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Magazin Humanité 1/2012: Freude schenken

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Humanité ist das Magazin des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) und richtet sich an Menschen, die das SRK und sein humanitäres Engagement unterstützen.

Citation preview

RepoRt – Jugendrotkreuz 4 Freude schenken 8 Junge Vorbilder für Menschlichkeit 9 «erfahrungen fürs Berufsleben»

12 engagiert – Mitten unter uns Spielend die neue Heimat entdecken

14 KoNKRet – El Salvador Katastrophenvorsorge im Land der Vulkane

18 KoNKRet – Letzte Wünsche «Ach übrigens, wenn ich einmal...»

20 KoNKRet – Japan Schutz und Würde für Hinterbliebene

24 eRLeBt – Detention Rückkehrberatung für Menschen in Ausschaffungshaft

26 ÜBeRZeUGt – Das Rote Kreuz in der Schweiz Für das Alter – mit dem Alter!

29 KReUZ & QUeR Winterlicher eintopf aus den tropen Rätsel/Cartoon

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ImpressumHumanité Ausgabe 1/2012 Februar 2012

ISSN 1664-1159

Titelbild und Rückseite: Roland Blattner, Jegenstorf

Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 BernTelefon 031 387 71 11, [email protected], www.redcross.ch

Spenden: Postkonto 30-9700-0

Adressänderungen: E-Mail an [email protected] oder Telefon 031 387 74 64

Redaktionsadresse: Schweizerisches Rotes Kreuz, Redaktion Humanité, Postfach, 3001 Bern, [email protected], www.magazin-humanite.ch

Redaktion: Tanja Pauli (Redaktionsleitung), Urs Frieden (Gesundheit und Integration), Urs Höltschi (Public Fundraising), Isabelle Roos (Corporate Partnerships), Christine Rüfenacht (Gesundheit und Integration), Isabel Rutschmann (Kommunikation), Karl Schuler (Internationale Zusammenarbeit)

Mitarbeitende dieser Ausgabe: Cécile Eisenring, Martin Fuhrer, Markus Mader, Marco Ratschiller, Sandra Weiss, Mario Wüthrich, Julia Zurfluh

Abo-Kosten: Das Abonnement kostet CHF 6.– pro Jahr und ist für SRK-Gönnerinnen und SRK-Gönner im Beitrag enthalten.Erscheinungsweise: vier Mal jährlichSprachen: deutsch und französischGesamtauflage: 110 800Bildrechte aller Fotos ohne Hinweis: Schweizerisches Rotes Kreuz

Übersetzungen: Übersetzungsdienst SRKLayout, Lektorat und Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen

Nächste Ausgabe: Juni 2012

neutralDrucksache

No. 01-12-416447 – www.myclimate.org© myclimate – The Climate Protection Partnership

2 Humanité 1/2012

Sinnvoll, vernünftig – cool!

Liebe Leserin, lieber Leser

«Jetzt mach doch mal was Sinnvolles, was Vernünftiges!» Ja, ich kann nachvollzie-hen, dass dies von Jugendlichen als Kritik aufgefasst wird. Aber ich verstehe auch, warum wir Eltern die unbeliebten Mahnungen, die wir als Kind selber zu oft gehört haben, wiederholen. Wir «meinen es ja nur gut».

Kann etwas «Sinnvolles, Vernünftiges» die Jugendlichen begeistern, nebst allem, was ihnen dieses Jahrtausend zu bieten hat? Doch, ich glaube schon, wenn wir sie motivieren und fragen: Möchtest du Teil sein einer Organisation mit fast 150-jähri-ger Geschichte? Im Zeichen des berühmtesten Emblems der Welt arbeiten? Grund-sätzen folgen, die alle Menschen und Religionen respektieren? Diese Welt für dich und die anderen menschenwürdiger machen und dabei selbstständiger werden? Selber glücklich sein, indem du mit gleichgesinnten Jugendlichen zusammenarbeitest und andere Menschen glücklicher machst? All dies ist möglich beim Jugendrotkreuz und klingt nun «echt cool», oder? Die Jugendlichen können das selber entscheiden. Aber es ist an uns, ihnen Möglichkei-ten für freiwilliges Engagement zu bieten. Beim Lesen der Titelgeschichte ab Seite 4 denke ich erst recht, dass die Jugendarbeit unsere Unterstützung verdient.

Ich wünsche Ihnen anregende, positive Denkanstösse beim Lesen von Humanité.

Herzliche Grüsse

Markus MaderDirektor des Schweizerischen Roten Kreuzes

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editorial

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report

Die Jungen brachten die Sonne mit», strahlt Kehl-Bewohnerin Nelly Bünzli.

Die ganze Woche war das Alterszent-rum Kehl in Baden in dickem Nebel ein-gepackt. Just an diesem Samstag aber drückt die Sonne durch. Einige Bewohne-rinnen warten schon gespannt im Aufent-haltsraum. Guetzli backen und verzieren ist heute angesagt. «Es läuft etwas im Kehl!», ruft Nelly Bünzli begeistert aus.

Die jungen Rotkreuz-Freiwilligen packen das Unterfangen «Guetzlen» zielsicher an und verteilen das Backmaterial. Die Ko- ordinatorin vom Jugendrotkreuz Aargau, Jeanine Brunner, freut diese Selbstständig-keit. Nadine und Raffael rollen den Teig aus. «Früher backte ich oft Guetzli. Nach

einer Achseloperation kann ich leider kei-nen Teig mehr ausrollen. Schön, dass ich heute endlich wieder einmal Guetzli ba-cken kann!», freut sich Nelly Bünzli und lächelt Nadine an, die ihr eine Ausstech-form in die Hand gibt. Weil der 86-Jähri-gen die Kraft fehlt, drücken Nadine und sie gemeinsam die Form in den Teig. Die Lieblingsausstechform ist der Stern. «Die Jungen holen uns die Sterne vom Him-mel, wie nett!», scherzt Nelly Bünzli und erntet Gelächter. Beim Ausstechen plau-dert die Gruppe und sammelt bereits Ideen für ihren nächsten gemeinsamen Nachmit-tag. Die 21-jährige Nadine schlägt etwas Spezielles vor: «Wollen wir das nächste Mal mit der Nintendo Wii spielen? Das ist eine Spielkonsole für das Fernsehgerät. Mit einer Fernbedienung kann man Figu-ren bewegen.» Nelly Bünzli ist hell begeis-

tert und meint keck: «Ich bin so oder so für jeden Blödsinn zu haben.» Die Genera-tionen tauschen sich an diesen gemeinsa-men Nachmittagen problemlos aus. «Bei den Gesprächen mit den Seniorinnen und Senioren erfahre ich manchmal Dinge, die wir später im Geschichtsunterricht behan-deln. Das ist schon cool!», meint der Jüngs-te im Bunde, der 15-jährige Raffael. «Ich wollte meine restliche Zeit neben Schule

«Die Jungen holen uns die Sterne vom Himmel, wie nett!»

Deutlicher, höflicher und weniger schnell – die Jugendlichen sprechen an-ders als mit Gleichaltrigen

Präzise Handarbeit – die Guetzli werden liebevoll dekoriert

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report

Jeanine BrunnerDie 26-Jährige koordiniert und betreut seit 2010 die Einsätze der jugendlichen Freiwilligen beim Jugendrot-kreuz Aargau.

Warum besuchen die Jugend­lichen betagte Menschen?Die Idee kam von den Jugendlichen selbst. Sie wünschten ein generations-übergreifendes Projekt und kamen mit dieser Idee auf uns zu. Wir nahmen Kontakt mit dem Alterszentrum Kehl auf und wurden mit offenen Armen empfangen. Es freut mich, dass wir das Programm frei gestalten dürfen und man somit den Jugendlichen Ver-trauen entgegenbringt. Aber auch die Betagten haben grosse Freude am Austausch zwischen den Generatio-nen.

Kann man sagen, die Jugend­lichen werden reifer durch ein solches engagement?Ja, dieses Engagement ist für die Frei-willigen eine gute Lebensschule. Wir beobachten regelmässig, dass die Jugendlichen in ihren Einsätzen selbst-ständiger, selbstsicherer und reifer werden. Unsere Freiwilligen wirken erwachsener als andere Jugendliche in ihrem Alter.

Hilft das soziale engagement beim beruflichen Werdegang?Die Jugendlichen erhalten einen So-zialzeitausweis, der ihr Engagement bestätigt. Dieser Sozialzeitausweis ist vor allem bei der Stellensuche nützlich. Sie heben sich so von ihren Gleichaltrigen ab. Zudem erhalten die Freiwilligen kostenlose Weiter-bildungskurse, die ihnen für ihr En-gagement sowie persönlich etwas nützen. ➥ srk­aargau.ch/jugendrotkreuz

Kurz befragt

und meinen Hobbys sinnvoll nutzen. Des-halb habe ich mich entschlossen, beim Jugendrotkreuz Aargau mitzumachen. Ich bereite gerne anderen eine Freude», erklärt er seine Motivation. «Mir gefällt auch, dass ich für einmal mit wesentlich äl-teren Menschen zusammen bin. Mit ihnen kann ich für einmal über etwas anderes sprechen, als mit meinen Kollegen.»Schon bald strömt der Duft von frisch geba-ckenen Guetzli durch den Aufenthaltsraum. Jetzt gehts ans Dekorieren. Die 92-jährige Sylvia Zaugg bestreicht mit einer Engelsge-duld die Schokoladenherzen mit rosarotem Guss und drückt Zuckersterne drauf. «Syl-via, bist du Kunstmalerin?», scherzt Nelly

Bünzli, «du kannst die Guetzli danach im Gang bei den Rosenbildern ausstellen.» Nadine sitzt daneben und hält geduldig den Guss parat, damit Sylvia Zaugg ih-ren Pinsel eintauchen kann. Jedes Guetzli wird so zu einem kleinen Kunstwerk. «Sehr schön machen Sie das!», lobt Raffael, «wollen Sie noch einmal einen Stern ver-zieren?» Die jungen Freiwilligen gehen

auf Wünsche und Bedürfnisse der Betag-ten ein. Sie führen sie beim Gehen sanft am Arm, schieben die Rollstühle und sind ihnen beim Aufstehen behilflich. Diese Auf-merksamkeit geniessen die Seniorinnen sichtlich. Bevor die Teller mit den fertig de-korierten Guetzli überquellen, packen die Hobby-Bäckerinnen die Backwaren in hüb-sche Säcklein ein. «Die anderen auf mei-nem Stock werden bestimmt eifersüchtig, wenn ich mit meinen Guetzli auftauche», meint Nelly Bünzli. Die Zeit geht viel zu schnell vorbei. Schon kommen die Pflege-rinnen, um die Bewohnerinnen abzuholen.«Nach zwei Stunden müssen wir jeweils aufhören, weil Menschen in so einem ho-hen Alter schneller ermüden. Am Anfang planten wir immer viel zu viele Aktivitä-ten. Wir mussten lernen, uns dem Tempo anzupassen. Es braucht einfach alles et-was mehr Zeit», meint Jeanine Brunner. «Heute hätten wir unser Programm aber verlängern können», schmunzelt sie und beugt sich zu Sylvia Zaugg runter. Die 92-jährige Dame widmet sich immer noch leidenschaftlich der Dekoration und klebt Sternchen für Sternchen auf die Guetzli. Nadine sitzt daneben und hält weiterhin geduldig den Zuckerguss parat.➥ jugendrotkreuz.ch

«Wir mussten lernen, uns dem tempo der älteren Generation anzupassen.»

Jahrzehntelange Erfahrung: Die Seniorinnen erzählen, wie sie früher Guetzli gebacken haben

Humanité 1/2012 7

report

Junge Vorbilder für MenschlichkeitJugendrotkreuz

Beim Jugendrotkreuz (JRK) engagieren sich Jugendliche in den Bereichen Gesundheit und Integration. Sie setzen sich in ihrer Freizeit für Menschen ein, die besonders auf Hilfe angewiesen sind. Dabei ist ihr Engagement so vielfältig wie die Jugendlichen selbst.

TExT: JULIA ZURFLUH BILDER: ANDRI PoL

Ich möchte jungen Menschen mit einer Be-hinderung die Möglichkeit geben, Dinge

zu unternehmen oder sich wie die Nicht-behinderten ohne Eltern mit Freunden zu treffen.» Die 20-jährige Rea engagiert sich im Jugendrotkreuz Basel und verbringt ei-nen Teil ihrer Freizeit mit Manuela, die auf den Rollstuhl angewiesen ist. So wie Rea setzen sich rund 500 Jugendli-che und junge Erwachsenen im JRK ein. Mit-machen können alle zwischen 15 und 30 Jahren, die sich in ihrer Freizeit sinnvoll en-gagieren wollen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Beispielsweise organisieren die jungen Freiwilligen in Durchgangszent-ren für asylsuchende Kinder Spielnachmit-

tage, damit diese für einmal ihren Alltag vergessen können. oder sie fördern im Nachhilfeunterricht fremdsprachige Kinder. Wiederum andere gestalten Unterhaltungs-nachmittage im Altersheim wie die Jugendli-chen in unserer Geschichte ab Seite 4. Beim Projekt «Sport und Kochen» des Zürcher Jugendrotkreuz ermöglichen die Freiwilligen benachteiligten Kindern eine tolle Sportwo-che und bringen ihnen nebenbei die Grund-sätze einer gesunden Ernährung näher. Die jungen Freiwilligen treffen bei ihren Einsätzen nicht nur Gleichgesinnte und haben viel Spass, sondern erwerben auch wichtige Fähigkeiten. «Ich lerne beim JRK vieles, was mich kein Buch lehren kann»,

meint Melanie vom Jugendrotkreuz Zü-rich. Die jungen Freiwilligen erweitern ihren Horizont, lernen die Lebensrealität anderer Menschen kennen und sammeln Erfahrungen. Gemeinsam können die Ju-gendlichen etwas bewegen. Mitdenken und mitbestimmen ist im Jugendrotkreuz angesagt. «Wir dürfen bei allen Aktivitä-ten mitbestimmen. So können wir gemein-sam das JRK weiterentwickeln. Das gefällt mir», fügt Eva vom Jugendrotkreuz Zürich nicht ohne Stolz an. Das Jugendrotkreuz gibt es in den Kanto-nen Zürich, St. Gallen, Aargau, Basel-Stadt, Neuenburg, Freiburg, Genf und Tessin.➥ facebook.com/SwissRedCrossYouth

Das Jugendrotkreuz sorgt im Durchgangszentrum für Asylsuchende für ein kindergerechtes Programm

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report

«erfahrungen fürs berufsleben»Jugendrotkreuz

Carine Fleury war schon als Jugendliche aktiv beim Jugendrotkreuz (JRK). Dem Engagement in ihrer Jugend hat sie einen Erfahrungsschatz zu verdanken, dessen Wert sie heute hoch einschätzt. Nicht nur für ihre heutige Arbeit beim Schweizerischen Roten Kreuz als Leiterin des Kompetenzzentrums Jugend und Freiwilligenarbeit.

INTERVIEW: TANJA PAULI

Carine Fleury, warum haben Sie als Ju-gendliche das Rote Kreuz ausgewählt?Als ich 1999 an der Universität in Genf studierte, wollte ich nebenbei etwas Sinnvolles machen und hatte Freunde, die sich schon beim Roten Kreuz enga-gierten. Ich habe internationale Bezie-hungen studiert und das IKRK sowie die ganze Rotkreuzbewegung war natürlich ein Thema. Ich glaube, dass eine grosse organisation mit ihrem Netzwerk mehr erreichen kann. Es gibt in fast jedem Land eine Rotkreuz-Gesellschaft. Das hat mich schon als junge Studentin be-eindruckt. So habe ich in Genf als Frei-willige angefangen und wurde später Koordinatorin beim JRK.

Was ist die Aufgabe einer Koordina-torin beim JRK?Das ist vergleichbar mit der Arbeit in ei-ner Personalabteilung. Jugendliche für die Freiwilligenarbeit suchen, Gespräche mit ihnen führen, um abzuklären, für wel-chen Bereich sie sich eignen oder wo ihre Interessen liegen. Jugendarbeit ist toll, weil man einfach alles lernt. Ein bisschen Projektmanagement, Marketing und je nach dem Fundraising, weil es auch Geld braucht. Man muss managen, coachen und manchmal auch etwas verkaufen können. Es ist unglaublich vielfältig, und ich habe in dieser Zeit prägende Erfah-rungen gemacht, die lehrreich waren für mein späteres Berufsleben.

Was braucht es, um ein Jugendrot-kreuz zu gründen?

Es braucht eine Kerngruppe mit starken Persönlichkeiten, um etwas voranzu-treiben, und eine Finanzierung. Auch die Freiwilligenarbeit kostet, denn sie muss organisiert und koordiniert wer-den. Nicht zu vergessen, dass man Ju-gendliche noch etwas mehr führen und betreuen muss als Erwachsene. Dann braucht es eine Führungsperson, die nicht zwangsläufig auch jung sein muss. Aber sie muss die Jugendlichen verste-hen, einen guten Draht zu ihnen haben und motivieren können. Wir vom SRK-Kompetenzzentrum Jugend in Bern un-terstützen die SRK-Kantonalverbände, wenn sie ein Jugendrotkreuz gründen möchten. Als Anhaltspunkt dienen die Leitlinien zur Jugendarbeit, welche die Rotkreuzversammlung 2011 genehmigt hat. Jugendliche, die in ihrem Kanton noch kein JRK finden, können sich eben-falls bei uns oder ihrem Kantonalver-band melden. Es gibt einen obligatorischen Einführungs-kurs, dessen kurzweiliges, abwechslungs-reiches Programm speziell auf die Ju-gendlichen zugeschnitten ist und diverse Weiterbildungen zu speziellen Themen. Zum Beispiel, wie man mit Kindern mit Migrationshintergrund arbeitet, oder im Umgang mit älteren oder behinderten Menschen. Im Modul «Leadership» ler-nen Jugendliche, die in einer Kerngruppe mehr Einfluss nehmen wollen, wie man Verantwortung übernimmt.

Werden Sie angefragt für Referenzen bei der Lehrstellensuche?

Ja, das kommt öfters vor. Jugendliche, die sich engagieren, haben natürlich einen Pluspunkt mehr auf dem Arbeitsmarkt.

Gibt es genügend Jugendliche, die sich engagieren wollen?Ja, ich glaube nicht, dass das Problem bei den Jugendlichen liegt. Man hört häu-fig, sie würden sich nur für oberflächliche Dinge interessieren. Das stimmt nicht. Viele Jugendliche sind Idealisten und wollen in einer Nonprofit-organisation arbeiten und etwas für die Allgemein- heit tun. Ich sehe die Jugendlichen als «Changemaker» und nicht als die «Troublemaker».➥ jugendrotkreuz.ch

Junge Vorbilder für Menschlichkeit

Carine Fleury, 33, leitet das SRK-Kompetenzzentrum Jugend und Freiwilligenarbeit

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Bitte senden Sie mir gratis den Testament-Ratgeber

Bitte nehmen Sie Kontakt mit mir auf

Bestellung Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstr. 10, Postfach, 3001 Bern, E-Mail: [email protected] Postkonto 30-9700-0, www.redcross.ch/legat

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Kurz & bündig

Sicheres blut im libanonIm Süden Libanons setzt sich das Schwei-zerische Rote Kreuz (SRK) für einen si-cheren, professionellen Blutspendedienst in fünf Spitälern ein. Diese werden vom Palästinensischen Roten Halbmond für die Flüchtlinge aus Palästina betrieben. In Libanon leben seit Jahrzehnten 340000 palästinensische Flüchtlinge und über die Hälfte von ihnen in Flüchtlings-Camps.

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) baut in der pakistanischen Provinz Sindh drei Dörfer mit insgesamt 700 Häusern neu auf. Die künftigen Bewohner von Häusern des SKR beteiligen sich nicht nur aktiv an den Bauarbeiten, sie sind auch verant-wortlich für den Einkauf des Materials. Die Auszahlungen hierfür erfolgt durch das SRK in fünf Tranchen. Durch Ratenzahlung erfolgt eine Kontrolle über den Baupro-zess. «Für die meisten Familienoberhäup-ter und vor allem für die Frauen ist es das erste Mal im Leben, dass sie über ein

eigenes Konto verfügen», sagt der Dele-gationsleiter Mark Ita. Jedes Haus kommt auf 3000 Franken zu stehen. Der Haus-bau schreitet gut voran.In derselben Region von Dadu erstellt das SRK auch die Wasserversorgung für 6300 Einwohner. In neun Dörfern werden Freiwillige des lokalen Roten Halbmondes ausgebildet für Gesundheitsberatungen. Schwere Fluten haben im Sommer 2010 in grossen Teilen Pakistans immense Schä-den angerichtet.➥ redcross.ch/pakistan

Sichere unterkünfte für pakistanische familien

Ende Januar verkauft das Rote Kreuz tra-ditionell Mimosen, um die Kinder in der Schweiz zu unterstützen, die in beschei-denen Verhältnissen aufwachsen. Mit dem Verkaufserlös werden zum Beispiel Ferienlager oder Musikstunden finanziert. Für diese Aktion, die vor allem in der Westschweiz stattfindet, engagieren sich jedes Jahr zahlreiche Freiwillige.

für Kinder in der Schweiz

75000 geschenke für einen guten zweck2 5 Weihnachten kann noch mehr bedürf-tige Menschen und gemeinnützige orga-nisationen unterstützen als im letzten Jahr. Die alljährliche Sammelaktion der SRG SSR, der Schweizerischen Post und des Schwei-zerischen Roten Kreuzes (SRK) hat über die Festtage rund 75000 Pakete erhalten, das ist ein Zuwachs von 3000 Paketen. Wer kein passendes «Weihnachtsgeschenk» zu Hause hatte, unterstützte die Aktion mit einem virtu-ellen Paket über die Internetseite. «Diese Un-terstützung hat den Vorteil, dass wir einkau-fen können, was noch fehlt und besonders wichtig ist für Menschen, die mit dem Nötigs-ten auskommen müssen», erklärt der Leiter der Sammelaktion, Josef Reinhardt. Er freute sich auch über die tatkräftige Hilfe von über zwanzig Prominenten aus Politik, Wirtschaft, Sport, Kultur und Fernsehen. Sie stellten sich einen Nachmittag lang zur Verfügung, um beim Sortieren der Geschenke zu helfen. So

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packten zum Beispiel Nationalrat und Ber-ner Stadtpräsident Alexander Tschäppät, Allianz Suisse Verwaltungsratspräsident Ulrich Zimmerli oder Musikwelle-Moderator Joël Gilgen (Bild) tatkräftig mit an.Die Waren werden nun je zur Hälfte in

der Schweiz und in osteuropa gerecht verteilt. Viele Familien und organisatio-nen sind auf diese Form von Hilfe jedes Jahr angewiesen. Deshalb wird die Aktion 2012/13 zum 16. Mal stattfinden. ➥ 2xweihnachten.ch

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engagiert

Sie ist für mich beinahe wie ein drittes Kind», sagt Andrea Haas von der sie-

benjährigen Janani. Die beiden leben fast Tür an Tür in Binningen bei Basel. Jeden Montagnachmittag besucht Janani die Fa-milie Haas in ihrem grossen Haus. Das im-mer fröhliche Mädchen kommt hierher, um

Spielend die neue Heimat entdecken

Mitten unter uns

Jeden Montag öffnet Andrea Haas der kleinen Janani ihr Herz und ihre Tür. Das Programm mitten unter uns des Schweizerischen Roten Kreuzes hilft dem Mädchen aus Sri Lanka, in der Schweiz Wurzeln zu fassen.

TExT: CHRISTINE RÜFENACHT BILDER: RoLAND BLATTNER

Schweizerdeutsch zu sprechen und sich mit dem hiesigen Alltag vertraut zu ma-chen. Und natürlich, um mit dem sechsjäh-rigen Silvan und der vierjährigen Nina zu spielen. Wie von selbst macht die in der Schweiz geborene Janani, deren Eltern aus Sri Lanka stammen, ihre ersten Schritte

zu einer erfolgreichen Integration. «Sie hat sich enorm entwickelt und ist richtig aufge-blüht», stellt Andrea Haas nach einem Jahr fest. Vor allem spricht Janani schon viel besser Mundart. Umgekehrt geben Silvan und Nina manchmal vor, sie würden Tamil reden, wie ihre Mutter lächelnd erwähnt.

12 Humanité 1/2012

engagiert

mitten unter uns des Roten Kreuzes Basel-land kann sie nun ein Kind betreuen und zugleich Gutes tun. «Es ist gut zu spüren, dass Janani und ihre Familie in unserem Land willkommen sind», betont And-rea Haas. Da der Vater des Mädchens tagsüber und die Mutter nachts arbeitet, haben sie nur selten Zeit, etwas mit ihrer Tochter zu unternehmen. Andrea Haas geht deshalb oft mit ihr ins Schwimmbad oder in die Bibliothek.

Spielend einfachVor einem Jahr sind sich die Familie Haas und Janani zum ersten Mal begegnet. Sie verstanden sich auf Anhieb: Schon nach wenigen Minuten verschwand das Mäd-chen mit Silvan und Nina im Kinderzim-mer. Seither klingen das Jauchzen und

etwas weitergebenNeben der Betreuung ihrer beiden Kin-der arbeitet die 33-jährige Andrea Haas regelmässig im Familienbetrieb mit. Die gelernte Bäckerin-Konditorin hätte sich gerne als Tagesmutter engagiert. Leider war das nicht möglich. Dank der Aktion

Corinne SieberAls Leiterin Soziales und In-tegration beim Roten Kreuz Baselland ist Corinne Sieber auch für mitten unter uns verantwortlich. Sie informiert über das Programm, sucht Familien und bringt sie miteinander in Kontakt.

Welche Rolle übernimmt das SRK?Meist wenden sich Lehrpersonen an uns, um ein Kind für das Programm anzumelden. Damit beginnt die Hinter-grundarbeit: Wir besuchen die Familie, um zu erfahren, was sie von der künf-tigen Gastfamilie erwartet, und um das Kind kennenzulernen. Danach organi-sieren wir ein Treffen mit einer Familie, die uns geeignet erscheint. Wir beglei-ten die Familien und bleiben mit ihnen und je nachdem auch mit den Lehrper-sonen in Kontakt. So können wir den Kindern wenn nötig gezielt auch ande-re Unterstützung anbieten, um sie zu fördern oder ihnen weiterzuhelfen.

Wer eignet sich als Gastgeberin oder Gastgeber?Die Freiwilligen müssen bereit sein, ein Kind während mindestens sechs Mona-ten einmal pro Woche bei sich aufzu-nehmen. Wir suchen aufgeschlossene, interessierte Familien oder Einzelper-sonen, die gerne ein Kind begleiten möchten und vertrauenswürdig sind.

Was halten die Beteiligten von mitten unter uns?Das Programm bringt allen etwas. Fa-milien mit Migrationshintergrund freu-en sich, dass sich ihre Kinder besser und schneller einleben. Die Kinder fühlen sich wohl, wenn sie sich in ei-ner Umgebung entfalten können, die von Vertrauen geprägt ist. Und nicht zuletzt erleben die Freiwilligen und ihr Umfeld die Begegnungen als sehr be-reichernd.

Das SRK sucht weitere freiwillige Gast-geberinnen und Gastgeber:➥ redcross.ch/mittenunteruns

Kurz befragtNina, Janani und Silvan sind in kurzer Zeit gute Freunde geworden und haben viel Spass zusammen

Seit einem Jahr wächst Janani zweisprachig auf

Gastgeberin Andrea Haas freut sich, dass die drei Kinder so gut miteinander auskommen

Lachen der drei jeden Montag durch das Haus. «Ich bin immer wieder überrascht, wie glücklich und zufrieden sie zusammen sind», sagt Andrea Haas. Auch die Eltern von Janani wussten nach einem Besuch bei der Gastfamilie, dass ihr Nesthäkchen dort gut aufgehoben ist.

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KonKret

Alle Beteiligten üben eine Evakuierung, weil im Katastrophenfall jede Minute zählt

Felix Saravia, Rettungsschimmer des Roten Kreuzes, bei einer Rettungsübung

Die Morgensonne taucht die Bucht von Jiquilisco in ein sanftes, golde-

nes Licht. Am seichten Ufer dümpeln ein paar bunte Fischerboote, gleich dahinter beginnen die Mangroven, am Horizont schimmern blau El Salvadors Vulkane Usulután, San Miguel und San Vicente. Felix Saravia lässt aufmerksam den Blick über das Wasser gleiten. Vielleicht 50 Meter vom Ufer entfernt tollen ein paar Halbwüchsige im Wasser. Plötzlich wer-den sie abgetrieben, rufen um Hilfe. Fe-lix Saravia schnappt sich eine Boje und stösst mit der Trillerpfeife einen gellen-den Signalton aus. Sofort kommen seine Teamkollegen angelaufen, stürzen sich ins Wasser und kraulen zu den Ertrinken-den. Mit geübten Griffen werden sie ans Ufer gezogen und dort im dunklen Vul-kansand wiederbelebt. Da muss eines der opfer vor Lachen laut prusten und spuckt das geschluckte Wasser in einem riesigen Schwall dem Retter auf die Brust.

Die Rettungsschwimmer des Roten KreuzesCarlos Umanzos ist erst 12 Jahre alt und neu in der Rettungsschwimmertruppe des Roten Kreuzes. Deshalb hat er bei der Katastrophenschutzübung eines der op-fer gemimt, bis er angesichts seiner eige-nen schauspielerischen Fähigkeiten einen

Lachkrampf bekam. Der Halbwüchsige ist zusammen mit einem Freund vor einem Jahr zu der Truppe gestossen und brennt schon darauf, so bald wie möglich den Rettungsschwimmerkurs zu absolvieren und dann zum Einsatz zu kommen. Ein Dutzend junge Männer sind mit Eifer dabei, schwimmen zweimal, dreimal, viermal hinaus und trainieren die lebens-wichtigen Handgriffe. «Wir sind zwar alle gute Schwimmer, aber jemand aus dem Wasser zu ziehen, muss immer wie-der geübt werden», erzählt Gruppenleiter Felix Saravia, mit 31 Jahren der Älteste. Sein Team besteht aus durchtrainierten Bauernjungs, die sich im Alltag vom Mais- und Bohnenanbau ernähren und

in einfachen Hütten rund um die Bucht leben. Sie bilden die freiwillige Rettungs-truppe des Roten Kreuzes, ausgebildet mit Schweizer Unterstützung. Zu tun ist eine Menge. Nach einer Studie des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (ocha) ist El Salvador weltweit das Land mit dem höchsten An-teil an Risikozonen: 88,7 Prozent eines

Im katastrophenanfälligen el Salvador an der pazifikküste haben viele Menschen nie schwimmen gelernt.

Landes, das halb so gross ist wie die Schweiz. In hundert Jahren erlebten die Salvadorianer zwölf schwere Erdbeben, zwei Tsunamis, acht Vulkanausbrüche und mehrere Dutzend Überschwemmun-gen. In den Ferien arbeiten die Rotkreuzhelfer als Rettungsschwimmer an den Stränden. «Der Pazifik ist tückisch mit seinen Strö-

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KonKret

Vorsorge nützt allenDie Rückversicherung Swiss Re unter-stützt das SRK seit Jahren in El Salvador und Honduras im Bereich Katastrophen-vorsorge. Die beiden organisationen wollen die nächsten drei Jahre noch enger zusammenarbeiten und gehen 2012 eine offizielle Partnerschaft ein. Diese beinhaltet die Zusammenarbeit in der Katastrophenvorsorge, in der Katastrophennothilfe und für den Wie-deraufbau nach Katastrophen. Dabei profitiert das SRK vom Fachwissen der Swiss Re und diese wiederum von der langjährigen Erfahrung des SRK in der Entwicklungszusammenarbeit.

apropoS

Die Gesundheitspro-motoren sorgen für bessere Hygiene in den Dörfern und werden mit Unterstützung des SRK ausgebildet

Mit verletzten Personen muss im Ernstfall ge-rechnet werden, deshalb wird diese Situation nachgestellt

mungen, und viele meiner Landsleute können nicht richtig schwimmen», weiss Felix Saravia. Das ganze Jahr über bil-det er ausserdem mit Unterstützung des SRK «Gesundheitspromotoren» aus. Das sind junge Leute wie Flor Bonilla, 22, die einfache Hygienemassnahmen wie Was-ser abkochen und Müll sammeln in ihrer Gemeinde organisieren. Doch die gröss-te Gefahr droht vom Lempa-Fluss. Der Lempa ist schon in normalen Zeiten ein imposanter Fluss, der sich über mehrere Arme und Hunderte von Metern erstreckt und das kleine mittelamerikanische Land ziemlich genau in der Mitte durchschnei-det. Er bringt den Regen aus den Bergen, flussaufwärts befinden sich drei Stau-dämme. Dramatisch wird es, wenn ein Hurrikanausläufer über dem Land tobt –

und das geschieht im Zuge des Klima-wandels immer häufiger. Innerhalb von wenigen Tagen können 1500 Millimeter Niederschlag fallen – so viel wie sonst im ganzen Jahr. Zuletzt geschah das im oktober 2011.

Statt Chaos geplante NothilfeBei so viel Niederschlag öffnen die Stau-dämme die Schleusen. Flussabwärts, an der Mündung des Lempa in den Pazifik, wo Felix Saravia und sein Rettungsteam le-ben, steht dann alles unter Wasser. 9500 Menschen mussten rund um die Bucht eva-kuiert werden. Tag und Nacht waren der Gruppenleiter und seine Helfer vom Roten Kreuz im Einsatz, retteten Menschen aus den Fluten, versorgten Verletzte, organi-

sierten die Belegung und Nahrungsmittel-ausgabe in den Notunterkünften. «Das hat dieses Mal super geklappt», sagt SRK-Logistiker Roberto Castillos. «Dank den Vorbereitungsarbeiten hat-ten wir einen gut funktionierenden Kri-senstab, in dem Armee, Polizei, Katas-trophenschutz, Gemeinde, Rotes Kreuz,

NGos und die Kirchen gemeinsam die Bergungsarbeiten koordiniert haben.» Das war nicht immer so. Roberto Castil-los, seit den Zeiten des Bürgerkriegs der 80er-Jahre für diverse Rot-Kreuz-orga-nisationen tätig, kann sich noch gut an

Hurrikan Mitch 1998 erinnern: «Damals war es ein einziges Chaos, niemand wusste, wo wie viele opfer waren, die Hilfe wurde am Strassenrand planlos in die Menge gegeben oder von Hub-schraubern abgeworfen.»

Gemeindeversammlung in der NotunterkunftNicht nur bei der organisation hat die Schweizer Effizienz ihre Spuren hinter-lassen. Hilfreich sind auch die Notunter-künfte, die dank Unterstützung des SRK in Gemeinschaftsarbeit entstanden. Die Fundamente 1,80 Meter tief im Boden und damit erdbebensicher, der Fussbo-den 1,60 m hoch über der Erde und damit überflutungssicher, ausgestattet mit einer Gemeinschaftsküche und acht Kompostlatrinen. Rund 300 Leute finden in der Notunterkunft Schutz. In ruhigen Zeiten finden darin Gemeindeversamm-lungen statt. Zwei solcher Notunter- künfte stehen bereits, eine dritte ist im Bau. «Die Unterkunft in meiner Heimat-gemeinde El Angel hat uns schon zwei-mal gute Dienste geleistet», sagt Felix Saravia. Und als der Präsident des Lan-des in einer Radioansprache die gute Prävention und Katastrophenhilfe lobt, ist er zu Recht sichtlich stolz auf das, was er und seine Truppe geleistet ha-ben.➥ redcross.ch/elsalvador

Die mit Hilfe des SRK gebauten Notunterkünfte halten den Hurrikans stand.

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KonKret

«ach übrigens, wenn ich einmal…»

letzte Wünsche

Wir sprechen ungern darüber und den passenden Moment gibt es nicht. Sollen wir daher den Angehörigen un-sere Wünsche für «die Zeit nach uns» schriftlich hinterlassen? «Wenn ich einmal nicht mehr selbst bestimmen kann» heisst der neue Ratgeber des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK). Bestatter Stefan Bärtschi erzählt im Interview, wie er darüber denkt und warum das Thema nicht tabu sein sollte.

INTERVIEW: TANJA PAULI

18 Humanité 1/2012

KonKret

Stefan Bärtschi, was halten Sie von einer Broschüre, die sich damit befasst, was Angehörige im Todesfall wissen sollten?Ich finde es gut, dass das SRK dieses Tabuthema aufgreift und eine solche Bro-schüre erarbeitet hat. Man schiebt das Thema von sich weg. Auch wir versuchen zu erreichen, dass die Leute sich damit befassen und beraten unverbindlich.

Und wenn man den Angehörigen alle Entscheidungen überlassen möchte?Auch dann ist es sinnvoll, genau das schriftlich festzuhalten. Denn woher sol-len die Angehörigen dies sonst wissen? Selbstverständlich kann und soll man über seine Wünsche nach dem Tod sprechen, aber nach Jahren erinnert man sich nur

noch wage an das Gesagte. Und oft wird es erst noch zu wenig deutlich gesagt.

Werden schriftlich formulierte Wün-sche immer respektiert?Ja, ich halte mich daran. Es ist meine Philo-sophie, im Sinne einer verstorbenen Person zu handeln und sie zu respektieren. Wenn

die Angehörigen keine Anweisungen der verstorbenen Person mitbringen, frage ich sie, ob sie danach gesucht haben. Es ist schon vorgekommen, dass wir nachträg-lich noch einige Details änderten, weil die Hinterbliebenen erst einen Tag später auf ein entsprechendes Dokument gestossen sind. In diesem Beruf muss man sehr fle-xibel sein; daher ist es für mich auch kein Problem, wenn eine ganze Trauerfeier umgestellt werden muss. Ich sehe mich als Anwalt der verstorbenen Person und für mich gilt, was sie geschrieben hat. Insbe-sondere natürlich, wenn ein Sterbevorsor-gevertrag mit uns abgeschlossen wurde. In diesem Fall kann ich die Wünsche der verstorbenen Person sogar auf rechtlichem Weg durchsetzen.

Sind ohne Sterbevorsorgevertrag schriftlich festgehaltene Wünsche für die Hinterbliebenen gedacht?Ja, und für den Bestatter, wenn es keine Angehörigen gibt. Es ist eine grosse Er-leichterung für Hinterbliebene, wenn sie das Gefühl haben, das Richtige zu tun. Es kommt oft vor, dass Hinterbliebene mit klaren Anweisungen zu mir kommen. Von der gewünschten Kleidung, ob im offenen Sarg aufgebahrt werden soll oder nicht, bis zur Musikauswahl – alles ist oft bis ins Detail festgelegt und passt zur verstorbe-nen Person, was eine Trauerfeier beson-ders berührend und persönlich machen kann.

Schätzen es die Angehörigen, wenn sogar die Details geregelt wurden?Ich weiss es aus eigener Erfahrung. Leider ist mein Vater vorletztes Jahr ver storben. Er hat uns gesagt, dass alles, was wir

Denn eigentlich wissen doch alle ungefähr, was sie möch­ten und sonst ganz bestimmt, was sie gar nicht wollen.

Den perfekten Moment für dieses Gespräch gibt es nicht, aber irgendwann ist es für immer zu spät

brauchen, in einer braunen Mappe sei. Tatsächlich hatte auch er alles bis ins kleinste Detail durchdacht. Und etwas Wichtiges hätten wir ganz anders ge-macht, ohne seine schriftliche Wünsche. Mir hat es geholfen, zu wissen, dass al-les, was wir tun, ganz in seinem Sinn ist.

Kommt es oft vor, dass die Angehöri-gen sich nicht einigen können?Meistens geht es gut. Aber es gibt Fami-lien, die sich nach vielen Jahren das erste Mal wieder sehen und sich in dieser heik-len Situation zusammen an einen Tisch setzen müssen, um schwierige Entschei-dungen zu fällen. Ich habe zwei Brüder er-lebt, die waren offensichtlich schon länger zerstritten. Sie wussten nicht, was ihr ver-storbener Vater gewollt hätte und konnten sich in keinem Punkt einigen. Schliesslich fragten sie mich, wie ich entscheiden wür-de. Ich riet ihnen: «Gehen Sie zusammen einen Kaffee trinken, lassen Sie sich Zeit. Ich warte auf Sie.» Nach der Trauerfeier hatte ich den Eindruck, dass dieses Ge-spräch den Grundstein gelegt hat für eine Versöhnung. Es hat mich gefreut, dass ich dazu etwas beitragen konnte.

Was sagen Sie, wenn sich jemand nicht mit dem Thema befassen möchte aus der unterschwelligen Angst, das Schicksal damit herauszufordern?Ich habe auch schriftlich festgehalten, was ich dereinst möchte, weil ich diese Entschei-dungen meinen Angehörigen abnehmen will. Ich rate, den Ratgeber bei Gelegen-heit durchzulesen und auszufüllen, wenn es passt. Denn eigentlich wissen doch alle ungefähr, was sie möchten und sonst ganz bestimmt, was sie gar nicht wollen. ➥ Die Broschüre des SRK, «Wenn ich

einmal nicht mehr selbst bestimmen

kann – wichtige Informationen für

Angehörige», ist bei der Geschäfts­

stelle des SRK in Bern erhältlich.

Stefan bärtschiSeit 20 Jahren arbeitet der 48-Jäh-rige als Bestatter. Auf diesen Beruf ist der ehemalige Automechaniker über Umwege gekommen. Er ist Inhaber eines Bestattungsunterneh-mens mit Niederlassungen in Bern und Thun.

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Schutz und Würde für Hinterbliebene

Japan

Im japanischen Onagawa ermöglicht das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) den Bau eines Alterswohnheims mit Akutklinik. Viele ältere Japanerinnen und Japaner in der Katastrophenregion haben kaum noch Angehörige. Martin Fuhrer, Leiter Internationale Zusammenarbeit des SRK, besuchte kürzlich das Katastrophengebiet.

INTERVIEW: KARL SCHULER

KonKret

20 Humanité 1/2012

KonKret

SRK­Hilfe in JapanDas Schweizerische Rote Kreuz (SRK) hat gleich nach dem Erdbeben das Nothilfe-Programm des Japanischen Roten Kreuzes mit einer Million Fran-ken unterstützt. Damit wurde in den Notunterkünften die Trinkwasserver-sorgung hergestellt und die Wohn-Container mit Haushaltgeräten wie Reis- und Nudelkocher und Wasch-maschinen ausgerüstet. Den Grossteil seiner Mittel setzt das SRK für den Bau eines Alters- und Pflegeheims für 100 Bewohnerinnen und Bewohner sowie einer Akutklinik mit 20 Betten in der stark zerstörten Stadt onagawa ein. Der Bau wird im Mai 2012 be-zugsbereit sein. An den Gesamtkosten von 22 Millionen sind die Glückskette und die Caritas beteiligt.

apropoSNirgendwo ist die Lebenserwartung höher als in Japan, aber nicht alle bleiben vor Gebrechen verschont

Der Mundschutz schützt die Seniorin davor, sich allenfalls mit einer Erkältung anzustecken

Martin Fuhrer, was sind Ihre Eindrü-cke bald ein Jahr nach der schweren Naturkatastrophe?Es sieht auch heute noch aus wie nach einem Bombenangriff. Die Städte Ishino-maki und onagawa an der nordöstlichen Küste, die wir besuchten, sind noch nicht wieder aufgebaut. Allerdings sind die riesigen Schuttmassen weggeräumt. Es stapeln sich überall Riesenberge, wobei ein eigentliches Recycling stattfindet: hier ein Berg aus Plastik und Autos, dort einer aus Zement, daneben wiederum ein Turm aus Holzabfällen. Wohin mit den Tausen-den von Tonnen? Dies ist noch nicht ent-schieden.

Wo leben die Menschen, die ihr Ob-dach verloren?

«es fällt auf, dass der grosse teil der Zurückgebliebenen ältere Menschen sind.»

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Bereits ein halbes Jahr nach der Kata-strophe konnten die Zehntausenden von obdachlosen die Massenunterkünfte ver-lassen und in relativ komfortable Wohn-container einziehen. Dies ist eine grosse Leistung der Behörden. Allerdings hat der definitive Wiederaufbau der Wohnhäuser noch nicht begonnen, da die Landfrage nicht geklärt ist. Auch ist unklar, ob die Städte so nahe an der ungeschützten Küs-te wieder aufgebaut werden oder eher

etwas zurückversetzt auf den Hügeln. Vor allem jüngere Leute haben die nördliche Küstenregion verlassen, da ihnen die Regierung für die Neuansiedlung in den Städten des Südens eine Starthilfe offe-riert. Es fällt auf, dass der grosse Teil der Zurückgebliebenen ältere Menschen sind.

Sie besuchten die Menschen in den provisorischen Wohnsiedlungen. Wie geht es ihnen?Wir begleiteten eine psychologisch aus-gebildete Helferin des Japanischen Roten Kreuzes bei ihren Hausbesuchen. Mate-riell geht es den meist älteren Menschen zwar wieder einigermassen gut, doch wirken sie vielfach apathisch und wie gelähmt. Der psychosoziale Dienst des

Roten Kreuzes ist sehr wichtig. Unsere Begleiterin erklärte uns, dass die Leute nicht gewohnt sind, ihre Gefühle zu zei-gen. Durch die Katastrophe sind sie aus ihrer gewohnten Bahn geworfen worden und haben nun grosse Mühe, sich in die-ser neuen Situation zurechtzufinden und zu improvisieren. Dies ist ein kultureller Aspekt der japanischen Gesellschaft.

Humanité 1/2012 21

KonKret

Der alte Mann und das MeerTExT: MARTIN FUHRER

Das Erdbeben und der anschliessende Tsu-nami hat bis zu 20000 Menschen getötet und über eine Viertelmillion obdachlos ge-macht. Das sind kaum vorstellbare Zahlen. Es sind die Einzelschicksale, die nahe ge-hen und die man – anders als Zahlen – ein Leben lang nicht vergisst. Der 70-jährige Fischer Katsumi hat mir erzählt, wie er das stärkste Erdbeben in der Geschichte Japans und das ganze letzte Jahr erlebt hat. Seit er sich zu erinnern vermag, lebt Katsumi im Hafen der Stadt onagawa. Der 11. März 2011 hat sein Leben radikal verändert. Er entkam der Katastrophe nur mit dem nack-ten Leben. Zusammen mit seiner Frau ver-mochte er sich vor der riesigen Welle auf die nahe gelegene Anhöhe in Sicherheit

zu bringen. Sein Haus mit dem gesamten Hab und Gut und sein geliebter Fischkutter wurden von der Welle überflutet, und es ist keine Spur mehr davon zurückgeblieben. Die ersten Monate nach der Katastrophe lebten Katsumi und seine Frau in einer Turnhalle auf ein paar wenigen Quadrat-meter, die man ihnen zugewiesenen hat. Zusammen mit Hunderten von anderen äl-teren Menschen lebten sie in dieser Halle. Im oktober wurde ihnen eine provisorische Container-Unterkunft in einer neuen Sied-lung zugeteilt. Hier verfügen sie wenigs-tens über ihren eigenen Privatraum, können selber kochen und verbringen täglich viele Stunden vor dem kleinen Fernseher. Doch Katsumi wirkt traurig und abgemagert und fühlt sich krank. Er wird einige Tage zur Untersuchung im Spital verbringen müssen. Das Meer, auf dem der Fischer sein Leben

verbrachte, hat ihm alles genommen. Der alte Mann wird nie mehr mit dem Kutter ausfahren können. Nun hofft er, zusammen mit seiner Frau im neuen Alters- und Pflege-heim aufgenommen zu werden.

KoMMentar

Martin FuhrerMartin Fuhrer (rechts) leitet beim SRK die Internationale Zusammenarbeit. In den letzten Jahren hat er diverse Länder besucht, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden. Links im Bild der Fischer Katsumi.

In Massenunterkünften improvisierten die Ob-dachlosen während sechs Monaten ihr tägliches Leben

Gebrechliche Menschen sind auf ein Alters- und Pflegeheim angewiesen, wenn sie keine Angehöri-gen mehr haben

Warum entschied sich das SRK für den Bau eines Alters- und Pflege-heimes?Das Spitalgebäude in der Kleinstadt onagawa wurde vom Tsunami stark be-schädigt. Nun wird es in ein Alters- und Pflegeheim für 100 Betagte umgebaut, dem eine Akutklinik mit 20 Betten ange-gliedert wird. Da allgemein eine zu hohe Spitaldichte besteht, ist diese Umnutzung sinnvoll. Wegen der Abwanderung der

jüngeren Leute ist die traditionelle Versor-gung der Eltern durch ihre Kinder in die-sem eher ländlich geprägten Gebiet nicht mehr gewährleistet. Viele der älteren Menschen leben allein und in bescheide-nen Verhältnissen. Durch die Naturkatast-rophe wurden sie zusätzlich traumatisiert. Wir wollen deshalb dazu beitragen, dass sie ihren Lebensabend in Schutz und Würde verbringen dürfen. ➥ redcross.ch/japan

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Die Natur kann jederzeit zuschlagen. Nur handfeste Lösungen können uns davor schützen.Die Klimaveränderung zeigt Folgen: Überschwemmungen und Stürme ereignen sich häufi ger, das Ausmass nimmt zu. Was tun? Sollen sich die Bewohner aus den Gefahrenregionen zurückziehen? Sollen die gefährdeten Gebiete durch Dämme, Entwässerungssysteme und strengere Bauvorschriften noch besser geschützt werden? Oder soll das fi nanzielle Risiko versichert und der Wiederaufbau gefördert werden? Für uns bei Swiss Re steht jedenfalls fest: Wir müssen uns rasch an den globalen Klimawandel anpassen. Deshalb unterstützen wir Länder und Kommunen bei der Entwicklung von Strategien zum Schutz gegen die Kräfte der Natur. Mehr noch: Aus Risiko formen wir Chancen.

Erfahren Sie mehr auf www.swissre.com

Swiss Re ist offi zieller Partner des Schweizerischen Roten Kreuzes. Zusammen tragen wir dazu bei, die Gesellschaft widerstandsfähiger zu machen. Wir engagieren uns gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden, soziale und wirtschaftliche Nachteile zu mindern und neue Wege der Katastrophenprävention aufzuzeigen.

erlebt

rückkehrberatung für Menschen in ausschaffungshaft

detention

Durch das Projekt Detention des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) arbeiten Menschen in Ausschaffungshaft an einer neuen Perspektive. Auseinandersetzungen und Aggressionen können so gemildert oder aufgefangen werden. Die SRK-Sozialarbeiterin Carine Elmiger ist seit über zwei Jahren dabei und zieht eine positive Zwischenbilanz.

TExT: URS FRIEDEN

Diese Menschen seien mit hohen Erwar-tungen nach Europa gekommen und wür-den nun mit der harten Realität konfron-tiert, dass für sie hier kaum Platz ist.

Aus humanitären Gründen sinnvollDas Angebot sei auch deshalb wichtig, weil sich nach dem Wegweisungsent-scheid Wut und Enttäuschung aufstauen. «Diese starken Emotionen können wir auffangen und die Enttäuschung teil-weise lindern. Die Betroffenen erhalten durch unsere Abklärungen und Beratun-gen einen Überblick über ihre Situation und dadurch gelingt es ihnen, diese auch besser zu verstehen», so Elmiger. Die Beraterinnen sind davon überzeugt, dass auch Personen in der Ausschaf-fungshaft Zugang zur Rückkehrberatung

haben sollen, damit sie ihre Rückkehr möglichst gut vorbereiten können. Auf diese Weise kann die Integration im Heimatland unterstützt werden. «Wir thematisieren ihre Fähigkeiten, Ressour-cen, das soziale Netz und erarbeiten mit ihnen so eine mögliche Perspektive für die nächste Zukunft.» Diesen Prozess zu begleiten ist nötig, weil die Menschen in ihrer Situation kaum eine Perspektive se-hen und oftmals das Gefühl haben, ver-

Carine Elmiger hat einen schwierigen Job im unendlichen Gebiet zwischen

Anspruch und Wirklichkeit: Sie berät Männer und Frauen, die sich in Ausschaf-fungshaft befinden. Das 2008 gestartete Projekt heisst Detention (englisch für In-haftierung, Gewahrsam) und beschäftigt in sieben Kantonen 13 qualifizierte SRK-Mitarbeitende.Carine Elmiger, die Detention im Kanton Bern leitet, ist überzeugt, in den letzten

«Die starken emotionen können wir auffangen und die enttäu­schung teilweise lindern.»

Carine Elmiger, Leiterin Projekt Detention im Kanton Bern, erklärt, was ihre Arbeit bewirkt

zwei Jahren zahlreichen Menschen in einer verzweifelten Situation wichtige Hilfe gewährt zu haben: «Einerseits schauen wir mit den Personen die Situa-tion während des Ausschaffungsverfah-rens an und beantworten ihre Fragen, damit sie besser einschätzen können, was auf sie zukommt. Andererseits bie-ten wir ihnen den Rahmen, um sich mit ihrer Rückführung und somit Rückkehr in ihr Heimatland auseinanderzusetzen.»

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sagt zu haben. Wenn sie hingegen den Entscheid akzeptieren, werden persönli-che Ressourcen frei, die für die Rückkehr und das Leben im Heimatland dringend benötigt werden.Zudem: Wenn Betroffene dank des Wir-kens der Detention-Beraterinnen weniger lang im Ausschaffungsgefängnis bleiben müssen und ihre Rückkehr ohne Anwen-dung von Zwangsmassnahmen erfolgen kann, ist das für alle besser.

positives FazitDie Universität Genf hat im Lauf des Jah-res 2011 Detention qualitativ evaluiert. Das Team unter Prof. Sandro Cattacin kam dabei unter anderem zum Ergebnis, dass das SRK durch seine Anwesenheit in den Ausschaffungsgefängnissen die

perspektiven­ und Rückkehrberatung DetentionDetention wird seit 2008 umgesetzt mit derzeit 13 SRK-Mitarbeitenden. Die aus-gebildete Sozialarbeiterin Carine Elmi-ger (39) leitet Detention im Kanton Bern und arbeitet mit zwei Mitarbeiterinnen im Teilzeitpensum. Die Perspektiven- und Rückkehrberatung durch das SRK wird in den Kantonen Basel, Bern, Freiburg, Tessin, Uri, Wallis und Zürich angebo-ten. Ausser im Kanton Uri betreut der jeweilige SRK-Kantonalverband das Pro-jekt. Für die nationale Projektleitung und Koordination sowie für die Beratungen in Uri ist die nationale Geschäftsstelle des SRK in Bern verantwortlich.

apropoSDie Betroffenen erhalten in den Beratungen einen Überblick über ihre Situation und akzeptieren dadurch besser, dass sie zurückreisen müssen (Symbolbild)

Rechte und Würde der auszuschaffenden Menschen schütze und andererseits das Thema des Lebens nach einer Rückkehr überhaupt einführe.Aber ist diese Arbeit für die SRK-Mitarbei-tenden nicht frustrierend? Carine Elmiger sagt es so: «Wir müssen mit kleinen Er-folgserlebnissen auskommen. Man spürt immer wieder, dass die Person dankbar ist für die Gespräche, die Empathie und die Klärung der Fragen. Und wenn wir in Einzelfällen zu einem Integrationsprojekt verhelfen konnten, dann freut mich das.»Eben habe sie die Rückmeldung bekom-men, dass ein ehemaliger Klient aus Westafrika nun einen kleinen Handel mit Taschen, Schuhen und Kleidern aus Chi-na betreibe und jetzt davon leben könne.➥ srk­bern.ch/detention

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für das alter – mit dem alter!das rote Kreuz in der Schweiz

2012 ist das «Europäische Jahr des aktiven Alterns und der Solidarität zwischen den Generationen». Dieses Motto trifft auch auf das Engagement des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) zu. Denn es bietet eine Viel-falt von Dienstleistungen an, welche sich direkt an ältere Menschen und an ihr Umfeld richten.

TExT: MARIo WÜTHRICH

Mit dem Notruf lebt die Benutzerin so selbsständig wie bisher – nur mit mehr Sicherheit

Die Dienstleistungen des SRK werden nicht nur von Menschen in der zwei-

ten Lebenshälfte genutzt, sondern ermög-lichen es ihnen auch, einer spannenden und sinnbringenden freiwilligen Tätigkeit nachzugehen. Eine aktive Lebensgestal-tung im Alter ist von zentraler Bedeutung. Gerade für das SRK leisten ältere Men-schen als freiwillige Mitarbeitende grosse

Dienste für die Bevölkerung und leben so die Solidarität zwischen den Generatio-nen. Ich denke da beispielsweise an die Fahrerinnen und Fahrer im SRK-Fahrdienst, an die sozialkompetenten Frauen und Männer im Besuchs- und Begleitdienst, und an einfühlsame Menschen, die beim Ausfüllen einer Patientenverfügung bera-tend zur Seite stehen. oder sie bekleiden

nicht zuletzt ein Ehrenamt in den kantona-len und nationalen SRK-Gremien. «Aktives Altern» – und damit die Selbstständigkeit im Alter – fördern die Dienstleistungen des SRK ebenfalls. Denn viele ältere Men-schen wünschen sich nichts mehr, als trotz gesundheitlicher Probleme so lange wie möglich im gewohnten häuslichen Umfeld zu wohnen. Der SRK-Notruf und der SRK-

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Betreuung zu Hause ist möglich, wenn die Angehörigen unterstützt werden

Für manche Familie Gold wert: die Unterstützung der Grosseltern

Aktiv nach dem Berufs-leben: Im SRK-Fahrdienst sind die meisten Fahrerinnen und Fahrer im Rentenalter

Verschnaufpause ermöglichen. Schweiz-weit gibt es unzählige Angebote für pfle-gende Angehörige. Das richtige Angebot zu finden, kann jedoch zeitraubend und aufwändig sein. In regionalen SRK-Bera-tungs- und Informationsstellen finden An-gehörige die nötige Unterstützung. Diese Angebote gilt es auszubauen.

Der Mensch im ZentrumDer Rotkreuz-Grundsatz «Menschlichkeit» wird hochgehalten im SRK. Im Mittelpunkt des Wirkens steht der Mensch und nicht seine Krankheit, seine Behinderung oder sein Alter. Gerade die älteren Genera-tionen sind heute so heterogen wie wohl noch nie zuvor. Das SRK ist in seiner Ar-beit gefordert, einem Bild des Alter(n)s zu entsprechen, welches Einschränkungen einbindet, aber die Kompetenzen und Ressourcen älterer Menschen nicht ausser Acht lässt. Viel mehr sollen diese wo im-mer möglich in den Fokus gestellt werden. Wir sind gefordert, uns mit dem Thema Al-

ter auseinanderzusetzen und mögliche ne-gative Altersbilder durch objektive Bilder des Alterns zu ersetzen. Auch wenn dank der sozialpolitischen Errungenschaften in der Schweiz viele ältere Menschen heute in einer hohen materiellen Sicherheit le-ben, gibt es andere, die mit geringen Mit-teln auskommen müssen. Das Thema der Altersarmut kann in der Schweiz nicht ad acta gelegt werden. Es gilt die Solidarität zwischen den Generationen zu fördern, damit Altern zu einer Erfolgsgeschichte für uns alle wird. Das Schweizerische Rote Kreuz wird sich auch in Zukunft «für das Alter – mit dem Alter!» engagieren. ➥ redcross.ch/entlastung

Mario WüthrichDer 43-jährige Familienvater ist Gerontologe HF und arbeitet seit acht Jahren für das SRK als stv. Ab-teilungsleiter im Bereich Beratung und Entlastung.

Fahrdienst helfen mit, dies zu ermöglichen. Dank der Unterstützung der Allianz Suisse und Spenden sind diese Dienstleistungen für alle erschwinglich.

Anstieg der LebenserwartungDer Anstieg der Lebenserwartung kann für uns alle eine durchaus positive Entwick-

lung bedeuten, bringt aber auch gesell-schaftliche Konsequenzen und Herausfor-derungen mit sich. Pflegende Angehörige, welche immer mehr gefordert sind und an die Grenzen der Belastbarkeit gelan-gen, seien hier als ein Beispiel erwähnt. Für sie bietet das SRK Entlastungsdienste, Tageszentren für ältere Menschen organi-sieren Ferien und Ausflüge, welche den pflegenden Angehörigen ebenfalls eine

Im Mittelpunkt des Wirkens steht beim SRK der Mensch und nicht seine Krankheit, seine Behinderung oder sein Alter.

Passend zum Thema organisiert das SRK am Donnerstag, 20. September 2012, seine 10. Nationale Fachtagung und veröffentlicht diverse Publikationen. Wei-tere Informationen folgen in der nächs-ten Ausgabe.

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Kurz & bündig

Chaise rouge («roter Stuhl», abgeleitet vom Kinosessel) heisst der Begleitdienst des Roten Kreuzes Waadt für Menschen mit Behinderung. Dank ihm müssen behinderte Menschen nicht mehr auf den Ausgang verzichten, wenn sie ander-weitig keine Begleitung finden. Speziell ausgebildete Freiwillige begleiten sie zu Freizeit- und Kulturveranstaltungen und

freizeitangebote allen zugänglich machen

Im Nähatelier «Hinterhof 165» vom Roten Kreuz Basel-Stadt nähen rund 15 Frauen aus verschiedenen Ländern Kostüme für die Fasnacht. Die Näherin-nen sind sowohl Migrantinnen als auch Schweizerinnen, die über gute Nähkennt-nisse verfügen, aber aus verschiedenen Gründen keiner regelmässigen Arbeit nachgehen. Die Frauen erhalten durch die Anleitung einer ausgebildeten Schnei-derin eine Zusatzqualifizierung, und das Vorweisen einer Arbeitsbestätigung er-höht ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zu der Kundschaft zählen Cliquen und Einzelpersonen. Die Näherinnen erhalten jeweils die Hälfte des vereinbarten Kos-tümpreises als Lohn. Auftragsanfragen fürs nächste Jahr nimmt das Nä hatelier vom SRK Basel-Stadt per E-Mail entgegen: [email protected]

fasnachtskostüm aus dem SrK-nähatelier

helfen ihnen, Hindernisse im öffentlichen Raum zu überwinden. Die Dienstleistung ist für jedes Budget erschwinglich, weil nur eine Beteiligung an den Fahrspesen verlangt wird. Für die Aktion Chaise rouge, die von den kantonalen Behörden unterstützt wird, arbeitet das Rote Kreuz mit Pro Infirmis Waadt zusammen.➥ la­chaise­rouge.ch

Unter dem Namen «ride4africa» schenkt eine Gruppe von Motorradfahrern dem Roten Kreuz in Swasiland 12 Motorrä-der mit einer Liegenpritsche im Seitenwa-

Motorrad-ambulanzen für Swasiland

Die upc cablecom und das Schweizerische Rote Kreuz sind auf Anfang 2012 eine Projektpartnerschaft eingegangen. Ziel der Partnerschaft ist der Aufbau und die Durchführung von Computerkursen für die Pflegehelferinnen und Pflegehelfer, welche vom SRK ausgebildet werden. Heute ver-langen viele Heime und organisationen, die im Pflegebereich tätig sind, dass auch das Hilfspflegepersonal beim Führen der Pflegedokumentation mithilft und grundle-gende Computerkenntnisse hat.

Computerkurse für das SrK-pflegepersonal

gen. Sie dienen nun im südlichen Afrika als Ambulanzfahrzeuge. Die 9000 km lange Fahrt durch den Kontinent wurde von freiwilligen Fahrerinnen und Fahrern in Etappen bewältigt. Gestartet ist der Tross Ende oktober 2011 in Ägypten. Am 10. Januar 2012 konnten die Mo-torrad-Ambulanzen in Anwesenheit des SRK-Arztes Martin Weber dem Swasilän-dischen Roten Kreuz übergeben werden. Der Arzt war auf der letzten Etappe ei-ner der Fahrer. «Es war ein humanitäres Abenteuer mit einem sinnvollen Ziel», sagt Initiator Daniel Sollberger.Die dreirädrigen Ambulanzen werden künftig Kranke und Verletzte zu den Rotkreuz-Kliniken transportieren. Das Schweizerische Rote Kreuz unterstützt in diesem kleinen Land seit mehreren Jah-ren sowohl die Aids-Aufklärung als auch das Therapieprogramm in den Kliniken des Swasiländischen Roten Kreuzes.➥ ride4afrika.ch

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Salvadorianische Hühnersuppe nach BauernartFür 4 Personen

Zutaten1 Freilandpoulet, 1 kleine Zwiebel geviertelt, 4 Kartoffeln, 3 Stangen Sellerie, 2–4 Karotten, 4 Tomaten, 1/4 Kohlkopf, Reis, Salz, 1 Bund ge-hackte Petersilie, 1 kleines Bündel frischer, gehackter Koriander (frisch), 1 Zitrone, 1 Packung Mais- oder Wei-zentortillas.

ZubereitungDas Poulet in 6 grosse Stücke zertei-len und in Salzwasser mit der Zwiebel halb gar kochen (ca. 10 Minuten auf kleinem Feuer). Derweil den Reis mit Salz kochen, mit zerpflückter Petersilie mischen und warm stellen. Das Gemüse wird ebenfalls in grosse Stücke zerteilt und zum halbgaren Huhn dazugegeben, salzen und ca. 15–20 Minuten leicht köcheln, bis alles gar ist. Koriander und den Reis zum Schluss dazugeben. Mit Zitrone beträufeln und mit den warmen Tortillas servieren.

Das Dorf Cerro Verde – Grüner Hügel – macht seinem Namen alle Ehre, liegt

es doch an einem ganzjährlich belaubten Hang. Denn im Hügelland der Provinz Usu-lután im osten des Landes wachsen vor allem Kaffeebäume und Bananenstauden. In den Kaffeeanbau-Gebieten arbeiten die meisten Einwohner als billige Tagelöhner auf den grösseren Plantagen. Daneben bewirtschaften sie selber meist noch ein kleines Stück Land von einer halben oder einer Hektare zur Selbstversorgung. Im Jahr 2001 wurde Cerro Verde von ei-nem Erdbeben schwer in Mitleidenschaft gezogen. In der Folge konnten 60 Fami-lien mit der Unterstützung des Cruz Roja Suiza SRK ihre Häuser neu aufbauen. Die früheren Blechhütten wichen soliden Häu-sern. Für die Frauen war dabei die verbes-serte Kochstelle vor allem wichtig. Dank des Rauchabzugs ist ihre Gesundheit heu-te weniger gefährdet und sie sparen erst noch Feuerholz. Ganz allgemein schuf der Wiederaufbau durch das SRK eine besse-re Wohn- und Lebensqualität. Auch in El Salvador ist das Huhn das günstigste Haustier und sichert den ärme-

ren Familien das tägliche Ei und bei be-sonderen Gelegenheiten ein gutes Stück Fleisch. In Cerro Verde ist jede Hausfrau stolz auf ihre Hühnerschar. Es braucht hier kein spezielles Label, um die gross-zügige Freilandhaltung zu garantieren. Meistens werden sie auch biologisch ernährt. Doch werden sie noch so glück-lich gehalten – sie landen trozdem eines Tages im Kochtopf. Ein langer Transport bleibt ihnen erspart, denn sie dienen der Selbstversorgung. In den Eintopf gelangen auch die selbst gezogenen Tomaten, Kartoffeln, Zwie-beln und weitere Gemüsesorten, die hier das Prädikat biologisch verdienen. Denn in Cerro Verde entstanden nicht nur neue Häuser mit sanierten Kochstellen, die Bevölkerung wurde auch zum biologi-schen Anbau von Gemüse und Früchten geschult. Dabei entstand sogar ein Koch-buch traditioneller Rezepte mit lokalen Produkten. Der salvadorianische Eintopf von Cerro Verde, der diesem Rezeptbuch entstammt, ist ebenso schmackhaft wie gesund.➥ magazin­humanite.ch/rezepte

rezeptWinterlicher eintopf aus den tropenAls Selbstversorgerinnen bereiten El Salvadors Bäuerinnen am Sonntag und an Festtagen einen ebenso einfachen wie schmackhaften Eintopf zu. Im Dorf Cer-ro Verde ist die Zubereitung dank der verbesserten Kochstelle leichter als früher.

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TExT: KARL SCHULER BILDER: FLoRIAN KoPP

Dank der verbesserten Kochstelle müssen die Köchinnen von Cerro Verde beim Zubereiten der Gerichte nicht mehr den schädlichen Rauch einatmen

Die «Sopa de pollo» ist besser und gesünder als Fast food

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Für Humanité zeichnet «Karma» alias Marco Ratschiller. Er ist Cartoonist und Chefredaktor des Satire-Magazins Nebelspalter.

labyrinthVom Start bis ans Ziel wird der Weg mit feinen Linien markiert. Den gefundenen Weg ausfüllen – und schon erscheint das Bild.

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kreuz & quer

HuMANITé 4/2011Lösungswort des letzten Kreuz­worträtsels:FUeR ANDeRe DA SeIN

Wir gratulieren den Gewinne­rinnen und Gewinnern:Beat Adam, BibersteinHelene Bürgin, RiggisbergDenis Gutknecht, Geneveys-CoffraneMarkus Lussi, SchaffhausenValentin Tschinder, Volketswil

Übrige Lösungen der letzten Ausgabe:

Die Lösung zum Sudoku, zum Wort-suchspiel und zum Labyrinth finden Sie jeweils in der nächsten Ausgabe oder im Internet. ➥ magazin-humanite.ch

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Kreuzworträtsel

Wortsuchspiel Finden Sie die 20 Wörter horizontal, vertikal und diagonal. Die Buchstaben können für mehrere Wörter gelten.

Wir verlosen unter allen korrekt einge-schickten Lösungswörtern des Kreuzwort-rätsels fünf Wasseruhren. Die Wasser-Tischuhr in modernem Design braucht keine Batterien. Nur gelegentlich etwas Wasser in den Tank füllen und schon sehen Sie, wie die Zeit verrinnt. Senden Sie das Lösungswort und Ihre Adresse in einem E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte an:

Schweizerisches Rotes KreuzMagazin «Humanité»postfach, 3001 Bern

Einsendeschluss: 16. April 2012

Sudoku

Füllen Sie die leeren Felder mit den Zahlen von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur einmal vorkommen.

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Humanité 1/2012 31

Jahrzehnte trennen die generationen. das Jugend-rotkreuz verbindet sie und fördert das soziale engagement der Jugend.

unsere Hilfe braucht ihre Spende.Postkonto 30-9700-0