Manadiebe Kapite 01

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  • 7/31/2019 Manadiebe Kapite 01

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    Kapitel 01

    Geschirrsplen war wirklich keine seiner Lieblingsaufgaben. Vor allem nicht, wenn die Holzschalenmit getrocknetem Haferschleim verklebt waren wie mit einem grauen Panzer. Wenn dann auch nochzwei kleine zankende Mdchen im Wohnraum herum schossen und sich gegenseitig an den Haarenzogen, sich balgten und abwechselnd in spitzes Quietschen und schrilles Gekicher ausbrachen war

    seine Motivation kurz ber dem absoluten Nullpunkt.Lea! Anna! rief Njaal seinen beiden kleinen Schwestern. Etwas leiser bitte!Warum? Fragte Lea, die ltere von 8 Jahren. Du machst doch nur den Abwasch.

    Nur den Abwasch! Haferschleimkrusten sind kein zu unterschtzender Gegner!

    Ich kann aber dabei trotzdem kein ohrenbetubendes Gekreische gebrauchen. Warummacht ihr nicht etwas, was leise ist?

    Weil leise spielen keinen Spa macht antwortete Lea. Genau. Leise spielen ist doof.Pflichtete Anna ihrer groen Schwester bei und hpfte auf dem Schlaflager, auf welchem sie sichgerade kreischend gewlzt hatten, trotzig auf und ab . Sie war 6 Jahre alt und, wenn Lea nicht so einaufgewecktes Mdchen gewesen wre, dann sicher ein kleiner Goldschatz, da war sich Njaal sicher.Aber mit so einer groen Schwester war es vorbestimmt, wie sich Anna entwickeln wrde.

    Wenn ihr nicht lieb zu eurem groen Bruder seid, dann mache ich euch nachher keinMittagessen, und ihr knnt sehen wie ihr etwas zu Essen bekommt! Drohte Njaal seinen beidenkleinen Schwestern halb im Scherz halb im Ernst. Er selbst war 13 Jahre alt, mittelgro fr seinAlter, blond, blauugig und es war unverkennbar, dass seine Mutter aus Schweden kam. Genausowie bei seinen Schwestern. Whrend sie jedoch sicher von ihrem nordischen optischen profitierenwrden war es fr ihn eher eine Last, da er wegen diesen Mdchenfarben verlacht wurde.

    Lea schaute ihn schelmisch an: Dann schimpfen dich Mama und Papa wieder. Das machstdu mit Sicherheit nicht. Wie immer hatten seine Drohungen keinerlei Wirkung auf Lea. Annahingegen war vor Schreck zuerst ganz klein geworden, doch als sie sah, dass sich ihre Schwesternicht einschchtern lie, hatte auch sie sich trotzig aufgereckt und versucht den Anschein einesfurchtlosen Adlers zu vermitteln. Das Ergebnis erinnerte eher an einen Spatz mitPersnlichkeitskomplexen.

    Seufzend wandte sich Njaal wieder dem Abwasch und seinem eigentlichen Gegner zu.Haferschleim, dachte er finster. Er schmeckt scheulich, macht nicht Satt und ist unglaublichstrrisch beim Putzen. Er schien die persnliche Absicht zu haben dem Leidvollen Geschirrwscherdas Leben mglichst schwer zu machen.

    Na gut. Lenkte Njaal ein aber seid bitte etwas leiser.Okee. Dann machst du uns aber heute Mittag auch etwas Ses zum Nachtisch. Versuchte

    seine kleine groe Schwester wieder zu handeln.Ich schaue was sich machen lsst antwortete Njaal schmunzelnd.Seine Schwestern widmeten sich wieder ihrem Spiel auf den noch nicht weggerumten

    Schlafmatten und sie verhielten sich wirklich leiser als zuvor. Ungefhr eine Minute. Dann nahmdie Lautstrke langsam aber kontinuierlich wieder zu, bis sie wieder beim alten Ausgangswertangelangt war. Njaal schnaubte belustigt verrgert auf, sagte aber nichts mehr. Es waren immerhinnoch Kinder.

    Whrend er mit einer borstigen Brste seinem Todfeind an den Leib ging berlegte er sich,wie er die Bitte von Lea erfllen sollte. Es ging ihnen in letzter Zeit nicht besonders gut. Vor 3Jahren hatte ihr Unglck angefangen. Es hatte damit begonnen, dass er mit 10 Jahren von seinemVater das erste mal mit hinaus genommen wurde auf das Meer teil zwischen der Isle of Wight unddem Festland von Grobritannien. Sein Vater war Fischer und hatte immerhin ein eigenes Boot mit2 Mann Besatzung, wodurch er einen gewissen Reichtum besa. Sein Matrose war jedoch damalsgerade frisch in das Militr verkauft worden, weil ihm seine Schulden ber den Kopf gewachsen

    waren. Dessen Platz auf dem Fischerboot sollte Njaal einnehmen. Bis dahin hatte er vor allem anLand geholfen. Fische ausnehmen, sie zu ihrem Verkaufsort bringen oder sie zusammen mit seinerMutter weiterverarbeiten. Er war so stolz gewesen als er mit auf das Boot durfte.

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    Doch es war anders gekommen als er es sich vorgestellt hatte.Wtend und den Schmerz noch nicht vergessen attackierte er den Schleim in der nchsten

    Schssel, whrend die 2 anderen noch nicht bearbeiteten Schalen im Wasserkbelherumschwammen und auf den Wellen tanzten, die von seinen Hnden dirigiert wurden.

    An diesem einen Tag waren im schmalen Meerstreifen zwischen Insel und Festland fastkeine Fische zu finden gewesen. Und deswegen hatte sich sein Vater entschlossen weiter zu fahren,

    in Richtung offenes Meer. Er zeigte seinem Sohn unterdessen die verschiedenen Arbeiten undHandgriffe auf dem Boot, doch es Zeigte sich schnell, dass Njaal keine Begabung fr eine dieserAufgaben mitbrachte. Das Enttuschte Gesicht seines Vaters hatte Njaal auch jetzt noch im Kopfund es brannte in seinem Herzen, als dem Vater klar geworden war, dass sein Sohn, sein eigenesFleisch und Blut sein Gewerbe wahrscheinlich nicht weiterfhren wrde.

    Njaal sprte wie ihm Trnen in die Augen traten und ein paar fielen wie verirrteRegentropfen in den Geschirreimer. So wie damals

    Die ersten Boten waren die Regentropfen. Sein Vater war aufgefahren als ihn einRegentropfen getroffen hatte und hatte entsetzt auf die Schwarze Mauer gestarrt, die sich wie einedunkle Decke von Osten auf sie nieder senkte. Abgelenkt durch seinen Kummer mit seinem Sohnwar dem Erfahrenen Seemann der Wetterumschwung entgangen. Sofort hatte er zum Festland

    zurckgesteuert, doch ohne seinen erfahrenen Matrosen und nur mit Njaal der beim Segelausrichten und verzurren ber seine eigenen Fe stolperte waren sie viel zu langsam gewesen. DerSturm hatte sie eingeholt als sie gerade wieder in den Kanal einfahren wollten und sie mitunbarmherzigen Pranken gegen die Kalkkste geworfen. Zum Glck hatte sich das Boot zwischenzwei aufragenden Kalkfelsen verkeilt, so dass sie nicht auf das Meer hinausgezogen werden konnte.Doch das Boot war schwer beschdigt worden. Zum Glck fr sie gab es unweit dem Ort ihresUnglcks eine Stelle, an der so etwas wie eine natrliche Treppe die Felswand hinauffhrte. Sichmit ihrer Magie gegen den Sturm und die Strmung erwehrend kmpften sie sich bis ans Ufer zudem Aufgang und bestiegen ihn. Allerdings war die Anstrengung fr Njaal zu viel gewesen. Er hattealle seine Energie verbraucht, sowie ein Groteil seiner Krperwrme um sich die letzten Meter ander Wand zu halten und nicht fortgeweht zu werden. Oben auf dem Plateau war erzusammengebrochen.

    Njaal biss wtend die Zhne zusammen. Er war so schwach gewesen. Nicht nur hatte seinVater wegen seiner Unfhigkeit sein Boot und seine Geldquelle verloren, nein! Er musste ihn auchnoch Quer ber die Insel durch den Sturm zurck schleppen whrend er selbst sich unter derschwarzen Mantel der Ohnmacht verkrochen hatte.

    Er war auf dem Weg nach Hause erwacht, als sie noch gute 4 Meilen hatten zurcklegenmssen. Auf dem Rcken seines Vaters, der ihn auf dem Rcken trug wie der Brauereigaul seineunntze Last. Tief beschmt war er sofort abgestiegen und sie hatten den restlichen weg durch dieSternenklare Nacht, der Sturm hatte sich wieder verzogen, schweigend an der Seite seines Vaterszurckgelegt. Der Weg ber die endlosen Felder die die Ortschaften umgaben waren nur von

    Waldstcken durchbrochen worden, die sie jedoch sorgfltig gemieden hatten. Zwar war dieSituation lange nicht mehr so schlimm wie vor einer Dekade, als man sich Nachts nur mit einerEskorte vor die Tr wagen konnte, doch trotzdem war es Nachts nicht ratsam einen dunklen Waldaufzusuchen. Mitten in der Nacht waren sie Zuhause angekommen. Seine Mutter und seine beidenSchwestern, beide damals zwei kleine verschreckte und verngstigte Huflein, waren berglcklichgewesen sie gesund wiederzusehen. Doch Njaal hatte sich nicht darber freuen knnen. Er hatteihnen nicht in die Augen sehen knnen, so schlimm fhlte er sich. Er hatte sich schnell entschuldigtund war schlafen gegangen. Damals hatten sie noch ein greres Haus gehabt und er ein eigenesZimmer. Stumm hatte ihm seine Familie hinter hergesehen und ihre Blicke hatten in seinem Rckenanklagend gebrannt. Er hatte nicht schlafen knnen und hatte mehrere Stunden voller Trnen, Rotzund Selbstmitleid durchlebt. Als er sich aufgerafft hatte um zu seinem Vater zu gehen und ihm zu

    sagen, dass ihm alles unendlich leidtue, nicht weil es etwas gendert htte, sondern weil er irgendetwas machen musste, hatte er ber das Tappen seiner nackten Fe auf den kalten Holzbohlen einegemurmelte Unterhaltung gehrt. Seine Eltern hatten sich besprochen und er hatte zwar nicht hren

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    knnen was sie sagten, doch hatte er mehrmals seinen Namen fallen hren und die resignierteStimme seines Vaters war ihm Anklage genug gewesen. Er war feige in sein Zimmer geflchtet undsich unter der Decke verkrochen.

    Er hielt im schrubben inne und sah auf das Aufgewhlte Wasser hinab. Die Wellentummelten sich wild umeinander und in der Mitte des Eimers, der Mitte des wilden Spiels, triebeine Holzschssel, die durch das wilde Wellenspiel mit Wasser vollgelaufen war. Doch sie sank

    nicht. Das Boot seines Vaters war auch aus Holz gewesen. Warum also war es Gesunken?Am nchsten Tag hatte sein Vater einen Leiterwagen ziehend eine Wanderung zu derUnglcksstelle zurck unternommen. Und Njaal zurckgelassen. Er war den ganzen Tag nicht ausseinem Zimmer heraus gekommen. Als sein Vater am Abend wiedergekommen war hatte er es sicherlaubt auf eine glckliches Ende zu hoffen. Das Boot war fast unbeschdigt und nur wenig zerstrt.Doch dem war nicht so gewesen. Mit steinerner Mine hatte sein Vater berichtet das Das Boot in denFolgen des Sturmes auseinandergebrochen und gesunken war. Die traurigen berreste imLeiterwagen waren alles, was er noch an Wert hatte finden knnen. Seine Frau hatte ihn trstenwollen, ihn umarmen, doch er war mit verschlossenen Gesicht an ihr vorbeigegangen, vorbei anNjaal, der mit erloschener Hoffnung auf die vor Nsse aufgequollenen berbleibsel starrte undvorbei an seinen beiden kleinen Mdchen, die ngstlich hinter dem groen Tisch hervorlugten. Er

    war nach oben ins elterliche Schlafzimmer gegangen, schwere Schritte untermalt mit knarren,welche in der lastenden Stille hmmerten, dann das Knallen der Tr. Fr einen Moment gewannnoch einmal die Stille die Oberhand, doch nur um im nchsten Moment von einem Schrei derEnttuschung, der Wut, der Trauer, der Resignation zerfetzt zu werden. Njaal floh. Fort aus demHaus. Durch das Wohnviertel, an der Groen Sommerresidenz des Inselfrsten vorbei, welches aufseinem Kalkfelsen ber dem gemeinen Volk thronte und unerbittlich auf den rennenden,flchtenden Junge hinabstarrte, hinaus und weg. Als er viele Stunden spter wiedergekommen warhatte er im Haus seine Mutter weinend am Tisch vorgefunden, dessen Holz dunkle Spuren von ihrenTrnen aufzeigte. In einer Ecke spielten seine kleinen Schwestern mechanisch mit ihren Puppen.

    Das Wasser im Kbel war ruhiger geworden, und Njaal starrte durch ein blasses Spiegelbildvon sich selbst in das trbe Wasser. Er registrierte nicht, dass seine Schwestern in ihrem Spielinnegehalten hatten. Er war von dieser trben Mixtur aus Schmutz gefesselt, in welche sich auchsein Leben von einem Tag auf den anderen Verndert hatte.

    Sein Vater hatte eine Anstellung als Segeltuchverkufer und Schiffsreperateur gefunden.Doch das Geld hatte nicht ausgereicht, um das Haus zu behalten. Bald waren sie umgezogen in einkleineres Haus mit zwei zimmern und einem kleinen Abort. Doch das Geld war ihnen wie Wasserzwischen den Fingern zerronnen, denn Njaal konnte keine Arbeit finden und Lea und Annawuchsen aus allen Klamotten heraus. So hatte seine Mutter eine Arbeit als Dienstmagd bei einerKonstrukteursfamilie in Cowes auf der anderen Flusseite angenommen. Und Njaal musste zuhausebleiben, den Haushalt instand halten und auf seine beiden kleinen Schwestern aufpassen.

    Mir Verkrampften Hnden hielt er den Rand des Kbels umklammert und starrte und die

    braune Brhe, in welcher er seine Vergangenheit uns auch seine Zukunft sah. Sein Spiegelbildbegann zu Flackern und sich zu verzerren, als seine Trnen ungehemmt flossen und ein steten Stromaus Elend bildeten. Jede Trne macht ein frhliches bluib als sie auf die Wasseroberflche trafenund verhhnten ihre Quelle.

    Warum weinst du? Njaal sah auf. Vor dem Bottich stand Lea und sah ihn mit groen,runden Augen an. Ja, warum? Seine Schuld, sein Versagen war eingemeielt in Stein, eingebrannt inseine Haut. Nicht alle Trnen der Welt konnten sie hinwegsphlen.