Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

Embed Size (px)

Citation preview

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    1/11

    Manfred rank

    Zum

    Diskurs begriff bei Foucault

    Aus Lichtenbergs Beobachtung, da

    der

    hohle Klang beim

    Zu-

    sammensto eines Buchs mit einem Kopf nicht .allemal dem Buch

    anzulasten sei, mu man nicht den berstrzten Umkehrschlu

    ziehen, die Ratlosigkeit der Forschungsgemeinschaft angesichts

    eines vagen Schlsselbegrif

    fs im

    Werk eines Autors sei allemal

    Schuld

    der

    Forschungsgemeinschaft. Dies scheint mir der Fall des

    Terminus >Diskurs< im Diskurs der Gebildeten unter den Verch-

    tern der He rmeneutik. Seine massenhaft gewordene

    und

    modische

    Verwendung, vor allem unter Literaturwissenschaftlern, deutet

    zwar aufs Bestehen eines epistemologischen Problems vorsichti-

    ger gesagt: eines Bedrfnisses), dem er abzuhelfen bestimmt ist,

    reicht aber nich t aus

    zur

    Entkrftung des Einwandes, die Semantik

    seines Gebrauchs sei so unbestimmt, da sein Funktionieren nicht

    gesichert ist. Das entschrft dann auch die kritische

    oder

    polemi-

    sche Akzentuierung etwa gegen den Begriff des Sinnverstehens),

    die einige Benutze r i m beilegen. Denn solange nicht bekannt ist,

    wogegen sich die Kritik richtet, kann die schwebende Debatte

    nicht nur nicht entschieden, sondern nicht einmal ausgetragen

    werden.

    Natrlich rede ich nicht von der Verwendung des franzsischen

    Substantivs

    >discoursDiskursdiscursusdiscurrere< meint >hierin

    und

    dorthin laufen< >courir

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    2/11

    bavardagepalabreSemiologieunbewuten //

    Geistes< auszudehnen.

    3

    e s ~ ~ n

    Ttigkeit besteht darin, einem In-)?

    1

    ;

    1

    .

    halt Formen aufzuerlegen (a 1mposer des formes a n contenu).

    4

    I -

    Fgen wir hinzu: einem zuvor unartikulierten Inhalt, so finden :. ,,..v-,.

    wir uns unmittelbar zurckverwiesen auf den Beginn des

    IV.

    Ka-

    _

    pitels von Saussures Cours wo das Prinzip der

    Z e i c h e n ~ r t i k u l a

    tion exponiert wurde:

    Der

    Geist ist an sich ebenso amorph wie der

    Laut, darum mu zwischen beiden etwas intervenieren, nmlich

    der Schematismus der Artikulation, durch den ein sinnlich wahr

    nehmbarer Laut auf eine nicht-sinnliche Bedeutung allererst bezo-

    gen werden kann. Levi-Strauss hat den idealistischen Term >Sche-

    matismus< auf sein Verfahren selbst angewandt,

    z.B.

    in einer

    bekannten Passage aus

    a

    pensee sauvage von der ich

    nur

    zwei

    Stze anfhre:

    Sans

    mettre en cause l incontestable primat des infrastructures, nous croy

    ons qu entrepraxis et pratiques s intercale toujours un mediateur, qui est le

    scheme conceptuel

    par

    l operation du quel une matiere et une forme,

    depourvues l une e t l autre d existence independante, s accomplissent

    comme structures, c est-a-dire comme erres a la fois empiriques et intelli

    .gibles. C est a cette theorie des superstr uctures, a peine esquissee par Marx,

    que nous souhaitons contribuer.

    5

    Die Fruchtbarkeit der bertragung des Saussureschen Artikula

    tions-Theorems auf Zusammenhnge gesellschaftlicher Struktu

    ren ist aber hier nicht unser Thema.

    Fr

    die Ausbildung von

    Foucaults Diskursanalytik entscheidend scheint mir die Aare-

    27

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    3/11

    gung, die aus Levi-Strauss' bertragung der strukturalistischen

    Verfahren auf die Analyse von Mythen hervorgeht. Mythen sind ja

    Erzhl-Texte, die im Gegensatz zu Verwandtschaftsbeziehungen

    oder Gesellschaftsstrukturen - im Bereich der Sprache angesiedelt

    sind.

    6

    Nun besteht zwischen der inneren Form einer Sprache langue)

    und eines Mythos ein entsc;heidender Unterschied. Zwar sind My

    then sprachliche Gebilde (und fallen insofern u nter den Begriff der

    langue

    ); sie sind aber andererseits Ereignisse der

    parole:

    il[ s rele

    ve[

    nt] du discours.7

    Da

    stoen wir nun auf jenen Begriff, der zu den zentralen Marken

    im Sprachspiel des Neostruktural ismus zhlen wird. Levi-Strauss

    fhrt ihn wie folgt ein: Der Mythos, sagt er, ist eine in sich

    geschlossene Folge nicht von Einzelzeichen, sondern von Stzen.

    Als eine Erzh lung ist er zwa r ein sprachliches Ereignis, aber kein

    solches, dessen Sequenzen unbeschdigt aus ihrer Zeitstelle ent

    fernt werden knnten. Die Linearitt der Zeichen - und erst recht

    der Satzfolge - versiebt jedes signifikante Element mit einem Zeit

    index, d. h. ist nicht umkehrbar. Dagegen sind die Elemente einer

    Struktur die

    Werte und ihre differentiellen

    Beziehungen rekur-

    siv definiert: Sie knnen ohne weiteres umgekehrt werden: Die

    Matrix, die sie als Ereignisse erzeugt, ist str ikt unzeitlich. Diesen

    Unterschied hatte Saussure selbst durch die (ungeschickten) Ter

    mini Synchronie und Diachronie bezeichnet. Nun erinnert

    Levi-Strauss daran, da der bislang ganz undifferenziert ver

    wandte Begriff der Struktu r in sich noch mannigfach untergliedert

    ist: Er ist ein Gebilde, in dem sich verschiedene Konstitutions

    Niveaus unterscheiden lassen.

    Das mu ich kurz erlutern. Es war Emile Benveniste, der in

    seinem Hauptwerk den Begriff der Konstitutions-Niveaus einge-

    fhrt und wie folgt erklrt hat.8 Saussures Einsicht, wonach

    sprachliche Bedeutsamkeit durch phonische Unterscheidung der

    Zeichen zustande kommt, msse ausdifferenziert werden.

    Schlielich gebe es verschiedene Ebenen, auf denen dies abstrakte

    Prinzip greift. Zuerst die phonetische, auf der die einzelnen Laute

    einer Sprache unterschieden werden; dann die phonologische

    Ebene, auf der die distinctive features i rgendeiner Nationalspra

    che ausgesondert und ihre K-0mbinationsmglicbkeiten und Op -

    positionen festgelegt werden s odann die morphematische Ebene,

    auf der die kleinsten bedeutsamen Teil-Einheiten (wie die Fle-

    28

    xions-Endungen) aussortiert werden; ferner die syntaktische

    Ebene, auf der Wrter unterschieden und zu Syntagmen und St

    zen kombiniert werden; endlich die kontextuelle Ebene, die auf

    die Bedeutungsnuancen von uerungen im Kontext bestimmter

    anderer Syntagmen achtet usw. Nun knne man unterscheiden

    zwischen Beziehungen, die Elemente uf einer bestimmten Ebene

    (also etwa Phone me) miteinander unterhalten, und Beziehungen,

    die Elemente auf

    einer

    Ebene mit Elementen auf einer

    anderen

    Ebene (also etwa Wrter mit Stzen) unterhalten. Benveniste

    nennt jene

    distributional,

    diese

    integrativ.

    Eine Sprachstruktur

    wre dann das Gesamt der Beziehungen nicht nur zwischen den

    Elementen der einzelnen Ebenen, sondern zwischen allen Konsti

    tutionsniveaus untereinander.

    Allerdings macht Benveniste

    als

    Sprachwissenschaftler beim

    Konstitutionsniveau des

    Satzes

    halt: In ihm erschpft sich die

    Totalitt der linguistischen Regeln. Dagegen sind Mythen - als

    Diskurs-Strukturen - solcherart, da ihre kleinsten konstitutiven

    Einheiten nicht Phoneme, Morpheme oder Syntagmen, sondern

    Stze sind. Aber, fhrt Levi-Strauss fort, wer wollte uns hindern,

    ein noch hheres Konstitutions-Niveau zu erklimmen: eine >dritte

    Stufe jenseits von langue und parole< nmlich die des d iscoursceux qw reg1ssent son langage, ses

    schemas percepcifs, ses echanges, ses techniques, ses valeurs, la

    hierarchie de ses pratiques.

    20

    Ebensowenig ist die Kultur iden

    t i ~ c h .mit den wissenschaftlichen oder philosophischen Theorien,

    ? i ~

    d1.ese

    r d n u ~ g

    entweder aus einem Prinzip rechtfertigen

    oder

    lD

    ihrer systemanscben Verfatheit untersuchen, also reflektierend

    und s y s t e ~ 1 a t i s i e r e n d zur (schon bestehenden) Ordnung des Le

    b e ~ s w e l t l i c h e n _ S t e l l u n ~

    nehmen. Die empirische und philoso

    pb1sch-theoreasche Siebt

    der Ordnung sind

    vielmehr Extreme

    zwischen die sich eine dritte-die, die wir suchen - einfgt, von de;

    Foucault sagt, sie s i nicht minder grundlegend (pas moins fon

    damental), obwohl

    ihr

    Bauplan weniger rigide und also schwieri

    ger zu analysieren sei.

    C ~ s t l a qu'une c u l ~ r e , se decaJant insensiblemenr des ordres empiriques

    q ~ 1 lui sont prescntS par ses codes primaires, instauranr une premierc

    d 1 s t a n c ~

    par rapp?rt

    a

    ux, leur fair perdre leur transparence initiale cesse

    se, ~ s s e r ~ a s ~ 1 ~ e m e n t t'.averser par eux,

    se

    deprend de leurs pouvoirs

    unmediats etmvmbles se libere assez pour constater que ces ordres ne sont

    peut-etre pas les seuls possibles

    ni

    les meilleurs; de sorte qu'elle se trouve

    d e ~ a n t le fait brut qu'il y a, au-dessous de ses ordres spontanes, des choses

    qu1

    sont en elles-memes ordonnables, qui appanienne nt a n certain ordre

    muet, bref u ' i l 'ordre.

    ~ m m e

    si, s'affranchissant pour une part de

    ses g r 1 ~ e s

    l i n ~ 1 - s a q u e s ,

    perc:pr1ves, prariques, la culture app.Jjquait sur

    celles-ct une gnlle seconde qu1 es neurralise qui, eo es doub lant les fom

    [sie ] apparaitre et Jes excluem [sie ] en meme remps, et se t r o ~ v a i t du

    meme coup devant l'etre

    brut

    de 'ordre. C est au nom de cet ordre que les

    c o d ~ s du l a n ~ g e , ~ e la perceprion, de

    la

    pracique som critiques et rendu

    paraellement invalides.

    C est

    sur fond de cer ordre, tenu pour so posirif

    que se batiront les thforie generaJes de l'ordonnance des choses er les

    incerprecations qu'elle appelle. Ainsi entrele regard deja code et la connais

    sance reflexive, il y a une region mediane qui

    de.Livre

    'ordre en son etre

    meme.

    2

    Ich

    nehme

    an, Foucault

    meint mit

    dieser

    Mittel-Ordnung

    all jene

    kultur- und epochenspezifischen Weltdeutungen, die einerseits

    unordentlicher (plus confus, plus

    obscur

    ) sind als das was r

    die Ebene der C ~ : > n n a i s s a n c e s .nennt: der wissenschaftlich gesi

    cherten Erkenntrusse; andererseits aber konkreter und reicher als

    die primren

    Codes

    , die in uniformer Weise unsere Sprache,

    unsere Umgangsforme n, unsere Wahrnehmung

    und

    unsere Gesel

    ligkeit determinieren. Es knnte sich um etwas teils der Husserl

    schen Lebenswelt Verwandtes, teils

    den

    traditionell Weltan

    schauungen

    oder

    Ideologien genannten Ordnungen Affines

    33

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    6/11

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    7/11

    a amene l individualisation de series differentes, qui se juxtaposent, se

    succedenc, se chevauchent, s'entrecroisent sans

    qu on

    puisse

    les

    reduire

    un schema lineaire. Ainsi sont apparues, a a place de cene chronologie

    continuede la raison, qu on faisaic invariablement remonter a 'inaccessible

    origine, on ouverture fondatrice, des echelles parfois breves distinctes

    les unes des autres, rebelles

    a

    ne ioi unique

    poneuses souvem d un rype

    d'hist0ire qui est propr e chacune, et irreductibles au modele gener l

    d une conscience qui acquiert, progresse et se souvient.

    29

    Dem Prinzip der Ereignis-Individualitt tritt das der uerlich

    keit (exteriorite) zur Seite.

    30

    Wir sind so sehr daran gewhnt, die

    Individualitt als einen Sonderfall der Subjektivitt (und/oder der

    Innerlichkeit) zu denken, da die Assoziation von Individualitt

    und uerlichkeit zunchst verwirrt. Tatschlich meint Foucault

    damit aber nur einen Aspekt, der im Gedanken der Siogularit_

    t

    des Individuellen schon impliziert ist, nmlich. seine lrreduzier

    barkeit auf ein einheitliches diskursives Prinzip oder einen >in-

    neren< Sinn-Kern des Diskurses. Die Regel der uerlichkeit

    besagt dann: ne pas aller du discours vers son noyau interieur et

    cache, vers le cceur d une pensee ou d'une signification, qui se

    manifestaient en lui.3

    1

    uerlich ist das Verfahren der Diskurs

    analytik also darum, weil

    es

    die Reihe (serie) der aufeinander

    nicht (gem einem deduktiven oder teleologischen Prinzip) redu

    zierbaren Einzelereignisse >auerhalb< jedes totalisierenden Allge

    meinbegriffs belassen will.

    Dann allerdings stellt sieb die Methodenfrage: Wissenscbafrliche

    Erklrungen setzen Allgemeinbegriffe voraus, und was aus ihnen

    nicht abgeleitet werden kann, ist nicht erklrt. Jean Piaget hat in

    bezug auf Foucaults Archologie von einem Strukturalismus

    ohne Strukturen gesprochen und Foucault selbst gibt an, es sei

    ihm berhaupt nicht darum zu tun gewesen, die geschichtlichen

    Einzelereignisse durch Rckfhrung auf transzendentale oder

    universelle Kategorien oder Fonnarionsregeln zu unifonnisieren

    und zu beherrschen.n Wie kann dann aber auch

    nur

    von mehreren

    nebeneinander existierenden Diskursen die Rede sein? Jeder Dis

    kurs ist als solcher im Lichte einer Sinn-Einheit erschlossen, der

    fr sein Erkennungskriterium zu gelten hat - und man entkommt

    dieser Konsequenz. auch dadurch nicht, da man die Diskurse

    vervielfltigt. Mit anderen Worten: eine Multiplikation der Codes,

    aus denen die Ereignisse sehr wohl zu deduzieren sind ist noch

    keine

    grundstzliche Verabschiedung des Code-Modells des klas-

    36

    s i s ~ h e n Strukturalismus; nur sind jetzt statt eines globalen viele

    kleme Codes am Werk - so wie das analog in Roland Barthes

    Analyse von Balzacs

    Sarrasine

    der Fall ist.3

    3

    Diese - wie immer

    vervielfltigten - Generationsregeln sind sogar unerllich, soll

    Foucaults ~ ~ t z l i c h e These, jeder Diskurs arbeite

    im

    Dienste des

    W i l l e ~ . s zu.r Ubermchtigung und beruhe mithin auf strengen und

    folterahnlichen Ausscbluregeln den mindesten Sinn behalten.

    So z e i ~ t sich, da die Radikalitt der e r a b s ~ h i e d u n g von Univer

    salien mkonsequent bleibt.

    ~ a s

    g i ~ t

    ~ i c h _ t nur

    fr die Formationsregeln der untereinander

    diskontmmerhchen Sub-Diskurse, sondern fr den Kollektivsin

    gular ~ d e r ? i s k ~ r s < e ~ s t recht. ~ a r .ist Foucaults Epochen-Kon

    zept m

    L archeologte du savotr

    mcht mehr so monolithisch

    geschlossen wie in Les mots

    t les

    choses; doch aber arbeitet

    es

    - auf

    e i ~ e allerdings schwer durchschaubare Weise - mit globalen Ein

    heits-Konzepten. Noch in der Introduction erklrt Foucault er

    wo le.die ~ n h e i t de: C?eschichte und ihrer groen Epochen nicht

    lediglich mit anarch1st1schem Gestus zersplittern, sondern suche

    nach Regularitten, die die diskontinuierlichen Serien untereinan

    der vernetzen (quel systeme vertical elles sont susceptibles de

    former). Da der Gesamt-Diskurs -

    als

    Ensemble von diskonti

    nuierlich.en Sub-J?iskursen - als eine Ordnung gedacht ist, verrt

    am deutlichsten die Rede vom vertikalen System, das die verschie

    denen Serien der zu einer bestimmten Zeit auftretenden Geschich

    ten zusammenhlt.

    34

    Es

    steht offenbar - in der Logik der Meta

    pher- senkrecht zu den Einzelgeschichten und durchstt sie wie

    e n

    S p i e ~ . Gbe es den nicht, so gbe es auch keine Diskursanaly

    uk a l ~

    eme (wenn auch eigenartige) Wissenschaft, die immerhin

    von emer reinen Aleatorik sich abgrenzt.

    Wie sehr das der Fall, zeigt die konk ret durchgefhrte Methoden

    lehre der r ~ h e o l o g i e ~ a v o ~ r die _den Begriff >discours< n gut

    s ~ r u k t u r a l 1 s t i s c h e r Tradmon m klemste Einheiten zerlegt, die

    mcht Phoneme oder Morpheme, sondern Stze sind. Bei Foucaulr

    heien sie >enonces

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    8/11

    l

    vor ihrer Reduktion auf Flle des Code, sucht seinen Grundbe

    griff- >le

    discoursdiscoursArchologieDiskur

    sen

    Typenenoncesenonce< ist. Denn ein System hherer Ord

    nung begreift sich von dem her, was

    als

    Elementen-Menge in

    ihm

    eingeschlossen ist. .

    Foucault gibt auf diese Frage eine Reihe von negativen Antwor-

    ten. Enonces, sagt er, sind weder Propositionen

    noch

    Stze (phra

    ses) noch Sprechakte.

    38

    Elemente dieser drei Kate.gorien sind nm

    lich konventionalisiert

    und

    aus den

    zugrunde

    liegenden Regeln

    generierbar, gleichsam als atomes du discours((.

    39

    Eben t r i ~ t

    auf enonces nicht zu, weil sie im Gegensatz zu streng taxmom1-

    schen Systemen - individualisiert sind.

    40

    Sie sind also nicht

    einseitig deduzierbar aus Universalien wie Gram matik

    oder

    Lo-

    gik.41 . .

    >Individualisiert< meint also: mcht vorhersehbar von se1ten der

    Struktur, kontingen t hinsichtlich ihres So-Seins. Foucault sagt das

    ausdrcklich,

    wenn

    er ein enonce (als Element des discours) von

    einem evenement de la parole (als Elemente

    der

    langue)

    unter

    scheidet. Mit dem Terminus >enonce< st also jenem nie z_schlie

    enden Abstand Rechnung getragen,

    der

    zwischen dem besteht,

    was nach den Regeln der Sprache l.angue),

    der

    Konventionen

    Pragmatik) und

    des

    korrekten Denkens L?gik)

    ?esagt

    werden

    knnte, und

    dem, was tatschlich gesagt

    wird.

    Diesen

    Abstand

    hlt das foonce zu allen Ordnungen, die im streng strukturalisti

    schen Wortsinn als Systeme beschrieben werden kn nen.

    Das

    fhrt

    auf ein anderes Merkmal des foonce. Wir

    knnen

    es wieder kontrastiv zum Ereignis des Sprachsystems einfhren.

    Fr alle System-Ereignisse ist es wesentlich, ohne ins Gewicht

    fallenden Bedeutungsverlust wiederholt w erden

    zu

    knnen; Ele

    mente von Systemen sind eben keine Individuen, sondern Typen

    (oder Schemata), die in beliebigen Kontexten als das, was sie sind,

    reproduziert werden

    knnen

    (auch Kontexte sind, wenn sie

    durch

    Regeln beherrscht werden, Typen). Dagegen gilt fr das

    foonce:

    Un e n o ~ c e

    e x i s ~ e

    en dehors de

    toute

    possibilite de reapparaltre; et le rap

    port

    qu i l entret1ent avec

    ce

    qu il enonce n est pas identique a

    un

    ensemble

    de regles d utilisation.

    I1

    s agit

    d un

    rapport

    singulier: et si dans ces condi

    tions une formulation identique reapparalt -

    ce

    sont

    bien les memes mots

    qui

    sont

    utilises, ce sont substantiell ement les memes noms , c esi: au total la

    meme phrase, mais ce n est pas forcemen t le meme enonce.42

    Andererseits kann das foonce auch nicht so radikal individualisiert

    werden wie der acte de l foonciation, der, wegen der Irreversibili

    tt

    s e ~ n e r Z ~ i ~ e r s t r : c ~ u n g j ~ d . e r

    systematischen Beherrschung

    entgleitet: L enonc1atton est ev1demment un evenement qui ne se

    repete pas; elle a une singularite situee

    qu on

    ne

    peut

    pas

    reduire.

    43

    Immerhin soll ja gelten, da foonces Elemente von

    Diskursen sind:

    Or

    l enonce lui-meme ne peut-etre reduit

    a e pur

    evfoement de l enonci

    ation, car malgre sa matfrialite [c est-a-dire son indice spatio-temporel]

    il

    p e u ~ e t r e

    tepete [

    . . .

    Et

    cependant il ne se reduit pas a une forme

    g r a ~ -

    matlcale

    ou

    log1que dans la mesure

    ou,

    plus qu elle et

    sur

    un

    mode

    different, il est sensible a des differences de matiere, de substance, de temps

    et de lieu.

    44

    Die Aussage (enonce) steht also irgendwo zwischen der exklusiven

    E i ~ m a l i ~ k e i t

    der

    l l . O ~ c i a t i o n

    und de r Wiederholbarkeit

    safva signifi-

    c a t t ~ n . e

    emes sprachlichen oder logischen oder sonstwie systemzu

    gehongen Schemas.

    In

    mehreren verschiedenen enonciations kann

    ein und dasselbe.foonce vorgebracht werden; umgekeh rt kann in

    verschiedenen sinngleich wiede rholten

    und

    grammatisch

    korrekt

    gebildeten Stzen (phrases) ein jeweils verschiedenes foonce ausge

    drckt werden.

    Diskurse mgen nun Intermedir-Ordnungen besonderer Art

    sein, fr die alle mglichen Ausnahmen und Spezifitten gelten:

    39

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    9/11

    l

    ganz ohne generative Regeln wren sie so imaginr wie Daf

    ;1

    che Uhren.

    Um

    diese (minimale) Wiederholbarkeit zu garantieren, mu man

    auf eine Ordnung rekurrieren, die eben auch das Diskurselement,

    welches das enonce ist, als ein gewi unendlich empfindlicheres,

    anflligeresund vernderbareres, aber gleichwohl als ein Schema

    enkodiert.

    Und

    diese Konsequenz zieht Foucault in der Tat in

    zwei Schritten. In einem ersten kommt er auf die Metapher der

    vertikalen

    Gruppierung der enonces zurck - womit

    er

    zu meinen

    scheint, da enonces nicht einem und demselben Generationstyp

    unterstehen, sondern nach Magabe dieses oder jenes domaine

    a s s o c i e < < ~ s dieser oder jener Kontext-Regel,

    als

    dieser oder jener

    Typ sich erschlieen. Wieder glaubt Foucault, die systematische

    Unbeherrschbarkeit des Individuellen durch eine Vervielfltigung

    der Codes und der Referenzsysteme erklren zu knnen. Aber

    noch so viele vertikal gruppierte Systeme brechen nicht den

    Bann des fr ein jedes von ihnen verbindlichen Code-Modells von

    input

    und

    output

    nach intersubjektiv verbindlichen Regeln (ohne

    welche der unterstellte Zwangscharakter der Diskurse unver

    stndlich bliebe).

    Diskurse sind aber noch in einer zweiten Hinsicht geordnet.

    Foucault spricht I von einem Ordre de l'institution, dem die

    enonces

    als

    mit sich identische Elemente unterworfen seien

    46 ,

    und

    2 von einem

    champ d utilisation,

    dans lequel il [l'enonce] se

    trouve investi.

    47

    Institutionen und Gebrauchs-Felder sind gewi

    subtilere Ordnungen als formalisierte Grammatiken; sie sind aber

    jedenfalls Ordnungen. Wenn Foucault ihnen einen Statut qui

    n'est jamais definitif, mais modifiable, relarif et toujours suscep

    tible d'etre remis en question

    4

    s, zuschreibt, knnte

    er

    dem

    nur

    Rechnung tragen im Rahmen einer Hermeneutik der Divination,

    die systematisch unvorhersehbare Sinninnovationen errt; im epi

    stemologischen Rahmen einer Diskursanalytik erstarrt die Inno-

    vation notwendig im stahlharten Gebude einer Instimtionen

    Lehre, die als >dispositif de torturec Individuen und Innovationen

    nicht duldet.

    Man versteht dann, in welchem Sinne Foucault -

    trotz

    des rheto

    rischen Pldoyers fr Diskontinuitt und Sinn-Vielfalt - von der

    Einheit

    eines Archivs reden kann, wobei >Archiv definiert ist als

    die Gesamtheit aller diskursiven Regelmigkeiten, die eine Epo

    che - nicht unhnlich dem klassischen >Zeitgeist - charakterisie-

    ren. Auch und erst recht die Begriffe

    0

    )rmation discursive

    und

    regles

    de

    formation werden von hier verstndlich, ,besonders

    wenn man die folgende Definition im Ohr hat:

    Les regles de formation sont des conditions d'existence (mais aussi de

    coexistence, de maintien, de modif ication et de disparition) dans unerepar

    tition discursive donnee.

    49

    Wieder tritt die Metapher eines >vertikalen Systems von Interde

    pendenzen

  • 8/10/2019 Manfred Frank Diskursbegriff Foucaults

    10/11

    Sie fungieren als folterhnliche Restriktions- und Ausscn1usy

    steme, die ihre Einheit der Fesselung jener Disseminalitt verdan

    ken, die die Archeologie du savoir ihnen mit Engagement zuzu

    schreiben gesonnen war. Wre diese These fundiert , ergbe sich

    die unertr liche Konsequenz, da die Wissenschaftlichkeit der

    Diskursanaiytik nur garantiert werden knnte durch die Repressi

    vitt jenes bermchtigungswillens, der die Disseminalitt unse

    rer Reden der Restrikcivitt von Ausschlusystemen unterwirft

    und so bndigt. Dann wre die Diskursanalytik auf die Vergewal

    tigung von Subjekten (deren Existenz sie brigens vorab leugnet)

    als ihre transzendentale Ennglichungsbedingung angewiesen.

    Man knnte annehmen, Foucault verwende den Term >Diskurs