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Mantelstudium Klassische Genetik Tiermodelle Dr. Barbara Kloeckener Institut für Medizinische Genetik 23.03.2009 Lernziele Was ist ein Model Welche Anforderungen stellen wir an ein Model Warum sind genetische Modelle hilfreich Welche genetischen Modelle werden häufig angewandt Steckbriefe einiger Tiermodelle Technische Manipulation der Tiermodelle Limitationen Klassische Genetik, B. Kloeckener www.medmolgen.uzh.ch [email protected]

Mantelstudium Klassische Genetik - UZHffffffff-cc0f-535f-ffff-fffff81bbcb1/... · Makula und optischer Nerve können betroffen sein Katarakt und Veränderungen der Cornea sind häufig

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Mantelstudium Klassische Genetik

Tiermodelle

Dr. Barbara Kloeckener

Institut für Medizinische Genetik

23.03.2009

Lernziele

Was ist ein Model

Welche Anforderungen stellen wir an ein Model

Warum sind genetische Modelle hilfreich

Welche genetischen Modelle werden häufig angewandt

Steckbriefe einiger Tiermodelle

Technische Manipulation der Tiermodelle

Limitationen

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Humangenetik - Menschliche Krankheiten

Vererbungsmuster der Krankheit

Komplexität der phänotypische Erscheinungsbilder

monogen oder komplex

Identität der pathogenen Mutation

Molekulare Mechanismen

Therapie

Kennen wir die Antworten auf diese Fragen?

Tiermodelle können beim Antworten behilflich sein

Modelle („theoretische Abstraktionen der realen Welt“)

Ähnlichkeiten in• Genetik• Physiology• Entwicklung• Biochemie• Phänotyp

Zugänglichkeit zu experimentellen Manipulationen• Transformation• Generationszyklus• Genomsequenz• Transkriptom• Leichte Haltung im Labor• Hohe Nachkommenrate• Mutanten

Eukaryonten• Einzeller Hefe (S. cerevisiae)• Nematode (C. elegans)• Taufliege (D. melanogaster)• Zebrafish (D. rerio)• Maus (M. musculus)• Ratte (R. rattus)• Hund (Canis lupus familiaris)• Primaten

Transparenter Rundwurm von 1 mm Länge; Lebenszyklus: 3.5 TageSelbstbefruchtung erzeugt 300 Nachkommen; Kreuzungen 1000Hefe: Zellzyklus: 90

Minuten; Zellgrösse: 10um

Transparenter Fisch von 1,5 cm Länge; lLebeneszyklus: 2-3 Monate200 Eier pro Tag

Ratte; lLebeneszyklus: 2-3 MonateGenetisch gut beschrieben

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Spontanmutationen

Grenzen der Anwendbarkeit spontaner Mutanten

• Nur phänotypisch auffällige Mutanten werden erkannt und untersucht, subtile Veränderungen nicht sichtbar.

• Aufwendige Screeningverfahren zur Identifizierung phänotypisch unauffälliger spontaner Mutanten notwendig.

• Nicht für alle Gendefekte sind spontane Mutanten verfügbar.

Ungerichtete Mutagenese

Chemische oder physikalische Mutagenese

(Ethyl-Nitroso-Harnstoff, Ethyl-Methan-Sulfonat; Trimethylpsoralen, ionisierende Strahlen)

Mutagenese mitENU: Mutationsrate 1 x 10-3 (vorw. Punktmutationen,

AT>GC) etwa alle 700 GametenEMS: Mutationsrate 5 x 10-4 (13% Deletionen)TMP: Mutationsrate 3 x 10-5 (50% Deletionen

dominante und rezessive PhänotypenIn G1 oder G3

Mit Hilfe von ENU Mutationen werdenhypomorphe (Funktionsverlust) oderhypermorphe (Functionsgewinn) Allele gewonnen.

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Beispiel 1

Lernen von der Taufliege Drosophila melanogaster

Transkriptionsfaktor Pax6 wurde in der Fliege entdeckt und erst danach in der Maus und im Mensch als die Ursache für gestörte Augenentwicklung gefunden

Fruchtfliege –Drosophila melanogaster

Steckbrief:Genomgrösse: 180 MbChromosomen: 3 Autosomen; X-;Y-Chromosome (2n = 8)Genomsequenz (2000)Genzahl: 13,000 Durchschnittsgrösse der Gene: 3 kb, 4 Exon/GenHomologie zu menschlichen Genen: 50% Transposon P-element

www.schule.provinz.bz.it/nikolaus-cusanus/

www.ebi.ac.uk/.../drosophyla.html

Lebenszyklus: 12 Tage

Körpergrösse:3mm

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Fruchtfliege –Drosophila melanogaster

Genetische Modifikationen:• Standard mutagenese (Chemikalien, Bestrahlung)• Transgene (P-element vermittelt)• Gezielte Gene Knockouts (Induced replacement, RNAi,)• Genetische Kreuzungen einfach zu erstellen

Limitationen:Kein Wirbeltier oder Säuger

Wichtigste Erkenntnisse:

•Entwicklungsbiologie•Programmierter Zelltod•Zelldifferenzierung•Verhalten•Neurobiologie

Krankheiten:Beispiele: i.e. Chorea Huntington, Alzheimers, Aniridia

Aniridia

Stark eingeschränktes Sehvermögen Erstbeschreibung im Jahr 1818 (Dr. Bakri)Fehlen oder stark reduzierte Iris im AugeMakula und optischer Nerve können betroffen seinKatarakt und Veränderungen der Cornea sind häufigNystagmus (unfreiwillige Augenbewegungen)Amblyopia (lazy eye)

KongenitalSporadisch und vererbbare FormAutosomal dominant (häufigste Form)

Erst in den 90er Jahren wurde der genetische Defekt mit dem Gen Pax6 in Zusammenhang

gebracht

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PAX6 Homologe und Phänotyp

Drosophila: eyeless (ey)

Maus: smalleye (Sey) Mensch: Aniridia

wt

ey/ey

wt

Sey-/+

Sey-/-Hill et al., 1991 Nature

Auge eines Anirida Patienten (PAX6+/-) (Foto: Dr K, Ramaesh, University of Edinburgh). Note the cornealopacity associated withvascularisation.

www.abdn.ac.uk

Human

Maus

Drosophila

PAX Homeo DNA Protein

99% 94%

65% 58%

www.exploratorium.edu/imaging

Beispiel 2

Lernen von der Maus und vom Hund

Beim Hund und Mensch tritt die Krankheit Leber congenitale amaurosis (LCA) spontan auf.

Leber congenitale amaurosis (LCA) wurde in der Maus und im Hund untersucht. Im Tier und Mensch wurden homologe Gene identifiziert, die zu LCA führen. Basiert darauf konnte ein Therapieansatz entwickelt werden, der für Hund und Mensch erfolgreich ist.

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Maus –Mus musculus

Steckbrief:Genomgrösse: 2600 MbChromosomen: 19 Autosomen; X-;Y-Chromosome (2n = 40)Genomsequenz (2002)Genzahl: 30,000 Durchschnittsgrösse der Gene: 40 kb, 8.3 Exon/GenHomologie zu menschlichen Genen: 99% Ahnlichkeit zu menschlichem Genom: 86%

Geburt zu Geburt: 10 - 13 Wochendurchnittlich 5 Würfe5-10 Nachkommen / Wurf

Grösse: 80 mm

Gerichtete Mutagenese

Voraussetzung: Das krankheitsverursachende Gene muss bekannt sein. Der Effekt ist entweder eine Null, ein Hypomorph oder dominant.

Erzeugung von Transgenen (exogene Genkopie wird in Zellen eingebracht)

Gezielte Inaktivierung von Genen (endogene Genkopiewird verändert) «Gene Targeting» oder «Knock Out» bzw. «Knock In»

Beide Strategien sind bei der Maus entwickelt worden und sehr gut etabliert und erfolgreich eingesetzt.

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ex 2 ex 3 WT-Gen in ES-Zellen

Konstrukt für homologe Rekombination

ex 1 ex 2 ex 3

ex 2 ex 3

ex 1

NEOM

NEOM

NEOM

homologe oder artifizielle Rekombination,WT-Gen wird durch mutierte Genkopie ersetzt

knock in (Homologe Rekombination)

Insertion eines zu untersuchenden Transgens an eine bestimmte Stelle im GenomWichtig wenn die Expression eines Gens untersucht werden soll

knock out (Homologe Rekombination)

ex 1 ex 2 ex 3 WT-Gen in embryonalenStammzellen

Konstrukt für homologe Rekombination

ex 1 ex 2 ex 3

ex 2 ex 3

NEO

NEOhomologe oder artifizielle Rekombination,sehr seltenes Ereignis, WT-Gen wird durch inaktivierte Genkopie ersetzt

NEO

Zur Eleminierung eines bestimmten Gens oder Teile davon

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Selektionsprozess

A neor tk

A A

A neor A neor tk

neomycin

A neor A neor tk

gancyclovir

A neor

Vector construct

Targeted gene insertion Targeted geneinsertion

no insertion

Cells killedby neomycin

Cells killed bygancyclovir

Cells we want

Modified after www.scq.ubc.ca/studying-gene-function-creating-knockout-mice/

Einbringen der DNA Konstrukte

http://users.rcn.com/jkimball.ma.ultranet/BiologyPages/T/TransgenicAnimals.html

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Leber congenital amaurosis (LCA)

Häufigkeit: ~ 1 : 80,000

Genetik:

- häufigste Fälle sind autosomal recessiv, kann aber auch autosomaldominant sein

- etwa 15 Gene bekannt (RPE65: 3-16% von LCA; AIPL1)

- Probleme mit Photorezeptorzellen

Klinik:

- Verlust des Sehvermögens, schwer betroffenes Elektroretinogram

- gestörte Pupillenreaktion

- Nystagmus

- Variabilität im Erscheinungsbild

- Gentherapie seit 2007

Retinal Pigment Epithelium-specific 65 kDa protein (RPE65)

Protein lokalisiert im Retinalen Pigment Epithelium (RPE)Funktion: Regeneration des Sehpigments

Chromosom 1.31: 14 exons

Mutationen im RPE65 verursachen autosomal recessive LCA

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Tiermodelle für LCA

Hund (Schwedischer Briard)4bp Deletion in REP65 führt zu einer Verschiebung des Leserasters und somit zu einem verfrühten Kettenabbruch während Proteinsynthese

a) Wild typb) PRE65 Mutantec) PRE65 Mutante injeziert mit dem viralen Vector AAV un einer wild typ Kopie RPE65

(AAV-adeno-associated virus; nicht pathogen; funktioniert zum Einbringen der DNA)

RPE cultured canine cells. Immunolabeled with anti-RPE65 antibody, with nucleistained with propidiumiodide.

Acland et al., 2001

Tiermodelle für LCA

AAV-wild type RPE65 injected into affected dog eye

a-c) Elektroretinogram

d-e) Reaktion der Pupille

Verhalten wurde 4 Monate nach Injektion getestet.Tiere konnten Gegenstände erkennen und Kollisionen vermeiden.Erfolge sind lang andauernd (etwa 9 Jahre).Keine negativen Beobachtungen.

In dieser proof-of-concept Studie konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass

Gentherapie das beeinträchtigte Sehvermögen in einem grossen Tier

wieder herstellen kann.

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Gentherapie im Mensch für LCA

Der grosse Durchbruch im Jahr 2008

Gentherapie im Mensch für LCA

•The needle is inserted through the eye and into the retina.

•The replacement gene is injected between the two layers of cells which make up the retina. It is a faulty gene in the pigment layer which is preventing the photoreceptor cells from detectinglight.

•Once treated, the cells in the pigment layer are restored and can support the photoreceptor cells to detect light as normal.

•The photoreceptor cells can now send nerve impulses to the optic nerve for transmitting to the brain.

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Warnung

Dieser Erfolg wurde zum “Schlager” in der Augenheilkunde

“Mein Kind hat LCA: Warum wird es nicht zurTherapie zugelassen?”

Wichtige Gesichtpunkte um eine Behandlung zu rechtfertigen:

Beide Allele von RPE65 müssen betroffen sein und das richtige Segregationsmuster zeigen

Genetische Diagnose muss korrekt sein

Nur ein kleiner Teil der LCA Patienten trägt ein mutiertesRPE65 Gen

Aryl hydrocarbon interacting protein like 1 (AIPL1)

Protein lokalisiert in der RetinaFunktion: Proteinmodifizierung, Chaperone for Phosphodiesterase

Chromosom 17p13.1 : 6 exons

Mutationen in einem weiteren Gen, AIPL1, verursachen autosomal recessive LCA

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Maus Aipl1

Gezielte Mutagenese für KO Allele

RNA

Protein

DNA

Mutagenese für Hypomorph (Knock down)

DNA

Konstrukt

RNA

Protein

Schnelle Zelldegeneration Langsame Zelldegeneration

LCA Gentherapie mit AIPL1 im Mausmodell

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Beispiel 3

Lernen von der Maus durch Einführung humaner Krankheit

„So ganz einfach ist es nicht“

In der Maus ist das Krankheitsbild der amyotrophenLateralsklerose (ALS) ähnlich wie beim Mensch; mit Hilfe von gerichtete Mutationen in der Maus versucht man den Mechanismus der Krankheit zu verstehen

Häufigkeit: ~ 1 : 75´000

Genetik: Grund(e) noch nicht bekannt, aber Vermutungen

Männer > Frauen

~ 10% familiär – autosomal dominant

Mutationen in SOD1 (Cu/Zn Superoxiddismutase)

Klinik: unheilbar

- Neurodegenerativ mit fortschreitender Zerstörung der motorischen Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark

-Erkrankungsmanifestation im 40.-60. Lebensjahr

- Bewegungsstörungen bis vollständige Lähmung

- Sprech-, Atem- und Schluckbeschwerden

- keine intellektuellen, Hör- oder Sehleistungseinbussen

amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

http://3158091.blogspot.com/

www.alsa.org/student

Stephen Hawking, Astrophysiker

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ALS – eine Reise ins Ungewisse

Transgene Maus mit menschlichem mutiertem SOD1 Gen (G93A)

Phenotyp:4 Monate: Fortschreitende Muskelschwäche und Atrophie in Hintergliedmassen5 Monate: TodVerlust motorischer Nervenzellen im Rückgrat

1. G93A Mutation beeinflusst nicht Aktivität, aber führt zu toxischem Enzym.

2. Homozygote Nullmäuse sind normal.3. Normales hSOD1 ist über-exprimiert, aber kein Phänotyp.4. Expression ist nicht zellautonom (Mikroglia Zellen)

Gewünschte Erfolg blieb aus

amyotrophe Lateralsklerose (ALS)

Neuer Ansatz mit IGF1 (Insulin-like growth factor 1) Gen

•Genabgabe durch AAV Viren nach Injektion in MuskelAAV-IGF Partikel wandern in Nervenzellen hinein (Kaspar et al., 2003)•Injektion in CNS noch besser (Dodge et al., 2008)

• Mäuse entwickeln Symptome etwa 31 Tage später als unbehandelte Tiere• Behandelte Mäuse leben etwa 40 Tage länger als unbehandelte Tiere• Positive Wirkung nicht nur bei Injektion bevor Symptome sichtbar sind

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Schlussfolgerung

Experimentelle Genetik am Menschen istnicht erlaubt

Verantwortliche Tierexperimente könnendem Mensch helfen die Ursachen und

Mechanismen von Krankheiten zuverstehen

Diese Information kann zur Entwicklungvon Therapien führen

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