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MDR1-Defekt beim Hund - Laboklinlaboklin.de/pdf/de/news/laboklin_aktuell/lab_akt_0912.pdf · stammte von Hunden der Rasse Border-Collie mit ca. 22 % aller Einsendungen. Danach folgten

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Page 1: MDR1-Defekt beim Hund - Laboklinlaboklin.de/pdf/de/news/laboklin_aktuell/lab_akt_0912.pdf · stammte von Hunden der Rasse Border-Collie mit ca. 22 % aller Einsendungen. Danach folgten

Aminosäuren und ist ein essentieller Bestand-

MDR1-Defekt beim Hund

LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Info 12/2009 Seite 1Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971/72020 • Fax: 0971/68546 • www. laboklin.com

Vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde beiColliehunden erstmals ein Krankheitsbildbeobachtet, bei dem es infolge derBehandlung mit dem AntiparasitikumIvermectin zur Ausprägung schwerer neuro-logischer Symptome kam. Einige Tiere zeig-ten bereits nach Verabreichung subthera-peutischer Ivermectindosen Vomitus,Tremor, neurologische Bewegungs-störungen, Krämpfe sowie komatöseZustände, sogar Todesfälle wurdenbeschrieben. Andere Tiere der Rasse tole-rierten dagegen die Verabreichung wesent-lich höherer (therapeutischer) Ivermectin-konzentrationen ohne neurologischeSymptome zu entwickeln. Dieses Phänomenwurde als „Ivermectin-Unverträglichkeit desCollies“ bezeichnet. Mittlerweile sind zahlrei-che Wirkstoffe bekannt, die bei verschiede-nen Hunderassen und Mischlingen zurAusbildung neurotoxischer Symptomatik mitdramatischen Krankheitsverläufen führenkönnen. Dafür verantwortlich ist einGendefekt im MDR1- Gen der betroffenenTiere. Besitzen Hunde dieses Defektgen,können bestimmte (lipophile) Substanzenungehindert ins Gehirn eindringen, wo sieagonistisch an Gaba - Rezeptoren vonNervenzellen wirken. Schwere Vergiftungs-erscheinungen sind die Folge, die therapeu-tisch nicht mit einer spezifischen Therapie zubeeinflussen sind.

MDR1-Defekt - Die MutationDie Überempfindlichkeit gegenüber demAntiparasitikum Ivermectin und weiterenMedikamenten ist durch einen Defekt imMultidrug-Resistance Transporter (MDR1)bedingt. Dieser Transporter fungiert alsEffluxpumpe und sitzt u.a. in der Membranvon Endothelzellen, die die Gehirnkapillarenauskleiden. Er übt im Gehirn eineBarrierefunktion aus (Blut/Hirnschranke),indem er Arzneistoffe und toxischeVerbindungen in den Gehirnkapillaren

zurückhält und sie wieder aktiv ins Bluttransportiert. Damit wird ein Übertritt dieserSubstanzen in das Nervengewebe verhin-dert. Das intakte MDR1-Protein wird auch alsP-Glycoprotein bezeichnet, besteht aus 1280

teil der Blut/Hirnschranke. Ist bei Hunden dasDefektgen vorhanden, bricht die Synthesedes MDR1-Proteins bereits nach ca. 10%des Leserahmens vorzeitig ab. Dem defek-ten MDR1-Gen fehlen vier Basenpaare,nach der Lokalisation des Defektes wird dieMutation als nt 230 (del4) bezeichnet.

MDR1-Defekt – Die FunktionenNeben der Barrierefunktion im Gehirn,Hoden und der Plazenta übernimmt dasMDR1-Protein in anderen KörperorganenAusscheidungsfunktionen. So wird dasMDR1-Protein in Leber, Niere und Darmexprimiert und ist an der Ausscheidung vonWirkstoffen (Leber, Niere) beteiligt. Fernerwirkt das MDR1- Protein im Darm als eineAbsorptionsbarriere. Ist der MDR1-Transporter nicht intakt, verliert er einerseitsseine Barrierefunktion im Gehirn/Hoden/Plazenta, andererseits verändert sich diePharmakokinetik für viele Substanzen durchverstärkte Absorption bzw. verzögerteElimination. Eine fatale Kumulation vonWirkstoffen ist die Folge und derOrganismus wird mit toxischen Substanzenüberflutet. Zusätzlich übernimmt das MDR1-Protein auch Transportfunktionen und beein-flusst endokrine Regelkreise. So limitiert dasintakte MDR1-Protein den Übertritt vonNNR- Hormonen Cortisol und Corticosteronins Gehirn. Ist diese „Transportkontrolle“nicht mehr gewährleistet, kommt es zu einerdown-Regulierung des feed-back-Mechanismus der Hypothalamus/ Hypo-physenachse. Niedrige Basalcortisol-konzentrationen und ev. eine Suppressionder Schilddrüsenhormone können die Folgesein. Bei betroffenen Tieren ist u. U. eine

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geringe Substitution von Schilddrüsen-hormonen in Erwägung zu ziehen (in sub-therapeutischer Dosis von ~1 mg/Tier). Ineiner prospektiven Studie aus den USAzeigten Tiere mit dem MDR1- Defektgeneine erhöhte Stressanfälligkeit (deutlich her-abgesetzte Antwort der NNR nachStimulation) im Vergleich zu MDR1-intaktenHunden und erholten sich langsamer vonschweren Erkrankungen.

MDR1-Defekt – Die RassenNachdem ursprünglich die Mutation nur beiColliehunden beschrieben war, kennt manheute eine Vielzahl von Hunderassen undMischlingen, bei denen der Defekt nachge-wiesen wurde. Betroffene Rassen sind derCollie (Kurz-Langhaar), Australian Shep-herd, English Shepherd, Sheltie, Bobtail,Border Collie, Weißer Schäferhund, Wäller,Longhaired Whippet und Silken Windhound.Eigene Untersuchungsergebnisse beiLABOKLIN in den Jahren von 2006 bis 2009zeigten, dass ca. 57 % aller untersuchtenTiere frei waren von der MDR1-Mutation, ca.32 % der untersuchten Tiere waren Trägerund 11 % der Hunde waren homozygotbetroffen.

angabe von den einsendenden Praxenerfolgt war. Die zweitgrößte Probenanzahlstammte von Hunden der Rasse Border-Collie mit ca. 22 % aller Einsendungen.Danach folgten der Langhaar-Collie mit ca. 8% der Proben, der Kurzhaar-Collie (7 %) undder Bearded Collie mit 3 % der Proben. DieLanghaarcollies stellten mit insgesamt ca.33 % der getesteten Tiere die größte Zahlder homozygot betroffenen Hunde. Inner-halb dieser Gruppe nimmt der AmericanCollie eine Sonderstellung ein, da er keineinziges „frei“– getestetes Tier aufwies, aber60 % der Tiere homozygot betroffen warenund 40 % als Trägertiere identifiziert wurden.Die Gruppe „Collie-unbestimmt“ folgte mitca. 26 % homozygot betroffenen Tieren,gefolgt von der Gruppe der Kurzhaarcolliesmit ca. 17 % homozygot betroffenen Tieren.Bei den weiteren getesteten Rassen warendie homozygot betroffenen Hunde am häu-figsten bei der Rasse Longhaired Whippet(12,5 %) zu finden, gefolgt von den RassenShetland Sheepdog (7,7 %) und AustralianShepherd (5,6 %). Bei den getestetenBearded Collies war kein einziges homozy-got betroffenes Tier dabei und nur 2,7 %wurden als Trägertiere identifiziert.

Ca. 42 % aller eingesandten Proben stamm-ten von Hunden der Rasse „Collie“. Unterteiltman die Colliehunde in verwandte Rassen,so wurden ca. 59 % zu „Collie unbestimmt“gezählt, da hier keine detaillierte Rasse–

alle Hunde 2006 - 2009

MDR1-Defekt beim Hund 2006-2009 Deutschland

beroffen11,1%

Träger32,3% frei

56,5%

MDR1-Defekt beim Collie 2006-2009 Deutschland

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MDR1-Defekt-Die ArzneistoffeEs sind zahlreiche Wirkstoffe bekannt, diedie „Ivermectin-Unverträglichkeit“ bei Tierenmit homozygotem MDR1-Genotyp auslösenkönnen. Bekannte Substanzen, die zu neu-rotoxischen Erscheinungen und Todesfällenführen bzw. für die eine Interaktion mit demMulti-drug-transporter bei Hunden nachge-wiesen wurde, sind Loperamid (Imodium®)und makrozyklische Laktone. Zu den makro-zyklischen Laktonen zählen zahlreicheAntiparasitaria aus der Stoffgruppe derAvermectine (Ivermectin, Doramectin,Moxidectin u.a.m.). Wenn Arzneimittel ausdiesen Stoffgruppen bei MDR1-defektenTieren eingesetzt werden, müssen sie aus-drücklich für die Anwendung am Hund zu-gelassen sein. Die Medikamente dürfen inkeiner anderen als der angegebenenApplikationsform und Dosierung verabreichtwerden (z.b. oral statt topisch). Für denHund zugelassene Präparate sind z.B.Stronghold® , Advocate® und Milbemax®.Das Selamectinpräparat Stronghold® wurdebei MDR1 -homozygoten Collies als spot-onFormulierung getestet und es wurden keine

Intoxikationsanzeichen beobachtet. Eine vonden Herstellerangaben abweichendeDosierung bzw. eine andere Applikationsartals die zugelassene spot-on-Formulierungdarf nicht gewählt werden. Auch bei demMoxidectinpräparat Advocate® (enthältMoxidectin und Imidacloprid) wurden beifachgerechter Anwendung entsprechendden Herstellerangaben (spot-on) keine klini-schen Anzeichen einer Intoxikation beob-achtet. Eine orale Applikationsform führteallerdings schon in geringerer Dosierung alsder vom Hersteller empfohlenen bei topi-scher Anwendung, zu neurologischerSymptomatik und muss daher unterbleiben.Ein weiteres Präparat, das eingesetzt wer-den kann, aber bei MDR1-Defekt-homozy-got betroffenen Hunden nur eine sehr gerin-ge therapeutische Breite besitzt ist dasMilbemycinoximpräparat Milbemax®. NebenMilbemycinoxim enthält Milbemax®Praziquantel und wird laut Hersteller-angaben oral als Anthelmintikum und zurHerzwurmprophylaxe eingesetzt. In einerStudie in den USA zeigten Ivermectin-sensitive Collies bei oraler Applikationsform

MDR1-Defekt nach Hunderassen 2006-2009 Deutschland

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Gen millionenfach vervielfältigt, um es leich-ter analysieren zu können. Anschließendwird mittels Hilfe molekulargenetischerMethoden die Gensequenz hinsichtlich derMutation nt 230(del4) untersucht. Somitkann die Mutation direkt nachgewiesen wer-den und vom MDR1-Defekt betroffeneHunde können sicher identifiziert werden.Der Gentest liefert als Ergebnis einen derdrei möglichen Genotypen:

N/N: Der untersuchte Hund trägt das mutier-te Gen nicht und kann die nt230 (del4)Mutation nicht auf seine Nachkommen über-tragen.N/MDR1: Der untersuchte Hund trägt einmutiertes Gen und kann die nt230 (del4)Mutation mit einer Wahrscheinlichkeit von50% auf seine Nachkommen übertragen.Bei Trägertieren können zum jetzigenZeitpunkt Unverträglichkeitsreaktionen /Vergiftungssymptome nach Applikation vonproblematischen Wirkstoffen (s.o.) nichtsicher ausgeschlossen werden.MDR1/MDR1: Der untersuchte Hund ist rein-erbig für die nt230 (del4) Mutation (auf bei-den Chromosomen vorhanden) und über-trägt die Mutation auf seine Nachkommen.Homozygot betroffene Hunde können nachApplikation von problematischen Wirkstoffen(s.o.) Vergiftungserscheinungen entwickeln.

Der DNA-Test zum Nachweis des MDR1-Defektes bietet Tierärzten und Züchtern eineffizientes und äußerst sicheres Mittel zurIdentifizierung Ivermectin-sensitiver Tiere.Der DNA-Test kann bereits von Geburt anbetroffene Tiere sicher identifizieren, sodass eine Entscheidung für/gegen eineTherapie leichter getroffen werden kann.Ferner können sinnvolle Zuchtent-scheidungen getroffen werden um denMDR1-Defekt mittelfristig aus der Zucht zuentfernen.

bereits bei einer geringen Dosiserhöhunggegenüber den Herstellerangaben neurolo-gische Symptome (vermehrte Salivation,Koordinationsstörungen etc.). Für viele wei-tere Arzneigruppen wird eine Interaktion mitdem MDR1-Transporter in Zellkulturen bzw.Tiermodellen (knock-out Mäusen) angege-ben bzw. vermutet. Dazu gehören diverseZytostatika, Herzglykoside, Antiepileptika,Opioide, Steroidhormone, Antiemetika,Antiacida, Antiviral-wirksame Substanzen,Antibiotika und Antimykotika, immunsup-pressiv wirkende Medikamente (Cyclo-sporine) und andere mehr (z.B.Acepromazin). Die Washington StateUniversity empfiehlt bei der Anwendung vonAcepromazin (in D z. B. Vetranquil®) undButorphanol (in D z. B. Torbugesic®) beiTrägertieren eine Dosisreduzierung um 25%und bei homozygot betroffenen Tieren eineDosisreduzierung um 30% bis 50%, dabeide Wirkstoffe zu einer vertieften und ver-längerten Sedation führen können. Für denEinsatz von Buprenorphine (in D z.B.Temgesic®) wird keine Dosierungs-empfehlung für betroffene Hunde angege-ben, obwohl eine Interaktion mit dem MDR1-Transporter vermutet wird. Weitere Hinweiseauf Interaktionen des MDR1-Transportersmit Arzneistoffen finden sich auch in derLiteratur (z.B. Plumb´s veterinary drug hand-book 2008).

MDR1 - Der DNA-TestDie Entdeckung der Mutation führte zurEntwicklung eines DNA-Tests, mit dessenHilfe mit hoher Sicherheit Hunde identifiziertwerden können, die eine genetisch bedingte„Ivermectin- Unverträglichkeit“ entwickelthaben. Für den DNA-Test wird zunächst auseiner Blutprobe die DNA des Tieres isoliert.Mittels der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion wird dann das betroffene