fo

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Ein Leben lang gut zu Fuß in steirischen Gemeinden

Was kann auf Gemeindeebene getan werden, damit ältere Menschen bessere Möglichkeiten haben zu Fuß zu gehen? Ein Projekt in der Steiermark gibt

Antworten auf diese Frage. Text: Dietmar Schobel

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aufgebaut werden. Das hat dort be-sonders gut funktioniert, wo es unsgelungen ist, die Projektaktivitäten mitjenen bestehender Vereine und andererEinrichtungen zu verbinden“, sagtChristine Neuhold. Das bestätigenauch die Ergebnisse der Evaluation,die von der ARGE Auferbauer & x-sample durchgeführt wurde. Tatsäch-lich finden in mehreren Gemeindenweiterhin Begleitdienste statt, und auchetliche der Gemeinsam Gehen-Treffswerden nach wie vor regelmäßig ab-gehalten.Die Kapfenberger Baudirektorin SabineChristian geht auf eigene Initiativemindestens einmal pro Jahr die wich-tigsten Wege in der Stadt an der Murab, seit sie sich an dem Projekt zur Ge-sundheitsförderung beteiligt hat. „Ichversuche dann, unser Wegenetz ausder Perspektive von Menschen mit ein-geschränkter Beweglichkeit zu beur-teilen“, erklärt Sabine Christian und

fügt schmunzelnd hinzu: „Wenn ichda eine Gehsteigkante sehe, die nichtabgeschrägt ist, dann werde ich schonnervös.“

Soziale BegleitdiensteEin weiterer Schwerpunkt des Projektesbestand darin, „soziale Begleitdienste“aufzubauen. Insgesamt 34 Freiwilligehaben sich dafür gemeldet, ältere Men-schen bei Spaziergängen oder Erledi-gungen zu Fuß zu unterstützen underhielten eine vierstündige Kurzschu-lung, was dabei zu beachten ist. Au-ßerdem wurden in allen beteiligten Ort-schaften so genannte „Gemeinsam Ge-hen“-Treffs eingerichtet. Dort kommenInteressierte nun regelmäßig zu be-stimmten Zeiten zusammen, um alsGruppe körperlich aktiv zu sein. JederTreffpunkt hat auch einen oder eine Be-treuerin. In Schladming etwa ist dasein altgedienter Wanderführer, der mitder Gruppe Wanderungen in der Nähedes Ortes unternimmt.Im Rahmen des Projektes wurdeschließlich auch innerhalb jeder Ge-meinde ein Wegenetz an Routen erar-beitet, die landschaftlich schön oderkulturell interessant sind, sowie für äl-tere Menschen gut begehbar. Je nachSchwierigkeitsgrad wird zwischenleichten, mittleren und schwierigen Stre-cken unterschieden, die blau, rot oderschwarz in die jeweiligen Stadtpläneeingetragen wurden. Auch jede kleinereSteigung wird eigens ausgewiesen undRuhebänke sind ebenfalls eingezeich-net. Gemeinsam mit den Seniorenzei-tungen der beteiligten Gemeinden wur-den bei dem Projekt insgesamt 24.000derartige Wegenetzkarten versandt.

Strukturen wurden aufgebaut„Insgesamt konnte bei dem Projekt dieZielgruppe der Über-65-Jährigen inden beteiligten Gemeinden gut erreichtund es konnten nachhaltige Strukturen

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ZUR PERSON

Projektleiterin:Christine Neuhold Tel. 0316/82 20 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ:Anna Krappinger Tel. 01/895 50 [email protected]

Kooperationen mit: den Referaten für Soziales und Bau der größeren Gemeinden, lokalen Vereinen für Sport und Senior/innen,Pfarren, der Zeit- und Hilfsbörse Bruck an der Mur, dem ISGS Kapfenberg, mobilenDiensten und Alten- und Pflegeheimen.

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Teilnehmer/innen eines“Gemeinsam Gehen”-Treffs in Kapfenberg.

Die KapfenbergerBaudirektorin Sabine Christian:„Oft sind schon klei-ne Veränderungen ausreichend, damitWege für ältere Menschen besser begehbar werden.”

Die Initiativgruppe in Bruck an der Mur mit Projektleiterin Christine Neuhold (4. von links)

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52 gesundesösterreich

PRAXIS

direkt erreicht. „Die beiden Projekte habengezeigt, dass im Rahmen der Kinder- undJugendhilfe speziell sozial benachteiligteMenschen, bei denen der Bedarf für Gesund-heitsförderung besonders hoch ist, mit gutenErfolgen erreicht werden können“, fasst Rai-ner Christ, Gesundheitsreferent beim FondsGesundes Österreich, die Ergebnisse zusam-men. Von den Pilotprojekten ausgehend, sol-len nun weitere Einrichtungen der Kinder-und Jugendhilfe dafür gewonnen werden,gezielt gesundheitsförderliche Maßnahmendurchzuführen. Da die beiden Initiativen nicht1:1 als Transferprojekt auf andere Organi-sationen übertragen werden können, hateine Arbeitsgruppe des Dachverbandes derösterreichischen Jugendhilfeeinrichtungen(DÖJ) ein Konzept erstellt, wie Gesundheits-förderung in diesem Bereich grundsätzlicham besten verwirklicht werden kann.

Konzept und Manual für ProjekteLaut diesem Dokument sind dafür vierThemenschwerpunkte inhaltlich besondersgut geeignet:

• gegen Gewalt vorzubeugen

• soziale Vernetzung zu fördern

• Kompetenzen für das alltägliche Leben zu entwickeln

• sowie die Erfahrung der Selbstwirksamkeit zu fördern.

Das gesamte Konzept ist auf der Websitewww.doej.at abrufbar und wird demnächstnoch durch ein „Manual“ ergänzt werden.Letzteres soll unter anderem auch konkreteHandlungsanleitungen geben, was in derPraxis bei gesundheitsförderlichen Projektenim Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zubeachten ist: vom Stellen der Anträge überdie Umsetzung bis zur Evaluation.

Die Kinder- und Jugendhilfe wird ge-rade dann aktiv, wenn das Kindes-wohl gefährdet ist, zum Beispiel weil

die Eltern psychisch oder abhängigkeitskrankoder die Kinder Opfer von Gewalt, Missbrauchoder der Folgen von Armut sind“, erklärtHubert Löffler, der Geschäftsführer des Dach-verbandes der österreichischen Jugendhilfe-einrichtungen (DÖJ). In ganz Österreich gibtes 11.000 Kinder, die nicht mehr daheimwohnen können, weil sie dort massiv ge-fährdet sind. Sie sind in betreuten Wohnge-meinschaften oder bei Pflegefamilien unter-

gebracht. Weitere 30.000 Familien müssenambulant unterstützt werden, um den Schutzihrer Kinder zu gewährleisten sowie derenEntfaltung und Entwicklung in ihrer Familiezu fördern. Bei den beiden vom Fonds Ge-sundes Österreich geförderten Projekten„trotz allem gesund“ sowie „trotz allem ver-netzt“, die von 2004 bis 2009 sowie von2010 bis 2013 in Vorarlberg durchgeführtwurden, wurde erprobt, wie sozial benach-teiligten Klientinnen und Klienten der Kin-der- und Jugendhilfe sowie der Schuldner-beratung und des Kinderdorfes Gesundheits-förderung nahe gebracht werden kann. Bei„trotz allem gesund“ bekamen sie bei Be-ratungen zusätzlich Information und Unter-stützung in Gesundheitsfragen angeboten.So konnten rund 1.000 Menschen erreichtwerden. Rund die Hälfte nahmen im Rahmendes Projektes eine Vorsorgeuntersuchung inAnspruch. Und nach Abschluss der Initiativegaben wesentlich weniger Personen als zuvoran, bei ihren täglichen Aufgaben gesund-heitlich eingeschränkt zu sein oder an de-pressiven Verstimmungen zu leiden.

Ein soziales Netz für arme MenschenDa armutsgefährdete Menschen sehr häufigauch sozial isoliert sind, wurde bei „trotz al-lem vernetzt“ durch sechs Module versucht,ihnen zu mehr Kontakten zu verhelfen. Sowurden etwa durch das Modul„Gemeinde.netz“ benachteiligte Familien indas Vereinsleben ihrer Wohnsitzgemeindeintegriert. Oder im Modul „Familien.netz“wurden Runden organisiert, in denen sichFamilien, die von der Kinder- und Jugendhilfebetreut werden, regelmäßig mit anderen Fa-milien treffen. Bei „trotz allem vernetzt“wurden insgesamt rund 500 Teilnehmer/innen

In Vorarlberg wurden in der Kinder- und Jugendhilfe erfolgreichzwei vom Fonds Gesundes Österreich geförderte Pilotprojekte

durchgeführt. Jetzt wird ein Konzept ausgearbeitet, wie das als Transferprojekt auf vergleichbare Einrichtungen in

ganz Österreich übertragen werden kann.

Gesundheitsförderung in derKinder- und Jugendhilfe

Hubert Löffler:„Die Kinder- undJugendhilfe wirdgerade dann aktiv, wenn das Kindeswohlgefährdet ist.“

Rainer Christ: „Sozialbenachteiligte Menschen,bei denen der Bedarf fürGesundheitsförderungbesonders hoch ist, könnendurch Projekte im Rahmender Kinder- und Jugendhilfegut erreicht werden.“

Fotos: Klaus Ranger

Dachverband der österreichischen JugendhilfeeinrichtungenHubert LöfflerTel. 0664/358 61 [email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer Christ Tel. 01/895 04 [email protected]

INFO & KONTAKT

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Page 53: Magazin Gesundes Österreich Ausgabe 2/2015

53gesundesösterreich

DER FGÖ IM ÜBERBLICK

KURATORIUM

Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser,Vorsitzende des Kuratoriums

Präsident Helmut Mödlhammer,erster Stellvertretender Vorsitzender des

Kuratoriums, Österreichischer GemeindebundSL Priv.-Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner,

MSc, DTM&Hzweite Stellvertretende Vorsitzende des

Kuratoriums, Bundesministerium für GesundheitLandesrat Dr. Christian Bernhard,

LandeshauptleutekonferenzDr. Ulrike Braumüller, Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs

Vizebürgermeister Christian Forsterleitner, Österreichischer Städtebund

MR. Dr. Silvia JanikBundesministerium für Finanzen

Abg. z. Wr. LandtagIngrid Korosec, Österreichischer Seniorenrat

Manfred Lackner,Österreichischer Seniorenrat

Vizepräsident Dr. Harald Mayer, Österreichische Ärztekammer SC Kurt Nekula, M.A.,

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

Dr. Ilse Elisabeth Oberleitner, MPH, Bundesministerium für Gesundheit Mag. Stefan Spitzbart, MPH, Hauptverband der Österreichischen

SozialversicherungsträgerStadträtin Mag. Sonja Wehsely,

Konferenz der Gesundheitsreferentinnen und Gesundheitsreferenten der Länder

Präsident Mag. Max Wellan, Österreichische Apothekerkammer

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl,Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie

der Med. Universität Graz Mag. Verena Kapferer,

Mitarbeiterin am Zentrum für Ethik und Armutsforschung der Universität Salzburg

FH-Prof. Mag. Dr. Holger Penz, Stellvertretender Studienbereichsleiter

Fachhochschule KärntenUniv.-Prof. Dr. Anita Rieder,

Curriculum Direktorin der Med. Universität Wien, Leiterin des Instituts für

Sozialmedizin der Med. Universität WienAss.-Prof. Dr. Petra Rust,

Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien

Mag. Günter Schagerl,ASKÖ – Leiter des Referats für Fitness

und Gesundheitsförderunga.o. Univ.-Prof. Dr. phil. Beate

Wimmer-Puchinger,Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien und

Professorin am Institut für Psychologie der Universität Salzburg

GESCHÄFTSSTELLE

Dr. Klaus Ropin,Leiter des Geschäftsbereichs FGÖ

Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger DI (FH) Thomas BartosikMag. Dr. Rainer Christ

Mag. Dr. Edith FlaschbergerIng. Petra GajarBettina GranditsMag. Rita KichlerDoris Kirchmeier

Anna Krappinger, MASusanne KrychlIsmihana KupinicHeidrun LachnerDr. Gert Lang

Mag. Markus MiklMag. Andreas Nemeth

Gabriele OrdoKatharina RetteneggerAndrea Riegler, MA

Mag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPHIna Rossmann-Freisling, BA

Sandra SchneiderMag. (FH) Elisabeth Stohl

Mag. Jürgen Tomanek-UnfriedAlexander Wallner

Julia Webinger, BA, MAMag. Petra WinklerAleksandar Zoran

Als bundesweite Kompetenz-und Förderstelle für Gesund-heitsförderung und Präventionwurde der Fonds GesundesÖsterreich 1998 aus der Taufegehoben. Und das auf der Basiseines eigenen Gesetzes – wasauch international als vorbildlichgilt.

Wir unterstützen in der Gesundheitsförderung• praxisorientierte und betriebli-che sowie kommunale Projekte

• Fort- und Weiterbildung und Vernetzung sowie internationale Projekte.

Dazu kommen andere wichtigeAufgaben: Durch Information,Aufklärung und Öffentlichkeitsar-

beit wollen wir das Bewusstseinund Wissen möglichst vielerMenschen für Gesundheitsförde-rung und Prävention erhöhen.Außerdem unterstützen wir be-stimmte Aktivitäten im Bereichder Selbsthilfe. Für all das stehtuns ein jährliches Budget von7,25 Millionen Euro aus öffentli-chen Mitteln zur Verfügung.

KONTAKTINFORMATIONEN

Fonds Gesundes Österreich, ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbHAspernbrückengasse 21020 WienT 01/895 04 [email protected]

GESUNDHEIT FÜR ALLE

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Medien des FondsGesundes Österreich

Magazin Gesundes ÖsterreichUnser Magazin bietet Ihnen unabhängige, qualitäts-gesicherte und serviceorientierte Informationen rundum das Thema Gesundheitsförderung.

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TERMINPLANER 2015

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AUG SEPT, OKT, NOV,,15.-17.10.Kongress Essstörungen 201523. internationale wissenschaftliche TagungAlpbachInformation: www.netzwerk-essstoerungen.at

,20.-23.10.„Walk21“: 16. International Conference onWalking and Liveable Communities, „Stepping ahead“Wiener RathausInformation: walk21vienna.com

,21.-22.10.SV-Wissenschaft Werkstatt:Qualität im Gesundheitswesen – Qualitäts-aspekte im ambulanten BereichInnsbruckInformation: www.sv-wissenschaft.at

,26.10.Gemeinsam gesund bewegen TagÖsterreichweitInformation: www.gemeinsambewegen.at

ALLES WICHTIGE IM NOVEMBER

,11.11.Expert/innen-Workshop: „Krank in der Krise“Wien, Gesundheit Österreich GmbHInformation: www.fgoe.org

,17.-19.11.The 3rd European Health Literacy ConferenceManagement Centre Europe, Brüssel, BelgienInformation: www.healthliteracyeurope.net

,19.-20.11.20. Österreichische Konferenz Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (ONGKG)Billrothaus, WienInformation: www.ongkg.at/konferenzen

,23.-25.09.Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention: „Daten gewinnen, Wissen nutzen für die Praxis von Prävention und Versorgung“RegensburgInformation: www.regensburg2015.de

ALLES WICHTIGE IM OKTOBER

,01.10.20. Informationstag zur Betrieblichen GesundheitsförderungWienInformation: www.bgf-netzwerk.at

,07.-09.10.Annual Meeting and 6th Conference of HEPAEuropeIstanbul, TürkeiInformation: hepaeurope2015.org

,08.-09.10.VEÖ Jahrestagung 2015Essen für Fortgeschrittene: Generation 60+Wien, Kuppelsaal der TU WienInformation: www.veoe.org

,13.-14.10.3. Wirtschaftskonferenz zum Generationen-Management – Führung wirkt.Festspielhaus, BregenzInformation: www.generationen-management.com

,14.-17.10.8th European Public Health Conference: „Health in Europe – from global to local policies, methods and practices“MiCo Milano Congressi, Mailand, ItalienInformation: www.eupha.org

,15.10.2. Enquete zur Betrieblichen Gesundheits-förderung: „Frauen – Gesundheit – Führung“InnsbruckInformation: www.tgkk.at

ALLES WICHTIGE IMAUGUST

,23.-25.08.Gesundheitsgespräche Alpbach „Ungleichheitmacht krank – Krankheit macht ungleich.“Congress Centrum AlpbachInformation: www.alpbach.org

,26.08.Schweizer Nationale Tagung für betrieblichesGesundheitsmanagement 2015Universität ZürichInformation: gesundheitsfoerderung.ch/ueber-uns/veranstaltungen/bgm-tagung

ALLES WICHTIGE IM SEPTEMBER

,05.-06.09.Freiwilligenmesse: Engagement ist gesund!Wien, Rathaus, FestsaalInformation: www.freiwilligenmesse.at

,10.-11.09.62. Österreichischer GemeindetagWienInformation: gemeindebund.at/gemeindetag

,14.09.Wiener GesundheitsförderungskonferenzWien, Rathaus, FestsaalInformation: www.wig.or.at

,17.09.Fachtagung „Gewalt macht krank!“Medizinische Universität WienInformation: www.frauengesundheit-wien.at/konferenz

,19.09.Tag des SportsÖsterreichweitInformation: www.tagdessports.at/de

,23.09.1. Konferenz der Österreichischen Plattform GesundheitskompetenzWien, Bundesministerium für Gesundheit,FestsaalInformation und Anmeldung: [email protected]

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Gesundheit für Alle!

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Bestellung unter: Tel. 01/895 04 00, [email protected], www.fgoe.org

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Lassen Sie sich inspirieren, wie Sie selbst aktiv werden können.

Die Broschüre liefert wissenschaftlicheHintergründe und gibt praktische

Tipps zur Umsetzung.

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