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I m Jahre 1987 hatte Marshall gleich zwei gute Gründe, die Korken knallen zu las- sen: Die Firma feierte ihr 25-jähriges Be- stehen, und Gründer Jim Marshall konnte erfolgreich auf sein 50. Jahr in der Musik- branche zurückblicken. Mit den limitierten Amps der Silver-Jubilee-Serie wollte man die treue Musikergemeinde an dem bis dato stetig gewachsenen Erfolg der Firma – besonders seit Einführung der JCM-Serie im Jahr 1981 – teilhaben lassen. Die vierteilige Baureihe bestand insgesamt aus zwei Combos, einem mit 25 Watt und einem Zwölf-Zoll-Speaker, sowie einer größe- ren Version mit 50 Watt und zwei Zwölf-Zoll- Lautsprechern. Die Topteile 2550 und 2555 leisteten 50 beziehungsweise 100 Watt, wobei letzterer als beliebtester Amp der Jubiläums- serie galt. Als prominentester Verehrer dieses Verstär- kers gilt Slash, dessen späterer Signature-Amp 2555 SL in nahezu allen Belangen auf dem 2555 basierte. Laut Saul Hudson soll sein 2555 auf einigen GNR-Alben zu hören sein; außerdem nahm er ihn dreimal mit auf Welt- tournee. Sogar einige turbulente Handgreif- lichkeiten mit Frontknaller Axl Rose soll der 2555 unbeschadet überstanden haben. Wenn das mal kein amtliches Reifezeugnis für einen Amp ist! Andere bekannte Nutzer waren Steve Morse, Warren DeMartini, Steve Cropper, Bill Frisell und Joe Bonamassa, der seinen Silver Jubilee bis heute gerne brutzelt. Im ersten Pro- duktionsjahr wurden angeblich 3.000 Geräte dieser Serie gebaut. Somit konnten sich alle jene glücklich schätzen, die einen ergattern konnten. Umso erfreulicher dürfte die Ankün- digung von Marshall sein, dass die Reissue- Version 2555X dauerhaft im Produktportfolio geführt werden soll. Look & Outfit Bekanntermaßen gehört die Farbkombination Schwarz/Gold bei so ziemlich allen wichtigen Marshall-Amps genauso dazu wie der schwar- ze Zylinder auf Slashs Lockenpracht. Marshall 2555X Silver Jubilee Jubel-Amp mit Reifezeugnis Eine Zeitlang galt er als einer der gefragtesten Marshall-Amps überhaupt. Kein Geringerer als Slash adelte ihn als unverwüstlichen Begleiter auf Tour und im Studio. Nun zollt Marshall dem Silver Jubilee 2555 mit einer Neuauflage Tribut. Und das schon zwei Jahre vor dem 55-jährigen Firmenjubiläum. 106 GUITAR-DREAMS verstärker 9/15 PPVMEDIEN 2015

Marshall 2555X Silver Jubilee - musik-produktiv.ch · Speaker-Ausgänge, Footswitch, DI-Output und der Effekt-Loop mit Send und Return nicht unbedingt in der Lautstärke, sondern

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Im Jahre 1987 hatte Marshall gleich zwei gute Gründe, die Korken knallen zu las-sen: Die Firma feierte ihr 25-jähriges Be-stehen, und Gründer Jim Marshall konnte erfolgreich auf sein 50. Jahr in der Musik-branche zurückblicken. Mit den limitierten Amps der Silver-Jubilee-Serie wollte man die treue Musikergemeinde an dem bis

dato stetig gewachsenen Erfolg der Firma – besonders seit Einführung der JCM-Serie im Jahr 1981 – teilhaben lassen.

Die vierteilige Baureihe bestand insgesamt aus zwei Combos, einem mit 25 Watt und einem Zwölf-Zoll-Speaker, sowie einer größe-ren Version mit 50 Watt und zwei Zwölf-Zoll-Lautsprechern. Die Topteile 2550 und 2555 leisteten 50 beziehungsweise 100 Watt, wobei letzterer als beliebtester Amp der Jubiläums-serie galt.

Als prominentester Verehrer dieses Verstär-kers gilt Slash, dessen späterer Signature-Amp 2555 SL in nahezu allen Belangen auf dem 2555 basierte. Laut Saul Hudson soll sein 2555 auf einigen GNR-Alben zu hören sein; außerdem nahm er ihn dreimal mit auf Welt-tournee. Sogar einige turbulente Handgreif-lichkeiten mit Frontknaller Axl Rose soll der 2555 unbeschadet überstanden haben. Wenn das mal kein amtliches Reifezeugnis für einen Amp ist!

Andere bekannte Nutzer waren Steve Morse, Warren DeMartini, Steve Cropper, Bill Frisell und Joe Bonamassa, der seinen Silver Jubilee bis heute gerne brutzelt. Im ersten Pro-duktionsjahr wurden angeblich 3.000 Geräte dieser Serie gebaut. Somit konnten sich alle jene glücklich schätzen, die einen ergattern konnten. Umso erfreulicher dürfte die Ankün-digung von Marshall sein, dass die Reissue-Version 2555X dauerhaft im Produktportfolio geführt werden soll.

Look & OutfitBekanntermaßen gehört die Farbkombination Schwarz/Gold bei so ziemlich allen wichtigen Marshall-Amps genauso dazu wie der schwar-ze Zylinder auf Slashs Lockenpracht.

Marshall 2555X Silver Jubilee

Jubel-Amp mit ReifezeugnisEine Zeitlang galt er als einer der gefragtesten Marshall-Amps überhaupt. Kein Geringerer als Slash adelte ihn als unverwüstlichen Begleiter auf Tour und im Studio. Nun zollt Marshall dem Silver Jubilee 2555 mit einer Neuauflage Tribut. Und das schon zwei Jahre vor dem 55-jährigen Firmenjubiläum.

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Der Reissue-Amp kommt jedoch im silber-farbenden Vinylbezug und mit verchromtem Front- und Rückpanel daher. Auch andere typisch goldfarbene Marshall-Amp-Elemente – wie etwa die Reglerknöpfe oder der röhren-förmige Keder (englisch: piping) zwischen Gehäuse und Frontplatte –, haben einen silbernen Anstrich erhalten.

Auf dem back panel befinden sich insge-samt fünf Anschlussmöglichkeiten für Laut-sprecherboxen, passend zum entsprechenden Impedanz (siehe Facts-Kasten). Außerdem be-sitzt der Amp einen Anschluss für einen Fuß-schalter, einen DI-Ausgang und einen seriel-len Effektweg. Auf dem Frontpanel ist neben Jim Marschalls Unterschrift die Bezeichnung JCM 25/50 zu lesen. Das Kürzel JCM erinnert an die legendären Modelle JCM800 2203 und 2204 aus dem Jahr 1981, auf denen der Silver Jubilee teilweise optisch und größtenteils in technischer Hinsicht basiert. Die Zahlenkom-bination 25/50 ist einerseits eine Anspielung auf das doppelte Jubiläum aus dem Jahr 1987.

Andererseits wollten die Entwickler auch augenzwinkernd auf die damals bei Marshall erstmalig eingeführte Umschaltmöglichkeit von Trioden- auf Pentodenbetrieb anspielen. Beim Modell 2550 konnte die Ausgangsleis-tung von 25 auf 50 Watt verändert werden, beim Modell 2555 geschieht dies dementspre-chend von 50 auf 100 Watt.

Neben den obligatorischen Schaltern Mains und Standby befindet sich auf der lin-ken Seite der Frontplatte die Schaltoption High/Low für das Umschalten zwischen Pen-toden- und Triodenbetrieb. Der Unterschied zwischen den beiden Betriebsmodi liegt aber C

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Majestätisch wachen die EL34-Endstufenröhren im Inneren des Amps; die kleineren ECC83-Vorstufenröhren sind im Hintergrund zu sehen

Jim Marshalls Schriftzug darf auf der Neuauflage des Silver Jubilee nicht fehlen

Die Regler Output-Master und Input-Gain kommen mit Push/Pull-Switch

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Regler aufgedreht wird, desto intensiver wird das Signal. Weit aufgerissen, erhält man einen gut gefütterten und singenden Cleansound, der erst kurz vor seinem maximalen Anschlag leicht zu zerren beginnt.

Dank pfiffiger Verschaltung hat Input-Gain jedoch noch mehr zu bieten. Der Regler ist mit einer Push/Pull-Funktion versehen, so dass bei herausgezogenem Regler dem Signal eine gute Portion Zerre hinzugefügt werden kann. Bei niedrigen Gain-Einstellungen im Rhythm-Clip-Modus – Regler ist herausgezo-gen – wird man mit einem leicht knisternden Sound belohnt. Kräftigere Anschläge kratzen schon deutlich heftiger und beweisen das ausgeprägte Dynamikverhalten des Amps. Ein wahrer Genuss für die Veredlung von Rock-Balladen.

Hohe Gain-Einstellungen liefern hingegen eine gute Grundlage für crunchige Klänge. Akkorde dringen nun fauchend und beißend aus der Box, wobei der Sound dem Hardrock-Fan durch seine reichen Obertöne ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert. Der Wechsel vom Clean-Sound in den Modus Rhythm-Clip zieht eine leichte Lautstärkereduktion nach sich, was mittels Output Master wieder ausgegli-chen werden kann.

SolokanalPer mitgeliefertem Fußschalter oder per Push/Pull-Funktion am Regler Output Master lässt sich ein zusätzlicher Kanal anwählen, der eine höhere Intensität als der Cleankanal aufweist. Anders gesprochen: Der Leadkanal hat deut-lich mehr Power unter der Haube. Im Vergleich

MARSHALL 2555X SILVERJUBILEE

FACTS

Herkunft Großbritannien

Leistung 100 Watt an 16 Ohm,

1,5 Watt an 8 Ohm

Kanäle 2

Röhren 3 x ECC83 (Vorstufe),

2 x EL34 (Endstufe)

Regler Presence, Bass, Middle, Treble,

Output Master, Lead Master,

Input Gain

Schalter Power, Standby, Low/High

Output; Push/Pull Rhythm Clip

Anschlüsse Input, 5 x Speaker Out (1 x 16

Ohm; 1 x 8 oder 2 x 16 Ohm;

1 x 4 oder 2 x 8 Ohm),

DI Out, Footswitch,

FX Loop (Send, Return)

Maße 75 x 23 x 31 cm (B x H x T)

Gewicht 22,1 kg

Internet www.marshallamps.com

Empf. VK-Preis 1.773,- €

Preis-Leistung

Speaker-Ausgänge, Footswitch, DI-Output und der Effekt-Loop mit Send und Return

nicht unbedingt in der Lautstärke, sondern vielmehr im Klangcharakter. Im Pentoden-modus arbeiten fünf Röhrenelemente in den EL34-Endstufenröhren, im Triodenmodus le-diglich drei. Das wirkt sich auch auf den Klang aus, denn im Low-Betrieb hat der Sound mehr Wärme und klingt im Allgemeinen etwas runder und ausgeglichener. Im Pentoden-modus mit 100 Watt geht der Silver Jubilee hingegen etwas aggressiver und mit mehr Biss

zu Werke. Für die Klangregelung steht ein klassischer Dreiband-EQ mit den Reglern Bass, Middle und Treble bereit.

Crunch auf ZugHinzu kommt der Regler Presence, mit dem noch mehr Höhenanteile zum Ausdruck ge-bracht werden können. Input Gain füttert die Röhrenvorstufe und bestimmt die Gesamt-sensitivität der Input-Schaltung. Je mehr der

Die Modelle der Vintage-Reissue-Serie kommen aus good ol’ England

Für alle was dabei: 1 x 16 Ohm, 1 x 8 Ohm (2 x 16 Ohm) und 1 x 4 Ohm (2 x 8 Ohm)

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GUITAR-DREAMS verstärker

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zum Cleankanal mit aktiviertem Rhythm-Clip setzt der Leadkanal noch eine ordentliche Schippe Druck und Durchsetzungsfähigkeit obendrauf.

Selbst bei relativ niedriger Gain-Wahl fällt es nicht schwer, lang anhaltende und singende Töne zu formen. Schon der Original-Silver-Jubilee war für sein starkes Sustainverhalten bekannt. Auch im Leadkanal ist die Kombina-tion mit dem Rhythm-Clip möglich. Der Klangunterschied ist sehr subtil. Der Rhythym-Clip zieht eine Kompression nach sich, die einen Einfluss auf das Dynamikverhalten hat. Während der Leadkanal ohne Rhythm-Clip ein wenig breitflächiger und gedämpfter röhrt, klingt es mit herausgezogenem Regler etwas straffer und kompakter. Eine reine Ge-schmacksfrage.

Speziell für den Leadkanal hat die EQ-Sektion unmittelbaren Einfluss auf die Cha-rakteristik des Sounds. So lässt sich allein mit dem Mittenregler sehr effektiv arbeiten, so dass Klangoptionen formbar sind, die von tra-ditionellem Hardrock bis zu modernem Metal reichen. Ein Verzicht auf die mittleren Fre-quenzen hat einen stark komprimierten, aber dennoch drückenden Sound zur Folge, da gleichzeitig Bässe und Höhen betont werden. Der Sound ändert sich grundlegend ab einer Mittenreglerstellung zwischen 6 und 7. Der Sound ertönt offener und breiter und hebt sich deutlich besser im Mix ab. Das oftmals be-schworene Mittenbrett lässt grüßen.

Schichten statt schaltenAb einer Einstellung zwischen 7 und 8 am Lead Master erreicht der Amp seinen sweet spot und produziert eine ungemein offene und satte Verzerrung. Für die meisten Hardrocker oder Sleazer dürfte dieser mittengeschwän-gerte und obertonreiche Gain-Cocktail das Nonplusultra sein. Für einige Metal-Stilrich-tungen könnte der Sound dennoch etwas zu wenig Bässe enthalten und zu kratzig klingen.

Am eher mittenreichen Sound dürften auch die Celestion-Vintage-30-Lautsprecher einen großen Anteil haben. Wer eher härtere Metal-Stilrichtungen bevorzugt, sollte lieber

MARSHALL 2551AV SILVER JUBILEE

FACTS

Herkunft Großbritannien

Belastbarkeit 280 Watt

Impedanz 16/4 Ohm (Mono); 8 Ohm (Stereo)

Speaker 4 x Celestion Vintage 30

Maße 77 x 75,5 x 36,5 cm (B x H x T)

Gewicht 40,6 kg

Internet www.marshallamps.com

Empf. VK-Preis 1.308,- €

Preis-Leistung

zu Lautsprechern mit einer kräftigeren Bass-wiedergabe greifen.

Das Besondere am Silver Jubilee war seinerzeit nicht die erweiterte Funktion eines Solokanals gegenüber dem Vorgänger JCM 800 - Marshall hatte ja bereits 1982 die Modelle 2205 und 2210, damals die ersten Rock-Amps mit Cleankanal, auf dem Weltmarkt überhaupt vorgestellt. Deshalb verfolgte man beim 2555 nie den Anspruch, einen lupenreinen Zwei-kanaler zu schaffen. Die Besonderheit liegt darin, wie der Sound erzeugt werden kann.

Die Möglichkeiten zur Klangformung beim 2555X mittels EQ, Gain- und High/Low-Schaltung gestalten sich anfangs etwas komplexer und verlangen eine gewisse Einge-wöhnungszeit. Dadurch wirkt der Amp nicht ganz so flexibel, wie ein klassischer Zwei-kanaler. Die unterschiedlichen Modi Clean, Crunch und High-Gain bauen aufeinander auf und sind dadurch, was EQ- und Gain-Ein-stellungen betrifft, nicht separat einstellbar.

Außerdem sollte man sich bewusst sein, dass die Umschaltung auf den Rhythm-Clip nicht per Fußschalter steuerbar ist. Wer aber ohne-hin seinen Sound nach verschiedenen Gain-stufen „schichtet“ und für weitere Soundexpe-rimente Bodenpedale einsetzt, dürfte mit dem 2555X mit seinem bärenstarken Marshall-Sound sehr zufrieden sein.

Das bleibt hängenNach zahlreichen Anfragen bietet Marshall den ehemals limitierten Silver-Jubilee-Amp 2555 nun für jedermann an. Das Reissue-Modell 2555X wird in England gefertigt und ist – gemessen am Prestige seines renom-mierten Vorgängers – zu einem überraschend moderaten Preis zu haben. Die Einsatzgebiete des Silber-Marshall reichen von Blues über Rock bis Metal, sind aber generell für Stilrich-tungen gedacht, die nach einem satten, mit-tenbetonenden Sound verlangen. Lukas Freitag

Die Bezeichnung JCM 25/50 erinnert an Marshalls 25-jähriges Firmenjubiläum im Jahr 1987

Die Bias-Messpunkte sind ohne Ausbau aus dem Chassis zugänglich

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