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1 Materialmappe zu George Orwells „1984“

Materialmappe zu George Orwells „1984“5).pdf · immer wieder zu finden ist und in ‚1984 Z zum Leitthema wird. George Orwell wollte, gegen den Willen seiner Eltern, die ihn lieber

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Materialmappe zu George Orwells „1984“

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Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Schülerinnen und Schüler,

mit dieser Mappe möchten wie Sie auf den Theaterbesuch zur Inszenierung ‚1984’ von George Orwell

bei den Burgfestspielen vorbereiten. Orwells 1949 erschienener dystopischer Romanklassiker über

den totalitären Überwachungsstaat des ‚Big Brother‘ ist uns angesichts der digitalen Möglichkeiten

näher denn je. Dieses Thema möchten wir in der Mappe in Form einer kurzen Einführung in George

Orwells Werk beginnen. Anschließend gehen wir auf die Inszenierung der Regisseurin Milena Wichert

näher ein. Aktuelle Themen wie z. B. mediale und digitale Überwachung, weltweite

Datenspeicherung und die Vor- und Nachteile des Internets werden anschließend noch einmal näher

beleuchtet. Passend hierzu finden Sie theaterpädagogische Übungen für die Praxis im Unterricht.

Übrigens: Das theaterpädagogische Team der Burgfestspiele bietet Workshops als Vor- oder

Nachbereitung zu ‚1984‘ an. Gerne kommen wir hierfür in Ihre Einrichtung oder es gibt auch die

Möglichkeit, eine Stunde vor Ihrem Theaterbesuch zu einer Einführung in die Burg zu kommen.

Haben Sie Interesse? Dann melden Sie sich.

Kontakt:

Regina Fichtner-Haben

Theaterpädagogik

Stadthaus | Friedbergerstraße 6

61118 Bad Vilbel

Tel 06101 4076414 | Fax 06101 4076430

E-Mail theaterpä[email protected]

Projektion aus der Inszenierung '1984'

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George Orwell – Leben und Nachleben

George Orwell gehört zu den einflussreichsten Autoren des 20.

Jahrhunderts. Mit seinen Romanen ‚Farm der Tiere‘ und ‚1984‘ erlangte

er Weltruhm.

Geboren wurde er am 25.6.1903 in Motihari, Bengal (heutiger

nordöstlicher Teil Indiens), als Eric Arthur Blair. Den Schriftstellernamen

George Orwell nahm er erst ab 1933 an, im Zuge der Veröffentlichung

politisch-kritischer Texte. Sein Vater, Richard Walmsley Blair, war

britischer Kolonialbeamter in Indien. Seine Mutter Ina Blair, geb.

Limouzin, hatte französische Wurzeln. George Orwell hatte noch eine

junge und eine ältere Schwester. 1904 siedelte die Mutter mit den

Kindern zurück nach England. Bis zum seinem achten Lebensjahr wuchs

er ohne Vater auf. In der Grafschaft Oxfordshire verbrachte er eine schöne Kindheit. Er hatte viele

Haustiere und liebte die Natur. Zu seinen Hobbys zählten u. a. Schwimmen und Angeln.

Er war fasziniert von Geschichten und von den Klängen bestimmter Wörter. Er schrieb gerne

Kurzgeschichten und seine Notizbücher waren voll von selbstverfassten Gedichten. Durch ein

Stipendium konnte er später das renommierte Eton College besuchen. Mit 18 Jahren verschlug es

ihn wieder zurück nach Asien. In Burma, dem heutigen Myanmar, trat er eine Stelle als

Imperialpolizist an. Dem dortigen britischen Kolonialismus und jeglichem damit verbundenen

totalitären Herrschertum stand Orwell kritisch gegenüber - ein Motiv, das später in seinen Büchern

immer wieder zu finden ist und in ‚1984‘ zum Leitthema wird.

George Orwell wollte, gegen den Willen seiner Eltern, die

ihn lieber in einer höheren Position des britisch-indischen

Empires gesehen hätten, Schriftsteller werden und kehrte

darum zurück nach England. George Orwell wandte sich

immer mehr der Idee des Sozialismus zu und von totalitären

Systemen ab. In London und Paris bewegte er sich gezielt in

den ärmeren Viertel, um darüber berichten zu können. Er

begab sich sogar in den Spanischen Bürgerkrieg, um an der Seite der internationalen Brigade gegen

die totalitäre Militärdiktatur zu kämpfen und veröffentlichte hierüber Artikel. Schwer verwundet

kehrte er nach London zurück, wo er sich zuerst mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Während

des Zweiten Weltkriegs arbeitete er für die BBC und nach Kriegende erscheint ‚Farm der Tiere‘, seine

weltbekannte Satire über die Russische Revolution. 1948 beendet er sein letztes Buch ‚1984‘, das

1949 veröffentlich wird. George Orwell stirbt im Januar 1950 im Alter von nur 46 Jahren an den

Folgen einer früheren Tuberkuloseerkrankung. Seinen Roman ‚1984‘ über den totalitären

Überwachungsstaat schrieb er vor über 70 Jahren und er ist uns heute angesichts der digitalen

Möglichkeiten näher denn je.

George Orwell

„An original writer and thinker who

lived a life of political commitments

and social action […].“

Aus: Cambridge Indroduction to George Orwell

„Wenn Freiheit überhaupt etwas

bedeutet, dann das Recht, den

Menschen zu sagen, was sie nicht

hören wollen.“

George Orwell

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Über das Stück

Inhalt

„Krieg ist Frieden“, „Sklaverei ist Freiheit“ und „Unwissenheit ist Stärke“ in einer Welt, die in drei

Supermächte unterteilt ist: Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Es herrscht absolute Kontrolle,

ausführendes Organ ist die „Gedankenpolizei“. Der „Große Bruder“ überwacht alles und jeden. Nur

Tiere und die „Proles“, die unterste gesellschaftliche Schicht, die 85% der Gesellschaft ausmacht, sind

„frei“. Sie dürfen trinken, Sex haben und werden mit pornographischem Material versorgt. Von ihnen

wird niemand rebellieren. Winston Smith, ein durchschnittlicher Mann mittleren Alters, der als

Mitglied der Äußeren Partei im Ministerium für Wahrheit arbeitet und dort mit „alternativen

Fakten“ die Geschichtsschreibung manipuliert, träumt von Freiheit. Er beginnt, als Akt der Rebellion,

Tagebuch zu schreiben. Zur gleichen Zeit trifft er die selbstbewusste Julia und hat mit ihr eine

verbotene Affäre. Sie mieten sich bei Mr. Charrington, dem sie vertrauen, ein Zimmer. Aber Mr.

Charrington arbeitet für die „Gedankenpolizei“. Winston und Julia werden verhaftet und von O’Brien,

einem hochrangigen Mitglied der „Inneren Partei“ gefoltert, so dass sie sich gegenseitig verraten.

„Lernen, Verstehen, Annehmen“: Am Ende der dreistufigen „Wiedereingliederungsmaßnahme“ sind

sie zu Marionetten des Systems geworden.

1984

KRIEG IST FRIEDEN

FREIHEIT IST SKLAVEREI

Unwissenheit IST STÄRKE

Slogan aus ‚1984‘

Welteinteilung in '1984'

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Die Hauptfiguren

Winston Smith: Der 39-jährige Protagonist Winston versucht,

sich gegen das System von Big Brother zu stellen. Dabei wird

seine Individualität am Ende zerstört. (äußeres Erscheinungs-

bild). Als Mitglied der Äußeren Partei verbringt er ein trost-

loses, uniformes und ständig unter Beobachtung stehendes

Leben. Er sehnt sich nach einer familiären Vergangenheit, nach

seiner Kindheit. Diese scheint durch die Liebesbeziehung zu

Julia wieder zum Leben erweckt. Doch die Liebe scheitert

unter der Beobachtung der Gedankenpolizei. Durch Folter

wird Winston dem System gefügig gemacht, am Ende liebt auch er ‚Big Brother‘ und führt nur noch

eine Scheinexistenz.

Julia: Die mittzwanzigjährige, attraktive Julia scheint in ihrer Uniform der Äußeren Partei Winston auf

den ersten Blick bedrohlich, kühl und systemkonform zu sein. Doch während ihrer verbotenen Affäre

mit Winston entpuppt sie sich als leidenschaftliche Persönlichkeit, die das Leben gerne genießen

möchte. Als solche stellt sie den lebensbejahenden Gegenpol zu Winston dar. Sie selbst hasst die

Partei, doch hat sie, im Gegensatz zu Winston, weniger das Bedürfnis, aktiv gegen das herrschende

System vorzugehen. Nach dem Verrat an die Gedankenpolizei fügt auch sie sich am Ende ‚Big

Brother‘.

O’Brien: O’Brien arbeitet für die Innere Partei und ist somit Winston und Julia übergeordnet. Ihnen

gegenüber verstellt er sich und gibt sich als Feind der Partei aus. In O’Brien glaubt Winston zuerst

einen Verbündeten gefunden zu haben. Er bewundert O’Brien angebliche Entschlossenheit, gegen

das System zu kämpfen. In Wirklichkeit spioniert O‘Bien Gedankenverbrecher auf, um diese dann

mittels Folter von parteifeindlichen Gedanken ‚zu befreien‘. Er ist es, den Winston die

Manipulationsmöglichkeiten des Staates Ozeaniens durch Foltermethoden am eigenen Leib spüren

lässt.

„Die alten Despotien haben gesagt:

‚Du sollst nicht‘. Die totalitären

Systeme haben gesagt: ‚Du sollst‘.

Wir sagen: ‚Du bist‘.“

O‘Brien aus ‚1984‘

„Tragisches gehört einer Vorzeit

an, in der es noch Privates wie

Liebe und Freundschaft gab und

Familienmitglieder ganz

selbstverständlich zueinander

hielten“

Winston Smiths Tagebuch vom 6. April

1984

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Die szenische Umsetzung bei den Burgfestspielen

Besetzung

Winston Smith: Felix Lampert

Julia: Barbara Dussler

O’Brien: Christian Manuel Oliveira

Syme und Charrington: Hendrik Vogt

Regie: Milena Wichert

Ausstattung: Dorothea Mines

Sounddesign: Louisa Beck

Videodesign: Céline Keller

Dramaturgie: Angelika Zwack

Regieass./ Abendregie: Franziska Berlitz

Regie: Milena Wichert

MILENA WICHERT ist freischaffende Regisseurin und wohnhaft in Frankfurt am Main. Hier studierte

sie, gefördert mit einem Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Regie an der Hoch-

schule für Musik und Darstellende Kunst. Ihre Arbeiten bewegen sich im Bereich Regietheater,

Performance, Film und Installationskunst und entstanden unter anderem in Kooperation mit dem

Künstlerhaus Mousonturm, Schauspiel Graz oder Kollektiven wie pulk fiktion und swoosh lieu.

Sie ist Gründungsmitglied der Gruppe HELLA LUX, die Theaterarbeiten für ein Generationen

übergreifendes Publikum entwickeln.

Ausstattung: Dorothea Mines

DOROTHEA MINES studierte Kostümbild an der Hochschule Hannover und Scenography an der HKU

in Utrecht (NL). Ihre Kostümbilder sind beeinflusst durch die Frage nach den inneren Motiven von

Menschen sowie ihrem äußeren sozialen Umfeld. Bei Bühnenbildern geht es ihr um Atmosphäre, um

Positionierung und Bewegung von Menschen im Raum. Für ihre Ausstattungen wird sie inspiriert von

verschiedensten Gebieten wie Philosophie, Soziologie, Psychologie, aber auch Pop-Kultur. Am

Theater gefällt ihr besonders die Intensität des Live-Erlebnisses.

„Am Stück reizt mich vor allem die fesselnde und reichhaltige Romanvorlage. Als Leserin werde ich quasi in Winstons Kopf

gesetzt. Ich bin neugierig, welche Dynamiken durch die anderen Erzählweisen und Stilmittel des Theaters entstehen werden. Wer bin ich als Zuschauerin in dieser Situation? Eine Bühne ist für mich ein Ort, der sowohl mentaler, sozialer, aber auch realer Raum sein kann. Das passt sehr gut zum Stück. Im Bereich Ausstattung freue ich mich vor allem auf die SchauspielerInnen. Denn sie machen ja die visuellen Idee, die ich vor Probenstart vorbereite, erst lebendig.“ (Dorothea Mines)

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Ein Interview mit der Regisseurin Milena Wichert

George Orwells dystopischer Roman über den Überwachungsstaat spielt mit den verschiedensten

Einsätzen von Medien, von alten Kinderliedern bis hin zu modernen Überwachungsbildschirmen.

Unsere Regisseurin Milena Wichert hat sich diesen in ihrer Inszenierung auf ganz besondere Weise

angenommen. In einem Interview verrät sie uns ein wenig über die Inszenierung

Was ist ihr persönlicher Bezug zu ‚1984‘ von George Orwell und was finden Sie als Regisseurin an

diesem Stück ganz besonders inspirierend?

Orwell ist mit 1984 eine unglaublich durchdachte und zeitlose Dystopie gelungen, die auf sehr feine

weise das System von totalitären Regimen zeigt. Ein System, das es schafft, die Sprache, die

Gefühlswelt, menschliche Beziehungen und Gedankenweisen zu beeinflussen und zu kontrollieren.

Die Hauptfigur Winston begegnet uns als jemand, der anfängt, dieses System zu hinterfragen.

Wir bewegen uns immer in Systemen/gesellschaftlichen Strukturen. Die Frage an uns lautet also auch

heute an uns: Wie erkennen wir die Systeme, die uns umgeben? Ist alles um uns herum schon so

selbstverständlich geworden, dass wir Dinge gar nicht mehr wahrnehmen? Wer bin ich und in

welchem System lebe ich? Was, von dem, was ich will, will ich eigentlich? Bin ich Mittäter eines

Systems?

Ich habe mich in der Vorarbeit zu 1984 viel mit Hannah Arendt beschäftigt. Eine jüdische, deutsch-

amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin. Sie nahm an dem Eichmann-Prozess teil, bei

dem der ehemalige österreichische SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann für den

millionenfachen Mord an Juden zur Verantwortung gezogen wurde. Dabei untersuchte sie vor allem

den Begriff des Bösen. 1963 antwortet sie auf die Frage nach dem Bösen wie folgt:

„Ich meinte damit, dass das Böse nicht radikal ist, nicht an die Wurzel (radix) geht, keine Tiefe hat,

und dass es sich aus genau diesem Grund so furchtbar schwer denken lässt, denn Denken versucht

per Definition zur Wurzel vorzudringen. Das Böse ist ein Oberflächenphänomen, nicht radikal,

sondern bloß extrem. Wir widerstehen ihm, indem wir innehalten und anfangen zu denken - das

heißt, indem wir eine andere Dimension als den Horizont des Alltagslebens erfassen. Anders gesagt,

je oberflächlicher jemand ist, umso wahrscheinlicher wird er dem Bösen erliegen.“1

Ein Böses, das nicht auf gewöhnliche Kategorien wie Boshaftigkeit oder Machtgier zurückzuführen

ist. Radikal, weil es drauf zielt, die Wurzel selbst der menschlichen Freiheit auszulöschen. Im Zuge

ihrer Reflexionen und unter dem Eindruck des Eichmann-Prozesses kommt sie zu der Bezeichnung

der „Banalität des Bösen“, um das zu erfassen, was sich an dem Cheflogistiker des Holocaust allen

uns bekannten Normen entzieht. Diese Menschen haben grauenvolle Verbrechen begangen, aber für

Arendt sind sie keine teuflischen, von sadistischen Neigungen getriebene Monster, sondern

Menschen ohne jede Tiefe, oberflächlich und gehorsam.

Sie beschreibt Eichmann als einen Mensch, dem nach eigenen Bekunden „nur eins ein schlechtes

Gewissen bereitet hätte: wenn er den Befehlen nicht nachgekommen wäre“2. Ein System hat sich

also so sehr verbreitet und in den Menschen verwurzelt, dass sie zu Marionetten geworden sind,

denen ein Denken außerhalb der Werte und Normen ihres Systems nicht mehr möglich scheint.

Ein Systemmensch, ein Wesen, das es nicht mehr vermag oder auch nur erstrebt, Schönheit von

Schund, Wahrheit von Lüge, Befreiung von Versklavung zu unterscheiden. Ein Systemmensch, weil er

als Anhänger der totalitären Logik und ihres „Wir-Gefühls“ unfähig war, sich in andere

hineinzuversetzen, aus ihrer Perspektive zu denken und zu fühlen. „[E]s war gewissermaßen schiere

1 Hannah Arendt, Answer to Questions Submitted by Samuel Grafton“, 1963 2 Eichmann in Jerusalem, Hannah Arendt, S. 98

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Gedankenlosigkeit - etwas, das mit Dummheit keineswegs identisch ist -, die ihn dafür

prädestinierten, zu einem der größten Verbrecher jener Zeit zu werden.“3

Hannah Arendt spricht über die Banalität des Bösen, also ein Böses, das nicht mehr direkt auf böse

Intentionen von einzelnen Menschen zurückgeführt werden kann, sondern der relativ unreflektierten

Mitarbeit von vielen vergleichsweise „normalen“ Menschen bedarf. Gerade heute kommen wir an

den Punkt, wo sich dieser Kreis auf eigenartige Weise wieder schließt, wo menschlich Böses im Sinn

von Gedankenlosigkeit und natürlich Böses wieder zusammenkommen. Wenn wir beispielsweise an

den Klimawandel denken, dann kann man argumentieren, dass er sich letztlich weitgehend

absichtslosen Taten verdankt. Natürlich gibt es auch die bösen Ölkonzerne, die wussten, dass sie

Umweltschäden verursachen und das verschwiegen haben. Aber vieles ist tatsächlich von unserer

Seite absichtslos herbeigeführt worden. Derjenige, der Plastik erfunden hat, der hielt sich für

fortschrittlich und dachte nicht an die Ausmaße, die seine Entwicklung haben könnte.

Oder denken wir beispielsweise an die Geflüchteten auf dem Mittelmeer, denen wir anscheinend ihr

Menschsein abgesprochen haben? Deren Leid weit weg von uns stattfindet. Sollten wir uns nicht als

Mittäter begreifen?

Für uns heute lautet die Frage nicht, ob unsere Gesellschaft diese Art des Bösen, von dem Hannah

Arendt spricht, weiter betreibt. Es ist undenkbar, dass wir die erste Generation in der

Menschheitsgeschichte wären, die keine moralischen blinden Flecken hat! Nein, die Frage ist: Wo

liegt dieses Böse in unserer Gesellschaft?

Wir müssen also in ein Denken kommen, in ein Zwiegespräch mit uns selber und das System

hinterfragen, in dem wir leben.

Wenn uns das Denken gegen das Böse wappnet, dann nur unter der Voraussetzung, dass wir

darunter nicht die Fähigkeit verstehen, einsam unsere Erfahrungen zu rationalisieren - an der hat es

auch Eichmann gewiss nicht gefehlt - , sondern die Erfahrung eines Dialogs mit uns selbst zu machen.

Eines Dialogs, bei dem jeder Einzelne sich verpflichtet fühlt, einem anderen Rede und Antwort zu

stehen. Ein Dialog, der eine Pluralität herstellt, die eine Grundvoraussetzung der Menschheit ist. So

schreibt auch Arendt in ihrem Essay „Was heißt persönliche Verantwortung unter einer Diktatur?“:

„Die Voraussetzung für diese Art der Urteilsbildung ist keine hoch entwickelte Intelligenz oder ein

äußerst differenziertes Moralverständnis, sondern schlicht die Gewohnheit, ausdrücklich mit sich

selber zusammenzuleben, das heißt, in jedem stillen Zwiegespräch zwischen mir und meinem Selbst

zu stehen, das wir seit Sokrates uns Platon gewöhnlich als Denken bezeichnen. (…) Die Trennungslinie

zwischen denen, die urteilen, und denen, die sich kein Urteil bilden, verläuft quer zu allen sozialen

Unterschieden, quer zu allen Unterschieden in Kultur und Bildung.“4

Darin besteht zweifellos die bescheidene Lehre, die Arendt aus ihrer Untersuchung zieht. Nicht in

dem Gedanken, dass tief in jedem von uns ein Eichmann lauert - und dass das Böse stets im Begriff

stünde hervorzubrechen, sobald wir uns einer Autorität unterordnen. Arendt vertritt vielmehr die

wesentlich beunruhigendere These, dass das Böse mit einer Oberflächlichkeit zusammenhängt, durch

die der Mensch darauf verzichtet, einen Dialog mit sich selbst zu führen und eigenständig zu urteilen,

indem er die Perspektive anderer einbezieht.

Erst im Dialog mit seinem Tagebuch kann Winston das ihm umgebene System erkennen und

handlungsfähig werden. Er eröffnet sich einen neuen Denkraum, in dem er anfängt, Fragen zu stellen

und das System um sich herum untersucht.

Orwells Roman ‚1984‘ schafft es, dass wir durch das Verstehen des System in Ozeanien unser eigene

Gesellschaft befragen. Denn seine 1948 geschriebene Dystopie ist mit seinen

3 Eichmann in Jerusalem, Hannah Arendt, S. 57 4 Was heißt persönliche Verantwortung unter einer Diktatur?, Hannah Arendt, S. 93 f.

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Überwachungsstrategien erschreckend nah an den Mitteln, die uns heute durch die Technik zur

Verfügung stehen.

Angesichts der heutigen Digitalisierung ist uns George Orwells dystopischer Roman näher denn je.

Was finden Sie gerade in Bezug auf heute spannend an ‚1984‘?

In dem Nachwort meiner Auflage zu 1984 heißt es, „Kurz nach seiner Amtseinführung als fünfundvierzigster Präsident der vereinigten Staaten behauptete Donald Trump, die Menschenmenge bei der Zeremonie sei die Größte gewesen, die es je auf einer Presidential Inauguration gegeben habe. Am selben Tag noch wurden Luftbilder veröffentlicht, auf denen ohne den geringsten Zweifel zu erkennen war, dass es bei der Vereidigung von Barack Obama wesentlich mehr Besucher gegeben hatte. Trumps Pressesprecher Sean Spinner hielt die Behauptung dennoch aufrecht, was wiederum Trumps Mitarbeiterin Kellyanne Conway damit verteidigte, man habe zu den Fakten der Fotos „alternative Fakten“ geboten. Wenige Tage später erschien George Orwells Roman 1984 auf der Taschenbuchbestsellerliste der New York Times, bei Amazon kam es für kurze Zeit auf Verkaufsraum eins.“5 In unserer heutigen Zeit, die auf neue Art an den Verbindungen der Menschen zerrt, sind das Öffentliche und seine spontane Zusammenkunft erneut in Gefahr. Die Vernetzung des Internets organisiert uns in Filterblasen, in communities. Wie in einen Kokon hüllen die Menschen sich in Angst- und Zugehörigkeitsgemeinschaften. Öffentliche Debatten haben sich auf „Newsgruppen“ verlagert, die sich nach Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit formieren. Solchen im Internet sich verbindenden Wertegemeinschaften bietet ein je auf sie zugeschnittenen Weltausschnitt dar. Andere Perspektiven werden ausgeblendet, andere Meinungen bleiben fern. Ob bei Facebook, Instagram oder Co., Algorithmen erstellen ein Bild von uns und ordnen uns Gruppen zu. Marie Luise Knott schreibt in ihrem Essay „auf der Suche nach den Grundlagen für eine neue politische Moral: „Dort aber, wo die Nachrichten kein Korrektiv mehr erfahren können, weil sie sich keiner pluralen Öffentlichkeit mehr aussetzten, läuft man Gefahr, Fake News für wahr zu halten. So werden in immer größerem Umfang Tatsachen mit Meinungen und Meinungen mit Tatsachen verwechselt. Der Boden der Tatsachen löst sich auf, der öffentliche Raum droht, in Parallelwelten und Parallelgesellschaften zu zerfallen.“6 In einem Sturm der Informationsflut flüchten wir in eigens gebaute Räume, schatten uns ab, grenzen Pluralität aus. Lassen Algorithmen für uns filtern und schauen weniger über den Tellerrand. Die Komplexität der Welt scheint unüberschaubar, wir selber als zu geringer Teil eines Großen. Siri weiß daher was wir wollen, unser SmartHome System hat schon einmal die richtige Temperatur eingestellt und Google merkt sich den Parkplatz für uns. Wir lassen Apps über uns wachen, arbeiten an der eigenen Selbstoptimierung und grenzen unsere Wahrnehmung bei der geballten Informationsflut stärker ein. Scrollen nur noch schnell über Bilder, lesen die Überschriften und folgen dann der Werbung. Politik wird mit Twitter betrieben. Wir begreifen uns als handlungsunfähig, das Weltgeschehen scheint schon entschieden, ein Spiel der Großen. Politik als etwas, an dem man eh keine Teilhabe hat, die Welt vorbestimmt von großen Konzernen und Lobbisten. Mein Coffee-To-Go-Recycle-Becher ein hilfloser Versuch, etwas gegen den Klimawandel zu tun? Oder ist es nur das System, dass uns als Handlungsunfähige sehen möchte? Was bedeutet genau an diesem Punkt politische Verantwortung für jeden von uns? Was ist Verantwortung, wenn unter totalitären Verhältnissen, wie in 1984, jeder, der am öffentlichen Leben teilnimmt, auf die eine oder andere Weise in die Taten oder Untaten des eigenen Regimes verstrickt wird? So dass zwar vielleicht nur wenige die Verbrechen aus vollem Herzen bejahen, aber vielleicht viele aus Furcht oder Notlage bereit sind, sich tausenderlei Erklärungen oder Entschuldigungen zurechtzulegen und auf diese Weise mitzuwirken an etwas, das ihnen als

5 Nachwort 1984, George Orwell, ullstein Verlag 6 Auf der Suche nach den Grundlagen für eine neue politische Moral, Marie Luise Knott, S. 85

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(rettende) „Neuordnung“ dargeboten wird? "Das Mitmachen nämlich, es wird unter diktatorischen Verhältnissen verführerisch leicht zu einer „Selbstverständlichkeit“.7 Orwells große Entdeckung liegt nicht so sehr darin, dass der totalitäre Staat den Menschen alle Freiheit nimmt, sondern darin, dass er darüber hinaus auch keine Wahrheit dulden kann. Er kann nicht erlauben, dass Bereiche existieren, die mit ihm nichts zu tun haben, etwa wissenschaftliche Fakten oder eine Vergangenheit, in der es andere Lebensmöglichkeiten gab als die Unterdrückung. Orwells Menschen leben in einer Welt, die zu verstehen ihnen systematisch unmöglich gemacht wird, sogar die Zeitungen in den Archiven werden ständig überarbeitet. Die Möglichkeit von Referenzpunkten ist nicht vorhanden, keine Verknüpfungen, Beziehungen und Vergleiche möglich. Das System hat einen Rahmen entwickelt, der nicht verlassen werden kann. So heißt es in dem Roman: „Die Überlebenden aus der alten Welt erinnerten sich an eine Million unnütze Dinge, an einen Streit mit einem Arbeitskollegen, an die fieberhafte Suche nach einer Fahrradluftpumpe, an den Ausdruck auf dem Gesicht einer längst verstorbenen Schwester, an die Staubwirbel an einem windigen Morgen vor siebzig jähren - doch alle wesentlichen Fakten lagen außerhalb ihres Blickfeldes. Sie glichen der Ameise, die kleine Objekte wahrnehmen kann, große aber nicht. Und wenn das Gedächtnis versagt und schriftliche Dokumente gefälscht wurden - wenn das geschah, dann musste der Anspruch der Partei, sie haben die Lebensbedingungen der Menschen verbessert, akzeptiert werden, weil es keinen Vergleichsmaßstab gab und auch nie wieder einen geben würde, an dem sich dieser Anspruch messen ließ.“8 Und wenn etwas den Status von Selbstverständlichkeit erreicht hat, wie lässt sich dieser dann noch aufbrechen? Wenn Greta Thunberg heute sagt „Our House is on fire“, dann sagt sie dass, weil wir uns im Haus befinden und noch nicht mal mehr das Feuer bemerken. Weil wir blind geworden sind und uns als anscheinend Handlungsunfähige begreifen. Also bleiben wir auf dem Sofa sitzen und schauen dem Feuer bei seinem Tanz zu? Oder überfliegen schnell die Überschriften von Waldbränden, Plastikströmen in Weltmeeren und Tornados in der Eifel und meinen, es beträfe uns nicht? Die Geschichte des 20. Jahrhunderts und seiner großen Ideologien lehrt uns ziemlich eindeutig, dass gesellschaftliche Verbesserungsprojekte nie in perfekte, sondern regelmäßig in unfreie Gesellschaften gemündet sind. Wir haben heute in unserer Gesellschaft die Chance von Referenzpunkten. Doch kaum wenige Jahre nach dem Holocaust wächst eine rechte Szene in Deutschland, werden Flüchtlingsheime bedroht. Die Sprache ist vom Wutbürger und einer Verrohung der Gesellschaft geprägt. Wie gehen wir damit um, wenn wir Nachrichten aus China hören von einem Social credit System, wenn wir mal wieder an unserer eigenen Selbstverbesserung arbeiten oder die nächste Netflixserie schauen …? Bleiben wir sprachlos? Reduzieren wir unsere Sprache auf Parolen? Halten alternative Fakten für selbstverständlich? Theater ist heute einer der Orte, an denen das Denken, der Dialog mit sich selbst, sich entfalten kann. Ein Raum, in dem eine Öffentlichkeit sich reflektiert und die Pluralität von Perspektiven erscheint. In der Inszenierung von 1984 geht es mir darum, die Frage nach dem System, in dem wir heute leben und die Frage nach unserer Handlungsfähigkeit laut zu stellen. Im Stück finden wir die Aussage: „Wir müssen so frei sein, uns unsere eigenen Gedanken zu machen und an sie zu glauben. Zu wissen, was richtig und was falsch ist.“ Hilft Siri uns also am Ende dabei, unseren Parkplatz zu finden, weil Google unsere Koordinaten kennt und den Ort mit dem Termin in unserem Kalender abgeglichen hat? Und werden wir an einem lauen Sommerabend in Bad Vilbel an unserem Strohhalm in der Cola nippen, der dann irgendwann in den Weltmeeren sein Grab findet? Und wenn wir so weitermachen, dann suchen wir bald den letzten Menschen in Europa, so wie der Arbeitstitel von Orwell zu 1984 lautete. Wenn wir keine Änderungen in diesem System erreichen können, dann sollten wir mal überlegen, ob wir das System nicht ändern müssen. Aber dazu müssen wir es erstmal erkennen und dann in ein Handeln kommen.

7 Auf der Suche nach den Grundlagen für eine neue politische Moral, Marie Luise Knott, S. 57 8 1984, George Orwell, ullstein Verlag, S. 115

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Von Edmund Burke stammt der berühmte Satz: „Das Einzige, was für den Triumph des Bösen erforderlich ist, ist die Untätigkeit der Guten.“ Vielleicht wäre es aber noch treffender zu sagen, dass es für den Triumph des Bösen ausreicht, wenn normale Menschen nicht nachdenken.

Bühnenbild und Projektionen

Bühnenbildentwurf zu ‚1984‘: Ein weißer Kubus mit mehreren Projektionsflächen

Praxis: Ein BÜHNENBILD ENTWERFEN

Besprechen Sie den Inhalt von ‚1984‘ und lassen sie die SchülerInnen ein Bühnenbild hierzu

entwerfen. Wie könnte Überwachung auf der Bühne aussehen bzw. dargestellt werden? Wo

stehen die Schauspieler? Welche Art von Raum könnte ich mir hierbei vorstellen? Der oben

abgebildete Bühnenbildentwurf und die Projektion können hierfür Anhaltspunkte sein. Besprechen

Sie am Ende die entstandenen Entwürfe gemeinsam in der Klasse.

Projektionen sind Teil der Rauminstallation: Zwei-Minuten-Hass-Projektion mit

Greta Thunberg im Hintergrund

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George Orwell aktueller denn je

Mit Fake News, Internet, digitale Tracking-Software, um nur einige dieser digitalen Kommunikati-

onsmöglichkeiten zu nennen, werden wir tagtäglich konfrontiert. Kaum ein anderes literarisches

Werk wird in den Medien gegenwärtig so oft erwähnt wie ‚1984‘. Im Folgenden haben wir einige

Parallelen zwischen dem Roman und aktuell brisanten Themen zusammengestellt. Dazu finden Sie

weitere Übungen und Materialen zur Vor- und Nachbereitung.

Neusprech

Neusprech ist in ‚1984‘ eine stark reduzierte Sprache, die kritisches Denken, emotionale Reaktionen

und das Beleuchten einer Sache aus unterschiedlichen Perspektiven unterbinden soll.

Parteimitglieder des Ministeriums für Wahrheit, wie z. B. Syme, arbeiten gerade an einem

Wörterbuch hierzu. Es soll beispielsweise keine umschreibenden Adjektive mehr beinhalten. Nicht

nur Synonyme, auch Antonyme soll es in Zukunft nicht mehr geben. Z. B. soll es nur noch das Wort

Wort ‚gut’ geben. Das Gegenteil hiervon soll nicht mehr ‚schlecht’ sein, sondern immer mit dem

Präfix ‚un-’ gebildet werden, also dann ‚ungut’ heißen. So soll auch das Aufkommen von jeglicher

Emotionalität und Leidenschaft unterdrückt werden. Ziel ist es, ‚Neusprech’ als Regierungssprache in

naher Zukunft einzuführen.

„Wir werden Gedankenverbrechen

grundsätzlich unmöglich machen,

weil es keine Wörter mehr geben

wird, mit denen man sie begehen

kann. “

Syme über Neusprech in 1984

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Praxis: EUPHEMISMEN-DOMONIE

In Anlehnung an ‚Neusprech‘ in 1984, haben wir heutige Euphemismen (= sprachliche Ausdrücke,

die Sachverhalte abmildernd wiedergeben) recherchiert. In den dunklen Feldern stehen

Euphemismen und in den hell hinterlegten Feldern die tatsächliche Bedeutung hierzu. Fügen Sie

das Domino mit Ihren Schülern zusammen und besprechen Sie mögliche Parallelen zu dem Konzept

von ‚Neusprech’ . (Lösung siehe unten).

START Ableben

Sterben, Tod Kunden-

information

Werbung

Mit-

bewerber

Konkurrent beratungs-

resistent

unvernünftig,

dickköpfig,

dumm

Freisetzung

von

Arbeitskräften

Entlassungen innere

Sicherheit

Krieg ENDE

staatliche

Überwachung

Fehltritt

Straftat

Umsiedlung

Vertreibung

Nachrichten-

dienst

Geheim-

dienst Verteidi-

gungsfall

Lösung: Ableben - Sterben, Tod | Kundeninformation - Werbung | Mitbewerber - Konkurrent

| beratungsresistent - unvernünftig, dickköpfig, dumm | Freisetzung von Arbeitskräften -

Entlassung | innere Sicherheit - staatliche Überwachung | Fehltritt - Straftat | Umsiedlung -

Vertreibung | Nachrichtendienst - Geheimdienst | Verteidigungsfall - Krieg

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Doppeldenk

Mit Doppeldenk ist in ‚1984‘ das Akzeptieren zweier widersprüchlicher Überzeugungen gemeint. Die

Gesetze der Logik werden somit außer Kraft gesetzt. Es gilt nur allein das, was die Partei behauptet.

Praxis: TRICKFRAGEN & FRAGEN-ANTWORT-SPIEL

Um zu verdeutlichen, wie leicht auf spielerische Art und Weise das Denken gelenkt und

manipuliert werden kann, haben wir Karten zum Ausschneiden mit Trickfragen und einem Fragen-

Antwort-Spiel zusammengestellt.

Trickfrage I Regel: die Fragen müssen SOFORT beantwortet werden.

Nachdenken gilt nicht.

1. Welche Farbe hat Schnee?

2. Welche Farbe haben die Wolken?

3. Welche Farbe hat Schulkreide?

4. Welche Farbe hat das Papier?

5. Welche Farbe haben Zimmerdecken?

Die Frage: Was trinkt die Kuh?

Antwort: Wasser (nicht Milch)

Trickfrage II

1. Wie kann man eine Giraffe in den

Kühlschrank stecken?

Richtige Antwort:

Du öffnest den Kühlschrank und steckst da die Giraffe

hinein. Dann schließt du den Kühlschrank zu.

(Diese Frage stellt fest, wie du mit einfachen Dingen

umgehst.)

2. Wie steckt man einen Elefant in den

Kühlschrank?

Falsche Antwort:

Du öffnest den Kühlschrank und steckst den Elefanten

hinein.

Richtige Antwort:

Du öffnest den Kühlschrank, nimmst die Giraffe heraus,

steckst den Elefanten hinein und schließt den Kühlschrank.

(Diese Frage stellt fest, ob du dir den Folgen deines

Handelns bewusst bist.)

3. Der Löwe gibt eine Feier. Alle Tiere

müssen kommen. Wer kommt aber nicht?

Richtige Antwort: Der Elefant. Er ist noch im Kühlschrank. (Diese Frage überprüft dein Gedächtnis.)

4. Du willst über einen Fluss, der voll von Krokodilen ist. Wie kommst du lebend hinüber?

Richtige Antwort: Du schwimmst einfach hinüber, weil alle Krokodile bei der Feier vom Löwen sind. (Diese Frage stellt fest, ob und wie schnell du aus Fehlern lernst)

Fragen-Antwort-Spiel JA NEIN SCHWARZ WEISS

Ablauf: Jeweils zwei Spieler finden sich zusammen, die gegeneinander spielen. Die anderen schauen zu. Von den zwei Spielern ist einer der Moderator, der andere der Befragte. Die beiden führen einen Dialog, wobei der Moderator nach Belieben Fragen stellen darf.

Spielregel: Der Befragte muss schnell und inhaltlich korrekt antworten, darf dabei allerdings die Wörter ja, nein, schwarz und weiß nicht verwenden. Je nach Situation können auch andere verbotene Wörter vereinbart werden. Eine Runde läuft so lange, bis der Befragte doch eines der verbotenen Wörter nennt. Eventuell kann eine Runde auch nach fixer Zeit enden, wenn der Befragte bis dahin standhaft die Wörter vermieden hat, hat er gewonnen.

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Big Brother is watching you!

Der große Bruder ‚Big Brother’ ist bei George Orwell die Personifizierung einer totalitären Herrschaft.

Als solcher ist er jedoch unsichtbar. Keiner in Ozeanien weiß genau, wie er aussieht, wer oder

vielleicht sogar ‚was‘ sich dahinter verbirgt. Unter diesem ‚großen Unbekannten‘ sind die Bewohner

von Ozeanien einer lückenlosen Überwachung ausgesetzt. Eine zentrale Rolle dabei spielen die

Bildschirme, eine Art fest installierte und überall angebrachte ‚Telescreens‘, die zugleich Aufnahme-

und Sendegeräte sind und von diesen aus Big Brother das Geschehen in Ozeanien überwachen kann.

Doch es gibt auch Ecken und ‚tote Winkel‘, wo sich Winston Smith unbeobachtet fühlt und er sich für

kurze Zeit zurückziehen kann, um z. B. sein verbotenes Tagebuch zu schreiben.

Teleauge: Projektion aus der Inszenierung '1984'

Praxis: BILDANALYSE

Lassen Sie die SchülerInnen beschreiben, was hier zu sehen ist. Mögliche Fragen an die Gruppe:

Wie sieht hier der Bildschirm aus? Was ist hier genau abgebildet? Mit welchen Farben und Formen

wird hier gespielt? Was lösen diese Farben bzw. das Dargestellte in mir aus? (Einzelheiten und

Detailbeschreibungen sind hier besonders spannend).

Welche Art von Überwachung (z. B. ‚Trackingsoftware‘, Internet, Digitalkameras) nimmt diese im

Vergleich zu George Orwells ‚1984‘ heute an? Besprechen Sie die Vor- und Nachteile der heutigen

Digitalisierung.

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Digitale Überwachung heute & Fake-News

Zeitungsartikel (F.A.Z. vom 3.3.2019): ‚Eine App für Linientreue‘. Chinesen müssen sich nun am

Smartphone täglich stundenlang ihren Präsidenten reinziehen. Sonst gibt’s Ärger. Von Friederike

Böde.

Auszug:

Zitat von Donald Trump:

Eine Gruppendiskussion: DIGITALE ÜBERWACHUNG DURCH APPS – EINE GRUPPENDISKUSSION

Lesen Sie gemeinsam den Auszug oder den gesamten Artikel im Anhang. Besprechen Sie in der

Klasse zuerst den Inhalt. Anschließend können Erfahrungen zum Thema ‚Apps‘ ausgetauscht

werden. Benutze ich Apps? Wenn ja, welche Apps verwende ich? Was sind die Vor- und Nachteile

dieser Apps? Welche Bewertungssysteme gibt es im Internet? Wer wird bewertet? Wer bewertet

wen? Welche möglichen Konsequenzen ergeben sich hieraus im Alltag?

Eine Gruppendiskussion: FAKE-NEWS

Was sind Fake-News? Kennt ihr welche? Wo findet man Fake-News? Welche Konsequenzen haben

diese auf unsere Informationsvermittlung, den Journalismus?

„Der Klimawandel wurde von den

Chinesen erfunden, um die

Wettbewerbsfähigkeit der US-

Industrie zu beeinträchtigen.“

Donald Trump auf Twitter

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George Orwell weitergedacht: aktuelle Bücher und Filme

Das Genre dystopischer Roman, in dem die Verwendung von Technik und Medien und ihre

Auswirkungen auf die Gesellschaft besprochen werden, hat gerade Hochkonjunktur. Im Folgenden

finden Sie einige Film- und Buchtipps sowie weitere Zeitungsartikel zu diesem Themenfeld.

‚The Circle‘. (USA) Science-Fiction-Thriller aus dem Jahre 2017 unter der Regie von James Ponsoldt.

Der Film basiert auf dem dystopischen Roman Der Circle (Originaltitel The Circle) von Dave Eggers

aus dem Jahr 2013, der von einer nahen Zukunft erzählt, in der ein riesiger Konzern die

Dienstleistungen von Facebook, Google und Apple aus einer Hand anbietet und hierdurch eine große

Menge an Informationen über die Kunden erhält. Dabei untergräbt das Unternehmen jedoch die

Privatsphäre der Bevölkerung und kann hierdurch nahezu alle zwischenmenschlichen Interaktionen

kontrollieren.

‚Nighteen Eighty-Four ‘, (UK) Drama / Science-Fiction aus dem Jahre 1984 unter der Regie von

Michael Radford. Eine Romanverfilmung.

Zeitungsartikel (Die Zeit/ Dossier vom 10.1.2019): ‚Wir sehen dich!‘ China ist dabei, den perfekten

Überwachungssaat aufzubauen. Warum haben die Bürger nichts dagegen? Von Xifan Yang.

Umfangreicher Artikel über Chinas Sozialkreditsystem. Ein ‚Orwellscher Alptraum‘?

Juli Zeh (2009): Corpus Delicti. Der Roman behandelt die Problematik einer Gesundheitsdiktatur in

naher Zukunft.

Julia von Lucadu (2019): Die Hochhausspringerin. Riva ist Hochhausspringerin – ein perfekt

funktionierender Mensch mit Millionen Fans. Doch plötzlich weigert sie sich zu trainieren. Kameras

sind allgegenwärtig in ihrer Welt, aber sie weiß nicht, dass sie gezielt beobachtet wird: Hitomi, eine

andere junge Frau, soll Riva wieder gefügig machen. Wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllt, droht die

Ausweisung in die Peripherien, wo die Menschen im Schmutz leben, ohne Möglichkeit, der

Gesellschaft zu dienen. Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert?

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Die Wasserburg und der Besuch dort

Die Wasserburg in Bad Vilbel ist ein ganz besonderer Spielort für Theateraufführungen. Die Burg war früher Sitz der Ritter von Bad Vilbel und ihre ältesten Bauteile stammen sogar noch aus dem Mittelalter Seit über 30 Jahren finden hier jedes Jahr die Burgfestspiele statt. Im atmosphärischen Theaterkeller der Burg genießt der Zuschauer das Geschehen auf der Bühne aus besonderer Nähe - ein einmaliges Ambiente, das von Bühnenbildnern und Regisseuren gleichermaßen aufgegriffen wird. Das Burgfestspiel–ABC Damit der Theaterbesuch für alle Beteiligten ein unvergessliches Erlebnis wird, hier noch einige Hinweise: Applaus Natürlich darf zur Vorstellung kräftig applaudiert werden. Einlass Um die Kartenkontrolle zu erleichtern, ist es hilfreich, wenn die Begleitpersonen die Karten nicht den SchülerInnen geben, sondern gebündelt dem Einlasspersonal überreichen. Essen Der umgebende Park und die Nidda-Promenade laden vor und nach der Vorstellung zum gemütlichen Picknicken ein. Während der Vorstellung ist das Essen von Snacks, Keksen usw. allerdings unerwünscht. Denn es verringert die eigene Aufmerksamkeit und stört andere im Publikum und auf der Bühne. Fotos Das Fotografieren und Filmen ist während der Vorstellung nicht erlaubt. Handy Bitte Handys ganz ausschalten. Auch ein beleuchtetes Display kann andere ZuschauerInnen stören. Ruhe Wir bitten um Ruhe während der Vorstellung, damit die DarstellerInnen auf der Bühne und die anderen Gäste nicht gestört werden. Zeitplanung Damit die Vorstellung pünktlich beginnt (und dementsprechend auch pünktlich enden kann), sollten sich Gruppen spätestens 10 Minuten vor Beginn der Vorstellung auf ihren Plätzen befinden. Sollten Sie einen einführenden Workshop am Tag der Vorstellung mit unserem Team gebucht haben, finden dieser in der Regel eine Stunde vor Aufführungsbeginn statt.

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Quellenachweis:

‚1984‘, (UK / USA) Drama / Science-Fiction aus dem Jahre 1956 unter der Regie von Michael

Anderson.

Rodden Hohn and John Rossi (2012): The Cambridge Introduction to George Orwell. Cambridge

University Press.

Claire Crane, Juliet Walker (2004): Nineteen Eighty-Four guide. Letts Educational Verlag.

Impressum Herausgeber Förderverein Besucherinitiative Burgfestspiele Bad Vilbel e.V. in Kooperation mit Burgfestspiele Bad Vilbel Klaus-Havenstein-Weg 1 61118 Bad Vilbel Intendanz Claus-Günther Kunzmann Redaktion Dramaturgie/Theaterpädagogik, verantw. Regina Fichtner-Haben Figurinen und Foto Bühnenbildmodell Dorothea Mines Foto Spielzeit 2018 & Burg Eugen Sommer Titelseite PUNKTUM

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ANHANG

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