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Pathologe 2014 · 35:5–6 DOI 10.1007/s00292-013-1836-4 Online publiziert: 7. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 H.H. Kreipe Institut für Pathologie, Medizinische Hochschule Hannover Mammapathologie 2014 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Mammakarzinom ist in den letz- ten Jahren zu einem Schrittmacher unter- schiedlicher Weiterentwicklungen in der Onkologie geworden und hat dabei viel- fach Modellcharakter angenommen. Zu nennen sind hier die zertifizierten Organ- krebszentren der Deutschen Krebsgesell- schaft, die Schaffung und regelmäßige Fortschreibung interdisziplinärer Leitli- nien, das flächendeckende Screening zur Früherkennung und in unserem Fach die erstmalige Etablierung regelmäßiger externer Qualitätskontrollen bei der Be- stimmung von Biomarkern durch Ring- versuche. Beispielhaft zeigt sich am Mam- makarzinom auch, wie aus Biomarkern ein neues Klassifikationsprinzip entsteht, das wegen seiner auf therapeutische Kon- sequenzen ausgerichteten Pragmatik die traditionelle histomorphologische Klas- sifikation (Typing, Grading und Staging) überlagert, erweitert und in Teilen sogar verdrängt. Intrinsische Subtypen des Mammakarzinoms Ausgehend von molekularen Genexpres- sionsprofilen und übertragen in die all- tagstaugliche Immunhistochemie haben sich neue klinisch-pathologische Kate- gorien herausgebildet, die als intrinsi- sche Subtypen des Mammakarzinoms bezeichnet werden. Dabei werden ein triplenegativer („basaler“), die hormonre- zeptorpositiven Luminal-A- und Luminal- B-Typen sowie der HER2-Typ unterschie- den (. Tab. 1). Mit jedem dieser Typen verbindet sich eine andere Form der ad- juvanten Therapie. Endokrine Therapien kommen nur für die luminalen Typen in Betracht. Chemotherapie allein ist beim triplenegativen Karzinom indiziert. Der Luminal-B- und der HER2-Typ (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) erfordern eine Kombination aus Che- motherapie und endokriner bzw. gegen HER2 gerichteter Therapie. Tripleposi- tive Karzinome werden unterschiedlich, entweder als HER2- oder als Luminal- B-Typ klassifiziert. Hormonrezeptoren und HER2 stellen prädiktive Marker dar, mit denen sich die Ansprechwahrschein- lichkeit gegenüber einer Therapie vor- hersagen lässt. Für die Chemotherapie ist Vergleichbares bis heute nicht mög- lich, hier erfolgt die Indikationsstellung über prognostische Marker. Die Klassifi- kation in intrinsische Subtypen beruht so- mit nicht auf einer biologischen Ableitung aus potenziellen Vorläuferzellen, sondern auf einer rein auf die therapeutische Konse- quenz ausgerichteten pragmatischen Kom- bination prädiktiver und prognostischer Biomarker. Gleichzeitig verlieren die tra- ditionellen pathologischen Kategorien, die zur Beantwortung dieser Frage her- angezogen werden können (Tumorgröße, axillärer lymphonodulärer Ausbreitungs- status), an Bedeutung. Bei bis zu drei be- fallenen axillären Lymphknoten kann unter Umständen auf eine Chemothera- pie verzichtet und eine alleinige endokri- ne Therapie durchgeführt werden. Die traditionellen pathologischen, prognostischen und prädiktiven Eigen- schaften können die exakte Zuordnung zu einem der intrinsischen Typen nicht in jedem Fall gewährleisten, wobei ins- besondere die Abgrenzung Luminal A von Luminal B ein Problem darstellt. We- gen der überragenden tumorbiologi- schen Bedeutung der Proliferation beim Mammakarzinom wird der immunhis- tochemische Proliferationsmarker Ki-67 hierfür genutzt, dessen prognostische Bedeutung seit langem bekannt ist. Neuere Studien zeigen auch eine prädiktive Potenz in Hinblick auf die Art der Chemothera- pie, allerdings ist die Methodik der Ki-67- Bestimmung begrenzt standardisiert. Die immunhistochemische Zuordnung zu intrinsischen Kategorien erfordert eine reproduzierbare Methodik und einheit- liche definierte Positivitäts- und Negati- vitätskriterien, weswegen der Qualitäts- sicherung und dem Proliferationsmarker Ki-67 zwei gesonderte Beiträge von S. Liessem und M. Christgen in diesem Schwerpunktheft gewidmet sind. Eine weitere Präzisierung der Zu- ordnung versprechen Genexpressions- profile. Auch wenn prospektive Studien Tab. 1Übersicht der immunhistochemisch bestimmten Phänotypen des Mammakarzinoms Luminal A Luminal B HER2-negativ Luminal B HER2-positiv HER2-Typ Triplenegativer  Typ ER-positiv ER-positiv ER-positiv ER-negativ ER-negativ PR-positiv (≥ 20%) PR-positiv/ne- gativ PR-positiv/  negativ PR-negativ PR-negativ HER2-negativ HER2-negativ HER2-positiv HER2-positiv HER2-negativ Ki-67<20% Ki-67 ≥ 20% - - - G1, G2 G2, G3 G2, G3 G2, G3 G1, G2, G3 ER Östrogenrezeptor, PR Progesteronrezeptor, HER2 Human Epidermal Growth Factor Receptor 2. Einführung zum Thema 5 Der Pathologe 1 · 2014|

Mammapathologie 2014; Breast pathology 2014;

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Page 1: Mammapathologie 2014; Breast pathology 2014;

Pathologe 2014 · 35:5–6DOI 10.1007/s00292-013-1836-4Online publiziert: 7. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

H.H. KreipeInstitut für Pathologie, Medizinische Hochschule Hannover

Mammapathologie 2014

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Mammakarzinom ist in den letz-ten Jahren zu einem Schrittmacher unter-schiedlicher Weiterentwicklungen in der Onkologie geworden und hat dabei viel-fach Modellcharakter angenommen. Zu nennen sind hier die zertifizierten Organ-krebszentren der Deutschen Krebsgesell-schaft, die Schaffung und regelmäßige Fortschreibung interdisziplinärer Leitli-nien, das flächendeckende Screening zur Früherkennung und in unserem Fach die erstmalige Etablierung regelmäßiger externer Qualitätskontrollen bei der Be-stimmung von Biomarkern durch Ring-versuche. Beispielhaft zeigt sich am Mam-makarzinom auch, wie aus Biomarkern ein neues Klassifikationsprinzip entsteht, das wegen seiner auf therapeutische Kon-sequenzen ausgerichteten Pragmatik die traditionelle histomorphologische Klas-sifikation (Typing, Grading und Staging) überlagert, erweitert und in Teilen sogar verdrängt.

Intrinsische Subtypen des Mammakarzinoms

Ausgehend von molekularen Genexpres-sionsprofilen und übertragen in die all-tagstaugliche Immunhistochemie haben sich neue klinisch-pathologische Kate-gorien herausgebildet, die als intrinsi-sche Subtypen des Mammakarzinoms bezeichnet werden. Dabei werden ein triplenegativer („basaler“), die hormonre-zeptorpositiven Luminal-A- und Luminal-B-Typen sowie der HER2-Typ unterschie-den (. Tab. 1). Mit jedem dieser Typen verbindet sich eine andere Form der ad-juvanten Therapie. Endokrine Therapien kommen nur für die luminalen Typen in Betracht. Chemotherapie allein ist beim

triplenegativen Karzinom indiziert. Der Luminal-B- und der HER2-Typ (Human Epidermal Growth Factor Receptor 2) erfordern eine Kombination aus Che-motherapie und endokriner bzw. gegen HER2 gerichteter Therapie. Tripleposi-tive Karzinome werden unterschiedlich, entweder als HER2- oder als Luminal- B-Typ klassifiziert. Hormonrezeptoren und HER2 stellen prädiktive Marker dar, mit denen sich die Ansprechwahrschein-lichkeit gegenüber einer Therapie vor-hersagen lässt. Für die Chemotherapie ist Vergleichbares bis heute nicht mög-lich, hier erfolgt die Indikationsstellung über prognostische Marker. Die Klassifi-kation in intrinsische Subtypen beruht so-mit nicht auf einer biologischen Ableitung aus potenziellen Vorläuferzellen, sondern auf einer rein auf die therapeutische Konse-quenz ausgerichteten pragmatischen Kom-bination prädiktiver und prognostischer Biomarker. Gleichzeitig verlieren die tra-ditionellen pathologischen Kategorien, die zur Beantwortung dieser Frage her-angezogen werden können (Tumorgröße, axillärer lymphonodulärer Ausbreitungs-status), an Bedeutung. Bei bis zu drei be-fallenen axillären Lymphknoten kann unter Umständen auf eine Chemothera-

pie verzichtet und eine alleinige endokri-ne Therapie durchgeführt werden.

Die traditionellen pathologischen, prognostischen und prädiktiven Eigen-schaften können die exakte Zuordnung zu einem der intrinsischen Typen nicht in jedem Fall gewährleisten, wobei ins-besondere die Abgrenzung Luminal A von Luminal B ein Problem darstellt. We-gen der überragenden tumorbiologi-schen Bedeutung der Proliferation beim Mammakarzinom wird der immunhis-tochemische Proliferationsmarker Ki-67 hierfür genutzt, dessen prognostische Bedeutung seit langem bekannt ist. Neuere Studien zeigen auch eine prädiktive Potenz in Hinblick auf die Art der Chemothera-pie, allerdings ist die Methodik der Ki-67-Bestimmung begrenzt standardisiert. Die immunhistochemische Zuordnung zu intrinsischen Kategorien erfordert eine reproduzierbare Methodik und einheit-liche definierte Positivitäts- und Negati-vitätskriterien, weswegen der Qualitäts-sicherung und dem Proliferationsmarker Ki-67 zwei gesonderte Beiträge von S. Liessem und M. Christgen in diesem Schwerpunktheft gewidmet sind.

Eine weitere Präzisierung der Zu-ordnung versprechen Genexpressions-profile. Auch wenn prospektive Studien

Tab. 1  Übersicht der immunhistochemisch bestimmten Phänotypen des Mammakarzinoms

Luminal A Luminal BHER2-negativ

Luminal BHER2-positiv

HER2-Typ Triplenegativer Typ

ER-positiv ER-positiv ER-positiv ER-negativ ER-negativ

PR-positiv (≥ 20%) PR-positiv/ne-gativ

PR-positiv/ negativ

PR-negativ PR-negativ

HER2-negativ HER2-negativ HER2-positiv HER2-positiv HER2-negativ

Ki-67<20% Ki-67 ≥ 20% - - -

G1, G2 G2, G3 G2, G3 G2, G3 G1, G2, G3ER Östrogenrezeptor, PR Progesteronrezeptor, HER2 Human Epidermal Growth Factor Receptor 2.

Einführung zum Thema

5Der Pathologe 1 · 2014  | 

Page 2: Mammapathologie 2014; Breast pathology 2014;

noch fehlen, zeigen retrospektive Stu-dien ein unabhängiges prognostisches Potenzial bei hormonrezeptorpositiven Mammakarzinomen. Der „Recurrence Score®“ stellt (zumindest in der retro-spektiven Analyse) erstmals einen prä-diktiven Marker bei hormonrezeptorpo-sitiven Patientinnen dar, der den poten-ziellen Nutzen einer Chemotherapie vorhersagen kann. Trotz ihres Potenzials sind die Genexpressionsbestimmungen noch nicht in die Leitlinienempfehlungen als reguläre diagnostische Maßnahme ein-gegangen. Das hängt damit zusammen, dass noch keine prospektiven Studien vor-liegen und die vorhandenen Daten sich auf retrospektive Analysen von Gewe-bematerial stützen, das zum Teil aus der Vor-HER2-Ära stammt oder bei dessen zumeist inkompletter Rekrutierung von 20–40% aus einer Studie ein Selektionsef-fekt nicht auszuschließen ist.

Anders als beim Kolon- oder Bron-chialkarzinom können die mittlerwei-le vorliegenden Komplettsequenzierun-gen von Mammakarzinomen und die dabei aufgedeckte Mutationen noch nicht mit gezielten Therapieoptionen in Verbin-dung gebracht werden. So bleibt die mo-lekular stratifizierte gezielte Therapie, die mit dem werbewirksamen Schlagwort „personalisierte“ Medizin belegt wur-de, beim Mammakarzinom noch auf die traditionellen durch Immunhistochemie und In-situ-Hybridisierung ermittelten Biomarker beschränkt.

Bei allem Fortschritt bleibt die his-tologische Klassifikation unverzichtba-re Grundlage. Die WHO-Klassifikation (World Health Organization) der Mam-makarzinome 2012 unterscheidet 37 ver-schiedene Typen invasiver Karzinome und hat in ihrer aktuellen Modifikation eine Reihe von Änderungen eingeführt, die im Beitrag von A. Lebeau übersicht-lich zusammengestellt werden. Wie wich-tig die histologische Klassifizierung bleibt, zeigen das G1-Karzinom mit apokrinen Eigenschaften und die niedriggradigen metaplastischen Karzinome. Diese wür-den als intrinsische Typen unter die che-motherapiepflichtigen, triplenegativen Karzinome fallen, was jedoch ihrer blan-den Biologie widerspricht.

Den Besonderheiten des lobulären Karzinoms widmet sich der Beitrag von

P. Sinn et al. Ein sehr seltener Subtyp wird in einer Kasuistik aus Erlangen vorgestellt. Bei den nichtinvasiven Vorstufen und dif-ferenzialdiagnostisch abzugrenzenden be-nignen Läsionen haben Biomarker noch keine weitreichende Bedeutung erlangt, und entscheidend bleibt hier weiterhin die klassische Morphologie, wie in zwei weiteren Beiträgen von P. Sinn und von F. Länger ausgeführt.

Mammapathologie 2014 bedeutet, wie in den Jahrzehnten zuvor, traditionelle Histologie mit bewährten und neuen tu-morbiologischen Konzepten zu verbin-den, um dem Erfordernis einer dem indi-viduellen Risiko adaptierten Therapie des Mammakarzinoms immer besser gerecht zu werden.

IhrProf. Dr. H.H. Kreipe

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. H.H. KreipeInstitut für Pathologie,  Medizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Str.1, 30625 [email protected]

Einhaltung ethischer RichtlinienInteressenkonflikt  H.H. Kreipe gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.   Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

6 |  Der Pathologe 1 · 2014

Ausbruchsmanagement: Lessons to learn

Durch unsere beschleunigte und weltweit 

vernetzte Lebensweise erschließen wir 

pathogenen Bakterien und Viren globale 

und kurze Verbreitungswege. Vor dem 

Hintergrund immer häufigerer Epidemien 

mit einer gesteigerten Ausbruchsdynamik 

arbeitet die Ausgabe 1/2013 der Zeitschrift 

Bundesgesundheitsblatt die H1N1-Influ-

enza-Epidemie des Jahres 2009 und den 

Ausbruch von Erkrankungen am hämato-

lytisch-urämischen Syndrom aus dem 

Jahr 2011 als paradigmatische Ereignisse 

auf und resümiert, wie wir unser Land im 

Hinblick auf zukünftige Ausbrüche besser 

vorbereiten können.

Das Themenheft „Aus-

bruchsmanagement: Les-

sons to learn“ behandelt in 

16 Beiträgen u.a. folgende 

Schwerpunkte:

F Evolution und Infektionsbiologie der mit 

dem hämolytisch-urämischen Syndrom 

assoziierten E. coli und neuer Influenza-

A-Viren

F Mikrobiologische und virologische Diag-

nostik bei Ausbruchsgeschehen

F Konzepte, Wirksamkeit und Perspekti-

ven pandemischer und nichtpandemi-

scher Influenzaimpfungen

F Versorgung und Behandlung von EHEC/

HUS-Patienten

F Risikokommunikation des Bundes-

instituts für Risikobewertung 

F Die Rolle der Massenmedien

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