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Das Magazin für Architektur & Design 4 190317 610507 05 AUSGABE 5| 2018 OKTOBER | NOVEMBER DEUTSCHLAND 10,50 EURO | ÖSTERREICH 11 EURO | SCHWEIZ 17, 50 SFR | LUXEMBURG 12, 20 EURO | ITALIEN 13 EURO | SPANIEN 13 EURO SCHMUCKSTÜCK OHNE SCHNÖRKEL: FINCA AUF MALLORCA KLASSISCH MODERN: WEISSE VILLA AN DER COSTA BRAVA DIE LANDSCHAFT IM BLICK: FERIENHAUS AM AMMERSEE ZU JEDEM HAUS: PLANMATERIAL, GRUND RISSE UND DETAILS MEHR WOHNLICHKEIT MATERIALIEN, FARBEN, PROPORTIONEN WIE AUS ARCHITEKTUR EIN ZUHAUSE WIRD NEUE KÜCHEN: Möbel, Trends & schlaue Technik

MEHR WOHNLICHKEIT · 2018. 10. 17. · würfen der Architekten, Sofa „Conseta“ von F.-W. Möller: Cor, Sofa: Rolf Benz, Stehleuchte „cpl“ von Christian Plode-rer: Prandina,

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  • Das Magazin für Architektur & Design

    4190317

    61050705

    AUSGABE 5| 2018 OKTOBER | NOVEMBER DEUTSCHLAND 10,50 EURO | ÖSTE R R E ICH 11 E U RO | SCHWE I Z 17 ,50 SFR | LUXE M B U RG 12 ,20 E U RO | ITALI E N 13 E U RO | SPAN I E N 13 E U RO

    SCHMUCKSTÜCK OHNE SCHNÖRKEL: FINCA AUF MALLORCA

    KLASSISCH MODERN:WEISSE VILLA AN DER COSTA BRAVA

    DIE LANDSCHAFT IM BLICK: FERIENHAUS AM AMMERSEE

    ZU JEDEM H

    AUS:

    PLAN MATE

    RIAL,

    GRUND RISS

    E

    UND DETAIL

    S

    MEHR WOHNLICHKEITMATE R IALI E N, FAR B E N, PROPORTION E N – W I E AUS

    ARCH ITE KTU R E I N Z U HAUS E WI R D

    NEUE KÜCHEN: Möbel, Trends & schlaue Technik

  • Tragfähig: Vor allem die Holzkonstruktion zählt zu den authentischen Denk mal-attributen, da die Außen-wände des Bauernhauses im Laufe der Zeit immer wieder verändert worden waren. Die neuen großen Öffnungen der Südfassade und der verglaste Dach-überstand leiten reichlich Tageslicht in die Tiefe des offenen Wohnraums.

    38 HÄUSER 2018 N° 5

    TITELTHEMA BESONDERS WOHNLICH

  • DAS BESTE AUS ZWEI WELTENBeim Umbau e ines n ieder länd ischen Langgiebe lgehöf ts in e in komfor t ab les Wohnhaus setz ten Hi lber inkbosch Arch i tecten auf den Kont rast bewähr ter Formen und neuer Mater ia l ien

    T E X T: WOL F G A NG B AC H M A N N | F O T O S: I NG A P OW I L L E I T + R E N É DE W I T

    39N° 5 2018 HÄUSER

  • 40 HÄUSER 2018 N° 5

  • Standhaft: Die alten, aus-gebesserten Holzpfosten finden auf neuen Funda-menten Halt. Der Fernseh-bereich (Foto linke Seite) wurde abgesenkt und liegt in der Gebäudemitte. Das neue Dach öffneten die Architekten zum Teil bis zum First. Durch die zusätzliche Dämmung durfte es ein wenig höher als das ehe-malige gebaut werden.

    „DIE BAUHERREN WOLLTEN URSPRÜNGLICH EIN

    MODERNES HAUS BAUEN“ Annemariken Hilberink

    41N° 5 2018 HÄUSER

    TITELTHEMA BESONDERS WOHNLICH

  • 42 HÄUSER 2018 N° 5

  • Anheimelnd: Die Küche und der Essbereich liegen im Osten des Hauses. Die niedrige Decke vermittelt Geborgenheit, der helle Anstrich sorgt dafür, dass sie nicht beengt. Der neu trale Ausbau inszeniert das historisch Vorgefundene, nähert sich aber im Detail mit einer Klöntür oder einem Stalltor spielerisch der konkreten Bauaufgabe.

    „WIR KONNTEN ZUM GLÜCK EINEN GROSSTEIL

    DER SUBSTANZ ERHALTEN“ Annemariken Hilberink

    43N° 5 2018 HÄUSER

    TITELTHEMA BESONDERS WOHNLICH

  • s ist nicht die erste scheune, die die Niederländer Hilberinkbosch Architecten für eine Wohn- oder Gewerbenutzung umgebaut haben. „Es könnten inzwischen vier oder fünf sein“, überlegt Annemari-

    ken Hilberink. Auch ihr eigenes Büro, das sie und ihr Kollege Geert Bosch nahe Eindhoven führen, zog vor zehn Jahren in ein Gehöft von 1893. Das Langgiebel-haus wandelten sie zur Wohn- und Arbeitsstätte um. Für Bauherren mit ähnlichen Absichten dient es als Gebrauchsmuster im Maßstab eins zu eins.

    Das Paar, das die Architekten 2014 aufsuchte, „plante ursprünglich auf einem romantisch zugewach-senen Teichgrundstück einen Neubau“, erinnert sich Annemarie Hilberink. Aber dann stellte sich heraus, dass der alte Kotten, ein ehemaliger Kuh- und Pferde-stall mit einer kleinen Wohnung, in der höchsten Klasse der niederländischen Denkmalliste als „Rijks-monument“ geführt wurde. An einen Abriss war also nicht zu denken. Die neuen Besitzer arrangierten sich mit der veränderten Lage. Die Arbeiten von Hilbe-rinkbosch hatten sie im Internet entdeckt, „da kann man heute ja alles sehen“, sagt die Architektin lachend.

    „Eigentlich wollten die beiden ein modernes Haus

    bauen. Sie suchten dann einen Architekten, der etwas Modernes aus einem alten Haus machen konnte.“ In der nächsten Umgebung standen noch weitere Bau-ernhäuser, Schuppen und Ställe, auch aus neuerer Zeit in schmuckloser Betonkonstruktion. Sie wurden mit der Baumaßnahme teilweise abgebrochen und als überdachte Stell- und Lagerflächen neu errichtet.

    bei genauerer untersuchung zeigte sich, dass die Bausubstanz des Wohn- und Stallgebäudes innen ziemlich intakt war. So wurde bei der Planung des Umbaus das historische Tragwerk aus dem 17. Jahr-hundert zur bestimmenden Struktur, um die sich die neuen Wohnfunktionen arrangieren sollten. Die durch Feuchtigkeit angegriffenen Fußpunkte der Stützpfos-ten ließen die Planer entfernen, Punktfundamente sorgen jetzt für Standsicherheit. Das Dach wurde neu aufgeschlagen, es durfte durch die zusätzliche Däm-mung ein wenig höher als das vorhandene ausfallen, folgt aber der alten unregelmäßigen Firstlinie, die mit Ziegelkappen abschließt. Es ist wieder mit Reet ge-deckt, zwischen die Sparren sind Flachsdämmplatten eingeschoben, darüber folgen innen eine Dampf-bremse und eine sichtbare Eichenholzverschalung.

    E „NEUE MATERIALIEN UND FORMEN VERWANDELN DAS INNERE“ Annemariken Hilberink

    44 HÄUSER 2018 N° 5

    TITELTHEMA BESONDERS WOHNLICH

  • Flachsfasern besitzen feuchteregulierende Eigen-schaften, sind also für den Einbau in Strohdächer gut geeignet. Außerdem wurde zum vorbeugenden Brand-schutz darauf geachtet, dass zwischen den einzelnen Reetbunden keine Hohlräume blieben.

    Die Außenwände entsprachen nicht mehr der origi-nalen Ausführung, sie waren im 19. und 20. Jahrhun-dert verändert worden. So konnten die Architekten sie dem zeitgemäßen Wohnkomfort anpassen. Im Giebel fügten sie ein großes Fenster ein, damit die Bewohner vom Essplatz aus in die Landschaft mit dem Natur-teich sehen können. Die lange Südfassade erhielt eine großzügige Verglasung mit raumhohen Schiebetüren. Auch der anschließende Dachüberstand ist transpa-rent, um Tageslicht in die sich zu dieser Seite kamm-artig öffnenden Wohnbereiche zu lenken. Diese Dach-verglasung setzt sich mit einer Ziegeldeckung fort, so wie es früher üblich war, weil Traufen und Giebel stär-ker bewittert werden. Nur: „Damals waren die Ziegel teurer, und das Reet war billig. Heute ist es umge-kehrt“, erklärt Annemariken Hilberink.

    Ein weiteres modernes Attribut ist die Verglasung des Schlafraumgiebels an der Ostseite. Aber wie beim Dachrand stören keine spiegelnden Scheiben die Um-

    gebung, sondern Brettschraffuren vermitteln die zeit-genössischen Ergänzungen. Die Fassaden wurden bis auf eine erhaltene historische Wand außen gedämmt und auf der Stallseite mit einer hinterlüfteten Holz-verkleidung versehen.

    drinnen sieht man von den haupträumen bis unter das Dach. Das alte Tragwerk assistiert als attrak-tiver Raumteiler. Das Arbeitszimmer erhielt eine Er-höhung, die Fernsehnische ist abgesenkt, eine Erinne-rung an die ehemalige Mistgrube des Bauernhauses. Zur Nord- und Westseite schließen Einzelräume, Sani-tärbereiche und Haustechnik an, die Küche ist wie in einem klassischen Anwesen der Mittelpunkt und nach zwei Seiten orientiert. Im Obergeschoss liegen ein Schlafraum mit Ankleide und ein Bad, der Flur endet mit einer Arbeitsgalerie, von der man in den Wohn-raum sieht. Der gesamte Ausbau schneidet mit glatten Flächen in die alterskrumme Umgebung. Ein Boden aus Zementestrich neutralisiert das Nebeneinander aus mehreren Jahrhunderten und macht es „modern“

    – wie es sich die Auftraggeber gewünscht haben. Das Bauernhaus, so sagt es die Architektin, tritt in eine zeit gemäße „vierte Phase seiner Baugeschichte“ ein.

    Obenauf: Das Schlafzim mer liegt an dem verglasten Ost-giebel und profitiert vom Aus blick. Das angrenzende Bad kokettiert wie so vieles im Haus mit der ländlichen Umgebung, die Wanne unter der verbretterten Dachschrä-ge könnte ein Zuber sein. Die Südfassade beweist, wie gut Ziegel mauerwerk, Glas und Reetdach harmonieren.

    45N° 5 2018 HÄUSER

  • UMFANGREICHES PLANMATERIAL UNTER WWW.HAEUSER.DE/GRUNDRISSE

    5 m01: 200

    HILBERINKBOSCH ARCHITECTEN HAUS IN WALIK/NIEDERLANDE

    Architekten: Hilberinkbosch Architec-ten, Wamberg 5, NL-5258 SM Berlicum, Tel. +31-73-690 01 36, www.hb-a.nlBauzeit: 2014–17Wohnfläche: 278 m2

    Grundstücksgröße: 11 965 m2 Bauweise: HolzkonstruktionFassade: Ziegelmauerwerk, GlasDach: Krüppelwalmdach

    Raumhöhe: 2,46–6,10 m Decken/Wände: Putz, HolzverkleidungFußboden: Beton, Teppich, FliesenEnergiekonzept: WärmepumpeGartengestaltung: Parklaan Land-schapsarchitecten, Vughterstraat 221,NL-5211 GD ’s-Hertogenbosch,Tel. +31-73-614 01 91, www.parklaan.nl

    Schlicht und schön: Die Bettenserie „Essential“ von Auping, hier in Cool Grey, entwarfen die Berliner Designerinnen Claudia Köh-ler und Irmy Wilms aus nachhaltigen Materialien. Mit gutem Gewissen schläft es sich eben besser.

    Tradition und Moderne: Annemariken Hilberink und Geert Bosch haben ihr Architekturbüro ebenfalls in einem historischen Bauernhaus eingerichtet.

    Möblierung: alle Einbauten nach Ent-würfen der Architekten, Sofa „Conseta“ von F.-W. Möller: Cor, Sofa: Rolf Benz, Stehleuchte „cpl“ von Christian Plode-rer: Prandina, Couchtische „Setup“ von Willem van Ast: Arco, Essstühle: Arke-tipo, Hängeleuchten „Skan“ von Lievore Altherr Molina: Vibia, sowie „Costanza“ von Paolo Rizzatto: Luceplan, Bett: Au-ping, Badewanne: Ideal Standard, Hän-geleuchte „Here comes the sun“ von Bertrand Balas: dcw ÉditionsAdressen auf Seite 148

    Por

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    Aup

    ing

    Erdgeschoss

    Wohnen

    Media

    Essen

    Arbeiten

    Kochen

    Bad

    Schlafen

    Arbeiten

    Bad

    WC

    Luftraum

    Abstellraum

    Schlafen

    Ankleide

    Obergeschoss

    46 HÄUSER 2018 N° 5

    TITELTHEMA BESONDERS WOHNLICH

  • I M

    DETAI L

    DIESE DÄCHERKANN NUR

    DER NORDENReet is t a ls t rad i t ione l les Mater ia l

    geschät z t . Me is t p räg t es d ie länd l iche Arch i tek tur küs tennaher Regionen

    Ob man nun Reet, Rohr, Ried, Stroh oder Schilf sagt: Als Weichbedachung gehörte das Mate-rial ursprünglich zur bäuerlichen Bauweise. In städtischer Umgebung durfte sie bereits im Mittelalter wegen der Brandgefahr nicht mehr ausgeführt werden. Heute beschränken sich Reetdächer auf die nördlichen Küstenzonen und werden vor allem beim Bau von Einfamilien-häusern als landschaftstypisches Merkmal geschätzt. Durch die behäbige Dicke des Aufbaus von bis zu 40 Zentimetern und die abgerundeten Übergänge an den steilen Dachfl ächen mit tiefen, rinnenlosen Traufen wirken reetgedeckte Häuser vertraut und behaglich. Seit 2014 zählt die Technik des Reetdachdeckens zum immateriellen Kulturerbe der unesco. Ein Reet-dach kann bei regelmäßiger Pfl ege 50 Jahre halten. Die geschnürten Halmbündel werden ent-weder auf Dachlatten geschraubt, genäht oder gebunden. Es handelt sich um eine traditionelle handwerkliche Bauweise, die dennoch heutigen bauphysikalischen Anforderungen entspre-chen muss: Einerseits wird dem Dach eine besondere Wärmedämmung nachgesagt, anderer-seits muss man mit der Konstruktion eine Balance zwischen der erwünschten Trockenhaltung und der Beschränkung der Luftdurchlässigkeit fi nden. Auch der Brandschutz erfordert beson-dere Maßnahmen. Das Material wird inzwischen vorwiegend importiert.

    Rohdiamant: Im Jahr 1981 zeigte sich das historische Bauernhaus weit gehend geschlossen. Die Reetbede-ckung beschränkte sich damals nur auf den Firstbereich.

    Doppeldecker: Reet bedeckt das Dach heute fast bis zur Traufe. Nur eine schmale untere Zone besteht aus Dachziegeln, auf der Südseite ist sie zum Teil verglast.

    Hohes Haus: Im Schnitt wird deutlich, dass das Reetdach aufgrund der nachträglichen Wärme-dämmung gehoben ist.

    Foto

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    48 HÄUSER 2018 N° 5

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