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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdan- und Wolframhalogenide 193 Magnetochemische Untersuehungen. XX1.l) Molybdiin- und Wolframhalogenide - ein Beitrag zur Kenntnis des magnetischen Verhaltens der Verbindungen der hoheren Ubergangselemente Von WILHELM KLEMM und HANS STEINBERG Mit einer Figur im Text Wiihrend man uber das rnagnetische Verhalten der Verbindungen der Ubergangselernente in der ersten grol3en Periode recht gut unter- richtet ist, sind unsere Kenntnisse iiber das magnetische Verhalten der hoheren Ubergangselernente noch sehr luckenhaft. Beschriinkt man sich auf die erste Halfte, d. h. auf die niederen Verbindungen der Elemente Zr, Nb, Mo, Ma bzw. Hf, Ta, W, Re, so liegt bisher, wenn man von mehr vorlaufigen Untersuchungen absiehtz), folgendes vor: Von W. SCHUTH und W. KLEMM~) wurde das magnetische Ver- halten einiger Rheniumverbindungen bei verschiedenen Tempe- raturen untersucht, wiihrend B. TH. TJABBES~) den Magnetismus einer grol3eren Anzahl von Molybdan- und Wolframverbindungen bestirnmte. Die letztgenannte Untersuchung ist, namentlich was den chemischen Teil betrifft, mit sehr grol3er Sorgfalt durchgefuhrt und fur das vorliegende Problem von sehr groBer Bedeutung; leider feblt bei den magnetischen Messungen die Bestimmung der Tempe- raturabhangigkeit, so daB eine sichere Auswertung nicht moglich ist. Im Teil I der vorliegenden Abhandlung werden Messungen an den Chloriden und Bromiden des Molybdans und Wolframs beschrie- ben. Im Teil I1 ist versucht, die fur Mo-, W- und Re-Halogenide bisher bekannten Magnetismuswerte theoretisch zu deuten. Es scheint uns, daB ein solcher Versuch auf Grund des jetst vor- 1) XX, vgl. W.KLEMM u. E. HOSCHEK, Z. anorg. u. allg. Chem. 226 (1936), 359. 2) Vgl. z. B. die Angaben in der Dissertation von H. FEXDXUS (Hannover 1931) uber Molybdiin- und Wolframbromide. 3, W. SCHUTH u. W. KLEMM, z. anorg. u. &I&. Chem. 280 (1934), 193. 4, B. TH. TJABBES, Diss. Groningen 1932; Koninkl. &ad. Wetensch. - ~- Amsterdam, Proc. 35 (1932), 693. 2. anorg. u. all& Chem. Bd. 227. 13

Magnetochemische Untersuchungen. XXI. Molybdän- und Wolframhalogenide – ein Beitrag zur Kenntnis des magnetischen Verhaltens der Verbindungen der höheren Übergangselemente

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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdan- und Wolframhalogenide 193

Magnetochemische Untersuehungen. XX1.l)

Molybdiin- und Wolframhalogenide - ein Beitrag zur Kenntnis des magnetischen Verhaltens

der Verbindungen der hoheren Ubergangselemente Von WILHELM KLEMM und HANS STEINBERG

Mit einer Figur im Text

Wiihrend man uber das rnagnetische Verhalten der Verbindungen der Ubergangselernente in der ersten grol3en Periode recht gut unter- richtet ist, sind unsere Kenntnisse iiber das magnetische Verhalten der hoheren Ubergangselernente noch sehr luckenhaft. Beschriinkt man sich auf die erste Halfte, d. h. auf die niederen Verbindungen der Elemente Zr, Nb, Mo, Ma bzw. Hf, Ta, W, Re, so liegt bisher, wenn man von mehr vorlaufigen Untersuchungen absiehtz), folgendes vor: Von W. SCHUTH und W. KLEMM~) wurde das magnetische Ver- halten einiger Rheniumverbindungen bei verschiedenen Tempe- raturen untersucht, wiihrend B. TH. TJABBES~) den Magnetismus einer grol3eren Anzahl von Molybdan- und Wolframverbindungen bestirnmte. Die letztgenannte Untersuchung ist, namentlich was den chemischen Teil betrifft, mit sehr grol3er Sorgfalt durchgefuhrt und fur das vorliegende Problem von sehr groBer Bedeutung; leider feblt bei den magnetischen Messungen die Bestimmung der Tempe- raturabhangigkeit, so daB eine sichere Auswertung nicht moglich ist.

Im Teil I der vorliegenden Abhandlung werden Messungen an den Chloriden und Bromiden des Molybdans und Wolframs beschrie- ben. Im Teil I1 ist versucht, die fur Mo-, W- und Re-Halogenide bisher bekannten Magnetismuswerte theoretisch zu deuten. Es scheint uns, daB ein solcher Versuch auf Grund des jetst vor-

1) XX, vgl. W.KLEMM u. E. HOSCHEK, Z. anorg. u. allg. Chem. 226 (1936), 359.

2) Vgl. z. B. die Angaben in der Dissertation von H. FEXDXUS (Hannover 1931) uber Molybdiin- und Wolframbromide.

3, W. SCHUTH u. W. KLEMM, z. anorg. u. &I&. Chem. 280 (1934), 193. 4, B. TH. TJABBES, Diss. Groningen 1932; Koninkl. &ad. Wetensch.

- ~-

Amsterdam, Proc. 35 (1932), 693. 2. anorg. u. all& Chem. Bd. 227. 13

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liegenden Materials zum mindesten nicht als ganz aussichtslos an- zusehen ist. Hierfur envies es sich als niitzlich, auch das magne- tische Verhalten einiger Komplexverbindungen zu besprechen.

1. Die Darstellung der Praparate und die magnetischen Messungen Bei der vorliegenden Untersuchung berucksichtigte man nur die-

jenigen Verbindungen, die zur Zeit als siaher nachgewiesen gelten konnen und fur deren Reindarstellung sichere Angaben vorliegen. So wurde z. B. auf die Untersuchung von WCl, verzichtet; denn nach den Erfahrungen von W. BILTZ und C. FBNDIUS scheint es nahezu unmoglich, ein fur magnetisohe Untersuchungen hinreichend reines Praparat herzustellen. Ni c h t berucksichtigt wurden ferner die Dihalogenide. Da namlich die Messungen von TJABBES mit Sicherheit ergeben hatten, daB MoBr, diamagnetisch .ist, und da wir selbst bei dieser Untersuchung fanden, daB auch WC1, diamagne- tisch ist, konnte auch fur MoCl,, MoJ,, WBr, und WJ, diamagne- tisches Verhalten angenommen werden. SchlieBlich wurde die Untersuchung der n ie de r en Flu ori d e vorlaufig zuriickgestelltl). Somit kamen fur unsere Untersuchung nur Chloride und Bromide in Frage.

Die nicht immer ganz einfache Reindarstellung der einzelnen Praparate wurde uns sehr dadurch erleichtert, da8 die Blteren Vor- schriften der Literatur durch W. BILTZ und Mitarbeiter,) sowie durch B. TH. TJABBES,) naohgepruft und erganzt worden sind. Wir konnten die Angaben dieser Autoren durchweg bestatigen. Ehe wir jedoch Einzelheiten uber unsere eigenen Erfahrungen mitteilen, miissen wir einige Angaben uber die benutzten Analysenmethoden voraus- schicken.

A. Analytisches

Die Bestimmung von Moly b d a n und C hlo r nebeneinander macht keinerlei Schwierigkeiten. Wir uberzeugten uns durch Test- analysen von Gemischen aus MOO, und NaCl, daB man aus den ammoniakalischen Losungen in gesonderten Proben C1- als AgCl und

als PbMoO, zuverlassig bestimmen kann. Auch fur MoCl,,

I ) MOP, und WE”, sind bereits Ton P. HEXKEL u. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 222 (1935), 70 unteraucht worden.

e, Vgl. z. B. A. VOIGT u. W. BILTZ, Z. anorg. u. allg. Chem. 133 (1924), 300; W. BILTZ U. C. ~ N D I V S , Z. anorg. u. allg. Chem. 172 (1928), 386; H. FEN- DIUS, Diss. Kannover 1931.

8 ) B. TH. TJABBES, 1. c., 8. 193.

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das in NH,-Losung unter Zugabe von H,O, gelost wurde, erhielt man so befriedigende Ergebnisse.

Dagegen ergaben sich bei mehreren MoC1,-Praparaten, deren Reinheit zu bezweifeln sonst kein Grund vorlag, auch nach langerem Kochen mit NaOI-I und H,O, sowohl etwas zu niedrige Mo- als auch au niedrige C1-Werte. Offenbar bilden sich hier irgendwelche Kom- plexe, die nur sehr schwer zerstort werden. Wir erhielten hier wesentlich bessere Werte, als wir nach HILLEBRAND und LUNDELL~) das Molybdan als Sulfid abschieden und im Filtrat das Halogen bestimmten.

Da wir bei der Durchfiihrung dieserMethode z u n h h t Sohwierigkeiten hatten, sei die von uns schlieBlich als brauchbar befundene Arbeitsvorschrift kurz mit- geteilt. Die Proben wurden durch mehrstiindiges Erhitzen auf dem Wasserbade in Natronlauge und Wasserstoffsuperoxyd gelost und dann his zur Sattigung Schwefelwasserstoff eingeleitet. Die blutrote Losung wurde rnit verdiinnter Schwe- felsiiure angesauert (Lackmuspapier !) und dann 1-2 cm3 konzentrierte Schwefel- saure hinzugegeben. Nach 12stiindigem Stehen wurde durch ein Blaubandfilter filtriert und mit H,S-Wasser, das mit viel Ammonacetat versetzt war, gewaschen. Nach dem Trocknen bei l l O o trennte man Niederschlag und Filter, veraschte das Pilter vorsichtig und rostete dann die Hauptmenge des Sulfids ab. Die Be- stimmung des Chlors im Filtrat erfolgte nach dem Verkochen des Schwefel- wasserstoffs in iiblicher Weise.

Die Bestimmung von Molybdan neben Brom als PbMoO, machte beim MoBr, keine Schwierigkeiten. Dagegen fielen die Bromwerte deutlich zu hoch aus. Die Werte lieBen sich aber wesent- lich verbessern, wenn man, wie es spater fur die Bestimmung von Chlor und Brom neben Wolfram beschrieben werden wird, den ersten rnit AgN0,-Losung erhaltenen Niederschlag mit Wasserstoff redu- zierte und den gebildeten Bromwasserstoff erneut fallte. Auch beim MoBr, erhielt man sowohl nach der Bleimolybdat- wie nach der Sulfidmethode gut stimmende Molybdanwerte ; dagegen fielen die Bromwerte hier stets viel zu niedrig aus. Dieser Fall wurde nicht naher untersucht ; man begnugte sich hier rnit der Molybdiin- bestimmung.

Die Bestimmung von Chlor neben Wolf ram ist schon oft bearbeitet worden. Als Ergebnis friiherer und eigener Versuche empfehlen W. BILTZ und C. FENDIUS, nach dem Losen in Natron- lauge und Wasserstoffsuperoxyd die Hauptmenge des Wolframs durch Ansauern mit HNO, aus der Losung zu entfernen, den in Losung verbleibenden Rest an Wolframsiiure durch Zusatz von

l) HILLEBUND u. LUNDELL, Applied Inorganic Analysis, New York 1929. 13*

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Phosphorsaure komplex zu binden und jetzt erst mit AgN0,-Losung zu fallen. Es mu6 dabei tinter allen UmstLnden vermieden werden, da13 K+- oder NH,+-Ionen in die Losung kommen, da sich sonst schwer- liisliche Komplexsalze der Wolframsaure bilden, die groI3e Plusfehler verursachen. Als wir unter Beriicksichtigung dieser Angaben Test- analysen durchfuhrten, erhielten wir stets etwas zu hohe Werte; die Abweichungen betrugen etwa + 1%. Als wir in gleicher Weise B r o m neben Wol f ram zu bestimmen versuchten, waren die durch das Mitfallen von Wolframsiiure bedingten Plusfehler noch groBer und zudem schwankend (zwischen 1,2 und 2,6O/,).

Eine Beseitigung dieser Fehlerquelle erreichte man dadurch, daB man den Rohniederschlag durch Erhitzen mit Wasserstoff reduzierte und den entstehenden Chlor- bzw. Bromwasserstoff in silbernitrat- haltiges Wasser leitete und das entstandene Silberhalogenid erneut zur Wiigung brachte. Man erhielt dann Werte, die untereinander sehr gut iibereinstimmten und nur noch 0,2°[o zu hoch waren. Offenbar waren aber auch hier im Gasstrom noch geringe Mengen fluchtiger Wolframverbindungen mitgerissen worden. In der Tat ergab sich e k e weitere Erniedrigung der Werte, wenn man den HC1- bzw. HBr-haltigen Gasstrom durch phosphorsaurehaltige Silbernitrat- losung leitete; die Werte fielen dann sogar eine Kleinigkeit (0,l bis 0,2%) zu niedrig aus.

Bei den ersten Analysen von WC1, erwies es sich als lastig, da13 sich die Wolframstiure beim Zusatz von HNO, in einigen Ballen auch nach langem Stehen nicht ausschied. Man ging daher bei den weiteren Versuchen so vor, da13 man nicht in NaOH-H,O,-Losung aufloste, sondern die Substanz durch mehrstiindiges Kochen mit Wasser auf dem Wasserbade hydrolysierte. Dabei schied sich d i p Wolframsiiure manchmal gelb, manchmal blau gefarbt ab. Ein nachtraglicher Zusatz von verdiinnter Salpetersaure anderte die blaue Farbe nicht, erwies sich aber als sehr niitzlich fur die Filtration der Wolframsaure, die d a m LuDerst schnell vonstatten ging.

Wol f r am wurde durch Eindampfen der mit NH, und H,Oz er- haltenen Losung und Vergluhen des Ruckstandes als WO, bestimmt. Dabei erhielt man beim WCl, und WC1, neben gut stimmenden Werten gelegentlich etwas zu hohe Resullate; infolgedessen haben wir bei diesen Praparaten dem Halogenwert grofieres Gewicht bei- gemessen.

6. Die Darstellung der PrHparate

Die fur die Messung benutzten Praparate wurden durchweg in geschlossenen Apparaturen hergestellt, an die bei luftempfindlichen Priiparaten das MeBrohrchen fur die magnetische Messung sowie

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kleine Kugeln zur Entnahme von Analpenproben direkt ange- schmolzen waren, in die die Praparate einsublimiert bzw. in ge- schlossener Apparatur umgeschuttet wurden, urn so jede Zersetzung durch Luftfeuchtigkeit zu vermeiden. War aus irgendeineni Grunde ein Umfullen eines Praparates notwendig, so wurde dies in geeigneten Apparaturen unter reinem, trockenern Stickstoff durchgefuhrt.

1 . Chloride. Die Darstellung von Wol f ramhexach lo r id aus Metal1 und Chlor machte keine Schwierigkeiten ; eine geringe Menge von rotem Oxychlorid lieB sich aus dem Reaktionsprodukt durch fraktionierte Destillation leicht entfernen. Die Verteilung des Pro- duktes auf die einzelnen GefiiBe wird dadurch erleichtert, da3 die frisch destillierten Anteile beim Erkalten unter lebhaftem Knistern in ein ziemlich feines Pulver zerfallen. Gefunden: 46,2, 46,2% W (ber. 46,4%) und 53,6, 53,9% C1 (ber. 53,6O/,-,).

Bei der Darstellung von W o l f r a m p e n t a c h l o r i d durch Duroh- leiten eines Gemisches von WCI,-Dampf und Wasserstoff durch ein 400O warmes Rohr erhielten W. BILTZ und C. FENDIUS ein Priiparat, das noch etwa 4°/0 WCl, enthielt. Wir hielten daher das Rohr auf etwas hoherer Temperatur (410425O). Hierbei scheint die Reakt,ion schon etwas zu weit gegangen zu sein, denn unsere Praparate, die durch vorsichtiges Abfacheln im N2- Strome von etwas Oxychlorid befreit waren, enthielten 48,9 bzw. 48,7O/, C1, wahrend die Theorie fur WCl, 49,1°/, erfordert. Die Wolframwerte waren 51,O bzw. 51,4% (Theorie 50,’Jo/,), jedoch halten wir diese nach S. 196 hier fur weniger zuverl2issig.

Zur Darstellung von Wol f ramdich lo r id ging man von dem metallisch glanzenden Beschlag Bus, der sich bei der eben beschrie- benen Reduktion des WCl, zum WCl, im Zersetzungsrohr abgesetzt hatte; er enthielt im Mittel 34,2% C1 und entsprach damit etwa der Zusammensetzung WCl, . Dieses Praparat wurde gepulvert, in ein Porzellanschiffchen gefullt und nach den Angaben von W. BILTE und C. FENDIUS im Verbrennungsofen schwa c h erhitztl), wiihrend reiner Stickstoff durch die Apparatur geleitet wurde. Bei der Reaktion entwickelten sich groBe Mengen leicht fluchtiger Zersetzungsprodukte, die sich durch Abfacheln leicht entfernen lieBen. Das Erhitzen wurde fortgesetzt, bis sich auch bei geringer Temperatursteigerung kein neues Sublirnat mehr bildete. Das Priiparat sah gleichmaBig grau aus und enthielt 27,9°/0 C1 (ber. 27,s).

schlieDlich fast uberhaupt kein Chlor mehr. l) Erhitzt man zu hoch, etwa auf Rotglut, so enthalt der Riickatand

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Molybdanpentachlor id lieB sich durch Einwirkung von C1,- Gas auf das Metall leicht in reiner Form gewinnen, wenn man durch vorheriges uberleiten von HC1-Gas uber das erhitzte Metall dafur sorgte, da13 etwaige Oxydreste als Oxychlorid entfernt wurdenl). Gef. 65,0, 65,2% C1 (ber. 64,9°/0) und 34,9, %,go/, Mo (ber. 35,1°/0).

Es ist zwar leicht, durch Reduktion von MoC1, Priiparate von M o 1 y b d a n t r i c h lo r id euerhalten, derenzusammensetzung der Formel MoCI, entspricht. TJABBES hat jedoch festgestellt, daB solche Prapa- rate fiir magnetische Zwecke noch nicht hinreichend rein sind. Vor allem storen Reste an MoCI,, weil dieses relativ stark magnetisch ist. Da MoCI, selbst gegen kochende Salzsiiurelosung bestiindig ist , kochte man nach dem Vorgange von TJaBBEs die Praparate mit eisen- freier konzentrierter Salzslure solange aus, bis sich der Magnetismus nicht mehr anderte.

Ober die Schwierigkeiten bei der Analyse von MoCl, ist schon S. 195 berichtet worden. Leidlich der Theorie entsprechende Werte fur Molybdan (gef. 47,2, 48,0%; ber. 47,4O/,) erhielt man durch Fallung als Sulfid und Abrosten zu MOO,. Die aus den Filtraten der Sulfidfallung erhaltenen Chlorwerte waren deutlich eu niedrig (51,5, 51,4O/,; ber. 52,6O/,). Nach Lijsen der Priiparate in NH, und H,O, baw. NaOH und H,O, erhielt man Chlorwerte, die zwischen 51,8 und 52,3% lagen. Es hat demnach den Anschein, als ob unsere Prliparate etwas MoC1, (ber. 42,5O/, Cl) enthalten hatten. Das magne- t'ische Verhalten durfte dadurch aber nicht wesentlich beeinfluBt werden, da MoC1, nur schwach paramagnetisch ist und MoC1, ebenso wie MoBr, praktiseh unmagnetisch sein durfte.

Sehr bedauerlich ist es, daS die Reindarstellung von Molyb- diin te t rachlor id zur Zeit noch unuberwindliche Schwierigkeiten eu bieten scheint ; denn gerade &r vierwertige Halogenverbindungen des Molybdans und Wolframs ware eine Erweiterung unserer Kennt- nisse uber das magnetische Verhalt,en dringend erwunseht.

Auf Gmnd der Literaturangaben ist bezuglich der Reindarstellung von MoCI, folgendes zu sagen: Die thermische Zersetzung von MoC1, gemiiB 2MoC1, = MoCl, -+ MoCL liefert nach FERDIUS nur sehr geringe Ausbeuten; aderdem er- hielt TJABBES auf diese Weise ein Priiparat, dessen Chlorgehalt zu gering war. Auch die Umsetzung von MOO, mit CCl, im Bombenrohr2) fiihrt nach TJABBBS zu unbefriedigenden Ergebnissen. TJABSES erhielt zum Teil Priiparate mit ver- haltnism&Sig hoher Suszeptibilitiit (maximal xs = + 7,4.10-6), zum Teil jedoch auch solche mit einem Magnetismus, der vie1 kleiner war und zwischen dem

l) Vgl. L. P. LIECHTI u. B. KEMPE, Lieb. Ann. 169 (1873), 345. a) Vgl. A. MICHAEL u. A. MURPHY, Am. Chem. Journ. 44 (1910), 365.

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von MoCI, nnd &10C18 lag. Der Autor glaubt aus verschiedenen Griinden schlieSen zu miissen, daB im letzteren Falle Gemische von MoCl, und MoCI, vorlagen. Die prinzipielle Schwierigkeit kann man nach den Ergebnissen von TJABBES dahin aussprechen, daB zu kurze Einwirkung des CCl, auf das MOO, bei relativ niedrigen Temperaturen (- 250O) zu unvollstiindiger Umsetzung fiihrt, zu langes Erhitzen und zu hohe Temperaturen dagegen zu einem Zerfall des primiir gebildeten MoCI, in MoCl, und MoCI,.

Uber unsere eigenen Erfahrungen ist folgendes mitzuteilen. Da uns die von TJABBES angegebene Versuchstechnii fur die Isolierung des Prkparates &us dem Reaktionsgemisch aus der Bombe bei der starken Veuchtigkeitsempfindlich- keit der Praparate nicht ausreichend erschien, haben wir aelbst zwei Versuehe durchgefiihrt, bei denen nach dem Absprengen der Spitze des Bombenrohres das Abdestillieren von COCI, und CCl, und das Umfiillen des Prkparates in die Me& und AnalysengefiiSe in der in Eig. 1 beschriebenen Apparatur (Ntiheres vgl. S. 200) unter jedem AusschluB von Luft und Feuchtigkeit erfolgte. Beide Male wurde MOO, mit einem sehr groBen UberschuB von CCl, 12 Stunden auf 250" erhitzt. Die erhdtenen Priiparate waren zwar prachtvoll kristallisiert und machten einen einheitlichen Eindruck, aber ihre Zusammensctzung entsprach nicht genau der Formel MoC4. Man fand beide Male etwa 38,4% Mo und 61,2O/, C1, wahrend die Theorie fur MoC1, 59,6OjO C1, fur MoC1, 64,9O/, C1 ver- langt. Danach liige etwa MoCI,,, vor. Das magnetische Verhalten ergibt sich aus der folgenden Zusammenstellung.

xg gefunden fur

- 183' + 1,s +- 11,2 A 16,2 MoCI, MoC14.3 MoCl,

- 78" + 0,6 + 434 + 597 + 200 f 0,5 + 2,s + 3,s Unsere Praparate entsprechen also nach ihrem magnetischen Verhalten

denjenigen von TJABBES mit niedrigem Magnetismus, die er als Gemische (bzw. feste Losungen) von MoC1, und MoCl, ansieht. Leider lie13 sich durch DEBYE- Aufnahmen eine sichere Entscheidung fur oder gegen diese Auffassung nicht erbringen, da die Diagramme von MoC1, und MoC& einander sehr iihnlich sind. Die fur unsere MoCl,,,-Prkparate erhaltenen Diagramme sprechen aber nicht gegen die Ansicht von TJABBES.

Nach den Erfahrungen von TJABBES und unseren eigenen schien es uns wenig erfolgversprechend, meitere Versuche zur Darstellung von MoCI, durch- zufiihren.

2. Bromide . Fiir Wolf ramhexabromid liegt bereits eine vorliiufige Messung von H. FENDIUS vor, die zeigte, daB WBr, der Erwartung entsprechend praktisch unmagnetisch ist. Auf eine er- neute Untersuchung konnte daher verzichtet werden.

Die Darstellung von W o l f r a m p e n t a b r o m i d erfolgte im wesentlichen nach der von H. FENDIUS in seiner Dissertation ge- gebenen Vorschrift . Nach einigen Vorversuchen erhielt man schlieB- lioh durch Einwirkung eines N,-Br,-Stromes auf das auf 650-700° erhitzte Metal1 zwei Priiparate I und 11, die sich dadurch unter-

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schieden, daB I zum SchluB im Vakuum der Olpumpe: I1 dagcgen im bromfreien Stickstoffstrome destilliert war. Die Analysenergeb- nisse sind:

Gefunden: I a Ib I1

Berechnet:

Darnach war Praparat I nicht ganz einheitlich und enthielt Anteile (vgl. Ia), die etwas zu wenig Brom und entsprechend zu vie1 Wolfram enthielten, wiihrend Priiparat I1 befriedigte.

Molybdan t r ib romid ist durch Erhitzen von Metall im Br,- N,-Strome leicht in verfilzten Nadeln zu erhalten. Wir stellten zwei Priiparate her. Bei beiden entsprach der Molybdilngehalt der Theorie. nber den Bromgehalt des ersten Praparates konnen wir

sichere Aussagen nicht machen, da wir darnals die Analysentechnik noch nicht geniigend beherrschten ; vermutlich war er um 0,5-1°/0 zu niedrig. Beim Praparat I1 wurden gemaB S. 195 die mit etwas Xolyb- dansaure verunreinigten AgBr- Niederschlage mit H, reduziert und der entstandene Bromwasser- stoff erneut als AgBr gef5illt. Man erhielt 71,0,71,5°/, Br (ber. 71,4O/,).

Die Darstellung von Molyb- d iin t e t r a bromid erfolgte nach H. FENDIUS durch Gstiindige Um- setzung von MoBr, mit uber- schussigem Brom im evakuierten und zugeschmolzenen Bombenrohr

bei etwa 400O. Nach dem Abkuhlen sprengte man die Spitze ab und brachte das Bombenrohr in das Rohr A der in Fig. 1 dargestellten Apparatur. Nach dem Evakuieren kuhlte man bei B mit flussiger Luft, bis das bei A verbleibende Priiparat pulvrig war. Dann wurde bei C und D abgeschmolzen, das Priiparat nach E geschuttet, bei F abgeschmolzen und das Praparat auf die einzelnen GefaBe des ,,Kammrohres" E verteilt. Nachdem bei P getrockneter Stickstoff eingelassen war, wurden die einzelnen GefiiBe abgeschmolzen.

Bei der Analyse machte die Bestimmung des Broms, wie S. 195 erwiihnt, SO groBe Schwierigkeiten, dal3 man auf sie verzichtete.

Fig. 1

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Molybdanbestimmungen ergaben fur 2 Proben des Praparates I 22,5 bzw. 23,7O/,, fur I1 24,5O/,, wBhrend die Theorie 23,1°/, ver- langt. Die Werte sind also hochstens als leidlich zu bezeichnen. Das Praparat I scheint nicht ganz einheitlich, ist aber wohl etwas besser als Praparat 11. Da sich aber magnetisch kein wesentlicher Unterschied zeigte, wurden weitere Praparate nicht hergestellt.

C. Die magnetischen Messungen Die Messungen der Suszeptibilitat wurden bei Zimmertempe-

ratur, - 78O und - 183" bei maximalen Feldstarken von 2100 und 3700 Oersted durchgefuhrt. Wir haben in der Regel eine ganze Reihe von Praparaken einer bestimmten Verbindung untersucht, be- gnugen uns aber damit, die bei den jeweils letzten beiden Praparat,en gefundenen Werte anzugeben, bei denen wir die Erfahrungen der Vorversuche bereits ausnutzen konnten.

Tabelle 1 Gemessene Suszeptibilitiiten x,! pro Gramm lo6

1Im folgenden

wcI, i :: 1 - 0,18 - 0,21

-183 - 0,20 WCI, + 1981

WCl, f 20 - 0,lO - 0,11 ! 11;; 1 - 0,05

MoCl, + 20 + 3,82) + 5,921 I 11;; 1 +16,021

MoBr, 1 + 20 + 1,50 - 78 1 + 1,23 1 -183 -t- 0,302)

Priiparat 11 1 Literaturwerte I

S. BEREMAN u. H. ZOOHER, Z. phys. Chem. 124 (1926), 318. 2, Etwas feldstiirkenabhiingig , auf die Feldstiirke Unendlich extrapoliert. 3) B. TR. TJABBES, Dissertation Groningen 1932. 4, H. FENDIUS, Dissertation Hannover 1931.

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Das Ergebnis d e r Messungen zeigt Tabelle 1, in denen unsere Werte zusammengestellt und mit Literaturangaben ver- glichen sind. Wir haben dabei die Werte von FENDIUS etwas um- gerechnet, da der von ihm benutzte Wert fur die Beaugssubstanz (Quecksilber) etwas zu hoch sein durfte; diese Korrektur ist jedoch nicht von prineipieller Bedeutung.

Bemerkungen sind nur bei folgenden Stoffen erforderlich: Bei WC1, stimmt unserer Wert recht gut mit dem von BERKMAN und ZOCHER erhaltenen uberein; ebenso ist beim MoCI, die nber- einstimmung unseres Wertes mit dem von TJABBES ausgezeiehnet. Beim MoC1, dagegen konnten wir zwar die Angaben von TJABBES bestatigen, daB der Suszeptibilitatswert der MoCl,-Priiparate durch langdauerndes Auskochen mit konzentrierter Salesiiure erniedrigt wird; jedoch gelang es uns trotz vieler Muhe nieht, Praparate mit einem so niedrigen Xg-Wert zu erhalteri, wie es TJABBES angibt. Der Unterschied ist jedoch fur die spateren Betrachtungen belanglos.

Beim MoBr, fanden wir an den ersten in der Tabelle nicht aufgefuhrten unreineren Praparaten merkwurdigerweise etwas niedrigere Werte als bei den angefuhrten letzten beiden, die mit besonderer Sorgfalt hergestellt waren. Die Ubereinstimmung mit F E N D r u s ist beim WBr, und MoBr, eben noch ausreichend. Da- gegen sind beim MoBr, unsere Ergebnisse mit den von FENDIUS erhaltenen unvereinbar. MTir haben aber keinen Grund, an der Rich- tigkeit unseres Wertes zu zweifeln, zumal sich die Messungen als gut reproduzierbar erwiesen.

Die zur Berechnung der niagnetischen Momente erforderlichen Diamagne t i s mu s kor r e k t u r en gind zwar fur die Halogenionen hinreichend genau bekannt, fur die Molybdan- und Wolframionen mufiten sie geschatzt werden. Wir benutaten dazu folgende Werte :

6 + 5 + 4i- 3 + 2 + Mo 11 w 22

14 25

17 28

_ _ - _ Tabelle 2 enthiilt die nach der Formel pet*. = 2,84 .I/xyol * T be-

rechneten effektiven Momente in BoHR’schen Magnetonen. In die Tabelle sind auBer den hier beschriebenen Messungen die von P. HENKEL an Hexafluoridenl), die von W. SCHUTH~) an Rhenium- halogeniden sowie einige andere Literaturwerte aufgenommen. -

1) P. HENKEL u. W. KLEMM, Z. anorg. u. allg. Chem. 222 (1935), 71. 2, W. SCHUTH u. W. KLEMN, Z. anorg. u. allg. Chem. 220 (1934), 193.

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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdiin- und Wolframhalogenide 203

Tabelle 2

ven Ions

0,24

1,36

MoBq I} 2 1 1,OZ ReCl, 1,18 MoC1, 0,53 MoBr, 1) I 0,39

MOCI, -

ReBr,

195O

- - -

035

0,25 1,63 1,11 1,04 1,45

1,17 1,53 0,58 0,94

0,29

-

-

- - I

berechnet

In. HUND (gekoppel.

2930 te Bahn- u. Spin-

momente)

0,35

0.30

BosE fiir Atombindung

spm- einfache ,doppelte mo- b? a) I b)

Molekulargrofie I

0 I 0

1,73 1 1,73

I _____ 2,83 1 0

337 i,73

I

4y90 1 O

0

8-

0

0

0

II. Versuch einer Auswertung der Ergebnisse A. Vorbemerkungen

1. Allgemeine ube r s i ch t . In der Tabelle 2 sind jeweils solche Verbindungen zusammengefaBt, deren Kationen die gleiche Aul3enelektronenkonfiguration besitzen. Eine Aussicht, aus dieseri Werten allgemein e l t i ge Werte fur die Momente der einzelnen Ionen in Halogenverbindungen abzuleiten, besteht nur, wenn zwei Voraussetzungen zumindest angeniihert gelten:

a) Es mu13 das CURIE’sChe Gesetz erfiillt seh, d. h. die peff,- Werte miissen unabhhgig von der Temperatur sein.

b) Innerhalb der einzelnen Gruppen von Verbindungen mit Kationen gleicher Valenzelektronenzahl miissen die Werte fur alIe Verbindungen einigema13en gleich sein.

Aus der Tabelle ergibt sich, daB beide Vorausseteungen zwar nicht streng erfiillt sind, aber doch in grol3en Ziigen. Einielne Falle wie MoBr, und ReCl,, bei denen pen. sehr stark temperaturabhkngig ist, sind als Ausnahmen anzusehen; sonst ist das CURIE’SChe Gesetz

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204 Zeitsohrift fur anorganisehe und allgemeine Chemie. Band 227. 1936

bei den Stoffen, die uberhaupt ein nennenswertes Moment besitzen, recht gut erfullt. Auch die Ubereinstimmung innerhalb der ein- zehen Gruppen mit gleicher Valenzelektronenzahl ist in groBen Ziigen als befriedigend anzusehen. Zwar sind die Momente durchweg klein; es lassen sich aber deutlich 2 Gruppen unterscheiden: Bei den Ionen mit 0, 3 und 4 AuBenelektronen des Kations sind die Momente nur unwesentlich von Null versohieden, wahrend sie bei den Verbindungen mit 1 und 2 AuBenelektronen Werte von mehr als 1 Magneton besitzen. Es wird im folgenden zu besprechen sein, wie weit dieses Verhalten theoretisch gedeutet werden kann.

2. Theore t i s che Berechnungen d e r Ionenmomente . Be- rechnungen der Momente einzelner Ionen auf Grund der Lehre vom Atombau sind zuerst von F. HUND bei den Ionen der seltenen Erden durchgefuhrt worden. HUND benutzte das RUSSELL-SAuxDERs'sChe Koppelungsschema. Nach diesem stehen die Bahnmomente der ver- sohiedenen Elektronen eines Atoms in starker Rechselwirkung mit- einander, so daB sie bestimmte Stellungen zueinander einnehmen. Die Vektorsumme aus den einzelnen Bahnmomenten gibt dann ein Gesamtbahnmoment L. Ebenso richten sich die Spinmomente zu einem Gesamtspinmoment S aus. Schliel3lich richten sich auch diese beiden Momente (L und S) gegeneinander aus, so daB ein Gesamt- moment J entsteht, das das magnetische Verhalten des Ions in einem auBeren Magnetfelde bestimmt. Auf Grund einiger Regeln konnte HUND dann aus allen moglichen Zustlinden die magnetisoh stabilsten ,,Grundzustande" auswahlen und deren J-Werte mgeben. Bei den seltenen Erden entsprechen diese den gefundenen Momenten sehr weitgehend.

Bei den Ionen der Mangan iden versagt jedoch das HuND'sche Schema, und zwar aus folgenden Griinden. Die HuND'schen Be- rechnungen gelten streng nur fur i so l i e r t e I o n e n be im abso - l u t e n Nu l lpunk t . Fur I o n e n in V e r b i n d u n g e n sind nun aber folgende Einflusse von Bedeutung :

a) Die Koppelung zwischen den S- und L-Momenten ist bei den Ionen der Manganiden sehr vie1 schwacher, als bei den Ionen der seltenen Erden. Infolgedessen wird die Koppelung durch die Tempe- raturstoBe und das zur Messung benutzte Magnetfeld aufgehoben und die S- und L-Vektoren stellen sich selbstgndig in das 5uBere Feld ein.

b) Dazu kommt, daB es bei den Manganiden die iiul3eren Elektronen sind, die den Magnetismus bedingen. Infolgedessen

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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdiin- und Wolframhalogenide 205

werden die durch die Gitternachbarn bedingten Felder von grol3er Bedeutung. Sind diese verhaltnism8Big klein, so fuhren sie dazu, daB die L-Vektoren sich im Gitter in das Gitterfeld einstellen; die Bahnmomente treten daher gegenuber einem aul3eren Felde nicht mehr in Erscheinungl).

Die genannten Einfliisse wirken sich bei den Ionen in waBrigen Losungen und den Halogeniden bei nicht zu aiedrigen Temperaturen meist so aus, dal3 nach auBen im wesentlichen nur die Spinmomente in Erscheinung treten, worauf zuerst BOSE hingewiesen hat.

Bei den Ionen der hohe ren Ubergangse lemen te ist die Konfiguration der den Magnetismus bedingenden AuBenelektronen die gleiche wie bei den entsprechenden Ionen der Manganiden. Jedoch liegen hier dieVerhdtnisse in doppelter Beziehung etwas anders :

a) Da die Koppelung zwischen L und S bei sonst gleichen Um- standen mit der Kernladung wachst, ist sie bei den Ionen der hoheren Dbergangselemente stiirker als bei den Ionen der Manganiden.

b) Die IonengroBe steigt c. p. in den Vertikalen des periodischen Systems mit dem Atomgewicht. Danach werden die Krafte zwischen den positiven Ionen und den negativen Nachbarionen bei den hoheren Obergangselementen geringer sein als bei den Manganiden.

Beide Faktoren sollten dazu fuhren, daB bei den hoheren Uber- gangselementen die tatsiichlich gemessenen Momente den HUND- schen Berechnungen fur isolierte Ionen bei T = Oo besser entsprechen als bei den Manganiden. Diese Vermutung ist von F. HUND schon vor zehn Jahren2) ausgesprochen worden.

B. Das Verhalten der 2- und 3wertigen Halogenide

1. Damit man an Hand der Tabelle 2 eine Priifung dieser theo- retischen Erwartung an der Erfahrung durchkhren kann, miissen zwei Voraussetzungen erfullt sein :

a) Die Werte des Hmm'schen Schemas mussen sich von denen des Bos~-Schernas~) stark unterscheiden.

b) Die Gitterfelder mussen mogliohst klein sein, damit die An- nahme, daB Ionenbindung vorliegt, auch wirklich sinnvoll erscheint.

1) 1st der EinfluB der Gitternachbarn pokier, so werden auch die Spin- momente beeinflult ; es konnen dann Atombindungen auftreten bzw. Ubergange in den metallischen Zustand erfolgen.

e) Vgl. F. HUND, 2. Physik 33 (1926), 855. 3) Auf die Spelte ,,Atombindungen" werden wir erst S. 206 und 212 zuriick-

kommen.

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206 Zeitsohrift fur anorganisohe und allgemeine Chemie. Band 227. 1936

Beide Forderungen sind erfiillt bei den positiven Ionen mit 3 und 4 AuBenelektronen, deren Ladung nur 3 + baw. 2 + betragt. Wir wollen uns daher in diesem Abschnitt auf diese Ionen beschranken und die ubrigen Verbindungen erst an spaterer Stelle besprechen (vgl. unter D). Vergleicht man bei den Verbindungen, deren Ionen 3 und 4 AuBenelektronen enthalten, die gefundenen Werte mit den theoretischen Berechnungen, so ergibt sich eine recht gute Uberein- stimmung mit dem HuND’schen Schema und ein volliges Versagen des nur die Spinmomente berucksichtigenden BosE-Sohemas. Hier- nach wurde man folgern, daB die genannten Iocen in Halogen- verbindungen sich in einem Zustand befinden, der dem der gas- formigen Ionen beim absoluten Nullpunkt ahnlioh ist.

2. Freilich lessen sich gegen diesen SchluB eine Reihe von Be- denken BuBern. Die wichtigsten durften die folgenden sein:

a) Die zahlenmaBige Ubereinst immung zwischen Rechnung und Theorie ist hier langst nicht so gut wie bei den Ionen der seltenen Erden. Dieser Umstand ist jedoch nicht verwunderlich ; denn einmal sind die Momente sehr klein, zum anderen werden die Einfliisse, die die Abweichungen der Verbindungen der Manganiden von dem Hum’schen Schema bedingen, auch hier nicht ganz ohne Be- deutung sein.

b) &r die Dihalogenide des Molybdans wird in der Literatur meist Polymerisat ion zur trimeren Form (Mo2C16 usw.) ange- nommen. Falls diese Annahme richtig ist, konnte der hier gefundene geringe Magnetismus auch auf Atombindungen zwischen den Kat- ionen zuriickzufiihren sein. Hierzu ist einmal au sagen, daB diese Formeln nur aus chemischen Umsetzungen abgeleitet und fur die Halogenide selbst noch nicht bewiesen sind. Dam kommt, daB auch WCl,, ReC1, und ReBr,, bei denen Anzeichen fur die Bildung von groBeren Molekulaggregaten nicht vorliegen, ebenfalls diamagnetisch sind. SchlieBlich ist darauf hinzuweisen, daB auch die im niichsten Abschnitt zu besprechenden Komplexverbindungen Rb[Re111Cl,l und [R~III(NH,),]C~, , bei denen doch wohl sicher keine Re-Re-Bindungen vorhanden sindl), ebenfalls praktisch unmagnetisch sind.

c) Die Annahme, daB Atombindungen awischen den Kat- ionen und Anionen bei den von uns bisher betrachteten Verbin- dungen eine wesentliche Rolle spielen, scheint zwar nicht sehr wahrscheinlich, ist aber doch nicht ohne weiteres von der Hand zu

l) Nach privater Mitteilung von Herrn BRINTZINCER ergaben Dialysen- versuche fur die Gruppe [ReGI,]- einfache MolekulargrODe.

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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdan- und Wolframhalogenide 207

weisen. Man muB daher auch diese Annahme in Betracht ziehen. Eine groBe Schwierigkeit liegt darin, daB man die Magnetismuswerte fur diesen Fall nicht rnit volliger Sicherheit voraussagen kann. Nimmt man an, daf3 beim Vorliegen von Atombindungen bei gerader Gesamtelektronenzahl stets Diamagnetismus, bei ungerader dagegen ein Moment yon 1,73 Magnetonen (entsprechend dem Spinmoment eines Elektrons) zu erwarten ist, so erhalt man die Werte der beiden letzten Spslten der Tabelle 2. Es ergibt sich, daB bei den Ionen mit 4 AuBenelektronen die Annahme von Atombindungen mit den Ver- suchsergebnissen ebenfa,lls gut iibereinstimmt. Bei den Verbindungen mit 3 AuBenelektronen dagegen gibt die Annahme, daB MoX,-Mole- kiile mit Atombindungen vorliegen, keine gute Ubereinstimmung rnit der Erfahrung. Auch die Annahme, daB Mo,X,-Molekule mit Atom- bindungen zwischen Mo und X und auch zwischen Mo und Mo vorliegen , befriedigt nicht. Dagegen besteht gegen die Annahme von Atombindungen magnetisch dann kein Widerspruch, wenn man annimmt, daB ein rnit der Temperatur veranderliches Gleichgewicht Mo,X, t’ 2MoX3 vorliegt, das sich mit steigender Temperatur zu- gunsten der monomolekularen Form verschiebt.

3. Als Ergebnis dieser ffberlegungen haben wir demnech folgendes festzustellen. Es ist zwar nach dem magnetischen Ver- halten als wahrscheinlich zu bezeichnen, daB die Ionen der hoheren nbergangselemente rnit 3 und 4 Valenzelektronen sich magnetisch im wesentlichen so verhalten, wie es fur gasformige Ionen beim absoluten Nullpunkt zu erwarten ist (d. h. nach dem HUND- schen Schema). Dies ist jedoch noch nicht als bewiesen anzu- sehen, da auch die Annahme von Atombindungen nicht zu Wider- spriichen rnit der Erfahrung fuhrt. Es wird die Aufgabe dcr Kapitel C und D sein, auf Grund weiteren Materials eine Ent- scheidung dieser Frage zu versuchen.

C. Kornplexverbindungen

Die Vermutung, daB fur die besprochenen Ionen der hoheren Ubergangselemente mit 3 und 4 AuBenelektronen das Hum’sche Schema gilt, wurde wesentlich gestutzt werden, wenn gezeigt werden konnte, daB bei systematischer dnderung der elektrostatischen Kriifte und damit der gegenseitigen Einwirkung dnderungen des magnetischen Verhaltens auftreten, die dieser Annahme entsprechen.

Die bisher besprochenen Halogenverbindungen stellen diejenigen Verbindungen dar, bei denen die Wechselwirkungen zwischen Kat-

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208 Zeitachrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 227. 1936

ionen und Anionen besonders klein sind. GroBere Kriifte liegen sicher bei den hohe rwer t igen Halogeniden vor. Hier ist jedoch das magnetische Verhalten, wie sich spater zeigen wird, nicht immer einfach zu deuten. Auch die Chalkogenide konnten als Ver- bindungen mit sehr groBen Gitterkraften wertvolle Aufschliisse ver- mitteln. Hier reichen die vorliegenden Messungsergebnisse fur eine zusammenfassende ubersicht noch nicht Bus. Dagegen liegt bei den K o m ple xve r b in d u n g en schon jetzt ein recht reichhaltigesMateria1 vor, das niihere Aufschliisse vermitteln kann.

Die in Frage kommenden Komplexverbindungen sind in Ta- belle 3 zusammengestellt. Die Werte sind im wesentlichen der Dissertation von B. TH. TJABBES entnommen. Einige Verbindungen (6-8 und 11) sind im Danziger Institut von W. SCHUTH, die Ver- bindungen 1, 2 und 16 ebenfalls in Danzig von G. FRISCHMUTH ge- messen. Tabelle 3

Komplexverbindungen

Effektives Moment ,ueff.

- - -

2,61 2,55 2,55 -_

r = o ___ - 30C

0,41 0,64 3,70- 3,88 3,70 3,22 3,33 3,21 0,47 2,20 0,48 0 0 0 0 0 3 1,68 1,715 1,80 1,78 1,72 1,77 1,65 1,52 1,50 0,19 0,08 0,20

__ ~

__

~-

__

berec nach BOSE __ __

} 4,9

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W. Klemm u. H. Steinberg. Molybdan- urid Wolfrainhalogcriide 209

1. Theore t i s che Vorbemerkungen . Wir legen uriseren Be- trachtungen folgende TJberlegungen zugrunde :

a) Im allgcmeinen wird in Komplexverbindungen die F e s t ig- k e i t d e r B ind un g iririerhalb des Komplexrs g r ii Be r seiri aIs bei einfachen Verbindungen.

b) Sie wird mit steigender L a d u n g und fallender GroBe des positiven Ions wachsen.

b) Sie mird mit steigender P o l a r i s i e r b a r k e i t des negativen Ions n-achsen.

Das Verhalten der K o m p l e x v e r b i n d u n g e n d e r E i sen - g r u p p e zeigt, daB bei diesen in groBen Zugen folgendes Schema gilt:

a) Be1 verhaltnism8Big kleiner Wechselwirkung zwischen Zentral- atom und Liganden finden wir den dem BosE-Schema (nur Spin- mornen t e) en t sprechenden Nagnet ismus.

b) Bei groBcr nrcchselwirkung treteri innerhalb des Kornplexes Atombindungen auf, die bei gerader Elektronenxahl oft zu dern Moment Null fuhren.

Bei den Komplexve rb indunge i i der h o h e r e n u b e r g a n g s - e l emen te wird dieses Schema nach den Uberlegungen des Kapitels B zu erweitern sein, a eil hier nach unseren Grundannahrnen bei ge- ringen KrBften auch noch der dem HuND’scheii Schema entsprechende Magnetismus auftreten kann. Wir kommen daniit zu folgenden Voraussagen :

a) Bei geringen Kriiften im Komplex werden sich die Ver- bindungen so verhalten, als oh sie aus Ionen aufgebaut sind, deren Zustand in magnetischer Bexiehung sich vori derri freier Ioncn beim absoluten Nullpuiikt riiclit wesentlich unterscheidet. Wir werden daher Momente zu erwarten haben, die dem H u ~ ~ ’ s c h e n Schema ent sprechen.

b) Kird die Ladnng des Zeritralions groBer und fallt sein Radius, so ~ i r d die Rindung zwischen ihin und den Liganden fester werden. Dies wird dazu fuhren, daB - ahnlich wie es in der Eisengruppe der Normalfall ist - die Bahnmomente unterdruckt werden; infolge- dessen m-rrden Rich in1 niagrietischen Verlialten nur noch die Spin- momente bernerlibar machen (BosE-Schema).

c) Wircl schliefilich die Eiiiwirkung drr Zentralpartikel auf die Iiganden besonders stark, so wtwlen wir zur htombiridung kommen, die Rich durch weit ere starke Anderungen des Magiietismus BuBern wird und h i grradrr Elektroiierua2il zurn Diamagnetismus fuhren

2. anorg. 11. allg. Chem. Bd. 227. 14

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210 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 227. 1936

kann. Solche Atombindungen werden bevorzugt auftret'en, wenn die Anionen stark polarisierbar sind.

2. Verg le ich m i t d e r E r fah rung . Wir besprechen diejenigen Verbindungen der Tabelle 3, die besonders charakteristisch sind. Fur die anderen gilt ceteris paribus das entsprechende.

a) Rb[Re1W4] (11)) enthalt nur ein 3-wertiges, relativ groBes Ion. Die Krafte werden also nicht sehr groB sein und Re3+ ~7ird sich als Ion in der Verbindung vorfinden. Dem ent'spricht, da13 die Ver- hindung den Magnetismus des Re3+ zeigt. Die nach dern magne- tischen Verhalten ebenfalls mogliche Annahme, daS Atombindungen vorliegen, ist unwahrscheinlich mit Riicksicht auf die geringen elcktrosta tischen Krafte und das Verl~alt~en der irn folgenden be- sprochenen Verbindungen. Vollig analog ist der Diamagnetismus von [ReIII(fJH3),]C13 (2) zu verstehen.

Bhnliehes durfte schlieBlieh auch fur K3[WI1I2CIS] (9) gelten, wenn auch hier das Moment fur W3+ etwas klein ist. [0,47 statt theoretisoh 0,772)].

b) K,[Mol"Cl,] (3) besitzt zwar aueh ein 3-wertiges Ion ; dieses durfte aber kleiner sein als Re3*. Infolgedessen ist hier eine starkere Bindung zrvischen Mo und C1 a,nxunehmen. Zudern ist die Koppelung zwisclien dern L- und dern X-Moment als schwacher anzunehmen als beim Re3+. Es ist daher verst'andlich, daB die Ba,hnmoniente unterdruckt werden wie bei den Ionen der Eisengruppe und da,B nur der Magnetismus der Spinmomente gefunden wird.

Beim K2[Re~vCl,] (6) ist die Ladung des Zentralatoms zwar um 1 gewachsen, dafur durfte aber das Ion etw-as gro13er sein als &lo3+. Wir finden daher ganz ahnliche Kraftverhaltriisse %vie im K3[MoW&] ; der Magnetismus ist zumindest bei hohen Tempcraturen dieser Ver- bindung ahnlich. Bei tieferen Temperaturen sind die Werte jedoch lileiner, was moglicherweise so zu deut'en ist, daB dann bereits Atom- bindungen eine RolIe spielen (vgl. nnter c).

K,[WIv(OH)Cl,] (10) sollte in seinen Kraftverhaltnissen dem K2[fteIvC16] ahnlich sein. Magnetjsch scheint es sich ahnlich zu verhalten, wenn auch aus der eincn bei Zimmerteniperatur vorliegenden Messimg keine allzu sicheren Schlusse gezogen werden durfen. Das Verhlltnis pgrf./pber. ist bei Zimmer- temperatur fur K,[R.eIvCI,] 0,83; fur K,[W(OH)CI,] ist dieser Quotient 0,77, also sehr ahnlich.

c) Im K,[RevOCl,] (11) ist das Re-Ion 5-wertig. Die elektro- stat,ischen Krafte werden groI3 sein und man wird mit der MGgIich-

') Die Nummern beziehen sich auf die Reihcnfolge der Tabelle 3. 2, Hier kiinnten vielleicht, T;V-W-Bindungen vorliegen.

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W. Klemm 11. H. Steinberg. MolybdLn- und Wolframhalogenide 211

keit von Atombindungen zwischen Zentralatom und Liganden rechnen miissen. DaB solche vorhanden sind, zeigt der l)iamagnet,is- rnus, der nur niit der Annahme von Atombindungen erklart werden kann. dhnliches diirfte fur [ R ~ v ( N H ~ ) ~ ] C ~ ~ gelten.

Im K4[Mo1.(CN),] (13) und den Verbindungen 12, 14 und 15 der Tabelle 3 sclilieBlich liegen zwar nur 4-wertige Ionen vor, aber die CN.--1onen sind sehr stark polarisierbar und neigen bekanntlich sehr zur Bildung von Atombindungen. Wir finden daher auch bei den genannten Verbindungen Diamagnetismus, d. 11. Atombindungen.

Die erwiihriten Komplexverbindungen zeigen also, soweit wir es aus dem magnet'ischen Verhalten beurteilen konnen, gerade die- jenige Abstufung der Bindungsart mit den Kraften, die wir er- wartset hatten. Eine derartige Fulle von Moglichkeit8en ist sonst an keiner Stelle der Komplexchemie bekannt. Sie macht das magnetische Studiumgerade dieser Komplexverbindungen besonders reizvoll.

Freilich muB betont werdcn, da13 die von uns geeogerien Schlusse in einigen Fallen nicht ganz eindeutig sind. So lionnten z. B. bei den Verbindungen 1 und 2 auch Atombindungen vorlicgen. Periier ist darauf hinzuweisen, daB die von uns eugrixride gelegte Annahme, da13 bei gerader Elektronenzahl bei At,ombindungen immer Dia- magnetisrnns vorliegen sollte, etwas au scheniatisch und vielleicht nicht in allen Pallen zulassig ist. Aber die Gesamtheit der Er- scheinungen eiitspricht unserem Rild so gut', daB wir dieses fur zu- treffend halten. Wir sehen daher i n d e m Ver l ia l ten d e r K o m - p lexve rb indnngen e ine s t a r k e S t u t z e f u r d ie i n B aus - gesprochene V e r m u t u n g , da13 f u r d i e n i ed r ig ge l adeuen I o n e n i n d e n Ha logen iden d a s H u m ' s c h e Schema zu - t r e f f e n d i s t .

I n unscre Betrachtungen haben wir bisher die Verbindungen 17-28 nicht eingezogen. Tabelle 3 zeigt, daS hier jede Berechnungsart nahezu zu dem gleichcn Moment fuhrt. Hier ist daher auf Grund des magnetischen Verhaltens allein eine Entscheidung iiber die Bindungsart nicht moglich. Die vorhergehenden tfber- legungen sprechen aber sehr stark dafiir, daS hier durchweg Atombindungen vorliegen. Nicht in unser Schema passen die Verbindungen 26--~28. Es ist zu vermuten, daR hier zweikernige Komplexe mit IVIo-Mo-Bindungen vorlicgcn, wie es in Tabelle 3 schon zum Ausdruck gebracht ist.

D. Der Bindungscharakter bei den hoherwertigen einfachen Halogeniden

Nachdem die Betrachtungen uber KornpIexverbindungen all- genieine GesetzrnBBigkeit'en uber den Zusammenhang zwischen Bindnngsa,rt und Magnetismus bei den Verbindungen der hoheren

14*

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ubergangselemente vermitt,elt haben, erscheint eine Deutung des magnetischen Verhaltens mch der hoherwertigeri einfachen Halo- genide, die in B noch riicht besprochen wurden, moglich.

a) Wir beginnen an Hand der Tabelle 2, S. 203 mit den g e - s a t t i g t e n Verb indungen sowie MoC1, und ReOC1,. Hier durften sicher Molekiilgi t t e r vorliegen, bei denen in Anbetracht der hohen Ladung des Zentralioris innerlialb der Einzelmolekiile A t o nib i 11 - d u n g en zwischen den Met'all- und Nichtmetallpart~ikeln anzunehmen sind. Magnetisch la& sich hier uber die Bindungsart, niohts Be- stimmtes aussagen, (la alle theoretisolien Annahmen praktisch zu dem gleichen Ergebilis fuhren.

Auffallig sind die niedrigen Momente von WCl, und WBr,. Man konnte geneigt sein anzunehmen, daB hier im Citter zum Teil Doppelmolekule mit W-W- Atombindungen vorliegm. Merkwurdig ist nur, daB die Momente sich nicht merklich mit der Temperatur veriindcrn; denn die mit steigender Temperatur vermutlich zunehmende Aufspaltung diamagnetischer W,X,,- in paramagnetische WX,-Molelriile sollte zu riner Erhohung des effektiven Moments mit steigender Temperatur fiihrcn. Einc Aufklkrung ist hier erst von wcitcren Untersuchungen, insbesondere der Bestimrnung dcr Gittcrstruktur, zu erwarten.

b) Beim RcCl, ist das effektive Moment so stark temperatur- abhangig, daB hier wohl sicher auf ein t e m p e r a t u r a b h a n g i g e s Gleichgewicht8 zu schlieBen ist. Trielleicht kann man annehmen, da.W bei t'iefen Temperaturen diamagnet'ische Re,Cl,,,-Molekiile vor- liegen, die bei hoherrn Teriiperaturen in RmeC1,-Molekiile mit Ionen- bindung iibergehen, fur die aber noch nicht das HUND'sChe, sondern das Born-Schema gilt. EES konnten aber auch bei allen Tempe- rat8ixren einfache Molekule vorliegeii, bei denen die Bindung niit st'eigender Temperatur allmahlich von der Atom- zur Ionenbindurig iibergcht. Auch hier sind weitere Aufschliisse vielleicht vori der Bestirrimung der Kristallstruktiir ZII erwarten. Beirri MoBr, durften die Verhiiltmisse Lhnlich liegen wie beim BeC1,. Piir MoC1, lassen sich aus dem eineri angengherten Wert- irgendwelche Schlusse nicht ab- leiten.

c) Fur die Verbindungen rr i i t 3 uncl 4 AuBenelektroneri schlieBlich ist bereits dargelegt, da13 hier vermutlich I o n e n v e r b i n - dungen vorliegen, fur die des H u n - ~ ' s c h e Schema gilt, d. 11. bei derieri sich (lie Ionen in eiiiem Zustand befinden, der dem der gas- formigen Ionen beim absoluteri h'ullpunkt ahnlich ist. Fur den auf- falligcn Gang der effektiven Momente mit, der Temperatur bei NoBr3 konnen wir allerdirigs noch keine Erklarung geben.

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Aus dem Vorstc)henden ergibt sich, daB das ganze Verhalten der einfachen Halogenide schnerer zu deuten ist, als das der Kom- plexverbindungen. F s durfte dies im wesentlichen daran liegen, daB man bei den einfachen Halogeniden in vielen Fallen niit derri Auf- treten von Metall-Metallbindungen zu rechnen hat, die bei den Komplexverbindungen weniger in Erscheinung treten, w d die Einzel- komplexe nach auBen starker ahgeschlossen sind. - Unsere Be- trachtungen uber die einfachen Halogenide lassen sich folgender- maBen zusammenfassen . Eine s ichere Erklariing nber den Aufbau dieser T’erbintlungen laBt sich auF: dem magnetischen Ver- halten zur Zeit noch n i c h t ableiten. Wohl aber konnten einige Gesichtspunkte entwickelt werden, die sich bei cler weiteren Durch- forschung dieses Gebietes als nutzlich erweisen durften.

Die vorliegende Untersuchung wurde unterstiitzt durch die Ge- sellschaft der Freunde der Technischen Hochschule Danzig und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, wofur wir auch an dieser Stelle danken inochten.

Zusammenfassung

1. Es wurden die analptischen Methoden zur Restimmung von Chlor und Brom nebeii Molybdan und Wolfram nachgepruft.

2. Die Chloride und Bromide von Xolybdan und Wolfram wurdeii dargestellt nnd ihr magnetisches Verhalten bei verschiedenen Temperaturen untersucht.

3. Es wird versucht, das magnetische Verhalten der unter- suchten Halogenide sowie der bisher untersuchten Komplexverbin- dungen zu deuten. Die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen sich auf Grund der Vorstellung verstehen, da13 sich bei geringen Krafte- wirkungen die Ionen magnetisch so vcrhalten, als ob freie Ionen vorlagen. Bei gr66eren Kraftwirkungen werden, ahnlich wie es bei den Verbindungen der Manganiden die Regel ist, die Bahnmomente unterdruckt. Bei sehr starker gegenseitiger Einwirkung schliefilich treten Atombindungen auf.

DanitrBg-Langfuhr, Technische Hocl~schule, Institut fur an- organische Chenzie.

Bei der R,edaktion eingegangen am 4. Marz 1936.