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1 Mein Freiwilligendienst in El Alto/Bolivien 2. Rundbrief Theresa Trapp in der Einsatzstelle C.C.C. Chasqui, Bolivien – El Alto Liebe UnterstützerInnen, Familie, FreundInnen und Interessierte, es ist verrückt wie schnell die Zeit hier vergeht – über 6 Monate bin ich nun schon auf der anderen Seite der Erdkugel – in Bolivien. Es ist so viel passiert. Im Chasqui, meiner Einsatzstelle, gab es viel zu tun. Ich war auf großen und kleinen Reisen und im Januar hatten wir Freiwillige auch schon unser Zwischenseminar. Viel Spaß beim Lesen!

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Mein Freiwilligendienst in El Alto/Bolivien

2. Rundbrief

Theresa Trapp in der Einsatzstelle C.C.C. Chasqui, Bolivien – El Alto

Liebe UnterstützerInnen, Familie, FreundInnen und Interessierte,

es ist verrückt wie schnell die Zeit hier vergeht – über 6 Monate bin ich nun schon auf der

anderen Seite der Erdkugel – in Bolivien. Es ist so viel passiert. Im Chasqui, meiner

Einsatzstelle, gab es viel zu tun. Ich war auf großen und kleinen Reisen und im Januar hatten

wir Freiwillige auch schon unser Zwischenseminar. Viel Spaß beim Lesen!

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Todos los Santos und Cochabamba

“Todos los Santos”(Allerheiligen) und der Totensonntag wird in Bolivien so groß gefeiert wie

Weihnachten. Die Angehörigen denken an diesen Tagen an ihre verstorbenen Verwandten oder

Freunde. Auch im Chasqui wurde Todos los Santos gefeiert. Wir bereiteten die mesa de los muertos

(Tisch der Toten) vor, welcher mit reichlich Essen, Zuckerrohr und selbstgebackenem Brot

geschmückt war. Das selbstgebackene Brot ist ein traditioneller Brauch zu diesem Feiertag. Die

Familien backen schon die ganze Woche vorher Brote verschiedener Art, wie beispielsweise „Waras“

(Brote in Form einer Frau mit einem Gesicht), welche im übertragenen Sinne die Verstorbenen

darstellen sollen. Viele Kinder und Jugendlichen kamen ins Chasqui; alle schrieben die Namen ihrer

Verstorbenen auf einen Zettel, welcher dann nach dem Vaterunser

laut vorgelesen wurde. Danach gab es noch reichlich Essen für alle

und am Ende der Feier wurde das Brot von der mesa de los muertos

auf alle gleichmäßig aufgeteilt. Über dieses Wochenende fuhr ich

mit ein paar Freunden nach Cochabamba, dort gingen wir am

Totensonntag auf einen Friedhof. Dieser war voll mit Menschen an

den

Gräbern,

die ihren Verstorbenen kleine Geschenke

mitgebracht hatten und für sie sangen.

Manche Familien bezahlten Kinder, die

dann für die Verstorbenen traurige Lieder

sangen, daran sahen wir was für ein

armes Land Bolivien doch ist und wie viele

Kinder mit allen möglichen Mitteln Geld

dazuverdienen müssen, um für ihre

Familie zu sorgen.

Zelten in den Yungas

Da es hier oben in El Alto sehr kalt ist, beschlossen wir,

Michele, Hagen, Lukian, Sophia und ich, an einem

Wochenende in die Yungas zu fahren und in der tiefer

gelegenen tropischen Region an einem Fluss zelten zu

gehen, um einfach mal zu entspannen. Nach zwei

Stunden Fahrt wollten wir uns eigentlich einen Schlafplatz

Cochabamba (quechua. „See-Ebene“)

- 4. größte Stadt Boliviens

- 2548 m. ü. M. - Hauptstadt des

Departamento Cochabamba

- feuchtes und warmes Klima

Die bolivianischen Yungas - eine Region aus 2

langgestreckten Tälern - Übergang zwischen Hoch- und

Tiefland - mildes, tropisches Klima - Anbau von Café, Obst,

Zitrusfrüchte & auf weiten Flächen auch Cocasträucher

wichtig für die Versorgung von La Paz

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am Fluss suchen. Wir kannten auch schon eine gute Stelle. Ich freute mich riesig einfach mal ein ganz

entspanntes Wochenende genießen zu dürfen, ständig waren wir unterwegs und immer war was los.

Aber Lukian wollte ein bisschen Abenteuer und schlug eine Abkürzung vor. Zuerst kletterten wir

einen Abhang runter zum Fluss, aber

dort angekommen, mussten wir uns

durch viele Gebüsche zwängen, was

mit den Zelten und Rucksäcken gar

nicht so einfach war. Dann hatten wir

noch eine etwas unangenehme

Begegnung mit einem Stier, der dort

mitten am Fluss stand. Ich wäre direkt

an dem vorbeigelaufen, weil ich

dachte da steht eine Kuh, aber die

anderen bemerkten es zum Glück! Wir

wussten nicht so recht ob wir da einfach weiterlaufen konnten und blieben erstmal stehen. Der Stier

hatte uns schon bemerkt und fing an mit den Hufen auszuschlagen. Plötzlich stürzte er auf uns zu

und wir rannten los. Ich war mir in diesem Moment sicher, dass seine Leine gerissen war und rannte

so schnell ich konnte und der Stier ausgerechnet mir hinterher, ich stolperte, stürzte, fühlte mein

Herz rasen und dachte ich müsste jetzt sterben. Doch glücklicherweise war der Stier an einem extrem

langen Seil festgebunden. Wir waren also gerettet, wollten aber nicht in der Nähe des Stieres unsere

Zelte aufschlagen und liefen weiter. Ich war von diesem wildgewordenen Stier völlig verstört, sodass

ich hinter jedem Busch einen neuen sah und überhaupt nicht mehr entspannt war. Unser Weg durch

Büsche und über Baumstämme führte uns irgendwann an eine Stelle wo es nicht weiterging – die

einzige Möglichkeit den Fluss durchqueren. Wir drei Mädels sträubten uns erstmal, doch es gab keine

andere Wahl. Die Strömung war an manchen Stellen

sehr stark und mit den Zelten, Ruck- und

Schlafsäcken war die Flussüberquerung gar nicht so

leicht. Es blieb auch nicht bei einen Mal, wir

wechselten um die 10 Male von einer Seite auf die

andere. Aus unserer kleinen Abkürzung waren

bereits 3 Stunden geworden und es war auch schon

dunkel, einen Schlafplatz hatten wir noch immer

nicht. Also schlugen wir unsere Zelte auf einer

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Halbinsel auf und verbrachten die Nacht

dort. Der Versuch ein Lagerfeuer zu machen

scheiterte leider, denn das Holz war nass, so

aßen wir unsere Würstle halt ungegrillt. Es

war trotzdem eine tolle Nacht, die Berge

ringsrum leuchteten von Glühwürmchen.

Am nächsten Morgen badeten wir kurz im

Fluss und packten unsere Sachen, wir

mussten schließlich wieder zurück in die Zivilisation. Einfach wieder umdrehen konnten wir nicht, da

war schließlich der Stier und dem wollte keiner von uns mehr begegnen. So durchquerten wir wieder

etliche Male den Fluss, kletterten einen steilen Hang hoch und schlugen uns durch einen Wald, in

dem wir von großen Ameisen gebissen wurden. Endlich sahen wir eine große Hängebrücke, die uns

zurück zur Straße führte – wir hatten es geschafft. Auch wenn das Wochenende nicht ganz nach

unserem Plan verlaufen war, bereute es keiner sich auf „ein bisschen Abenteuer“ eingelassen zu

haben.

Weihnachten in Reyes

Bevor wir über Weihnachten zu

Simone (die 4. EIRENE-

Freiwillige) ins Tiefland nach

Reyes fuhren, feierten wir

schon am 20. Dezember im

kleinen Kreis Weihnachten,

beschenkten uns mit

selbstgemachten Geschenken,

aßen ein ganzes Pollo

(Hühnchen) von der

Straßenecke und sangen Weihnachtslieder. Der Abend war sehr schön und wirklich ein bisschen

weihnachtlich.

Am Dienstag den 22. Dezember ging es los nach Reyes.

Die Fahrt im überladenen Bus war spannend. Sie ging über die calle de la muerte (die Todesstraße),

eine nichtasphaltierte Straße, die gerade so breit ist, dass ein Fahrzeug darauf fahren kann und die

direkt an einem Abhang entlang führt, der hunderte Meter in die Tiefe geht. Als der Bus stark

wackelte, kamen Michele und ich ordentlich ins Schwitzen und da die sonst so entspannten

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Bolivianer nun auch eher verängstigt guckten, dachte ich, das war‘s jetzt. Doch es lief alles

reibungslos und nach ca. 18 Stunden Fahrt kamen wir endlich bei Simone in Reyes an.

Wie ich schon so oft feststellen durfte, ist Bolivien extrem

vielseitig. In Reyes war von der andinen Kultur überhaupt

nichts zu sehen. Die Menschen dort sind viel offener und

nicht so zurückhaltend wie im Altiplano (Hochland). Wir

machten zuerst eine kleine Dorftour und lernten Simones

Freunde kennen. Einer nahm uns im Auto mit zu einer

Lagune in der Nähe. Bei der starken Hitze freute ich mich auf eine Abkühlung – daraus wurde nichts,

denn das Wasser war warm. Trotzdem ein schöner Ausflug!

An einem Abend gingen wir an die plaza (eine Art Park), wo sich das ganze Dorf versammelt, um dort

mit ihren Motorrädern im Kreis herum zufahren. Auf den ersten Blick war das irgendwie merkwürdig.

Familien, Freunde, Kinder, wirklich alle fahren stundenlang mit ihren Motorrädern um diesen Platz

herum und unterhalten sich, essen ein Eis und sitzen einfach beisammen. In Reyes gab es auch nicht,

wie wir es aus El Alto gewohnt waren, Minibusse oder Taxen, sondern man lässt sich mit einem

Motorrad durch die Gegend transportieren. Weil wir die Hitze überhaupt nicht gewöhnt waren,

schliefen wir mittags ein. Für mich war es schön das fremde Leben im Tiefland kennenzulernen. Mit

manchen Dingen konnte ich mich dort nicht anfreunden; viele Mädchen bekommen dort schon unter

15 Jahren Kinder und der Machismo ist dort sehr auffallend.

Chile – Silvester am Meer

Silvester verbrachte ich mit anderen Freiwilligen und zwei Freundinnen

aus Deutschland in Chile.

Da ich vor zweieinhalb einen Schüleraustausch in Chile gemacht hatte,

konnten wir bei meiner Gastfamilie schlafen. Am Terminal de bus

(Busbahnhof) in Viña holten uns meine Gastgeschwister Bettina und

Martin ab. Es war ein tollen Gefühl wieder dort zu sein und alles fühlte

sich an wie vor 2 Jahren. Mittags traf ich meine Freundinnen Teresa und

Maren nach fünf Monaten endlich wieder. Wir hatten uns sehr viel zu

erzählen und es fühlte sich wunderbar an die beiden nach so langer Zeit

gesund und munter zu treffen. Am Silvestermorgen fuhren wir in die

Nachbarstadt Valparaíso, schauten uns die bunten Häuser an, gingen

Kaffee trinken und waren ganz schockiert wie viele Touristen aus aller

Welt für Silvester nach Valpo gereist waren. Am Nachmittag holten wir

Reyes

- Kleinstadt im Deprtamento Beni

- ca. 8000 Einwohner

- liegt im bolivianischen Teil des Amazonasbecken

- Durchschnittstemperatur: 26°

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unsere Freunde Lukian, Leo, Roxi und

Popsi (Freiwillige aus Bolivien) am

Terminal ab. Auch sie waren gerade in

Chile um Urlaub zu machen, Silvester

wollten wir gemeinsam verbringen.

Lukian ging es nicht so gut, aber er war

trotzdem in Feierlaune. Abends

versammelten wir uns auf dem großen

Platz in Valparaíso um dort das berühmte

Feuerwerk zu sehen. Die Erzählungen

waren nicht übertrieben, es war wirklich das schönste Feuerwerk, das ich in meinem Leben gesehen

habe! An der Küste gab es 8 Schiffe, von denen die Raketen in die Luft geschossen worden. Im

Himmel zeichneten sich 20 Minuten viele verschiedene Bilder ab, sodass wir aus dem Staunen nicht

mehr heraus kamen. Ein toller Start ins Jahr 2016! Nach dem Feuerwerk gab es viel Musik auf den

Straßen und wir tanzten die ganze Nacht.

Doch dann verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Lukian. Er bekam starkes Fieber. Meine

Gastfamilie nahm ihn auf, weil er mit dem Zelt unterwegs war und das bei dem hohen Fieber wohl

kaum überlebt hätte. Da das Fieber nach 2 Tagen immer noch nicht nachließ, beschlossen wir ins

Krankenhaus zu gehen, Bettina begleitete uns. An diesem Tag wurde mir bewusst was für ein Glück

wir doch mit den Versicherungen und Krankenhäusern in Deutschland haben. Die Klinik wollte uns

nicht nach Deutschland telefonieren lassen und so konnten wir nicht mit der Versicherung in Kontakt

treten. Glücklicherweise konnte ich über mein Handy die Eltern von Lukian kontaktieren und die

kümmerten sich darum. Nachmittags kauften wir die Medikamente, die ihm verschrieben wurden

und hofften auf Besserung. Leider verschlechterte sich sein Zustand, sodass ich am nächsten Tag

wieder mit ihm in Krankenhaus fuhr. Er hatte über

40°C Fieber, in der Klinik kam wieder das gleiche

Problem auf wie am vorherigen Tag: der Kontakt

mit Deutschland wurde uns nicht gestattet, Lukian

lag auf einer Liege und war so schwach, dass er

nicht mehr mit mir reden konnte, ich rannte also

wie wildgeworden von Sekretärin zum Arzt, vom

Arzt zur Krankenschwester und das Ganze ein paar

Stunden lang. Sie wollten ihn auf Station verlegen,

doch brauchten die Zustimmung der Krankenkasse,

dass diese zahlen wird. Lukians Eltern waren in Deutschland drauf und dran mit der Versicherung

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alles abzuklären, aber es dauerte einfach zu lange, sodass wir irgendwann beschlossen das Geld für

die erste Nacht aus eigener Tasche zu zahlen. Diese Idee war natürlich völlig gesponnen, weil wir

keine Ahnung hatten wie teuer so ein Aufenthalt im Krankenhaus ist. Als wir gerade alles ausgefüllt

hatten, kam endlich die Nachricht der Versicherung, dass diese zahlen würde. Lukian wurde verlegt,

bekam stärkere Medikamente und ich konnte endlich nach Hause in mein Bett, es war schließlich

schon nach 12 Uhr. Am nächsten Morgen ging es für mich dann wieder ins Krankenhaus, es dauerte

knapp eine Woche bis Lukian entlassen wurde. Dabei stellte sich heraus, dass er Typhus hatte. Da ich

irgendwann mit der Versicherung dauerhaft in Kontakt stand, verbrachte ich meinen Chile-Urlaub die

meiste Zeit mit Leo, Lukians besten Freund, im Krankenhaus, welches glücklicherweise direkt am

Meer war. Chile kannte ich ja bereits durch den Schüleraustausch und so war es nur halb so schlimm.

Bei einer Reise weiß man eben nicht wie sie ausgeht, was passiert und wie man die ganze Sache zu

lösen hat. Im Nachhinein ist es vielleicht ein bisschen schade, aber ich kann sagen, dass ich sehr viel

gelernt habe und es selbstverständlich war für einen guten Freund da zu sein.

Zurück in Bolivien

Einen Tag nach meiner Rückfahrt mit dem Bus traf ich

mich mit Maren und Teresa. Endlich konnte ich mal

engen Freunden aus Deutschland mein Leben hier in

Bolivien zeigen! Erst einmal ging es für 3 Tage in die

Yungas, nach Coroico, dann machten wir einen Ausflug zu

Wasserfällen, gönnten uns eine Pizza (sehr teuer) und

hatten viel zu erzählen. Endlich mal ein Urlaub der

entspannt und ganz nach Plan ablief!

Das Zwischenseminar

Alle Weltwärts-Freiwilligen haben zur Halbzeit ihres Dienstes zusammen ein Seminar. Wir fühlten uns

wie auf einer Klassenfahrt, denn bis auf 2 Personen kannten sich schon alle Freiwilligen. Beim

Seminar ging es darum die erste Halbzeit revue passieren zulassen, über Probleme zu sprechen, die

es im Alltag oder auf der Arbeit gibt und sich mit anderen Freiwilligen über seine ganzen Erfahrungen

auszutauschen. Es war sehr interessant, doch kannte ich schon sehr viele Geschichten anderer

Freiwillige und lernte keine Neuen kennen, was ein bisschen schade war. Nichtsdestotrotz war es

eine tolle Woche!

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Carneval in Bolivien

Dieses Jahr hieß es nicht „Narri Narro – die Fasnet isch do“ aber wir feierten ausgiebig den

bolivianischen Carneval mit. Im Chasqui bereiteten wir früh morgens alles vor, auf 10 Uhrhatten wir

schließlich die Kinder eingeladen. Da die tíos alle die Aymara-Kultur mit ihnen pflegen, führten wir

ein typisches Ritual durch. Wir liefen durch das Chasquigebäude und segneten (ch’allar) alle Räume

mit Blumen, Wein und Nüssen, wünschten uns von der Pachamama (Mutter Erde) für das

kommende Jahr viele neue Ideen und Erfolge in der Jugendarbeit. Auf der Dachterrasse machten wir

ein Feuer und verbrannten einen Teller mit verschiedenen Symbolen wie zum Beispiel Walnüssen,

die für Glück stehen. Am Ende des Rituals wickelten wir uns Luftschlangen um den Hals und sprachen

Glückwünsche zum Carneval aus. Danach gab es eine riesige Wasserschlacht auf der cancha

(Fußballplatz), es machte sehr viel Spaß die Kinder und Kollegen mit Wasser zu übergießen - auch

wenn das tierisch kalt war.

Da Montag und Dienstag Feiertage

waren, hatten wir Zeit für eine

kleine Reise nach Santa Cruz de la

Sierra, um den Carneval dort zu

feiern. Das Problem an diesem

Wochenende war, mal wieder, ein

großer bloqueo (Streik bzw.

Blockade einer Brücke) der LKW-

Fahrer, deren Steuern vom einen

auf den andern Tag erhöht wurden.

Fast ganz Bolivien war lahm gelegt

und keine Busse fuhren,

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ausgerechnet an Carneval. Da wir uns aber so auf die Reise gefreut hatten, versuchten wir alles um

sie doch antreten zu können. Da der bloqueo vor Cochabamba lag, fragten wir völlig unüberlegt einen

Taxifahrer ob dieser uns nach Cochabamba bringen würde. Er willigte ein und wir quetschten uns zu

5. in sein Taxi. Dazu muss man sagen, dass Cochabamba nicht gerade um die Ecke liegt, sondern 8

Stunden von La Paz entfernt ist. Als wir gerade eine Pause machten hielt ein großer Reisebus mit

dem Schild „Sale a Santa Cruz“ wir rannten so schnell es ging zu dem Fahrer und fragten ob vielleicht

noch Platz für 5 Personen wäre. Eigentlich war der Bus schon ausgebucht, aber 2 konnten bei den

Busfahrern untergebracht werden und die anderen durften im Gang schlafen, die Fahrt sollte

schließlich 18 Stunden dauern. Als ich dann morgens früh um 6 Uhr aufwachte durfte ich feststellen,

dass wir mitten in den bloqueo gekommen waren und festsaßen. Schnell überlegten wir, was wir nun

machen könnten und schlossen uns den Bolivianern an, stiegen aus dem Bus aus und liefen los.

Mehrere Stunden wanderten wir durch die Berge, entlang

am Kilometerlangen Stau, kletterten mit dem ganzen

Gepäck Abhänge runter und kamen nach einer langen

Weile an der besetzten Brücke an. Das ganze wirkte wie

eine Art Völkerwanderung oder Flucht: Frauen trugen ihre

Kinder auf dem Rücken, die Männer

das Gepäck und wenn die Familien viele Kinder hatten, mussten sich auch Geschwister gegenseitig

tragen, alles ging ohne große Pausen, über Stock und Stein in eine Richtung. An der Brücke

angekommen brannten viele Reifen und es wurde Dynamit gezündet und es knallte alle paar

Sekunden. Das war der erste Moment in Bolivien, indem ich mich wirklich nicht sicher fühlte. Ein paar

Männer warnten uns vor Tränengas und wir wussten nicht recht was wir nun machen sollten. So

hingen wir uns wieder an eine Gruppe von

Bolivianern dran und gingen zügig über

diese Brücke, vorbei an brennenden Reifen

und über Steine, die den Weg versperrten.

Zum Glück bekamen wir im nächsten Dorf

einen Bus, der uns nach Cochabamba

brachte und von dort aus konnten wir

nach Santa Cruz weiterfahren. Mit einer

Verspätung von fast einem ganzen Tag

kamen wir nachts um 4 Uhr endlich in

Santa Cruz an. Rafi, ein Freiwilliger aus La Paz und ich fuhren am nächsten Tag in den Nationalpark

„Lomas de Arena“, eine Wüstenlandschaft mitten im tropischen Gebiet von Santa Cruz. Da unser

Taxifahrer uns nicht direkt zur Wüste fahren wollte, mussten wir 7 Kilometer durch die Hitze laufen –

Santa Cruz de la Sierra

- größte Stadt Boliviens - Hauptstadt des Departamento

Santa Cruz - Stadtbild: Ringstraßen

(Anillas), laufen kreisförmig um das Zentrum

- tropisches Klima

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ein Glück fuhren immer wieder nette Autofahrer an uns vorbei, die uns ein Stück mitnahmen und am

Ende sogar ein Quart, mit dem wir über die Wege und den Sand heizten. In der Wüste angekommen,

machten wir eine lange Wanderung, zum Glück hatten wir reichlich Wasser dabei. Mit

sandverschmierten Gesichtern trampten wir wieder zurück nach Santa Cruz und erlebten schon in

einigen Straßen den Carneval. Auch hier gab es wieder Wasserschlachten, diese waren hier für uns,

im Gegensatz zu El Alto, eine angenehme Erfrischung. Den Abend verbrachten wir noch auf einer

fiesta de carneval, auf der uns, zu unserem Unglück, ein Eimer Farbe über den Kopf gekippt wurde.

Am nächsten Morgen zogen wir wieder los um die Paraden anzusehen, auf denen getanzt wurde. Die

Menschen am Straßenrand grillten und es gab wieder große Wasser-, Schaum- und Farbschlachten.

Da wir nun darauf vorbereitet waren, hatten wir uns auch Spritzpistolen und Schauspray gekauft um

uns zu wehren. Carneval und Santa Cruz war, trotz der Verspätungen auf Grund des bloqueos, ein

voller Erfolg!

Chasqui

Gegen Ende des Schuljahres wurden wir von mehreren Schulen zu ferias (Märkten) eingeladen, um

dort als jugados (Jurymitglieder) die jeweiligen Stände der einzelnen Klassen, nach Inhalt, Kreativität

und Präsentation, bewerten sollten. Die Punkte der jugados ging auch in die Note der Schüler hinein.

Das Thema in diesem Jahr war alimentación (Ernährung). An einem Tag als jugada dachte ich wirklich

ich platze von dem ganzen leckeren, bolivianischen Essen. In der Schule angekommen wurden wir

erst einmal von der Direktion auf einen „kleinen“ Snack eingeladen. Ein solcher besteht in Bolivien

natürlich hauptsächlich aus Kohlehydraten: Reis, Kochbananen, Kartoffeln und dann noch ein Ei dazu

und das Ganze morgens um 8 Uhr. Nun gut gestärkt gingen wir zur feria. Vier Klassen sollte ich

bewerten, alle warteten schon ganz aufgeregt. Gemeinsam mit den Eltern hatten die Schüler viele

leckere Gerichte und Getränke vorbereitet, über die Inhalte der Lebensmittel und die Geschichte der

Mahlzeiten informiert und dies in einem

kleinen Kurzvortrag vorbereitet. Viele der

Kinder waren so sehr aufgeregt, dass sie

alles wieder vergessen hatten und die

Mütter oft zur Hilfe kamen. Man merkt hier

schon sehr oft wie schüchtern und

zurückhaltend Kinder und Jugendliche

gegenüber Fremden und Erwachsenen

sind. Mir machte meine Rolle als jugada

sehr viel Spaß, ich durfte bzw. musste alles

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Gekochte probieren – beim ersten Stand direkt 12 verschiedene platos (Gerichte) aus dem Altiplano.

Nach vier Ständen war mir so schlecht, weil ich unmenschlich viel gegessen hatte, aber es war ja alles

soooo lecker und ich habe dabei auch noch ganz viel über Quinua und Co gelernt.

An einem Sonntag machte mein Projekt Cultura de Paz einen Ausflug

mit knapp 20 Kindern und Jugendlichen in die naheliegende

Ruinenstätte Tihuanaku. Auf der Busfahrt sangen wir Lieder und

spielten Kennenlernspiele. In Tihuanaku angekommen besichtigten wir

die 4

Museen, tío

Jorge

erzählte uns

die geschichtlichen Hintergründe und

danach war Freizeitprogramm und Apthapi

(ein traditionelles Essen im Altiplano, bei

dem jeder eine Kleinigkeit mitbringt und

diese dann auf einem großen Tuch ausgebreitet wird) angesagt. Am Nachmittag spielten wir Fuß-

und Volleyball und ich leitete noch die Auswertung der Reise an. Auch wenn mich Tihuanaku nach

dem bereits zweiten Besuch noch immer nicht vom Hocker geworfen hat, war es wirklich ein toller

Ausflug mit dem Chasqui.

Gemeinsam mit dem anderen Projekt „Trata y Trafico“

fuhren wir im Dezember, als die Sommerferien schon begonnen hatten für 3 Tage in die Yungas in

das kleine Dorf Sacahuaya. Dort haben wir viele Themen in Gruppenarbeiten bearbeitet, Spiele

gespielt und konnten sogar baden gehen. Von knapp 50 Jugendlichen konnten nur 3 schwimmen, so

habe ich mir ein bisschen die Zeit genommen und versucht es ihnen beizubringen. Hagen und ich

werden ab diesem Jahr auch einen taller de natación (Schwimmkurs) geben. In Sacahuaya wanderten

Tihuanaku („Setz dich nieder kleines Lama“)

- bedeutende Ruinenstätte der Prä-Inka_Kultur

- ca. 4000 m.ü.M. - Weltkulturerbe der

UNESCO - bis heute nur 1%

ausgegraben

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wir zu einem Fluss, kletterten über eine wackelige Hängebrücke und genossen den Nachmittag am

Wasser. Es war schön den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben wenigstens einmal in den

Sommerferien zu verreisen, denn auf die Ferien freuten sie sich überhaupt nicht. Fast alle mussten

arbeiten und das Chasqui hatte auch geschlossen.

Leider musste für dieses Jahr sehr viel vorbereitet werden, weshalb wir erst ab März die Türen für die

Kinder öffnen werden. Nach langem Warten freue ich mich auf Kinder und Jugendlichen, die Arbeit

und Angebote, die wir für sie geplant haben.

Ich hoffe, ich konnte Euch meine

Erfahrungen und Erlebnisse nun etwas

näher bringen!

Lasst es euch gut gehen und habt einen

schönen Frühling.

Aus Bolivien grüßt Euch,

Theresa

Über weitere Spenden würde ich mich sehr freuen!

per Überweisung oder Dauerauftrag:

Spendenkonto für das Freiwilligenprogramm:

IBAN: DE 16350601901011380014

BIC: GENODED1DKD

Verwendungszweck: Theresa Trapp

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