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J AHRBUCH DER WISSENSCHAFTLICHEN S ITZUNGEN DER M EDIZINISCHEN GESELLSCHAFT AACHEN S OMMERSEMESTER 1997 BIS WINTERSEMESTER 1998/99 MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT AACHEN

MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT AACHENsylvester.bth.rwth-aachen.de/dokumente/1999/001/99_001.pdf · Orthopädische Klinik der RWTH Aachen Die Lyme-Arthritis, orthopädisch-rheumatologische

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JAHRBUCH

DER WISSENSCHAFTLICHEN SITZUNGEN

DER MEDIZINISCHEN GESELLSCHAFT AACHEN

SOMMERSEMESTER 1997 BIS WINTERSEMESTER 1998/99

MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT AACHEN

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JAHRBUCH

DER WISSENSCHAFTLICHEN SITZUNGEN

DER M EDIZINISCHEN GESELLSCHAFT AACHEN

SOMMERSEMESTER 1997 BIS WINTERSEMESTER 1998/99

ht tp:/ /www.kl in ikum.rwth-aachen.de/webpages/medges/ index.html

Vorsitzender: Herr Universitätsprofessor

Dr. med. Hans F. Merk

Direktor der Hautklinik

E-mai l : Hans.Merk@post . rwth-aachen.de

Schriftführer: Herr

Dr. med. Heinrich Dickel

Assistenzarzt an der Hautklinik

E-mai l : Heinr ich.Dickel@post . rwth-aachen.de

Sekretariat: Frau

Heike Meier

Tel . : +49 (0)241 80-88331

Fax: +49 (0)241 88-88413

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Sehr geehrte Mitglieder!

Dieser Jahresbericht wird Ihnen zu drittenmal zugesandt. Er stellt eine Übersicht über die

stattgefundenen Veranstaltungen in den Jahren 1997 und 1998 dar.

Im Jahre 1997 habe ich den Vorsitz der Medizinischen Gesellschaft von Herrn Professor Jakse

übernommen und darf mich für seine Tätigkeit bedanken. Gleichfalls möchte ich mich für die

tatkräftige Unterstützung in der Übernahmephase bei Herrn Dr. A. Brauers und Frau B.

Krenig bedanken.

Ich hoffe, daß die Medizinische Gesellschaft auch in den kommenden Jahren eine gute und

fruchtbare Arbeit leisten wird. Desweiteren wünsche ich mir auch eine gute Zusammenarbeit

mit dem Vorstand der Medizinischen Gesellschaft.

gez.

Univ.-Prof. Dr. med. Hans F. Merk

Vorsitzender der Medizinischen Gesellschaft

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Inhaltsverzeichnis der Wissenschaftlichen Sitzungen

SS 97

Lyme-Borreliose - Zeckenbißereignis mit Folgen 1

06. Mai 1997

Habilitationsanwärter stellen sich vor 10

14. Mai 1997

WS 97/98

Die Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde stellt sich vor 18

07. Oktober 1997

Habilitationsanwärter stellen sich vor 23

15. Oktober 1997

Onkologie (Teil I) 33

04. November 1997

Die Klinik für Orthopädie stellt sich vor 38

02. Dezember 1997

Die Augenklinik stellt sich vor 42

13. Januar 1998

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SS 98

Habilitationsanwärter stellen sich vor 48

10. Juni 1998

Neue Entwicklungen in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie 58

07. Juli 1998

WS 98/99

Habilitationsanwärter stellen sich vor 63

13. Oktober 1998

Neue Aspekte aus nuklearmedizinischer Diagnostik und Therapie 69

01. Dezember 1998

Vorhofflimmern - noch immer ein ungelöstes Problem 74

12. Januar 1999

Sterbebegleitung, Sterbehilfe. Aktuelle Aspekte zu Medizin, Ethik und Recht. 79

02. Februar 1999

Habilitationsanwärter stellen sich vor 82

09. Februar 1999

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Lyme-Borreliose - Zeckenbißereignis mit Folgen

06. Mai 1997

Biologie und mikrobiologische Diagnostik von Borrelia burgdorferi sensu lato

Dr. med. Dipl.-Biol. G. Haase

Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen

Die Krankheitsbilder, die heute unter den Begriff Lyme Borreliose (LB) zusammengefaßt werden,

sind schon seit dem Ende des letzten Jahrhunderts in Europa bekannt (Erythema migrans [EM],

Acrodermatitidis chronica atrophicans [ACA], Bannwarth Syndrom). Afzelius beschrieb schon

1909 den Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Erythema migrans und einem

vorangegangenen Zeckenbiß. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Spirochäten in Hautbiopsien

von Patienten mit EB beschrieben und daraufhin auch eine erfolgreiche antibiotische Therapie mit

Penicillin. Die infektiöse Natur dieser Erkrankung konnte durch entsprechende

Transplantationsversuche gesichert werden. Aber erst 1982 gelang es, das gramnegative,

mikroaerophil wachsende Bakterium Borrelia burgdorferi als aetiologisches Agens anzuzüchten.

Die Kultur dieses langsam wachsenden Bakteriums erfordert den Einsatz eines komplexen

Spezialmediums.

Bei der LB handelt es sich um die häufigste durch Arthropoden übertragenen Infektion in den

gemäßigten Klimazonen der Erde. In Europa fungiert die Schildzecke Ixodes ricinus, in

Nordamerika die Arten I. scapularis und I. pacificus und in Asien die Art I. persulcatus als Vektor

für dieses Bakteriums für den Menschen. Zecken durchlaufen während ihres Lebenszyklus drei

Entwicklungsstadien (Larve, Nymphe, adulte Zecke), wobei jedesmal eine " Blutmahlzeit"

genommen wird. Dabei werden entsprechend der Größe der Zecke größere Wirte aufgesucht.

Borrelia burgdorferi wird innerhalb der Zeckenpopulation sowohl horizontal als auch vertikal

übertragen. Die Durchseuchung der Zeckenpopulation in Deutschland beträgt 5 - 30% (proportional

zur Entwicklungshöhe). Vögel scheinen im epidemiologischen Kontext eine wesentliche Rolle für

eine Verbreitung von B. burgdorferi über weitere Strecken zu spielen. Zecken halten sich in der

Strauch- und Krautzone auf (> 75% Luftfeuchtigkeit) und sind nur bei > 20 °C aktiv. Bei der

" Blutmahlzeit" wird B. burgdorferi durch den Speichel auf den Wirt übertragen. Allerdings besteht

erst ab der achten Stunde dieses Saugaktes ein nennenswertes Risiko für eine solche Übertragung

von B. burgdorferi.

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Daher besteht die prophylaktische Maßnahme in einer sorgfältigen und rechtzeitigen Hautinspektion

nach Besuch solcher Biotope mit der vorsichtigen Entfernung etwaiger Zecken. Eine

Antibiotikaprophylaxe ist erst nach längerer Dauer der Blutmahlzeit und/oder multiplen

Zeckenbissen in Erwägung zu ziehen. Eine Schutzimpfung mit dem rekombinanten Molekül OspA

befindet sich in den USA im Zulassungsverfahren. Diese vermittelt allerdings nur Schutz gegenüber

Infektionen mit B. burgdorferi sensu stricto.

Infektionen mit B. burgdorferi verlaufen zu 60% asymptomatisch. In Europa kann von einer

Inzidenz dieser Erkrankung von 26 - 160 pro 100.000 Einwohner und Jahr ausgegangen werden.

Das breite Spektrum der LB ist durch die unterschiedliche Vulnarabilität des Immunsystems und

immungenetische Faktoren bedingt. Schon bald nach der Erstbeschreibung von B. burgdorferi

zeigte es sich, daß es sich hierbei um eine phänotypisch variable Art handelt (B. burgdorferi sensu

lato) welche eine der Ursachen für diese unterschiedlichen Verlaufsformen der LB sein könnte (B.

burgdorferi: EM, chronische Arthritis; B. garinii: EM, Neuroborreliose; B. afzelii: EM, ACA)

wobei anscheinend alle Arten in der Lage sind ein EM zu verursachen. Infolgedessen sind bisher

zehn distinkte Arten (= Borrelia burgdorferi sensu lato) mit unterschiedlicher geographischer

Verbreitung beschrieben worden.

Der Direktnachweis von B. burgdorferi kann durch eine Silberfärbung von entsprechenden

Untersuchungsmaterial versucht werden. Der kulturelle Nachweis (Kulturdauer bis zu 21 d)

erfordert den Einsatz eines komplexen Nährmediums und wurde bisher erfolgreich bei

Hautbiopsien, Liquor und Synovialflüssigkeit eingesetzt. Entsprechende in-vitro

Nachweisreaktionen mittels molekulargenetischer Amplifikationsverfahren (z.B. PCR) befinden

sich in der Entwicklung (z.Zt. noch kein kompletter kommerziell erhältlicher Kit verfügbar). Alle

diese Methoden weisen eine geringe Sensitivität auf (i. d. R. > 60%), wobei die Hautbiopsie die

höchste Ausbeute zeigt. Daher sind diese Direktnachweise im Moment in der Routinediagnostik nur

von untergeordneter Bedeutung. Dieses Faktum erklärt aber auch, daß das Wissen um die

Speziesbeteiligung bei den verschiedenen Krankheitsbildern und die geographische Verteilung der

verschiedenen B. burgdorferi sensu lato Arten noch sehr fragmentarisch ist.

Für den indirekten serologischen Nachweis einer B. burgdorferi Infektion werden z.Zt. folgende

Verfahren eingesetzt: Hämagglutinationstest, indirekter Immunfluoreszenztest, Enzymimmunoassay

(EIA) und Western Blot (WB). Die ersten drei Verfahren werden als Screeningstest eingesetzt,

wobei EIAs am häufigsten verwandt werden. Der WB wird eingesetzt um die Frage nach dem

Vorliegen einer akuten Infektion beantworten zu können. Diese Frage stellt sich oft bei einem

positiven Screeningtest, da die Prävalenz der Lymeborreliose in unseren Breitengraden hoch ist.

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Bei der Beurteilung der serologischen Testergebnisse von B. burgdorferi bedingten Erkrankungen

sind folgende Besonderheiten zu beachten: Ein EM ruft häufig keine Antikörperantwort hervor.

Antikörper gegen Treponema pallidum sind kreuzreaktiv. Daher muß bei einer positiven

serologischen Reaktion eine Syphilis (akut bzw. ausgeheilt) ausgeschlossen werden. Bei einer

Neuroborrelliose tritt in der Regel eine (autochthone) Antikörperbildung im Liquor früher auf als im

Serum. Aufgrund dieser autochthonen Antikörperbildung sind bei der Neuroborreliose hierbei auch

häufig entsprechende oligoklonale Banden im Liquor nachweisbar. Allerdings werden falsch

positive Ergebnisse bei einer entsprechenden oligoklonalen Kostimulation bedingt durch

Infektionen mit anderen Erregern (z.B. EBV, CMV, M. pneumoniae) und bei Vorliegen von

Autoimmunerkrankungen gesehen. Daher sind solche Erkrankungen auszuschliessen. Eine

erfolgreiche Therapie ist nicht zwingend mit einem entsprechenden Abfall der Titer (IgM u. IgG)

verbunden.

Da die Aufklärung der Infektionsbiologie von B. burgdorferi sich erst in den Anfängen befindet

sind folgende diagnostische Probleme zur Zeit noch nicht gelöst: In der Regel werden für die

serologischen Tests somatische Antigene (Gesamtzellsonifikate und/oder rekombinante Antigene)

von B. burgdorferi sensu stricto eingesetzt. Dabei ist nicht geklärt, ob diese Antigene auch geeignet

sind die relevanten Antikörper, die bei Infektionen mit B. burgdorferi sensu lato Arten gebildet

werden, zu detektieren. Da die in vitro Kultur von B. burgdorferi sehr schwierig ist und sich

sicherlich erheblich von den in vivo Bedingungen unterscheidet werden u.U. auch die relevanten

Antigene nicht bzw. nur unzureichend exprimiert.

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Spektrum der Hautmanifestationen bei Borrelia-burgdorferi-Infektionen

Dr. med. A. Rübben

Hautklinik der RWTH Aachen

Borrelia burgdorferi, der Erreger der Lyme-Krankheit, die die verschiedenen Aspekte der Borrelia-

burgdorferi-Infektion zusammenfaßt, ist erst 1982 isoliert worden. Die dermatologischen

Krankheitsbilder, die durch diese Spirochäte hervorgerufen werden, sind den Dermatologen aber

schon seit vielen Jahrzehnten bekannt. Als eigenständige Erkrankung ist die primäre

Hautmanifestation der Borreliose, das Erythema chronicum migrans, von Afzelius 1909 und von

Lipschütz 1913 beschrieben worden. Auch die Assoziation mit dem Zeckenbiß war den

Dermatologen frühzeitig aufgefallen. Die Kausalkette konnte jedoch erst mit der Isolierung des

Erregers geschlossen werden. Überträger von Borrelia burgdorferi ist die Schildzecke (Ixodes

ricinus). Nach Übertragung durch den Zeckenbiß durchläuft die Infektion verschiedene Stadien. Die

klinische Ausbildung ist je nach Immunlage des Patienten unterschiedlich und wird auch durch den

Subtyp von Borrelia burgdorferi bestimmt. Das Überspringen einzelner Stadien kommt ebenfalls

vor. Das erste Stadium, das nach 2 bis 28 Tagen nach Zeckenbiß beginnen kann, ist durch die

dermatologischen Manifestationen geprägt. Die wichtigste und häufigste Manifestation, die direkt

zur Diagnose führt, ist das Erythema chronicum migrans. In der Regel etwas später nach Zeckenbiß

kann sich unter der Bißstelle auch ein Lymphozytom ausbilden. Seltener treten auch urtikarielle

Erytheme auf. Die Diagnosenstellung ist dann entsprechend schwieriger und bedarf der Serologie.

Das zweite Stadium zeigt gewöhnlich keine Hautveränderungen, es dominieren neurologische und

kardiale Symptome. Im dritten Stadium imponiert von dermatologischer Seite die Acrodermatitis

chronica atrophicans, die schon 1902 von Herxheimer und Hartmann beschrieben wurde und die

vornehmlich mit dem Subtyp Borrelia afzelii assoziiert zu sein scheint.

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Lyme-Arthritis - häufig verkannte Monarthritis

Dr. med. J. Forst

Orthopädische Klinik der RWTH Aachen

Die Lyme-Arthritis, orthopädisch-rheumatologische Manifestation der Lyme-Borreliose, ist ein

seltenes Krankheitsbild. Für Deutschland wird eine jährliche Neuerkrankungsrate für die Lyme-

Borreliose mit 10-20.000 Fällen geschätzt, hiervon erkranken etwa 7-10% (1.000-2.000

Erkrankungen im Jahr) an einer Lyme-Arthritis.

Für die meist schmerzlose Lyme-Arthritis besteht keine spezifische Anamnese, es sei denn, die

Patienten erinnern sich an einen Zeckenstich oder ein Erythema chronicum migrans. Die Zeitspanne

zwischen dem Zeckenstich oder zwischen dem Erythema chronicum migrans und dem Auftreten

einer Arthritis kann zwischen 2 Wochen und mehreren Jahren betragen. Spezifische klinische

Befunde, die die Diagnose einer Lyme-Arthritis als prima vista Diagnose ermöglichen, existieren

nicht, so daß die Diagnose einer Lyme-Arthritis immer eine Ausschlußdiagnose degenerativer,

pyogener oder rheumatologischer Monarthriden darstellt. Dennoch sollte die seltene

Differentialdiagnose der Lyme-Arthritis, insbesondere bei schmerzloser Monarthritis, immer

mitbeachtet werden.

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Neuroborreliose

Dr. med. F. Block

Neurologische Klinik der RWTH Aachen

Die Neuroborreliose ist durch eine Manifestation einer systemischen Infektion mit Borrelien am

Nervensystem gekennzeichnet, die durch hämatogene Streuung oder lokale Invasion zustande

kommt. Diagnostische Kriterien der Neuroborreliose sind neurologische Symptome und ein

entzündliches Liquorsyndrom bestehend aus einer überwiegend lymphozytären Pleozytose (100-

1000 Zellen/µl), Nachweis von Antikörpern gegen Borrelien und einer autochthonen intrathekalen

IgG-Synthese. Die häufigste neurologische Manifestation im Stadium 2 der Borreliose ist das

'Bannwarth-Syndrom', welches durch periphere Paresen, zumeist Fazialisparesen, und schmerzhafte

Radikulitiden charakterisiert ist. Seltener finden sich in diesem Stadium eine lymphozytäre

Meningitis, Plexusneuritis, Mononeuritis multiplex, Enzephalitis oder Myelitis. Im 3. Stadium der

Borreliose sind eine Enzephalopathie, welche sich durch kognitive oder psychiatrische Störungen

oder durch epileptische Anfälle manifestiert, eine Myelitis, eine zerebrale Vaskulitis oder eine

chronische Polyneuropathie zu beobachten. Die Therapie der Wahl ist die intravenöse Gabe von

Ceftriaxon, 2 g/die. Als Alternativen stehen Cefotaxim, 3 × 2 g/die, oder Penicillin G, 4 × 5 Mio. E.,

zur Verfügung. Die Dauer der antibiotischen Behandlung sollte beim 2. Stadium 14 Tage und beim

3. Stadium 3-4 Wochen betragen. Als Therapiekontrolle ist neben dem klinischen Verlauf die

Pleozytose im Liquor zu verwerten, die sich bei Therapieerfolg zurückbildet. Die Prognose der

Neuroborreliose ist insgesamt als gut einzustufen. Nach entsprechender Behandlung kommt es bei

ca. 80-90% der Patienten im Stadium 2 zu einer kompletten Heilung. Bei 2/3 der Patienten aus dem

3. Stadium ist immerhin eine deutliche Besserung zu beobachten.

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Kardiale Beteiligung bei der Lyme-Borreliose

Dr. med. U. Janssens

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Eine kardiale Manifestation der Lyme-Erkrankung tritt im klinischen Stadium II (nach hämatogener

oder lymphogener Erregergeneralisation) als Störung der Erregungsbildung und -leitung bzw. als

akute Perimyokarditis, sowie im Stadium III vor allem als Einschränkung der linksventrikulären

Pumpfunktion im Sinne einer dilatativen Kardiomyopathie oder chronischer Perimyokarditis auf.

Die Inzidenz der Lyme-Karditis beträgt in den USA 8-10%, in Europa nur 0,5-1,6% aller

Lymeborreliosen. Diagnostisch beweisend für eine kardiale Mitbeteiligung ist allein die

Myokardbiopsie mit histologischem bzw. kulturellem Erregernachweis.

Anhand von 100 Fallberichten aus der Weltliteratur konnten folgende Charakteristika der

Erkrankung ermittelt werden: 75% der Patienten waren männlich, ihr Alter lag im Mittel bei 36

Jahren. Die ersten kardialen Symptome traten durchschnittlich 33 Tage nach erinnertem Zeckenbiß

bzw. nach Auftreten kutaner Symptome auf, die in 50% als vorausgehend beschrieben wurden. In

40% wurden vorausgegangene oder akute Gelenkbeschwerden angegeben. Nur in 18% der Fälle

wurde ein Zeckenbiß erinnert. Die häufigsten beschriebenen klinischen Befunde waren

Rhythmusstörungen, wobei hier die höhergradigen AV-Blockierungen (Grad II-III) mit 78% die

weitaus größte Gruppe darstellten. Eine absolute Arrhythmie wurde in 6%, eine dilatative

Cardiomyopathie (DCM) ebenfalls in 6% der Fälle gefunden.

Die Therapie der Lyme-Karditis umfaßt neben allgemeinen Maßnahmen wie Monitoring und ggf.

passagerer Schrittmacheranlage die intravenöse antibiotische Therapie über 2 bis 3 Wochen. Mittel

der ersten Wahl sind Ceftriaxon oder Cefotaxim. Der Einsatz von Steroiden ist umstritten. Die

Prognose der Lyme-Karditis ist gut. AV-Blockierungen sind meist nicht persistierend und bedürfen

nur seiten einer permanenten Schrittmachertherapie. Einzelfälle zeigten sogar eine Reversibilität der

linksventrikulären Funktionseinschränkung bei borrelieninduzierter DCM nach antibiotischer

Therapie, wobei hierbei wahrscheinlich die Dauer der Erkrankung für den Therapieerfolg von

Bedeutung ist.

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Augenbefunde bei Borreliose

Dr. med. C. Dahlke

Augenklinik der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen

Eine Infektion mit Borrelia burgdorferi kann zu allen nur denkbaren intraokularen Entzündungen

führen.

Im Frühstadium der Erkrankung kann eine hämorrhagische Konjunktivitis auftreten. Hauptsächlich

findet sich eine Augenbeteiligung aber in den späteren Stadien II und III, bei denen es zur

Generalisierung und Organmanifestation mit chronischen Entzündungen kommt. Am Auge sind

beschrieben Keratitis, Iritis bzw. Iridozyklitis, retinale Vaskulitis, Chorioiditis, entzündliche

Optikusprozesse wie Neuritis optici (Retrobulbärneuritis, Papillitis), Stauungspapille,

Papillenödem, ischämische Optikusneuropathien und Hirnnervenparesen, insbesondere

Facialisparesen.

Wichtig ist es, bei jeder intraokularen Entzündung an eine mögliche Borreliose zu denken. Eine

positive Serologie kann die klinische Verdachtsdiagnose unterstützen.

Die Therapie im Frühstadium ohne Organmanifestation besteht in Penicillin G intravenös,

Amoxycillin mit Probenecid oral oder Doxycyclin oral. Bei Therapieversagern und im Spätstadium

sollte Ceftriaxon oder Cefotaxim intravenös gegeben werden. Die Behandlung muß ausreichend

lange erfolgen, d.h. mindestens zwei, besser drei Wochen.

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Habilitationsanwärter stellen sich vor

14. Mai 1997

Experimentelle und theoretische Zugänge zur dreidimensionalen Struktur von Proteinen

Dr. rer. nat. J. Grötzinger

Institut für Biochemie der RWTH Aachen

Für das Verständnis der Funktion von Proteinen ist die Kenntnis ihrer dreidimensionalen Struktur

unerläßlich. Zur Strukturaufklärung eines Proteins stehen drei Methoden zur Auswahl, die

Röntgenstrukturanalyse, die NMR (Nuclear-Magnetic Resonance)-Spektroskopie und der

Molekülmodellbau (molecular modelling). Während die beiden erstgenannten einen direkten,

experimentellen Zugang zur dreidimensionalen Struktur eines Proteines ermöglichen, ist die letztere

auf strukturelle Vorkenntnisse angewiesen.

Es werden im folgenden sowohl die Methoden der NMR-Spektroskopie als auch die des molecular

modelling vorgestellt.

Das der NMR-Spektroskopie zugrundeliegende physikalische Phänomen ist der Kernspin. Für die

Strukturaufklärung sind die Protonen von zentraler Bedeutung. Jedes Proton besitzt in einem

Magnetfeld eine charakteristische Frequenz (Larmor-Frequenz), mit der es um das statische Feld

(B0) präzediert. Diese Frequenz ist abhängig von der Umgebung des Protons. Die Hilfe der NMR-

Spektroskopie lassen sich (a) diese Frequenzen und (b) die Interaktionen zwischen den Protonen

messen, welche abhängig sind vom ihrem Abstand. Als erster Schritt einer Strukturaufklärung muß

daher die Zuordnung der Frequenzen zu den Protonen erfolgen. Aus der sich dann anschließenden

Analyse der Interaktionen ergibt sich ein Netzwerk von Proton/Proton-Abständen, welches sich

dann in eine dreidimensionale Struktur überführen läßt. Die Aufklärung der dreidimensionalen

Struktur von Proteinen mit Hilfe der hochauflösenden 1H-NMR-Spektroskopie wurde erst durch die

Einführung der mehrdimensionalen Techniken ermöglicht, welche eine eindeutige Zuordung der

Frequenzen erlauben. Mit Hilfe dieser Methoden läßt sich die Struktur von Proteinen bis zu einem

Molekulargewicht von ca. 10 kDa bestimmen. Die Einführung der mehrdimensionalen,

heteronuklearen (15N, 13C, 1H) NMR-Spektroskopie ermöglichte es diesen Bereich auf bis zu 40

kDa auszudehnen.

Die Strukturen von drei Proteinen, die wir mit Hilfe dieser Methoden bestimmt haben, werden

vorgestellt. Es wird die Struktur eines inaktiven mit der eines superpotenten Insulin-Analogs

verglichen. Die dritte Struktur ist die einer Deletionsmutante vom Insulin-like growth-factor-I.

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Die Strukturgenerierung eines Proteins mit Hilfe der Methoden des molecular modelling setzt

voraus, daß die Struktur eines verwandten, homologen Proteins bereits bekannt ist. Zunächst

werden dann die Aminosäurensequenzen der beiden Proteine zu größtmöglicher Übereinstimmung

überlagert (sequential alignment). Durch invariante oder konservative Besetzung, d.h. Besetzung

mit gleichen oder ähnlichen Aminosäureresten geben sich diejenigen Positionen zu erkennen, die

für den strukturellen Aufbau des Proteins von entscheidender Bedeutung sind. Zusätzliche Hinweise

liefern z.B. Methoden wie die Sekundärstruktur-Vorhersage aus der Sequenz. Der eigentliche

Modellbau besteht dann darin, daß die einzelnen Aminosäurereste der bekannten Struktur -

entsprechend dem alignment- gegen die Reste des homologen Proteins ausgetauscht werden. Die

Orientierung der Seitenketten erfolgt nicht willkürlich: Aus einer Datenbank, die alle bekannten

Proteinstrukturen enthält, werden die Aminosäurereste herausgesucht, die eine gleiche oder ähnliche

Sequenzumgebung haben. Diese Konformationen werden dann in das Modell übernommen. Das so

generierte Rohmodel wird anschließend mit Hilfe von Kraftfeldrechungen energetisch optimiert und

strukturell verfeinert.

Nach dieser Methodik haben wir die dreidimensionalen atomaren Modelle von Interleukin-6 (IL-6),

seinem spezifischen Rezeptor (IL-6R, gp80) und der signaltransduzierenden Untereinheit gp130

entwickelt. Darüberhinaus schlagen wir in einem weiteren Modell vor, wie je ein Molekül Il-6 und

IL-6R mit zwei Molekülen gp130 zum funktionalen Komplex zusammentreten. Die experimentelle

Verifizierung des Modells wird diskutiert.

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Zur Problematik der Gesteuerten Geweberegeneration (GTR) bei Erkrankungen des

Zahnhalteapparates

Dr. med. dent. H.-G. Gräber

Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde der RWTH Aachen

Ein Problem bei der bakteriell verursachten Parodontitis ist das unkontrollierte Wachstum des

Saumepithels nach apikal, was zur Entstehung unphysiologisch tiefer Zahnfleischtaschen und

unbehandelt zu einem schrittweisen Verlust von parodontalem Gewebe führt. Die bisherige

chirurgische Intervention unter Verwendung verschiedenen Membransystemen dient als

mechanische Barriere zur Verhinderung des Epitheltiefenwachstums. Mit Zytokinen und

Wachstumsfaktoren Migration und Zellproliferation "steuern" und die undifferenzierten

mesenchymalen Zellen des verbliebenen parodontalen Ligaments zu regenerativen Prozessen

anregen zu können, ist darüber hinaus ein überlegenswerter neuer Therapieansatz.

Aus der Gruppe der Adhäsionsmoleküle sind es die Integrine, die eine wesentliche Rolle in der Zell-

zu-Zell- und in der Zell-Matrix-Kommunikation spielen. Es handelt sich dabei um Rezeptoren auf

Zelloberflächen, die aus einer α- und β-Untereinheit bestehen. Die unterschiedliche Kombination

dieser Untereinheiten bildet verschiedene Rezeptoren. Liganden können beispielsweise

Immunglobuline, der von Willebrand-Faktor oder verschiedene Bestandteile der extrazellulären

Matrix (ECM) sein. Die Signalübermittlung der Integrine ist für die molekulare Steuerung des

Zellwachstums von entscheidender Bedeutung. Die Zellen des Saumepithels wachsen, wie alle

anderen Zelltypen auch, auf einer basalen Matrix verschiedener Kollagene und extrazellulärer

Glykoproteine (Laminin, Fibronektin, Epiligrin, Vitronektin, Kalinin etc.).

Für die Zelladhäsion auf der Basalmembran sind Integrine verantwortlich. Binden die Proteine der

extrazellulären Matrix Integrine, so bewirkt dies eine Änderung der intrazellulären Genexpression

und damit der zellulären Proliferation und Differenzierung. Um die Proliferation mit Antikörpern

gegen Integrineinheiten steuern zu können, ist es eine Voraussetzung, möglichst viele

Integrinrezeptoren damit zu blockieren und so eine Bindung an Bestandteile der ECM zu

verhindern. In der Organkultur humaner marginaler Gingiva wurde bereits erfolgreich eine

epitheliale Wachstumshemmung mit monoklonalen Antikörpern (mAk) gegen das Integrin-α6β1

gezeigt. Eine wichtige Rolle spielt das Integrin-α6β1 bei der epithelialen Wundheilung. Es wir hier

als Lamininrezptor angesehen, der in Bereichen regenerierter Epidermis eine feste Verbindung im

Wundgebiet zwischen proliferierenden Keratinozyten und der Basalmembran eingeht. Welche

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besondere Bedeutung bei der Zellproliferation und Migration dieser Vorgang besitzt, ist bisher noch

unklar.

Eine ausreichende Quantifizierung der Wachstumsveränderung unter Antikörpereinfluß war in der

Organkultur jedoch nicht möglich. Deshalb benutzten wir die humane permanente Zellinie HaCaT

(Human adult low Calcium high Temperature, DKFZ Heidelberg), an der die wachstumshemmende

Wirkung unserer Antikörper getestet werden sollte.

Ergebnisse:

1. Mit Hilfe der Immunfluoreszenz ist es gelungen die Integrinuntereinheiten α6 βl an dieser

Zellinie nachzuweisen. Die Rezeptoren werden hauptsächlich im Bereich von Zell-zu-Zell-

Kontakten exprimiert und weniger an Zelloberflächen, die nicht in Kontakt zu einander stehen. Die

Doppelfärbung legt die Vermutung nahe, das sowohl α6 als auch β1 auf der Zelloberfläche

räumlich gleich verteilt sind, evtl. sogar als ein Integrin-α6β1.

2. Der Einfluß der Antikörper auf das Proliferationsverhalten der HaCaT-Zellen ist mit Hilfe des

BrdU-Testes überprüft worden. Hierbei wird in der S-Phase des Zellzyklusses anstatt Thymidin 5-

Bromo-2'-desoxyuridin (BrdU) als Basenanalogon in die DNA proliferierender Zellen eingebaut.

Die Antikörperzugabe nach 24 und 48 Stunden zeigt bereits eine deutliche Hemmung der

Zellproliferation im Unterschied zur Kontrollgruppe. Unterschiede zwischen dem singulären und

kombinierten Einsatz unserer Antikörper waren nicht festzustellen, auch die Inkubation nach 72

Stunden bringt keine anderen Ergebnisse.

Die wachstumshemmende Wirkung von mAk gegen die Integrinuntereinheiten α6 und βl ist in der

Organkultur humaner Gingiva und jetzt im Monolayer an der HaCaT-Zellinie beobachtet worden.

Damit scheint es möglich zu sein, das Wachstumsverhalten verschiedener Zellarten auf molekularer

Ebene kontrolliert steuern zu können.

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Die Wirkung des Nd-YAG Lasers auf die mikrobiologische Flora der Mundhöhle unter

besonderer Berücksichtigung endodontischer Erkrankungen

Dr. med. dent. N. Gutknecht

Klinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der RWTH Aachen

Seit Jahrzehnten gehört die Behandlung gangränöser Wurzelkanäle und periapikaler Läsionen, vor

allem im Seitenzahnbereich, zu den Problemgruppen klassischer endodontischer Behandlungen. Die

Ursachen liegen in der Krümmung und dem geringen Lumen dieser Wurzelkanäle. Dies führt dazu,

daß sie weder vollständig mechanisch aufbereitet, noch zufriedenstellend mit desinfizierenden

Spühllösungen gereinigt werden können. Ziel unserer Untersuchungen war es, die Wirkung des

gepulsten Nd-YAG Lasers (1064 nm) mit flexibler Quarzfaser auf die Wurzelkanalwände, die

Bakterienflora und das umgebende Gewebe zu untersuchen. Dazu wurden unterschiedliche

Lasereinstellungen gewählt (1OHz/0,8W.; 1OHz/1W.; 15Hz/1,25W.; 15Hz/1,5W) und deren

Auswirkungen auf die Wurzelkanalwand rasterelektronenmikroskopisch untersucht. Die

Laserauswirkung auf die Dichtigkeit der lateralen Dentintubuli konnte durch Farbpenetrationstest

(basisches Fuchsin) dargestellt werden. Beide Untersuchungen gaben einen klaren Aufschluß über

den Abtrag organischer Substanzen in Wurzelkanal und den nachfolgenden Verschluß der

Dentintubuli. Temperaturuntersuchungen auf der Wurzeloberfläche sollten sicherstellen daß das

umgebende Desmodont, während der Laserbehandlung im Wurzelkanal, thermisch nicht geschädigt

wird. Transmissions- und Emissionsmessungen an unterschiedlich dicken Dentinscheiben (50-5000

µm) gaben Aufschluß darüber, welche Energiemengen in welcher Schichtdicke des Dentin noch

vorhanden sind. Daraus konnten Erkenntnisse über die bakterizide Wirkung in tieferen

Dentinschichten gewonnen werden. Mittels eines, in Zusammenarbeit mit dem Institut für

Thermodynamik und Raumfahrttechnik der FH Aachen erstellten Finite Elemente Modells konnten

alle Temperaturverläufe im Wurzelkanal selbst als auch im umgebenden Gewebe bei allen

Einstellungskombinationen zu jedem Zeitpunkt ermittelt werden. Die mikrobiologischen

Untersuchungen hatten zum Ziel, die Menge der abgetöteten Bakterien im Wurzelkanal nach

konventioneller und nach Laserbehandlung zu ermitteln. Die Ergebnisse wurden in log kill ermittelt

und betrugen für den Laser 99,8% und für die Kontrollgruppe 48,5%. Zusammen mit der

Universität Dresden wurden auch die mikrobiologischen Untersuchungen in den unterschiedlich

dicken Dentinwänden ermittelt. Dabei konnte ermittelt werden, daß es nur bei der laserunterstützten

Wurzelkanalbehandlung möglich ist, die Mikroorganismen in den Dentintubuli zu zerstören. Die

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von uns durchgeführte klinische Langzeitstudie laserunterstützter Behandlung endodontischer

Problemfälle zeigte eine signifikant höhere Erfolgsrate als die klassisch behandelte Kontrollgruppe.

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Entwicklung und Erprobung eines multidimensionalen Ansatzes zur Quantifzierung der

Stimmfunktion

Dr. med. Ch. Neuschaefer-Rube

Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der RWTH Aachen

In der Phoniatrie, der Akustik, der Gesangspädagogik wie auch in anderen Gebieten, die

Stimmforschung zum Gegenstand haben, gibt es seit langem Ansätze, die Stimmfunktion als solche

oder einzelne ihr zugrunde liegende Parameter zu quantifizieren. Zu diesem Zweck wurden

Stimmumfang, Stimmdynamik, Klangfarbe der Stimme, Tonhaltedauer sowie phonatorische

Atemfluß und -volumengrößen mit der jeweilig verfügbaren Technologie bestimmt. Insbesondere

die in den 50er Jahren entwickelte 2-dimensionale cartesische Verknüpfung des Tonhöhenumfangs

mit der Lautstärkedynamik der Stimme, das so bezeichnete Stimmfeld oder Phonetogramm, hat sich

inzwischen als Routineverfahren zur Beurteilung der Stimmfunktion in der klinischen Diagnostik

etabliert. Die Einschränkungen einer 2-dimensionalen Betrachtungsweise der Stimmfunktion gaben

jedoch Anlaß, zusätzliche, überwiegend in weiteren klinischen Untersuchungsmethoden gewonnene

Parameter in die Stimmfelddokumentation aufzunehmen. Die hier vorgestellte computergestützte

3D-Phonetographie ist eine multidimensionale, figurative Darstellungsform der Stimmfunktion, die

auf der Basis von Wertetriplets entwickelt wurde. Die Parameter Tonhöhe, Stimmstärke und

Tonhaltedauer werden hierzu in einem Untersuchungsgang und in gegenseitiger Abhängigkeit

erfaßt. Unter Berücksichtigung der damit gegebenen Zeitabhängigkeit der gemessenen

Stimmfunktion erstellt sich ein neues quantitatives Leistungsmaß der Stimme.

Befundcharakteristika bei stimmgesunden Probanden und bei Patienten mit Stimmstörungen werden

vorgestellt.

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Untersuchungen zum Prozeß der physiologischen Muttermundseröffnung unter der Geburt

Dr. med. M. Winkler

Frauenklinik der RWTH Aachen

Die rasche, innerhalb weniger Stunden ablaufende Muttermundseröffnung unter der Geburt wird

durch einen enzymatischen Abbau von Strukturproteinen (z.B. Kollagenen) innerhalb des

zervikalen Stroma realisiert. Als Herkunftsort der Kollagenasen wurden die sub partu im zervikalen

Stroma in hoher Zahl nachweisbaren neutrophilen Granulozyten identifiziert. Wie im Rahmen einer

akuten Entzündungsreaktion ist eine der Voraussetzungen für die Extravasation dieser Zellen eine

temporäre Adhäsivitätssteigerung des Gefäßendothels, die durch Adhäsionsmoleküle vermittelt

wird. Deren Expression wird durch Zytokine (z.B. IL-1β, TNFα) gesteuert.

Fragestellung: Wir untersuchten daher, ob sich die IL-1β- und TNFα-Konzentrationen und die

Expression von endothelial leukocyte adhesion molecule-1 (ELAM-1), vascular cell adhesion

molecule-1 (VCAM-1) und intercellular adhesion molecule-1 (ICAM-1) im unteren Uterinsegment

während der Muttermundseröffnung verändern.

Patientinnen und Methodik: Bei Sectio caesarea am Geburtstermin erfolgte bei einer

Muttermundsweite von <2 cm (n=17), 2-3 cm (n=12), 4-6 cm (n=13) und >6 cm (n=17) eine

Gewebeentnahme aus dem unteren Uterinsegment. In diesen Proben wurden die IL-1β- und TNFα-

Konzentrationen mittels ELISA bestimmt und die Expression von ELAM-1, VCAM-1 und ICAM-1

immunhistochemisch identifiziert und semiquantitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Der Median der IL-1β-Konzentrationen steigt signifikant von 1,3 ρg/mg Gesamtprotein

(GP) bei <2 cm dilatierter Zervix auf 22,2 ρg/mg GP bei 4-6 cm eröffneter Zervix. Auch der

Median der TNFα-Konzentration steigt von 7,99 ρg/mg GP bei einer Muttermundsweite <2 cm auf

22,23 ρg/mg GP bei 4-6 cm eröffneter Zervix. ELAM-1 und VCAM-1 sind bei einer

Muttermundsweite >6 cm signifikant höher exprimiert als bei <2 cm eröffneter Zervix. Die

Expression von ICAM-1 ist in allen Gruppen gleichermaßen hoch.

Schlußfolgerung: Der Nachweis einer parallelen Zunahme der Konzentrationen von IL-1β und

TNFα sowie die Expression von Adhäsionsmolekülen im unteren Uterinsegment unter der Geburt

stützt die Hypothese, nach der der Prozeß der physiologischen Muttermundseröffnung

Ähnlichkeiten mit dem Beginn einer akuten Entzündungsreaktion aufweist.

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Die Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde stellt sich vor

07. Oktober 1997

Korrektur der äußeren Nase, Chirurgie des Gesichtes, Therapie der oberen Luftwege

Dr. med. Dipl.-Ing. B. Korves

Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH

Aachen

Bei der Chirurgie der Nase als dominierendes Element des Gesichtes ist das Ziel die Modifikation

der äußeren Erscheinung mit Erhaltung oder Wiederherstellung der Funktion. Im folgenden werden

Forinvarianten der äusseren Nase und die zugrunde liegenden pathologischen Veränderungen der

Nasenscheidewand mit entsprechender Ventilationsstörung exemplarisch dargestellt.

Der Arzt sollte sich über die Erwartung des Patienten Klarheit verschaffen und diese in die

Operationsindikation einbeziehen.

Zur präoperativen Vorbereitung gehören die Rhinoskopie, die Endoskopie der Nasenhaupthöhle, die

Rhinomanometrie und die Olfaktoriometrie. Bei klinischen Beschwerden kann ein Allergietest und

eine Röntgenaufnahme der Nasennebenhöhlen notwendig sein.

Verschiedene Faktoren bedingen eine Funktionsstörung der inneren Nase mit Auswirkung auf die

äußere Form:

• Die innere Nasenklappe führt bei schmalen Naseneingängen oder schwachem Flügelknorpel

durch das Ansaugphänomen zu einer inspiratorischen Ventilationsstörung.

• Die Nasenspitze und der Nasensteg bedingt durch ungünstigen Nasolabialwinkel pathologische

Turbulenzbildungen der eingeatmeten Luft am Nasenboden und am Nasendach.

• Die knorpelig-knöcherne Schiefnase beinhaltet eine Luxation und Deviation der

Nasenscheidewand mit Nasenatmungsbehinderung.

• Bei der Sattelnase ist der Winkel der inneren Nasenklappe abgeflacht und der Nasensteg häufig

retrahiert; eine Hypoplasie des Mittelgesichtes ist typisch bei kongenitalen Sattelnasen. Als

weitere Ursachen kommt eine iatrogene Schädigung der Nasenscheidewand mit Perforation und

entsprechender Funktionsstörung in Betracht.

Jede der oben genannten Formvarianten der Nase bedarf einer individuellen chirurgischen Technik

zur Wiederherstellung der Funktion. Grundsätzlich gewährleistet eine zurückhaltende Chirurgie

unter Erhaltung der nasalen Strukturen das erwünschte funktionelle und ästhetische Ergebnis.

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Mikroinstrumentelle Laserverfahren bei Erkrankungen des Larynx und des Pharynx

Dr. med. E. Di Martino

Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH

Aachen

Zu experimentellen und klinischen Zwecken werden in der HNO-Heilkunde seit 25 Jahren

verschiedene Laser eingesetzt. Im klinischen Einsatz hat sich der CO2-Laser als universelles

Schneidinstrument bewährt. Der Einsatz moderner Mikromanipulatoren erlaubt präzises und

gewebeschonendes Arbeiten. In zunehmenden Maße wird auch der Neodym YAG Laser verwandt.

Die Vorteile dieses Lasers liegen in seinem guten Koagulationsvermögen. Der HNO-Klinik steht

zusätzlich ein Holmium YAG Laser für die Mittelohrchirurgie zur Verfügung.

Die Indikationen zum Lasereinsatz sind in den vergangenen Jahren zunehmend erweitert worden.

Operationstechnisch ist die Mehrzahl der begrenzten benignen und malignen Prozesse im Pharynx

und Larynxbereich mit einem Laser behandelbar. Die Laserchirurgie ermöglicht eine Chirurgie a la

demande unter größtmöglichem Funktionserhalt. Die Präparation gestaltet sich blutungsarm, die

postoperative Komplikationsrate ist niedrig. Die Grenzen der Laserchirugie sind dort erreicht, wo

ein Tumor nicht mehr vollständig exponierbar ist. Ebenso gelten eine Infiltration der Halsweichteile

sowie von Knorpel und Knochen und postoperativ zu erwartenden Schluckstörungen als

Limitierung. Besonders geeignete Indikationen zur Laserchirurgie werden an klinischen Beispielen

demonstriert. Aktuelle klinische, technische, diagnostische und therapeutische Entwicklungen

werden vorgestellt.

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Aktueller Stand der Rhinobasis- und Orbitachirurgie

Dr. med. J. C. Engelke

Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie der RWTH

Aachen

Die operativen Konzepte im Bereich der Rhinobasis sowie der Orbitachirurgie haben sich in den

letzten Jahren grundlegend geändert. Durch die enorme Weiterentwicklung optischer Systeme

sowohl im mikroskopischen als auch im endoskopischen Bereich haben sich Möglichkeiten eines

endonasalen Vorgehens deutlich verbessert. War früher eine sichere operative Therapie bei einer

Vielzahl der Krankheitsbilder im Bereich der Rhinobasis und Orbita nur über einen Zugang von

außen möglich, hat sich nun zunehmend ein optisch gestütztes endonasales Vorgehen durchgesetzt.

So wird die operative Therapie der chronischen Sinusitis heute standardmäßig mit Mikroskop bzw.

Endoskop mit leistungsstarken Halogen- oder Xenon-Lichtquellen durchgeführt. Für bestimmte

Indikationen sind nach wie vor Zugangswege von außen bzw. ein kombiniertes Vorgehen endo- und

extranasal indiziert. Auch die Möglichkeiten der wichtigen Nachsorgebehandlung nach

Nasennebenhöhlenchirurgie haben sich durch die mikroskopische bzw. endoskopischen Techniken

enorm verbessert. Zusätzlich hat sich das Spektrum der Möglichkeiten der endonasalen Chirurgie

von Rhinobasis und Orbita deutlich erweitert. So ist heute die Mehrzahl der entzündlichen

Komplikationen sinugener Ursache endonasal beherrschbar. Die Dekompression der Orbita und des

Nervus opticus lassen sich ebenso endonasal bewerkstelligen, wie in vielen Fällen die Versorgung

von spontanen, traumatischen oder latrogenen Liquorrfisteln. Erweiterte Möglichkeiten der

Blutstillung bei Epistaxis oder bei Entfernung von Fremdkörpern im Bereich von Rhinobasis/Orbita

gehören ebenso dazu, wie die endonasale Tränenwegschirurgie. Auch im Bereich der Traumatologie

der Frontobasis und nicht zuletzt in der endonasalen Chirurgie von gutartigen oder bösartigen

Tumoren haben sich durch die endonasale Technik Fortschritte ergeben. Während auch in Zukunft

für bestimmte Bereiche der Rhinobasis und Orbitachirurgie die klassischen Operationsverfahren

ihre Berechtigung behalten werden, so ist doch Dank der ständigen Verbesserung der technischen

Möglichkeiten heute noch nicht absehbar, welche Veränderungen bei Indikationsstellung und

Ausführung der Eingriffe im Bereich von Rhinobasis und Orbita noch möglich sein werden.

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Gehörverbessernde Mikrochirurgie - Implantattechnik, Ergebnisse, Zukunftsperspektiven

Univ.-Prof. Dr. med. M. Westhofen

Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie

der RWTH Aachen

Vor dem Hintergrund der Neuentwicklung sublimierter mikrochirurgischer Technologie hat sich

eine deutliche Verbesserung für die mikrootochirurgische Behandlung entzündlicher

Mttelohrerkrankungen sowie degenerativer und kongenitaler Innenohrerkrankungen ergeben. Dies

hat an mikrootochirurgischen Zentren zu einer Erweiterung der Indikationen und zu einer

funktionserhaltenden bzw. funktionswiederherstellenden Mittel- und Innenohrchirurgie geführt.

Die technologische Entwicklung betrifft Biomaterialien für Ossikelinterponate bei

Schalleitungsschwerhörigkeiten mit Kettendestruktion sowie für die Verkleinerung operativ

angelegter Radikalhöhlen um bei chronisch minderventilierten Pauken stabile und rezidivfreie

funktionelle Ergebnisse zu erhalten. Hierzu stehen neben autologen Materialien wie Knorpel und

Perichondrium industriell gefertige Hydroxylapatitgranulate und Ossikel zur Verfügung, die mit

günstigen Preisleistungsverhältnissen funktionell hochwertige Ergebnisse mit geringer Rezidivquote

garantieren. Bei nicht entzündlichen Ohrerkrankungen wie der Stapesankylose haben sich

inzwischen Metallprothesen, z.B. aus Gold durchgesetzt, da hiermit schlanke und mikrochirurgisch

gut zu manipulierende Prothesen zur Verfügung stehen, die mit geringen Abmessungen von bis zu

0,4 mm Durchmesser jetzt bei atypischen Verhältnissen der ovalen Nische siffizierte

Schallübertragung gewährleisten. Die Chirurgie und Rezidivchirurgie an der Stapesfußplatte ist

durch die Erbium-YAG-Laserchirurgie bereichert worden, die eine berührungslose Perforation der

Fußplatte und eine berührungslose Ossikelchirurgie ermöglicht.

Die Entwicklung komplexer elektronischer Innenohrprothesen hat durch Prozessorstrategien mit

hoher Stimulusfrequenz zu einer artifiziellen Reizung der Hörbahn mittels dieser Prothesen gesorgt,

die dem humanen physiologischen Muster nahe kommt. Dadurch ist die prothetische Routine-

Versorgung bei kongenital tauben Kindern möglich, die nach Implantation einen Spracherwerb

beginnen.

Zukünftige Entwicklungen der Otomikrochirurgie gehören vollimplantablen elektronischen

Innenohrprothesen und den middle-ear-Implants, die die operative Behandlung mittelgradiger

Schallempfindungsschwerhörigkeit ermöglichen, in denen ferromagnetische Inlays an die

Ossikelkette fixiert werden, die durch ebenfalls implantierte Induktionsgeber zu einer

schallabhängigen Ossikelbewegung führen. Dadurch ist eine Verstärkung der physiologischen

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Ossikelbewegung zur Kompensation einer Schallempfindungsschwerhörigkeit möglich. Erste

derartige Prothesen befinden sich in der präklinischen Entwicklungsphase.

Die Otomikrochirurgie hat durch Applikation differenziert eingesetzter Prothesenmaterialien zum

Therapieerfolg bei Hörstörungen geführt. Als letzten Schritt in der Entwicklung operativer Therapie

der Hörstörungen wird derzeit das Mittelohrimplantat entwickelt, daß in Kürze auch an der

Aachener Klinik im Rahmen von klinischen Studien eingesetzt werden wird.

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Habilitationsanwärter stellen sich vor

15. Oktober 1997

Endokrine Effekte auf zell- und molekularbiologischer Ebene an endometrialen Zellen in

vitro

Dr. rer. nat. I. Claßen-Linke

Lehrstuhl für Anatomie und Reproduktionsbiologie der RWTH Aachen

Ein wichtiger Aspekt in der Reproduktionsmedizin ist die Untersuchung der Zellbiologie des

Endometriums. Ein besseres Verständnis seiner hormonell gesteuerten Regulation ist in der

Sterilitäts-/Fertilitätstherapie von Nutzen, bei der endometrialen Kontrazeption, bei der

Hormonsubstitutionstherapie sowie in der endokrinen Tumortherapie. Könnte man den Anteil des

Endometriums an einer erfolgreichen Implantation aufklären, wäre dies ein Gewinn für die

Verbesserung von Maßnahmen in der Sterilitätstherapie.

Aus diesem Grund wurde ein Zellkultursystem entwickelt, bei dem die humanen endometrialen

Zellen in Stroma- und Epithelzellen getrennt wurden und die Östrogen- und Progesteronwirkung

untersucht werden konnte. Da die zyklische Umwandlung des Endometriums hormonabhängig

gesteuert wird, führt die genaue Analyse letztendlich zur Klärung der Rolle der endometrialen

Rezeptivität bei der Implantation.

Mit besonderem Schwerpunkt wurden die Steroidhormonrezeptoren der Endometriumzellen

untersucht. Da diese auch als Transkriptionsfaktoren aufgefaßt werden können, die sich nach

Bindung mit ihrem Liganden an die DNA anlagern und dort die Transkription spezifischer, d.h.

hormonabhängiger Gene regulieren, stellen sie ein ganz entscheidendes Teilsystem der endokrinen

Steuerung des Endometriums dar. Man unterscheidet zwischen sog. konstitutiven und induzierbaren

bzw. regulierbaren Rezeptoren. Dieser induzierbare bzw. regulierbare Anteil exprimierter

Rezeptoren kann sowohl durch Vermehrung als auch durch Verminderung zur physiologischen

Steuerung der Zellfunktion beitragen. Östrogene induzieren sowohl ihren eigenen Rezeptor wie

auch den Progesteronrezeptor, dagegen wird durch Progesteron der Östrogenrezeptor ebenso

downreguliert, d.h. vermindert wie auch sein eigener Rezeptor.

Dieses Wissen wurde genutzt, um gezielt den Effekt von Östrogen, Medroxyprogesteronacetat

(MPA, als stabiles Progesteronanalogon) und Hormonantagonisten zu ermitteln. Die

Untersuchungen wurden an einem etablierten Zellkultursystem für endometriale Epithelzellen bzw.

Stromazellen durchgeführt.

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Der Östrogenrezeptor und der Progesteronrezeptor wurden auf der Proteinebene

immunhistochemisch nachgewiesen und die Rezeptor m-RNA mittels nicht-radioaktiver RT-PCR

detektiert.

Es konnte gezeigt werden, daß die Steroidhormonrezeptoren sowohl der Stromazellen als auch der

Epithelzellen in vitro unter dem Einfluß von 10-8 M 17-ß-Östradiol verstärkt exprimiert wurden und

unter dem Einfluß von 10-6 M MPA downreguliert wurden. Verglichen mit der in vivo-Situation

entsprechen die Ergebnisse aus der Epithelzellkultur der physiologischen Änderung während des

menstruellen Zyklus. In der Lutealphase, d.h. der Progesteron-dominierten Phase werden die

Hormonrezeptoren im Drüsenepithel der Funktionalis ebenfalls vermindert.

Somit kann dieses System gezielt eingesetzt werden, um synthetische Hormone bzw.

Hormonantagonisten vor der klinischen Anwendung zu testen.

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Diagnostischer Stellenwert des intravaskulären Ultraschalls

Dr. med. R. Hoffmann

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Der intravaskuläre Ultraschall (IVUS) erlaubt eine transmurale Darstellung von Gefäßen. Die ersten

intravaskuläre Ultraschalluntersuchungen an menschlichen Arterien wurden 1988 von Yock und

Mitarbeitern durchgeführt. Das Untersuchungsverfahren gewann rasch großes Interesse, weil es

erstmals eine in vivo Querschnittsabbildungen des gesamten Gefäßes mit der Möglichkeit der

genauen Analyse der Lumenquerschnittsfläche, des Gefäßwandaufbaus und gegebenenfalls der

Plaquezusammensetzung gestattet. Demgegenüber ist die Koronarangiographie als

schattengebendes Verfahren auf eine reine Lumendarstellung des Koronargefäßes begrenzt. Es ist

weder eine Aussage über den Gefäßwandaufbau möglich noch, aufgrund der Abbildung in jeweils

nur einer Ebene, eine räumliche Gefäßdarstellung. Die inzwischen eingetretenen Verbesserungen

der Transducertechnologie mit Einsatz höherer Transducerfrequenzen haben zu einer Bildqualität

geführt, die den intravaskulären Ultraschall zu einer Technik mit bedeutender klinisch

diagnostischer Wertigkeit für den invasiv und interventionell tätigen Kardiologen werden läßt. Zu

den wesentlichen klinischen Einsatzgebieten des intravaskulären Ultraschalls gehört die genaue

quantitative Vermessung des minimalen Lumendurchmessers und der Lumenquerschnittsfläche der

koronaren Läsion. Im Zusammenhang mit einer Vermessung der Referenzlumina wird die exakte

Bestimmung der Schwere einer koronaren Stenose möglich. Weiterhin läßt sich sowohl die

Verteilung des Plaques als exzentrisch oder konzentrisch sowie die Zusammensetzung des Plaques

als weich, fibrös oder verkalkt klassifizieren. Die Erfassung dieser Informationen vor einer

geplanten interventionellen Therapie erlaubt einen gezielteren Einsatz spezifischer

Interventionsmodalitäten für bestimmte Läsionstypen (Rotablatortherapie für verkalkte Plaques,

direktionelle Atherektomie für weiche Plaques etc.) sowie eine genaue Größenwahl des

interventionellen Gerätes entsprechend der Gefäßgröße. Nach stattgefundener koronarer

Intervention läßt sich das Interventionsergebnis sowohl quantitativ als auch qualitativ beurteilen.

Dabei ist über die reine Beurteilung der Lumendimensionen hinaus eine Erfassung von

Dissektionen, intramuralen Hämatomen, sowie bei Einsatz von Stents eine unzureichende

Aufdehnung bzw. Apposition des Stents an die Gefäßwandung möglich. Der intravaskuläre

Ultraschall hat zu einem besseren Verständnis der Wirkungsweise verschiedener interventioneller

Techniken wie auch des Restenosemechanismus nach unterschiedlicher interventioneller Therapie

beigetragen. Durch die Möglichkeit zur exakten Vermessung von Lumen- und Plaquevolumina

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erscheint er weiterhin als das geeignete Verfahren, um Progression und Regression

arteriosklerotischer Veränderungen unter medikamentöser Therapie genau zu erfassen.

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Neue Erkenntnisse in der funktionellen Bildgebung bei der zerebralen Mikroangiopathie: Ein

Vergleich mit morphologischen Befunden

Dr. med. O. Sabri

Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen

Einleitung: Bei der sogenannten "vaskulären Demenz" wird ein Zusammenhang zwischen

mikroangiopathischen Hirnläsionen und kognitivem Ausfall postuliert. Diese "vaskuläre Demenz"

soll auf einer hypertonen Verschlußkrankheit der kleinen penetrierenden Hirnarterien beruhen, der

sogenannten zerebralen Mikroangiopathie (ZMA), die sich in der Kernspintomographie (KST) als

lakunäre Infarkte (LI) und Deep White Matter Lesions (DWML) manifestiert. Die "vaskuläre

Demenz" wird dabei ursächlich vorrangig auf Läsionen der weißen Substanz zurückgeführt. Es wird

angenommen, daß durch die Mikroangiopathie eine Schädigung des periventrikulären Marklagers

auf dem Boden einer chronischen Perfusionsstörung hervorgerufen wird. Die Verschlußkrankheit

mikroangiopathisch veränderter Gefäße (z.B. der lentikulostriären Arterien und anderer langer

penetrierender Arterien) konnte als wahrscheinliche Ursache lakunärer Infarkte postmortal

histologisch nachgewiesen werden, während dies für die sogenannten Deep White Matter Lesions

noch nicht bewiesen werden konnte.

Fragestellung: Mit vorliegender Untersuchung sollte nun geklärt werden, ob sich bei der ZMA in

der weißen Substanz und/oder im Kortex begleitende Veränderungen von Durchblutung (rCBF) und

Glukosestoffwechsel (rMRG1u) nachweisen bzw. messen lassen.

Methode: Hierzu wurden 57 Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie mittels

Kemspintomographie, 18-FDG-PET und 99m-Tc-HMPAO-SPECT untersucht. Für die genaue

Zuordnung funktioneller zu den morphologischen Befunden wurde ein spezielles

Kopfhalterungssystem für PET-, SPECT- und KST-Untersuchungen entwickelt.

Erste Ergebnisse: Das Kopfhalterungssystem ermöglicht eine ausreichend genaue Zuordnung

(maximaler Fehler zwischen verschiedenen Modalitäten < 2 mm, bei gleichen um 1 mm)

funktioneller zu morphologischen Befunden. Patienten mit weniger als vier lakunären Infarkten

(gering ausgeprägte ZMA) im KST wiesen keine signifikant veränderten Werte für rMRGlu und

rCBF in grauer oder weißer Substanz auf im Vergleich zu Patienten mit vier oder mehr LI und

ausgedehnten DWML (schwer ausgeprägte ZMA). Eine semiquantitative Einteilung der Atrophie

(A: keine bis geringfügige innere oder äußere; B: mäßige bis schwere innere und äußere) erbrachte

jedoch für B) im Vergleich zu A) hochsignifikant erniedrigte rCBF- und rMRG1u-Werte in grauer

und weißer Substanz.

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Schlußfolgerungen: Somit ist bei Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie nur die Hirnatrophie,

nicht jedoch die charakteristischen LI und DWML mit einer meßbaren Erniedrigung von rCBF und

rMRGlu korreliert. Da also eine Atrophie von reduzierten Fluß- und Stoffwechselwerten begleitet

ist, muß in Studien an dieser Klientel stets eine eventuelle Hirnatrophie mitberücksichtigt werden,

was in den bisher vorliegenden Studien nicht der Fall war. Insofern ist auch die oft herangezogene

Diaschisishypothese als Erklärung für reduzierte Fluß- und Stoffwechselraten in der grauen

Substanz von Patienten mit zerebraler Mikroangiopathie (Diskonnektion von zerebralem Kortex

und subkortikalen Strukturen), nur dann zu vertreten, wenn vorher Atrophieeffekte in den

gemessenen Regionen ausgeschlossen wurden. Auch vor der Bestätigung der beschriebenen

Minderperfusion der weißen Substanz müssen zuerst innere Atrophien (Ventrikeldilatation u.ä.)

ausgeschlossen werden.

Weiterer Arbeitsplan: Alle Patienten der vorliegenden Studie wurden zusätzlich einer sorgfältigen

klinischen Untersuchung und extensiven neuropsychologischen Testung unterzogen. Die Ergebnisse

werden zur Zeit mit den hier dargestellten Daten korreliert.

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Die Filterfunktion der glomerulären Basalmembran (GBM) und ihre Störung im Rahmen der

Ischämie/Reperfusion nach Nierentransplantation

Dr. med. I. Stefanidis

Medizinische Klinik II der RWTH Aachen

Die Trenneigenschaften des glomerulären Filters gegenüber den Serum-Proteinen ergeben sich aus

zwei Eigenschaften dieses Filters, der Selektivität nach der Größe der Moleküle und nach ihrer

elektrischen Ladung. Die Größenselektivität wird bestimmt durch das Kollagengerüst der GBM,

insbesondere der Lamina densa, die vor allem aus Kollagen Typ IV besteht. Die Ladungsselektivität

basiert auf fixe negative Ladungen (Polyanione) des glomerulären Filters, die einerseits in Form von

sialinsäurehaltigen Glycoproteinen um die endotheliale und epitheliale Zellmembran (Glykokalix)

und andererseits in Form von Glucosaminoglykanen (Perlecan) in der Lamina rara interna der GBM

erscheinen. Der Verlust dieser negativen Ladungen z.B. im Rahmen von Nephropathien führt zu

einer Störung der selektiven glomerulären Permeabilität und zu einer Proteinurie. Wir haben neulich

aus humaner Aorta und Nieren ein neues, niedermolekulares Heparansulfat-Proteoglykan (HSPG)

isoliert und charakterisiert. Dieses kleine HSPG befindet sich hauptsächlich in der GBM, es

unterscheidet sich, wie die partielle Aminosäuren Sequenzierung zeigte, vom großen Heparansulfat

der GBM (Perlecan) und wird im Gegensatz dazu im Urin ausgeschieden.

In einer Untersuchung an Patienten mit Primärfunktion nach Nierentransplantation wurde der

Einfluß der Ischämie/Reperfusion auf dem glomerulären Filterapparat und insbesondere auf die

Proteoglykane der Basalmembran analysiert. Es wurde geprüft ob die Urinexkretionsrate (UE) des

HSPG mit der Permeabilität der GBM in Zusammenhang steht.

Bei 8 Patienten (47 ± 9 Jahre) mit Primärfunktion nach Nierentransplantation (kalte Ischämiezeit

13,7 ± 8,5 h; Anastomosezeit 35 ± 1 min) wurde die UE des HSPG, des Gesamtproteins, des

Albumins, sowie der niedermolekularen (α1-mikroglobulin, β2-mikroglobulin) und

hochmolekularen Proteinen (Transferrin, 1gG, α2-makroglobulin) im stündlichen Intervall nach der

vaskulären Anastomose des Transplantats quantitativ und gel-elektrophoretisch (SDS-PAGE)

analysiert.

Unmittelbar nach der Nierentransplantation wurde eine massive Proteinurie mit einer max. UE von

7,20 ± 0,63 g/mmol Kreatinin beobachtet. die sich nach 24 h zurückbildete (0,32 ± 0,23 g/mmol

Kreatinin). Die UE von HSPG war erhöht in dieser initialen Reperfusionsphase (bis 7 h) am ehesten

im Rahmen der Ischämie/Reperfusion bedingten Schädigung der GBM. Die gel-elektrophoretische

Auftrennung der Urinproteine zeigte innerhalb von 24 - 48 h einen Übergang von einer schweren

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unselektiv glomerulären und tubulären Proteinurie in eine gering ausgeprägte selektiv glomeruläre

und tubuläre Proteinurie. In dieser zweiten Phase (7 - 48 h) wurde eine reduzierte UE von HSPG

beobachtet (0,0765 ± 0,0886 mg/mmol Kreatinin vs. 0,0226 ± 0,0207 mg/mmol Kreatinin, p <

0,05). Im Rahmen des Reparaturprozesses der GBM kommt es zu einer de novo Synthese des HSPG

mit einer Anreicherung der GBM mit HSPG. In der dritten Phase, während sich der Gehalt der

GBM an HSPG normalisiert hatte, bestand bei keinem der Patienten mehr eine glomeruläre

Proteinurie.

Diese Ergebnisse weisen daraufhin, daß das kleine HSPG eine wichtige Rolle bei der Regeneration

des Heparansulfats der GBM spielt. Die reduzierte de novo Synthese von HSPG während der

Ischämie- und Reperfusionsphase führt zu einer Abnahme des kleinen HSPG in der GBM.

Unmittelbar nach Nierentransplantation wird dann eine Störung der glomerulären Permeabilität und

die damit verbundene schwere glomeruläre Proteinurie beobachtet.

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Prinzipien des Lasereinsatzes in der Zahnmedizin

Dr. med. dent. P. Wilder-Smith

Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und präventive Zahnheilkunde der RWTH Aachen

Aus der Vielfalt der Gewebesorten im Oralbereich ergibt sich das Potential für diverse

Laseranwendungsmöglichkeiten - und für zahlreiche Nebenwirkungen.

Laserauswirkungen sind mit vielen Faktoren verbunden - vor allem mit den jeweiligen

Lasereigenschaften und Gewebeeigenschaften. Aus den Interaktionen zwischen diesen

Hauptdeterminanten ergeben sich die endgültigen Lasereffekte am Zielgewebe.

Laserwellenlängen, welche durch die Hauptkomponenten der oralen Hartgewebe, wie z.B.

Hydroxylapatit, Kollagen oder Wasser, gut absorbiert werden, können potentiell effektive Ablation

oder Modifizierung der Zielgewebe vermitteln. Laserwellenlängen, welche vom Wasser stark

absorbiert werden, sind in Weichgeweben sehr effektiv.

Untesuchungen zur Laseranwendung im Oralbereich müssen zusätzliche Kollateraleffekte in

angrenzenden Geweben eruieren, da strikte thermische, histologische und morphologische

Sicherheitsgrenzen im Interesse der klinischen Sicherheit nicht überschritten werden dürfen.

Im 1. Teil dieser Forschung wurde die Anwendung der Laserstrahlung zur Hartgewebeabtragung

und -modifizierung untersucht. Geeignete Laserwellenlängen und -parameter zur Abtragung und

Oberflächenmodifizierung des Wurzelkanaldentins wurden eruiert. Zusätzlich wurden thermische

und morphologische Effekte in kollateralen Geweben dokumentiert, um die klinische Sicherheit

dieser Verfahren festzustellen.

Bei geeigneten Parameterkombinationen können mehrere Laserwellenlängen effektive

Wurzelkanalaufbereitung erreichen. Substanzabtragung war am effektivsten bei Wellenlängen, die

stark durch Komponenten des Wurzelkanaldentins absorbiert werden: der CO2 Laser bei 9,3 µm,

der Free Electron Laser bei 6450 nm, oder, in geringerem Maße, die Excimer Laser. Thermische

Untersuchungen bestätigen, daß effektive Wurzelkanalaufbereitung mit diesen Lasern bei

geeigneten Parameterkombinationen möglich ist, ohne Überschreitung der strikten dentalen

thermischen Sicherheitsgrenzen, wobei die Anwendung eines Luft/Wassersprays bei dem CO2 Laser

erforderlich ist. Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen wiesen laserinduzierte, für die

Interaktion mit Füllungsmaterialien gut geeignete morphologische

Dentinoberflächenmodifikationen auf.

Der 2. Teil meiner Arbeit befaßte sich mit lokalisierter Laserpulpenchirurgie als Alternative zur

konventionellen Wurzelkanalbehandlung. Thermische und histologische Untersuchungen an

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extrahierten Zähnen identifizierten sichere und effektive Laserparameter, welche dann in in vivo

Studien und Labortieren und Veterinärpatienten angewendet wurden. Klinische, radiologische und

histologische Ergebnisse über bis zu einem Jahr erwiesen die Effektivität und Sicherheit der

Laserpulpenchirurgie bei definierten klinischen Verhältnissen mit dem CO2 Laser bei 9,3 µm.

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Onkologie (Teil I)

04. November 1997

Entwicklung einheitlicher Therapiestrategien in der pädiatrischen Onkologie am Beispiel des

Nasopharynxkarzinoms

Dr. med. R. Mertens

Kinderklinik der RWTH Aachen

Die Gesellschaft für pädiatrische Onkologie e.V. (GPO) wurde unter der Beteiligung der

Disziplinen: Pathologen, Kinderchirurgen, Neurochirurgen, Urologen, Radiologen im Juni 1973 mit

dem Ziel gegründet, nach gemeinsamen diagnostischen und therapeutischen Plänen zu handeln.

Bereits im Jahr 1967 wurden die ersten Therapiestudien für die Behandlung verschiedener maligner

Tumoren und akuter lymphatischer Leukämie durchgeführt. Die erste prospektive Therapiestudie

für die ALL konnte dann 1971/72 in enger Anlehnung an die in Memphis (USA) von Pinkel und

Mitarbeitern begonnene Therapie-Studie VII auf der Basis einer jetzt bereits mehrjährigen

Erfahrung in bundesweiter Zusammenarbeit aufgenommen werden. Die von Landbeck und

Mitarbeitern 1977 zitierten rezidivfreien Überlebensraten bei malignen Tumorerkrankungen im

Kindesalter zeigten bereits damals mit Raten zwischen 40 und 50% erfreuliche Ergebnisse. Es

erfolgte das Prinzip einer dezentralisierten Behandlung nach einheitlichen Therapieplänen. Bei einer

Inzidenz von 12-14 Malignomen/100.000 Kindern, die nach einheitlichen Therapieplänen behandelt

wurden, konnten rasch wichtige Daten über den Behandlungserfolg und die Effektivität der

Therapien gesammelt werden. An den Beispielen der M. Hodgkin-, Osteosarkom- und

Wilmstumorstudie soll die Effizienz der Behandlungen durch die enge Kooperation erläutert

werden. Änderung der Therapiemodalität z.B. neoadjuvante Chemotherapie im Falle des

Osteosarkoms führte zur Verbesserung der Operabilität und unter ästhetischen, ethischen sowie

funktionellen Aspekten zu einem Gewinn für die päd.onkologischen Patienten. Durch die

präoperative Chemotherapie wurde beim Wilmstumor eine Reduktion der Therapiedauer und

summarisch eine Verminderung der Zytostatikamenge mit ausgezeichneten Heilungschancen

erreicht. Beim M. Hodgkin erfolgte eine höhere Gewichtung der Chemotherapie gegenüber der

Bestrahlung, so daß im neuen Protokoll HD-95 nach Erlangen einer Remission auf die Bestrahlung

verzichtet wird. In einer Pilotphase (1982-85) konnte anhand einer kleinen Fallzahl von

Nasopharynxkarzinom-Patienten die Wirksamkeit von Interferon-β nachgewiesen werden. Eine

Therapiestudie dieses seltenen, EBV-assozierten Tumors bestand nicht. Da das NPC ein sehr

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aggressives Wachstum aufweist und frühzeitig metastasiert, wurde die Studie NPC-91 konzepiert,

um die Heilungschancen junger NPC-Patienten, besonders bei denen in den prognostisch

ungünstigen Stadien durch eine kombinierte Behandlung zu verbessern. Von den 31

Studienpatienten befanden 30 sich in den prognostisch ungünstigen Stadien III und IV, nur ein

Patient im Stadium II. Die 30 Patienten erhielten neoadjuvant 3 Blöcke Chemotherapie:

Methotrexat 120 mg/m², d 1, Cisplatin 100 mg/m², d 1, 5-Fluorouracil 1000 mg/m²/d, d 2-7. Im

Anschluß an die Bestrahlung wurde allen Patienten rekombinantes Interferon-β (Fa. Rentschler

Laupheim) in einer Dosierung von 105 U/kg über 6 Monate verabreicht. 29 Patienten befinden sich

in erster anhaltender Remission mit einer mittleren Beobachtungszeit von 36 Monaten, was einer

Remissionsrate von 93% entspricht.

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Bevölkerungsbezogene Daten zur Versorgungsqualität bei Patientinnen mit Mammakarzinom

Feldstudie "Mammakarzinom"

Dr. med. B. Rackl,

S. Markus-Sellhaus, C. Goecke, C. Mittermayer

Institut für Pathologie der RWTH Aachen/Tumorzentrum Aachen e.V.

Einleitung: Seit August 1995 wird in der Region Aachen die vom Bundesministerium für

Gesundheit geförderte Feldstudie zur Versorgungsqualität und Lebensqualität bei Patientinnen mit

einem Mammakarzinom durchgeführt. Diese Studie ist Teil eines Programms, das zu dieser

Diagnose auch in den Regionen Jena, Marburg und München durchgeführt wird. Alle neuen

Erkrankungsfälle werden prospektiv über vier Jahre dokumentiert mit Angaben zur Histopathologie

des Tumors, zur Therapie, Epidemiologie und zur Lebensqualität der Patientinnen.

Methode: In Aachen wird die Feldstudie im Einzugsbereich des Tumorzentrums mit etwa einer

Million Einwohnern durchgeführt. Die Tumordokumentation wird von den behandelnden Ärzten

erstellt und im Studienzentrum abgeglichen.

Ergebnisse: Von August 1995 bis Oktober 1997 wurden in Aachen 1040 Patientinnen mit einem

neu aufgetretenen Mammakarzinom von den behandelnden Ärzten gemeldet. Ergänzt durch die vier

Pathologischen Institute der Region ergibt sich für das Jahr 1996 in Aachen eine rohe Inzidenzrate

von 127,5 Neuerkrankungen (Europastandardinzidenz ESR 105,0) bei 100.000 Frauen und in

München 129,6 Neuerkrankungen (ESR 101,3). Diese Zahlen übersteigen deutlich die zuletzt

verfügbaren Daten aus dem Saarländischen Krebsregister für 1993 mit 102,4 Fällen (ESR 78,3). Im

Vergleich mit den Regionen Jena, Marburg und München weist Aachen einen höheren Anteil von

fortgeschrittenen Tumorstadien bei Diagnosestellung auf. Dies schlägt sich mit einem geringeren

Anteil an pT2-Tumoren, insbesondere pT1c (25% versus ca. 35%) nieder sowie einem erhöhten

Anteil an pT2 (42% versus ca. 32%) und pT4 (12% versus ca. 6%). Weiterhin zeigt sich, daß beim

operativen Vorgehen in Aachen und Jena immer noch die Ablatio dominiert und in ca. 58%

durchgeführt wird, wohingegen in München die Verhältnisse umgekehrt sind mit 58%

brusterhaltenden Operationen.

Schlußfolgerung: Die Versorgungsqualität beim Mammakarzinom weist Unterschiede zwischen den

untersuchten Regionen in Deutschland auf, die insbesondere die Verteilung der Tumorstadien bei

Diagnosestellung und das operative Vorgehen betreffen.

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Der Wert der gesetzlichen Früherkennung und der Nachsorge bei kolorektalen Karzinomen

Dr. med. A. Spelsberg, S.M.

Tumorzentrum Aachen e.V.

Die Qualität der onkologischen Versorgung und die Prognose tumorkranker Menschen wird

beeinflußt durch das Stadium der Erkrankung bei Diagnose. Umstritten ist jedoch derzeit, ob die im

deutschen Gesundheitssystem angebotenen Früherkennungsuntersuchungen zur Verbesserung der

Versorgung beitragen. Ebenso umstritten ist, ob die zahlreichen apparativen Untersuchungen in der

Tumornachsorge für den Verlauf der Tumorerkrankung und die Lebensqualität der Betroffenen

einen Nutzen bringt. Das seit 1988 bestehende Tumorzentrum Aachen e.V., ein Zusammenschluß

der niedergelassenen Ärzteschaft, der Krankenhäuser und der Universitätsklinik im

Versorgungsbereich 7 mit ca. 1,05 Millionen Einwohnern, registriert ca. 3100 bösartige

Neuerkrankungen pro Jahr, davon 450 kolorektale Karzinome. Damit liegt die Meldevollständigkeit

für diese Tumoren im Vergleich zum Krebsregister Saarland zwischen 75 und 80% der geschätzten

Inzidenz. Die altersspezifischen Inzidenzen deuten auf Erfassungslücken in den Altersgruppen über

80 Jahre hin. Aus der Analyse der zwischen dem 01.01.1991 und 31.12.1995 diagnostizierten und

im Tumorzentrum Aachen e.V. erfaßten Kolon- und Rektumkarzinome (N=2108) geht hervor, daß

nur 3,2% der Fälle (N=67) im Rahmen der gesetzliche Früherkennung entdeckt wurden. Im

Vergleich zu den übrigen waren die Tumorstadien in der Früherkennungsgruppe deutlich besser:

über 73% der Tumoren befanden sich im Stadium Duke A oder B bei Diagnose (in der

Vergleichsgruppe waren dies nur 48,6% (p=0,01). Bei einer mittlere Dauer des Follow-Up von 3

Jahren lag die Überlebenswahrscheinlichkeit der Früherkennungsgruppe bei 75%, für die übrigen

Erkrankungen war diese nur 48% (p=0,0001). Als weitere wichtige Prognosefaktoren in der

Survivalanalyse wurden das Stadium bei Diagnose (nach Duke), Alter (in Jahren), Geschlecht,

histologische Grading, Auftreten eines Rezidivs und die regelmäßige Nachsorge identifiziert.

Patienten, die sich in Abständen unter einem Jahr untersuchen ließen, hatten eine deutlich höhere

Überlebenwahrscheinlichkeit als Patienten, die a) entweder gar nicht oder b) in größeren Abständen

nachgesorgt wurden. Eine multivariate Cox’sche Regressionsanalyse zeigte eine um 70% höhere

Überlebenswahrscheinlichkeit für die regelmäßig nachgesorgte Gruppe, eine Beobachtung, die der

weiteren Abklärung bedarf. Bevölkerungsbezogene Daten sollten als Basis für eine

wissenschaftliche Diskussion um Früherkennung und Nachsorge herangezogen werden.

Tumorzentren und onkologische Schwerpunkte können hierzu die erforderlichen Informationen

liefern, da sie flächendeckend sowohl die ambulante als auch stationäre onkologische Versorgung

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begleiten. Die im Vergleich zu den anderweitig diagnostizierten kolorektalen Tumoren um 60%

verbesserte Prognose der Früherkennungsgruppe (p=0,002), unabhängig vom Tumorstadium und

anderen prognostischen Faktoren, zeigt, daß Früherkennung wesentlich zur Steigerung der

Versorgungsqualität und des Behandlungserfolges beiträgt. Randomisierte klinische Studien sind

notwendig, um das beste Screeningverfahren und die damit möglichen Verbesserungen im Outcome

zu identifizieren. Die zu überwindenden Probleme in der Akzeptanz eines zuverlässigen Tests (z.B.

Sigmoidoskopie in Kombination mit Hämokkult-Test), sowie die damit verbundenen Kosten und

erwarteten Nutzen müssen sorgfältig abgewogen werden. Die Daten des Tumorzentrum Aachen

e.V. fordern dazu auf, effektive Früherkennungsprogramme auch in Deutschland flächendeckend zu

erproben.

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Die Klinik für Orthopädie stellt sich vor

02. Dezember 1997

Entwicklung eines optimalen Knochenersatzmaterials

Dr. Dr. med. C. Kasperk

Orthopädische Klinik der RWTH Aachen

Der Ersatz des Knochengewebes durch ein biokompatibles Ersatzmaterial ist bei vielen Indikationen

in der orthopädischen Chirurgie erforderlich. Ein optimales Knochenersatzmaterial sollte

unbegrenzt verfügbar und einfach zu applizieren sein, initial eine möglichst große biomechanische

Belastbarkeit aufweisen, keinen Zweiteingriff erfordern, den biologischen Knochenheilungsprozeß

begünstigen und langfristig im Rahmen des physiologischen Remodeling durch normales

Knochengewebe substituierbar sein. Um diesen Zielvorgaben bei der Entwicklung eines optimalen

Knochenersatzes möglichst nahe zu kommen, müssen materialwissenschaftliche Kenntnisse über

geeignete anorganische und organische Trägermaterialien zusammen mit den biologischen

Vorgängen bei der Knochenheilung und Regulation des Knochenzellstoffwechsels berücksichtigt

und ausgenutzt werden. Die Grundsubstanz und deren Oberflächeneigenschaften des

Trägermaterials determinieren Biokompatibilität, die biomechanische Stabilität und

Substituierbarkeit des Knochenersatzmateriales, während biologisch aktive Peptide den bei der

Knochenbildung entscheidenden Knochenzellstoffwechsel und die Vaskularisation des

Implantatbettes und möglichst auch des Implantates regulieren. Der lokale Knochenzellstoffwechsel

wird durch systemisch wirksame Steroide moduliert, so daß auch diese "endokrine

Sollwerteinstellung" des Gleichgewichtes zwischen Knochenan- und -abbau bei operativen

Eingriffen mit Verwendung von Knochenersatzmaterialien berücksichtigt werden sollte. Auf der

Grundlage dieser materialwissenschaftlichen und Knochenstoffwechsel-physiologischen Aspekte

wird ein Konzept zur Entwicklung eines optimalen Knochenersatzmateriales vorgestellt.

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Die Kallusdistraktion zur Korrektur von Längendifferenzen und Deformitäten an der

unteren Extremität

Dr. med. M. Weber

Orthopädische Klinik der RWTH Aachen

Die Bezeichnung Kallusdistraktion beschreibt eine Technik, mit der es möglich ist selbst komplexe

Deformitäten und Längendifferenzen an den Extremitäten zu korrigieren. Hierbei wird der Knochen

an gewünschter Stelle durchtrennt und die Blutergußbildung (Kallus) für einige Tage abgewartet.

Die besondere Eigenschaft des Kallus besteht darin, daß er anfänglich dehnbar ist. Mit Hilfe eines

außen an der Gliedmaße angebrachten Fixateurs, welcher über Drähte oder Schrauben den Knochen

durch die Weichteile hindurch fixiert, ist es möglich diesen Kallus zu dehnen. Durch diesen

Dehnungsreiz wird sämtliches Gewebe (Nerven, Muskeln, Sehnen, Bänder etc.) zum Wachstum

(ähnlich wie in der Kindheit) angeregt. Durch die Plastizität des Kallus können Verkrümmungen

und Verkürzungen der Knochen ausgeglichen werden. Verlängert wird in der Regel durch

viermaliges Drehen an entsprechenden Muttern um 1 Millimeter pro Tag. Ist die gewünschte

Verlängerungsstrecke erreicht, so bildet sich der Kallus im Laufe der Zeit in normalen Knochen um.

Anhand von fünf Beispielen komplexer Beinfehlbildungen und -defekten erworbener und

kongenitaler Genese mit Achsenfehlern und Längendefekten werden die Möglichkeiten der

Kallusdistraktion aufgezeigt. Vier der Patienten waren bisher nur mit aufwendiger

orthoprothetischer Versorgung gehfähig. Ein Patient stand kurz vor der Unterschenkelamputation.

Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, daß die Technik der Kallusdistraktion mittels Ringfixateur

hervorragend geeignet ist nach sorgfältiger praeoperativer Planung und Durchführung, selbst

komplexe Beinfehlbildungen unterschiedlichster Genese, zu korrigieren. Aufwendige

orthoprothetische Versorgungen werden hiermit lebenslang überflüssig. Amputationen können

abgewendet werden.

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Muskuläre Dysbalancen beim Sportler - Vorbeugung und Behandlung

Dr. med. O. Miltner

Orthopädische Klinik der RWTH Aachen

Durch verschiedene pathogenetische Faktoren für das Stütz- und Bewegungssystem, durch

Zwangshaltungen bei der Arbeit, beim Sport usw. sowie durch noch nicht vollständig geklärte

Einflüsse der phylogenetischen Entwicklung des Menschen zur aufrechten Haltung haben sich

muskuläre Dysbalancen entwickelt, die eine gestörte Gelenkfunktion hervorrufen und zu gestörten

Stereotypen des Bewegungsablaufs führen können. Das Arthron besteht aus dem passiv bewegtem

Gelenk und der aktiv bewegenden Muskulatur und der steuernden nervalen Versorgung.

Veränderungen dieser funktionellen Einheit werden als Störungen im statisch und/oder dynamisch

motorischen Stereotyp bezeichnet. Sie können sowohl das optimale Zusammenwirken einzelner

Muskelgruppen an einer Bewegung als auch die zeitliche Abfolge der Kontraktionen der einzelnen

Muskelgruppen betreffen.

Die muskuläre Dysbalance ist definiert als Ungleichgewicht zwischen der tonischen und der

phasischen Muskulatur: Die tonischen Muskeln sind bei erhaltener Kraft verkürzt und die

phasischen Antagonisten und Synergisten weisen bei normaler Länge eine Abschwächung auf

Muskuläre Dysbalancen können zu Schmerzen, strukturelle Schäden (Tendinosen,

Muskelverletzungen, Gelenkstörungen z.B. Schwimmerschulter), einer Leistungslimitierung im

Hinblick auf die Sportausübung oder zu einer Kombination aus allem führen.

Zu Beginn der Beurteilung einer muskulären Dysbalance sollte eine Analyse des

sportartspezifischen Belastungsmusters durchgeführt werden. Anschließend beginnt ein abgestufter

Diagnostikplan. Diagnostikstufe 1: die klinisch orthopädische Untersuchung mit der Abklärung

struktureller, funktionell artikulärer oder periartikulärer Störungen (aktive und passive Techniken).

Diagnostikstufe 2: Maschinelle Meß-/Analyseverfahren (Isokinetisches Meßverfahren,

Laufbandanalyse, EMG-Analyse, Gang-/Bewegungsanalyse).

Anhand der gewonnen Daten können individuelle und sportartspezifische Konzepte zur Prävention

und Behandlung von muskulären Dysbalancen entwickelt werden.

Hierbei stehen spezifische Muskeldehnungsprogramme, allgemeine Krafttrainingskonzepte,

koordinationsverbessernde Maßnahmen und orthopädietechnische Hilfsmittel im Vordergrund.

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Management zur Verbesserung von Gangstörungen bei der infantilen Zerebralparese

Dr. med. E. B. Zwick

Orthopädische Klinik der RWTH Aachen

Etwa drei von tausend Kindern sind durch frühkindliche Hirnschäden spastisch gelähmt. Durch

intensive Frühförderung erlangen beinahe alle Kinder mit spastischer Hemiparese, und 90% der

Kinder mit spastischer Diparese eine Gehfähigkeit innerhalb der ersten sieben Lebensjahre. Durch

eine verzögerte Reifung der Bewegungs- und Gangfunktionen, Spastik der betroffenen Muskulatur

und eine pathologische Aktivierung der Muskulatur bei Willkürbewegungen erfordern die erreichten

Gangbilder einen erhöhten Energieaufwand. Der Gang ist optisch auffällig, und zeichnet sich durch

große Belastungen der Gelenke der unteren Extremität aus. Ziele des orthopädischen Managements

gehfähiger, spastisch Gelähmter sind die Vermeidung von Überlastungsschäden und der Erhalt der

Gehfähigkeit.

Neben der krankengymnastischen Förderung neurophysiologischer Reifungsprozesse müssen dazu

die mechanischen Voraussetzungen optimiert werden, um trotz einer gestörten zentralnervösen

Ansteuerung eine ökonomische Fortbewegung zuzulassen. Werkzeuge orthopädischer Intervention

sind dazu redressierende Gipsverbände, Schienen, orthopädische Schuhe, Botulinum Toxin A sowie

die operative Therapie. Operative Maßnahmen konzentrieren sich auf die Korrektur knöcherner

Deformitäten, die Verlängerung verkürzter Muskulatur und die Versetzung einzelner Muskeln.

Durch die gezielte Änderung der Wirkung einzelner Muskeln auf benachbarte Gelenke kann eine

primär hinderliche Muskelaktivierung zu einem normalen Bewegungsablauf beitragen. Eine solche

funktionsverbessernde operative Therapie von Gangstörungen setzt ein interdisziplinäres

Behandlerteam voraus. Durch die Zusammenarbeit von Pädiatern, Neurologen, Orthopäden,

Physiotherapeuten, Schuhmachern und Orthopädietechnikern kann der optimale Zeitpunkt für ein

therapeutisches Vorgehen festgelegt, die intensive stationäre Behandlung vorbereitet, und die

anschließende Rehabilitationsphase organisiert und überwacht werden.

Der Einsatz moderner Ganganalyse-Systeme erlaubt die Quantifizierung von Gangbildern spastisch

Gelähmter. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit einer objektiven Dokumentation von

Entwicklungsschritten und Therapieergebnissen.

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Die Augenklinik stellt sich vor

13. Januar 1998

Kombinierte Glaukom-Kataraktoperationen

Priv.-Doz. Dr. med. M. Wenzel

Augenklinik der RWTH Aachen

In Deutschland werden jährlich um die 400.000 Katarakt- und 30.000 Glaukom-Operationen

durchgeführt. Etwa 10.000 davon sind kombinierte Operationen. Bisher wurden fistulierende

Operationen unter die Bindehaut favorisiert. In mehreren großen Operationszentren fand in den

letzten Jahren eine gewisse Trendwendung hin zur Trabekulotomie statt, bei der der Abfluß durch

den Schlemmschen Kanal wieder ermöglicht wird. Wir haben eine Modifikation der

Operationstechnik entwickelt, die es ermöglicht, die Vorteile der Trabekulotomie mit denen der

Phakoemulsifikation und anschließenden Implantation von Linsen jeder Größe zu kombinieren:

1. Die korneosklerale Region wird nach Frown präpariert.

2. Das Deckelchen über dem Schlemm'schen Kanal wird nach hinten und nicht, wie bisher üblich,

nach vorne präpariert Dabei ist eine besonders tiefe Präparation möglich, die das Auffinden des

Schlemm sehr erleichtert. Der corneale Einschnitt in die Vorderkammer zur Phakoemulsifikation

ist damit unabhängig von der rückwärtigen Fixation des Deckels. Die Stabilität des "Tunnel"-

Ventils ist durch den cornealen Teil des Operationssitus gewährleistet, die Glaukomoperation

wird im skleralen Anteil des Situs durchgeführt.

3. Das Einschwenken der Trabekulotomiesonde wird nach dem Tiefstellen der Vorderkammer mit

Viskoelastikum durch das Gegenhalten einer Infusionskanüle kontrolliert.

4. Der Wundverschluß erfolgt durch resorbierbare Vicryl 10 × 0-Fäden.

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43

Hornhautkultivierung und Hornhauttransplantation

Priv.-Doz. Dr. med. C. Redbrake-Adams

Augenklinik der RWTH Aachen

Neben Cataract und Glaukom gehören Veränderungen der Hornhaut zu den häufigsten

Erkrankungen des vorderen Augenabschnittes. In vielen Fällen kann den Patienten nur durch die

Transplantation einer gesunden Hornhaut geholfen werden.

Diese Hornhäute können vor der Transplantation bis zu 6 Wochen in der Organkultur gelagert

werden.

Der Vortrag wird zunächst über die Spendergewinnung durch die Hornhautbank Aachen berichten

und das praktische Vorgehen bei der Lagerung der Hornhäute erläutern. Darüber hinaus wird über

die mit der Hornhautbank verbundene Forschung hier insbesondere die Erarbeitung eines

vollsynthetischen Mediums kurz berichtet.

Im klinisch orientierten Teil wird der Stand der Technik bei der Keratoplastik demonstriert: Die

klinischen Ergebnisse nach Lagerung in einem neuen entquellenden Lagerungsmedium mit HES

130 werden dargestellt.

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Das vaskuläre Konzept in der glaukomatösen Glaukomtherapie

Dr. med. O. Arend

Augenklinik der RWTH Aachen

Die Pathogenese der glaukomatösen Optikusatrophie ist Gegenstand unterschiedlicher Konzepte.

Augendruckerhöhungen wie auch verschiedenste lokale und systemische Zirkulationsparameter

können in der Diagnostik aufgedeckt werden.

Diagnostische Ansätze bezogen bisher neben dem Augendruck, Papillenveränderungen und die

Gesichtsfelduntersuchung mit ein. Neben der konventionellen Perimetrie können neue

psychophysische Verfahren wie die Kontrastempfindlichkeit und die blau-gelb Perimetrie eingesetzt

werden. Zirkulationsmessungen der retinalen und super-fizialen Sehnervenanteile können mittels

Scanning Laser Fluoreszein Angiographie durchgeführt werden, um das Ausmaß einer

glaukomatösen ischämischen Optikopathie oder retinalen Zirkulationsstörung zu dokumentieren.

Blutdruckmessungen und deren Korrelation mit Augendruckwerten liefern eine weitere

Einflußgröße. Dieses komplexe diagnostische Konzept berücksichtigt erst zu geringem Maße eine

Bestimmung des Gefäßwiderstandes. Gefäßwiderstandserhöhungen können entweder durch

Kapillaruntergänge oder eine Vasospastik bedingt sein. Um Patienten mit einer Vasospastik zu

identifizieren, müssen Konzepte einer Vasoreaktivitätstestung entwickelt werden. Mögliche

Testsysteme schließen eine CO2 Provokation und das Monitoring der Reaktivität z.B. mittels

Fluoreszein Angiographie, Farbduplexsonographie oder psychophysischen Tests ein.

Dieses komplexe Bild ermöglicht dann die Einflußnahme auf verschiedenste Stellgrößen im

Krankheitsbild des Glaukoms. Augendrucksenkende Therapeutika müssen ebenso auf potentielle

zirkulatorische Aspekte geprüft werden, als auch neue Wege zur Zirkulationsverbesserung gegangen

werden. Derzeitige Ansätze schließen Calciumanatagonisten ein, die über eine Vasodilatation zur

Zirkulationsverbesserung beitragen können.

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Operative Möglichkeiten der Schielbehandlung

Dr. med. F. Kaszli

Augenklinik der RWTH Aachen

Kongenitale Schielformen, erworbener Strabismus im Zusammenhang mit anderen

ophthalmologischen Erkrankungen, Paresen der geraden und/oder schrägen Augenmuskeln, lassen

sich durch standardisierte operative Maßnahmen behandeln. Betrachtet man die heterogene Gruppe

der Strabismen, so kann für die Gesamtheit der verschieden Schielformen in 80 bis 90% ein

befriedigendes Ergebnis durch gezielte operative Maßnahmen erreicht werden. Die operative

Korrektur eines manifesten Schielwinkels stellt in erster Linie eine funktionelle Rehabilitation dar.

Ziel einer operativen Maßnahme ist die Wiederherstellung der Binokularität bei Paresen sowie die

Schaffung von jenen Voraussetzungen, welche Binokularität zulassen (Mikrostrabismus mit

Binokularfunktionen). Stets geht in das therapeutische Konzept die Prüfung der Binokularfunktion

ein. Anomalien der Netzhautkorrespondenz müssen bei der Indikationsstellung berücksichtigt

werden. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunktes stellt insbesondere beim Krankheitsbild des

"frühkindlichen Innenschielens" ein noch mit Unsicherheiten behaftetes Problem dar. Eine

multizentrische europäische Studie wird hierzu Anfang des nächsten Jahrhunderts Auskunft geben.

Horizontale Schielformen werden in der Regel durch die Rücklagerung eines Muskels und Faltung

(Resektion) des Antagonisten behandelt. Transpositionen werden insbesondere bei Paralysen

eingesetzt. Ein Beispiel für eine solche Transposition stellt die Hummelsheim-Operation bei

Abduzensparalyse dar. Die retroäquatoriale Myopexie (Fadenoperation) nach Cüppers hat beim

Vorliegen einer Esotropie mit Konvergenzexzess und schwankendem Schielwinkel die Behandlung

dieses Krankheitsbildes revolutioniert. Mit dieser operativen Technik ist ebenfalls die Behandlung

einer dissoziierten Vertikaldivergenz möglich. Eingriffe an den schrägen Augenmuskeln werden

nötig bei A- und V-Inkomitanzen, beim Strabismus sursoadductorius und beim Strabismus

deorsoadductorius. Hier kann durch die gezielte Vorderrand- und Hinterrandchirurgie die

zyklorotatorische Störung des Bulbus gebessert werden. Nystagmusberuhigende Operationen

müssen häufiger an beiden Augen durchgeführt werden. Die artifizielle Divergenz, die

Kestenbaumoperation und die großstreckige Fadenoperation an den Horizontalmotoren bieten je

nach zugrundeliegender Pathologie unterschiedliche operative Ansätze. Motilitätsverbessemde

Operationen werden bei der endokrinen Orbitopathie, beim Stilling-Türk-Duane Syndrom und beim

familiären Fibrosesyndrom eingesetzt.

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Glaskörperersatz

Priv.-Doz. Dr. Dr. med. S. Wolf

Augenklinik der RWTH Aachen

Die Vitrektomie ist heute ein Standardverfahren zur Behandlung komplizierter Netzhautablösungen.

Bei der Vitrektomie wird zunächst der Glaskörper möglichst komplett entfernt, eventuell

vorhandene vitreoretinale Proliferationen von der Netzhaut abpräpariert und anschließend eine

Endotamponade zur Wiederanlegung der Netzhaut verwendet. Als kurzfristige Endotamponade

werden Luft oder expansive Gase verwendet. Hiermit ist eine Endotamponade für höchstens wenige

Wochen möglich. Insbesondere bei proliferativer Vitreoretinopathie (PVR) sind jedoch langfristige

Endotamponaden erforderlich. Hiermit lassen sich auch bei PVR als Komplikation der

rhegmatogenen Amotio Wiederanlegungsraten von 60-80% erzielen. Heute wird als langfristige

Endotamponade Silikonöl verwendet. Jedoch entstehen auch unter Silikonöl neue kontraktile

vitreoretinale Membranen. Diese Proliferationen bilden sich meist in der unteren

Netzhautzirkumferenz. Hier bleibt fast immer eine Flüssigkeitssichel zurück, da Silikonöl leichter

als Wasser ist und der Bulbus sich praktisch niemals komplett mit Silikonöl füllen läßt. Aus diesem

Grund wird versucht neue Endotamponaden zu entwickeln, die schwerer als Silikonöl sind. Frühere

Versuche mit Perfluorcarbonen (PFCL) mit einem spezifischen Gewicht von ca. 1,8 haben gezeigt,

daß diese für eine Langzeitanwendung im Auge nicht geeignet sind.

Mit semifluorierten Alkanen (RFRHs) steht heute eine neue Substanzklasse zur Verfügung, die für

eine langdauemde Endotamponade verwendet werden könnten. Bei RFRHs handelt es sich um

modifizierte PFCLs, die eine Perfluorcarbon und einen Hydrocarbonanteil aufweisen. Sie weisen

alle Vorteile der heute intraoperativ gebräuchlichen PFCLs auf, sind aber nur geringfügig schwere

als Wasser. Erste tierexperimentelle Untersuchungen haben gezeigt, daß die RFRHs auch nach

6wöchiger Endotamponade klinisch gut verträglich sind und Komplikationen nicht auftreten.

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Schwere Augenverletzungen

Univ.-Prof. Dr. med. B. Kirchhof

Direktor der Augenklinik der RWTH Aachen

Kombinierte Verletzungen des vorderen und hinteren Augenabschnittes sind weltweit die häufigste

Ursache einseitiger Erblindung. In den USA erleiden jährlich 15 von 100.000 Einwohnern schwere

Augenverletzungen. In absteigender Reihenfolge verschlechtert sich die Prognose von der

intraokularen Fremdkörperverletzung (Hammer-Meißel Mechanismus), über die Spießung des

Augapfels (Messer) zu den Kontusionen und Rupturen (stumpfe Verletzungsmechanismen). Die

funktionelle Prognose hängt ab von der Läsion der Sehzentren (Makula und Sehnervenpapille) und

von der kinetischen (kontusionellen) Energie des verletzenden Gegenstandes (Netzhautnekrose,

reaktive Wundheilung). Ziel der chirurgischen Rekonstruktion ist es die Wundheilung zu

minimieren, und so das Risiko sekundärer traktiver Netzhautablösungen gering zu halten. Das

operative Instrumentarium umfaßt heute die Mikrochirurgie (Operationsmikroskop), die

Vitrektomie (Leitstruktur für Fibroplasie), und die Silikonöltamponade des Glaskörperraums evtl.

kombiniert mit adjuvanter Pharmakotherapie. In den letzten 9 Jahren ließ sich zwar der Anteil der

Augen mit gutem funktionellem Resultat nicht über 30-40% steigern, allerdings gelingt es heute in

Europa den Augapfel in etwa 98% der Fälle mit einer Restfunktion zu erhalten, gegenüber nur 20%

der Augen im Jahre 1972. In den USA beträgt demgegenüber die Rate primärer Enukleationen auch

heute noch 12%! Die Prognose von Verletzungen mit geringem Erblindungsrisiko kann somit kaum

verbessert werden. Andererseits lassen sich heute deutlich mehr Augen wenigstens als Organ mit

einer Restfunktion erhalten. In Europa sind die berufsbedingten Augenverletzungen deutlich

rückläufig. Allerdings sind die Unfälle während der Freizeit in gleichem Maße angestiegen. Der

Rückgang der Augenverletzungen durch zersplitternde Windschutzscheiben nach Einführung der

Gurtanschnallpflicht ist ein überzeugender Beweis für den Wert erzwungener Schutzmaßnahmen.

Schutzbrillen werden nicht durchgehend getragen. Es verwundert deshalb nicht, daß die intraokulare

Fremdkörperverletzung (im Arbeits- wie im Freizeitbereich) heute wie vor 30 Jahren den häufigsten

schweren Verletzungsmechanismus des Auges darstellt.

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Habilitationsanwärter stellen sich vor

10. Juni 1998

Regulation hepatischer Gallesäurentransporter bei Cholestase

Dr. med. C. Gartung

Medizinische Klinik III der RWTH Aachen

Eine der wichtigsten Aufgaben der Leber ist die kontinuierliche Bildung der Galle, über die die

Sekretion lipophiler organischer Anionen (Gallensäuren, Bilirubin, Steroide, Xenobiotika), die

Regulation der Cholesterin-Homöostase und die Resorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen

im Dünndarm erfolgt. Essentiell zur Aufrechterhaltung des Galleflusses ist die Sekretion von

Gallensäuren aus der Leberzelle in die Gallekanalikuli, wo sie durch Aufbau eines osmotischen

Gradientens konsekutiv zum passiven Einstrom von Elektrolyten und Wasser führen. Gallensäuren

unterliegen einer enterohepatischen Zirkulation und werden mittels spezifischer, aktiver

Transportsysteme aus dem portalen Blut extrahiert, unidirektional von der sinusoidalen zur

kanalikulären Plasmamembran der Leberzelle transportiert und dort wieder aktiv gegen ein

Konzentrationsgefälle in den Gallekanalikulus sezerniert. Störungen dieses komplizierten

Transportprozesses resultieren in dem klinisch bedeutenden Syndrom der Cholestase mit Retention

toxischer Substanzen im Organismus und klinischen Symptomen wie Ikterus und Pruritus.

An tierexperimentellen Modellen der extra- und intrahepatischen Cholestase konnte gezeigt werden,

daß die molekulare Expression wichtiger Aufnahmesysteme für Gallensäuren einschließlich eines

natriumabhängigen Gallensäuren-Kotransporters und eines natriumunabhängigen organischen

Anionentransporters drastisch um 90% im Vergleich zu Kontrollen vermindert ist. Die

Herabregulation erfolgt sowohl mittels transkriptioneller als auch posttranskriptioneller

Mechanismen. Die verminderte Expression, insbesondere des natriumabhängigen Gallensäuren-

Kotransporters, resultiert in einer um mindestens 70% reduzierten Aufnahme von konjugierten

Gallensäuren in die cholestastische Leberzelle. Untersuchungen an Tiermodellen mit Depletion

(chronische Gallengangsfistel) oder Retention von Gallenbestandteilen (choledochocavale Fistel,

selektive Gallengangsligatur) haben gezeigt, daß die sinusoidalen Transportsysteme für

Gallensäuren unter physiologischen Bedingungen konstitutionell exprimiert werden. Ausschließlich

bei Cholestase erfolgt aber durch die Retention von bisher nicht identifizierten Bestandteilen der

Galle eine verminderte Expression dieser Gallensäurentransporter. Teleologisch stellt diese

verminderte Aufnahme von Gallensäuren infolge der reduzierten Expression seiner spezifischen

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Transportsysteme einen bisher nicht bekannten Schutzmechanismus dar, bei der die Aufnahme

potentiell hepatotoxischer Gallensäuren in die Hepatozyten bei Cholestase vermindert wird.

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Darstellung intrakranieller Aneurysmen mit der farbkodierten transkraniellen

Duplexsonographie

Dr. med. C. Klötzsch

Neurologische Klinik der RWTH Aachen

H. C. Nahser, H. Henkes, D. Kühne

Neuroradiologische Abteilung Alfried-Krupp-Krankenhaus Essen

Hintergrund: Seit der Einführung der transkraniellen farbkodierten Duplexsonographie (TCCS) ist

in kleinen Untersuchungsserien nachgewiesen worden, daß die Darstellung intrakranieller

Aneurysmen mit dieser Methode möglich ist. Mit der vorliegenden Studie sollte durch

systematische Untersuchung einer größeren Zahl von Patienten der klinische Stellenwert des

Verfahrens bestimmt werden.

Patienten/Methoden: Es wurden 88 Patienten mit 102 angiographisch nachgewiesenen

intrakraniellen Aneurysmen eingeschlossen, die der neuroradiologischen Abteilung zur

interventionellen Behandlung überwiesen wurden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 50 ±

13 Jahre (± SD). Die Lokalisation der Aneurymen war wie folgt: intrakranieller Abschnitt der A.

carotis interna (n = 43), Basilarisspitze (n = 31), A. cerebri media (n = 9), A. cerebri posterior (n =

7), übrige (n = 12). Der mittlere Durchmesser der Aneurysmen betrug 16 mm. Mit der TCCS

(Acuson XPl28/10, 2/2.5-MHz-Sonde) wurde Lokalisation und Größe des Aneurysmas in zwei

Beschallungsebenen ermittelt. 34 Aneurysmen wurden zusätzlich nach erfolgreicher Embolisation

mit Platinspiralen untersucht.

Ergebnisse: 70 Aneurysmen (68%) konnten mit der TCCS nachgewiesen werden. 16 Aneurysmen

(16%) waren trotz ausreichender Untersuchungsbedingungen nicht darstellbar. Bei den übrigen 14

Patienten mit 16 Aneurysmen war eine Beschallung wegen fehlenden Knochenfensters nicht

möglich. Die Bestimmung des maximalen Aneurysmadurchmessers korrelierte in hohem Maße mit

den Meßergebnissen der radiologischen Verfahren (Pearson-Korrelationskoeffizient 0.92). Ursachen

für den fehlenden Nachweis eines Aneurysmas waren ein Durchmesser von weniger als 6 mm oder

eine Lokalisation im infraklinoidalen Abschnitt der A. carotis interna sowie im intrakraniellen

Abschnitt der A. vertebralis. Bei 16 von 20 Patienten (80%) gelang der Nachweis thrombosierter

Anteile, die durch MRT bzw. DSA bestätigt wurden. Unter 34 embolisierten Aneurysmen konnten

30 (88%) mit der TCCS dargestellt werden.

Diskussion: Die TCCS ermöglicht zuverlässig die Darstellung mittlerer und großer intrakranieller

Aneurysmen. Die niedrige Sensitivität beim Nachweis kleiner und ungünstig lokalisierter

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Aneurysmen verhindert jedoch den Einsatz als Screening-Methode. Klinische

Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich möglicherweise bei Patienten nach SAB, die nicht

umgehend angiographiert werden können. Darüber hinaus erscheinen Verlaufsuntersuchungen bei

Patienten nach Coilembolisation sinnvoll, um eventuell neu entstandene Restlumina zu entdecken.

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Die Induktion der Hitze-Schock Reaktion reduziert die Sterblichkeitsrate und die

Organschäden im Sepsismodell der Ratte

Dr. med. B. Klosterhalfen

Institut für Pathologie der RWTH Aachen

Hitze-Schockproteine (HSP) repräsentieren eine phyllogenetisch hochkonservierte, überwiegend

intrazytoplasmatisch exprimierte Proteinfamilie, die durch verschiedenste Streßfaktoren induziert

werden können. Zu den wichtigsten HSP's gehören im humanen Bereich die mit einem

Molekulargewicht um 70kD (HSP70). Ziele dieser Studie beinhalten die Arbeitshypothesen, daß 1.

Zn2+ ein potentieller Induktor von HSP70 in vivo ist, 2. die Induktion von HSP70 durch Zn2+ eine

protektive Wirkung im Rahmen einer LD100-Endotoxinämie in der Ratte ausübt, 3. die HSP70-

Expression ein verändertes Muster der Zytokinliberation nach LPSgabe zur Folge hat und 4. die

LPS-induzierte Apoptoserate in Lunge, Leber und Niere senkt.

Zur Untersuchung der Hypothesen wurde ein randomisiertes LD100/24h LPSmodell in der Ratte

(Wistar, männlich; n = 26, 250-300g) gewählt. Die Tiere wurden in vier Gruppen eingeteilt: Gruppe

1 (n = 5; nur NaCl-Behandlung); Gruppe II (n = 5; nur Zn2+-Behandlung); Gruppe III (n = 8; NaCI-

Vorbehandlung, LPS-Behandlung); Gruppe IV (n = 8; Zn2+-Vorbehandlung, LPS-Behandlung). Die

Zn2+-Vorbehandlung wurde über ein Intervall von 24 h mit einer i.p. Injektion von 50mg/kg Zink-

bis-(DL-hydrogenaspartat) [≈10mg/kg elementares Zn2+; UNIZINK , Köhler Vertrieb Pharma

GmbH, Deutschland] durchgeführt. Die LD100/24h Endotoxinämie wurde durch die i.p. Applikation

von 20mg/kg LPS des E. coli Stammes WO111:B4 induziert. TNFα, IL-lβ und IL-6 wurden aus

dem Blutplasma mittels ELISA (AMERSHAM, Braunschweig, Deutschland) bestimmt. Die

HSP70-Expression in den Organen wurde mittels Immunhistochemie, Western Blot und einem

HSP70-ELISA (BIOMOL, Hamburg, Deutschland) nachgewiesen. Des weiteren wurde die

Apoptose mittels TUNEL (ONCOR, Hamburg, Deutschland) am Paraffin eingebetteten Material

lichtmikroskopisch dargestellt und durch einem Cell Death detection-ELISA (BOEHRINGER

Mannheim, Deutschland) quantifiziert.

Die Ergebnisse zeigen, daß Zn2+ ein potentieller Induktor der HSP70 Expression in vivo ist.

Darüber hinaus führt die isolierte Zn2+ Applikation zu leicht erhöhten Zytokinspiegeln im Blut und

Apoptoseraten in Lunge, Leber und Niere. Die Induktion von HSP70 durch Zn2+ erhöht signifikant

die Überlebensrate nach LD100-Endotoxinämie in der Ratte. Die erhöhte Überlebensrate erklärt sich

zum einen durch den zytoprotektiven Effekt der verstärkten HSP70-Expression, zum anderen durch

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signifikant erniedrigte Zytokinspiegel im Blut nach Gabe von LPS und eine ebenfalls signifikant

erniedrigte Apoptoserate in Leber, Lunge und Niere.

Die Studie beweist die enge Beziehung zwischen Zn2+, HSP70-Induktion, Zytokinliberation und

Apoptose. Insbesondere die zytoprotektiven Effekte des HSP70, aber auch die signifikant

erniedrigten Zytokinblutspiegel und die signifikant erniedrigte Apoptoserate in der Lunge, Leber

und Niere erklären die signifikant erniedrigte Sterblichkeitsrate in der Zn2+ vorbehandelten Gruppe

nach Gabe von LPS. Insofern könnte die Zn2+ Vorbehandlung bei Hochrisikopatienten ein

präventives Behandlungskonzept der Sepsis darstellen.

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Kongenitale Störungen der Hypophysenvorderlappenfunktion

Dr. med. R. Pfäffle

Kinderklinik der RWTH Aachen

In der Mehrzahl der Fälle mit hypophysärem Kleinwuchs ist die Pathogenese des hypohysären

Hormonausfalls nicht bekannt. Nur in einzelnen Fällen sind kongenitale

Hypophysenvorderlappendefekte auf Mutationen in den Genen der hypophysär sezernierten

Hormone zurückzuführen. Regulative Faktoren der Hormonsynthese kamen daher als Ursache

kongenitaler Hypophysenvorderlappenstörungen in Betracht. Wir haben daher die Rolle

entwicklungsabhängig hypophysär exprimierter Transkriptionsfaktoren bei der Entstehung von

Hypophysenvorderlappendefekten untersucht.

Pit-1 (Pituitary Factor 1) ist ein von den späten Phasen der Hypophysenvorderlappenentwicklung

an exprimierter Transkriptionsfaktor, der in den somatotropen (Wachstumshormon

produzierenden), laktotropen (Prolaktin produzierende) und thyreotropen (TSH produzierende)

Zellen nachweisbar ist. Wir haben bei Patienten mit einem kombinierten

Hypophysenvorderlappendefekt für GH, Prolaktin und TSH Mutationen in dem humanen

Äquivalent des Pit-1 Faktors gefunden und deren Auswirkung auf die DNA-Bindungs- und

Transaktivierungseigenschaften des Peptids untersucht. Je nach Lokalisation der Mutation fand sich

ein autosomal dominanter oder autosomal rezessiver Vererbungsmodus dieser Erkrankung. Trotz

des relativ uniformen Phänotyps dieser Erkrankung, fanden sich jedoch bei etwa der Hälfte dieser

Patienten keine Pit-1 Mutation. Ähnliche Beobachtungen hatte man zuvor bei der Untersuchung von

Zwergmausstämmen mit gleichem Phänotyp gemacht.

Bei dem sog. Ames Zwergmausstamm gelang die Identifizierung eines epigenetischen Faktors,

Prop-1 (Prophet of Pit-1), der bei dem Tier einen identischen Phänotyp verursacht. Bei der

Identifizierung und Charakterisierung des menschlichen Äquivalents von Prop-1 konnten wir

nachweisen, daß Prop-1 Mutationen beim Menschen, anders als bei der Ames Maus, einen

kombinierten Hypophysenvorderlappendefekt für GH, Prolaktin, TSH und Gonadotropine

verursacht. Das Krankheitsbild, das durch Prop-1 Mutationen verursacht wird, verläuft etwas

blander als der hypophysäre Defekt durch Pit-1 Mutationen. Andererseits ist das Krankheitsbild

jedoch variabler in seinem Verlauf. Prop-1 Mutationen scheinen beim Menschen insgesamt häufiger

als pathogene Pit-1 Mutationen aufzutreten, jedoch bedarf es weiterer Untersuchungen, um die

Frequenz und das phänotypische Spektrum dieser neu beschriebenen Formen des hypophysären

Hormonausfalls sicher einzuordnen.

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Kleinhirnstrukturveränderungen im Kindesalter - von der Bildgebung zum

Stoffwechseldefekt

Dr. med. V. Ramaekers

Kinderklinik der RWTH Aachen

Kleinhirnstrukturveränderungen beim Kind, die als pre- oder postnatal erworbene Hypoplasien oder

Atrophien imponieren, waren die Ausgangssituation der Studie. Da bisher systematische

Untersuchungen für die zugrunde liegenden Ursachen und den assoziierten Krankheitsbildern

fehlten, wurden Untersuchungen bei 86 Kindern unter Einbeziehung von Langzeitverläufen über

einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren durchgeführt.

Ausgehend von den modernen bildgebenden Verfahren (Computertomographie,

Magnetresonanztomographie) wird zunächst eine anatomische Klassifikation der strukturellen

Veränderungen des Kleinhirns vorgenommen. Neben der orientierenden Einteilung in unilaterale

und bilaterale Strukturveränderungen ließen sich die bilateralen Veränderungen als ponto-

zerebelläre sowie Mittellinie- und Hemispheren-Strukturveränderung abgrenzen. Darüber hinaus

konnte die statische Verlaufsform der Kleinhirnhypoplasie von einer progressiven Degeneration der

Kleinhirnhemisphären unterschieden werden.

Neben der Zuordnung spezifischer Krankheitsbilder, wie z.B. dem Joubert-Syndrom, wurden neue

Ansätze zur Aufklärung möglicher Pathomechanismen verfolgt. Der mögliche Einfluß erhöhter

Bildung von Sauerstoffradikalen (Superoxide Anionen, Hydroxyl Radikal, Wasserstoffperoxide)

wurde durch die Bestimmung von Malondialdehyde in Plasma geprüft. Dieser Marker zeigt die

Erhöhung der Lipid Peroxidation an. Darüber hinaus diente die Bestimmung von Thymidine-

Glykole und des 8-OH-2'-deoxy-Guanosin im Urin als biochemischer Marker der durch Hydroxyl

Radikale vermittelten Veränderungen der DNA.

Für progressive Kleinhirndegenerationen, die ponto-zerebelläre Hypoplasie Typ II und das Joubert-

Syndrom waren die ansprechenden Marker im Plasma und im Urin signifikant erhöht, als Zeichen

einer gesteigerten Aktivität von Sauerstoffradikalen. Ursächlich dafür scheint ein gestörtes

Gleichgewicht im Sinne einer fehlerhaften Schutzbildung gegenüber Sauerstoffradikalen zu sein.

Entsprechende Enzyme, wie die Mangan-Superoxide Dismutase, die extrazelluläre Kupfer/Zink-

Superoxide Dismutase und das Coenzym Q10 erwiesen sich als signifikant weniger aktiv bei

entsprechend betroffenen Patienten.

Diese Untersuchungen zeigten, daß prenatal entstandene Entwicklungsstörungen des Kleinhirns

zurückzuführen sind auf möglich genetisch bedingte Fehler der antioxidativen Schutzmechanismen

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gegen Sauerstoffradikale, wobei eine frühzeitige Apoptosis (programmierter Zelltod) der

Kleinhirnstammzellen oder spätere Degeneration der Kleinhirnrinde für die beobachtete Hypoplasie

beziehungsweise Atrophie verantwortlich sein könnte. Viele Krankheitsbilder sind bekannt, wobei

entweder eine erhöhte Bildung von Sauerstoffradikale (z.B. Bestrahlung, Down-Syndrom,

mitochondriale Krankheitsbilder) oder fehlende Antioxidantien (Vitamin E-Mangel, Glutathion

Synthese Störungen) zu Kleinhirnhypoplasie führen. Screening-Untersuchungen bei ungeklärten

Kleinhirnstrukturveränderungen sollten auf die von Sauerstoffradikalen vermittelten Schäden an

Lipiden, DNA und Proteinen ausgedehnt werden. Heute steht die hochdosierte Therapie mit dem

Radikalfänger Vitamin E als direkter therapeutischer Ansatz zur Verfügung.

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Prognosefaktoren nach Resektion kolorektaler Lebermetastasen

Dr. med. K.-P. Riesener

Chirurgische Klinik der RWTH Aachen

Einleitung: Die Prognose unbehandelter Lebermetastasen kolorektaler Karzinome ist infaust. In

den letzten 20 Jahren hat sich die Resektion dieser Befunde als einziges wirksames Therapieprinzip

mit der Chance der Heilung etabliert. Dennoch ist die Rezidivrate mit 65 - 80% aller Patienten

erschreckend hoch, so daß die Ermittlung möglicher prognostischer Faktoren nach der Resektion

zur besseren Patientenselektion sinnvoll erscheint.

Patienten und Methoden: Seit 1985 wurden an der Chirurgischen Klinik der RWTH Aachen in

einem 10-Jahres-Zeitraum 109 Patienten einer R0-Resektion von Lebermetastasen kolorektaler

Karzinome unterzogen. Alle Patienten wurden bezüglich ihrer Überlebenszeiten und

Rezidiventstehung nachuntersucht. Die erfaßbaren klinischen Parameter, z.B. der Zeitpunkt der

Metastasenentstehung, das Ausmaß der Metastasierung, das Stadium des Primärtumors, die Art der

Resektion, wurden in ihrer möglichen Auswirkung auf die Prognose der Patienten evaluiert.

Zusätzlich erfolgte eine DNA-Bildzytometrie der Metastasen und der Primärtumoren sowie die

immunhistochemische Untersuchung von p53 und Ki67, um von der Klinik unabhängige mögliche

Prognoseparameter zu ermitteln.

Ergebnisse: Die 5-Jahres-Überlebensrate aller Patienten mit R0-Resektionen von Lebermetastasen

lag bei 20% und damit im Bereich der in der Literatur angegebenen Ergebnisse. Bei den klinischen

Parametern konnte lediglich die Radikalität der Resektion als prognostisch relevant erkannt werden,

während alle übrigen Faktoren ohne Einfluß auf die Überlebenszeit blieben. Algorithmen der DNA-

Bildzytometrie (9cEE, maximale Ploidie, DNA-Malignistätsgrad) erwiesen sich als

hochsignifikante Prognoseparameter nach erfolgter R0-Resektion, während der Einfluß von p53 und

Ki67 deutlich geringer ausfiel. Von einer adjuvanten Chemotherapie scheinen vorwiegend Patienten

mit prognostisch ungünstigen DNA-zytometrischen Parametern zu profitieren.

Diskussion: Die Ermittlung von Prognosefaktoren nach R0-Resektion von kolorektalen

Lebemetastasen ist angesichts hoher Rezidivraten von besonderer Bedeutung. Während klinisch

faßbare Parameter ungeeignet sind, können molekularbiologische Parameter wertvolle

Zusatzinformationen zur Abschätzung der postoperativen Prognose nach Resektion liefern.

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Neue Entwicklungen in der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie

07. Juli 1998

Neue Entwicklungen in der MR-Tomographie des Abdomens: MR-Urographie, MR-

Cholangiographie und abdominelle Gefäßdiagnostik

Dr. med. C. Nolte-Ernsting

Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen

Einleitung: Unter Verwendung moderner MR-tomographischer Untersuchungstechniken ist die

radiologische Diagnostik heute in der Lage, das pankreatiko-biliäre System, den Harntrakt und den

abdominellen Gefäßbaum nicht invasiv und ohne Strahlenbelastung für den Patienten darzustellen.

Methoden und Ergebnisse: Bei der MR-Cholangio-Pankreatikographie (MRCP) wird die

Flüssigkeit innerhalb der Gallenwege und des Pankreasganges signalreich dargestellt, ohne daß

hierzu eine Kontrastmittelgabe erforderlich ist. Für ein komplettes Übersichtsprojektionsbild muß

der Patient lediglich 2-3 sek den Atem anhalten. Ein Gallestau und eine

Pankreassekretabflußstörung lassen sich ebenso sicher diagnostizieren wie die Lokalisation der

Obstruktion durch einen Stein oder Tumor.

Bei einer MR-Urographie (MRU) verwenden wir für die Diagnostik der ableitenden Harnwege eine

rein flüssigkeitssensitive Darstellung in Kombination mit einer kontrastangehobenen Technik. Die

Dauer einer MRU entspricht der eines Röntgen-Ausscheidungsurogrammes. Der Hauptvorteil der

MRU besteht in der fast immer kompletten Abbildung der Ureteren in allen nur gewünschten

Projektionsebenen, einschließlich der überlagerungsfreien Darstellung der prävesikalen

Harnleiterabschnitte.

Die MR-Angiographie (MRA) ermöglicht nicht invasiv bei einmaliger peripher venöser Gabe eines

Kontrastmittels die selektive Darstellung der viszeralen Baucharterien, gefolgt von der Passage im

Pfortaderkreislauf und in der Vena cava inferior. Für die Untersuchungstechnik ist es erforderlich,

daß der Patient seinen Atem für 20-30 sek anhalten kann. Die Effizienz einer einmaligen

Kontrastmittelgabe läßt sich noch steigern, indem man z.B. eine MRA der Nierenarterien mit einer

anschließenden MRU kombiniert.

Schlußfolgerungen: Die moderne Bildgebung mittels MRCP, MRU und MRA ermöglicht eine

integrative radiologische Diagnostik des Abdomens und schafft neue Alternativwege zu

herkömmlichen und invasiven Diagnoseverfahren.

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Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik des akuten Schlaganfalls

Priv.-Doz. Dr. med. W. Reith

Lehr- und Forschungsgebiet Neuroradiologie der RWTH Aachen

Der akute Schlaganfall ist nach den Herz-Kreislauf- und den Tumorerkrankungen die dritthäufigste

Todesursache in den westlichen Industrienationen. Dem klinischen Bild des Schlaganfalls liegt in

ca. 80% eine zerebrale Ischämie, in etwa 15% eine zerebrale Blutung und in ca. 5-10% eine

Subarachnoidalblutung zugrunde. Die Diagnose einer intrazerebralen Blutung oder einer

Subarachnoidalblutung bietet seit Einführung der Computertomographie (CT) kaum Probleme. Bei

der akuten zerebralen Ischämie ist die Situation anders: In der therapeutisch entscheidenden

Frühphase der zerebralen Ischämie ist es bisher mit keinem klinisch einsetzbaren Imaging-

Verfahren möglich, nicht mehr perfundiertes, ischämisches Hirngewebe sicher abzugrenzen. Neue

MR-Techniken, die perfusions- und diffusionsgewichtete MRT können diese diagnostische Lücke

schließen.

Die perfusionsgewichtete MRT beruht darauf, daß die durch den Suszeptibilitätsabfall

hervorgerufene Signaländerung während der Passage eines Kontrastmittelbolus mit Hilfe einer Serie

von T2*-gewichteten GE-Bildern aufgezeichnet wird. Hämodynamische Parameter wie das

regionale zerebrale Blutvolumen (rCBV) und der regionale zerebrale Blutfluß (rCBF) können damit

erfaßt werden.

Die diffusionsgewichtete MRT mißt die regellose Bewegung von Wassermolekülen. Die Diffusion

kann durch den Diffusionskoeffizienten D quantifiziert werden. Der Diffusionskoeffizient D ist das

Maß der Verschiebung der Wassermoleküle pro Zeiteinheit. In der Frühphase der Ischämie kommt

es zu einer Verschiebung von Wasser aus dem Extrazellularraum in den Intrazellularraum, die zu

einer „Restriktion“ der Diffusion führt. In diffusionsgewichteten MR-Bildern ist es somit möglich

die Ischämie in der frühen Phase des „zytotoxischen“ Ödems darzustellen, d.h. innerhalb weniger

Minuten nach Eintreten klinischer Symptome.

Mit der perfusions- und diffusionsgewichteten MRT ist die frühzeitige Erkennung von

ischämischen Läsionen möglich. Beide Verfahren ergänzen sich in ihrer diagnostischen

Aussagefähigkeit und helfen, das ischämisch gefährdete, noch einer Therapie zugängliche

Hirngewebe, vom Infarktkern abzugrenzen.

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60

Echtzeit-Magnetresonanztomographie: Möglichkeiten der angiographischen Intervention

Dr. med. A. Bücker

Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) kommt im Gegensatz zum klassischen Verfahren der

Röntgendurchleuchtung gänzlich ohne die Anwendung ionisierender Strahlen aus. Bevor diese und

weitere Vorteile wie exzellenter Weichteilkontrast, multiplanare Bildgebungsmöglichkeiten und

Flußquantifizierungen für die Durchführung angiographischer Interventionen genutzt werden

können, müssen zunächst der MRT eigene Nachteile überwunden werden. Im Vergleich zur

Röntgendurchleuchtung benötigt die MRT wesentlich mehr Zeit für die Erstellung eines Bildes.

Eine spezielle Art der Datenakquisition der MRT ermöglicht eine Bildwiederholrate von bis zu 24

Bildern pro Sekunde. Hierbei wird die radiale Abtastung des k-Raums (im Rahmen der MRT

aufgenommener Rohdatensatz) mit der Rekonstruktionstechnik des gleitenden Fensters kombiniert.

Das Resultat ist ein kernspintomographischer Film, welcher einer Kombination aus klassischer

Durchleuchtungs- und Pfadfindertechnik entspricht. Das starke Magnetfeld, welches im Rahmen der

MRT zur Bilderzeugung genutzt wird, macht die Verwendung ferromagnetischer Materialien

unmöglich. Die Entwicklung dedizierter Katheter sowie MR-kompatibler Stents war notwendig, um

erste angiographische Eingriffe unter MR-Kontrolle vornehmen zu können. Katheter wurden mit

Dysprosiummarkierungen oder stromleitenden Kupferdrähten versehen, um sie im MR sichtbar zu

machen. Stents und Cavafilter wurden aus Nickel-Titan-Legierungen hergestellt, die keine

störenden Artefakte im MR-Bild hervorrufen. Die bisherigen Entwicklungen ermöglichen die

kernspintomographische Echtzeitüberwachung der Steuerung von Kathetern durch das Gefäßsystem

sowie die Plazierung von Cavafiltern und Stents. Es sind jedoch noch weitgehende Verbesserungen

erforderlich, bevor das theoretisch vorhandene Potential der MRT - wie die Darstellung von

Gefäßwänden und die Quantifizierung des Blutflusses - klinisch genutzt werden können.

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MR-gesteuerte interstitielle Kryotherapie: experimentelle Untersuchungen

Dr. med. J. Tacke

Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen

Kryotherapie ist ein in der Medizin erprobtes und bekanntes Ablationsverfahren, bei dem

unerwünschtes Gewebe durch lokal begrenzte und kurzzeitige Tiefkühlung irreversibel geschädigt

wird. Die Kontrolle der Eisausbreitung erfolgt bei oberflächennahen Läsionen visuell. Bei

interstitieller Anwendung tiefer gelegener Läsionen ist die Darstellung problematisch, da Ultraschall

und Computertomographie Eis unvollständig bzw. kontrastarm darstellen. Im Gegensatz dazu

erlaubt die Magnetresonanztomographie (MRT) eine vollständige und kontrastreiche Darstellung

der Eisformation, erfordert aufgrund des Magnetfeldes aber eine Kryotherapiesonde aus MR-

kompatiblen Materialien. In unseren Arbeiten erprobten wir eine experimentelle, in

Zusammenarbeit mit dem Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik entwickelte MR-

kompatible Kryotherapiesonde sowie deren Einsatz unter minimal-invasiven Bedingungen in in-

vitro und in-vivo Versuchen. In einem in-vitro Vergleich wurden Ultraschall und

Computertomographie als bildgebende Verfahren der Kryotherapie der

Magnetresonanztomographie gegenübergestellt. Bei vergleichbarer Größendarstellung der

Eisformation erwies sich die MRT im Eis/Gewebekontrast gegenüber den übrigen genannten

Verfahren als deutlich überlegen. Des weiteren wurde die perkutane, MR-gesteuerte Kryotherapie

an gesunden und tumortragenden Kaninchenlebern durchgeführt. Die Läsionen und Tumoren

wurden zeitlich verlaufskontrolliert und histologisch untersucht. Hierbei fand sich eine hohe

Übereinstimmung zwischen Ausdehnung der Eisformation im MRT und histologischer Nekrose.

Experimentelle Lebertumoren konnten auf diese Weise sicher abladiert werden.

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Biokompatibilität endovaskulärer Gefäßprothesen (Stents)

Dr. med. K. Schürmann

Klinik für Radiologische Diagnostik der RWTH Aachen

Einleitung: Die Verträglichkeit verschiedener endovaskulärer Prothesen wurde experimentell

anhand ihrer Offenheitsraten und ihrer induzierten Gewebereaktion vergleichend untersucht.

Methode: Verschiedene Prothesenmodelle wurden in vivo in einem Tiermodell am Schaf sowie in

vitro mittels Standard-Zytotoxizitätstests verglichen. Untersucht wurden einfache Metallstents

(Cragg, Memotherm, Palmaz, Strecker Nitinol, Wallstent, ZA) sowie Stentgrafts mit einem Überzug

aus einfachem oder heparinbeschichtetem Dacron (Cragg Endopro) oder einer normal- oder

niedrigporösen Innenauskleidung aus Polyurethan-Karbonat (Corvita).

Ergebnisse: Nicht-ummantelte Prothesen wiesen eine stärkere neointimale Hyperplasie und eine

geringere Offenheit als ummantelte Prothesen auf Die Dacron Stentgrafts führten zu einer

deutlichen Entzündungsreaktion, die bei dem heparinbeschichteten Stentgraft am ausgeprägtesten

war. Das Ausmaß der periprothetischen Entzündung korrelierte mit dem Grad der neointimalen

Hyperplasie. Der Strecker Nitinol-Stent zeigte eine stärkere Neointimabildung als der Wallstent.

Schlußfolgerung: Im vergleichenden Experiment sind die einfachen nicht-ummantelten

Metallstents den verwendeten Stentgrafts in ihrer Biokompatibilität überlegen.

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Habilitationsanwärter stellen sich vor

13. Oktober 1998

Stellenwert der zerebralen Mikrozirkulation bei der operativen Therapie intrakranieller

Aneurysmen: Experimentelle und klinische Evaluation mittels Laser Doppler Scanning

Imager

Dr. med. U. Spetzger

Neurochirurgische Klinik der RWTH Aachen

Die endovaskuläre Aneurysmabehandlung mittels Coilembolisation ist trotz erster Erfolge bisher

nicht die Therapie der Wahl bei zerebralen Aneurysmen. In eigenen experimentellen Studien fanden

wir eine Diskrepanz zwischen radiologisch komplettem und morphologisch inkomplettem

Aneurysmaverschluß. Daher ist der mikrochirurgische Clipverschluß weiterhin das gültige

Therapiekonzept. Die mikrochirurgische Behandlung zerebraler Aneurysmen birgt das Risiko der

operativen Schädigung von physiologischem Hirnparenchym, entweder in Form einer direkten

Traumatisierung des Hirngewebes oder durch eine vaskuläre Schädigung mit nachfolgender

Ischämie. Der operative Zugang zum Aneurysma erfolgt durch die mikrochirurgische Präparation

der Sylvischen Fissur unter Schonung der darin verlaufenden Gefäße und unter Zuhilfenahme von

Hirnspateln zur Retraktion. Zur Präparation des Aneurysmas werden häufig die zuführenden

Arterien temporär ausgeclipt und somit die nachgeschaltete Zirkulation unterbrochen.

Im klinischen sowie im experimentellen Teil der Arbeit werden der Einfluß des Spateldruckes und

der temporären Ischämie auf die Mikrozirkulation gemessen. Im Tierexperiment werden

verschiedene Druckwerte sowie zwei unterschiedliche Spatelformen verwendet. Hierfür ist ein

spezieller Hirnspatel entwickelt und weiter modifiziert worden. Effekte des Spateldruckes und der

temporären Ischämie werden durch ein standardisiertes Untersuchungsprotokoll mittels Laser

Doppler Scanning Imager sowie bildgebend mittels MRT und tierexperimentell auch morphologisch

durch die histopathologische Untersuchung des Gehirns evaluiert.

Zielsetzung der Untersuchungen ist es, die operative Morbidität der mikrochirurgischen

Aneurysmabehandlung in der Zukunft weiter zu reduzieren.

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Klinische Befunde und pathophysiologische Mechanismen der Myokardischämie bei

koronaren Muskelbrücken

Dr. med. E. R. Schwarz

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Als koronare Muskelbrücke bezeichnet man den intramuralen Verlauf einer epikardialen

Koronararterie. Diese als harmlose Normvariante bezeichnete - beim Menschen häufigste

angeborene - Koronaranomalie kann zu bedrohlichen Myokardischämien führen. Die Diagnose wird

koronarangiographisch als systolische Diameterreduktion ('milking effect') gestellt. Die

Symptomatik reicht von unspezifischen Symptomen bis zu typischer Angina pectoris und zum

Myokardinfarkt. Mithilfe einer Mikrotransducertechnik zeigen intrakoronare Doppler- und

Druckmessungen erhöhte Flußgeschwindigkeiten, überschießende intrakoronare Drücke und eine

eingeschränkte Koronarreserve als Hinweise für eine funktionelle Obstruktion innerhalb der

Muskelbrückensegmente. Quantitative koronarangiographische Analysen zeigen eine persistierende

diastolische Diameterreduktion. Kurzwirksame Beta-Rezeptorblockade und intrakoronare

Stentimplantation als therapeutische Alternative zur Bypassoperation bei symptomatischen

Patienten resultiert in einer Besserung der Symptome und einer Normalisierung der intrakoronaren

hämodynamischen Alterationen.

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Die Rolle granulozytärer Abwehrmechanismen bei Infektionen durch Streptococcus pyogenes

Dr. med. N. Schnitzler

Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen

Streptococcus pyogenes (Gruppe A-Streptokokken) besitzt eine Vielzahl von Toxinen und

Oberflächenmolekülen, die zu ihrer Virulenz beitragen. Dabei wird den M-Proteinen eine

wesentliche Rolle in der Vermittlung der Phagozytoseresistenz dieses Bakteriums zugesprochen.

Die Expression des M-Proteins ermöglicht den Streptokokken eine uneingeschränkte Vermehrung

im Blut. Dieser Umstand zeigt als beeindruckendstes Korrelat das klinische Bild des Puerperal-

Fiebers, welches ohne antibiotische Therapie kaum zu beherrschen ist. Im Gegensatz dazu zeigen

eher harmlose durch Streptococcus pyogenes bedingte Erkrankungen wie Pharyngitis und Impetigo

funktionierende Abwehrmechanismen des Körpers.

Die daraus abgeleitete Fragestellung lautet: Wie kann die Phagozytoseresistenz von S. pyogenes bei

eher harmlosen Infektionen überwunden werden?

Die vorgestellten Ergebnisse zeigen: Humane neutrophile Granulozyten werden durch eine

spezifische Bindung der I-Domäne ihrer LFA1-Moleküles aktiviert. Die Bindung des LFA1 an diese

Reaktionspartner führt zu einer deutlichen Steigerung der Expression des Mac-l-Moleküles.

Solchermaßen aktivierte Granulozyten sind in der Lage, M-Protein-exprimierende Streptococcus

pyogenes Zellen zu binden und zu phagozytieren.

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Erhalt motorischer Funktionen bei zerebralen und spinalen Operationen mittels

intraoperativer Motorkortexlokalisation und Monitoring der deszendierenden motorischen

Bahnsysteme

Dr. med. V. Rohde

Neurochirurgische Klinik der RWTH Aachen

Operationen im Bereich des Rückenmarks und des Motorkortex bergen das Risiko eines

postoperativen motorischen Defizits. Benötigt wird daher eine intraoperativ anwendbare

Technologie, die die Lokalisierung und Funktionsüberprüfung von Motorkortex und Pyramidenbahn

ermöglicht. Bei der repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTKMS) kommt es durch

Summationseffekte an den Pyramidenzellen zur Auslösung eines Muskelaktionspotetials (MAP). Es

wird die Hypothese aufgestellt, daß diese Summation inhibitorische Narkoseeinflüsse überwinden

kann, womit die rTKMS als Lokalisations- und Monitoringinstrument einsetzbar würde. Bei 24

Patienten ohne motorisches Defizit erfolgte die intraoperative rTKMS zur Bestimmung geeigneter

Stimulationsparameter und der Narkoseform. Es zeigte sich, daß nur bei Propofolnarkose und

Vierfachstimulation MAP ableitbar sind. Unter Anwendung dieser Narkose- und Stimulationsform

wurde bei 12 Patienten mit spinalen Tumoren die Wertigkeit der rTKMS als Monitoringinstrument

untersucht. Bei 3 Patienten wiesen intraoperative Potentialänderungen auf eine postoperative

Parese, bei 9 Patienten ein konstanter Potentialbefund auf einen unveränderten Motorstatus hin. Bei

5 Patienten mit zentralen Tumoren wurde die Wertigkeit der rTKMS zur intraoperativen

Motorkortexlokalisierung untersucht. Es ließ sich nachweisen, daß die elektrophysiologisch

definierte Lokalisation des Motorkortex stets mit der rahmenlos stereotaktisch bestimmten Position

korrelierte. Diese Daten bestätigen die Hypothese, daß die rTKMS inhibitorische Narkoseeinflüsse

überwinden kann und sich somit zur intraoperativen Lokalisierung und Funktionsüberprüfung von

Motorkortex und Pyramidenbahn eignet.

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Der Einsatz von Biomaterialien in der Bauchwand zur Reparation von Hernien

Dr. med. U. Klinge

Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik der RWTH Aachen

Das Vorliegen einer Bauchwandhernie, eine der häufigsten Krankheitsbilder in der Chirurgie,

bedeutet nicht nur eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, sondern stellt

darüber hinaus durch die Gefahr einer Inkarzeration eine permanente vitale Bedrohung für den

Patienten dar. Angesichts hoher Rezidivraten Mesh-freier Reparationstechniken kommt der

Verstärkung der Bauchwand mit alloplastischem Material, den sog. Meshes eine besondere

Bedeutung zu. Die damit verbundenen Nebenwirkungen wie z.B. eine erhöhte Rate lokaler

Wundkomplikationen, Schmerzen im Bereich des Implantates mit Bewegungseinschränkung der

Bauchwand sind Folge der großflächig implantierten großen Menge Fremdmaterials.

Durch die Entwicklung eines an die physiologischen Belastungen angepaßten leichtgewichtigen,

großporigen Meshes konnte im Vergleich zu bislang verfügbaren Mesh-Materialien die Menge

eingebrachten Materials deutlich reduziert werden. Tierexperimentell ist damit eine signifikante

Verbesserung der Bauchwandfunktion sowie eine deutliche Reduktion der perimplantären

Entzündungsreaktion verbunden. Die daraus resultierende verminderte Fibrose geht darüber hinaus

mit einer verminderten Schrumpfung des Implantates einher.

Der klinische Einsatz dieses ersten leichtgewichtigen, großporigen Meshes im Rahmen einer

prospektiven Studie bestätigt die günstigen tierexperimentellen Ergebnisse durch Reduktion der

Rate lokaler Wundkomplikationen sowie durch verminderte funktionelle Einschränkungen der

Bauchwand.

Die erste Analyse von explantierten Mesh-Proben bestätigen das Vorliegen einer auch nach Jahren

nachweisbaren permanenten entzündlichen Reaktion im Implantatlager und unterstreichen die

Forderung, nur so viel Material einzusetzen wie unumgänglich nötig ist und nur dann, insbesondere

bei jungen Patienten, wenn keine suffizienten Mesh-freien Alternativen vorhanden sind.

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Der Einfluß der Mundflora auf die Gesundheit - Odontogene Infektionen und mögliche

Nachweismethoden

Dr. rer. nat. G. Conrads

Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde in Kooperation mit dem

Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen

Die Stabilität der physiologischen Mundflora und die Integrität der Mundschleimhaut sind von

entscheidender Bedeutung für die Volksgesundheit. In der Bundesrepublik leiden etwa 80% aller

Erwachsenen an entzündlichen Veränderungen des Parodonts. Parodontale Infektionen sind für

mehr als 50% des Zahnverlustes verantwortlich. Sie stellen darüber hinaus eine wichtige

Eintrittspforte für lokale und systemische Infektionen (Organabszesse) dar und besitzen somit eine

Bedeutung für viele Bereiche der Medizin. Bundesweit liegen die durch Parodontalerkrankungen

verursachten Kosten bei etwa 10 Milliarden DM jährlich; die Kosten für die Behandlung

fortgeleiteter oder systemischer Infektionen (Mediastenitis, Organabszesse, Osteomyelitis) sind hier

noch nicht berücksichtigt.

Bei odontogenen Infektionen handelt es sich im allgemeinen um Mischinfektionen, was die

Anwendung konventioneller Verfahren, wie zum Beispiel Kulturverfahren oder Mikroskopie, zur

Aufklärung der Ätiologie und Pathogenese dieser Erkrankungen weitestgehend ausschließt. Erst mit

der Entwicklung molekularbiologischer Verfahren ist es in der neueren Zeit möglich geworden die

Zusammenhänge zwischen dem Infektionsprozeß und den beteiligten Bakterien aufzuklären. Im

Vortrag werden einige ausgewählte potentielle Pathogene der Mundhöhle vorgestellt, die klinische

Bedeutung beispielhaft aufgezeigt (Parodontitis, Aktinomykose) und Methoden zur Diagnostik bei

diesen Erkrankungsprozessen (DNA-Sonden, Polymerase-Kettenreaktion) vorgestellt.

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Neue Aspekte aus nuklearmedizinischer Diagnostik und Therapie

01. Dezember 1998

Lymphszintigraphie - Indikation und Ergebnisse

Priv.-Doz. Dr. med. R. Aurisch

Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin, Krankenhaus Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach

1. Diagnostik des Lymphödems: Die Differentialdiagnose zwischen physiologischen und

pathologischen Lymphdrainageverhältnissen der unteren Extremitäten ist mit Hilfe der qualitativen

und semiquantitativen Lymphszintigraphie sicher möglich, latente Lymphödeme können

identifiziert werden und die Unterscheidung zwischen primärem und sekundärem Lymphödem ist

mit Ausnahme der „gemeinsamen Endzustände“ mit ausreichender Sicherheit zu treffen.

Therapeutische Konzepte, prognostische Einschätzungen und Beurteilungen des Therapieerfolges

werden durch die Lymphszintigraphie unterstützt.

2. Die Lymphabstromszintigraphie: wird präoperativ und intraoperativ in der Melanom- und

Mammatumor-Chirurgie angewendet. Neben der Lokalisationsdiagnostik der Lymphbahnen (in

Vorbereitung der Kontinuitätsdissektion vor Melanom-Operationen) spielt vor allem die

Identifikation des/der Wächterlymphknoten („sentinel lymph node“) eine wesentliche Rolle. Eigene

Untersuchungen haben gezeigt, daß das Konzept der Wächterlymphknoten jedoch nicht kritiklos

übernommen werden sollte.

3. Lymphlecks (insbesondere des Ductus thoracicus) können nach oraler Applikation 1-123-

markierter langkettiger Fettsäuren als Aktivitätsaustritte während der Lymphpassage durch den

Ductus thoracicus sichtbar und lokalisierbar gemacht werden, wonach dann die gezielte chirurgische

Intervention erfolgen kann.

Die Lymphszintigraphie erbringt bei gezielter Indikationsstellung klinisch relevante Ergebnisse. Die

Grenzen der Methode müssen jedoch dem anfordernden Arzt bekannt sein, damit dieses

nuklearmedizinische Untersuchungsverfahren nicht durch unberechtigte Erwartungen überfordert

wird.

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PET mit einer Gammakamera („Molecular Coincidence Detection“) - Ergebnisse im

Vergleich zum Vollring-Scanner

Dr. med. M. Zimny

Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen

Ziel ist die Überprüfung physikalischer und patientenbezogener Parameter einer PET-fähigen

Doppelkopf-Gammakamera (DK-PET) im Vergleich zum Vollring-PET (V-PET) als

Referenzverfahren. In der ersten Phase wurden durch Phantommessungen Empfindlichkeit und

räumliches Auflösungsvermögen von DK-PET in der Basisversion im Vergleich zum V-PET

untersucht. Zusätzlich erfolgten Vergleichsuntersuchungen an 50 onkologischen Patienten. Die

Phantommessungen zeigen bei vergleichbarer räumlicher Auflösung (ca. 6 mm) eine geringere

Empfindlichkeit von DK-PET im Vergleich zu V-PET, bezogen auf Impulsausbeute (91

cps/KBq/ml/cm vs. 231cps/KBq/ml/cm) und Detektion simulierter Herdbefunde unterschiedlicher

Größe (1,6 cm vs. 1,0 cm). Die Patientenuntersuchungen ergeben konkordante Befunde zwischen

DK-PET und V-PET bei Herden ≥ 2 cm unabhängig von der Körperregion, in der Kopf/Halsregion

bei Herden ≥ 1,5 cm. Damit ist DK-PET zunächst zur differentialdiagnostischen Abklärung unklarer

Raumforderungen mit einer Mindestgröße von 1,5-2 cm für den klinischen Einsatz geeignet. Die

geringste Detektionsrate findet sich im Thorax (67 %) - erklärbar durch inhomogene, wechselnde

Schwächungsmdien. In der 2. Phase nach Implementierung einer Schwächungskorrektur zeichnet

sich für DK-PET eine Steigerung der Detektionsrate bei kleinen Herden, insbesondere auch im

Thorax ab (83 %). In der 3. Phase ist von DK-PET durch Modifikation der Akquisition (Totzeit-

und Streustrahlenkorrektur) sowie der Bildrekonstruktion (3D-Rebinning) eine weitere

Verbesserung zu erwarten.

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Therapiemonitoring maligner Lymphome mit Fluor-18-Fluordeoxyglukose und PET

Dr. med. U. Cremerius

Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen

Maligne Lymphome sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen (z.B. Immunozytome), durch die

Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit dem Glukoseanalogon Fluor-18-Fluordeoxyglukose

(FDG) darstellbar, da sie eine deutlich erhöhte Glukoseutilisation gegenüber Normalgeweben

aufweisen. Ein diagnostisches Problem bei der Behandlung maligner Lymphome stellt insbesondere

die Dignitätsbeurteilung von morphologischen Restbefunden nach Therapie dar, hier ist durch die

Computertomographie häufig keine zuverlässige Differezierung zwischen residualem aktivem

Tumorgewebe und Narbengewebe möglich.

Ziel unserer Arbeitsgruppe war es, die klinische Wertigkeit der FDG-PET zur Beurteilung des

posttherapeutischen Remissionsstatus von Lymphompatienten zu überprüfen. Hierzu wurden die

Erkrankungsverläufe von 85 Patienten retrospektiv analysiert, welche von August 1990 bis Juni

1997 mit FDG-PET untersucht wurden. Die Dauer der medianen Verlaufsbeobachtung betrug 15

Monate (2-72 Monate), währenddessen erlitten 29 Patienten ein Rezidiv und 19 verstarben. In einer

multivariaten Analyse erwiesen sich FDG-PET (p < 0,0001; relatives Risiko 13,9) und Serum-LDH

(p < 0,025; relatives Risiko 2,9) als signifikante unabhängige Prognosefaktoren zur Vorhersage des

progressionsfreien Überlebens und waren gegenüber anderen etablierten Faktoren (Stadium,

Rezidivstatus und Zahl applizierter Chemotherapieprotokolle) überlegen. Dies beweist den hohen

Stellenwert der FDG-PET zum Therapiemonitoring von Patienten mit malignen Lymphomen.

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Aktivierungsuntersuchungen mit PET vor Neurochirurgischen Eingriffen

Dr. med. M. Schreckenberger

Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen

Die Positronenemmissionstomographie (PET) mit 18F-Fluorodeoxyglukose (18-FDG) ermöglicht

die Erfassung der mit (senso)motorischen und kognitiven Prozessen assoziierten

neurometabolischen Vorgänge. Ziel unserer interdisziplinären Studie war die Etablierung und

klinische Evaluierung der Aktivierungs-PET im Rahmen der Operationsplanung intrakranieller

Raumforderungen, um mittels präoperativer Darstellung funktionell relevanter Hirnareale das

Risiko einer intraoperativen Schädigung dieser Regionen zu minimieren. 32 Patienten mit

intrakraniellen Raumforderungen unterschiedlicher Dignität (Gliome, Metastasen, Meningeome)

wurden in Abhängigkeit von Symptomatik und Tumorlokalisation entweder motorisch oder

sprachlich aktiviert und die aktivierten Hirnareale in den individuellen 3D-MRT-Datensatz des

Patienten projiziert (PET/MRT-Overlay). Die PET-Befunde wurden bei den motorisch aktivierten

Patienten mit dem Ergebnis der intraoperativen Elektrostimulation des Kortex verglichen. Hierbei

fand sich bei ca. 90 % der untersuchten Patienten eine Konkordanz von präoperativer PET und

intraoperativer Elektrostimulation. Die sprachaktivierten Patienten, die nicht intraoperativ stimuliert

wurden, wiesen in keinem Fall eine postoperative Aphasie auf. Zusammenfassend ermöglicht die

Aktivierungs-PET mit 18-FDG prächirurgisch die nicht-invasive genaue Abschätzung der

räumlichen Beziehung zwischen funktionell relevanten Kortexarealen und der Tumorregion.

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Ergebnisse der Radioiodtherapie bei Morbus Basedow

Priv.-Doz. Dr. med. O. Sabri

Klinik für Nuklearmedizin der RWTH Aachen

Bei den definitiven Behandlungsmethoden des Morbus Basedow (MB) werden im Rahmen von

prospektiven randomisierten Studien für die subtotale Thyreoidektomie Erfolgsraten von 92-97 %,

für die einzeitige Radioiodtherapie (RIT) hingegen Erfolgsraten von nur 70-80 % beschrieben. Da

eine simultan durchgeführte thyreostatische Behandlung Aufnahme (Uptake) und effektive

Halbwertszeit (HWZ) von 131I bei der RIT reduzieren kann, und andere Studien negative Effekte

auf die Erfolgsraten diskutieren, wurde eine empirische Erhöhung der verabreichten 131I-

Aktivitätsmenge vorgeschlagen, um die Erfolgsraten signifikant zu steigern. Es sollte daher der

Einfluß simultaner Thyreostase auf die Erfolgsrate der RIT des MB bestimmt werden, wenn auch

unter Thyreostase eine Energiedosis von 250 Gy an der Schilddrüse (SD) sichergestellt war. 207

Patienten mit MB (106 mit [TS] vs. 101 ohne [NTS] simultane Thyreostase zum Zeitpunkt der

RIT) wurden untersucht. Es wurden oral 716 ± 357 vs. 565 ± 233 MBq 131I (p < 0,0005) appliziert,

um eine vergleichbare Energiedosis (256 ± 94 vs. 252 ± 75 Gy) zu gewährleisten. Die signifikant

höhere Aktivitätsmenge bei den TS-Patienten war notwendig, um die signifikant niedrigeren

Uptake-(51 ± 15 vs. 58 ± 15, p < 0,005) und HWZ-(5,2 ± 1,1 vs. 5,8 ± 1,3, p < 0,005)-Werte

auszugleichen. Alle Patienten wurden 3, 6 und 12 Monate nach RIT kontrolliert. Als Therapieerfolg

wurde eine nach RIT auftretende Hypothereose gewertet, als Versager eine Rezidivhyperthyreose.

Die 101 NTS-Patienten zeigten eine signifikant höhere Erfolgsrate (n = 94 [93 %]) als die 106 TS-

Patienten (n = 52 [49 %]) (p < 0,000005). Stufenweise logistische Regression ergab, daß ein

Therapieerfolg nur in Beziehung zu simultaner Thyreostase (p < 0,00005) und erreichter

Energiedosis (p < 0,025), aber nicht zu fT3, fT4, TRAK oder SD-Volumen stand. Die Erfolgsrate

war 100 % bei NTS-Patienten, die mindestens 200 Gy erreichten. Bei 16 Patienten, deren

thyreostatische Medikation 1-3 Tage vor RIT abgesetzt wurde, konnte ebenfalls ein Therapieerfolg

in 94 % (15/16) erzielt werden. Simultane Thyreostase ist also der entscheidende Negativfaktor

gegen eine erfolgreiche RIT, selbst wenn reduzierte Uptake/HWZ-Werte unter Thyreostase durch

eine signifikant höhere 131I-Aktivitätsmenge ausgeglichen werden, um eine vergleichbare

Energiedosis zu gewährleisten. Wir empfehlen daher, soweit klinisch möglich, ein intermittierendes

Absetzen der Thyreostase mindestens 1 Tag vor Beginn der RIT, um auch bei einzeitiger RIT eine

der Thyreoidektomie vergleichbare Erfolgsrate zu erzielen.

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Vorhofflimmern - noch immer ein ungelöstes Problem

12. Januar 1999

Pathophysiologie des Vorhofflimmerns

Dr. med. Zarse

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Arrhythmie im Erwachsenenalter und seit langem

Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung. Erst neuere Untersuchungen an Tiermodellen

gaben jedoch weitgehende Einblicke in seinen Pathomechanismus. Zu Beginn dieses Jahrhunderts

formulierte Garey das Konzept der „kritischen Masse“, welche zur Aufrechterhaltung des VHF

notwendig ist. Untersuchungen an Hundevorhöfen, bei denen ein Vorhofohr mit Aconitin bestrichen

wurde, führten zur Unterscheidung von fokalem VHF und „echtem“ VHF, welches durch die

„multiple wavelet“ Theorie erklärt wird. Als funktioneller Mechanismus der Perpetuation des VHF

wurde der „leading circle reentry“ erkannt, dessen Kreislänge von Leitungsgeschwindigkeit und

Refraktärperiode abhängig ist. Der Begriff „Wellenlänge“ faßt diese elektrophysiologischen

Parameter zusammen. Tiermodelle chronischen VHF zeigen, daß die Wellenlänge kein fixer Wert

ist, sondern durch hochfrequente Stimulation oder Episoden von VHF gesenkt werden kann, was als

„elektrisches Remodeling“ bezeichnet wird. Auch atriale Dilatation führt zu elektrischem

Remodeling und anhaltendem VHF in einem von uns verwendeten Modell atrialer Dilatation am

Langendorff-perfundierten Kaninchenherzen. Aufgrund experimenteller Ergebnisse konnten neue

Methoden der operativen Katheterablation des VHF entwickelt werden.

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Antiarrhythmische Therapie: Rhythmisierung, Rezidivprophylaxe, Frequenzkontrolle

Dr. med. Th. Fetsch

Klinik für Kardiologie und Angiologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Vorhofflimmern stellt tatsächlich ein noch weitgehend ungelöstes Problem der Kardiologie dar. Die

aktuelle Diskussion beginnt mit der Definition der Erkrankung sowie der Evidenz der begleitenden

Symptomatik, schließt die Therapieindikation ein und endet mit der Art und Dauer der

Akuttherapie, der Langzeitbehandlung wie auch der Anzahl der Therapieversuche. Zu Beginn der

Behandlung muß die Indikation geklärt werden: Therapie der Symptome, der Arrhythmie selbst

oder Prophylaxe schwerwiegender Komplikationen (z.B. Embolien)? Danach folgt die

Entscheidung der primären Behandlungsstrategie - Rhythmisierung oder Frequenzkontrolle. Die

elektrische Kardioversion gilt heute als allgemein anerkannte Therapie der ersten Wahl zur

Konversion von Vorhofflimmern in Sinusrhythmus, jedoch sind Ausnahmen möglich. Die

Entscheidung zur Rhythmisierung bedingt in der Regel den zweiten Therapieschritt - die

Rezidivprophylaxe. Die Palette möglicher Antiarrhythmika ist groß, jedoch weisen alle die

potentielle Gefährdung des Patienten durch lebensbedrohliche proarrhythmische Wirkungen auf.

Die Auswahl der geeigneten Therapie muß daher die klinische Situation des einzelnen Patienten

berücksichtigen mit individueller Beurteilung von Nutzen und Risiko. Birgt die Rezidivprophylaxe

beim einzelnen Patienten zu große Risiken, so muß oftmals ganz auf die Rhythmisierung verzichtet

und statt dessen mit medikamentöser Frequenzkontrolle die Symptomatik therapiert werden. Ein

ähnliches Vorgehen bietet sich nach vorhergegangenen frustanen Rhythmisierungsversuchen an. Ob

die Dauer der Erkrankung und die Größe des linken Vorhofes Entscheidungshilfen für die Art der

Therapie darstellen, ist heute sehr umstritten. Dagegen belegen neuere Untersuchungen über atriales

Remodeling wieder den aus klinischer Erfahrung bekannten Wert der Kalzium-Antagonisten vor,

während und nach Rhythmisierung. Weiter strittig ist dagegen das in Deutschland gängige Konzept

der Digitalisierung.

Es bleibt zu hoffen, daß die Konzentration wissenschaftlicher Aktivitäten auf alle Aspekte des

Vorhofflimmerns in den nächsten Jahren zu einer wesentlichen Verbesserung der Therapiesicherheit

führen wird.

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Diagnostisches und therapeutisches Management vor/nach elektrischer bzw. medikamentöser

Kardioversion von Vorhofflimmern

Priv.-Doz. Dr. med. W. Jung, Dr. med. B. Lüderitz

Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik Bonn

Vorhofflimmern (AF) ist die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung im Erwachsenenalter. Bei

AF muß ab einer Dauer von 48 Stunden mit der Ausbildung von Thromben und daher mit einer

erhöhten Emboliegefahr im Zusammenhang mit einer Kardioversion gerechnet werden. Ein

Vergleich von unkontrollierten Studien zeigt, daß die Embolierate ohne Antikoagulation 5,3 % und

unter einer Blutverdünnung nur 0,8 % beträgt. Die derzeitigen allgemein akzeptierten Richtlinien

empfehlen eine Vorbehandlung mit Antikoagulantien über mindestens 3 Wochen und im Anschluß

an die Kardioversion eine 4-wöchige Nachbehandlung. Bei nichtvalvulärem AF sollte ein INR-

Zielwert zwischen 2 und 3 eingehalten werden. Die Rationale für die antikoagulatorische

Vorbehandlung begründet sich auf der Tatsache, daß innerhalb von 3-4 Wochen die meisten

Thromben aufgelöst werden können.

Ein alternatives Vorgehen zur konventionellen Antikoagulation stellt der Einsatz der

transösophagealen Echokardiographie (TEE) zum Ausschluß von intrakardialen Thromben dar.

Manning und Mitarbeiter konnten in einer Studie bei 94 Patienten zeigen, daß bei Ausschluß eines

Thrombus mit Hilfe des TEE kein Patient eine Thromboembolie nach Kardioversion entwickelte.

Diese initial sehr ermutigenden Ergebnisse konnten in weiteren Untersuchungen jedoch nicht

bestätigt werden. Die Analyse von mehreren Studien bei 712 Patienten zeigte, daß trotz Ausschluß

eines Thrombus im TEE immerhin 17 Patienten ein thrombolisches Ereignis innerhalb von 2-7

Tagen nach Kardioversion aufwiesen.

Als thromboembolische Marker wurden folgende Parameter identifiziert: atriale Kontraktion,

Spontanechos, Vorhofohrflußgeschwindigkeiten. Mehrere Studien zeigten, daß nach Kardioversion

ene Zunahme der Spontanechos und eine Abnahme der Vorhofohrflußgeschwindigkeiten von

unterschiedlicher Ausprägung eintritt. Dieses thrombogene Milieu, das mechanisch induzierte

atriale stunning, wird weder durch die Art und Weise der medikamentösen oder elektrischen

Therapie, sondern durch die Dauer des AF determiniert.

Eine große laufende multizentrische Studie an etwa 6000 Patienten wird beweisen, welches

Verfahren zur Prävention thromboembolischer Komplikationen besser geeignet ist, das

konventionelle antikoagulatorische Vorgehen oder der Einatz der TEE.

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Vorhofflimmern und Antikoagulation

Dr. med. Ch. Stellbrink

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Neben der antiarrhythmischen Therapie bei Vorhofflimmern (VHF) kommt der richtigen

Indikationsstellung zur Antikoagulation eine entscheidende Bedeutung zu. Denn Morbidität und

Mortalität bei VHF werden entscheidend durch embolische Komplikationen bestimmt: Das Risiko

von Thromboembolien ist bei nicht-rheumatisch bedingten VHF 5,6-fach, bei VHF auf dem Boden

eines rheumatischen Herzklappenfehlers 17,6-fach erhöht. Etwa 75 % aller Thromboembolien

betreffen zudem das cerebrale Stromgebiet. Daher ist verständlich, daß 6-24 % aller Schlaganfälle

auf eine kardiale Embolie bei VHF zurückgeführt werden. Die Indikation zur Antikoagulation ist

abhängig von Risikofaktoren für systemische Embolien. Bekannte Risikofaktoren sind:

rheumatische Klappenfehler, linksventrikuläre Dysfunktion bzw. Herzinsuffizienz, vergrößerter

linker Vorhof bzw. linksatrialer Thrombus, arterielle Hypertonie, stattgehabte Embolien, Zustand

nach Myokardinfarkt, Diabetes mellitus sowie Alter > 65 Jahre. Zur Primär- und

Sekundärprophylaxe thromboembolischer Ereignisse bei nicht-valvulärem VHF sind in den letzten

Jahren mehrere Studien publiziert worden. Eine Meta-Analyse dieser Studien belegte eine Senkung

des jährlichen Risikos für einen cerebralen Insult um 68 % unter Gabe von Cumarinderivaten. Die

Antikoagulation sollte mittels der INR („International normalized ratio“) kontrolliert werden, die

auf Grund der besseren Standardisierung dem „Quick“-Wert vorzuziehen ist. Der INR-Wert sollte

bei nicht-valvulärem VHF bei 2,0-3,0 liegen, um das Risiko sowohl embolischer als auch

hämorrhagischer Komplikationen zu minimieren. Bei valvulär bedingtem VHF ist eine höhere

Atikoagulantiendosis erforderlich (INR 3,0-4,0). Der Stellenwert der Acetylsalicylsäure (ASS) zur

Embolieprophylaxe ist nicht endgültig gesichert, da nicht alle Studien eine Senkung der Ereignisrate

unter ASS zeigen konnten. Da die Substanz dem Warfarin unterlegen ist, ist ASS lediglich induziert

bei 1) prinzipieller Indikation zur Antikoagulatin, aber auch vorhandenen Kontraindukationen gegen

Cumarinderivate und 2) jungen Patienten (< 60 Jahre) ohne Risikofaktor für Embolien. In der

zweiten Gruppe ist jedoch auch der völlige Verzicht auf eine Antikoagulation gerechtfertigt, da das

Risiko eines Insults in dieser Gruppe sehr niedrig ist.

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Schrittmachertherapie bei Vorhofflimmern

Dr. med. Diem

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Die klassische Indikation für den Einsatz von Schrittmachern bei Vorhofflimmern ist die

Bradyarrythmia absoluta. Diese macht etwa 19 % aller Schrittmacher-Indikationen aus. Beim

Bradykardie-Tachykardie-Syndrom, das in die Gruppe der Sinusknotendysfunktionen gehört, konnte

gezeigt werden, daß vorhofgesteuerte Schrittmachersysteme im Vergleich zu rein ventrikulären

Systemen die Inzidenz von Vorhofflimmern, das Risiko thrombembolischer Ereignisse und die

Mortalität senken können. Solange es keinen kurativen Ansatz in der Therapie des Vorhofflimmerns

gibt, ist eine palliative Option vor allem bei Patienten mit therapierefraktärem, tachykardem

Vorhofflimmern die His-Bündel-Ablation mit konsekutiver Implantation eines Schrittmachers.

Moderne Schrittmachersysteme ermöglichen den automatischen Moduswechsel vom

vorhofgesteuerten in den DDI-Modus bei Auftreten von Vorhofflimmer-Episoden.

Akutelle Studien weisen auf einen möglichen Nutzen der Schrittmachertherapie in der Prävention

von Vorhofflimmern hin. So hat man insbesondere bei Patienten mit verlängerten intraatrialen

Leitungszeiten der biatrialen Stimulation eine protektive Wirkung hinsichtlich der Entstehung von

Vorhofflimmern beobachtet. Auch die uniatriale Stimulation könnte möglicherweise die Häufigkeit

von Vorhofflimmer-Episoden reduzieren, wobei spezielle Stimulationsalgorithmen und der

Stimulationsort (z.B. Vorhofseptum) eine Rolle zu spielen scheinen. Zur präventiven Stimulation

bei Vorhofflimmern gibt es bisher jedoch wenig gesicherte Daten.

Der implantierbare Atrioverter ermöglicht neben der intrakardialen Kardioversion auch die

Überstimulation von Vorhofflimmern in der Entstehungsphase.

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Sterbebegleitung, Sterbehilfe. Aktuelle Aspekte zu Medizin, Ethik und Recht.

02. Februar 1999

Therapiebegrenzung und Therapieabbruch. Ethische und rechtliche Aspekte.

Priv.-Doz. Dr. rer. soc., Dr. med. habil. S. Reiter-Theil, Dipl.-Psych.

Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin, Universitätsklinikum Freiburg

Der Themenschwerpunkt Therapiebegrenzung und Therapieabbruch oder der passiven

Sterbehilfe wirft schwierige und teilweise ungelöste Fragen auf, die eine interdisziplinäre

Untersuchung erfordern.

In der praktisch-klinischen Medizinethik sind wir im Alltag häufig mit Problemen konfrontiert, den

authentischen Willen des Patienten in der Entscheidungssituation zu ermitteln und dabei das Wohl

des Patienten im Auge zu behalten. Dies gilt besonders in Situationen, in denen der Patient akut

oder vital gefährdet und dabei nicht entscheidungsfähig ist, wie das zum Beispiel häufig in der

internistischen Intensivmedizin zutrifft. Deshalb kommt den Versuchen, den Patientenwillen im

voraus zu dokumentieren oder für eine angemessene Substituierung durch Personen seines

Vertrauens zu sorgen, große Bedeutung zu.

Die aktuellen Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (1998) haben der

Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht neuerdings - gegenüber den älteren einschlägigen

Richtlinien der BÄK (1993 und 1997) - einen höheren Stellenwert eingeräumt. Diese Optionen der

Willensdokumentation oder -vertretung werden ausdrücklich als wichtige Hilfestellungen für die

Entscheidungsfindung gewürdigt.

Am Freiburger Universitätsklinikum werden im Rahmen des 1996 gegründeten Zentrums für Ethik

und Recht in der Medizin (ZERM) Ethik-Konsile angeboten und durchgeführt, die die

Entscheidungsfindung in kritischen Situationen erleichtern sollen. Ein Fallbeispiel zeigt, welche

Schwierigkeiten im einzelnen bestehen und worin die praktische und ethische Bedeutung einer

Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht liegt.

Ein weiteres Beispiel zur Veranschaulichung der vielschichtigen Probleme in der Betreuung von

Patienten am Lebensende stellt das Betreuungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am

Main zum "Behandlungsabbruch durch Einstellung der Sondenernährung" dar. Beide Beispiele

dokumentieren. welch nachhaltige Probleme gerade bei nicht kommunikationsfähigen Patienten

bezüglich der Behandlungsführung, der Fortsetzung oder Einschränkung, und erst recht der

Beendigung einer Therapie bestehen.

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80

Kaum jemand - von leidenschaftlichen Juristen abgesehen - wird das Gerichtsverfahren als einen

"Königsweg" für die Lösung von Problemen der Entscheidungsfindung zur Behandlung am

Lebensende ansehen. Auch bei besten Voraussetzungen aller Beteiligten, einschließlich der Juristen,

tendieren Gerichtsverfahren dazu, langwierig und aufwendig zu werden, vor allem aber bringen sie

eine Fülle von juristischen Detailfragen und zusätzlichen Problemen hervor, die für den

Nichtspezialisten kaum mehr nachzuvollziehen sind.

Als weitere Kandidaten für "Königswege" der Problemlösung werden empfohlen: 1. die

Entscheidung durch den kompetenten Arzt im Sinne des traditionellen Paternalismus und 2. die

Entscheidung durch den kompetenten Patienten. Ethisch, rechtlich und praktisch müssen diese

beiden Wege aber vielmehr als Komponenten in ein vernünftiges Ergänzungsverhältnis zueinander

gebracht werden. Dieses Ergänzungsverhältnis zu finden, besonders in Situationen, in denen der

Patient selbst nicht an der Beratung teilnehmen kann, ist eine der Herausforderungen der heutigen

Medizin.

Auf diesem Hintergrund wird für die Einrichtung von Ethik-Konsilen in Krankenhäusern nach dem

Freiburger Modell plädiert. Das Ethik-Konsil kann dazu beitragen, in dem hier zur Diskussion

stehenden Problemkreis der Behandlungsbegrenzung im weitesten Sinn (1.) den Patientenwillen

sorgfältig und unvoreingenommen zu ermitteln und (2.) mit dem Wohl des Patienten

auszubalancieren. Das Ethik-Konsil stellt (3.) auch eine nicht zu unterschätzende Hilfe für die

ärztlichen Entscheidungsträger dar, wenn sie aktuell oder in der Folge von Maßnahmen bzw. deren

Unterlassung argumentative Stützung brauchen. Im Hinblick auf gerichtliche Verfahren sollten die

Ergebnisse des Ethik-Konsils auch dokumentiert werden. Die Empfehlung lautet dabei keineswegs,

daß das Ethik-Konsil uns von den genannten Problemen "befreien" wird, sondern vielmehr, daß die

transparente und ethisch informierte Reflexion in einer kompetenten Runde manche schwierigen

Entscheidungen erleichtern und für die Betroffenen wie auch die Beteiligten eine Hilfe sein kann.

Über die konkreten Möglichkeiten der praktischen Durchführung - Zugang, Setting, Methode,

Kompetenz und Qualitätssicherung - gibt es inzwischen auch im deutschsprachigen Raum einen

überregionalen Diskurs und Erfahrungen der beteiligten lokalen Arbeitsgruppen (nähere

Informationen bei der Autorin).

Literatur

• Reiter-Theil S, Hiddemann W (1999) Ethik in der Medizin. Bedarf und Formen. Internist 40:

246-254

• Reiter-Theil S (1998) Therapiebegrenzung und Sterben im Gespräch zwischen Arzt und Patient.

Ein integratives Modell für ein vernachlässigtes Problem. Ethik Med 10: 74-90

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• Reiter-Theil S (1998) Medizinethische und rechtliche Aspekte der Patienten-Verfügung:

Kontroverse und Empfehlungen. Krankenhaus und Recht 5: 17-24

Anschrift

Priv.-Doz. Dr. S. Reiter-Theil

Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin

Universitätsklinikum Freiburg

Elsässer Str. 2m, 1a

79110 Freiburg

Tel.: 0761/270-7267/6

Fax: 0761/270-7268

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Habilitationsanwärter stellen sich vor

09. Februar 1999

Konventionell fraktionierte Strahlentherapie des Glioblastoma multiforme

Dr. med. U. M. Schleicher

Klinik für Strahlentherapie der RWTH Aachen

Das Glioblastoma multiforme, mit 50-60 % häufigster maligner Hirntumor des Erwachsenen,

zeichnet sich durch die extrem schlechte Prognose aus. So liegt nach Literaturangaben die mediane

Überlebenszeit nach alleiniger Operation des Tumor bei 17,5 Wochen und kann durch eine

postoperative adjuvante Strahlentherapie auf 37,5 Wochen gesteigert werden. Das Bestreben aller

an der Behandlung Beteiligter ist es, durch Modifikation der Behandlungsmodi die Prognose zu

verbessern. Seitens der Strahlentherapie bestehen diese Modifikationen in einer Dosiserhöhung

durch Boosttechniken mittels intraoperativer Bestrahlung, Stereotaxie oder Brachytherapie und in

Veränderungen der Fraktionierung. Die Beurteilung der Effektivität solcher Behandlungsschemata

bedarf wegen der damit verbundenen höheren Belastung für den Patienten des Vergleiches mit den

Ergebnissen der konventionellen Therapie.

In den Jahren 1990 bis 1996 wurden in der Klinik für Strahlentherapie 145 Patienten mit

histologisch gesichertem Glioblastom postoperativ bestrahlt. Die mediane Überlebenszeit der

Patienten lag bei einem Jahr (Mittelwert 19 Monate), die Zeit bis zur radiologischen Diagnose eines

Tumorrezidivs betrug im Median 170 Tage (Mittelwert 238 Tage). Die Analyse der

Überlebensdaten ergab keinen signifikanten Einfluß von Tumorgröße, Resektionsausmaß, und

Chemotherapie, sondern nur für das Patientenalter und die Bestrahlungsdosis (höher oder geringer

als 48 Gy Zielvolumendosis). Diese Ergebnisse liegen im Rahmen der hyperfraktionierten und

CHART - Schemata, so daß wir derzeit bei besserer Praktikabilität und Verträglichkeit keine

Notwendigkeit zu einer Umstellung der strahlentherapeutischen Technik sehen.

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Das persistierende Foramen ovale: Klinische Bedeutung, Diagnostik und therapeutische

Alternativen

Dr. med. A. Franke

Medizinische Klinik I der RWTH Aachen

Das persistierende Foramen ovale (PFO) hat mit ca. 30% eine hohe Prävalenz in der

Gesamtbevölkerung. In den vergangenen Jahren wurde zunehmend seine Bedeutung als potentieller

Weg gekreuzter Embolien insbesondere bei jüngeren Patienten mit einem embolischen cerebralen

Ereignis erkannt und daher nach zuverlässigen Methoden der Diagnostik und Therapie gesucht. In

der Diagnostik des PFO sind sonographische Verfahren (transthorakale und transösophageale

Echokardiographie, transcranielle Doppler-Sonographie) die Methode der Wahl. Neuere technische

Entwicklungen (das sog. Harmonic Imaging) ermöglichen es, die bisherige semi-invasive

transösophageale z.T. durch die weniger unangenehme und aufwendige transthorakale

Untersuchung ohne einen Verlust an Sensitivität zu ersetzen.

Therapeutische Alternativen sind die medikamentöse Therapie

(Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation) und interventionelle Verfahren

(Chirurgischer Verschluß am offenen Herzen oder katheterinterventioneller Verschluß). Bei der

Entscheidung müssen die Risiken des Spontanverlaufes ebenso wie die Embolierisiken und

Komplikationsraten der verschiedenen Therapieformen diskutiert und abgewogen werden.

Insbesondere der erst in den vergangenen Jahren entwickelte Ansatz des katheterinterventionellen

Verschlusses bietet einen guten Kompromiß zwischen den Risiken der Therapie und der Rezidiv-

Embolie.

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Pathophysiologie des Syndroms der polyzystischen Ovarien

Dr. med. K. Grunwald

Frauenklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der RWTH Aachen

Das Syndrom der polyzystischen Ovarien (früher Stein-Leventhal-Syndrom, PCO-Syndrom) ist die

Folge von heterogenen Störungen, die letzlich eine Veränderung des intraovariellen Androgen-

Östrogen-Gleichgewichtes bewirken. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Formen des PCO-

Syndroms die ovarielle Hyperandrogenämie mit mehr oder weniger ausgeprägter Zystenbildung

eines oder beider Ovarien. Ursachen können hypothalamisch/hypophysäre, ovarielle, adrenale und

extragonadale Störungen sein, wobei insbesondere die Hyperinsulinämie als Folge einer bei etwa

der Hälfte dieser Patientinnen zu beobachtenden Insulinresistenz zu nennen ist. Die Konsequenzen

für betroffene Patientinnen umfassen neben der Sterilität und den kutanen Symptomen - wie

Hirsutismus und Akne - auch allgemeine Gesundheitsrisiken. So besteht ein erhöhtes Risiko ein

Endometriumkarzinom zu entwicklen. Weiterhin stellen sowohl die Hyperandrogenämie als auch

die Hyperinsulinämie Risikofaktoren für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen dar. Die

Sterilitätstherapie bei Patientinnen mit einem PCO-Syndrom ist mit einem hohen Risko der

Überstimulation und der Entstehung höhergradiger Mehrlingsgraviditäten assoziiert; zusätzlich

besteht in der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes und eine

Praeeklampsie.

Nach der ersten Beschreibung zystischer Ovarien durch Chereau im Jahre 1844 erschien 1935 die

klassische Arbeit von Stein und Leventhal, in der die Symptomkombination Adipositas, Sterilität

und vergrößerte, polyzystische Ovarien als Syndrom zusammengefaßt wurde.

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Die Apoptose-Kaskade: nur ein programmierter Weg in den Zelltod oder auch

Differenzierungsvoraussetzung?

Dr. rer. nat. B. Huppertz

Institut für Anatomie der RWTH Aachen

Der Prozeß der Apoptose spielt sowohl in der Embryonalentwicklung als auch in der Homöostase

adulter Gewebe eine lebenserhaltende Rolle. Am Epithel von Placentazotten - einem Gewebe, das

schon während seiner Entwicklung sein komplettes Spektrum an Funktionen ausüben muß - soll das

enge Zusammenspiel zwischen Apoptose und Differenzierung aufgezeigt werden. Die

Differenzierung des Zottenepithels, des Trophoblasten, startet mit den proliferativen Stammzellen,

die nach syncytialer Fusion als Stoffwechselbarriere zwischen Mutter und Fetus den

Syncytiotrophoblasten bilden. Dieser wird durch kontinuierliche Fusion mit seinen Stammzellen

funktionstüchtig gehalten.

Methoden: Immunhistochemie mit Antikörpern gegen 20 an der Apoptose beteiligte Proteine;

Enzymhistochemie an Zottenexplantaten und Einzelzellen; Elektronenmikroskopie; Isolierung und

Kultur von Trophoblaststammzellen sowie Syncytiotrophoblastfragmenten.

Die Befunde ergeben, daß die für frühe Apoptosestadien typischen Initiator-Caspasen bereits in den

Stammzellen, nach Ausscheren aus dem Zellzyklus, aktiviert werden und den Phosphatidylserin-

Flip als Voraussetzung für die syncytiale Fusion induzieren. Nach der Fusion wird die Aktivierung

der Exekutions-Caspasen für 2-3 Wochen durch Translation von Bcl-2 und Mcl-1 gehemmt, bevor

die Apoptose fokal im Syncytiotrophoblasten fortschreitet und mit Extrusion der apoptotischen

Kerne abgeschlossen wird. Apoptose-Kaskade und Trophoblastdifferenzierung sind offenbar fest

aneinander gekoppelt.

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Korrelation dopplersonographischer Befunde während der Schwangerschaft mit Befunden

der Blutgefässanatomie der geborenen Plazenta

Dr. med. H. Jörn

Frauenklinik der RWTH Aachen

Einleitung: Bei einem Viertel der Patientinnen sind dopplersonographische Flußdifferenzen von

mehr als 20% zwischen den Nabelarterien nachweisbar. Inwieweit Entwicklungsunterschiede der

Nabelarterien differente dopplersonographische Befunde erklären können und ob diese

Unterschiede durch die Hyrtl'sche Anastomose ausgeglichen werden können, war Ziel unserer

Studie.

Methoden: Im farbcodierten Dopplerverfahren werden beide Nabelarterien in der Mitte der

Nabelschnur an gleicher Stelle und in gleichem Winkel untersucht. Ein erhöhter peripherer

Widerstand wird durch eine Verminderung, Verlust oder Umkehr enddiastolischer Flußmuster

angezeigt. Direkt postpartal werden die Nabelschnurgefäße punktiert und mit heparinhaltiger

Lösung perfundiert. Die Darstellung der Nabelschnurgefäße und ihrer Aufzweigungen erfolgt mit

Methylmethacrylat-Farbstoffen.

Resultate: Entwicklungsunterschiede der Nabelarterien mit ungleichen plazentaren

Versorgungsgebieten (2:1) fanden sich in 10 von 15 Fällen. In 3 von 15 Fällen fehlte die Hyrtl'sche

Anastomose (2 Fälle von Entwicklungsdiskrepanz).

Schlußfolgerungen: Die dopplersonographischen Flußdifferenzen zwischen den beiden

Nabelarterien können durch Entwicklungsunterschiede der Nabelarterien erklärt werden. Klinisch

aussagekräftige Ergebnisse erfordern die Untersuchung beider Nabelarterien.

Page 92: MEDIZINISCHE GESELLSCHAFT AACHENsylvester.bth.rwth-aachen.de/dokumente/1999/001/99_001.pdf · Orthopädische Klinik der RWTH Aachen Die Lyme-Arthritis, orthopädisch-rheumatologische

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Spezifität und Redundanz der Zytokinwirkung: Aktivierung des Signaltransduktors gp130

durch Interleukin-6 und verwandte Zytokine

Dr. med. G. Müller-Newen

Institut für Biochemie der RWTH Aachen

Zytokine und ihre Rezeptoren sind an der interzellulären Kommunikation während

inflammatorischer Vorgänge maßgeblich beteiligt. Das membranständige Glykoprotein gp130 spielt

hierbei eine zentrale Rolle, da es den sogenannten IL-6-Typ Zytokinen (Interleukin-6 (IL-6),

Interleukin-11 (IL-11), leukemia inhibitory factor (LIF), ciliary neurotrophic factor (CNTF),

Oncostatin M (OSM) und Cardiotrophin-1 (CT-1)) als gemeinsame signaltransduzierende

Rezeptoruntereinheit dient.

Gp130 gehört wie der Wachstumshormon-Rezeptor, der Erythropoetin-Rezeptor oder der Leptin-

Rezeptor zur Familie der hämatopoetischen Rezeptoren (auch bekannt als Klasse I

Zytokinrezeptoren). Die extazelluläre Region dieser Rezeptoren zeichnet sich durch die Gegenwart

von mindestens einem cytokine-binding module (CBM) aus. Das CBM besteht aus zwei

Fibronektin-TypIII-ähnlichen Domänen. Die N-terminale Domäne ist durch vier konservierte

Cysteinreste gekennzeichnet, die C-terminale Domäne weist ein WSXWS-Motiv auf. Gp130 zeigt

darüberhinaus im Vergleich zu anderen Rezeptoren dieser Familie einen komplexeren Aufbau der

Ektodomäne. Die funktionelle Bedeutung der Domänenstruktur der gp130 Ektodomäne wurde

hinsichtlich Ligandenbindung und Rezeptoraktivierung im molekularen Detail analysiert. Während

der Modus der Ligandenbindung über das membrandistale CBM innerhalb der Rezeptorfamilie

weitestgehend konserviert ist, sind die membranproximalen Domänen von essentieller Bedeutung

für die Rezeptoraktivierung. Es wird ein neuartiger Aktivierungsmechanismus für die komplexeren

Zytokinrezeptoren diskutiert.