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MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1-2/2003 MEDIZIN 29 I. DAS IMMUNSYSTEM UND SEINE PROBLEME Das Immunsystem hat die Aufgabe, unseren Körper vor krankmachenden Agenzien, den Pathogenen zu schützen. Als Pathogene können Bakterien, Viren, Pilze, Würmer etc. oder deren Produkte dienen. Pathogene müssen von Sub- stanzen unterschieden werden, die zwar in der Lage sind, eine Immunantwort auszulösen, aber nicht notwendigerweise krank machen. Letztere Substanzen nennt man Antigene. Nicht alle Anti- gene sind also Pathogene, wohingegen alle Patho- gene auch antigene Eigenschaften besitzen. Um die ihm auferlegten Aufgaben erfüllen zu können, muss das Immunsystem 1.) erkennen, dass Gefahr im Verzuge ist (z. B. eine lokale Infektion); 2.) diese Gefahr zunächst eingrenzen, so dass eine weitere Ausbreitung verhindert wird. Dies ist in erster Linie die Aufgabe des angeborenen (innate) Immunsystems, zu dem z. B. die Gra- nulozyten und lösliche Serumproteine wie C- reaktives Protein, Lysozym und das Komple- mentsystem gehören; 3.) mit einer für die jeweilige Gefahr spezifischen Antwort reagieren, mit dem Ziel, diese zu eli- minieren und die Integrität des Organismus zu erhalten. Diese Aufgabe wird von dem spe- zifischen Immunsystem (auch adaptives Immunsystem genannt) wahrgenommen, zu dem zelluläre Komponenten wie die Lympho- zyten und lösliche (humorale) Komponenten wie die Antikörper zählen. Nach dem Eindringen eines krankmachenden Agens in den Organismus müssen die Zellen des angeborenen und des adaptiven Immunsystems aktiviert werden, bevor sie ihre Aufgaben erfüllen können. Die Aufklärung der molekularen Ereig- nisse, die diese Aktivierungsprozesse einleiten, steuern und auch beenden, gehört zu den attrak- tivsten und kompetitivsten Gebieten der immun- ologischen Forschung. Dies begründet sich zum Teil damit, dass trotz der enormen Fortschritte, die in den zurückliegenden zwanzig Jahren in Bezug auf die Entschlüsselung der Aktivierungs- mechanismen des Immunsystems erzielt werden konnten, immer noch viele Fragestellungen weit- gehend ungeklärt sind. Hierzu zählt z. B. die Frage, warum das Immunsystem gelegentlich den eigenen Körper angreift und dann schwere, meist chronisch verlaufende Krankheiten erzeugt, die als Autoimmunerkrankungen bezeichnet werden. Zu den Autoimmunerkrankungen zählen z. B. die Multiple Sklerose, die Psoriasis (Schuppen- flechte), die Rheumatoide Arthritis (Rheuma), chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie der Morbus Crohn und die Colitis Ulcerosa, All- ergien sowie eine Reihe weiterer Erkrankungen, die für den Betroffenen meist erhebliche Konse- quenzen haben und die Lebensqualität für viele Jahre, manchmal sogar lebenslang, deutlich beeinträchtigen. Oft müssen die an Autoimmunerkrankungen lei- denden Patienten dauerhaft mit Medikamenten behandelt werden, die die Funktion des Immun- systems unterdrücken. Zu diesen Medikamenten gehören z. B. Derivate des Cortisols, aber auch Zytostatika und Chemotherapeutika. Die Nach- teile solcher Therapien liegen auf der Hand. Die Blockade immunologischer Funktionen bewirkt, dass das Immunsystem nur noch bedingt auf neue Gefahren reagieren kann. Somit sind immunsup- pressiv behandelte Patienten dadurch gefährdet, dass banale Erreger, die normalerweise vom Immunsystem ohne Probleme eliminiert werden können, plötzlich zu einer ernsten Gefahr wer- den. Für die immunologische Forschung ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, in der Zukunft neue Strategien zu entwickeln, die es dem Arzt ermöglichen, nur diejenigen Funktionen des Immunsystems zu beeinflussen, die z. B. für die Entstehung oder die Chronifizierung von Autoimmunerkrankungen von Bedeutung sind. NEUE IMMUNOLOGISCHE SIGNALE AUS MAGDEBURG Burkhart Schraven Das Fach „Immunologie“ hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer interdisziplinären For- schungsrichtung entwickelt, welche in nahezu allen Bereichen der Medizin eine wichtige Rolle spielt. Es gibt kaum ein medizinisches Fachgebiet, in der immunologische Fragestellungen im klinischen Alltag keine Rolle spielen. In diesem Artikel diskutieren wir im ersten Teil einige immunologische Probleme, die es in der Zukunft zu lösen gilt. Dieser Teil kann das komplexe Gebiet der klinischen Immunologie nur anreißen und entbehrt daher jeder Vollständigkeit (wofür wir um Verständnis bitten). Im zweiten Teil haben wir für den interessierten Leser in einem Überblick das derzeitige Wissen der membrannahen Signaltransduktionsme- chanismen in T-Lymphozyten komprimiert dargestellt. Der dritte Teil befasst sich dann mit den speziellen Forschungsthemen des Instituts für Immunologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg sowie einigen Perspektiven, die wir für die biomedizinische Forschung am Standort Magdeburg sehen.

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MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1-2/2003 MEDIZIN

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I. DAS IMMUNSYSTEM UND SEINE PROBLEME

Das Immunsystem hat die Aufgabe, unserenKörper vor krankmachenden Agenzien, denPathogenen zu schützen. Als Pathogene könnenBakterien, Viren, Pilze, Würmer etc. oder derenProdukte dienen. Pathogene müssen von Sub-stanzen unterschieden werden, die zwar in derLage sind, eine Immunantwort auszulösen, abernicht notwendigerweise krank machen. LetztereSubstanzen nennt man Antigene. Nicht alle Anti-gene sind also Pathogene, wohingegen alle Patho-gene auch antigene Eigenschaften besitzen.Um die ihm auferlegten Aufgaben erfüllen zukönnen, muss das Immunsystem 1.) erkennen, dass Gefahr im Verzuge ist (z. B.

eine lokale Infektion); 2.) diese Gefahr zunächst eingrenzen, so dass eine

weitere Ausbreitung verhindert wird. Dies istin erster Linie die Aufgabe des angeborenen(innate) Immunsystems, zu dem z. B. die Gra-nulozyten und lösliche Serumproteine wie C-reaktives Protein, Lysozym und das Komple-mentsystem gehören;

3.) mit einer für die jeweilige Gefahr spezifischenAntwort reagieren, mit dem Ziel, diese zu eli-minieren und die Integrität des Organismuszu erhalten. Diese Aufgabe wird von dem spe-zifischen Immunsystem (auch adaptivesImmunsystem genannt) wahrgenommen, zudem zelluläre Komponenten wie die Lympho-zyten und lösliche (humorale) Komponentenwie die Antikörper zählen.

Nach dem Eindringen eines krankmachendenAgens in den Organismus müssen die Zellen desangeborenen und des adaptiven Immunsystemsaktiviert werden, bevor sie ihre Aufgaben erfüllenkönnen. Die Aufklärung der molekularen Ereig-nisse, die diese Aktivierungsprozesse einleiten,steuern und auch beenden, gehört zu den attrak-tivsten und kompetitivsten Gebieten der immun-ologischen Forschung. Dies begründet sich zum

Teil damit, dass trotz der enormen Fortschritte,die in den zurückliegenden zwanzig Jahren inBezug auf die Entschlüsselung der Aktivierungs-mechanismen des Immunsystems erzielt werdenkonnten, immer noch viele Fragestellungen weit-gehend ungeklärt sind. Hierzu zählt z. B. dieFrage, warum das Immunsystem gelegentlich deneigenen Körper angreift und dann schwere, meistchronisch verlaufende Krankheiten erzeugt, dieals Autoimmunerkrankungen bezeichnet werden.Zu den Autoimmunerkrankungen zählen z. B.die Multiple Sklerose, die Psoriasis (Schuppen-flechte), die Rheumatoide Arthritis (Rheuma),chronisch entzündliche Darmerkrankungen wieder Morbus Crohn und die Colitis Ulcerosa, All-ergien sowie eine Reihe weiterer Erkrankungen,die für den Betroffenen meist erhebliche Konse-quenzen haben und die Lebensqualität für vieleJahre, manchmal sogar lebenslang, deutlichbeeinträchtigen.

Oft müssen die an Autoimmunerkrankungen lei-denden Patienten dauerhaft mit Medikamentenbehandelt werden, die die Funktion des Immun-systems unterdrücken. Zu diesen Medikamentengehören z. B. Derivate des Cortisols, aber auchZytostatika und Chemotherapeutika. Die Nach-teile solcher Therapien liegen auf der Hand. DieBlockade immunologischer Funktionen bewirkt,dass das Immunsystem nur noch bedingt auf neueGefahren reagieren kann. Somit sind immunsup-pressiv behandelte Patienten dadurch gefährdet,dass banale Erreger, die normalerweise vomImmunsystem ohne Probleme eliminiert werdenkönnen, plötzlich zu einer ernsten Gefahr wer-den. Für die immunologische Forschung ergibtsich hieraus die Notwendigkeit, in der Zukunftneue Strategien zu entwickeln, die es dem Arztermöglichen, nur diejenigen Funktionen desImmunsystems zu beeinflussen, die z. B. für dieEntstehung oder die Chronifizierung vonAutoimmunerkrankungen von Bedeutung sind.

NEUE IMMUNOLOGISCHE SIGNALE

AUS MAGDEBURG

Burkhart Schraven

Das Fach „Immunologie“ hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren zu einer interdisziplinären For-schungsrichtung entwickelt, welche in nahezu allen Bereichen der Medizin eine wichtige Rolle spielt. Es gibtkaum ein medizinisches Fachgebiet, in der immunologische Fragestellungen im klinischen Alltag keine Rollespielen. In diesem Artikel diskutieren wir im ersten Teil einige immunologische Probleme, die es in derZukunft zu lösen gilt. Dieser Teil kann das komplexe Gebiet der klinischen Immunologie nur anreißen undentbehrt daher jeder Vollständigkeit (wofür wir um Verständnis bitten). Im zweiten Teil haben wir für deninteressierten Leser in einem Überblick das derzeitige Wissen der membrannahen Signaltransduktionsme-chanismen in T-Lymphozyten komprimiert dargestellt. Der dritte Teil befasst sich dann mit den speziellenForschungsthemen des Instituts für Immunologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie einigen Perspektiven, die wir für die biomedizinische Forschung am StandortMagdeburg sehen.

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In diesem Zusammenhang ist der Problemkreis„Transplantationsimmunologie“ von besondererBedeutung. Die Indikation zur Organtransplan-tation (z. B. einer Niere) wird immer häufigergestellt. Nur selten jedoch wird dem Empfängereines Organs das Glück zuteil, dass der Spenderein(e) eineiige(r) Zwillingsschwester/Zwillings-bruder ist die/der mit dem Empfänger genetischident ist (= syngene Spende) oder dass der Patientselbst als sein eigener Spender fungieren kann(= autologe Spende), wie dies z. B. bei der autolo-gen Knochenmarktransplantation der Fall ist.Fast ausnahmslos besteht die Konstellation, dassSpender und Empfänger genetisch mehr oderweniger unterschiedlich sind (= allogene Spende),sehr selten tritt sogar der Fall ein, dass ein Organvon einer anderen Spezies (= xenogene Trans-plantation) zur Transplantation verwendet wird.

Das adaptive Immunsystem des Empfängers undhier insbesondere das so genannte T-Zell-Kom-partiment, von dem noch ausführlicher die Redesein wird, ist jedoch darauf programmiert, „gene-tisch fremde“ Materie (= das Transplantat) zuerkennen und diese, da sie in den „Augen“ desImmunsystems eine potentielle Gefahr darstellt,zu eliminieren. Die Folge dessen ist ein vomImmunsystem eingeleiteter Prozess, der als Trans-plantatabstoßung bezeichnet wird. Hierbei grei-fen die immunkompetenten Zellen des Empfän-gers das Transplantat an und versuchen, es zu zer-stören. Die Transplantatabstoßungsreaktionkann perakut, akut oder chronisch verlaufen, injedem Falle bereitet sie aber sowohl dem behan-delnden Arzt als auch dem Patienten erheblicheProbleme. Auch bei diesem Krankheitsbildbesteht die Therapie zurzeit in einer mehr oderweniger unspezifischen Unterdrückung desImmunsystems, also ein ähnliches Konzept wieweiter oben für die Autoimmunerkrankungenbeschrieben. Die sich hieraus für den Patientenergebenden Konsequenzen wurden schon disku-tiert.

Bei der Behandlung von Autoimmunerkrankun-gen und transplantierten Patienten steht derbehandelnde Arzt also vor dem Problem, die The-rapie so einzustellen, dass einerseits der Verlaufder Krankheit positiv beeinflusst wird, anderer-seits die Infektionsgefahr jedoch möglichst geringgehalten wird. Auf Grund der Tatsache, dass dieFunktion des Organismus von vielen externenFaktoren beeinflusst wird (zu erwähnen seien hierz. B. Ernährungsfaktoren oder psychische Kom-ponenten, wie Stress etc.) erscheint es leicht ver-ständlich, dass diese Gratwanderung manchmalnicht gelingt und somit entweder das transplan-tierte Organ nicht gehalten werden bzw. eineAutoimmunerkrankung nicht ausreichend thera-piert werden kann oder aber der Patient von Erre-gern heimgesucht wird, die sein Immunsystemnicht mehr effektiv bekämpfen kann.

Ein weiteres Feld, welches mit den beiden ebendiskutierten Problemkreisen eng verwandt ist

betrifft die allogene Knochenmarktransplanta-tion, die z. B. bei der Behandlung von Leukä-mien und Lymphomen eine Therapieoption füreinen bestimmten Patientenkreis darstellt. Dasgesunde Knochenmark stellt die Bildungsstättefür die Zellen des Blutes dar. Hierzu zählen dieroten Blutkörperchen, die Blutplättchen (die fürdie Blutgerinnung benötigt werden) und dieZellen des Immunsystems, die Leukozyten. ZurVorbereitung der Knochemarktransplantationmüssen die Knochenmarkzellen des Empfängersabgetötet werden, bevor die Knochenmarkzellendes Spenders transplantiert werden können.Dies bedeutet aber, dass das Immunsystem desEmpfängers für einen gewissen Zeitraum (zwi-schen Abtötung der Knochenmarkzellen desEmpfängers und Anwachsen der transplantier-ten Knochenmarkzellen) nahezu komplett aus-geschaltet wird. Neben der enormen Infektions-gefahr, die hieraus resultiert, entsteht noch einganz anderes immunologisches Problem: Dietransplantierten immunkompetenten Zellen desKnochenmarkspenders (das Graft) erkennenden Organismus des Empfängers (den Host) alsimmunologisch fremd. Das Prinzip, welches die-ser immunologischen Reaktion zu Grunde liegtist dasselbe wie bei der Transplantatabstoßung,nur liegt diesmal der Fall andersherum, nämlichdass immunkompetente Zellen des Transplanta-tes den Empfängerorganismus attackieren(wobei hier der gesamte Organismus als Ziel-struktur dient und nicht nur ein bestimmtesOrgan wie bei einer Transplantation). Hier-durch entsteht das Krankheitsbild der „Graftversus Host Disease“, GVHD, dessen Therapieimmer noch erhebliche Probleme bereitet undwelches mit einer hohen Letalität behaftet ist.

Auch in Bezug auf die Therapie dieses Krank-heitsbildes stellt sich die Frage, ob es dieimmunologische Forschung ermöglichen wird, inder Zukunft neue Therapiekonzepte zu erstellen.Hierbei ist es der Wunschgedanke der Wissen-schaftler, zwar die „Graft versus Host Reaktion“zu unterdrücken, jedoch die mit der GVHD häu-fig parallel verlaufende „Graft versus TumorReaktion“, die für den Patienten von Vorteil ist(da sie gegen den Tumor gerichtet ist), intakt zulassen.

EINMAL ANDERSHERUM GEDACHT

Nicht nur die gezielte Unterdrückungbestimmter immunologischer Funktionen stellteine Herausforderung für die moderne Immuno-logie dar, sondern auch die umgekehrte Proble-matik, die gezielte Induktion einer spezifischenImmunantwort z. B. zur Therapie von bestimm-ten Erkrankungen, insbesondere Tumorerkran-kungen. Seit Jahrzehnten wird die so genannteImmunisierung mit abgetöteten oder ihrer krank-machenden Potenz beraubten Erregern dazu ein-gesetzt, Menschen vor potentiell gefährlichenInfektionskrankheiten zu schützen. Diese The-matik wird gerade jetzt, in Anbetracht derBefürchtungen, dass terroristische Vereinigungen

Abkürzungen:

APCAntigenpräsentierende Zelle

BCRB-cell Receptor

CAPsCytosolic Adapter Proteins

GvHDGraft versus Host Disease

LATLinker for Activation of T-cells

NTALNon T-cell Activation Linker

SITSHP2 Interacting Trans-membrane Adaptor protein

TCRT-cell Receptor

TRAPsTransmembrane AdapterProteins

TRIMT-cell Receptor Interacting Molecule

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z. B. Pockenviren verbreiten könnten, öffentlichdiskutiert. Durch die aktive Immunisierung „ler-nen“ die Zellen des adaptiven Immunsystemsbereits im Vorfeld, mit dem Erreger umzugehenund ihn zu eliminieren, es entsteht eine spezifi-sche Immunität, die sich gegen denjenigen Erre-ger richtet, mit dem der Patient geimpft wurde.

Die molekulare Grundlage für die Induktion derspezifischen Immunität (z. B. bei einer aktivenImpfung) ist darin zu sehen, dass Zellen der spe-zifischen Immunabwehr, die T-Lymphozytenund die B-Lymphozyten auf ihrer ZelloberflächeRezeptoren tragen, die in der Lage sind, krank-machende Erreger oder deren Produkte/Bruch-stücke zu erkennen. Diese Rezeptoren werdenauch als Antigenrezeptoren bezeichnet. Im Falleder B-Lymphozyten stellt der Antigenrezeptor(der B-Zellrezeptor, BCR) ein membranständigesAntikörpermolekül dar, während der Antigenre-zeptor der T-Lymphozyten (der T-Zellrezeptor,TCR) einer anderen Molekülgruppe angehört,welche zu Antikörpern strukturelle Verwandt-schaft zeigt.

Während der Entwicklung der T- bzw. der B-Lymphozyten, die entweder in der Thymusdrüse(im Falle der T-Lymphozyten) oder im Knochen-mark (im Falle der B-Lymphozyten) stattfindet,werden durch genetische Prozesse, derenBeschreibung hier zu weit gehen würde, eineUnmenge verschiedener Antigenrezeptorenerzeugt. Es wird geschätzt, dass die Zahl der Anti-gene, die von T- bzw. B-Zellen spezifisch erkanntwerden können mehr als 1012 beträgt. T- bzw. B-Zellen sind also in der Lage, eine enorme Vielfaltan Antigenen zu erkennen und, was noch wichti-ger erscheint, nach der Erkennung eine gegen dasentsprechende Antigen gerichtete Immunantworteinzuleiten. Jeder T- bzw. B-Lymphozyt kanndabei nur ein einziges Antigen erkennen, d. h. alleauf der Oberfläche einer T- bzw. B-Zelle expri-mierten Antigenrezeptoren (T-Zellen tragen ca.50 000 TCR-Moleküle auf ihrer Oberfläche)erkennen dasselbe Antigen.

Im Gegensatz zu den B-Lymphozyten sind die T-Zellen jedoch nicht in der Lage, mit ihrem TCRkomplette Antigene (also ganze Bakterien odervollständige Proteine) zu erkennen. Vielmehrerkennt der TCR nur Bruchstücke von Eiweiß-molekülen, so genannte Peptide. Hieraus folgtjedoch, dass bakterielle oder viraleAntigene/Pathogene durch geeignete Zellen desImmunsystems erst „zerkleinert“ werden müssen,bevor T-Zellen überhaupt in der Lage sind, diesezu erkennen (Abb. 1A). Diese Aufgabe überneh-men die so genannten antigenpräsentierendenZellen (APC) unter denen die dendritischen Zel-len (so genannt wegen ihrer langen Zellausläufer),die Monozyten/Makrophagen und die B-Lym-phozyten die wichtigsten Vertreter sind. Diesedrei Zellpopulationen des Immunsystems werdenauch als professionelle antigenpräsentierende Zel-len bezeichnet. Dieser Begriff wurde deshalb

gewählt, weil nur die professionellen antigenprä-sentierenden Zellen in der Lage sind, T-Lympho-zyten, und zwar bevorzugt die T-Helferzellen,voll zu aktivieren.

Antigenpräsentierende Zellen sind also in derLage, Eiweißmoleküle in Peptide zu zerlegen unddiese Peptide an die Zelloberfläche zu transportie-ren, wo dann die Erkennung durch die T-Zellre-zeptoren der T-Zellen stattfindet. Den Prozessder Aufbereitung von Eiweißmolekülen inner-halb der APC bezeichnet man als Antigenprozes-sierung. Als Transportvehikel für die von APCprozessierten Peptide zur Zelloberfläche dienteine Familie von Transmembranmolekülen,deren Mitglieder sich von Individuum zu Indivi-duum geringgradig unterscheiden (= Polymor-phismus). Diese Moleküle werden als MHC-Moleküle (Major Histocompatibility Complex)oder HLA-Moleküle (Human Leucocyte Anti-gens) bezeichnet. MHC-Moleküle lassen sich inMoleküle der Klasse I (zu diesen gehören die Sub-gruppen HLA-A, -B und -C) und Moleküle derKlasse II (zu diesen gehören die SubgruppenHLA-DR, -DQ und DP) unterteilen. Der hohePolymorphismuns der verschiedenen HLA-Moleküle ist für die oben beschriebene genetischeVariabilität zwischen Organspender und Organ-

Abbildung 1AAntigen/Pathogenaufnahme, Antigenprozessierung, Antigenpräsentation und Erkennungdes Peptid/MHC-Komplexes durch den TCR. Antigene/Pathogene werden durch APCsaufgenommen und prozessiert. Die hieraus resultierenden Peptide werden in MHC-Moleküle eingelagert und an die Oberfläche der APCs transportiert. Dort wird derPeptid/MHC-Komplex vom T-Zellrezeptor erkannt (Signal 1). Gleichzeitig wird über die Inter-aktion zwischen dem akzessorischen Rezeptor CD28 (auf der T-Zelle) und seinem auf derAPC-Zelle exprimierten Liganden CD80 ein zweites Signal (2.) vermittelt. Beide Signalezusammen aktivieren dann die T-Zelle und regen sie zum Wachstum und zur Differenzie-rung an. Es entstehen identische Tochterzellen, ein so genannter T-Zellklon. Diese aktivier-ten T-Zellen sind dann in der Lage, entweder allein (wie in der Abbildung gezeigt) oder inZusammenarbeit mit den B-Lymphozyten oder anderen Zellen des Immunsystems (nichtgezeigt) das Pathogen zu eliminieren. Nur professionelle Antigenpräsentierende Zellen(Monozyten, dendritische Zellen, B-Zellen) sind in der Lage, das für das T-Zellwachstumessentielle Zweitsignal über CD28/CD80 zu vermitteln.

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empfänger verantwortlich und liefert damit diemolekulare Grundlage für die Transplantatab-stoßungsreaktion.

Die MHC-Moleküle sind so aufgebaut, dass dievon den APC prozessierten Peptide in eine„Grube“, die sich an der Spitze der MHC-Moleküle befindet, eingelagert werden können(Abb. 1B). Der aus MHC-Molekül und eingela-gertem Peptid bestehende Komplex wird nachTransport an die Oberfläche der APC den T-Zel-len „gezeigt“ und vom TCR erkannt. Der TCRerkennt also nicht Antigen/Pathogen (bzw. anti-genes/pathogenes Peptid) alleine, sondern immereinen bimolekularen Komplex, der aus Peptidund einem körpereigenen (= autologen) MHC-Molekül besteht. Dieser komplizierte Erken-nungsprozess wird als MHC-Restriktion der T-Zellantwort bezeichnet, das „Zeigen“ des antige-nen Peptids in der Grube des MHC-Moleküls aufder Oberfläche der APC als „Antigenpräsenta-tion“.

Nach Erkennung des präsentierten Antigensdurch den TCR werden im Inneren der T-Lym-phozyten molekulare Prozesse induziert, die inihrer Gesamtheit dazu führen, dass die Zellenanfangen zu wachsen und sich zu vermehren. Soentsteht aus einem ruhenden Lymphozyt eineVielzahl von identischen Nachkommen, ein T-Zellklon. Dieser Prozess wird als klonale Expan-sion bezeichnet und stellt die zelluläre Grundlageder spezifischen Immunantwort dar.

Was haben diese Prozesse mit Tumoren bzw.deren Therapie zu tun?

Viele Tumoren zeichnen sich dadurch aus,dass sie gegenüber dem Muttergewebe von demsie abstammen ein verändertes Muster anMolekülen an der Zelloberfläche tragen. Diese„Neoantigene“ werden auch als Tumorantigenebezeichnet. Wie oben bereits dargestellt, ist einAntigen definitionsgemäß dazu in der Lage, einespezifische Immunantwort auszulösen. Dies giltprinzipiell auch für die auf den Tumorzellenexprimierten tumorspezifischen Antigene. Theo-

retisch sollten diese also dazu in der Lage sein,diejenigen T- bzw. B-Zellen des Immunsystems,die auf ihrer Oberfläche Antigenrezeptoren mitSpezifität für das entsprechende Tumorantigentragen, zu aktivieren, so dass diese dann einegegen den Tumor gerichtete Immunantwortinduzieren.

In der Tat funktioniert dieses Prinzip der Induk-tion einer tumorspezifischen Immunantwortnicht selten im Reagenzglas, also außerhalb desKörpers. In vivo jedoch, also im lebenden Orga-nismus, stellt sich die Situation meist weitauskomplizierter dar und eine spezifische Immun-antwort gegen Tumoren kommt eher seltenzustande. Dies hängt zum Teil damit zusammen,dass Tumorzellen z. B. Substanzen oder Boten-stoffe produzieren, die die Zellen des Immunsys-tems abschalten (wie z. B. das Zytokin TGF-�)oder auch, dass Tumorzellen diejenigen Rezepto-ren von ihrer Zelloberfläche herunterregulieren,die für die Einleitung einer spezifischen Immun-abwehr und für die Aktivierung antigenspezifi-scher T-Zellen absolut notwendig sind (z. B. denLiganden für den für die T-Zellaktivierung unbe-dingt benötigten akzessorischen Rezeptor CD28,Abb. 1A).

Ein Ziel der immunologischen Forschung bestehtdarin, die „Escape-Mechanismen“, die vonTumorzellen dazu eingesetzt werden, um sich derKontrolle des Immunsystems zu entziehen, auf-zuklären und, was noch wichtiger erscheint, aufder Basis des gewonnenen Wissens Strategien zuentwickeln, die es ermöglichen, die Tumorzellenwieder für das Immunsystem „sichtbar“ zumachen. Hierzu wird eine Vielzahl verschiedenerKonzepte verfolgt, von denen einige hier kurzdargestellt werden.

Ein Konzept besteht z. B. darin, Tumorzellendurch gentechnische Manipulation so zu verän-dern, dass sie wieder diejenigen Moleküle aufihrer Zelloberfläche exprimieren, die für Aktivie-rung antigenspezifischer Lymphozyten benötigtwerden (z. B. den Liganden für das obenerwähnte CD28-Molekül). Andere Konzepte ver-suchen, durch aktive Immunisierung von Patien-ten mit gereinigten Tumorantigenen eine spezifi-sche, gegen den Tumor gerichtete, Immunant-wort auszulösen. Weiterhin wird versucht, pati-enteneigene dendritische Zellen zu isolieren unddiese dann ex vivo mit Tumorantigenen zu inku-bieren, um eine Prozessierung und Präsentationder Tumorantigene im Reagenzglas zu erzwingen.Die so „gereiften“ dendritischen Zellen werdendann den Patienten zurückgegeben werden, inder Hoffnung, dass antigenspezifische T-Zellenaktiviert werden und diese dann den Tumorattackieren. Weiterhin wird versucht, durch Gabevon Botenstoffen des Immunsystems (z. B. denT-Zellwachstumsfaktor Interleukin-2) die Akti-vierbarkeit der T-Zellen zu erhöhen. Schließlichwird auch versucht, Patienten mit DNA-Molekülen zu immunisieren, die für Tumoranti-

Abbildung 1BSchematische Darstellung der antigenbindenen Grube im MHC-I-Molekül mit eingelagertemPeptid (links) und Darstellung derjenigen Aminosäuren, die die Individualität der MHC-I-Moleklüle (= Polymorphismus) determinieren (rechts).

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gene kodieren. Dieser Zugang wird als DNA-Vaccinierung bezeichnet.

Leider haben jedoch alle bis dato angewandtenVersuche zur Induktion einer tumorspezifischenImmunantwort in vivo noch nicht den gewünsch-ten Erfolg gebracht, so dass noch enorme Ent-wicklungsarbeit notwendig sein wird, bevor sol-che Therapieansätze soweit ausgereift sind, dasssie das experimentelle Stadium verlassen könnenund im klinischen Alltag Anwendung finden.

Dennoch machen die hier dargestellten Beispieledeutlich, dass sich die zukunftsorientierte immu-nologische Forschung damit befassen muss, diemolekularen Mechanismen, die der Induktioneiner Immunantwort zu Grunde liegen, vollstän-dig aufzuklären. Nur so wird es gelingen, neueKonzepte zur gezielten Modulation der Immun-antwort zu entwickeln.

DER EIGENE KÖRPER ALS BEISPIEL

Interessanterweise liefert der eigene Körperselbst eindrückliche Beispiele dafür, wie dieImmunantwort lokal moduliert werden kann,ohne dass die Fähigkeit des übrigen Organismus,auf Pathogene zu reagieren darunter leidet. In derTat sind lokale immunologische Regulationsme-chanismen von enormer Wichtigkeit für dieHomöostase des Gesamtorganismus. Ein Beispielfür einen lokal gesteuerten immunologischenRegulationsprozess stellt z. B. das Immunsystemdes Darmes dar. Die immunkompetenten Zellendes Darmes (im Darm hält sich der Großteil allerLymphozyten auf) werden permanent mit Anti-genen konfrontiert, die durch die Nahrung aufge-nommen werden. Dennoch verhalten sich Darm-lymphozyten beim gesunden Menschen „nichtre-aktiv“ bzw. „anerg“, d. h. trotz der permanentenAnwesenheit von Antigenen werden die immun-kompetenten Zellen des Darmes nicht aktiviert.

Diese Nichtreaktivität zeigt sich z. B. darin, dassfrisch isolierte Darmlymphozyten im Reagenzglasnicht zum Wachstum angeregt werden können.Werden dieselben Zellen jedoch vor der Aktivie-rung im Reagenzglas für 24 Stunden in norma-lem Kulturmedium (= einem anderen lokalenMilieu als das im Darm) inkubiert, so erhalten sieihre Reaktivität wieder. Hieraus folgt, dass das„lokale Milieu“ im Darm die Fähigkeit desImmunsystems, auf externe Reize zu reagieren,moduliert. Wird die Nichtreaktivität der Darm-lymphozyten durchbrochen, so entstehen chro-nisch entzündliche Darmerkrankungen wie Coli-tis ulcerosa oder M. Crohn. Ähnliche Mechanis-men könnten in der Haut, in der Lunge und inanderen Organen, in denen Zellen desImmunsystems ständig mit Antigenen aus derUmwelt konfrontiert werden, von Bedeutungsein.

Ein weiteres Beispiel für einen außerordentlichwichtigen lokalen Regulationsprozess betrifft dasImmunsystem einer werdenden Mutter. Aus

immunologischer Sicht stellt der im Uterus her-anwachsende Fetus genetisch fremdes Gewebedar (wie z. B. ein allogenes Organtransplantat,s. o.) und müsste somit eine Abstoßungsreaktiondurch die mütterlichen Zellen des Immunsystemshervorrufen. Dies ist jedoch, wie wir wissen, nichtder Fall.

Die Mechanismen, die zur Induktion der „phy-siologischen Nichtreaktivität“ im gesundenDarm/der Plazenta bzw. zum Verlust der Nicht-reaktivität im kranken Darm führen, sind zumgroßen Teil noch nicht bekannt. Ihre Entschlüs-selung würde unser Verständnis für die Aufrecht-erhaltung der Homöostase im Immunsystem undfür die Pathophysiologie immunologisch vermit-telter Erkrankungen erheblich bereichern.

Einer der ersten Schritte, die verschiedenen Reak-tionsmöglichkeiten immunkompetenter Zellenzu verstehen, besteht darin, aufzuklären, wie dieVielzahl der externen Signale, die auf die Zellendes Immunsystems einwirken, im Zellinnerenweiterverarbeitet werden und zu einer adäquatenzellulären Antwort führen. Es ist deshalb nichtüberraschend, dass das Studium der Signaltrans-duktion in immunkompetenten Zellen sich inden letzten Jahren zu einem der attraktivsten undkompetitivsten Felder der modernen Immunolo-gie entwickelt hat.

Auch am Institut für Immunologie der Otto-von-Guricke-Universität Magdeburg wird mit Nach-druck an der Entschlüsselung der Signaltransduk-tionsprozesse in immunologisch kompetentenZellen gearbeitet, wobei als Modellzelle der T-Lymphozyt dient, der, wie bereits dargestellt, einezentrale regulatorische Rolle während der Immu-nantwort spielt. Im Folgenden werden wir einenÜberblick über das derzeitige Wissen in Bezugauf die initialen Mechanismen der T-Zellaktivie-rung geben. Dort wo es unsere Forschung betrifftwerden wir den Leser spezifisch darauf hinweisen.

II. MEMBRANNAHE SIGNALTRANSDUKTION IN

T-LYMPHOZYTEN

DIE ANTIGENERKENNUNGSMASCHINERIE DER

T-LYMPHOZYTEN, DER TCR/CD3/ζ-KOMPLEX

Wie bereits weiter oben dargestellt wurde,bestimmt der auf der Oberfläche der T-Lympho-zyten exprimierte TCR (T-Zellrezeptor) die Spe-zifität der Immunantwort, indem er die T-Zelledazu befähigt, Peptidantigene in Zusammenhangmit körpereigenen (= autologen) MHC-Molekülen auf der Oberfläche antigenpräsentie-render Zellen zu erkennen (Abb. 1A). Der TCRwurde erst im Jahre 1983 entdeckt /1/. Er stelltein disulfid-verbundenes Heterodimer dar, dasbei den meisten T-Zellen aus einer α- und �-Kette (α/�-TCR) gebildet wird. Der TCR selbstkann auf der Oberfläche der T-Zelle nicht stabilexprimiert werden, sondern benötigt hierzu einephysische Interaktion mit weiteren Proteinen, diein ihrer Gesamtheit als der CD3/�-Komplex

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bezeichnet werden. Dieser Komplex besteht ausden drei CD3-Proteinen, CD3-�, CD3-� undCD3-ε sowie den �-Ketten. Diese vier Molekülebilden auf der T-Zelloberfläche drei verschiedeneDimere, nämlich CD3-�/ε- und CD3-�/ε-Heterodimere sowie �/�-Homodimere (Abbil-dung 2).

Der Zusammenbau des TCR/CD3/�-Komplexeserfolgt nach einem genau abgestimmten Plan imInnern der Zelle, wobei es inzwischen als erwiesengilt, dass alle Komponenten des TCR/CD3/�-Kom-plexes vorhanden sein müssen, damit dieser Zusam-menbau überhaupt korrekt erfolgen kann und dergesamte Komplex an die Zelloberfläche transportiertund dort stabil exprimiert werden kann. /2, 3/ InAbwesenheit einer der Komponenten desTCR/CD3/�-Komplexes werden unvollständigzusammengesetzte Rezeptorkomplexe im Zellinne-

ren sofort abgebaut und eliminiert. Die intrazel-luläre Maschinerie trägt also dafür Sorge, dass nurvollständig zusammengebaute Rezeptorkomplexedie Zelloberfläche erreichen können. Abbildung 2gibt einen Überblick über die einzelnen Komponen-ten des auf der Oberfläche von T-Lymphozytenexprimierten T-Zellrezeptorkomplexes.

DIE TCR/CD3/ζ-VERMITTELTE

SIGNALÜBERTRAGUNG

Seit der Identifikation des TCR-Heterodimershat sich die immunologische Forschung mit derFrage befasst, wie nach der Erkennung des Kom-plexes Antigen/MHC das TCR-vermittelte Sig-nal in das Zellinnere weitergeleitet wird und dieAktivierung sowie das Wachstum ruhender T-Lymphozyten induziert. Da die TCRα- und �-Ketten selbst nur sehr kurze intrazytoplasmati-sche Anteile von gerade einmal fünf Aminosäurenaufweisen (s. Abbildung 2), wurde postuliert, dassder TCR selbst nur für die Antigenerkennungverantwortlich ist, während der CD3/�-Komplexdas Signal dann in das Zellinnere leitet. DieseAnnahme konnte inzwischen durch eine Vielzahlvon Experimenten zweifelsfrei belegt werden.

Die molekulare Grundlage für die signalübertra-gende Kapazität der Komponenten des CD3/�-Komplexes besteht darin, dass diese Moleküle inihren zytoplasmatischen Teilen mindestens einSequenzmotiv exprimieren, welches aus 18 Ami-nosäuren besteht und die AminosäuresequenzYxxL/IxxxxxxxxYxxL/I (x steht hierbei für einebeliebige Aminosäure) aufweist. Dieses Motivwird in drei Kopien in �- und in je einer Kopie inden übrigen Komponenten des CD3-Komplexesexprimiert (Abbildung 2). Es wurde vor einigenJahren mit dem Namen ITAM (ImmunoreceptorTyrosine Based Activation Motif) belegt. Gen-technisch hergestellte, künstliche, Rezeptoren,deren intrazytoplasmatischer Teil nur aus einemITAM besteht, sind in der Lage, in Lymphozyten

Signale zu transduzieren, die vondem Signal, welches nach Bin-dung von Antigen/MHC an denT-Zellrezeptor induziert wird,kaum unterschieden werden kön-nen. Die Wichtigkeit der beidenTyrosinreste für die Funktion derITAMs wird dabei dadurchunterstrichen, dass Mutationen,die diese Aminosäuren betreffen,die Signaltransduktion desITAMs eliminieren.

Interessanterweise sind ITAMsnicht nur Bestandteile der Kompo-nenten des T-Zellrezeptorkomple-xes, sondern werden in einer Reihevon Rezeptoren verwandt, die inanderen Zellen des hämatopoeti-schen Systems Signale übertragenkönnen. Dies trifft sowohl für diemit dem B-Zellrezeptor assoziier-ten Igα- und Ig�-Ketten zu, als

Abbildung 2Schematischer Aufbau des TCR/CD3/�-Komplexes. ITAMs (s. u.) sind durch gestreifte Arealein den zytoplasmatischen Domänen der rezeptorassoziierten Moleküle gekennzeichnet.

Abbildung 3Signalübertragende Untereinheiten hämatopoetischer Rezeptoren, dieITAM-Motive enthalten.

TcR _> α = 49 kDa� = 43 kDaDisulfid-verbundenes90 kDa Heterodimer bindet Anigen/MHC

CD3/� _> � = 29 kDa� = 20 kDaε = 21 kDa� = 16-21 kDanicht-kovalent miteinanderund mit dem TCR verbundenverantwortlich fürSignaltransduktion

Merke: nur komplette TCR/CD3/�-Kom-plexe können stabil auf der T-Zelloberflächeexprimiert werden

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auch für aktivierende Rezeptoren auf Mastzellen,natürlichen Killerzellen, und Thrombozyten./4/Hieraus ergibt sich, dass die Verwendung vonITAMs zur Ankoppelung signalübertragenderRezeptoren an intrazelluläre Signalwege ein allge-meinverbindliches Prinzip im hämatopoetischenSystem darstellt (Abb. 3).

DIE TCR/CD3/�-VERMITTELTE SIGNALKASKADE

Die Erkennung des Antigen/MHC-Komplexesdurch den TCR/CD3/�-Komplex induziert eineReihe biochemischer Ereignisse, die letztendlichzur Interleukin-2-Synthese und damit zumWachstum und zur Differenzierung ruhender T-Lymphozyten in Effektor-T-Zellen führen. Seitlangem bekannte biochemische Ereignisse, dieunmittelbar nach Stimulation des TCR messbarsind, bestehen in der Aktivierung der �1-Isoformdes Enzyms Phospholipase C (PLC�1, e [sieheAbbildung 4 und 9, die im Text rot markiertenBuchstaben sind in der Abbildung dargestellt]),welches das membranständige Phospholipid Phos-phatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2, f) in dieso genannten „second messenger“ SubstanzenInositol-1,4,5-trisphosphat (IP3, g) und Diazyl-glyzerol (DAG, k) spaltet. Das aus PIP2 freige-setzte IP3 induziert durch Öffnen von Kalzium-kanälen die Freisetzung von Ca++-Ionen (h) undsomit eine Erhöhung des intrazellulären Kalzium-spiegels während Diazylglyzerol (k) in Zusam-menarbeit mit Ca++-Ionen die Aktivierung desEnzyms Proteinkinase C (PKC, eine Serinkinase)bewirkt (l). Die zentrale Bedeutung dieser beidenEreignisse für die T-Zellaktivierung lässt sichdadurch demonstrieren, dass ruhende T-Lympho-zyten durch Inkubation mit einer Kombinationaus einem Ca++-Ionophor (welches artifiziell eineErhöhung des intrazellulären Kalziumspiegelsinduziert) und einem Phorbolester (welches eineartifizielle Aktivierung der PKC bewirkt) zumWachstum angeregt werden können.

Die Aktivierung der Serinkinase PKC führt zurPhosphorylierung einer Reihe von Proteinen/Pro-teinkomplexen, unter anderem auch dem sogenannten IκB/NF-κB-Komplex (m), der sich imZytosol der T-Zellen aufhält. Die Phosphorylie-rung von IκB durch die PKC induziert die Disso-ziation des Komplexes in die beiden Untereinhei-ten IκB und NF-κB. Durch diese Dissoziationwird der Transkriptionsfaktor NF-κB aktiviert(n). Während phosphoryliertes IκB degradiertwird, wandert das freigesetzte NF-κB in den Zell-kern, wo es an den Promotor des IL-2 Genes bin-det und zusammen mit anderen Transkriptions-faktoren die Expression des T-Zellwachstumsfak-tors Interleukin-2 (IL-2) induziert.

Neben der Beteiligung an der Aktivierung derPKC bewirkt die Erhöhung des intrazellulärenCa++-Spiegels (h) durch IP3 auch eine Aktivie-rung der Ca++-abhängigen Serin/Threoninphos-phatase Calcineurin (i). Diese dephosphoryliertim Zytosol den Transkriptionsfaktor NFAT(Nuclear Factor of Activated T-cells), der dann

ebenfalls in den Zellkern wandert, wo er an derRegulation der IL-2 Synthese beteiligt ist (j).

Die Aktivierung von Calcineurin (also der Schrittzwischen i und j) wird durch eine Substanzblockiert, die den Namen Cyclosporin A (CSA)trägt. Cyclosporin A stellt ein wichtiges Medika-ment zur Verhinderung der Transplantatab-stoßung dar. Da das Molekül jedoch essentielleSchritte der Aktivierung aller T-Zellen inhibiert,ist seine Anwendung durch die Induktion einergenerellen Immunsuppression problematisch.Weitere unerwünschte Wirkungen der Substanzbetreffen Gewebe, in denen nur geringe Mengenvon Calcineurin exprimiert werden (z. B. Nieren-gewebe). Hier wird schnell die Toxizitätsgrenzeder Substanz überschritten.

DIE ROLLE VON TYROSINKINASEN

WÄHREND DER T-ZELLAKTIVIERUNG

Eine völlig neue Ära in der Analyse der mole-kularen Mechanismen, die der T-Zellaktivierungzu Grunde liegen, wurde 1990 durch drei Publi-kationen eingeleitet, in denen demonstriertwurde, dass pharmakologische Inhibitoren vonTyrosinkinasen die T-Zellaktivierung komplettblockieren. Die weiterführende biochemischeAnalyse dieser Beobachtung erbrachte den über-raschenden Befund, dass die Aktivierung vonTyrosinkinasen sogar eine absolute Vorausset-zung für die Aktivierung der Phospholipase C(s. o.) darstellt und dass die Phospholipase C erstdurch eine Phosphorylierung an Tyrosinrestenaktiviert wird. /5/ Diese Befunde haben zu demheute gültigen Modell der T-Zellaktivierunggeführt, welches besagt, dass die Stimulation desTCR/CD3/�-Komplexes als erstes Ereignis eineAktivierung von Tyrosinkinasen und in der Folgedie Phosphorylierung einer ganzen Reihe intrazel-

Abbildung 4Modell der Signale, die nach Stimulation des TCR durch Antigen/MHC erfolgen. Die zu deneinzelnen Buchstaben gehörenden molekularen Ereignisse sind im Text rot markiert.

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lulärer und transmembranöser Proteine an Tyro-sinresten induziert. Diese initialen Phosphorylie-rungsreaktionen sind Voraussetzung für alle spä-teren Ereignisse der T-Zellaktivierung.

Da jedoch weder die Aminosäuresequenzen dereinzelnen Komponenten des CD3-Komplexesnoch die der �-Ketten Homologien zu Tyrosin-kinasen aufweisen, musste aus den erhobenenDaten zwangsläufig gefolgert werden, dass dieBindung von Antigen an den TCR/CD3/�-Kom-plex eine unmittelbare Aktivierung von Tyrosin-kinasen induzieren muss, die nur durch eine sehrenge Nachbarschaft zwischen dem TCR und denpostulierten Tyrosinkinasen erklärt werden kann.Mit massivem Aufwand wurde in den letztenzehn Jahren die Identifikation derjenigen Tyro-sinkinasen, die nach Bindung von Antigen an den

TCR aktiviert werden vorangetrieben. Als Ergeb-nis dieser Anstrengungen konnten zwei mit demTCR-assoziierte Tyrosinkinasen identifiziert wer-den. Diese tragen die Namen p56lck und ZAP70.Während p56lck der Familie der so genanntenSrc-Tyrosinkinasen angehört, ist ZAP70 ein Mit-glied der SYK-Tyrosinkinasen. /6/ Die Tyrosin-kinasen dieser beiden Familien unterscheidensich strukturell voneinander (Abb. 5).

So besitzen alle Mitglieder der Src-Kinasen am N-terminalen Ende Aminosäureabschnitte, diedazu benötigt werden, die Moleküle an der

Innenseite der Plasmamembran in den sogenannten „lipid rafts“ zu verankern. Die „lipdrafts“ sind umschriebene Areale (daher der Nameraft = Floß) innerhalb der Plasmamembran, diesich durch eine besondere Lipid- und Protein-komposition auszeichnen und deren Integritätscheinbar für die Signalübertragung essentiell ist.

Weiterhin besitzen alle Src-Kinasen jeweils eineso genannte SH2- und eine SH3-(Src-Homo-logy)Domäne. Diese Domänen dienen derKinase dazu, stabile Bindungen mit anderen Pro-teinen einzugehen, also größere Molekülkom-plexe zu bilden. Die SH2-Domänen sind etwa100 Aminosäuren lang und vermitteln sehr sta-bile Bindungen an Proteine, die an Tyrosinrestenphosphoryliert sind, während SH3-Domänenetwa 50-60 Aminosäuren lang sind und Interak-tionen mit Molekülen vermitteln, die prolinrei-che Sequenzabschnitte aufweisen. SH2- undSH3-Domänen werden nicht nur in den Src-Kinasen exprimiert, sondern auch in einer Viel-zahl weiterer Proteiner, die in Signaltransduk-tionsprozesse involviert sind.

An die SH2- und die SH3-Domänen schließtsich in den Src-Kinasen die so genannte katalyti-sche Domäne (SH1-Domäne) an, die sowohl eineBindungsstelle für den zu übertragenden energie-reichen Phosphor (ATP-Bindungsstelle) als aucheine Tyrosinphosphorylierungsstelle beinhaltet,die von der Kinase selbst phosphoryliert wird unddie Aktivität des Enzyms hochreguliert (Auto-phosphorylierungsstelle).

Am C-terminalen Ende exprimieren alle Tyrosin-kinasen der Src-Familie einen negativ regulatori-schen Tyrosinrest. In phosphoryliertem Zustandinhibiert dieser Tyrosinrest die enzymatischeAktivität der Kinase, während die Dephos-phorylierung dieses Tyrosinrestes zu einerErhöhung der enzymatischen Aktivität der Kinaseführt. Der Phosphorylierungsstatus dieses Tyro-sinrestes wird durch zwei Enzyme reguliert, näm-lich durch eine zytoplasmatische Tyrosinkinase,die den Namen Csk trägt und eine membranstän-dige Tyrosinphosphatase, die als CD45 bezeich-net wird.

Dem heute akzeptierten Modell zufolge liegt derC-terminale Tyrosinrest der Src-Kinasen innichtaktivierten T-Zellen in phosphoryliertenZustand vor und bindet an die eigene SH2-Domäne. Hierdurch wird eine „geschlossene“Form der Tyrosinkinase (d. h. es kann wederPhosphor übertragen werden, noch können SH2-vermittelte Assoziationen der Kinase mit anderenzellulären Proteinen stattfinden) gebildet, dieTyrosinkinase ist inaktiviert (Abb. 6). NachErkennung von Antigen/MHC duch den TCRerfolgt eine Dephosphorylierung des regulatori-schen Tyrosinrestes, der dazu führt, dass dieTyrosinkinase nunmehr eine „offene“ Konfigura-tion erhält und ihre enzymatische Aktivität ent-falten kann.

Abbildung 5Molekulare Organisation und funktionelle Motive in den Tyrosinkinasen der Src- und SYK-Familie. Die Sequenz XPXXPPPXXP unterhalb der SH3-Domäne soll verdeutlichen, dassSH3-Domänen generell bevorzugt an prolinreiche Sequenzabschnitte in interagierendenProteinen binden. Das YEEI-Motif unterhalb der SH2-Domäne von Lck wurde als das für dieSH2-Domäne der Src-Kinasen optimale Bindungspeptid ermittelt.

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Im Gegensatz zu den Src-Kinasen können dieSYK-Kinasen, also auch ZAP70, nicht direkt inder Plasmamembran verankert werden. DieseTyrosinkinasen stellen also zytoplasmatischeMoleküle dar und müssen erst zur Plasmamem-bran gebracht werden, um ihre Aufgaben zu erfül-len. Darüber hinaus exprimieren die SYK-Kinasenauch keine SH3-Domäne und sie besitzen keinenregulatorischen Tyrosinrest, dafür jedoch zweiSH2-Domänen, die direkt hintereinander ange-ordnet sind und ein so genanntes Tandem bilden.

DIE FUNKTION DER PROXIMALEN TYROSINKINASEN

Lck war die erste Tyrosinkinase, von dergezeigt werden konnte, dass sie eine Schlüsselrollebei der Signaltransduktion in T-Lymphozytenspielt. Dieser Beweis wurde durch genetischeExperimente erbracht. So konnten Straub et al. ineiner Lck-defizienten T-Zelllinie (JCaM 1.6)erstmals demonstrieren, dass der Verlust von Lckzu einer kompletten Blockade der T-Zellaktivie-rung führt. /7/ Noch eindrücklicher als inJCaM1.6-Zellen konnte die Wichtigkeit von Lckin Mäusen demonstriert werden, bei denen durchmolekularbiologische Methoden das für Lckkodierende Gen ausgeschaltet wurde. /8/ Nebendem Defekt in der Signalkaskade, der inJCaM1.6 zu beobachten ist, zeichnen sich dieLck-knock-out-Mäuse zusätzlich durch einekomplette Blockade der Entwicklung von T-Lymphozyten aus. D. h. Lck-defiziente Tierebesitzen so gut wie keine T-Zellen im peripherenBlut, da die T-Zellen sich in Abwesenheit derKinase gar nicht erst entwickeln können.

Kurz nach der Beschreibung des Phänotyps derLck-defizienten Maus konnte demonstriert wer-den, dass auch die Tyrosinkinase ZAP70 ent-scheidend in die TCR-vermittelte Signaltrans-duktion eingeschaltet ist. ZAP70 wurde initial alsein 70 kDa-Phosphoprotein identifiziert, welchesnach Aktivierung von T-Zellen über den TCRmit tyrosinphosphorylierten �-Ketten (s. o.) asso-ziiert. Von dieser Assoziation leitet sich auch derName ZAP70 ab (Zeta-Associated-Phosphopro-tein of 70 kDa). Interessanterweise kann ZAP70jedoch erst nach Stimulation des Antigenrezep-tors an die tyrosinphosphorylierten �-Ketten bin-den. Die molekularen Voraussetzungen für diesephosphorylierungsabhängige Interaktion wurdendurch kristallographische Analysen ermittelt.Diese zeigten, dass die beiden SH2-Domänen imZAP70 Molekül dazu benötigt werden, dasMolekül an den aktivierten TCR heranzubrin-gen. Die Bindung an den TCR erfolgt dabei überdie beiden phosphorylierten Tyrosinreste in denITAMs der �-Kette, wobei jede der beiden SH2-Domänen an einen der Tyrosinreste bindet. /9/Hieraus erklärt sich auch die molekulare Strukturder ITAMs, denn nur wenn der Abstand zwi-schen den beiden phosphorylierten Tyrosinrestengenau acht Aminioäuren beträgt, sind die mole-kularen Voraussetzungen für die Bindung beiderSH2-Domänen des ZAP70-Moleküls gegeben(Abbildung 5).

Die zentrale Bedeutung von ZAP70 für die Ent-wicklung und die Aktivierung von T-Lymphozytenwurde erstmals durch eine fehlende ZAP70 Expres-sion in T-Zellen von Patienten mit einer schwerenStörung der Immunfunktion (Severe CombinedImmunodeficiency, SCID) gezeigt. /10/ Der Ver-lust von ZAP70 bewirkt eine Entwicklungsstörungder T-Lymphozyten, die sich darin äußert, dasssich im peripheren Blut ZAP70-defizienter Patien-ten nur eine der beiden großen T-Zellpopulatio-nen, nämlich die CD4-positiven Helfer-Zellen,nicht jedoch die CD8-positiven zytotoxischen T-Lymphozyten, nachweisen lässt. Hieraus ergibtsich, dass ZAP70 für die Entwicklung CD8-positi-ver T-Lymphozyten benötigt wird.

Obwohl die Entwicklung der CD4-positiven T-Lymphozyten in den ZAP70-defizienten Indivi-

duen normal verläuft, lassen sich die im periphe-ren Blut der Patienten zirkulierenden CD4-posi-tiven T-Zellen nicht zum Wachstum anregen.Hieraus ergibt sich, dass ZAP70 nicht nur an derEntwicklung von CD8-positiven T-Lympho-zyten beteiligt ist, sondern auch an der über denAntigenrezeptor vermittelten Aktivierung derCD4-positiven T-Zellen im peripheren Blut. Deraus dem Verlust von ZAP70 resultierende Defektwurde inzwischen auf molekularer Ebene aufge-klärt (s. u.).

SCHADE WARS, DASS ES ANDERS KAM

ALS MAN DACHTE

Die Entdeckung, dass ZAP70 mit seinen bei-den SH2-Domänen an die phosphoryliertenITAMs in den �-Ketten bindet und so den TCRan intrazelluläre Signalwege anschließt, ließ beivielen Wissenschaftlern und bei der Pharmaindu-strie die berechtigte Hoffnung aufkommen, dasssich hier die Möglichkeit ergibt, neue Strategienzur immunsuppressiven Therapie zu entwickeln.Die Vorstellungen gingen dahin, niedermoleku-lare Substanzen zu entwickeln, die die Bindungder SH2-Domänen von ZAP70 an die Phospho-

Abbildung 6Derzeit akzeptiertes Modell zur Regulation der enzymatischen Aktivität der Src-Kinasendurch die Tyrosinkinase Csk und die Tyrosinphosphatase CD45.

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tyrosine der �-Ketten unterbindet und somit dieSignalübertragung über den T-Zellrezeptorunterbricht.

Ein Reihe großer Pharmafirmen versuchte dahermit allem Einsatz, diese Aufgabe anzugehen, ohnedass diese Anstrengungen von durchschlagendemErfolg gekrönt gewesen wären. Das größte Pro-blem bei diesem Zugang besteht darin, dass dieAffinität zwischen der SH2-Domäne von ZAP70und den �-Ketten zu hoch ist, um einfachblockiert zu werden. Des Weiteren ist es sehrschwer, eine ausreichende Spezifität der Inhibito-ren zu gewährleisten. Wie weiter unten berichtetwird, bedient sich nämlich nicht nur die Tyrosin-kinase ZAP70 der SH2-Domänen, um an diePlasmamembran heranzukommen, sondern aucheine ganze Reihe anderer signalübertragender Pro-teine. Dieser Mechansimus des „membrane targe-ting“ ist zudem nicht auf T-Zellen beschränkt,sondern stellt ein allgemeinverbindlichens Prinzipder Signalübertragung in den meisten Zellen desKörpers dar, so dass die Gefahr besteht, dass dieNebenwirkungen einer solchen Therapie erheb-lich sind, da auch multiple Signaltransduktions-mechanismen außerhalb des Immunsystemsunterbrochen werden.

Daher konzentriert sich die Pharmaindustrie zur-zeit darauf, spezifische Inhibitoren für die Tyro-sinkinasen Lck und ZAP70 zu entwickeln. Leiderstellt sich jedoch auch diese Aufgabe als nichtganz einfach dar, da beide Tyrosinkinasen Mit-glieder größerer Familien sind und sich deshalbhier ebenfalls Spezifitätsprobleme ergeben.

DIE UNMITTELBAREN BIOCHEMISCHEN

EREIGNISSE NACH T-ZELLAKTIVIERUNG

Nach heutiger Auffassung erfolgt die proximaleSignalkaskade in T-Lymphozyten also in mehrerenSchritten. /11/ Im ersten Schritt führt die Bindungvon Antigen/MHC an den TCR/CD3/�-Komplexzur Aktivierung der Tyrosinkinase p56lck. DerMechanismus, der diesem ersten und entscheiden-den Schritt der T-Zellaktivierung zu Grunde liegtist noch nicht befriedigend geklärt. Das derzeitfavorisierte Modell besagt, dass die Bindung vonAntigen an der TCR zu einer „Verschmelzung“des TCR/CD3/�-Komplexes mit den „lipid rafts“führt (siehe Schritt a in Abbildung 4), der denTCR/CD3/�-Komplex in die Nähe von Lckbringt. Lck kann dann die ITAMs z. B. in denKetten des CD3/�-Komplexes phosphorylieren(b) was die Rekrutierung von ZAP70 an den akti-vierten T-Zellrezeptor ermöglicht (c). Im nächs-ten Schritt wird ZAP70 selbst durch Lck an Tyro-sinresten phosphoryliert und damit aktiviert (b’).In der Folge kann ZAP70 (d) dann weitere Sub-strate phosphorylieren (s. u.) und so das initialeSignal in das Zellinnere weiterleiten. Lck spieltalso in diesem Modell eine zweifache Rolle,indem es 1. initial die ITAM Motive phosphoryliert (b);2. im nächsten Schritt das ZAP70-Molekül phos-

phoryliert und damit aktiviert (b’).

DER FALSCHE WEG UND DIE RICHTIGE LÖSUNG:TRANSMEMBRANÖSE ADAPTERPROTEINE

Wie eben beschrieben, stellt die Aktivierungvon Lck und die Bindung von ZAP70 an denaktivierten TCR-Rezeptorkomplex einen erstenund entscheidenden Schritt für die Aktivierungvon T-Zellen dar. Wie aber kommt es imAnschluss an diese initialen Ereignisse zur Akti-vierung des Enzyms PLC, welches ja weiter obenbereits als ein weiteres Schlüsselenzym der T-Zell-aktivierung beschrieben wurde und wie wird dasGTP-bindende Protein p21ras, welches ebenfallseine essentielle Rolle bei der Induktion des IL-2Genes spielt nach Stimulation des T-Zellrezep-tors aktiviert?

Diese Fragen haben die Immunologen für vieleJahre beschäftigt, ohne dass hier befriedigendeAntworten gefunden wurden. Man wusste zwar,dass die PLC�1 nach Antigenbindung aus demZytosol an die Plasmamembran gebracht wurdeund man wusste auch, dass Ras erst dadurchaktiviert wird, dass sein Aktivator, der „Nucleo-tide Exchange Faktor“ SOS (Son of Sevenless)an ein Protein namens Grb2 binden muss, wel-ches ebenfalls an der Plasmamembran verankertwird. Aber welcher molekulare Mechanismushinter all diesen Phänomenen steckte, war langeunklar.

Erste Schritte in die richtige Richtung wurdendadurch erbracht, dass Wissenschaftler heraus-fanden, dass PLC und Grb2, genauso wie dieTyrosinkinasen der Src- und Syk-Familie,SH2-Domänen besitzen, die sie dazu befähi-gen, an tyrosinphosphorylierte Proteine zu bin-den. Solche phosphorylierten Tyrosinreste gibtes genug im aktivierten T-Zellrezeptorkomplex,denn, wie oben beschrieben, besitzt der gesamteTCR/CD3/�-Komplex mit seinen zehn ITAMszwanzig phosphorylierbare Tyrosinreste, dietheoretisch in der Lage sind, genauso vieleSH2-Domänen zu binden (siehe z. B. Abbil-dung 2).

Auf der Basis dieses Wissens unternahmen insbe-sondere die biochemisch versierten Immunolo-gen vor einigen Jahren den Versuch zu beweisen,dass sowohl PLC als auch Grb2 mit ihren SH2-Domänen an den phosphoryliertenTCR/CD3/�-Komplex binden können. Aber alldiese Experimente konnten nicht voll überzeu-gen und heute, nach mehr als zehn Jahren inten-siver Forschungsarbeit, wissen wir, dass derGroßteil der Modelle, die aus diesen Experimen-ten entstanden, falsch ist. Dies liegt daran, dassPLC�1 und Grb2 nicht direkt an denTCR/CD3/�-Komplex binden, sondern offen-sichtlich an hochspezialisierte Transmebranmo-leküle, deren einzige Aufgabe es zu sein scheint,die Bindungsstellen für die SH2-Domänen derverschiedensten zytoplasmatischen signalübertra-genden Proteine in T-Zellen zur Verfügung zustellen. Diese Moleküle werden als transmem-branöse Adapterproteine, TRAPs, bezeichnet.

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Was sind Adapterproteine und was sind die TRAPs?

Per Definitionem stellen AdapterproteineEiweißmoleküle dar, die weder enzymatischenoch transkriptionelle Aktivität aufweisen, son-dern nur dazu eingesetzt werden, mit anderenProteinen in Wechselwirkung zu treten und sosignaltransduzierende Komplexe, so genannteSignalosomen, zu organisieren. /12/ Dazu sinddie Adapterproteine mit speziellen Protein-Pro-tein-Interaktionsdomänen ausgestattet. /13/ Sol-che Domänen sind z. B. die bereits mehrfacherwähnten SH2-Domänen, welche an phos-phorylierte Tyrosinreste binden. Weitere Protein-Protein-Interaktionsdomänen sind die SH3-Do-mänen (binden an prolinreiche Sequenzab-schnitte), Pleckstrin-Homology-Domänen (bin-den an Phospholipide), PhosphoTyrosine-Bin-ding-domains (binden ebenfalls an Phosphotyro-sine), PH-Domänen (Plecktstrin-Homolgy-Domänen, binden an Phospholipide) sowie eineganze Reihe anderer Interaktionsdomänen, die andieser Stelle nicht erwähnt werden sollen(Abb. 7). Daneben besitzen die meisten Adapter-proteine mindestens einen Tyrosinrest der phos-phoryliert werden kann und z. B. an die SH2-Domäne eines anderen Adapterproteins bindenkann. Diese speziellen Tyrosinreste in den Adap-terproteinen werden auch als TBSMs (TyrsineBased Signaling Motifs) bezeichnet (Abb. 7).

Auf Grund ihrer unterschiedlichen subzel-lulären Lokalisation können die Adapterpro-teine in zwei große Untergruppen aufgeteiltwerden, die zytosolischen Adapterproteine(CAPs) und die transmembranösen Adapterpro-teine (TRAPs). Mitglieder der ersten Gruppesind z. B. die Adapterproteine SLP-76 (SH2domain containing Leukocyte Phosphoproteinof 76 kD), SLP-65/BLNK (B-cell Linker pro-tein), Grb2 (Growth factor Receptor boundprotein), SKAP-55 (Src Kinase-AssociatedPhosphoprotein of 55 kD) und SKAP-HOM(SKAP-55 Homologue).

Zur Gruppe der transmembranösen Adaptermo-leküle zählen LAT (Linker for Activation of T-cells), TRIM (T-cell Receptor Interacting Mole-cule), SIT (SHP-2 Interacting Transmembraneadapter protein) PAG-85 (Phosphoprotein Asso-ciated with GEMs of 85 kD), NTAL (Non T-cellActivation Linker) und pp30 (Abb. 8). Mit derAusnahme von LAT wurden alle derzeit bekann-ten transmembranösen Adapterproteine durchWissenschaftler des Instituts für Immunologieder Medizinischen Fakultät der Otto-von-Gue-ricke-Universität Magdeburg identifiziert undkloniert.

Die Geschichte der transmembranösen Adapter-proteine ist kurz. So wurden die kompletten Ami-nosäuresequenzen der ersten zwei transmem-branösen Adapterproteine, LAT und TRIM, erst-mals 1998 publiziert /14, 15/, die von SIT 1999/16/, die von PAG 2000 /17/, die von NTAL

2002 /18/ und pp30 stellt ein nach wie vor unpu-bliziertes Protein dar, welches mit Nachdruckvon Magdeburger Immunologen erforscht wird.

Trotz dieser kurzen Geschichte ist die Erfor-schung der Funktion der transmembranösenAdapterproteine in den letzen Jahren in den Mit-telpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt.Dies begründet sich damit, dass diese Moleküle,die auf Grund ihrer extrem kurzen extrazellulärenDomänen keine extrazellulären Liganden besit-zen, lange zytoplasmatische Domänen tragen, diebis zu zehn TBSMs enthalten. Die sechs bekann-

Abbildung 7Ausgewählte Protein-Protein-Interaktionsmotife, die in zytosolischen und transmembranösenAdapterproteinen vorkommen. (A) Src homology 2 (SH2)-Domänen und Phosphotyrosinebinding (PTB)-Domänen binden an Peptide, die phosphorylierte Tyrosinreste enthalten.Dabei passt der phosphorylierte Tyrosinrest nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip in eine„Tasche“ in der SH2-Domäne. Die Spezifität der Bindungen wird über die den Tyrosinrestumgebenden Amionosäuren (mit x bezeichnet) bestimmt. Die Tyrosinmotife, die an SH2-Domänen binden, werden als TBSMs (Tyrosine Based Signaling Motifs) bezeichnet. (B) SrcHomolgy 3 (SH3)-Domänen binden an prolinreiche Peptide. (C) Pleckstrin Homolgy (PH)-Domänen binden an Phospholipide.

Abbildung 8Derzeit identifizierte transmembranöse Adapterproteine und ihre Interaktionspartner (soweitbekannt). TRIM = T-cell Receptor Interacting Molecule, SIT = SHP-2 Interacting Transmem-brane adapter protein. NTAL = Non T-cell Activation Linker, PAG = Protein Associated withGEMs, LAT = Linker for Activation of T-cells. Die farbigen Bereiche in den zytoplasmati-schen Domänen der transmembranösen Adapterproteine stellen phosphorylierbare Tyrosin-reste (TBSMs) dar, die nach Phosphorylierung als Verankerungsstellen für die SH2-Domä-nen zytosolischer Adapter und Effektormoleküle fungieren. Die transmembranösen Adapter-proteine PAG, NTAL, pp30 und LAT werden durch Palmitoylierung eines Di-Cysteinmotifs inder Nähe der transmembranösen Domäne in die Lipid rafts transportiert.

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ten transmembranösen Adapterproteine weiseninsgesamt 44 TBSMs in ihren zytoplasmatischenDomänen auf, sechs in TRIM, zehn in SIT, fünfin pp30, sieben in NTAL, neun in PAG und sie-ben in LAT (siehe Abb. 8).

Die Hauptaufgabe der transmembranösenAdapterproteine besteht darin, nach Phos-phorylierung ihrer TBSMs (die in T-Zellen vor-wiegend durch Lck und/oder ZAP70 erfolgt)intrazelluläre signalübertragende Moleküle, dieSH2-Domänen besitzen (z. B. zytosolischeAdapterproteine wie SLP-76, SLAP-130, PI3-Kinase, c-Cbl, PLC�, Gads oder Grb2), an dieInnenseite der Plasmamembran zu rekrutierenund so den aktivierten TCR/CD3/�-Komplexan intrazelluläre Signalwege anzuschließen. /12/In der Tat scheint jedes transmembranöse Adap-

terprotein ein ganz spezifisches „Set“ an zytosoli-schen Adapter- und Effektormolekülen bindenzu können und so ein ganz spezifisches Signalo-som zu organisieren. Darüber hinaus sind dietransmembranösen Adapterproteine an derKompartimentalisierung der Zelloberflächebeteiligt. So reichern sich die transmembranösenAdapterproteine PAG, LAT, NTAL und pp30in den bereits oben erwähnten „lipid rafts“ an(Abb. 8).

Am besten ist die Funktion des transmembranö-sen Adapterproteins LAT dokumentiert (Abb. 9).Dies hängt damit zusammen, dass die Existenzdieses Proteins den Immunologen schon vor des-sen molekularer Charakterisierung in Grundzü-

gen bekannt war. Aber erst durch die Klonierungdes Moleküls, die sich anschließende Herstellungvon Knock-out-Mäusen (also Tieren, bei denendurch molekularbiologische Methoden dieExpression des LAT-Proteins eliminiert wurde)und die Analyse von LAT-defizienten Zellinien,konnte die Bedeutung dieses Proteins für die T-Zellaktivierung herausgearbeitet werden.

Nach heutigem Wissen spielt LAT eine essentielleRolle bei der T-Zellaktivierung. /19/ Dies liegtdaran, dass dieses Molekül dazu in der Lage ist, einmembrannahes Signalosom zu organisieren, wel-ches dazu benötigt wird, die bereits erwähnte Phos-pholipase C zu aktivieren, die ihrerseits dazubenötigt wird, die „second messenger“ IP3 undDAG zu generieren, die die entscheidenden Schritteder T-Zellaktivierung, wie Erhöhung des intrazel-lulären Calciumspiegels und Aktivierung der Pro-teinkinase C steuern. /20, siehe auch Abb. 4)

Wie erfüllt LAT seine Funktion?In seiner zytoplasmatischen Domäne trägt

LAT insgesamt sieben Tyrosinreste, die nachBindung von Antigen/MHC an den TCR durchdie Tyrosinkinase ZAP70 phosphoryliert wer-den. Einer dieser Tyrosinreste stellt eine Bin-dungsstelle für die SH2-Domäne der Phospholi-pase C (PLC) dar (Abb. 9). Die Bindung vonPLC an LAT allein reicht jedoch für die Aktivie-rung des Enzyms nicht aus. Vielmehr muss einzweites Adapterprotein, welches den NamenSLP-76 trägt, ebenfalls an LAT gebunden wer-den, damit die Phospholipase C aktiviert werdenkann. SLP-76 geht keine direkte Bindung mitphophoryliertem LAT ein, sondern bedient sichhierzu des zytosolischen Adapterproteins Gads.Dieses Adapterprotein besteht aus einer zentra-len SH2-Domäne, welche auf beiden Seitendurch eine SH3-Domäne flankiert ist. Mit einerseiner SH3-Domänen bindet Gads an einen pro-linreichen Sequenzabschnitt im SLP-76-Molekülund geht so eine stabile Bindung mit SLP-76 ein,während es mit seiner SH2-Domäne an phos-pho-LAT rekrutiert wird und so das SLP-76-Molekül zur Zellmembran bringt. Nun kannauch SLP-76 von ZAP70 phosphoryliert werden.Diese Phosphorylierung erlaubt es einer weiterenTyrosinkinase (Itk), an das LAT/Gads/SLP-76/PLC-Signalosom zu binden. Zusammen mitZAP70 phosphoryliert Itk nun die Phospholy-pase C und aktiviert damit das Enzym. Hiernacherfolgen dann die weiter oben beschriebenenEreignisse wie hydrolytische Spaltung von PIP2(f) und Generation von IP3 (g) und DAG (k).

Zusammenfassend wird LAT also dazu benötigt,ein Signalosom zu organisieren, welches aus min-destens fünf Molekülen besteht (LAT, Gads/SLP-76, PLC und Itk) und absolut dazu benötigtwird, die Phospholipase C zu aktivieren. Da dieseEreignisse zur Erhöhung des Kalziumspiegelsinnerhalb der Zelle führen, wurde das von LATorganisierte Signalosom auch als Ca++-Initiati-onskomplex (siehe Abb. 4) bezeichnet.

Abbildung 9Das Signalosom, welches durch das transmembranöse Adapterprotein LAT organisiertwird.

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Mit der Organisiation des Ca++-Initiationskom-plexes ist jedoch die Funktion von LAT noch nichtabgeschlossen. Ein weiterer Tyrosinrest in derzytoplasmatischen Domäne des Moleküls stellteine Bindungsstelle für die SH2-Domäne des zyto-solischen Adapterproteines Grb2 dar (o). Grb2weist eine zu Gads nahezu homologe Struktur auf,wobei jedoch die Spezifität der SH2-Domäne fürdie Tyrosinreste in LAT etwas anders geartet ist, sodass sich diese zwei Moleküle bei der Bindung anLAT nicht gegenseitig behindern. Die SH3-Domäne von Grb2 bindet konstitutiv an denNukleotidaustauschfaktor SOS (Son of Sevenless),welcher einen Aktivator des G-Proteins p21ras dar-stellt (p). Ras selbst wird dazu benötigt, den T-Zellrezeptor über die Serinkinase Raf (q) an den sogenannten MAP-Kinase-Pathway (r) anzusch-ließen, der über Aktivierung des Transkriptions-faktors AP-1 (s) maßgeblich an der Induktion derInterleukin-2-Synthese beteiligt ist.

Aus all diesen Daten wird ersichtlich, dass LATeine zentrale Funktion im Rahmen der T-Zellak-tivierung spielt. Dies zeigt sich eindeutig darin,dass LAT-defiziente T-Lymphozyten nach Bin-dung von Antigenen/MHC-Komplexe zwar miteiner adäquaten initialen Aktivierung der Tyro-sinkinasen Lck und ZAP70 reagieren, jedochsämtliche Aktivierungsschritte, die diesen initia-len Ereignissen folgen, vollkommen blockiertsind.

III. WAS PASSIERT IN MAGDEBURG?Im Gegensatz zu LAT ist die Funktion der

anderen transmembranösen Adapterproteine, diezurzeit bekannt sind, bei weitem weniger aufge-klärt. Das Hauptziel der Forschung des Institutsfür Immunologie an der Medizinischen Fakultätder Otto-von-Guericke-Universität Magdeburgbesteht deshalb darin, auch die Funktion diesertransmembranösen Adapterproteine zu entschlüs-seln. Hierbei fokussiert sich die Forschung vor-nehmlich auf diejenigen transmembranösenAdapterproteine, die von Mitarbeitern des Insti-tuts für Immunologie identifiziert, gereinigt undkloniert wurden (SIT, TRIM, PAG, NTAL,pp30). Hierzu werden alle modernen Methodender Zellbiologie, der Biochemie und der Moleku-larbiologie eingesetzt, insbesondere die Herstel-lung und Charakterisierung von Mäusen, denendiese Proteine fehlen.

Im Rahmen DFG-geförderter Einzelverfahrenkonnten in den vergangenen Jahren die SIT-defi-zienten und die TRIM-defizienten Mäuse gene-riert werden. Diese werden zurzeit von Wissen-schaftlerInnen des Instituts für Immunologie aufStörungen der Immunfunktion untersucht. ErsteDaten weisen darauf hin, dass z. B. das trans-membranöse Adapterprotein SIT dazu dient, dieReifung der T-Lymphozyten im Thymus zu steu-ern. Insbesondere scheint hier ein Entwicklungs-prozess betroffen zu sein, der dazu benötigt wird,solche T-Zellen zu eliminieren, die dazu in derLage sind, Autoimmunerkrankungen auszulösen.

Diese Zellen werden als autoreaktive T-Zellenbezeichnet. Der Prozess der Elimination der auto-reaktiven Zellen im Thymus wird als negativeSelektion bezeichnet und funktioniert nach heu-tigem Wissen nur dann, wenn ein maximal star-kes Signal über den TCR in das Zellinnere gelei-tet wird, der über noch nicht vollständige Mecha-nismen den Suizid der Zellen auslöst. In derAbwesenheit von SIT scheint der TCR nicht inder Lage zu sein, dieses Todessignal zu vermitteln,so dass die autoreaktiven T-Zellen nicht elimi-niert werden können.

Auf der Basis dieser ersten Daten untersuchen dieWissenschaftler am Institut für Immunologienun, ob der Verlust von SIT mit einer erhöhtenEmpfänglichkeit der SIT-defizienten Mäusegegenüber Autoimmunerkrankungen einhergeht.Als Modellsysteme dienen ein der MultiplenSklerose ähnliches Krankheitsbild, die EAE(Experimentelle Autoimmune Enzephalomyeli-tis), sowie Modelle chronisch-entzündlicherDarmerkrankungen.

Die Regulation der T-Zellentwicklung scheintjedoch nicht die einzige Aufgabe von SIT zu sein.Vielmehr sieht es so aus, als ob das Protein aucheine Rolle bei so genannten „Homingprozessen“spielt. Unter Homing versteht man die durchBotenstoffe (Zytokine/Chemokine/Interleukine)und Adhäsionsmoleküle gesteuerte Wanderungimmunkompetenter Zellen zu ihren Zielorganen.Erste Daten in SIT-defizienten Mäusen lassen dieVermutung aufkommen, dass das Protein dazubenötigt wird bestimmte T-Zellpopulationen, die�/�T-Zellen, in die Epithelien des Darmes ein-wandern zu lassen. So reichern sich in den SIT-defizienten Mäusen die �/�T-Zellen aus derzeitnoch nicht bekannten Gründen in der Milz undden Lymphknoten an. Die Entschlüsselung derKonsequenzen dieses Defektes des T-Zellho-mings ist noch nicht bekannt und gehört zu denZielen, die sich die Wissenschaftler des Institutsfür Immunologie für die Zukunft gesteckt haben.

Erschwert wird die Arbeit an den transmem-branösen Adapterproteinen dadurch, dass inBezug auf die verschiedenen Phosphorylierungs-stellen in den zytoplasmatischen Domänen, denTRAPs, eine sehr hohe Redundanz zwischen denMolekülen herrscht. Insgesamt besitzen die bisjetzt bekannten TRAPs in ihren zytoplasmati-schen Domänen 44 potentielle Bindungsmotivefür SH2-Domänen. Eine Reihe dieser Motivewird in mehreren TRAPs in nahezu identischerAminosäuresequenz exprimiert (siehe Abb. 8).Dies bedeutet aber, dass der Verlust eines trans-membranösen Adapterproteins durch die Präsenzeines anderen TRAPs, welches ähnliche SH2-Bindungsmotive in der zytoplasmatischenDomäne aufweist, voll kompensiert werden kann.Diese Problematik soll in den nächsten Jahrendurch die Generierung von Mäusen, bei denensimultan mehrere TRAPs eliminiert wurden, ent-schlüsselt werden.

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Der immunologische Forschungsschwerpunkt inMagdeburg erhielt in den letzten Jahren erhebli-che Unterstützung durch das Bundesministe-rium für Bildung und Forschung (BMBF).Neben dem NBL-3-Förderprogramm für dieneuen Bundesländer hat das BMBF in den Jah-ren 2001-2003 erhebliche Mittel bereitgestellt,um in Sachsen-Anhalt ein interuniversitäres For-schungszentrum „Immunologie“ (FZI) an denMedizinischen Fakultäten der UniversitätenMagdeburg und Halle aufzubauen. Dieses For-schungszentrum wird vom Institut für Immuno-logie der Universität Magdeburg geleitet undkoordiniert.

Im Rahmen der Gründung des FZI wurden ander Medizinischen Fakultät der UniversitätMagdeburg insbesondere strukturelle Maßnah-men zur Verbesserung der Forschungsmöglich-keiten durchgeführt. So wurden zentraleServiceeinheiten eingerichtet. Hier ist sowohldie Serviceeinheit „Mehrdimensionale Mikro-skopie und zelluläre Diagnostik“ zu erwähnen,in der neue mikroskopische Verfahren etabliertwerden sollen, als auch die Serviceeinheit „Pro-teomics und Genomics“, in der kleinste Pro-teinmengen mit massenspektrometrischen Ver-fahren analysiert werden können. Schließlichwurden erhebliche Investitionen im Tierhal-tungsbereich vorgenommen, so dass die Medi-zinische Fakultät auch in diesem Bereich deminternationalen Standard ein Stück nähergekommen ist.

Unter anderem haben die strukturellen Verän-derungen, die im Rahmen der Gründung desFZI an der Medizinischen Fakultät der Univer-sität Magdeburg durchgeführt wurden, esermöglicht, dass Wissenschaftler der Medizini-schen Fakultät unter Leitung des Instituts fürImmunologie im November 2002 die Einrich-tung einer Forschergruppe bei der DeutschenForschungsgemeinschaft beantragt haben. Diesesoll sich mit der Thematik „Beeinflussungimmunologischer Prozesse durch membrannaheSignalmodule“ beschäftigen.

An der Forschungsinitiative sind nicht nur Wis-senschaftler der Otto-von-Guericke-UniversitätMagdeburg, sondern auch Forscher außeruniver-sitärer Institute beteiligt. So arbeiten Kollegen desLeibniz-Instituts für Neurobiologie (IFN) Mag-deburg mit Mitarbeitern des Instituts für Immu-nologie gemeinsam an der Entwicklung neuermikroskopischer Methoden, mit denen zelluläreAktivierungsprozesse besser visualisiert werdenkönnen. Das Forschungsfeld der bildgebendenVerfahren ist traditionell in Magdeburg gut eta-bliert. Im Rahmen des Forschungsvorhabens sol-len neue Methoden entwickelt werden, mit denendie Kommunikation zwischen signalübertragen-den Proteinen in vivo, also in lebenden Zellen,auf der Ebene einzelner Moleküle untersuchtwerden können. Hier geht es z. B. darum, diezeitliche und örtliche Dynamik der durch die

transmembranösen Adapterproteine organisier-ten Signalmodule durch geeignete mikrosko-pische Techniken in „real-time“ darzustellen. DieTechnik, die zur Bearbeitung dieser Thematikeingesetzt werden soll, wird als „minimal-invasiveMikroskopie“ bezeichnet. Sie zeichnet sichdadurch aus, dass sie es erlaubt, fluoreszierendeMoleküle in lebenden Zellen über einen längerenZeitraum zu studieren ohne dass z. B. phototoxi-sche Effekte auftreten, die die Lebensfähigkeit derZellen beeinflussen.

Weiterhin sind an der Forschungsinitiative Wis-senschaftler des Max-Planck-Institutes für Dyna-mik (MPI) Magdeburg komplexer technischerSysteme beteiligt. Bei dem gemeinsam vom MPIund vom Institut für Immunologie zu bearbeiten-den Forschungsprojekt geht es darum, erstmalsdie durch den T-Zellrezeptor eingeleiteten Sig-nalkaskaden mathematisch zu formulieren und insilico (also im Computer) ein Modell zu erstellen,wie diese Signalketten aufgebaut sind. Von diesenForschungsansätzen erwarten sich die Wissen-schaftler des Institutes für Immunologie und desMax-Planck-Institutes neue Einblicke in den zeit-lichen Verlauf rezeptorvermittelter Signaltrans-duktionsprozesse im Immunsystem. Insbeson-dere sollen positive oder negative Rückkoppe-lungsmechanismen, die zur Signalverstärkungoder zur Signallimitierung führen, aufgedecktund beschrieben werden. Diese systembiologischausgerichteten Ansätze könnten für die Entwick-lung neuer Pharmaka zur Beeinflussung derImmunantwort von Bedeutung sein.

Enge Kooperationen der Magdeburger For-schungsinitiative bestehen zur Universität Biele-feld, wo am Institut für Biochemie und Moleku-lare Immunologie der Chemischen Fakultät nichtdie transmembranösen Adapterproteine selbst,sondern die an die transmembranösen Adapter-proteine bindenden zytosolischen Adapterpro-teine analysiert werden. Insgesamt beteiligt sichdie Universität Bielefeld mit zwei Projekten ander Forschergruppe.

Weitere Verbindungen bestehen zur Akademieder Wissenschaften der Tschechischen Repu-blik/Prag und hier insbesondere zur Arbeits-gruppe von Dr. Václav Ho`rej`si, die seit mehrerenJahren sehr eng mit den Forschern des Institutsfür Immunologie in Magdeburg zusammenarbei-tet. In einem gemeinsam bearbeiteten For-schungsprojekt ist es den Magdeburger und Pra-ger Wissenschaftlern Ende 2002 gelungen, das zuLAT homologe transmembranöse Adapterpro-tein in B-Lymphozyten zu identifizieren und dieersten funktionellen Daten zu diesem Protein zuerheben. Wie bereits beschrieben, trägt diesesProtein den Namen NTAL (Non T-cell Activa-tion Linker). Mit der Entdeckung von NTALkonnten die Wissenschaftler die seit 1998 beste-hende Frage klären, ob die Aktivierungsmechanis-men in B-Lymphozyten denen in T-Lymphozytenähneln oder nicht. /18/ (Die Antwort ist jein.)

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Die Begutachtung der Forschergruppe durch dieDeutsche Forschungsgemeinschaft fand am 1.April 2003 auf dem Campus der MedizinischenFakultät statt und am 30. Juni 2003 wurde dieForschergruppe, die nunmehr die offizielleBezeichnung FOR521 trägt, von der DFG zurFörderung freigegeben. Sollte es gelingen, dieForschergruppe innerhalb der ersten Förderperi-ode (2003-2006) auf „solide Beine“ zu stellen, sowäre der Grundstein für die Einrichtung eineszweiten Sonderforschungsbereiches (SFB) an derMedizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gelegt. Ein solcher SFBkönnte sich perspektivisch mit Fragen beschäfti-gen, wie signalübertragende Netzwerke in gesun-den und in kranken Zellen aufgebaut sind, bzw.wie Störungen in signalübertragenden Netz-werken, wie sie bei Krebs oder Autoimmuner-krankungen auftreten, therapeutisch beeinflusstwerden können.

Da signalübertragende Netzwerke in allen Kom-partimenten des Körpers (also nicht nur imImmunsystem) von Bedeutung sind, würde einesolche Thematik es auch erlauben, die beiden an

der Medizinischen Fakultät angesiedelten For-schungsschwerpunkte (Immunologie/MolekulareMedizin der Entzündung und Neurowissenschaf-ten) besser miteinander zu vernetzen. Auch könn-ten Arbeitgruppen außerhalb der MedizinischenFakultät in eine solche Initiative mit einbezogenwerden. Hier wäre insbesondere auch an Wissen-schaftler zu denken, die sich mit systembiologi-schen Fragestellungen beschäftigen.

Es gibt also berechtigten Anlass zu hoffen, dassdie gemeinsamen Anstrengungen verschiedenerEinrichtungen/Disziplinen in Magdeburg dazubeitragen, den biomedizinischen Forschungsbe-reich in den nächsten Jahren weiter auszubauen.Solche gemeinsamen Anstrengungen sind not-wendig, um die Attraktivität des Standortes Mag-deburg, insbesondere für den wissenschaftlichenNachwuchs zu erhöhen. Darüber hinaus werdensie der Universität helfen, im nationalen undinternationalen Wettbewerb zu bestehen. Amehesten wird dies möglich sein, wenn die Wissen-schaftler den „Blick über den eigenen Tellerrand“wagen und gemeinsam an interdisziplinären undinnovativen Forschungskonzepten arbeiten.

Literaturhinweise/1/ Meuer, S.C., O. Acuto, R.E. Hussey, J.C. Hodgdon, K.A. Fitzgerald, S.F. Schlossman, and E.L. Reinherz. 1983.

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phospholipase C requires tyrosine phosphorylation. Science 247:1584-1587./6/ Mustelin, T. 1994. Src family tyrosine kinases in leucocytes. Molecular Biology Intelligence Unit, e.d. RG Landes

Company, Austin, Texas./7/ Straub, D.B., and A. Weiss. 1992. Genetic evidence for the involvement of the lck tyrosine kinase in signal trans-

duction through the T cell antigen receptor. Cell 70:585-593./8/ Molina, T.J., K. Kishihara, D.P. Siderovski, W. van Ewijk, E. Timms, A. Waheham, C.J. Paige, K.-U. Hartmann,

A. Veillette, D. Davidson, and T.W. Mak. 1992. Profound block in thymocyte development in mice lackingp56lck. Nature 357:161-164.

/9/ Wange, R.L., S.N. Malek, S. Desiderio, and L.E. Samelson. 1993. Tandem SH2 domains of ZAP-70 bind to T cellantigen receptor ζ and CD3 ε from activated Jurkat cells. J. Biol. Chem. 268:19797-19801.

/10/ Arpaia, E., M. Shahar, H. Dadi, A. Cohen, and C.M. Roifman. 1994. Defective T cell receptor signaling and CD8+

thymic selection in humans lacking Zap-70 kinase. Cell 76:947-958./11/ Iwashima, M., B.A. Irving, N.S.C. Van Oers, A.C. Chan, and A. Weiss. 1994. Sequential interactions of the TCR

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109:301-309./13/ Pawson, T., and J.D. Scott. 1997. Signaling through scaffold, anchoring, and adaptor proteins. Science 278:2075-

2080.

Postscriptum:Die DFG-Forschergruppe 521„Beeinflussung immunologi-scher Prozesse durch membran-nahe Signalmodule“, derenSprecher Prof. Dr. BurkhartSchraven ist, hat unter der URLhttp://www.med.uni-magde-burg.de/fme/institute/iim/for521/index.htm eine Homepage mitden Beschreibungen der einzel-nen Projekte und den entspre-chenden Ansprechpartnern ein-gerichtet.

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Prof. Dr. med. Burkhart Schraven,geboren 1958 in Hildesheim, 1978-1982 Externenstudium im Fach Humanmedizin an den Univer-sitäten Mainz, Bonn und Bochum, danach Studium des Faches Agrarwissenschaften an der Uni-

versität Göttingen, 1982-1986 Studium der Humanmedizin an der Universität Mainz, 1988 Promotion „Etablierungvon in vitro-Systemen zur Analyse der T- und B-Zell-Interaktion“, Facharztausbildung Transfusionsmedizin, 1997Habilitation „Molekulare Analyse des CD2 Rezeptorkomplexes in humanen T-Lymphozyten“, Venia Legendi für dasFach Immunologie, seit 1997 Projektleiter im Sonderforschungsbereich 405 Immuntoleranz und ihre Störungen, seit2001 Direktor des Instituts für Immunologie und Lehrstuhlinhaber für das Fach Immunologie an der MedizinischenFakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, 2001 Ernennung zum Sprecher und Koordinator des vomBundesministeriums für Bildung und Forschung eingerichteten Forschungszentrums „Immunologie“Magdeburg/Halle (Sachsen-Anhalt), 2002 Ernennung zum Fachimmunologen der Deutschen Gesellschaft für Immu-nologie, Mitglied des Editorial Boards der Fachzeitschriften European Journal of Immunology, Arthitis Research,Signal Transduction, Immunological Reviews.

/14/ Zhang, W., J. Sloan-Lancaster, J. Kitchen, R.P. Trible, and L.E. Samelson. 1998. LAT: The ZAP70 tyrosine kinasesubstrate that links T-cell receptor to cellular activation. Cell 92:83-92.

/15/ Bruyns, E., A. Marie-Cardine, H. Kirchgessner, K. Sagolla, A. Shevchenko, M. Mann, F. Autschbach, A. Bensussan,S. Meuer, and B. Schraven. 1998. T-cell receptor (TCR) interacting molecule (TRIM), a novel disulfide-linkeddimer associated with the TCR-CD3-zeta complex, recruits intracellular signaling proteins to the plasma mem-brane. J Exp Med 188:561-575.

/16/ Marie-Cardine, A., H. Kirchgessner, E. Bruyns, A. Shevchenko, M. Mann, F. Autschbach, S. Ratnofsky, S. Meuer,and B. Schraven. 1999. SHP2-interacting transmembrane adaptor protein (SIT), a novel disulfide-linked dimerregulating human T-cell activation. J Exp Med 189:1181-1194.

/17/ Brdicka, T., D. Pavlistova, A. Leo, E. Bruyns, V. Korinek, P. Angelisova, J. Scherer, A. Shevchenko, I. Hilgert, J.Cerny, K. Drbal, Y. Kuramitsu, B. Kornacker, V. Horejsi, and B. Schraven. 2000. Phosphoprotein associated withglycosphingolipid-enriched microdomains (PAG), a novel ubiquitously expressed transmembrane adaptor protein,binds the protein tyrosine kinase csk and is involved in regulation of T-cell activation. J Exp Med 191:1591-1604.

/18/ Brdicka, T., M. Imrich, P. Angelisova, N. Brdickova, O. Horvath, J. Spicka, I. Hilgert, P. Luskova, P. Draber, P.Novak, N. Engels, J. Wienands, L. Simeoni, J. Osterreicher, E. Aguado, M. Malissen, B. Schraven, and V. Horejsi.2002. Non-T-cell activation linker (NTAL): a transmembrane adaptor protein involved in immunoreceptor signa-ling. J Exp Med 196:1617-1626.

/19/ Zhang, W., C.L. Sommers, D.N. Burshtyn, C.C. Stebbins, J.B. DeJarnette, R.P. Trible, A. Grinberg, H.C. Tsay,H.M. Jacobs, C.M. Kessler, E.O. Long, P.E. Love, and L.E. Samelson. 1999. Essential role of LAT in T-cell deve-lopment. Immunity 10:323-332.

/20/ Finco, T.S., T. Kadlecek, W. Zhang, L.E. Samelson, and A. Weiss.1998. LAT is required for TCR-mediated activa-tion of PLCγ1 and the Ras pathway. Immunity 9:617-626.