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Borexino Spektroskopie solarer Neutrinos Live-Aufnahmen aus dem Herzen der Sonne Max-Planck-Institut für Kernphysik Hausanschrift: Saupfercheckweg 1 69117 Heidelberg Postanschrift: Postfach 103980 69029 Heidelberg Tel: 06221 5160 Fax: 06221 516601 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.mpi-hd.mpg.de Ansprechpartner: Dr. Hardy Simgen Tel: 06221 516530 E-Mail: [email protected] Dr. Werner Maneschg Tel: 06221 516287 E-Mail: [email protected] Tag/100 Tonnen sind konsistent mit den Vorhersagen des Standard-Sonnenmodells und der Neutrino-Oszillationen. Außerdem konnte Borexino auch einwandfrei sogenannte Geo-Neutrinos vermessen, die bei Zerfällen von Uran- und Thoriumkernen im Erdinneren zusammen mit der Erdwärme freigesetzt werden. Darüberhinaus laufen bereits Planungen für die Zeit danach, etwa die Suche nach einer vierten, noch nicht nachgewiesenen ‚sterilen‘ Neutrinoart. Borexino und das MPIK Wissenschaftler des MPIK waren unter den Initiatoren von Borexino und haben entscheidend zu dessen Konzep- tion und Realisierung beigetragen. Das MPIK konnte dabei seine Expertise in Low-Level-Messtechniken, der Edelgas- Massenspektrometrie, und in der Reinigung von Gasen ein- bringen und weiterentwickeln. Neben der Herstellung von wesentlichen Komponenten tragen MPIK-Wissenschaftler mit der Durchführung von externen Kalibrationen, der Aus- wertung der Neutrinodaten und deren Interpretation zum Erfolg des Experimentes bei. Spektrum der Geoneutrinos aus Zerfällen von U und Th. Orange: Untergrund aus Neutrinos von europäischen Reaktoren; gelb: Summe. Präzisionsmessung der solaren 7 Be Neutrinos (rot) in Borexino und prominente Untergrundbeiträge.

Max-Planck-Institut für Kernphysik Hausanschrift ... · der radioaktiv reinste Platz auf der ganzen Erde. Es konnte auch vermieden werden, dass die wichtigen, aber riskanten

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Borexino

Spektroskopie solarer Neutrinos

Live-Aufnahmen aus dem Herzen der Sonne

Max-Planck-Institut für Kernphysik

Hausanschrift: Saupfercheckweg 1 69117 Heidelberg

Postanschrift: Postfach 103980 69029 Heidelberg

Tel: 06221 5160 Fax: 06221 516601

E-Mail: [email protected] Internet: http://www.mpi-hd.mpg.de

Ansprechpartner:

Dr. Hardy Simgen Tel: 06221 516530 E-Mail: [email protected]

Dr. Werner Maneschg Tel: 06221 516287 E-Mail: [email protected]

Tag/100 Tonnen sind konsistent mit den Vorhersagen des Standard-Sonnenmodells und der Neutrino-Oszillationen. Außerdem konnte Borexino auch einwandfrei sogenannte Geo-Neutrinos vermessen, die bei Zerfällen von Uran- und Thoriumkernen im Erdinneren zusammen mit der Erdwärme freigesetzt werden. Darüberhinaus laufen bereits Planungen für die Zeit danach, etwa die Suche nach einer vierten, noch nicht nachgewiesenen ‚sterilen‘ Neutrinoart.

Borexino und das MPIKWissenschaftler des MPIK waren unter den Initiatoren von Borexino und haben entscheidend zu dessen Konzep-tion und Realisierung beigetragen. Das MPIK konnte dabei seine Expertise in Low-Level-Messtechniken, der Edelgas-Massenspektrometrie, und in der Reinigung von Gasen ein-bringen und weiterentwickeln. Neben der Herstellung von wesentlichen Komponenten tragen MPIK-Wissenschaftler mit der Durchführung von externen Kalibrationen, der Aus-wertung der Neutrinodaten und deren Interpretation zum Erfolg des Experimentes bei.

Spektrum der Geoneutrinos aus Zerfällen von U und Th. Orange: Untergrund aus Neutrinos von e u r o p ä i s c h e n Reaktoren; gelb: Summe.

Präzisionsmessung der solaren 7Be Neutrinos (rot) in Borexino und prominente Untergrundbeiträge.

Borexino

Spektroskopie solarer NeutrinosLive-Aufnahmenaus dem Herzen der Sonne

Messphase I und IIBereits in der ersten Messphase der Experiments (von Mai 2007 bis Mai 2010) wurden die besonders hohen Rein-heitsanforderungen eingehalten: Die Verunreinigungen des Szintillators mit Uran und Thorium lagen bei weniger als 10–16 g/g. Auch die Verschmutzung mit radioaktiven Edelgasen, insbesondere 222Rn und 85Kr aus Stickstoff, der wiederum zur Reinigung des Flüssigszintillators dient, konnte weitgehend minimiert werden. Damit ist Borexino der radioaktiv reinste Platz auf der ganzen Erde. Es konnte auch vermieden werden, dass die wichtigen, aber riskanten Kalibrationen des Detektors mit radioaktiven Präparaten innerhalb und außerhalb des Szintillator den Untergrund erhöhten. Nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Messphase erfolgte eine abermalige Reinigung des Szintil-lators, um die Sensitivität zu erhöhen. In der Tat konnten dabei U und Th um eine weitere Größenordnung gesenkt und 85Kr gänzlich entfernt werden. Dies gab den Auftakt zur zweiten Messphase (seit August 2011), in der man Son-nenneutrinos aus Fusionsprozessen mit noch geringeren Raten/Energieschwellen vermisst.

ErgebnisseIn der ersten Messphase des Experiments ist es erstmals gelungen, Sonnenneutrinos aus dem Elektroneinfang von 7Be, aber auch aus der Verschmelzung von zwei Protonen und einem Elektron (pep) einzeln zu vermessen. Die jeweiligen Raten von 46 ± 1.5 (stat) ± 1.5 (syst) Ereignissen/Tag/100 Tonnen und 3.1 ± 0.6 (stat) ± 0.3 (syst) Ereignissen/

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen mit einer äußerst geringen Masse, von denen man drei Arten kennt und die sich ineinander umwandeln können (Neutrino-Oszillatio-nen). Da sie Materie fast ungehindert durchdringen und nur selten mit ihr wechselwirken, können sie der Sonne leicht ent-weichen, andererseits sind zu ihrem Nachweis große und emp-findliche Detektoren erforderlich.

Die Sonne bezieht ihre Energie aus der Fusion von vier Wasserstoffkernen zu einem Heliumkern. Laut dem solaren Standardmodell findet dieser mehrstufige Prozess vorwiegend über die sogenannte pp-Fusionskette statt. In einem Prozent der Fälle soll sie über den katalytischen CNO-Zyklus ablaufen. Letzterer dominiert in heißeren und massereicheren Sternen, weshalb die Astrophysik auch an dessen Vermessung großes Interesse hat. Bei den Fusionsprozessen in der Sonne wird der Großteil an Neutrinos mit einer Energie unterhalb von 2 MeV freigesetzt. Im Gegensatz zu Vorgängerexperimenten ist der Borexino-Detektor erstmals imstande, das Neutrinospektrum im niederenergetischen Bereich differenziert, in Echtzeit und mit hoher Statistik zu vermessen.

Nachweis der Neutrinos und Anforderungen an den DetektorNeutrinos werden im Borexino-Detektor über ihre elastische Streuung an Elektronen innerhalb von 300 Tonnen eines Flüs-sigszintillators nachgewiesen. Dieser Streuprozess wird über das dabei entstehende Szintillationslicht mit 2212 hochsensiti-ven Photovervielfachern nachgewiesen.

Obwohl 60 Milliarden Sonnenneutrinos pro Sekunde und cm2 den Detektor durchströmen, werden nur etwa ein paar hundert Neutrino-Elektron-Streuungen pro Tag in 100 Tonnen erwartet. Die große experimentelle Herausforderung besteht darin, Verunreinigungen aus der natürlichen Umgebungs- und der kosmischen Höhenstrahlung auf zuvor unerreicht niedrige Konzentrationen zu reduzieren, die kleiner sind als die erwar-teten Neutrinosignale. Um die Höhenstrahlung effizient abzu-schirmen, wurde Borexino ca. 1400 m unter der Erdoberfläche im Gran-Sasso-Untergrundlabor in den italienischen Abruzzen aufgestellt. Der zwiebelartige Aufbau des Detektors spiegelt das Bestreben wider, die natürliche radioaktive Strahlung zum Beispiel aus dem Felsgestein abzuschirmen. Sämtliche Detektorkomponenten wurden im Vorfeld nach strengen Rein-heitsauflagen ausgesucht und verarbeitet. Ihre Reinheit nimmt dabei von außen nach innen zu. Das Herz des Detektors ist der hochreine Flüssigszintillator, eingeschlossen in einer inneren Nylonkugel.

Seit Mai 2007 misst die internationale Borexino-Kollabo-ration mit einem 300-Tonnen-Detektor im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor in Echtzeit niederenerge-tische Neutrinos, die bei der Kernfusion von Wasserstoff zu Helium im Zentrum unserer Sonne in großen Mengen freigesetzt werden. Dank verbesserter Unterdrückung von störenden Untergrundereignissen und einer nied-rigen Energieschwelle konnten mehrere Zweige der Fusi-onskette von Protonen erstmals differenziert und teilwei-se mit hoher Präzision vermessen werden. Auch wurde die bislang strengste Obergrenze für Neutrinos aus dem sogenannten CNO-Zyklus bestimmt. Daneben detektierte Borexino auch erfolgreich Antineutrinos aus der Erde und aus entfernten Kernreaktoren.

Neutrinos von der Sonne

Der zwiebelartige Aufbau mit hochreinen Materialien schirmt Störstrahlung ab. Photovervielfacher (PMTs) registrieren die Lichtblitze, die durch Neutrino-Elektronstreuung entstehen.

Die Kernfusion im Inneren der Sonne wird von der Proton-Proton-Reaktionskette (pp) dominiert. Dabei verschmelzen netto jeweils vier Wasserstoffkerne (Protonen, p) über verschie-dene Reaktionswege zu einem Heliumkern (4He), wobei zwei Neutrinos emittiert werden. Die dabei freigesetzte Energie ent-spricht 25 Megaelektronenvolt (MeV).