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Materialheft Taksi to Istanbul Ein Projekt des COMEDIA Förderkreis e.V. Vondelstrasse 4-8, Vorsitz: Elfi Scho-Antwerpes COMEDIA Theater Köln, Vondelstraße 4-8, 50677 Köln, Telefon. 0221 888 77 333 Theaterpädagogik. Hanna Westerboer und Bettina Frank Redaktion. Bettina Frank

Materialheft - kulturstadtlev.de fileLiebe Lehrer_innen, wir laden Sie mit diesem Materialheft ein, sich und Ihre Gruppen auf das Stück einzustimmen und nach dem Theaterbesuch das

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Materialheft

Taksi to Istanbul

Ein Projekt des COMEDIA Förderkreis e.V.Vondelstrasse 4-8, Vorsitz: Elfi Scho-Antwerpes

COMEDIA Theater Köln, Vondelstraße 4-8, 50677 Köln, Telefon. 0221 888 77 333 Theaterpädagogik. Hanna Westerboer und Bettina Frank Redaktion. Bettina Frank

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Liebe Lehrer_innen,

wir laden Sie mit diesem Materialheft ein, sich und Ihre Gruppen auf das Stück einzustimmen und nach dem Theaterbesuch das Gesehene zu vertiefen.

Im Materialheft finden Sie wieder viele spielerische Anregungen und Hintergrundinformationen für die Arbeit mit Ihren Schüler_innen und sich selbst.

Ich spreche kein Türkisch. Nein. Wieso sollte ich? Alle fragen das. Seh ich so aus? Sprichst du Russisch? Hallo ich hab dich was gefragt. Ob du Russisch sprichst? Eben. Warum solltest du.Ich spreche auch kein Russisch. Ich spreche Ukrainisch. Weil meine Eltern daher kommen.Und ich spreche Kölsch. Weil ich aus Köln komme. So ist das nämlich.

Fragment aus Probentext von„Taksi to Istanbul“

Mit herzlichen Grüßen.Die Theaterwerkstatt des COMEDIA Theaters

Hanna Westerboer und Bettina Frank

Vielen Dank an die Premierenklasse der Albert-Schweitzer-Realschule: Klasse 6a mit Frau Cogel, für den lebendigen Austausch mit ihnen, ihre Ideen, herrlichen Speisen und ihre Interviews.

Den Experts Senem, Leyla, Bahast und Handan danken wir herzlich für ihre Neugier an dem Probenprozess, ihr Feedback und ihre Spiellust.

Zahlreichen Kölner Kindern und Jugendlichen danken wir für ihr Vertrauen und ihre Offenheit in den Interviews.

Für die Zusammenarbeit und großes Engagement danken wir den Sozialarbeiter_innen der Jugendzentren und den Jugendpfleger_innen Kölns.

Herzlichen Dank für die Beiträge von Manuel Moser, Hannah Biedermann, Judith Ph. Franke, Sibel Polat und Faris Metehan Yüzbasioglu.

Besonderen Dank an den Förderkreis des COMEDIA Theaters Köln und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein- Westfalen für die Förderung und Unterstützung dieses Projektes.

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Inhaltsverzeichnis

Das Rechercheprojekt „Taksi to Istanbul“

Warum Recherchetheater?Zielstellungen, Visionen, Herausforderungen S. 4

Die Entstehung des Stücktextes „Taksi to Istanbul“Vom Interview zur Inszenierung S. 5

Das Recherchematerial:Kölner Kinder/ Jugendliche über Heimat, Identität, Sehnsucht, Fernweh S. 7

Spielpraxis zu „Taksi to Istanbul“Los geht’s! Aufwärmspiele S. 11

Aspekte der Inszenierung spielerisch aufgreifenEinstieg ins Thema S. 13Thema Identität S. 14Thema Zuhause, Fernweh, Reisen S. 19

Die Inszenierung „Taksi to Istanbul“

Inhalt der Inszenierung S. 22

Vitae Team S. 24

Regisseur Manuel Moser über Inszenierungsansatz und Projektidee S. 27

Schauspieler_in Sibel Polat und Faris Yüzbasiogluüber den Probenprozess der Produktion „Taksi to Istanbul“ S. 28

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. Das Rechercheprojekt „Taksi to Istanbul“

Warum Recherchetheater?Zielstellungen, Visionen, Herausforderungen

Theater für Kinder wird von Erwachsenen gemacht. So sind die Lebenswirklichkeiten von denjenigen auf der Bühne und denjenigen davor oft weit voneinander entfernt.Wie schafft man es, dass sich im besten Fall, trotzdem jedes Kind im Publikum gemeint fühlt von dem, was im Stück passiert? Dass jede_r an der eigenen Erfahrungswelt anknüpfen kann?

Hinzu kommt die Frage danach, wen Theater betrifft, wenn man sich die Diversität der Gesellschaft anschaut. Wie werden Menschen unterschiedlicher Kulturen auf der Bühne (re)präsentiert? Wessen Themen werden verhandelt? Wer hat Teil an Gesellschaft und an Kultur?

Kunst generell und Theater im Besonderen haben das Potential, Mehrdeutigkeit abzubilden und ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu behandeln. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen ist es, sich in andere Kontexte außerhalb des Theaters zu begeben und das angestrebte Publikum selbst zu befragen. Durch die hier gemachten Erfahrungen kann ein Stück ganz nah an der Erfahrungswelt der Kinder und Jugendlichen entwickelt werden. Sie können so selbst zu Wort kommen, statt Zuschreibungen von außen zu erleben und ihre Themen bekommen auf der Bühne eine Öffentlichkeit.

In diesem Format recherchiert nicht ein_e Autor_in vorab, sondern es suchen und sammeln Schauspieler_innen, Regisseur_in, Dramaturg_in, Theaterpädagog_in und Bühnenbildner_in gemeinsam zum Thema. So finden die Fragen und Gedanken jedes Teammitglieds Einfluss auf Inhalt und Form der Inszenierung. Es entsteht eine starke Identifikation mit diesem Ergebnis und der persönlich Bezug ist in diesem Fall bei den Aufführungen spürbar.

Die Offenheit in der Suche führt meist zu einer offenen Form auf der Bühne. Die gefundenen Materialien stehen teils wie Fragmente nebeneinander undbilden in einer Collage ein Kaleidoskop von Gesellschaft ab.

Schüler beim Interview im Taksi

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Die Entwicklung des Stücktextes „Taksi to Istanbul“:vom Interview zum Bühnenstück

Zu Beginn der Recherche zu „Taksi to Istanbul“ stand eine intensive Interviewphase in diversen Stadtteilen von Köln. In einem mit Videokamera und Mikrofon ausgestattet Auto wurden an unterschiedlichsten Orten Kinder und Jugendliche aufgesucht und zu ihrem Lebensalltag befragt. Hierbei standen kulturelle Identitäten im Mittelpunkt des Interesses. Was beschäftigt die Befragten? Und wie beschreiben sie ihre Heimat, ihre Familie, ihre Wünsche und Ängste?

Schüler beim Interview im Taksi

Zum anderen trugen während des gesamten Probenprozesses auch die drei Schauspieler_innen immer wieder eigene Erfahrungen und Geschichten aus ihren Biografien zum Stück bei.Dieses Material ist zu Beginn unbearbeitet, also nicht künstlerisch verdichtet. Die Interviews sind natürliche Gespräche, die nicht immer direkt aussagekräftige Sätze liefern. Auch die Erzählungen der Darsteller sind zunächst anekdotenhaft oder entstehen in einer Diskussion außerhalb der Proben.

Es ist jetzt vorwiegend die Aufgabe der_s Regisseur_in und der_s Dramaturg_in aus den Eindrücken eine künstlerische Phantasie zu entwickeln und szenische Entwürfe zu erarbeiten.Dabei konzentriert sich die Arbeit des_r Regisseur_in auf das Entwickeln von szenischen Vorgängen auf der Bühne. Er stellt den Spieler_innen Improvisationsaufgaben zu Themenfeldern und entwickeln aus den darauf folgenden Angeboten eine Szene. Er achtet hierbei auf ästhetische Impulse wie eine bestimmte Bewegung, ein Wort oder das Verhalten der Spieler_innen zu einander. In der Wiederholung wird der Fokus auf diesen Impuls gelegt und an der Verstärkung des interessantes Aspektes gearbeitet. Im Verlauf der Proben kristallisieren sich so Motive und künstlerische Mittel heraus, die die Inhalte aus dem Recherchematerial bestmöglich verdichten und transportieren.

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Die_der Dramaturg_in arbeitet vorwiegend am Text und am Gesamtbogen des Stückes. Sowohl die Interviews als auch die Texte aus Improvisationen werden transkribiert und dann sprachlich bearbeitet. Manchmal werden nur Themen übernommen, manchmal ganze Sätze. Die Textarbeit besteht also zum einen daraus, die Sprache selber genau anzuschauen: welche Wörter werden benutzt, wie entsteht ein Sound, ein Rhythmus. Zum anderen wird untersucht, wie man durch die Aufteilung des Textes die Beziehung der Spieler_innen/Figuren erzählen kann.Aus verschiedenen kleinen Textfragmenten entsteht so nach und nach eine Reihenfolge. Im Zusammenspiel mit den szenischen Entwürfen vom Regisseur wird eine logische, sich entwickelnde Abfolge gebaut, die am Ende ein in sich schlüssiges Stück ergibt. Die Materialien (Interviews, Zeitungsartikel, Fotos,...) werden in szenischer Form gestaltet und verdichtet, häufig bleibt dabei der Bezug zum real-existierenden Ausgangsmaterial erkennbar bestehen. So kann, wie auch bei „Taksi to Istanbul“, oft nicht nur von Recherchetheater gesprochen werden, sondern auch von einem partizipatorischen Ansatz, der sich auf allen Ebenen des Projekts wiederfindet.

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H: Irgendjemand Ayran?S/F: Nein danke.H: Döner?S/F: Nein Danke.H: Chicken Mc Nuggets?S/F: Au ja!H: Hab ich leider nicht dabei.

Zuhause esse ich am liebsten Gemüse.S: In der Türkei?H: Nein in Krefeld.F: Wie jetzt Krefeld? Du bist alle drei Minuten

was anderes...H: Was willst du denn jetzt damit sagen? Dass

ich nicht weiß wo ich herkomme?F: Na steh doch einfach mal dazu was du bist...

Auszug aus dem Probentext von „Taksi to Istanbul“

Das Recherche- Material:

Kölner Kinder und Jugendliche über Heimat, Identität, Sehnsucht, Fernweh

Schülerinnen beim Interview im Taksi

Für das Projekt „Taksi to Istanbul“ hat das Team mehrere Wochen Kölner Kinder und Jugendliche befragt. Diese und zahlreiche andere Antworten haben wir bekommen:

Drei Beispiele aus den Interviews

Michael (14)

Taksi-Team: Wann bist du glücklich?Michael: Wenn ich schlafe.Taksi-Team: Warum?Michael: Weil dann der Stress vorbei ist.

Cindy (14)

Taksi-Team: Wie wichtig ist Familie für dich?Cindy: Sehr wichtig. Taksi-Team: Warum?Cindy: Familie muss man ja...lieben.Taksi-Team: Was ist dir wichtig an Familie?Cindy: Die stehen hinter dir.Taksi-Team: Hat deine Familie dich schon mal beschützt?Cindy: Ja. Meine Mutter und mein Bruder. Wegen...Situationen mit meinem Vater.

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Büsra (14) Taksi-Team: Wo ist deine Heimat?Büsra: Köln! Köln ist bunt und ich mag den Dom. Meine Familie, meine Schule, meine Freunde. Die sind alle hier. Du denkst vielleicht, ist hässlich, aber ich mag sogar die Hochhäuser, guck!Taksi-Team: Wohin würdest du reisen, wenn du alle Zeit und alles Geld hättest?Büsra: Nach Koblenz.Taksi-Team: Wieso nach Koblenz? Was reizt dich dort?Büsra: Da ist mein Freund.Taksi-Team: Verstehe. Und wenn ihr beide zusammen reisen könntet, wohin würde es gehen?Büsra: In die Türkei, die Heimat. Zu meiner Familie.Taksi-Team: Ich dachte, Köln wäre deine Heimat?Büsra: Ja, wo ich wohne. Türkei ist die Heimat wo ich herkomme.

Taksi in Chorweiler

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Gesammelte Antworten aus den Interviewfragebögen der Premierenklasse

Taksi in Vingst

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Wo bist du in zehn Jahren?In der Türkei, Brasilien, Spanien und in Thailandin der USA mit meiner FamilieIn meiner Heimat TogoIn einem anderen Land vielleicht mit meiner Familie und wir bauen uns dort ein neues Leben aufIch habe Mathe studiert und wohne in meiner eigenen WohnungIn meiner eigenen Wohnungbei der Feuerwehr oder SanitäterFC Barcelonamit meinen Eltern in Syrienin Hessen

...und wer bist du in 10 Jahren?Ich habe mein Abi gemacht und werde Polizist oder Fußballerim Kosovo und kämpfe für die Rechte dortbei meinen Eltern und ich werde PolizistIch bin Banker in Amerikaich möchte in die Uni gehen und studierenAbitur, Chirurgich will mein Abi machenimmer noch der Gleiche, aber mit einem tollen BerufDa will ich einen Beruf haben – einen Beruf, der mir Spaß machtJemand mit einem Job

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Was bedeutet für dich Familie?

Mein LebenSie lieben mich so, wie ich bin. Auch wenn ich manchmal zickig bin.Alles! HelfenGemeinschaft, Spaß, Liebe, RespektZusammenhaltendass man immer für einen da ist Das Wichigste Familie ist so wundervoll, weil die dich immer unterstützen Gemeinschaft, Freundschaft, AnerkennungNur meine MutterZusammenhalt und kein StreitFamilie ist mein ganzes Leben auch wenn wir uns streitenPersonen die mir viel bedeuten und die für mich da sinddass alle zusammenhalten, egal was ist

Was unterscheidet dich von deinen Eltern?Meine Eltern arbeiten viel und bleiben Zuhause. Und ich mache manchmal Sport.Meine Mutter ist genau wie ich. Mein Vater ist wie mein Bruder.Dass ich sportlicher bin +vielesMeine Eltern verabreden sich nicht so oft mit Freunden wie ichFür meine Eltern ist ihr Leben arbeiten und am Wochenende ausruhen. Ich würde gerne was erleben.Die NaseIch bin gerne für michMeine Eltern sind schöner, schlauer, kreativer als ichDas ich viel sportlicher binAussehen und CharakterNixMeine Eltern sind ordentlich und ich bin chaotischIch bin sehr eigensinnigDass ich eine andere Hautfarbe habeDass man Ihnen nie widersprechen darfDass sie strenger sindIch bin besser in MatheMeine Mutter ist ein Typ, die immer alles locker sieht

Spielen zu „Taksi to Istanbul“

Los geht’s! Aufwärm-Spiele

Übungen mit den InterviewfragenDa die Produktion auf Interview-Material basiert, ist eine Möglichkeit des Einstieges in die Thematik die eigene Auseinandersetzung mit den Fragen, die das Taksi-Team Kölner Kindern und Jugendlichen im Vorfeld gestellt hat. Die folgenden drei Übungen lassen sich direkt an das Fragenmaterial anknüpfen.

Was ist ein häufiges Missverständnis in Bezug auf dich, was du jetzt mal klarstellen willst?Welche Grenzen hast du schon einmal überschritten?Was unterscheidet dich von deinen Eltern?Gibt es eine Geschichte, die deine Großeltern oder Eltern dir immer wieder erzählen?Was darfst du/darfst du nicht, was aber deine Freunde dürfen/nicht dürfen?Wenn du jetzt Geld und Zeit hättest, wie sähe deine Reise aus?Wie ist die perfekte Stadt? Was ist der schönste Ort, an dem du jemals warst?Was ist dein größter Wunsch?

1. Reporter sein In Paaren interviewen sich die Schüler_innen mit den obigen Fragen gegenseitig. Im Plenum werden Ergebnisse zusammengetragen und diskutiert.Für diese Form muss in der Klasse ein vertrauensvolles Klima unter den Schüler_innen herrschen, ansonsten sind die Fragen zu persönlich für das direkte Zweiergespräch. In diesem Fall eignet sich besser dass folgende Format der Papierdiskussion:

2. PapierdiskussionMehrere Statements oder Fragen werden auf einem sehr großen Papier (z.B. Tischdeckenrolle, Packpapier) im Raum verteilt. Die Schüler_innen haben jede_r einen Stift bei sich und laufen im Raum umher, lesen die Fragen und schreiben ihre Antworten zu der betreffenden Frage. Im ersten Durchgang beantworten die Schüler_innen die Fragen. In einem zweiten Durchgang dürfen sie sich entscheiden, entweder eine eigene Antwort hinzuzufügen oder sich auf eine bereits liegende Antwort zu beziehen und diese kommentieren. In weiteren Durchgängen kann das System weiter verfolgt werden, so dass ganze Diskussionen auf Papier entstehen. Der Vorteil dieser Diskussionsform ist eine größere Anonymität als im direkten Gespräch und der Umstand, dass immer wieder Abstand von den Statements entsteht und somit eine mögliche Hitzigkeit der Diskussion sich nicht gegen Personen selbst sondern Geschriebenes richtet.

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3. Alle, die...Dieses Spiel ist ein Reaktionsspiel und eignet sich gleichzeitig durch die Form als Übergang vom Gespräch ins Spielen.Alle Schüler_innen sitzen im Kreis, die Spielleitung ist in der Mitte ohne Stuhl. Diese sagt nun an, wer von den Sitzenden die Plätze wechseln muss: „Alle müssen die Plätze wechseln, die...mehr als eine Sprache sprechen.“ Alle Schüler_innen, auf die das Statement zutrifft wechseln die Plätze, die Spielleitung ergattert in dem Tumult einen Platz und der_diejenige, der_die in der Mitte und ohne Platz bleibt, stellt das nächste Statement.Dieses strukturell sehr einfache Spiel ist umso spannender, je mehr an die Interviewfragen angeknüpft wird und die Spielleitung die Schüler_innen ermutigt, in dieser Spielform etwas heraus zu finden über einander. Statements zur Kleidung z.B. sind langweilig, weil absehbar, interessanter sind Statements zu Dingen, die für die Schüler_innen untereinander ebenfalls überraschend sind wie persönliche Geschichte, Vorlieben, Ansichten etc.

Übungen für Teamplay und Spontanität

1. Ein Foto bauenDiese Übung fördert das Teamplay und eignet sich gut als Vorübung für spätere selbständige Zusammenarbeit an „Comics“ und Standbildern. (S. 14)Alle Schüler_innen sitzen auf einer Seite des Raumes. Eine_r tritt auf die Bühne, nimmt eine Haltung ein, erstarrt. Jemand anders gesellt sich dazu, nimmt ebenfalls eine Haltung an und zwar eine, die Bezug nimmt auf die Angebotene und erstarrt. So entsteht langsam ein Foto, in dem eventuell alle Schüler_innen ihren Platz finden.

2. MarathonAlle Schüler_innen sitzen auf einer Seite des Raumes. Eine_r betritt die Bühne, nimmt eine Position ein und erstarrt. Ein_e zweite_r Spieler_in kommt dazu und beginnt eine Szene, in die der_die Erstarrte einsteigt. Nach einer kurzen Zeit wird die Szene unterbrochen, indem ein_e Zuschauer_in klatscht. Die Spieler_innen erstarren sofort. Der_die Zuschauer_in kommt auf die Bühne, löst eine_n Spieler_in ab und beginnt eine neue Szene. Wie der Name schon sagt, kann dieses Spiel endlos gespielt werden.Wenn die Schüler_innen zu schüchtern sind, die laufende Szene zu unterbrechen, weil sie befürchten, keine gute Idee zu haben, kann auch die Spielleitung das Klatschen vorerst übernehmen, so dass die Schüler_innen in Ruhe auf die Erstarrten schauen können. Sogar das Benennen von Schüler_innen ist am Anfang des Spiels oft sinnvoll, bis die Spieler_innen realisieren, dass keine komplexen Szenen von ihnen erwartet werden, sondern der Spaß des Spiels in den schnellen Wechseln liegt.

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Spielen zu Themen aus „Taksi to Istanbul“

PlakatassoziationDie Spielleitung besorgt im Vorfeld das Plakat des Stückes vom COMEDIA Theater. Das Motiv befindet sich ebenfalls auf der Titelseite dieses Materialheftes. Das Plakat wird für alle sichtbar aufgehängt.

Was seht ihr auf dem Plakat?Was denkt ihr euch dazu?Würdet ihr auch gerne einsteigen? Warum? Oder warum nicht?Was wünscht ihr euch, was auf dieser Reise passiert?Wenn ihr entscheiden könntet, was gehört eurer Meinung nach in dieses Stück?

Schülerin im Interview

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Spielen zum Thema Identität:Wer bist du und wenn ja wieviele?

Klassenfoto der besonderen FähigkeitenIn diesem Spiel geht es sowohl um den eigenen Ausdruck, als auch um die genaue Beobachtung der Anderen. Somit wird auch die Fähigkeit zur Entschlüsselung der Signale unserer Mitmenschen geübt. Thematisch ist die Übung orientiert an den eigenen Stärken der Schüler_innen.

Alle stehen im Kreis:Spielleitung: “Stellt euch vor, jemand hält ein Klassenfoto unserer Klasse in den Händen. Darauf ist jeder von uns zu sehen bei etwas, was er_sie besonders gut kann.“Auf die Frage der Spielleitung: „ Was kannst du besonders gut? Was kannst du jemand anderem beibringen?“ spielen alle pantomimisch, jeder für sich. Auf ein Signal hin frieren sie in ihrer Haltung ein. Die Spielleitung fragt: “Könnt ihr an eurer Haltung noch etwas verbessern, damit wir von außen genau erkennen können, was ihr jemandem beibringt? Dann verändert nochmal eure Haltung bis ich von 5 bis 0 gezählt habe. Merkt euch dann eure Haltung für später und löst sie jetzt auf.“Nun kommen jeweils drei Schüler_innen in den Kreis und zeigen ihr Standbild. Die anderen beobachten, und versuchen es zu erraten. Falls jemand nicht erraten wird, spielt sie_er aus dem Standbild pantomimisch weiter. Meist ist dann alles klar.Dann kommen die nächsten drei.

Abschluss: Markt der MöglichkeitenAustausch am Ende: Was hat euch überrascht? Was besonders interessiert? Jede_r darf bis zu drei Dinge nennen, die sie_er gerne von jemandem aus der Klasse lernen würde. Wer weiß – vielleicht ergibt sich ja was?

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Auszug aus dem Stücktext „Taksi to Istanbul“

S: Du kleidest dich also türkisch.F: Nein.S: Wie denn?F: Weiß nicht. So wie ich mag.S: Was magst du denn?F: Weiß ich nicht.H: Was willst du denn?F: Weiß ich nicht.S: Wer bist du denn?F: Weiß ich nicht.H: Faris. Du bist Faris.F: Danke.

Premierenklasse auf dem „Markt der Möglichkeiten“

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Diese Dinge konnten die Schüler_innen der Premierenklasse jemandem beibringen:

Tischtennis, Mathe, Gute Bücher empfehlen, Klavier, Taekwondo, Schreiben, Lesen, Computer spielen, Wave-Board fahren, Fußball, Seilspringen, nett sein, Arabisch, Sport, spielen, schwimmen, wie man mit Tieren umgeht, gute Formulierungen, Menschen zu akzeptieren, auch wenn sie nicht so schön oder cool aussehen, keine Angst zu haben, netter zu sein, englisch, Dinge erklären, die Jüngere noch nicht verstehen

Da „Taksi to Istanbul“ auf einer großen Anzahl von Interviews und persönlichen Geschichten basiert, werden verschiedene Erzählstränge angerissen, aber nicht komplett erzählt. Dadurch ergibt sich eine Vielzahl von Rollen, die allein von den drei Darsteller_innen bewältigt wird. So entsteht eine große Anzahl von Rollenwechseln. In den folgenden drei Übungen untersuchen die Schüler_innen, wie ein Charakter auf der Bühne erkennbar werden kann (Übung 1 und 2)und welche Rollenwechsel sie selber in ihrem Alltagserleben erfahren oder initiieren (Übung 3).

1. Rollenschlüpfen Die Gruppe steht im Kreis. Der_die erste Schüler_in tritt mit einem Tuch in den Kreis und spielt pantomimisch eine Rolle vor. Das Tuch unterstützt dabei als Kostümteil oder Requisit: Bauchtänzerin, Stierkämpfer, Mann mit Wickelkind, Kellnerin, Putzmann...Jede-r Schüler_in spielt jeweils eine Rolle, kann aber mehrmals in den Kreis gehen.

Reflektion:Gerade wurde ein Tuch verwendet, um die unterschiedlichen Rollen zu markieren. Welche Hilfsmittel fallen euch sonst noch ein, um Rollenwechsel zu verdeutlichen? (Kostüm, Stimme, Körperhaltung, verschiedene Bühnenorte...)

Schüler_in beim Workshop zu „Taksi to Istanbul“

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2. Speed DatingDie Gruppe bildet einen Außen- und einen Innenkreis. Jede_r hat ein Gegenüber und sieht sich an. Nachdem die Aufgabe gestellt wurde, haben die Erzähler_innen ca. eine Minute Zeit. Dann geht der Außenkreis jeweils mit einem Schritt nach rechts zum_r nächsten Partner_in.Die aufeinander aufbauenden Schritte sind:

eine_r erzählt, eine_r hört zu Aufgabe1 zum Einstieg: wie bin ich heute früh aufgestanden und zur Schule gekommen. Aufgabe 2: eine Geschichte, die dir deine Oma/Opa/Mutter/Onkel schon öfter erzählt hat. Ein konkreter Satzbeginn kann den Anfang erleichtern. z.B.: „Als meine Oma/Opa/Mama/Papa....“jeweils Partner_innen- und Rollenwechsel

eine_r erzählt, eine_r spielt mitAufgabe: eine Geschichte die du selbst an einem bestimmten Ort (anderem Land) erlebt hast. Möglicher Satzanfang: „Als ich in.... war, ...“

beide erzählen und spielen gemeinsam Aufgabe: eine Reise, die ihr zusammen erfindet: „Wir fahren gemeinsam nach... und unser Auto hat eine Panne...“Die Paare bewegen sich hierbei frei in den Raum hinein.

AbschlussWenn die Spielleitung Freeze ruft, bleiben alle Paare stehen. Mit Licht an aktiviert sie ein einzelnes Paar, eine kleine Weile weiterzuspielen, mit Black stoppt sie sie wieder. Auf diese Weise werden viele Paare kurz beleuchtet, jede_r steht mal im Rampenlicht und die Gruppe bekommt sich gegenseitig mit.

Schüler_innen der Premierengruppe bei der Übung „Speed Dating“

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3. Wie sag ich´s...Als Vorübung zu dieser Szenenarbeit eignet sich die Warm-up-Übung „Marathon“ auf S. besonders gut.

Jemand ist mit einem heiklen Thema beschäftigt und bespricht es mit unterschiedlichen Menschen aus seinem_ihrem Umfeld.z.B. Nicht versetzt werden in der SchuleSich für einen ausgefallenen/nicht besonders anerkannten Beruf entscheidenZum ersten Mal eine_Freund_in habenUm die Themen zu generieren kann entweder offen gesammelt werden oder sie werden auf Zettel geschrieben und zum Spielen gezogen.

Variante 1:Die Schüler_innen arbeiten in Gruppen jeweils an einem Thema und bereiten verschiedene Szenen vor: Die Sache wird besprochen mit: Mutter, bestem_r Freund_in, Schwester, Bruder, Vater, Oma, Lehrer_in, Jugendtreff- Bezugsperson, etc.

Variante 2:Als Improvisation vor allen.Ein_e Schüler_in geht auf die Bühne und beginnt: „Ich hatte folgendes Problem: Ich wusste, ich bleibe sitzen.“ Jemand aus dem Publikum fragt: „Und wem hast du´s erzählt?“ Spieler_in: „Meiner Tante.“ Eine Schülerin steht auf, die beiden bauen sich kurz das entsprechende Bühnenbild, z.B. ein Sofa und improvisieren dann die Szene. Entweder die Spieler_innen haben selbst das Gespür oder die Spielleitung hilft und beendet die Szene. Aus dem Publikum die Frage: „Wem hast du´s noch erzählt?“ oder Vorschläge „Wie war es, als du´s deinem Bruder erzählt hast?“ Dann entsteht diese Szene und so geht es weiter.

Um den Fluss nicht zu unterbrechen, ist es günstig, den Szenenkomplex als Gesamtes zu reflektieren. Ein besonderer Fokus sollte auf der Beobachtung der unterschiedlichen Haltungen der Person liegen, die das Thema erzählt. Wie verändert sich die Haltung im Austausch mit den verschiedenen Menschen? Warum ist das so?

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Spielen zum Thema Zuhause, Reisen, Fernweh

Was ist zuhause, was ist Köln?

1. KölncollageDie Schüler_innen bringen alle einen Gegenstand zu Köln mit, der für sie eine Bedeutung hat.

Alle sitzen im großen Kreis und in der Mitte wird eine Fläche definiert, auf der die Installation gelegt wird. Der Reihe nach legt nun jede_r Schüler_in den mitgebrachten Gegenstand ab: Immer dahin, wo es sich auf der Fläche gut anfühlt. Die erste Runde ist schweigend und alle beobachten das entstehende Bild.In der zweiten Runde kann nun jede_r nacheinander ihren_seinen Ort überprüfen und den Gegenstand verlegen, bei Bedarf auch mit „Partnergegenständen“. Dabei wird erzählt, warum dieser Gegenstand mitgebracht wurde und warum er an genau dieser Stelle in der Installation liegt.In der dritten Runde müssen dann wahrscheinlich schon nicht mehr alle Gegenstände verrückt werden, sondern nur noch wenige. Können sich manche nicht einigen, wir ein Zeitpunkt vereinbart, ab dem nicht mehr verrückt werden darf.Am Ende betrachten alle das Bild und verabschieden es gemeinsam: Dann kann es fotografiert oder ausgestellt werden.

Schüler_innen der Premierenklasse beim Zusammentragen der „Kölncollage“

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2. Szene: was kann so nur in Köln passieren?Die Schüler_innen erarbeite in Kleingruppen Szenen, die ihres Erachtens typisch für Köln sind und in dieser Form nur hier in Köln geschehen könnten.

Reflektion: Was haben die Zuschauer_innen als köln-typisch erkannt? Decken sich die Beobachtung mit dem, was die Spieler_innen zeigen wollten? Gibt es Überschneidungen in den unterschiedlichen Szenen? Habt ihr Cliches benutzt oder gibt es tatsächlich so etwas wie eine / mehrere Kölner Mentalitäten?

Collagen „Köln“ und „Istanbul“ der Premierenklasse

Wo zieht es dich hin? Was willst du erleben?

1. Was ist der schönste Ort, an dem du jemals warst?In Gruppen von ca. 8 Personen.Die Schüler_innen tragen zunächst zusammen, was ihre Lieblingsorte sind und was diese ausmacht. Vielleicht gibt es genügend Übereinstimmungen, sonst einigen sie sich auf die Version eines_r Einzelnen. Diese_r beschreibt den Ort sehr genau und die Schüler_innen tragen die Geräusche zusammen, die an diesem Ort zu hören sind und kreieren eine auditive Performance dieses Ortes. Wichtig ist, dass die Atmosphäre des Ortes transportiert wird. Um die Ergebnisse zu „zeigen“ schließt das Publikum die Augen und konzentriert sich ganz aufs Hören.Wichtig: Die Spieler_innen sollten unbedingt Abstand zu den Zuschauern_innen halten und sie nicht erschrecken. Die Spielleitung behält die Augen offen und gibt das Zeichen zum Öffnen und Schließen der Augen, sonst entsteht bei jeder kleinen Stille Unsicherheit, ob die Performance zuende ist.

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2. Wenn du jetzt Geld und Zeit hättest, wie sähe deine Reise aus?

Variante 1:Reiseabenteuer- ComicIn Gruppen stellen die Schüler_innen in 5 Standbildern einen „Comic“ ihrer Traumreise. Wohin geht es? Was sucht ihr, eher die Ruhe oder Action? Was wünscht ihr euch soll passieren? Wie würdet ihr reisen?

Variante 2:ReiseberichtMit der ganzen Gruppe. Alle Schüler_innen sitzen an einer Seite des Raumes, zwei sind die Erzähler_innen auf der Bühne. Eine_r der beiden beginnt und beschreibt eine erste Reisesituation, z.B. „ Das Chaos begann schon am Flughafen, natürlich hatte Sina wieder keinen gültigen Pass, Senem war schlecht und Chris kam auf den letzten Drücker.“ Dieses Bild wird von den Sitzenden spontan aufgebaut, inklusive dazu erfundener Details. Dann übernimmt der_die andere Erzähler_in und spinnt die Geschichte weiter, so dass ein bebildeter Reisebericht entsteht.

Von Seiten der Spielleitung ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass genügend klare Pausen gemacht werden und die Bilder sich in Ruhe aufbauen können. Als Vorübung zu dieser Übung empfiehlt sich das Warm- up- Spiel „Ein Foto bauen“ auf S. 12.

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Antworten der Premierenklasse auf die Frage: „Wann fühlst du dich (dir selbst) fremd?“

Ich bin bei meiner Freundin zu Hause. Sie ist dunkelhäutig. Alle sind dunkelhäutig. Ich bin die einzige Weiße.

Am Anfang der 5. Klasse: Weil ich so groß und kräftig gebaut bin, dachten manche, ich sei ein Schläger und hatten Angst vor mir.

Bei Freunden in München: Ich konnte die Sprache nicht verstehen (bayrisch).

Im Irak gucken mich alle an, weil ich eine hellere Hautfarbe habe und Locken.

In Kasachstan habe ich deutsch geredet, da habe ich mich auch fremd gefühlt.

Die Inszenierung „Taksi to Istanbul“

Inhalt

Taksi to Istanbul Ein Recherchestück ab 10 Jahre

Wie fühlt sich Heimat an?

Drei junge Menschen machen sich zu einer gemeinsamen Reise nach Istanbul auf. So unterschiedlich sie sind, so unterschiedlich sind auch ihre Sehnsüchte und Gründe, sich auf die Suche zu begeben. Doch eins ist ihnen gemeinsam: Ihre familiären Wurzeln liegen in der Türkei. Und somit wird die Reise auch zu einer Suche nach nationaler und kultureller Zugehörigkeit und schließlich zu einer Suche nach der eigenen Identität.

„Taksi to Istanbul“ erklärt das Theater zum Möglichkeitsraum in dem Nationen, Grenzen, Traditionen, Zeiten und nicht zu Letzt Rollen(-bilder) in einem permanent Spiel zwischen Spaß und Ernst gewechselt werden. Um am Ende irgendwie doch im Hier und Jetzt und bei sich selbst anzukommen.

Was darf und was kann ich sein? Wer oder was grenzt mich ein? Wen oder was kann ich verstehen, will ich verstehen? Wovon träume ich? Wie, wo und mit wem will ich leben?

Eine Produktion des COMEDIA Förderkreis e.V..Gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein Westfalen.

COMEDIA Theater Köln, Vondelstraße 4-8, 50677 Köln, Telefon. 0221 888 77 333 Theaterpädagogik. Hanna Westerboer und Bettina Frank Redaktion. Bettina Frank

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Auszug aus dem Stücktext „Taksi to Istanbul“

S: Das ist meine Oma und das ist mein Opa. Die sind 1963 aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Von Istanbul. Da war die „deutsche Vermittlungstelle“. Ja so hieß das. Und die haben geprüft, ob meine Großeltern gesund sind. So richtig. Und dann nach drei Jahren warten ging`s los.Mit dem ZugDer Zug war echt total langsam. Und der hat überall angehalten. 55 Stunden hat das gedauert. Sie waren total aufgeregt.

F: Ich bin so aufgeregt!H: Und ich erst!F: Wie das alles wohl wird?H: Ob irgendwas schiefgeht?S: Könnt ihr das mal ernst nehmen? Das war ne Riesensache!H: Schöne Geschichte aber es geht um uns: Wir sind Faris, Sibel und

Harun und wir wollen nach Istanbul.S: Also meine Oma und mein Opa kommen in Köln am

Hauptbahnhof an.F: Quatsch! Die kamen in München an. Alle kamen in München an

und wurden dann weitergeleitet zu den Firmen und Städten die Bedarf hatten.

S: Also sie wurden weitergeleitet und kamen dann in Köln am Hauptbahnhof an und da steht eine deutsche Blaskapelle und spielt die türkische Nationalhymne.

H/F: Wirklich?/ Echt jetzt?S: Ja, und meine Opa guckt meine Oma an, nimmt ihre Hand und

sagt:F: Ist das hier dreckig in Köln!S: Quatsch! Er sagt:H: Hier ist es aber kalt. Komm wir fahren zurück. S: Nein er sagt:

„Das hier, meine geliebte Frau, wird unser neues Zuhause!“F: Hat er das echt gesagt?S: Ja, aber geblieben sind sie trotzdem nicht.F: Wie jetzt?S: Erklär ich dir später!F: Hat er das jetzt gesagt oder nicht?

Team

Manuel Moser – Projektidee, Regie, Text

Manuel Moser, Jahrgang 1978, absolvierte im Juni 2007 erfolgreich die Arturo Schauspielschule in Köln. Seit 2004 steht er auf der Bühne und war für den Kölner Darstellerpreis 2012 nominiert. Darüberhinaus inszenierte er am Consol-Theater, der Studiobühne Köln und dem COMEDIA-Theater, wo er mit seiner ersten Regiearbeit „Hasenland“ im Januar 2013 Premiere feierte und für den Kölner Theaterpreis 2013 nominiert war.

Hannah Biedermann – Text und Dramaturgie

Hannah Biedermann, 1982 in Bonn geboren, studierte zunächst Schauspiel auf der Schauspielschule Theater der Keller in Köln und später Szenischen Künste an der Universität Hildesheim. 2007 gründete sie die Theatergruppe pulk fiktion, mit der sie bis heute drei Eigenproduktionen für Kinder- und Jugendliche verwirklichte, die zu diversen nationalen und internationalen Festivals eingeladen wurden. Sie inszenierte am TheaterMarabu, KinderTheaterHaus Hannover und am Jungen Staatstheater Karlsruhe. Als Schauspielerin und Videokünstlerin wirkt sie an der Produktion Schwester von Jon Fosse am Theater Marabu mit. Am COMEDIA Theater ist ihre Inszenierung „Papas Arme sind ein Boot“ seit November 2013 zu sehen.

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Maurice Dominic Angrés – Bühnenbild

Maurice Dominic Angrés, geboren 1988 in Pößneck, ist ausgebildeter Friseurmeister und Make-up Artist. Er betreibt seit 2010 ein eigenes Friseurgeschäft und entwirft außerdem Kostüme und Bühnenbilder für verschiedene Theaterproduktionen. In der Spielzeit 2012/2013 war Angrés erstmals für das COMEDIA Theater tätig und entwarf das Bühnenbild für das Kinderstück „Hasenland“.

Ögunc Kardelen – Musik

Ögunc Kardelen ist in Izmir, Türkei, aufgewachsen und kam 2002 nach einem Gesangsstudium an der „9 Eylül Universität“nach Köln. Nach einem zweiten Gesangsstudium an der Musikhochschule Köln und einem Aufbaustudium als Gesangspädagoge 2008 arbeitet er als freiberuflicher Musiker sowie als Gesangslehrer und Musikproduzent beim Kölner Integrationsprojekt „Planet Kultur e.V“. Obwohl Ögunc Kardelen ein klassisches Studium absolviert hat, gilt seine Leidenschaft auch anderen Musikbereichen. So komponiert und produziert er Lieder in verschiedenen Richtungen wie Pop, Rock und Electro für Musicals, Filme, Werbungen und für andere Künstler.Als Synchronsprecher für türkische Texte arbeitet er seit einiger Zeit an verschiedenen Filmprojekten.

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Sibel Polat – Schauspiel

Sibel Polat wurde 1986 in Mersin in der Türkei geboren und absolvierte 2006 bis 2010 ein Studium an der Arturo Schauspielschule in Köln. Gleichzeitig besuchte sie einen vierjährigen Film-Workshop sowie 2009 ein Clown-Seminar. In der Spielzeit 2011/12 war Sibel Polat Ensemblemitglied am Jungen Theater Heidelberg im Zwinger 3. und stellt sich nun im COMEDIA Theater mit „Taksi to Istanbul“ vor.

Harun Ciftçi – Schauspiel

Harun Ciftçi ist derzeit Schüler der Arturo Schauspielschule Köln und mit der Produktion „Taksi to Istanbul“ zum ersten Mal im COMEDIA Theater zu sehen.

Faris Metehan Yüzbaşioğlu – Schauspiel

Faris Metehan Yüzbaşioğlu ist 23 Jahre alt und in Halle Westfalen geboren. Er ist derzeit im 6. Semester an der Arturo Schauspielschule Köln und hat dort unter anderem in Stücken wie „By the Sea by the Sea by the beauiful Sea“ und „Die Hexen von Eastwick“ mitgespielt. Das Jugendstück „Taksi to Istanbul“ ist seine erste Arbeit am COMEDIA Theater.

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Regisseur Manuel Moser zu Projektidee und Inszenierungsansatz

Diejenigen, die immer wieder über Integration im Rahmen kultureller Bildung sprechen, machen ein Projekt, das diejenigen ansprechen soll, denen immer wieder mangelnde Integration vorgeworfen wird – mit dem Anspruch, kein Integrationsprojekt zu machen. Wie soll das funktionieren?

In einer ersten Phase haben wir direkt das Gespräch mit unserer Zielgruppe gesucht. Folgende Fragen haben uns dabei besonders interessiert: Welche Probleme existieren wirklich? Wo fühlt man sich zuhause? Wo fremd? Wann und wie jongliert man mit Identitäten? Gibt es überhaupt irgendeine Identität und wenn ja welche? Oder ist das alles nur ein Thema in den Köpfen der Bildungspolitiker und mit der jetzigen Generation schon überholt? Gar unnötig?

Die Idee zu „Taksi to Istanbul“ entstand auf der Grundlage der Beschäftigung mit einem Theater in Köln für die postmigrantische Gesellschaft und der theatralen Auseinandersetzung damit im Rahmen des Spielplans des COMEDIA Theaters. „Wir wollen Theater für die gesamte Stadtgesellschaft machen“ so die Aussage der künstlerischen Leiterin Jutta Staerck. Ein Projekt mit dem Schwerpunkt Türkei ist da in einer Stadt wie Köln naheliegend. Das Istanbul eine Partnerstadt Kölns ist, und gleichzeitig ein Sehnsuchtsort für Menschen aus aller Welt, momentan sogar eine der spannendsten und pulsierendsten Metropolen weltweit, inspirierte dazu, eine Verbindung herzustellen.

Die Biographien der beteiligten Schauspieler_innen, alle drei mit türkischem Hintergrund, sowie die Interviews, die während der Recherchephase mit Schüler_innen geführt wurden, sind die Grundlagen für das Stück. Auf der Basis von Gesprächen und Improvisationen entsteht der Text, der das Ziel hat einen Teil unserer Gesellschaft abzubilden, der allzu oft an Klischees und Vorurteilen zu ersticken droht.

Jetzt, zwei Wochen vor der Premiere zeichnet sich ein Stück ab, das mit viel absurdem Humor erzählt, wie schwer aber auch wie schön es sein kann als Fremder im eigenen Land aufzuwachsen.Wie anstrengend die Suche nach den Wurzeln sein kann, die man vielleicht selber gar nicht suchen möchte und dass es echt anstrengend ist, wenn man sich konstant in unterschiedlichen Umfeldern bewegt und bewegen muss. Und immer wieder kreisen wir bei der Arbeit um die Frage: Wie kriegt man diese verdammten Vorurteile aus seinem Kopf.

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Die Schauspieler_in Sibel Polat und Faris Yüzbaşioğlu über den Probenprozess von „Taksi to Istanbul“

Was war für dich besonders an der Arbeit in dieser Produktion?

Faris Yüzbaşioğlu : Das Besondere an diesem Stück ist meiner Meinung nach, dass man sich nicht einfach hingesetzt hat und ein Stück geschrieben hat, sondern vorher Kinder und Jugendliche selbst befragt hat. So wird der Wieder-Erkennungswert der Einzelnen im Publikum mit den Situationen und den Charakteren sehr groß sein. „Taksi to Istanbul“ ist quasi ein Stück vom Publikum für das Publikum, das finde ich sehr besonders.

Sibel Polat: Die Arbeit an „ Taksi to Istanbul“ war spannend und ganz anders als an anderen Produktionen, da wir ohne bestehende Textvorlage durch Improvisationen die Szenen und somit auch irgendwie das ganze Stück neu erfunden haben. Es war für mich sehr besonders, bei dieser Arbeit schon vorher Kontakt mit unserem späteren Publikum zu haben. Ich fand es bemerkenswert, wie offen die Kinder teilweise mit uns gesprochen haben. Dass sie uns direkt so angenommen und vertraut haben war ein sehr schönes Gefühl.

Sibel Polat mit Schüler_innen an der Albert-Schweitzer-Realschule

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Wieviel ist von deinem persönlichen Erfahrungen in das Stück eingeflossen?

Sibel Polat: In die Probenarbeit sind natürlich auch persönliche Erfahrungen eingeflossen, aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich durch die Gespräche und Interviews mit den Schüler_innen in anschließenden Proben beim Improvisieren mehr Input hatte, weil ich eben nicht ausschließlich aus meinem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen musste, sondern den der Kinder und Jugendlichen hinzunehmen konnte. In den Improvisationen haben sich dann alle Erfahrungen gemischt. Es wird sehr spannend für uns zu überprüfen, ob die Kinder, mit denen wir gesprochen haben, sich auch in unserem Stück wiedererkennen werden und gut gesehen fühlen.

Faris Yüzbaşioğlu: Für mich waren die Proben eine ständige Gratwanderung zwischen persönlichen Hinter- gründen und erfundenen Geschichten. Manchmal musste ich selber darüber nachdenken, ob die Geschichte der Szene, an der wir gerade arbeiteten, von einem von uns drei Schauspielern so oder ähnlich erlebt worden war, ob sie aus einem Interview generiert oder durch Improvisation erfunden worden war. Ich glaube, für den Zuschauer werden diese unterschiedlichen Ursprünge der Szenen nicht zu unterscheiden sein, ein bisschen so wie bei demHütchenspiel.

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Das Hütchenspiel Der Hütchenspieler verschiebt drei Hütchen untereinander in einer Geschwindigkeit, die einem Mitspieler nur scheinbar die Möglichkeit lässt, den Ablauf zu beobachten.

Quelle: Wikipedia

Probenbesuch bei „ Taksi to Istanbul“

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S: Wir wollten auf alles gefasst sein. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.

H: Ich bin vorbereitet.

F: Ach ja? Was glaubst du eigentlich wer du bist?

Auszug aus Probentext „Taksi to Istanbul“