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Meiner Familie - unisg.chFILE/dis3393.pdf · -I-Vorwort Diese Arbeit wurde im Jahre 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität St.Gallen in der Schweiz als Dissertation

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Meiner Familie

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-I-

Vorwort

Diese Arbeit wurde im Jahre 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität St.Gallen in der

Schweiz als Dissertation angenommen.

Besonders danken möchte ich an dieser Stelle zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr.

Ivo Schwander. Er hat mir von Anfang an Mut gemacht, mir stets hilfreich und unterstützend zur

Seite gestanden sowie jederzeit ein offenes Ohr für Fragen und Probleme gehabt.

Daneben danke ich Herrn Dr. Christoph Leuenberger, LL.M., für die Erstellung des

Zweitgutachtens.

Gleichzeitig gilt mein Dank allen, die mich während der Arbeit an dieser rechtswissenschaftlichen

Untersuchung unterstützt und geduldig begleitet haben. Massgeblich zu nennen ist hier mein Vater

Dr. Jochen Krautter, der mich immer wieder neu motiviert und in jeder Phase des Werkes durch

inhaltliche Diskussionen und ständige Durchsicht des Manuskripts tatkräftig unterstützt hat.

Dafür möchte ich auch vielen lieben Freunden danken, besonders Dr. Christian Schnellecke sowie

Dr. Stephan Deyda.

Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, die mir den Zugang zur Rechtswissenschaft überhaupt

eröffnet und mir während des Studiums sowie während der Erstellung dieser Dissertation stets

liebevoll unterstützend und grosszügig zur Seite stand.

Dabei schliesse ich meinen Ehemann C. Eduardo Romeiro und meine brasilianische Familie in die

Widmung ein, die mir durch aufmunternde Worte vor allem in der Schlussphase der Arbeit

beigestanden und mich aufmerksam begleitet haben.

In dieser Hinsicht danke ich meiner gesamten Familie.

São Paulo, im Dezember 2007

Julia Krautter Romeiro

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-II-

Zusammenfassung

Die Arbeit behandelt das Thema der stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis des internationalen

Vertragsrechts. Stillschweigende Rechtswahl ist relevant, wenn bei einem grenzüberschreitenden

internationalen Vertrag von den Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vereinbart wurde. Dann ist

zu prüfen, an welche Rechtsordnung im konkreten Fall angeknüpft werden muss. Dabei steht die Frage

im Vordergrund, aus welchen Umständen sich zuverlässig und zweifelsfrei auf die getroffene

Rechtswahl der Parteien schließen lässt.

Auf europäischer Ebene ist das Problem der stillschweigenden Rechtswahl derzeit durch einen

Staatsvertrag, dem die meisten Mitgliedstaaten der EU angehören – dem Römischen EWG-

Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980

– für Vertragsverhältnisse einvernehmlich geregelt. Die unterschiedlichen nationalen Gerichte sollen bei

gleichen Sachverhalten zur Anwendung derselben nationalen Rechtsordnung geführt werden. Dies ist

vor allem vor dem Hintergrund, dass der nationale Gesetzgeber mit Zunahme des grenzüberschreitenden

Verkehrs immer mehr einem „Wettbewerb“ ausgesetzt ist, wichtig. Die Problematik der

stillschweigenden Rechtswahl gewinnt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung

der Geschäftsbeziehungen immer mehr an Bedeutung. Sie ist in der Praxis relevant, da nicht in jedem

internationalen Vertrag eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen wird, während aber die Bestimmungen

des Vertrages oder die Umstände des Falles auf einen bestimmten Rechtswahlwillen der Parteien

hindeuten mögen. Besonders für die forensisch tätige Anwaltschaft ist die stillschweigende Rechtswahl

von erheblicher Bedeutung.

In dieser Arbeit soll die Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ durch die

französische, englische und deutsche Rechtsprechung einerseits sowie die des Restatements of Conflict

of Laws Second im US-amerikanischen Recht andererseits zum Gegenstand dieser Untersuchung

gemacht werden, wobei die einzelnen Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl beleuchtet werden.

Hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl in den USA wird das Restatement Second untersucht

und geprüft, unter welchen Umständen die USA in der Praxis von einer stillschweigenden Rechtswahl

ausgehen, und ob bzw. inwiefern das Restatement Second hinsichtlich der Regelung der

stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis umgesetzt wird und zum gleichen Ergebnis kommt wie das

von den europäischen Staaten in der Praxis umgesetzte EVÜ.

Zugleich wird die rechtliche Einstufung und Behandlung der stillschweigenden Rechtswahl, vor allem

unter dem neuen Gesichtspunkt der europarechtlich veranlassten Änderungen des internationalen

Vertragsrechts, erörtert. Denn erst durch neue, europarechtlich veranlasste Gesetzesvorhaben auf diesem

Gebiet hat das Thema der stillschweigenden Rechtswahl jüngst wieder besondere Aktualität erfahren.

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Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung.............................................................................................................................II

Inhaltsverzeichnis............................................................................................................................III

Verzeichnis der Abkürzungen .........................................................................................................X

Einleitung: Problemstellung und Gang der Untersuchung ...........................................................1

1. Kapitel: Das Institut der stillschweigenden Rechtswahl

A. Die stillschweigende Rechtswahl in der EU................................................................................9

I. Die gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl des

internationalen Vertragsrechts in Europa durch das EVÜ ...............................................9

1. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ gemäss Art. 3 I S. 2 EVÜ.....9

2. Die Entstehung des EVÜ......................................................................................10

3. Die Auslegung des EVÜ gemäss Art. 18 EVÜ....................................................11

II. Die Rechtslage der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen

Vertragsrechts in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich

vor dem Inkrafttreten des EVÜ ..........................................................................................12

1. Die Rechtslage in Deutschland ............................................................................12

2. Die Rechtslage in England ...................................................................................13

3. Die Rechtslage in Frankreich ..............................................................................13

III. Die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts

in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich

seit dem Inkrafttreten des EVÜ ..........................................................................................15

1. Die Rechtslage in Deutschland ............................................................................15

2. Die Rechtslage in England ...................................................................................16

3. Die Rechtslage in Frankreich ..............................................................................16

B. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie..................................................................................17

I. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen

Parteiautonomie nach dem EVÜ ........................................................................................17

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II. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie

in den Vertragsstaaten.........................................................................................................19

1. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie

in Deutschland gemäss Art. 27 EGBGB.................................................................19

2. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in England..........19

a) Entwicklung der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie .......................................19

b) Schranken der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie...........................................21

3. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Frankreich.....22

C. Die ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl

in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen ....................................................................24

I. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl

in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen.........................................................24

II. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2

EGBGB in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen in Deutschland –

unter Berücksichtigung des EVÜ .......................................................................................25

1. Die Schwierigkeiten einer stillschweigenden Rechtswahl ................................25

2. Die Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“..................................26

III. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung

in Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“ in England.................................29

1. Die ausdrückliche Rechtswahl – the express choice of law ..............................29

a) Choice-of-law clauses ............................................................................................29

b) Floating choice-of-law clauses ..............................................................................30

c) Construction clauses ..............................................................................................31

d) Zwischenergebnis ..................................................................................................32

2. Die stillschweigende Rechtswahl –

the implied, implicit or tacit choice of law.............................................................32

3. Das hypothetische Vertragsstatut – the putative proper law...........................34

IV. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in

Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“ in Frankreich ................................37

D. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl unter Berücksichtigung des EVÜ .....39

I. Vertragsstatut – Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahl......................40

II. Verweisungsvertrag – Zulässigkeit der Rechtswahl ....................................................43

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E. Die stillschweigende Rechtswahl nach den

Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften......................................................................43

2. Kapitel: Problempunkte und Besonderheiten

im Bereich der Rechtswahl unter Einbeziehung des EVÜ

A. Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ

und Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ..................................................................................................45

B. Keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl ..................................................................................45

C. Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog. floating choice-of-law clauses)........46

D. Die stillschweigende negative Rechtswahl ................................................................................47

E. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen

und der Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ ......................................48

3. Kapitel: Die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl

A. Die Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich

zur stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts ......................................53

I. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis........................................53

II. Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen..................................................54

1. In Deutschland .....................................................................................................54

a) Fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen ............................................................54

b) Schiedsgerichtsvereinbarungen .............................................................................57

2. In England ............................................................................................................60

3. In Frankreich........................................................................................................67

III. Verhalten im Prozess.....................................................................................................70

1. In Deutschland .....................................................................................................70

a) Prozessverhalten als Indiz für eine nachträgliche Rechtswahl im Prozess............73

aa) Indizienwertung im Parteiprozess .........................................................73

bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess.....................................................73

b) Prozessverhalten als Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl............................74

aa) Indizienwertung im Parteiprozess .........................................................74

bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess.....................................................74

c) Die Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozess..............................75

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d) Kritik und Stellungnahme......................................................................................77

2. In England ............................................................................................................79

3. In Frankreich........................................................................................................83

IV. Erfüllungsort ..................................................................................................................85

1. In Deutschland .....................................................................................................85

2. In England ............................................................................................................87

3. In Frankreich........................................................................................................88

V. Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung ..............................................................89

1. In Deutschland .....................................................................................................89

a) Zitieren von Rechtsvorschriften.............................................................................89

b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln ...................................................92

2. In England ............................................................................................................93

a) Zitieren von Rechtsvorschriften.............................................................................93

b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln ...................................................94

3. In Frankreich........................................................................................................95

VI. Vertragssprache.............................................................................................................95

1. In Deutschland .....................................................................................................95

2. In England ............................................................................................................97

3. In Frankreich........................................................................................................98

VII. Verwendung von Formularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen ...............99

1. In Deutschland .....................................................................................................99

2. In England ..........................................................................................................102

3. In Frankreich......................................................................................................103

VIII. Vorherige Vertragspraxis der Parteien..................................................................104

1. In Deutschland ...................................................................................................104

2. In England ..........................................................................................................105

3. In Frankreich......................................................................................................106

IX. Währungsvereinbarung ..............................................................................................106

1. In Deutschland ...................................................................................................107

2. In England ..........................................................................................................108

3. In Frankreich......................................................................................................109

X. Ort des Vertragsschlusses.............................................................................................110

1. In Deutschland ...................................................................................................110

2. In England ..........................................................................................................111

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3. In Frankreich......................................................................................................111

XI. Ort der Klageerhebung ...............................................................................................113

1. In Deutschland ...................................................................................................113

2. In England und Frankreich ..............................................................................113

XII. Rechtsgültigkeit und Ergänzung ..............................................................................114

1. In Deutschland ...................................................................................................114

2. In England ..........................................................................................................116

3. In Frankreich......................................................................................................118

XIII. Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien ...........................118

1. In Deutschland ...................................................................................................118

2. In England ..........................................................................................................119

3. In Frankreich......................................................................................................120

XIV. Art und Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes .......................................121

1. In Deutschland ...................................................................................................121

2. In England ..........................................................................................................121

3. In Frankreich......................................................................................................122

XV. Widersprüchliche Indizien in allen drei Rechtsordnungen....................................122

XVI. Kumulation schwacher Indizien..............................................................................123

1. In Deutschland ...................................................................................................123

2. In England ..........................................................................................................124

3. In Frankreich......................................................................................................125

B. Die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen des EVÜ und ihre Auswirkungen ............125

C. Exkurs: Die stillschweigende Rechtswahl in dem Nicht-EU-Mitgliedstaat Schweiz ..........128

I. Vertragsrecht ..................................................................................................................128

II. Erbstatut ........................................................................................................................130

III. Ergebnis und Lösung ..................................................................................................130

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der europäischen Untersuchung...................................130

I. Ergebnisse der Untersuchung der einzelnen Vertragsstaaten ...................................130

1. In Deutschland ...................................................................................................130

2. In England ..........................................................................................................134

3. In Frankreich......................................................................................................135

II. Schlussfolgerungen aus gesamteuropäischer Sicht und Ausblick............................136

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4. Kapitel: Die stillschweigende Rechtswahl in den USA

A. Einleitung...................................................................................................................................143

B. Entwicklung ...............................................................................................................................144

I. Die Vested Rights-Theorie .............................................................................................145

II. Die Erie-Doktrin............................................................................................................146

III. Die Governmental Interest Analysis-Theorie ...........................................................147

IV. Der "proper law"-Ansatz............................................................................................148

C. Grundsätze der Rechtswahlmethodik

nach dem Restatement of Conflict of Laws Second....................................................................149

I. Entwicklung ....................................................................................................................151

1. Restatement of Conflict of Laws First (1932) und Second (1971) .................151

2. Die “Center of gravity” oder

“Grouping of contacts”-Theorie des Restatements First....................................152

II. Inhalt des Restatements Second...................................................................................155

1. Charakterisierung..............................................................................................155

2. § 187 des Restatements Second – Rechtswahl .................................................155

a) Die Zulässigkeit der Rechtswahl – § 187 Abs. 1 Restatement Second ...............155

b) Die Grenzen der Rechtswahl – § 187 Abs. 2 Restatement Second .....................157

c) Die ausdrückliche Rechtswahl.............................................................................159

aa) Choice-of-law clause...........................................................................160

bb) Choice-of-law clause in Kombination mit

Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklauseln ..........................................161

d) Die stillschweigende Rechtswahl und der hypothetische Parteiwille..................162

3. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis .........................166

a) Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel ........................................................166

b) Das Verhalten der Parteien im Rechtsstreit .........................................................172

c) Die Spezifikation des Erfüllungsortes .................................................................173

d) Bezugnahme auf ein anderes Recht oder einen anderen Vertrag ........................173

e) Vertragssprache....................................................................................................174

f) Rechtsgültigkeit und Ergänzung ..........................................................................174

g) Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien ............................176

h) Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes....................................................176

i) Ort des Vertragsschlusses.....................................................................................176

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D. Ergebnis der US-amerikanischen Untersuchung und Ausblick ...........................................177

5. Kapitel: Gegenüberstellung der Ergebnisse der europäischen und

amerikanischen Untersuchung und Schlussfolgerung

A. Gegenüberstellung der Ergebnisse ..........................................................................................179

B. Schlussfolgerung........................................................................................................................183

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Verzeichnis der Abkürzungen

a.A. anderer Ansicht ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abs. Absatz A.C. Law Reports, Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen al. alinéa All ER All England Law Reports Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Anm. Anmerkung App. Cour d` Appell (Frankreich) Art. Artikel AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters BAG Bundesarbeitsgericht BauR Baurecht Bd. Band bespr. besprochen BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGE Bundesgerichtsentscheid BGH Bundesgerichtshof BGHZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in

Zivilsachen BT-Drucks. Bundestagsdrucksache B. Y. U. L. Rev. Brigham Young University Law Review bzw. beziehungsweise Cass. Cour de Cassation Cass.civ. Cour de Cassation, Chambre civile Ch. Chapter Ch.D. Law Reports, Chancery Division Chi.-Kent L. Rev. Chicago Kent Law Review Clunet Journal du droit international COGSA Carriage of Goods By Sea Act Co. Company Col. L. Rev. Columbia Law Review Corn. L. Rev. Cornell Law Review DB Der Betrieb ders. derselbe ECJ European Court of Justice EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einl. Einleitung EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EVÜ Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche

Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19. Juni 1980 EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Europäisches Wirtschaftsrecht

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FAA Federal Arbitration Act ff. Folgende Fn. Fussnote FS Festschrift ggf. gegebenenfalls Harv. L. Rev. Harvard Law Review Hrsg. Herausgeber I.C.L.Q. International Comparative Law Quarterly i. d. S. in diesem Sinne Int.VertrR Internationales Vertragsrecht Iowa L. Rev. Iowa Law Review IPRax Praxis des internationalen und ausländischen Privatrechts IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht in der Schweiz IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen

Privatrechts i. S. d. im Sinne des iVm in Verbindung mit J.C.P. La Semaine Juridique J.D.I. Journal du droit international (Clunet) J. Int` l. Arb. Journal of International Arbitration Int`l Law. The International Lawyer Int. Comp. L. Q. International Comparative Law Quarterly Jura Jura, Juristische Ausbildung JurBüro Juristisches Büro JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K.B. Law Reports, King`s Bench Ltd. Limited Lloyd`s Rep. Lloyd`s Law Report L. Q. R. Law Quarterly Report MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Md. L. Rev. The Maryland Law Review Mercer L. Rev. Mercer Law Review Miami L. Q. Miami Law Quarterly Mich. L. Rev. Michigan Law Review Mod. L. Rev. Modern Law Review m.w.N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift N. Y. U. L. Rev. New York University Law Review OLG Oberlandesgericht Q.B. Law Reports, Queen`s Bench Q.B.D. Queens Bench Division RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rev.crit.dr.int.pr. Revue critique de droit international privé Rev.de dr.int.priv. et de dr. pénal int.

Revue de droit international privé et de droit pénal international RGZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer S. Seite, Satz

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sec. Section(s) s.o. siehe oben Slg. Sammlung TransportR Transportrecht UCC Uniform Commercial Code U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review UCLA L. Rev. UCLA Law Review United States L. Rev. United States Law Review v. versus (in englischen Entscheidungen) Va. J. Int`l L. Virginia Journal of International Law VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche Vol. Volume Vorb. Vorbemerkung VuR Verbraucher und Recht W.L.R. Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen z.B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Recht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZPO Zivilprozessordnung ZvglRW Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZVR Zeitschrift für Verkehrsrecht

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Einleitung: Problemstellung und Gang der Untersuchung

Die vorliegende Arbeit behandelt die stillschweigende Rechtswahl in der Praxis für den Bereich

des internationalen Vertragsrechts. Dabei handelt es sich um ein Thema, dem bislang keine

besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dies überrascht insoweit, als im Rahmen der

Entwicklung des Europarechts das internationale Vertragsrecht1 wieder stärker in das Blickfeld

der wissenschaftlichen Diskussion geraten ist. Wenn bei einem grenzüberschreitenden

internationalen Vertrag von den Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vereinbart wurde,

ist zu prüfen, an welche Rechtsordnung im konkreten Fall angeknüpft werden muss. Dabei

bedarf es der Untersuchung, unter welchen Voraussetzungen eine stillschweigende Rechtswahl

in Betracht kommt und ob diese zulässig und wirksam ist.

Die besondere Problematik der stillschweigenden Rechtswahl liegt nicht in dem Institut der

stillschweigenden Rechtswahl an sich, sondern in seiner praktischen Anwendung. Die

stillschweigende Rechtswahl soll deshalb im Rahmen einer rechtsvergleichenden Darstellung

für die Länder Deutschland, England und Frankreich sowie für die USA untersucht werden.

Dabei steht die Frage im Vordergrund, aus welchen Umständen sich zuverlässig und

zweifelsfrei auf die getroffene Rechtswahl der Parteien schließen lässt.

Auf europäischer Ebene ist das Problem der stillschweigenden Rechtswahl derzeit durch einen

Staatsvertrag, dem die meisten Mitgliedstaaten der EU angehören – dem Römischen EWG-

Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.

Juni 1980 (im Folgenden EVÜ genannt)2 – für Vertragsverhältnisse einvernehmlich geregelt.

Das EVÜ soll durch die von ihm bewirkte Vereinheitlichung die Rechtsfindung erleichtern und

die Rechtssicherheit erhöhen. Soweit das EVÜ Rechtswahlfreiheit einräumt (Art. 3 EVÜ),

erkennt es implizit die Gleichwertigkeit der verschiedenen Schuldrechtsordnungen an.3 Die

unterschiedlichen nationalen Gerichte sollen bei gleichen Sachverhalten zur Anwendung

derselben nationalen Rechtsordnung geführt werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund,

1 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003 (KOM (2002) 654 endg.). 2 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches (Schuld-) Vertragsübereinkommen von Rom, EVÜ) vom 19. Juni 1980, AblEG 1980 Nr. L 266 S. 1= BGBl. 1986 II S. 810; vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 3Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), S. 72 (89, 90); Grundmann, JuS 2001, S. 946 (950).

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dass der nationale Gesetzgeber mit Zunahme des grenzüberschreitenden Verkehrs immer mehr

einem „Wettbewerb“ ausgesetzt ist, wichtig. Wenn eine Frage europaweit harmonisiert ist,

können sich europäische Konkurrenten untereinander, obwohl Rechtswahlfreiheit besteht und

Recht somit grundsätzlich abgewählt werden kann, zumindest nicht nationale strengere Regeln

entgegenhalten.

Das EVÜ bildet das Modell für ähnliche Vereinheitlichungsbestrebungen in Nord- und

Südamerika4, worauf im 2. Kapitel genauer eingegangen wird. Es bietet nur wenige Regeln für

das europäische Vertragsrecht, und zwar vor allem für entgeltliche Sach- und Dienstleistungen.

Für den außervertraglichen Bereich bestehen hingegen keine Regeln.5

Die Problematik der stillschweigenden Rechtswahl gewinnt vor dem Hintergrund einer

zunehmenden Internationalisierung der Geschäftsbeziehungen immer mehr an Bedeutung. Sie

ist in der Praxis relevant, da nicht in jedem internationalen Vertrag eine ausdrückliche

Rechtswahl getroffen wird, während aber die Bestimmungen des Vertrages oder die Umstände

des Falles auf einen bestimmten Rechtswahlwillen der Parteien hindeuten mögen.6 Besonders

für die forensisch tätige Anwaltschaft ist die stillschweigende Rechtswahl von erheblicher

Bedeutung.7

Soweit sich aus dem Sachverhalt ein Erklärungstatbestand für eine Rechtswahl entnehmen

lässt, ist zur Ausforschung des realen Willens der Parteien zu klären, worin der Grund für das

Schweigen über eine Rechtswahl liegt: Die Parteien könnten erstens die Verbindung des

Sachverhalts zum ausländischen Recht verkannt haben oder zumindest nicht gewusst haben,

dass sie die Rechtsanwendungsfrage durch Rechtswahl lösen können. Sie könnten es auch

schlicht vergessen haben. Zweitens könnten sie bewusst oder unbewusst geschwiegen haben,

obwohl sie eine Rechtswahl wollten, um sich bezüglich des anwendbaren Rechts nicht festlegen

zu müssen. Sie könnten folglich aus taktischen Gründen geschwiegen haben. Drittens könnte es

sein, dass den Parteien zwar die Auslandsberührung, aber nicht die kollisionsrechtliche

Relevanz einer Rechtswahl bekannt war, sie zumindest nicht von der objektiven Anknüpfung

abweichen wollten. Vielfach erscheint die Einigung über das anwendbare Recht auch als von

vornherein aussichtslos oder die Verhandlungen über eine Rechtswahl sind ganz einfach

gescheitert. Ebenso unterbleibt eine Rechtswahl oft, weil der Vertragsabschluss nicht durch

4 Arroyo, Rev.crit.dr.int.priv. 1995, S. 178 ff.; Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), S. 250 ff.; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), S. 381 ff. 5 Jayme, IPRax 1986, S. 265; Kropholler, S. 60; Martiny/ Witzleb-Drobnig, Europäisches Zivilgesetzbuch, S. 117. 6 Morris, Ch. 13. 7 So auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193).

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Beharren auf der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts gefährdet werden soll und die

Parteien darauf vertrauen, dass alles schon gut gehen werde.8

In dieser Arbeit soll die Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ durch die

französische, englische und deutsche Rechtsprechung einerseits sowie die des Restatements of

Conflict of Laws Second (im Folgenden Restatement Second genannt) im US-amerikanischen

Recht andererseits zum Gegenstand dieser Untersuchung gemacht werden.

Hinsichtlich der amerikanischen Lösungsansätze zur stillschweigenden Rechtswahl erhebt die

Arbeit allerdings nicht den Anspruch, diese umfassend den europäischen rechtsvergleichend

gegenüberzustellen. Ein solches Unterfangen würde den Umfang dieser Arbeit sprengen: Die

diesbezüglichen Lösungsvorschläge sind im amerikanischen Internationalen Privatrecht durch

eine ausgesprochene Vielfalt gekennzeichnet und bieten kein einheitliches Bild9, sondern

zerfallen vielmehr in verschiedene Richtungen.10 Im Folgenden wird daher lediglich das

Restatement Second untersucht und geprüft, unter welchen Umständen die EU-Mitgliedstaaten

bzw. die USA in der Praxis von einer stillschweigenden Rechtswahl ausgehen, und ob bzw.

inwiefern das EVÜ bzw. das Restatement Second hinsichtlich der Regelung der

stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis umgesetzt werden und sie zum gleichen Ergebnis

kommen.

Zugleich wird die rechtliche Einstufung und Behandlung der stillschweigenden Rechtswahl, vor

allem unter dem neuen Gesichtspunkt der europarechtlich veranlassten Änderungen des

internationalen Vertragsrechts, erörtert.

Besondere Aktualität erhielt das Thema jüngst durch das Grünbuch11 über die Umwandlung des

Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende

Recht vom 19. Juni 198012 in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung.

Das Grünbuch wurde von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am

8 Zu den genannten Gründen: Fudickar, S. 2 f.; Mitterer, S. 66 f.; Schack, NJW 1984, 2736; Schulze, S. 43. 9 Juenger, NJW 1973, 1521 (1523 Fn 23); Mühl, S. 22, 31 ff.; Peterson, S. 84 ff.; Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 1999, 327 ff. 10 Vgl. Mühl, S. 22, 31 ff.; Peterson, S. 84 ff.; Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 1999, 327 ff. 11 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 12 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches (Schuld-) Vertragsübereinkommen von Rom, EVÜ) vom 19. Juni 1980, AblEG 1980 Nr. L 266 S. 1= BGBl. 1986 II S. 810; vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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14.1.2003 in Form von 20 kommentierten Fragen vorgelegt. Die Kommission hat in den Fragen

Anregungen formuliert, ansonsten aber Spielraum gelassen. Mit Schreiben vom 30.01.2003 hat

das Bundesministerium der Justiz zu Antworten und Stellungnahmen zum Grünbuch bis zum

15.09.2003 aufgefordert, wovon die deutsche Rechtswissenschaft erheblich Gebrauch gemacht

hat. Ziel des Grünbuchs ist es, sich Informationen zu verschaffen, ob und inwiefern das derzeit

geltende internationale Privatrecht hinsichtlich der Frage des anwendbaren Vertragsrechts in

der Praxis überhaupt Anwendung findet und wo sich Probleme zeigen. Es skizziert den

derzeitigen Stand des internationalen Vertragsrechts in Europa, weist auf Unzulänglichkeiten

des geltenden Rechts hin und stellt mögliche Neuerungen zur Diskussion.

Die im Grünbuch gestellte Frage hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl geht dahin, ob

ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere Definition der stillschweigenden Rechtswahl

enthalten sollte oder – angenommen das Übereinkommen werde in ein

Gemeinschaftsinstrument umgewandelt – durch die Zuständigkeitsübertragung an den

Gerichtshof eine hinreichende Rechtssicherheit gewährleistet wird (Frage 9 im Grünbuch Punkt

3.2.4.).

Die meisten Interessierten13, die eine Stellungnahme abgaben, sprachen sich aus Gründen der

Rechtssicherheit und Stabilität der Rechtsbeziehungen sowie der Erleichterung und Belebung

des Geschäftsverkehrs für die Überlegungen zur Aktualisierung der Vorschriften des

Übereinkommens von Rom sowie deren Umwandlung in ein Gemeinschaftsinstrument aus. Sie

halten eine genauere Definition der stillschweigenden Rechtswahl für erforderlich.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände14 sowie die Handelsverbände15

hingegen lehnen jegliche Einschränkung der Regelung der stillschweigenden Rechtswahl in

Artikel 3 EVÜ und somit auch eine Festlegung von Mindestvoraussetzungen für die Annahme

einer stillschweigenden Rechtswahl ab. Der Deutsche Richterbund schlägt vor, Beispielsfälle

aufzustellen, in denen eine stillschweigende Rechtswahl anzunehmen ist oder auch negative

Beispiele zu nennen.16

13 Vgl. z.B. die Bundesrechtsanwaltskammer; Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg; Österreichische Bundesarbeitskammer; Rechtsanwaltskammer Wien. 14 Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) von Juli 2003. 15 Gemeinsame Stellungnahme des Bundesverbands des Deutschen Gross- und Aussenhandels (BGA), der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH) und des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels zum Grünbuch von Mai 2003. 16 Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Grünbuch von Mai 2003.

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Die Problemfelder der stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis sollen im Folgenden im

Zusammenhang mit den einschlägigen Rechtsmaterien beleuchtet werden, wobei

Lösungsvorschläge angeboten werden.

Die Arbeit ist in 5 Kapitel aufgeteilt:

Im ersten Kapitel wird das Institut der stillschweigenden Rechtswahl unter historischen,

vertragsrechtlichen und europarechtlichen Aspekten untersucht. Dazu wird auf die

stillschweigende Rechtswahl im Allgemeinen eingegangen (Abschnitt A). Die weiteren

Ausführungen beziehen sich auf die Parteiautonomie (Abschnitt B) und die ausdrückliche oder

stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zum hypothetischen Parteiwillen (Abschnitt C). Es

werden zudem die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl herausgestellt (Abschnitt D)

und es wird die stillschweigende Rechtswahl nach den Grundsätzen der Auslegung von

Rechtsgeschäften untersucht (Abschnitt E).

Im zweiten Kapitel werden die sich unter anderem aus dem EVÜ ergebenden, offenen Fragen

bzw. Problempunkte und Besonderheiten im Bereich der Rechtswahl behandelt. Anfangs

erfolgt eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs. 4

iVm Art. 9 EVÜ (Abschnitt A). Dann werden das Fehlen einer Inhaltskontrolle für eine

Rechtswahl (Abschnitt B) sowie die Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog.

Floating choice-of-law clauses) beleuchtet (Abschnitt C). Abschliessend wird die

stillschweigende negative Rechtswahl (Abschnitt D) und die stillschweigende Rechtswahl nach

dem Haager Übereinkommen und der Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem

EVÜ untersucht (Abschnitt E).

Im dritten Kapitel wird die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl behandelt. Der eindeutige

Schwerpunkt wird in diesem Zusammenhang auf der Praxis der EU-Mitgliedstaaten

Deutschland, England und Frankreich zu der stillschweigenden Rechtswahl im internationalen

Vertragsrecht liegen (Abschnitt A). Anhand einer rechtsvergleichenden Auswertung der

französischen, englischen und deutschen Rechtsprechung unter Einbeziehung der jeweiligen

Literatur wird festgestellt, bei welchen Indizien man in der Praxis der jeweiligen

Rechtsordnung zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl gelangt. Es wird zudem

geprüft, ob diese Annahme einerseits mit der gesetzlichen Grundlage des jeweiligen

Vertragsstaates und andererseits mit der Rechtslage in den übrigen Vertragsstaaten des EVÜ

übereinstimmt. Schließlich werden die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der

stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ und ihre Auswirkungen beleuchtet (Abschnitt B).

Folgend wird in einem Exkurs auf die stillschweigende Rechtswahl in der Schweiz als Nicht-

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EU-Mitgliedstaat eingegangen (Abschnitt C). Anschliessend erfolgt eine Zusammenfassung der

Ergebnisse der europäischen Untersuchung, wobei die Ergebnisse in den einzelnen

Vertragsstaaten dargestellt und anschliessend vergleichend bewertet werden (Abschnitt D).

Das vierte Kapitel handelt von der stillschweigenden Rechtswahl in den USA. Ausgehend von

einer kurzen Einführung in das amerikanische Kollisionsrecht (Abschnitt A), werden sowohl

die Entwicklung (Abschnitt B) als auch die Grundsätze der Rechtswahlmethodik nach dem

Restatement of Conflict of Laws Second vor dem Hintergrund der stillschweigenden

Rechtswahl untersucht (Abschnitt C). Danach werden das Ergebnis der US-amerikanischen

Untersuchung und ein Ausblick dargestellt (Abschnitt D).

Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der europäischen und der amerikanischen

Untersuchung zusammenfassend gegenübergestellt und die Schlussfolgerungen im Hinblick auf

die in der Einleitung gestellten Fragen gezogen.

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Erstes Kapitel: Das Institut der stillschweigenden Rechtswahl

A. Die stillschweigende Rechtswahl in der EU

Zunächst soll die stillschweigende Rechtswahl in Europa dargestellt werden. Deshalb wird die

gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl in Europa durch Art. 3 Abs. 1 S. 2

EVÜ sowie die Entstehung und Auslegung des EVÜ untersucht. Es wird hinsichtlich der

Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl durch die Rechtsprechung beispielhaft die

Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich rechtsvergleichend

überprüft. Dabei wird auf die Rechtslage in den verschiedenen Mitgliedstaaten sowohl vor als

auch seit dem Inkrafttreten des EVÜ eingegangen.

I. Die gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen

Vertragsrechts in Europa durch das EVÜ

Das EVÜ schafft in der Europäischen Gemeinschaft einheitliche Kollisionsnormen für

vertragliche Schuldverhältnisse. Es stellt einen äußeren Entscheidungseinklang in der

Europäischen Gemeinschaft her durch das aktive Verändern des Rechts verschiedener

souveräner Staaten, die Beseitigung von Rechtsunterschieden und verfolgt das Ziel, einem

sogenannten “forum shopping“ (der Suche nach einem günstigen Gerichtsstand) vorzubeugen.

Es zeichnet sich durch seinen erga omnes-Charakter aus, Art. 2 EVÜ, das heißt seine Geltung

hängt nicht vom Wohnsitz der betroffenen Personen in einem Vertragsstaat oder deren

Staatsangehörigkeit ab, und setzt das autonome Altkollisionsrecht der Mitgliedstaaten außer

Kraft.17

1. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ gemäss Art. 3 I S. 2 EVÜ

Die stillschweigende Rechtswahl ist auf europäischer Ebene durch Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ

geregelt. Gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ muss die Rechtswahl nach der deutschen Fasssung

des EVÜ „ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des

Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben“.

17 Vgl. dazu Brulhart, S. 90 Nr. 190.; Drobnig, Ein Vertragsrecht für Europa, FS Steindorff, S. 1141 f.; Kost, S. 25; Mankowski, IPRax 1995, 230 (231); Taupitz, S. 2 f.

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2. Die Entstehung des EVÜ

Ausgangspunkt der Entstehung des EVÜ war im Jahre 1967 ein Anliegen Belgiens im Namen

der Regierungen der Benelux-Länder an die Kommission, wonach im Bereich der damaligen

europäischen Gemeinschaft eine vereinheitlichte Kodifizierung der Kollisionsnormen in Bezug

auf vertragliche Schuldverhältnisse vorgenommen werden sollte, um Rechtssicherheit und

Voraussehbarkeit hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen.18 Die Vereinheitlichung

erfolgte weder in Form einer Richtlinie noch einer Verordnung, sondern durch einen

völkerrechtlichen Vertrag.19 Das Übereinkommen wurde von zwei Mitgliedern einer

Expertengruppe, den Professoren Giuliano (Mailand) und Lagarde (Paris) in einem „Bericht“

erläutert, der ebenfalls veröffentlicht wurde.20

Inzwischen ist das EVÜ, das am 1.4.1991 in Kraft trat21, von fast allen EU-Mitgliedstaaten in

innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Nach Art. 27 Abs. 1 EVÜ gilt das EVÜ für das

europäische Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten einschließlich des gesamten Hoheitsgebiets der

Französischen Republik, jedoch nur, soweit die Staaten es ratifiziert haben. Die Vorschriften

des Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, wobei es sich stets

um einen Sachverhalt mit Bezug zum Recht verschiedener Staaten gemäss Art. 1 Abs. 1 EVÜ

handeln muss.22 Da Art. 1 Abs. 1 EVÜ nur einen Bezug zum Recht eines anderen Staates für

die Anwendbarkeit des EVÜ verlangt, ist ein über die Rechtswahl hinausgehender

Auslandsbezug für die Zulässigkeit der Rechtswahl nicht erforderlich.23 Weiterhin wird der

18 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282 S. 4; Firsching, IPRax 1981, 37; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (59); Benelux-IPR Entwurf vom 11.5.1951, abgedruckt bei Makarov, Quellen des IPR, S. 125 f.; MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 10 ff.; North, Essays, S. 29; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 1. 19 Das EVÜ ist heute die einzige Materie im europäischen internationalen Privatrecht, die noch die Form eines völkerrechtlichen Vertrages hat, weshalb unter anderem die Möglichkeit der Umwandlung in ein Gemeinschaftsinstrument in Betracht gezogen wird, vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 20 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282/ S. 1-47; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (59); MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 7. 21 Bekanntmachung vom 12.7.1991, BGBl. 1991 II S. 871; vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 7 ff.; Plender, S. 1. 22 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282 S. 10; Firsching, IPRax 1981, 37 (38); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 2 f.; Kost, S. 14; MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 9, 11; vgl. North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 223; Plender, S. 47; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 12, 61; Schwimann, S. 103 f. 23 So auch schon vor und unabhängig von dem Inkrafttreten des EVÜ: Brulhart, S. 369 Nr. 6 spricht davon, dass die kollisionsrechtliche Rechtswahl nur bei einem internationalen Vertrag möglich ist; vgl. auch Dicey/ Morris, S. 1214; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 2 f., 5; North, S. 3, 9; Plender, S. 47 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 5.

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Anwendungsbereich durch Art. 1 Abs. 2 EVÜ eingeschränkt, der eine Aufzählung von Fällen

enthält, in denen die Vorschriften dieses Übereinkommens nicht anzuwenden sind.24

3. Die Auslegung des EVÜ gemäss Art. 18 EVÜ

Gemäss Art. 18 EVÜ sind die Vorschriften des EVÜ, mithin auch die Bestimmung über die

stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ, in den Vertragsstaaten des EVÜ

einheitlich auszulegen und anzuwenden. Art. 18 EVÜ bestimmt, dass bei der Auslegung eines

internationalen Übereinkommens seinem internationalen Charakter Rechnung zu tragen ist und

die Vorschriften des Übereinkommens mithin bei ihrer gerichtlichen Auslegung nicht mit rein

innerstaatlichen Rechtsvorschriften gleichgesetzt werden können.25

Vor diesem Hintergrund ist die stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ zu

untersuchen.

Der vor allem in Deutschland verwendete und anerkannte Begriff der „stillschweigenden“

Rechtswahl wurde nicht in der deutschen Fassung des EVÜ verwendet. Statt eines

feststehenden Begriffes kodifizierte man eine vermeintlich neutrale Umschreibung

„hinreichende Sicherheit“ in Art. 3 I S. 2 EVÜ, die dann in den verschiedenen sprachlichen

Fassungen des EVÜ – wie sich auch noch anhand einer Untersuchung der Rechtsprechung

herausstellen wird – unterschiedliche Akzentuierungen erfahren hat: Während in Deutschland

eine „hinreichende Sicherheit“ gefordert wird, setzt die englische Fassung eine „reasonable

certainty“ fest und die französische Fassung spricht von „de façon certaine“. Der Wortlaut der

authentischen Fassungen des EVÜ geht bezüglich der „hinreichenden Sicherheit“ auseinander.

Das Bestreben nach einer einheitlichen Rechtspraxis wird dadurch erschwert.26 Als Folge

beurteilen Literatur und Rechtsprechung der verschiedenen Vertragsstaaten die

Voraussetzungen für eine stillschweigende Rechtswahl kontrovers.27

24 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Martiny/ Witzleb-Schwartze, Die Europäisierung des Privatrechts am Beispiel des Kaufrechts, S. 47; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 7 ff. 25 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282 S. 38; so ähnlich auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 ff; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); Plender, S. 49. 26 Anders Mitterer, der der Meinung ist, das Bestreben nach einer einheitlichen Rechtspraxis sei der Grund dafür, dass man statt des feststehenden Begriffes „stillschweigende Rechtswahl“ in das EVÜ eine neutrale Umschreibung wie „hinreichende Sicherheit“ aufnahm, S. 55, diese Ansicht ist jedoch sehr zweifelhaft, denn eine einheitliche Auslegung und Anwendung einer Vorschrift kann schließlich viel einfacher erreicht werden, wenn sich die Vorschrift durch den feststehenden Begriff „stillschweigende Rechtswahl“ auszeichnet als durch angeblich „neutrale Umschreibungen“, die dann aber in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt bzw. ausgefüllt werden. 27 Vgl. unter 3.Kapitel A.I. und 4.Kapitel C.II.3.

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Ausgangspunkt für eine Auslegung des Parteiverhaltens hinsichtlich einer stillschweigenden

Rechtswahl ist grundsätzlich der Wortlaut – soweit vorhanden – der fraglichen Erklärung, um

durch dessen Auslegung den wirklichen Willen der Vertragspartner zu erforschen. In einem

zweiten Auslegungsschritt sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände

mit einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.28 Es gilt

im Rahmen der Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl durch Auslegung primär

herauszufinden, ob die Parteien überhaupt eine Rechtswahl treffen wollten. In einem zweiten

Schritt ist zu untersuchen, welches anwendbare Recht die Parteien, die sich in einer bestimmten

Weise verhalten haben, im Einzelfall wollten.29 Zudem ist der Norminhalt, der sich nach dem

Bedeutungszusammenhang erschließt, sowie die Entstehungsgeschichte und der Sinn und

Zweck der Norm, an die das Verhalten der Parteien rechtlich angeknüpft werden kann, zu

untersuchen.30 Diese Punkte sind bei der Untersuchung der Konkretisierung der

stillschweigenden Rechtswahl durch die Rechtsprechung zu berücksichtigen.

II. Die Rechtslage der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts in

den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich vor dem Inkrafttreten des

EVÜ

1. Die Rechtslage in Deutschland

Das internationale Schuldvertragsrecht war bis zu der Reform im Jahre 1986 gesetzlich nicht

geregelt. Gesetzliche Grundlage des deutschen Internationalen Privatrechts sind seit einer

teilweisen Neukodifikation am 1.9.198631 die Art. 3-38 EGBGB. Während die Art. 27 ff.

EGBGB seit dem 1.9.198632 das deutsche Internationale Schuldvertragsrecht regeln, waren

vorher allein Rechtsprechung und Lehre bestimmend.33

Gemäss Art. 220 Abs. 1 EGBGB gelten die Art. 27 ff. EGBGB auch für die vor dem 1.9.1986

geschlossenen Verträge weiter.34 Die Art. 27-37 EGBGB beruhen auf der Übernahme der Art.

1-21 EVÜ, wenn sie auch dem EVÜ nicht in allen Details entsprechen. Deutschland hatte die

28 BGH NJW-RR 2000, 1002 (1003); Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (38). 29 Abend, S. 258; Lewald, S. 210. 30 Vgl. dazu ausführlich Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 440 ff.; Hassold, FS Larenz, S. 211 (221 ff.); Koch-Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 188 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 300 ff.; MüKo-Mayer-Maly, § 133 BGB Rn. 7; zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge vgl. auch Wiener Vertragsrechtskonvention. 31 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (IPR-Neuregelungsgesetz, IPR-NG) vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I S. 1142; dazu beispielsweise Jayme, IPRax 1986, 265. 32 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (IPR-Neuregelungsgesetz, IPR-NG) vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I S. 1142; dazu beispielsweise Jayme, IPRax 1986, 265. 33 Ebenso: Gunst, S. 35 ff.; Kost, S. 11. 34 Vgl. Gunst, S. 35 ff.; Kost, S. 11.

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Bestimmungen des EVÜ mit gewissen redaktionellen Änderungen somit schon vor ihrem

Inkrafttreten in sein nationales Recht, das EGBGB, übernommen.35

2. Die Rechtslage in England

Das englische Recht baut auf der jahrhundertalten, durch Gerichtsentscheidungen entstandenen

Rechtsfindung auf, dem sogenannten Case Law. Das sogenannte „Statute Law“, als von der

Legislative geschaffenes Recht, hat die Aufgabe, den Normenkomplex des Case Law zu

ergänzen und notwendige Korrekturen vorzunehmen. Das englische „law of contract“ basiert

hauptsächlich auf Rechtsregeln, die seit dem Mittelalter bekannt sind. Es unterscheidet sich

vom deutschen „Vertragsrecht“ insoweit, als es festgelegte, normierte Vertragstypen oder

Schuldverhältnisse überhaupt nicht gibt.36

3. Die Rechtslage in Frankreich

Auch wenn das französische Internationale Privatrecht zunehmend von internationalen

Übereinkommen geprägt wird, so ist es fast ausschließlich Richterrecht.37 Die französische

Rechtsprechung kann eine Rechtswahlvereinbarung nur zulassen, solange dem nicht eine

staatsvertragliche Kollisionsnorm entgegensteht und der Sachverhalt eine Auslandsberührung

aufweist, es sich um einen internationalen Vertrag handelt.38 Diese Forderung wird

hauptsächlich auf die Entscheidung der Cour de Cassation vom 28.5.1963 in dem Rechtsfall

Société les Films Roger Richebé contre Société Roy Export Company Establishment et Charlie

Chaplin39 gestützt.40

Was die französische Rechtspraxis vor Inkrafttreten des EVÜ anbelangt, so ist der Code Civil

von Bedeutung. Dieser regelt zwar die Verträge als wichtigstes Rechtsgeschäft, unterscheidet

aber nicht bei dem Rechtsgeschäftswillen zwischen Handlungswille, Erklärungsbewusstsein

und Geschäftswille. Vielmehr differenziert das französische Recht zwischen der ausdrücklichen

35 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Gunst, S. 35 ff.; Jayme, IPRax 1986, 265; Kost, S. 11. 36 Graf von Bernstorff, S. 9 (45 ff.). 37 Hartenstein, IPRax 2001, 478; vgl. auch Hübner/ Constantinesco, S. 268. 38 Batiffol/ Lagarde, S. 430; Batiffol, Contrats, S. 65; Boughaba, S. 32 ff.; Francescakis, Rép. de dr.int. (Encyclopédie Dalloz), 472 ff.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282, S. 260; dazu Kaczorowska, Revue de Droit International et de Droit Comparé 72 (1995), 204 ff.; Kassis, S. 15 ff.; Niboyet, Traité, S. 54. 39 Cass.civ. 28.5.1963, Société les Films Roger Richebé c. Société Roy Export Company Establishment et Charlie Chaplin, J.D.I. (Clunet 90) 1963, 1004, note Goldman, Rev.crit.dr.int.priv. 1964, 513, note Loussouarn. 40 Vgl. Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282, S. 261.

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Willenserklärung – „manifestation expresse“ – und der stillschweigenden Erklärung –

„manifestation tacite“.41

Eine Einigung zwischen Vertragsparteien kann generell ausdrücklich oder implizit erfolgen.42

Wenn die Einigung bezüglich einer Rechtswahl nicht ausdrücklich erklärt wurde, kann sie sich

aus den Umständen des Falles ergeben.43 Falls die Parteien das auf den Vertrag anwendbare

Recht nicht ausdrücklich und auch nicht stillschweigend gewählt haben, wird es ihrer

vermuteten Absicht entsprechend bestimmt („volonté présumée“).44 Die Gerichte erforschen

den Willen der Parteien anhand der Umstände des Falles. Dies wird als Konsequenz der

Parteiautonomie angesehen.45 Die Abgrenzung ist allerdings umstritten und nicht eindeutig:

Während die „subjektive“ Theorie sich primär an der Intention des Handelnden orientiert, stellt

die „objektivistische“ Ansicht auf das auslegungsfähige Verhalten ab.46 In der französischen

Rechtsprechung und Lehre ist die „subjektive“ Ansicht vorherrschend, da der Parteiwille und

die Parteiautonomie bei der Entstehung des Codes Civil sehr bedeutsam waren.47 Will man den

Parteiwillen in Bezug auf die stillschweigende Rechtswahl der Parteien bezüglich ihres

Vertrages genau deuten, müssen folglich mehrere Behauptungen untersucht werden.48

Festzuhalten bleibt, dass eine Rechtswahl im französischen Internationalen Privatrecht keine

Bindungswirkung hat und den Parteiinteressen nur Rechnung getragen wird, wenn diese auf die

lex fori abzielen und der Richter nicht von seinem Recht Gebrauch macht, trotz des Schweigens

ausländisches Recht anzuwenden oder sich über eine ausdrückliche Einigung der Parteien zum

anwendbaren Recht hinwegzusetzen.49 Allerdings ist ihm dies im Anwendungsbereich des EVÜ

inzwischen nicht mehr möglich, da Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ Vorrang hat.

Zudem galten in Frankreich für vertragliche Schuldverhältnisse bis zum Inkrafttreten des EVÜ

am 1.4.1991 von der Rechtsprechung herausgebildete Grundsätze. Das EVÜ wurde schon vor

seinem Inkrafttreten für Frankreich in einigen französischen Entscheidungen angewandt. Im

41 Vgl. Arminjon, S. 147 ff.; Recueil Le Dalloz 2002, n° 2, 214 f.; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 42 Siehe beispielhaft Arminjon, S. 147; Batiffol, Contrats, S. 26; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f.; Recueil Le Dalloz 2002, n° 2, 214 f. 43 Batiffol, Contrats, S. 26; Boughaba, S. 36; Koch, S. 83 ff.; Leschallier de Lisle, S. 15; so auch Mezger, AWD 1974, 377 ff. 44 Vgl. Barbey, S. 230 f.; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 19 f.; Leschallier de Lisle, S. 15 f.; ähnlich auch Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 45 Barbey, S. 230 f.; Batiffol, Contrats, S. 26; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 19 f.; Leschallier de Lisle, S. 15 f.; so ähnlich auch Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 46 Zum Streitstand: vgl. Barbey, S. 234 ff.; Boughaba, S. 36f; Deby-Gérard, S. 228; Koch, S. 159; Mitterer, S. 33 f. 47 Barbey, S. 236 ff. 48 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; vgl. auch Kassis, S. 347. 49 Batiffol, Contrats, S. 75 ff., 163; ders., Affirmation, S. 220 ff.; Batiffol/ Lagarde, S. 468 ff.; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 80 (1991), 287.

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Jahre 1986 wandte beispielsweise die Cour d`appel Paris50 das EVÜ bereits vor Inkrafttreten

an. Da das Urteil allerdings nach altem Recht zu derselben Lösung geführt hätte, ist es nicht

sehr aussagekräftig.51 Im Jahre 1988 wandte die Cour d`appel Douai52 Art. 4 EVÜ vor

Inkrafttreten an. Schließlich wurden die Bestimmungen des EVÜ in einem Urteil der Cour

d`appel Versailles v. 6.2.199153 vor Inkrafttreten des EVÜ angewandt. In diesem Rechtsfall

handelte es sich um eine Bürgschaft. Die Cour d`appel berief sich auf die Ausweichklausel des

Art. 4 Abs. 5 EVÜ und kam damit auf dem Umweg über die Ausweichklausel zur alten, vom

EVÜ missbilligten Lösung.

Dieses Beispiel zeigt, dass die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ eine

Ausnahme bleiben muss, um der neuen Rechtslage nach dem EVÜ zu entsprechen.54 Die drei

Urteile belegen, dass eine vorweggenommene Akzeptanz des EVÜ vor den französischen

Gerichten bestand und das EVÜ in der französischen Rechtsprechung schon vor seinem

Inkrafttreten als maßgeblich angesehen wurde.55

III. Die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts in den EU-

Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich seit dem Inkrafttreten des EVÜ

1. Die Rechtslage in Deutschland

Deutschland ist seit dem 1.4.1991 völkerrechtlich zu der Anwendung des EVÜ verpflichtet.56

Um die von Art. 18 EVÜ geforderte einheitliche Auslegung der kollisionsrechtlichen

Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, sind die Art. 27-37 EGBGB autonom, das

heißt „aus dem Übereinkommen selbst heraus“, losgelöst von den Regeln des nationalen Rechts

auszulegen.57 Eine einheitliche Auslegung ist vor allem wichtig, da nicht ausgeschlossen

werden kann, dass die dem EuGH zugewiesenen Befugnisse in Zukunft geändert werden.58

Da das EVÜ der unmittelbaren Anwendung vor staatlichen Gerichten fähig ist („self-

executing“), hätte es insofern einer nationalen Kodifizierung des deutschen Internationalen

50 Cour d`appel de Paris v. 27.11.1986, Rev.crit.dr.int.priv. 1988, 314, Anm. A. Lyon-Caen. 51 Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 103. 52 Cour d`appel Douai v. 13.7.1988, J.D.I. (Clunet 117) 1990, 403, Anm. Jacquet. 53 Cour d`appel de Versailles v. 6.2.1991 - Bloch c. Lima SPA, Recueil Dalloz Sirey 1992, 1, 174, Anm. Mondolini; Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 745, Anm. Lagarde; J.D.I. (Clunet 119) 1992, 125, Anm. Foyer. 54 Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 104. 55 Vgl. Franzen, IPRax 1999, 278 (280); Jayme/ Kohler, IPRax 1985, 65 ff. (68); Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101 ff. 56 Bekanntmachung vom 12.7.1991, BGBl. 1991 II S. 871. 57 Vgl. Gunst, S. 36; Hartenstein, Die Privatautonomie, S. 6; von Hoffmann, IPRax 1984, S. 10; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 14 ff. 58 Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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Vertragsrechts nicht bedurft. Der deutsche Gesetzgeber hat hier allerdings einen „Sonderweg“

eingeschlagen: In Art. 1 Abs. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 25.7.1986 hat er

nämlich – völkerrechtlich fragwürdig59 – angeordnet, dass das EVÜ „innerstaatlich keine

unmittelbare Anwendung findet“. Stattdessen hat er den Übereinkommenstext in das EGBGB

inkorporiert und in Art. 36 EGBGB die Auslegung des EGBGB an die des EVÜ gebunden.60

Der deutsche Gesetzgeber hoffte, durch die Inkorporationslösung den Richtern die tägliche

Arbeit zu erleichtern.61

2. Die Rechtslage in England

In England ist das EVÜ durch den Contracts (Applicable Law) Act 1990 (c.36)62 zum 1.4.1991

in Kraft gesetzt worden und diesem Gesetz als Schedule 1 beigefügt. Der Contracts (Applicable

Law) Act ist am 26.7.1990 verabschiedet worden und hat drei Übereinkünfte des EVÜ-

Komplexes, nämlich das EVÜ 1980, das EVÜ 1984 und das erste Protokoll über die Auslegung

des EVÜ durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in das Recht Englands übernommen.63

Die Ratifikation erfolgte mit den Vorbehalten, Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. e EVÜ nicht

anzuwenden.64 Außerhalb Englands ist das EVÜ auf europäischem Gebiet für das gesamte

Vereinigte Königreich (Art. 27 Abs. 2 lit. b EVÜ) und Gibraltar anwendbar.65 Außerhalb des

Anwendungsbereichs des EVÜ gilt in England das Common Law, das weit zu verstehen ist und

das gesamte „englische Recht“ erfasst.66

3. Die Rechtslage in Frankreich

Das am 1.4.1991 in Kraft getretene EVÜ gilt seitdem auch für Frankreich und verdrängt fast

vollständig die alte Rechtsprechung des Schuldvertragsrechts. Es ist auf Verträge anzuwenden,

die nach dem 1.4.1991 geschlossen worden sind. Frankreich hat bei der Ratifikation am

10.11.1983 weder Vorbehalte eingelegt noch besondere Ausführungsbestimmungen erlassen

und auch nicht das EVÜ in sein nationales Kollisionsrecht überführt. Daher gilt das bisherige

autonome französische Internationale Privatrecht formal betrachtet neben dem EVÜ weiter. Sie

59 Völkerrechtlich fragwürdig deshalb, weil der deutsche Gesetzgeber den Übereinkommenstext in das EGBGB inkorporiert und in Art. 36 EGBGB die Auslegung des EGBGB an die des EVÜ gebunden hat, so dass die Situation in Deutschland so ist, als ob das EVÜ direkt gelten würde. 60 Gunst, S. 36; Hartenstein, Die Privatautonomie, S. 6; von Hoffmann, IPRax 1984, 10; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 14 ff. 61 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37. 62 Contracts (Applicable Law) Act 1990 (The Public General Acts and General Synod Measures 1990-II, c. 36, S. 1899); ABl. EG 1991 Nr. C 52/ 1; zum EVÜ allgemein vgl. North/ Fawcett, S. 459 ff.; Dicey/ Morris, S. 1191 ff. 63 Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (358); Kaye, S. 31; North, Essays, S. 23 f.; Plender, S. 195 ff. 64 Bekanntmachung v. 12.7.1991, BGBl. 1991 II 871. 65 Bekanntmachung v. 12.1.1995, BGBl. 1995 II 132, die Vorbehalte zu Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. e EVÜ gelten insoweit nicht. 66 Graf von Bernstorff, S. 3.

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unterscheiden sich jedoch nicht gravierend. Schließlich ist das EVÜ vor allem deshalb in

Frankreich relativ positiv aufgenommen worden, weil es in hohem Maße die bereits geltenden

französischen Lösungen bestätigte.67

B. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie

Aufgrund des im Kollisionsrecht herrschenden Prinzips der Parteiautonomie, das eine

uneingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit der Parteien bedeutet, können diese jedes beliebige

Recht wählen. Im folgenden Abschnitt wird die Parteiautonomie eingehend untersucht, da sie

die Basis für die Rechtswahl der Parteien darstellt.

Das Prinzip der Parteiautonomie und damit Rechtswahlfreiheit ist heute international – sowohl

in den Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten wie auch in anderen Rechtsordnungen – fast

einhellig anerkannt68 und fördert die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts. Es wird

hauptsächlich damit gerechtfertigt, dass es sowohl den Partei- und Verkehrsinteressen als auch

der freien Entfaltung der Persönlichkeit dient und internationale Rechtsbeziehungen fördert

bzw. erleichtert, da es die dafür erforderliche Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit

schafft.69

Auch die EG-Grundfreiheiten gewähren den Parteien eines Vertrages das Recht, das auf den

Vertrag anwendbare Zivilrecht autonom festzulegen.70 Der EuGH hat selbst in einem Urteil v.

24.1.199171 das internationale Vertragsrecht und den Grundsatz der Parteiautonomie bestätigt.

I. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie nach dem

EVÜ

Der Grundsatz der Parteiautonomie ist auch einer der wichtigsten Grundsätze des EVÜ (Art. 3

EVÜ).72

Im Gegensatz zu Anknüpfungen nach objektiven Gesichtspunkten (Art. 4 EVÜ), wie dem

Vertragsschwerpunkt, dem Ort, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, dem Ort des

68 So auch Fudickar, S. 1; Giuliano, Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, S. 217 (220); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; Kassis, S. 347; Kaye, S. 147; Lando, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 128; Niboyet, Traité, S. 37; Plender, S. 88 f.; Roth, Int. VersR, S. 433. 69 Abend, S. 284; Andrae/ Fincke, S. 15; vgl. Junker, IPRax 1993, 1 (2); Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 (644); Mincke, IPRax 1985, 313 ff.; Reithmann/ Martiny, S. 56; Roth, Int. VersR, S. 434 f.; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (305); Simitis, JuS 1966, 209 ff.; Steiner, S. 13. 70 Roth, VersR 1993, 129 (132, 133). 71 Rs. C-339/ 89, Alsthom Atlantique s.a. c. Compagnie de construction mécanique Sulzer s.a., Journal des Tribunaux 1991, 350. 72 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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Vertragsschlusses, der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz einer Partei schafft die

Parteiautonomie als subjektive Anknüpfung Sicherheit über das anwendbare Recht, da die

Parteien das maßgebende Recht im Voraus kennen und sich auf dieses Wissen verlassen

können.73 Die Anerkennung der Parteiautonomie kommt dem Interesse der Parteien nach

Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendungsentscheidung mithin sehr entgegen.74

Rechtswahlfreiheit ist zudem unverzichtbar, um die aus der Internationalität einer

Vertragsbeziehung erwachsenden Risiken zu verringern und gleichzeitig grenzüberschreitende

Geschäfte zu unterstützen.75 Objektive Anknüpfungen können den grenzüberschreitenden

Verkehr hingegen unter Umständen erheblich belasten. Viele zeugen nämlich bis heute von

einer gewissen Unschärfe, Starrheit und Hilflosigkeit, weichen in den einzelnen Ländern sehr

stark voneinander ab und sind teilweise zu flexibel, was zu Unsicherheit führt. Subjektive

Anknüpfungen hingegen vermitteln eine größere Lebensnähe und Anschaulichkeit und damit

eine größere Sicherheit der Entscheidung. Es ist wichtig, dass die Parteien von Anfang an

wissen, welches Recht anwendbar ist. Mithin verdankt die Parteiautonomie ihre weltweite

Anerkennung nicht zuletzt den Unzulänglichkeiten einer objektiven Anknüpfung.76

Art. 3 Abs. 1 EVÜ, in dem das Prinzip der Rechtswahlfreiheit auf europäischer Ebene verankert

ist, schreibt vor, was in den EG-Staaten Deutschland, England und Frankreich bereits feste

Praxis ist.77 Da es sich bei Art. 3 EVÜ um eine „allseitige“78 Kollisionsnorm handelt, können

die Parteien jedes beliebige staatliche Recht wählen, mithin auch das von Nichtvertragsstaaten

(vgl. Art. 2 EVÜ).

73 Ebenso: von Bar, IPR Bd. 2, Rn. 413; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; so ähnlich Neuhaus, S. 264; Roth, Int. VersR, S. 434 ff.; Schulze, S. 22 ff., 60; Steiner, S. 13; Umbricht, S. 51 f., 79, 94 f.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4 f.); Wolff, S. 143. 74 Roth, Int. VersR, S. 436; in diesem Sinne auch Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 211. 75 Vgl. auch Abend, S. 284; Andrae/ Fincke, S. 15; vgl. Junker, IPRax 1993, 1 (2); Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 (644); Mincke, IPRax 1985, 313 ff.; Reithmann/ Martiny, S. 56; Roth, Int. VersR, S. 434 f.; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (305); Simitis, JuS 1966, 209 ff.; Steiner, S. 13. 76 Vgl. von Bar, IPR Bd. 2, Rn. 413; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; so ähnlich Neuhaus, S. 264; Roth, Int. VersR, S. 434 ff.; Schulze, S. 22 ff., 60; Steiner, S. 13; Umbricht, S. 51 f., 79, 94 f.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4 f.); Wolff, S. 143. 77 Vgl. dazu: RGZ 108, 241, 243, 120, 70, 72; BGHZ 52, 239 (241), 53, 189 (191); Andrae/ Fincke, S. 16 f.; Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (64); vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 155 (160) (1993); Mann, JZ 1962, 6; Mincke, IPRax 1985, 313; Reithmann/ Martiny, S. 57; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (306); Siehr, FS Keller, S. 485 (487). 78 Vgl. von Bar, IPR Bd. 1, Rn. 17; Ost, S. 113.

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II. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in den

Vertragsstaaten

1. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Deutschland gemäss Art.

27 EGBGB

Das Prinzip der Rechtswahlfreiheit gilt im deutschen Internationalen Privatrecht im

Schuldvertragsrecht seit Ende des 19. Jahrhunderts.79 In Art. 27 EGBGB, der auf Art. 3 EVÜ

beruht, wird der Grundsatz der Parteiautonomie und damit der Rechtswahlfreiheit im deutschen

Internationalen Privatrecht gesetzlich geregelt. Danach haben die Parteien die Möglichkeit, bei

der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen ein bestimmtes Recht als maßgebliche Rechtsordnung

zu vereinbaren.80

2. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in England

Auch in England wird die Befugnis der Parteien zur vertraglichen Festlegung des anwendbaren

Rechts im Grundsatz anerkannt.81

a) Entwicklung der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie

Spätestens seit dem Jahre 1865 beruft sich die englische Rechtsprechung auf den Parteiwillen.82

Die Parteiautonomie wurde von den englischen Gerichten als Basis der Rechtswahl im

Vertragsrecht entwickelt.83 Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1760 wurde das Prinzip

der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in einem obiter dictum von Lord Mansfield

(Robinson v. Bland)84 angedeutet. Damit geht die subjektive Vertragsanknüpfung im englischen

Internationalen Privatrecht auf die berühmte „opinion” zurück, die Lord Mansfield in diesem

Urteil abgegeben hat. Allerdings wurde durch dieses Urteil zunächst nur die Anknüpfung an

den hypothetischen Parteiwillen in das englische Kollisionsrecht eingeführt.85 In einer

Entscheidung aus dem Jahre 1865 wurde das Prinzip der Parteiautonomie dann deutlicher

79 RGZ 4, 242; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160); vgl. auch Brulhart, S. 20 Nr. 45. 80 Andrae/ Fincke, S. 14, 20; v. Hoffmann, S. 368; Junker, IPRax 1993, 1 f.; Kropholler, S. 409; Mitterer, S. 3; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 55; Steiner, S. 15. 81 In diesem Sinne auch Plender, S. 89; Roth, Int. VersR, S. 434. 82 Lloyd v. Guibert (1865), L. R. 1, Q. B. 115, vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160); vgl. auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 83 James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates Ltd., (1970), 1 All ER 796 (798); Re Helbert Wagg & Co., Ltd., (1956) 1 All E.R. 129 (135 f.); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society, Ltd., (1937) 4 All E.R. 206 (214); Peninsular & Oriental Steam Navigation Co. v. Shand, (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; Dicey/ Morris, S. 1188; Nishitani, S. 260 f.; Schmitthoff, S. 105. 84 96 Eng. Rep. 141 (K.B. 1760); dazu: Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 102 ff.; Dicey/ Morris, S. 1188; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Schmitthoff, S. 106. 85 Vgl. Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 103; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; siehe auch Wolff, Private International Law, S. 423.

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hervorgehoben, um im berühmten Urteil der Missouri Steamship Company86 schließlich

ausdrücklich anerkannt zu werden. Jedoch herrschte in England die Tendenz, den Parteiwillen

bei internationalen Verträgen nur als ein Element unter anderen in der Suche nach dem „proper

law of the contract” zu bewerten.87 Der im englischen Kollisionsrecht vor Einführung des EVÜ

gebräuchliche Ausdruck „proper law of the contract” wurde allgemein im Sinne des

Vertragsstatuts verwendet. Er bezog sich auf das Recht, das die Parteien ausdrücklich oder

stillschweigend anwenden wollten.88 Ferner ist im Jahre 1865 die objektive Verweisung auf den

Abschlussort in Bezug auf internationale Verträge durch die zwei Entscheidungen P. & O.

Steam Navigation Co. v. Shand89 und LLoyd v. Guibert90 zugunsten der subjektiven Verweisung

aufgehoben worden.91

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die englischen Gerichte bei der

Vertragsanknüpfung nach dem wirklichen kollisionsrechtlichen Parteiwillen zu fragen. Im

Urteil Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery92 aus dem Jahre 1894 scheint zum ersten Mal eine

wirkliche Rechtswahl für die Vertragsanknüpfung maßgeblich gewesen zu sein: Es wurde von

einer Schiedsklausel, die der Vertrag enthielt, auf einen wirklichen Parteiwillen geschlossen.

Obwohl die objektiven Anknüpfungspunkte auf eine andere Rechtsordnung wiesen, wurde dem

von den Parteien gewählten Recht der Vorrang eingeräumt.

In dem Urteil von 1921 British Controlled Oilfields v. Stagg93 wurde der ausdrücklichen

Rechtswahl dann grosse Bedeutung eingeräumt: Eine kanadische Gesellschaft mit

Zweigniederlassung in London und ein Ecuadorianer hatten in New York einen Kaufvertrag

abgeschlossen mit folgender Klausel: „It is agreed that…..this agreement….shall be considered

and held to be one duly made and executed in London, England.” Der Richter94 sah in der

Klausel den klaren Ausdruck des auf die Wahl englischen Rechts gerichteten Parteiwillens,

obwohl der Sachverhalt keine wesentliche Berührung mit England aufwies.95 Da es kaum Fälle

gibt, in denen eine Partei versucht hat, das Prinzip der Parteiautonomie abzulehnen, scheint mit

86 (1889) L.R. 42 Ch.D., 321; ähnlicher Sachverhalt in Jones v. Oceanic Steam Navigation Co. (1924) 2 K.B. 730. 87 In diesem Sinne Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103; Schmitthoff, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, Fn 34. 88 Vgl. Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938 A.C. 224; 1937 4 All E.R. 206, P.C.); North/ Fawcett, S. 458 f.; Collier, S. 143; Dicey/ Morris, S. 1189; Nishitani, S. 270. 89 (1865) 3 Moo. P.C.N.S., 272, 16 ER 103, 110; dazu: Morris/ North, S. 431 ff. 90 (1865) L.R. 1 Q.B., 115, 6 B & S 100 (Exchequer Chamber); dazu: Morris/ North, S. 433 ff. 91 Lando, S. 14 f.; Morris, Ch. 13 Fn 2; Nishitani, S. 261. 92 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110.93 Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup.Ct. 1921); vgl. dazu auch Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 109 ff.; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 88 f. 94 Richter Sargant: “..difficulties might have arisen which it is obviously the design of the parties to set a rest.” 95 Vgl. Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup.Ct. 1921); vgl. dazu auch Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 109 ff.; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 88 f.

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der Sicherheit und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, die eine ausdrückliche

Rechtswahl mit sich bringt, allgemeine Zufriedenheit zu herrschen.96 Zumindest scheint

England als erster Staat unter den Gerichten die Parteiautonomie auch tatsächlich konsequent

angewandt zu haben.97

b) Schranken der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie

Lange Zeit fanden sich im englischen Recht keine festgelegten Schranken der Parteiautonomie.

Erst im Jahre 1939 wurde durch die für den Privy Council abgegebene „opinion” von Lord

Wright erstmals im Urteil Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.98 ausdrücklich

Stellung zu diesem Problem bezogen. Seitdem fand sich als Schranke der Parteiautonomie im

englischen Recht die Bestimmung, dass die Rechtswahl „bona fide and legal”99 sein musste.

Das bedeutete im Endeffekt, dass ein vernünftiges Interesse dafür bestehen musste, nicht

zwingend aber eine Beziehung tatsächlicher, räumlicher Art. Durch diese Entscheidung ist

insbesondere die Verweisungsfreiheit der Parteien – nach der sogenannten subjektivistischen

Auffassung – in der englischen Rechtsprechung verankert worden.100 Auch die darauf

folgenden Entscheidungen der Gerichte101 nahmen auf die Schranken der Parteiautonomie

Bezug. Inzwischen wurde die „bona fide and legal”-Schranke der Parteiautonomie aus dem

damaligen Urteil Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.102 im englischen Recht durch

Art. 3 Abs. 3 EVÜ ersetzt. Danach darf von den „zwingenden Bestimmungen” des Rechts des

Staates nicht abgewichen werden, „in dem alle anderen Teile des Sachverhalts im Zeitpunkt der

Rechtswahl belegen sind”. Diese Beschränkung der Rechtswahlfreiheit ist insofern

96 Vgl. z.B. Koninklijke Zwavelzuurfabrieken V/ H Ketjen N.V. v. D.A. and D.D. Psychoyos, Piraeus (The “Metamorphosis”) (1953) 1 W.L.R., 543 (549); Cheshire/ North, S. 205 ff.; Collier, S. 147; Libling, Mod.L.Rev. 42 (1979), 169 (172 f.); Morris, S. 214 ff.; Pierce, Mod.L.R. 50 (1987), 176 f.: “It is almost conventional to commence a discussion of English choice of law rules in contract by describing them as “well settled””; Thomson, Mod.L.Rev. 43 (1980), 650. 97 Pierce, Mod.L.R. 50 (1987), 177: “But among courts it seems the English were first to apply the theorie on a consistent basis”, “But it is England which is widely regarded as the ancestral home of party autonomy and no principle of English private international law has been expressed so often”; Wolff, Private International Law, S. 418 f. 98 (1939) A.C. 277 (290) (P.C.); (1939) 1 All ER 513; dazu: North/ Fawcett, S. 480; Dicey/ Morris, S. 1212, 1213; Graveson, Cases on Conflict of laws, S. 299 ff.; dazu Hoyle, S. 219; Lando, S. 16; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Morris, Cases on private international law, S. 268 ff.; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 443 ff.; North, S. 111 ff.; Plender, S. 89; Schmitthoff, S. 115; dazu: BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 99 Vgl. North/ Fawcett, S. 480; Collier, S. 147; Dicey/ Morris, S. 1189, 1213; Hoyle, S. 219; Jaffey, S. 143; Lando, S. 16; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 93 ff.; Morris, Ch. 13; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 178 ff.; Plender, S. 89; Schmitthoff, S. 110; Umbricht, S. 134 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 12; Wolff, Private International Law, S. 425 f. 100 Collier, S. 144; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Nishitani, S. 261; Schmitthoff, S. 107; BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 101 So z.B. Re Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D., 323 (340); James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583 (603); The Hollandia (1982) 2 W.L.R., 556; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50, 61. 102 Vgl. vorne: (1939) A.C. 277, 290 (P.C.); (1939) 1 All ER, 513; dazu: Giuliano, Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, 217 (222); Morris/ North, S. 443 ff.

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vorteilhafter, als sie nicht von den Motiven der Parteien abhängt, sich nicht über ihre

Rechtswahl bei Nicht-„zwingenden Bestimmungen” hinwegsetzt, weniger restriktiv ist und

mehr Sicherheit bietet.103

3. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Frankreich

Art. 1134 Abs. 1 Code Civil kodifiziert die Privatautonomie im französischen Recht und ist

damit die Basis des französischen Vertragsrechts.104 Die auf der autonomie de la volonté

beruhende liberté contractuelle bezieht sich sowohl auf die Abschlussfreiheit wie auch auf die

Inhaltsfreiheit von Verträgen. Die Begrenzung der Parteiautonomie im internationalen

Vertragsrecht ist in Frankreich der Rechtsprechung überlassen.105

Am 5. 12. 1910 hat der Chambre Civile der Cour de Cassation mit dem „American

Trading”-Urteil106 erstmalig die Rechtswahl im Vertragsrecht zugelassen und damit die

Parteiautonomie umfassend anerkannt. Dieser Anerkennung der Parteiautonomie folgten

allerdings lange Zeit Zweifel, die an heftiger Kritik seitens französischer Autoren gelegen

haben könnten.107 Mailher de Chassat kritisierte im Jahre 1841 die Parteiautonomie und vertrat

die Ansicht, der grösste Fehler dieser Theorie sei, dass man den Zweck des Rechts missachte,

der darin liege, jegliche Interessen zum allgemeinen Vorteil zu bestimmen, ungeachtet aller

individueller Wünsche. Stattdessen stehe der Wille einer einzelnen Person über dem Recht, eine

vermutete Absicht der Parteien sei der Herrscher des Rechts und die öffentlichen Interessen

seien null und nichtig.108 Die Rechtswahl im Vertragsrecht wurde jedoch dann im „Messageries

Maritimes”-Urteil vom 21. Juni 1950109 präzisiert und im Jahre 1959 im „Fourrures Renel”-

103 Allgemein zu Art. 3 Abs. 3 EVÜ: Jaffey, S. 149; vgl. auch Kaye, S. 148; North/ Fawcett, S. 480 ff.; Plender, S. 101. 104 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 18, 19; Géraud de la Pradelle, S. 156; Jamin, Recueil Le Dalloz 2002, n° 11, 901 ff.; Kassis, S. 347 ff.; Leschallier de Lisle, S. 32, 162; Niboyet, S. 601; ders., Traité, S. 51 ff.; vgl. auch Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am.J.Comp.Law 1952, 341, 342. 105 Vgl. Boughaba, S. 34 ff.; vgl. auch Hübner/ Constantinesco, S. 272; Kassis, S. 347 ff.; Leschallier de Lisle, S. 32, 162; Niboyet, S. 601; ders., Traité, S. 51 ff.; Schaack, S. 89. 106 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. de dr.int.priv. et de dr. pénal int. 1911, 395; Ancel/ Lequette, S. 83-90; dazu: Batiffol, Affirmation, S. 219; ders., Traité, S. 618; Deby-Gérard, S. 227 ff.; Géraud de la Pradelle, S. 156 f.; Giuliano, in : Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 256; ders., Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, 217 (220); Jacquet, S. 23 ff.; Lando, S. 17; Toubiana, S. 4; BT-Drucks. 10/ 503, S. 47. 107 Vor Einführung des Parteiwillens zur Bestimmung des anwendbaren Rechts galt für Rechtsgeschäfte das Recht des Abschlussorts: „Locus regit actum”. Heute ist diese Regel nur noch für die Form bedeutsam, jedoch nicht zwingend seit Cass. v. 20.7.1909, D.P. 1911 I, 185. 108 Vgl. dazu: Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160). 109 Cass.civ. - 21.6.1950 (Messageries Maritimes), J.D.I. (Clunet 77) 1950, 1196 ff., dazu: Batiffol, Traité, S. 619; Deby-Gérard, S. 184 ff.

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Urteil110 ausgeweitet. In der Folgezeit übernahmen alle französischen Gerichte die Formel der

Cour de Cassation.111

Allerdings taucht in der Lehre112 die Frage auf, ob in diesem Entscheid tatsächlich die

kollisionsrechtliche Parteiautonomie und nicht bloß die materiellrechtliche Parteiautonomie

anerkannt wurde. Im Unterschied zu der Rechtsprechung erkennt die französische Lehre das

Prinzip der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie nicht einhellig an.113

Die Freiheit der Rechtswahl nach dem französischen Internationalen Privatrecht wurde aber

durch das EVÜ kodifiziert. Insofern ist das EVÜ dem bis dahin geltenden französischen

Kollisionsrecht sehr ähnlich.114

Bis zur Einführung des EVÜ wurde – und ausserhalb des Anwendungsbereichs des EVÜ wird –

die Berücksichtigung der Parteiinteressen im französischen Kollisionsrecht zweifach

eingeschränkt: Erstens können die Parteien das anwendbare ausländische Recht nur zugunsten

der lex fori und nicht zugunsten einer anderen ausländischen Rechtsordnung abwählen.115

Zweitens konnte der Richter in Frankreich entgegen den Parteiinteressen handeln, indem er von

seinem Recht Gebrauch machte, trotz des Schweigens ausländisches Recht anzuwenden.116

Problematisch ist dabei, inwiefern sich die fehlende Bindung des Richters an den Parteiwillen

im französischen Internationalen Privatrecht mit der Parteiautonomie vereinbaren lässt. Die

Ausgestaltung der Parteiautonomie wurde in Frankreich entscheidend durch die vor dem

Inkrafttreten des EVÜ von Batiffol entwickelte „théorie de localisation” geprägt, die die

Parteiautonomie als solche überhaupt nicht anerkannte.117 Danach war maßgeblich, in welcher

Rechtsordnung die Parteien den Vertrag durch Festlegung des Erfüllungsortes, des

Abschlussortes, der Währung oder Ähnliches lokalisiert hatten. Es sollte das Recht zur

Anwendung kommen, welches die realsten Verbindungen zu dem ständigen Interesse der

110 Ancel/ Lequette, S. 275 ff.; Deby-Gérard, S. 235; Lyon, 21-3-1973: J.D.I. (Clunet 101) 1974, 345, note Kahn; Cass.civ. - 29-10-1974: J.D.I. (Clunet 102) 1975, 314, Anm. Fouchard. 111 Kassis, S. 347 ff.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101; vgl. auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160). 112 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 29 ff.; ders., Affirmation, S. 219 ff.; ders., Contrats, S. 72 ff.; Jacquet, S. 27; vgl. Meierhof, S. 121; Niboyet steht der Parteiautonomie sehr kritisch gegenüber, vgl. Niboyet, Traité, S. 36 ff. 113 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 29 ff.; ders., Affirmation, S. 219 ff.; ders., Contrats, S. 26, 72 ff.; Jacquet, S. 27; vgl. Meierhof, S. 121; Niboyet steht der Parteiautonomie sehr kritisch gegenüber, vgl. Niboyet, Traité, S. 36 ff. 114 Kassis, S. 347 ff.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101. 115 Beispielhaft: Koerner, S. 86, 88; Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 78 (1989), 277 ff. 116 Koerner, S. 86, 88; Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 78 (1989), 277 ff. 117 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Deby-Gérard, S. 237 ff.; Géraud de la Pradelle, S. 158 f.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5.

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Parteien hatte. Batiffol sprach sich also für eine objektivierende Anknüpfung aus.118 Eine

solche Lokalisierung oder auch Erklärung der Parteien, den Vertrag einer bestimmten

Rechtsordnung unterstellen zu wollen, muss jedoch nicht zwingend ausschlaggebend sein.119

Letztendlich obliegt es im französischen Kollisionsrecht dem Richter, die einzelnen Elemente

zu bewerten. Er kann sich auch über eine ausdrückliche Einigung der Parteien zum

anwendbaren Recht hinwegsetzen.120

Mit dem französischen Urteil Soc. Mercator Press v. Chavalle121 vom 25.3.1980 scheint die

französische Rechtsprechung sich vollkommen auf die von Batiffol entwickelte „théorie de

localisation” ausgerichtet zu haben. Mit dem Inkrafttreten des EVÜ ist diese Theorie jedoch

definitiv hinfällig geworden. Das EVÜ entfernt sich von dieser objektiven Sicht der

Parteiautonomie, die Batiffol ihr seit dem Jahre 1938 gegeben hat und die die Cour de

Cassation sich seit dem Urteil Mercator Press aus dem Jahre 1980 zu eigen gemacht hat.122

C. Die ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zu dem

hypothetischen Parteiwillen

I. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zu dem hypothetischen

Parteiwillen

Als Anknüpfungspunkt für eine Rechtswahl bietet sich zunächst eine ausdrückliche oder

stillschweigende Erklärung der Parteien über das auf den Vertrag anzuwendende Recht an.

Gleichzeitig liest man oft von dem „hypothetischen Parteiwillen”. Um die unterschiedliche

Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zu der stillschweigenden

Rechtswahl untersuchen zu können, ist eine Abgrenzung zwischen einer Rechtswahl und dem

hypothetischen Parteiwillen in der jeweiligen Rechtsordnung vorzunehmen. Hier schafft das

EVÜ – wie noch aufgezeigt wird – gegenüber der Lage vor der Reform erhebliche Klarheit und

gibt Anlaß für einige Gerichte, ihre Rechtsprechung zu der stillschweigenden Rechtswahl zu

ändern.123

118 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 119 Ebenso: Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 120 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (300 f.); Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 121 Cass.civ. v. 25.3.1980, Rev.crit.dr.int.priv. 1980, 576. 122 Kassis, S. 347; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (300 f.). 123 Abend, S. 295; in diesem Sinne auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32).

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II. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB in

Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen in Deutschland – unter Berücksichtigung

des EVÜ

Art. 27 Abs. 1 EGBGB lässt seinem Wortlaut nach neben einer ausdrücklich erklärten

Rechtswahl eine stillschweigende Rechtswahl zu: Die Rechtswahl kann einerseits expressis

verbis, das heißt ausdrücklich geschehen, was schriftlich oder mündlich möglich ist.

Andererseits kann sie sich stillschweigend vollziehen, durch eine andere Willensäußerung, was

auch durch Stillschweigen im wörtlichen Sinne, vorausgesetzt es besitzt Erklärungswert,

möglich ist.

Ihre Wirksamkeit hängt ebenso wie die der ausdrücklichen Rechtswahl vom realen Parteiwillen

und einer tatsächlichen Willensübereinkunft ab, nur dass der gemeinsame Wille anders

geäußert wird.124 Der Parteiwille muss zweifelsfrei aus den Umständen ermittelt werden

können, um nicht zu der Annahme eines vermuteten, hypothetischen Parteiwillens zu gelangen.

Die Berücksichtigung eines bloß hypothetischen Parteiwillens ist bei der stillschweigenden

Rechtswahl ausgeschlossen und eine Anknüpfung an ihn nicht mehr zulässig. Sowohl die

ausdrückliche als auch stillschweigende Rechtswahl haben die gleiche Rechtsnatur. In

praktischer Hinsicht wird bei der stillschweigenden im Gegensatz zu der ausdrücklichen

Rechtswahl das Prestige des Partners, dessen Recht auf diese Weise mittelbar von der

Anwendung ausgeschlossen wird, geschont. Nachteilig ist allerdings die erschwerte

Feststellbarkeit einer stillschweigenden Rechtswahl, denn die ausdrückliche Rechtswahl lässt

sich zuverlässiger ermitteln als die stillschweigende Rechtswahl.125 Darauf wird im Folgenden

genauer eingegangen.

1. Die Schwierigkeiten einer stillschweigenden Rechtswahl

Sofern die Parteien das auf ihren Vertrag anwendbare Recht ausdrücklich bestimmt haben,

stellen sich keine schwierigen tatsächlichen oder rechtlichen Probleme. Die stillschweigende

Rechtswahl muss sich hingegen gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB wie auch gemäss Art. 3

Abs. 1 S. 2 nach dem EVÜ „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages

oder aus den Umständen des Falles“ ergeben. Dies schließt für die stillschweigende Rechtswahl

schon dem Wortlaut nach die Berücksichtigung eines hypothetischen Parteiwillens aus.126 Ob

eine stillschweigende Rechtswahl entsprechend Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ vorliegt, muss mittels

124 So ähnlich Kreuzer, S. 119, der von den „strengen Voraussetzungen eines echten Vertragsschlusses“ spricht; Neuhaus, S. 262; Steinle, ZVglRW 93 (1994), 300 (308 f.); Steiner, S. 76, 79; Tobler, S. 25 ff.; Umbricht, S. 76. 125 Kropholler, S. 440; Neuhaus, S. 262; Steiner, S. 79; Tobler, S. 25 ff. 126 Anmerkung zum BGH-Urteil v. 20.1.1983, in: IPRax 1983, 298 f.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 49; Abend, S. 257, 294 f.; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193).

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Auslegung geprüft werden. Die Schwierigkeit bei der stillschweigenden Rechtswahl liegt darin,

diejenigen Anknüpfungspunkte herauszufinden, die sich zur Ermittlung des konkludenten,

realen Parteiwillens eignen.

2. Die Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen

Sowohl der ausdrückliche als auch der stillschweigende Parteiwille sind zwar realer Parteiwille.

Davon zu unterscheiden ist aber der hypothetische Parteiwille. Dabei stellt man fest, was die

Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten.127 Der hypothetische Parteiwille wird im Rahmen

einer objektiven Anknüpfung berücksichtigt.128 Grundsätzlich ist es missverständlich, wenn im

Zusammenhang einer objektiven Anknüpfung von dem „hypothetischen Parteiwillen“

gesprochen wird, denn trotz des Wortes „hypothetisch“ kann fälschlicherweise der Eindruck

entstehen, es würde dem tatsächlichen Parteiwillen Rechnung getragen.129

Liegt weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Erklärung der Parteien vor, so kommt eine

Anknüpfung nach objektiven Gesichtspunkten in Betracht, wobei der „hypothetische

Parteiwille“ ermittelt wird. Dieser sogenannte „hypothetische Parteiwille“ wird von der

langjährigen Rechtsprechung130 gesucht, wenn weder eine ausdrückliche noch eine

stillschweigende Rechtswahl erkennbar ist, indem aus objektiven Kriterien, insbesondere dem

Vertragsschwerpunkt, hergeleitet wird, was die Parteien wohl vereinbart hätten, wenn sie an das

Problem einer Rechtswahl gedacht hätten.131 Fehlt eine Rechtswahl, aus welchen Gründen auch

immer, bleibt es den Gerichten überlassen, einen Ausweg zu finden. Als Anhaltspunkte

berücksichtigt man den Ort, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, den Ort des

Vertragsschlusses, die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der Partei, welche die

„vertragscharakteristische Leistung“ zu erbringen hat. Es wird betont, dass es sich nicht um die

subjektiven Vorstellungen der Parteien handele. Deshalb ist auch der Begriff des

„hypothetischen Parteiwillens“ ungenau. Vielmehr geht es darum, die Interessen der Beteiligten

127 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 70. 128 Abend, S. 258; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 232; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193); Schulze, S. 18 ff.; Steiner, S. 78. 129 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193). 130 RGZ 68, 203 ff. (205); 73, 379 ff. (381); 74, 171 (174); 92, 318 (320); 107, 120, 70 (72); 126, 196 (206); 141, 212 ff.; 161, 296 (298); BGHZ 7, 231, 235; 19, 110 (112); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1953, 1140 (1141); 1956, 377; 1960, 1720; 1962, 1005; 1969, 1760 (1761); 1972, 391 (393); 1977, 1011 (1012); 1976, 1581 (1582); 1981, 1606; BGHZ 126, 196 (206); BGH AWD 1971, 589 (599). 131 Abend, S. 258, 294 f.; vgl. auch Fudickar, S. 2; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575 f.; Kost, S. 46; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; Schulze, S. 14, 18 ff.; Steiner, S. 78, 80; vgl. auch Weitnauer, S. 151 f.

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auf objektiver Grundlage abzuwägen und zu ermitteln, ob der Schwerpunkt des

Vertragsverhältnisses objektiv auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweist.

Eine „hypothetische Rechtswahl“ gibt es nicht mehr: Die Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofes (BGH)132 hat, wie nunmehr auch das Gesetz, die auf der Rechtsprechung

des Reichsgerichts fußende Stufenleiter der Anknüpfungspunkte „ausdrücklicher“ –

„stillschweigender“ – „hypothetischer“ Parteiwille zwar übernommen, der hypothetische

Parteiwille wird im Gegensatz zum RG aber objektiv bestimmt. Problematisch ist, dass die

Umstände bei der stillschweigenden Rechtswahl teilweise die gleichen sind wie bei der

objektiven Anknüpfung, so dass die Grenzen hier fließend sind: Die deutsche Gerichtspraxis

lässt oft nicht erkennen, ob sie an den realen, stillschweigend geäußerten oder an einen nur

hypothetischen Parteiwillen anknüpft.133 Deshalb ist die von der deutschen Rechtsprechung

gemachte Abgrenzung „stillschweigender“ – „hypothetischer“ Parteiwille in der Praxis schwer

durchführbar und führt oftmals zu willkürlicher Zuordnung bei gleichliegenden Sachverhalten.

Es lässt sich kaum die Grenze zwischen einer stillschweigenden Rechtswahl nach Art. 27 Abs.

1 S. 2 EGBGB bzw. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und einer bloß hypothetischen Rechtswahl mittels

objektiver Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB bzw. Art. 4 EVÜ ziehen.134 Daher ist es nicht

verwunderlich, dass hier die Rechtsprechung oft sehr unsicher erscheint, wie sich im Folgenden

(Kapitel 3) noch zeigen wird.

Es gibt Entscheidungen135, die belegen, dass der deutschen Gerichtspraxis eine scharfe

Trennung zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen nicht immer gelingt.

Exemplarisch sei hier auf eine Entscheidung des OLG München136 verwiesen, in welcher die

objektive Anknüpfung mit der Feststellung einer stillschweigenden Rechtswahl von dem

Gericht vermischt wurde. Das OLG München konstatierte, dass nach neuerer Rechtslage auch

die Indizien für die Feststellung der engsten Verbindung nach Art. 28 EGBGB hierzu gehören.

Objektive Anknüpfung und Rechtswahl schliessen sich aber aus. Auch wenn die Indizien zwar

132 BGHZ 9, 221 (222), 44, 183 (186); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1960, 1721; BGH JZ 1961, 261 (262). 133 Abend, S. 258; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 11; Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; in diesem Sinne auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32); Kegel/ Schurig, S. 575; Müller-Gindullis, S. 48; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 85; Schulze, S. 20; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 308 f. 134 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 11; Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (80); Kegel/ Schurig, S. 575; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 26; Steiner, S. 82, 116. 135 Vgl. z.B. BGH NJW 1970, 999 (1000 f.); OLG Frankfurt a. A. IPRax 1990, 43; OLG Köln IPRax 1996, 257 ff.; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 136 OLG München v. 10.3.1988, IPRax 1990, 320 (323).

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dieselben sind, entbindet dies das Gericht nicht, einen tatsächlichen konkludenten

Vertragsschluss des Verweisungsvertrages zu prüfen. Eine solche klare Trennung ist auch

deswegen wichtig, weil es sich bei der Feststellung des konkludenten Parteiwillens um eine

nicht reversible, tatsächliche Entscheidung handelt, während die Feststellung des sogenannten

hypothetischen Parteiwillens aufgrund der objektiven Anknüpfung reversibel ist. Zudem ist bei

ersterem eine etwaige Rück- und Weiterverweisung unbeachtlich, bei letzterem dagegen

beachtlich.137 Auch wenn die Grenze theoretisch exakt feststellbar sein mag, zerfließt sie

offensichtlich in der Praxis, so dass es oft von Zufälligkeiten abhängt, ob an den realen

Parteiwillen oder objektive Gesichtspunkte angeknüpft wird.138 Bei der Konzeption des EVÜ

knüpft man aus den zuvor genannten Gründen bei fehlender Rechtswahl an objektive Kriterien

an. Für den „hypothetischen Parteiwillen“ ist damit im Rahmen des EVÜ kein Raum mehr.

Dennoch wird die Kollisionsrechtsfigur des hypothetischen Parteiwillens keineswegs vom

gesamten Schrifttum139 verworfen und dient – wie dargelegt wurde – noch heute als

„Fundament der objektiven Anknüpfung“ in der Rechtsprechung des BGH140.

Auch nachdem die Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen aufgegeben wurde, bleibt

das Abgrenzungsproblem bei einer stillschweigenden Rechtswahl aktuell, da für eine

Rechtswahl stets das Vorliegen eines Parteiwillens, das heißt die Absicht der Vornahme einer

solchen Rechtswahl, vom Gericht geprüft wird.141

Zu untersuchen sind immer alle Umstände des Einzelfalles, unter denen der Vertrag zustande

kam und die auf einen kollisionsrechtlichen Parteiwillen hindeuten. Die Bestimmungen des

Vertrages oder die Umstände des Falles müssen den Richter in die Lage versetzen, ohne

Zweifel feststellen zu können, ob die Parteien eine echte Rechtswahl getroffen haben.142

137 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 26 f.; a. A.: MüKo-Martiny, Art. 35 Rn. 7, wonach sie nach neuem Recht auch bei objektiver Anknüpfung eindeutig ausgeschlossen sein sollen; so auch: Schröder, IPRax 1987, 90 (91 f.). 138 Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (80); Kegel/ Schurig, S. 575; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 26; Steiner, S. 82, 116. 139 Vgl. nur Abend, S. 294 f.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; anders aber Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31), der die hypothetische Rechtswahl als heute so nicht mehr zulässig bezeichnet; Kegel/ Schurig, S. 575 f.; Kost, S. 46; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; Schulze, S. 14 ff.; Steiner, S. 78 ff.; vgl. auch Weitnauer, S. 151 f. 140 RGZ 68, 203 ff. (205); 73, 379 ff. (381); 74, 171 (174); 92, 318 (320); 107, 120, 70 (72); 126, 196 (206); 141, 212 ff.; 161, 296 (298); BGHZ 7, 231, 235; 19, 110 (112); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1953, 1140 (1141); 1956, 377; 1960, 1720; 1962, 1005; 1969, 1760 (1761); 1972, 391 (393); 1977, 1011 (1012); 1976, 1581(1582); 1981, 1606; BGHZ 126, 196 (206); BGH AWD 1971, 589 (599). 141 Abend, S. 294; Mitterer, S. 77; Rammeloo, S. 39, Schulze, S. 18. 142 Abend, S. 285, 294 f.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kreuzer, S. 119, spricht vom „echten Vertragsschluss“; Moser, S. 238 f.; Ost, S. 114; Umbricht, S. 76; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 86; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 1, 12 ff.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 49.

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III. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in Abgrenzung zu dem

hypothetischen Parteiwillen in England

Auch in England kann die Rechtswahlerklärung sowohl ausdrücklich wie auch stillschweigend

erfolgen.

1. Die ausdrückliche Rechtswahl – the express choice of law

Wenn die Parteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen haben, wird diese Rechtswahl als

endgültig betrachtet und das von ihnen gewählte Recht findet auf den Vertrag Anwendung.

Dies wird von den englischen Gerichten einstimmig anerkannt.143

Einzige Ausnahme ist das Urteil The Torni144, das nach Ansicht des Privy Council im Urteil

Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.145 falsch entschieden worden war. Diesem Urteil

liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein estländisches Schiff schiffte Orangen von Jaffa nach

Hull. Das Schiff war von einer britischen Firma gechartert, deren Vertreter die „bills of

loading“ ausgestellt hatte. Darin befand sich folgende Klausel: “This bill of lading wherever

signed is to be construed in accordance with English law“. Das Gericht wendete in diesem Fall

das Recht von Palästina als Vertragsstatut an, beachtete die Verweisung auf englisches Recht

aber zumindest insofern, als dass auf die „construction“ des Vertrages englisches Recht

angewendet wurde, das heißt es wurden die englischen Auslegungsvorschriften

herangezogen.146

Die ausdrückliche Rechtswahl taucht in England in verschiedenen Formen auf: Es gibt die

„choice-of-law clauses“, die „floating choice-of-law clauses“ und die „construction clauses“.

a) Choice-of-law clauses

Bei einer sogenannten „choice-of-law clause“, das heißt einer ausdrücklichen

Rechtswahlklausel, ist zunächst fraglich, inwiefern sich die englische Literatur überhaupt mit

der Problematik der rechtlichen Bestimmung einer solchen Rechtswahlabrede beschäftigt.147

Die Frage, ob eine Rechtswahlvereinbarung vertraglichen Charakter aufweist, dürfte vor dem

Hintergrund der englischen Consideration-Lehre zu betrachten sein.148 Die „doctrine of

consideration“ fordert für den Vertragscharakter ein gegenseitiges Leistungsverhältnis. Danach

ist der Vertragscharakter der Rechtswahlvereinbarung insofern zweifelhaft, als diese auch

143 Cheshire/ North, S. 205 ff.; Collier, S. 145; in diesem Sinne auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 89 f. 144 (1932) P.D., 27 (78) (C.A.); dazu ausführlich Lorenz, Vertragsabschluss, S. 91 f. 145 (1939) A.C. 277 (290) (P.C.); (1939) 1 All E.R. 513. 146 (1932) P.D., 27 (78) (C.A.); dazu ausführlich Lorenz, Vertragsabschluss, S. 91 f. 147 Vgl. Graveson, S. 424 ff.; Morris, S. 214 ff.; North, S. 195 (202); Koch, S. 46, 58, 81. 148 Vgl. Koch, S. 46 ff.; Mitterer, S. 36 f.

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einseitig von nur einer Partei festgesetzt worden sein könnte. Bei einer stillschweigenden

Rechtswahl spricht gegen einen Vertragscharakter, dass die englische Rechtsordnung die

Einhaltung gewisser Förmlichkeiten fordert und somit bereits deshalb Gewissheit und

Rechtssicherheit für die Parteien und eine Überprüfungsmöglichkeit bestehen, um von einem

Vertrag auszugehen.149 Hiernach ist eine Rechtswahlabrede im englischen Recht nicht als

Vertrag anzusehen. Allerdings haben englische Gerichte dennoch Vereinbarungen, denen die

consideration fehlte, als Vertrag klassifiziert, wenn dem auch eine andere Bedeutung zukam als

im rein inländischen Kontext.150

Sodann stellt sich die Frage, warum „choice-of-law clauses“ verwendet werden. Der Grund

liegt in dem Streben nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich des auf den

Vertrag anwendbaren Rechts. Zudem werden Kosten und Zeitverzögerung, die ein Streit vor

einem Gericht verursacht, durch eine Rechtswahlvereinbarung vermieden.151 „Choice-of-law

clauses“ werden in der englischen Rechtsprechung152 und Literatur153 anerkannt und als

ausdrückliche Rechtswahl angesehen.

b) Floating choice-of-law clauses

Die englische Rechtsprechung hat als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl „floating choice-

of-law clauses“ früher nicht immer konsequent anerkannt. Die Frage des anwendbaren Rechts

bleibt aber nicht offen. Das Vertragsstatut wird nämlich bis zur Ausübung des Wahlrechts nach

den Grundsätzen der objektiven Anknüpfung bestimmt.154

In der Entscheidung The Armar155 beschäftigten sich die englischen Gerichte erstmals mit der

„post-formation choice of law“ im Vertragsrecht: Es handelte sich um einen Frachtbrief, nach

dem der Schiffsinhaber das Recht hatte, den Schlichtungsort und das anwendbare Recht zu

bestimmen. Da London als Schlichtungsort nach Abschluss des Vertrages gewählt worden war,

war englisches Recht anwendbar. Es stellte sich jedoch die Frage, welches Recht anzuwenden

war zwischen dem Zeitraum des Vertragsabschlusses und dem Zeitpunkt, an dem der

149 Koch, S. 46 ff.; Mitterer, S. 36 f. 150 Re Bonacina v. Le Brasseur (1912) 2 Ch.D., 394 C.A. 151 North, S. 104; Yntema, Am. J. Comp. L. 1 (1952), 341 ff. 152 Jones v. Oceanic Steam Navigation Co. (1924) 2 K.B. 730; Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277, 298 (P.C.); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71 (HL); The Hollandia (1982) 2 W.L.R., 556. 153 Dicey/ Morris, S. 1217 ff.; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 41; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 89 f.; North/ Fawcett, S. 483; Schmitthoff, S. 109; Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 206; Stone, S. 236. 154 Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q. 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; North/ Fawcett, S. 483; Dicey/ Morris, S. 1220, 1221; Jaffey, S. 147; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 79. 155 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff.

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Schiffsinhaber seine Rechte entsprechend dem Frachtbrief ausübte.156 Das Gericht kam zu dem

Schluss, dass das anwendbare Recht in diesem Zeitraum als „schwebend“ („floating“) zu

betrachten ist und entwickelte daher den Begriff der sogenannten „floating choice of law“.157

Ähnlich lag der Fall in der Entscheidung The Iran Vojdan158, in welcher die „Amar-

Entscheidung“159 nochmals als die ausschlaggebende Entscheidung betreffend einer „floating

choice-of-law“ bestätigt wurde.160

c) Construction clauses

In England existieren zudem „construction clauses“, die eine Vereinbarung darüber enthalten,

nach welchem Recht der Vertrag auszulegen ist. Als Beispiele lassen sich folgende

Formulierungen anführen: “This agreement shall be construed…”, “…shall be governed by…”

und “…shall be interpreted and construed and persuant to the law of…“.161 Die englische

Rechtsprechungspraxis legt eine solche „construction clause“ nicht als ein Indiz einer

stillschweigenden, sondern als ausdrückliche Rechtswahl aus. Da im anglo-amerikanischen

Rechtsraum, aus dem die „construction clause“ stammt, diese mit der ausdrücklichen

Rechtswahl rechtlich gleichgestellt wird, muss eine „construction clause“ auch ausserhalb des

anglo-amerikanischen Rechtsraumes als Rechtswahlklausel gelten, unabhängig davon, nach

welchem Recht der Vertrag zu „konstruieren“ ist.162 Schließlich stellt der Begriff „construed“

kein Synonym zu dem Begriff „interpreted“ dar. Die Formulierungen „…shall be governed by

..“ und „…are to be construed in accordance with…“ unterscheiden sich nicht wesentlich. Es

wurde in der englischen Judikatur entschieden, dass es nicht darauf ankomme und keinen

Unterschied mache, wie die Rechtswahlklausel formuliert sei. Nach dem englischen

Kollisionsrecht ist die Unterscheidung nur „merely verbal“.163 Eine „construction clause“ sollte

immer im Lichte einer bestimmten Rechtsordnung gesehen werden, so dass sie „the legal

156 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. 157 Mustill J. behauptete: “..the proper law can be regarded as “floating” until such time as the exercise of a choice by the carriers had the effect of fixing both governing laws at the same time”, vgl. dazu: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. (185). 158 Dubai Electricity Co. v. Islamic Republic of Iran Shipping Lines, (“The Iran Vojdan”) (1984) 2 Lloyd`s Rep., 380, 385; dazu: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 186 ff. 159 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. 160 Dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 186 ff. 161 The Torni, (1932), 27, (78, 84) (C.A.); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71 (HL); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12 (C.A.); Dicey/ Morris, S. 1217; Reithmann/ Martiny, S. 77; Schröder, IPRax 1985, 131 (132); Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 209 f.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 90; dazu auch: Wolff, Private International Law, S. 427 f. 162 Lorenz, IPRax 1989, 22 (24 f.); Lorenz, RIW 1992, 697 (703); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Schröder, IPRax 1985, 131 (132). 163 Vgl. Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277 (298) (P.C.); vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 92.

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effect“ hat.164 Der hypothetische Parteiwille der Parteien ist bei Vorhandensein einer solchen

„construction clause“ irrelevant; es kommt nur darauf an, was die Parteien bei Vertragsschluss

gesagt oder schriftlich festgehalten haben, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu

berücksichtigen sind.165

d) Zwischenergebnis

Auch wenn alle drei verschiedenen Formen einer ausdrücklichen Rechtswahl, die „choice-of-

law clauses“, die „floating choice-of-law clauses“ als auch die „construction clauses“, eine

unterschiedliche Relevanz im englischen Internationalen Privatrecht haben, werden sie jedoch

alle als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl von englischer Rechtsprechung und Lehre

anerkannt.

2. Die stillschweigende Rechtswahl – the implied, implicit or tacit choice of law

In der englischen Rechtsprechung wurde die stillschweigende Rechtswahl im Laufe des 19.

Jahrhunderts anerkannt.166

In Bezug auf Willenserklärungen kennt das englische Recht neben der ausdrücklichen

Willenserklärung die Willenserklärung kraft schlüssigen Verhaltens – ein Parteiverhalten, das

aus den Umständen folgern lässt, dass daran Rechtsfolgen geknüpft werden können.167

Haben die Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vorgenommen, versuchen die

englischen Gerichte168, eine Rechtswahl aus den Vertragsbedingungen und den relevanten

Umständen des Falles sowie der Natur des Vertrages zu folgern. Dies kann unter Umständen

zwar darauf hinauslaufen, dass ein Recht auf den Vertrag angewendet wird, über das die

Parteien entweder nie nachgedacht haben, oder welches sie zumindest nicht gewählt hätten. Es

handelt sich dann um eine fiktive Absicht der Parteien.169 Sofern die Parteien ihre Absichten

164 Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277 (298) (P.C.); Lorenz, IPRax 1989, 22 (24 f.); Schröder, IPRax 1985, 131 (132); vgl. Wolff, Private International Law, S. 434. 165 Stone, S. 239, 240. 166 Henrich, S. 48; vgl. auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 167 So auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Schmitthoff, S. 108. 168 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206, 214, P.C.; The Assunzione (1954) P. 150, 1 All ER 278; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583, 603; Armadora Occidental S.A. and others v. Horace Mann Insurance Co. (1977) W.L.R. 520 ff.; Laertis Shipping Corporation v. Exportadora Espanola de cementos Portland S. A. (“The Laertis”) (1982) 1 Lloyd`s Rep., 613 ff.; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50 (61); Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.); dazu: BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 169 Collier, S. 144; Schmitthoff, S. 108; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13 f.; vgl. auch hierzu Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. L. 1952, 341, 348.

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aber in der Angelegenheit angedeutet haben, bezeichnet man dies als stillschweigende

Rechtswahl („implied, implicit or tacit choice of law“).

Aufgrund der bisherigen Präjudizienbildung170 und der in England bestehenden Pflicht, die

Präzedenzfälle zu befolgen („stare decises“-Grundsatz), kann davon ausgegangen werden, dass

die stillschweigende Rechtswahl in der englischen Rechtspraxis anerkannt ist.

Allerdings war dem englischen Recht das Erfordernis des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ, dass sich die

Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“ aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den

Umständen des Falles ergeben muss, bisher fremd. Die englischen Gerichte prüften dennoch –

wie auch jetzt nach dem EVÜ – grundsätzlich, ob aus dem Wortlaut, der Form und den

Bedingungen oder den Umständen des Vertrages eine stillschweigende Rechtswahl entnommen

werden konnte. Dabei wurden bzw. werden stets alle sonstigen Vertragsbestimmungen und

Umstände, vorwiegend objektive Anknüpfungspunkte, mit einbezogen und geprüft, ob diese

auf eine gegenteilige Auslegung hindeuteten. Bei der Bewertung dieser Anknüpfungspunkte

hielten sich die Richter nicht starr an fest bestimmte Kriterien.171

Der englische Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ fordert bezüglich der „hinreichenden

Sicherheit“, die für eine stillschweigende Rechtswahl erforderlich ist, eine „reasonable

certainty“. Daraus folgt, dass das Gericht nach dem Wortlaut des EVÜ nicht mehr berechtigt

ist, eine Rechtswahl anzunehmen, die die Parteien gemacht haben könnten, solange keine

eindeutige Absicht der Parteien erkennbar ist, eine solche Rechtswahl auch vornehmen zu

wollen.172 Dies hat den Vorteil, dass ein leichtfertiges Schlussfolgern auf eine stillschweigende

Rechtswahl aufgrund nur schwacher Indizien vermieden wird.173

170 Vgl. dazu: R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206, 214, P.C.; The Assunzione (1954) P. 150, 1 All ER 278; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583, 603; Armadora Occidental S.A. and others v. Horace Mann Insurance Co. (1977) W.L.R., 520 ff.; Laertis Shipping Corporation v. Exportadora Espanola de cementos Portland S. A. (“The Laertis”) (1982) 1 Lloyd`s Rep., 613 ff.; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C., 50 (61); Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.). 171 Vgl. hierzu BT-Drucks. 10/ 503, S. 48; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Graveson, S. 412; Jaffey, S. 134; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13. 172 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 111; Plender, S. 91; anders Diamond, 32 C.L.P. (1979), 155 (160), der die Auffassung vertritt, das EVÜ beabsichtige nicht, die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl überhaupt einzuführen. 173 Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13.

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Eine stillschweigende Rechtswahl kann aber auch nur für einen Teil des Vertrages vorliegen.174

Auf den ersten Blick scheint die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ der nach dem

englischen Recht sehr ähnlich zu sein. Dennoch gibt es Unterschiede und die Fälle, die nach

dem englischen Recht entschieden worden sind, müssen mit Vorsicht betrachtet werden. Denn

eine Schlussfolgerung im Hinblick auf die Absicht der Parteien könnte nach dem EVÜ

schwieriger zu ziehen sein als nach den Regeln des common law.175

3. Das hypothetische Vertragsstatut – the putative proper law

Falls die Gerichte noch nicht einmal eine Andeutung für eine Rechtswahl erkennen können,

müssen sie objektiv auf das hypothetische Vertragsstatut („proper law“) schliessen. Dieses

hypothetische Vertragsstatut wird dasjenige Recht sein, mit dem der Vertrag die engste

Verbindung aufweist. Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, muss deshalb die nicht

ausdrückliche Rechtswahl unterteilt werden in stillschweigende Rechtswahl und hypothetische

Rechtswahl, die vorliegt, wenn überhaupt keine Rechtswahl getroffen wurde.176 Auch im

englischen Recht besteht eine Schwierigkeit der stillschweigenden Rechtswahl („implied or

tacit choice“) in der Praxis vor allem darin, sie vom hypothetischen Vertragsstatut abzugrenzen.

Das hypothetische Vertragsstatut als das Recht, das die Parteien bei Vertragsschluss hätten

anwenden wollen, wenn sie daran gedacht hätten, wird im englischen Recht auch als „putative

proper law“ bezeichnet.177

Es wird vertreten, dass die lex fori über die Einigung der Parteien bezüglich des anwendbaren

Rechts zu entscheiden habe, während das „putative proper law“ über die Wirksamkeit

entscheide.178 Obwohl die Betonung auf den Parteiwillen gelegt wird, werden bei dem „putative

proper law“ auch objektive Gesichtspunkte berücksichtigt. Man bemüht sich mittels objektiver

Kriterien, die Absicht zu ermitteln, die die Parteien „reasonably“ gehabt hätten, wenn sie über

die Angelegenheit nachgedacht hätten.179 Die Grenze zwischen einer objektiven Anknüpfung

und einer Anknüpfung an den stillschweigenden Parteiwillen ist zum einen in der Praxis schwer

174 Kaye, S. 154; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 476 f.; Nygh, S. 120; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 (199); Plender, S. 96 f. 175 North/ Fawcett, S. 484 f.; in diesem Sinne auch Plender, S. 91. 176 Jaffey, S. 138; North, S. 105; Webb/ Brown, S. 343; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51. 177 Vgl. z.B. Lord Dilhorne in Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller and Partners (1970) A.C. 583 (611); Lord Morris in Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (587); Collier, S. 143; Collins, S. 419; Dicey/ Morris, S. 1189, 1224; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Wolff, Private International Law, S. 422 f. 178 Libling, Mod.L.Rev. 42 (1979), 169 (172 f.); Nygh, S. 113. 179 Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206 (214) P.C.; Collier, S. 143; Hoyle, S. 207; in diesem Sinne auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Mann, JZ 1962, 6 (7); Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 437 ff.; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 178 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51.

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zu ziehen. Zum anderen muss die Unterscheidung des objektiv bestimmten, anwendbaren

Rechts von dem mittels stillschweigenden Parteiwillens bestimmten Recht nicht immer sinnvoll

sein: Das ist auch der Grund, weshalb viele Fälle, die Beispiele einer Anknüpfung an den

stillschweigenden Parteiwillen sind, ebenso als Beispiele für die engste oder vernünftigste

Verbindung angesehen werden können.

Während zum Beispiel in dem Urteil Miller v. Whitworth180 die Mehrheit des House of Lords

einen stillschweigenden Willen der Parteien zugunsten englischen Rechts annahm, folgerte die

Minderheit aus den Umständen des Falles, dass die engste bzw. vernünftigste Verbindung des

Vertrages zum englischen Recht bestand.181 Dies veranschaulicht, wie austauschbar und schwer

unterscheidbar diese beiden Anknüpfungen in der Praxis sein können.

In England war es der Kollisionsrechtler Westlake182, der im Jahre 1880 die Fiktion eines

stillschweigenden Vertragswillens durch eine objektivierende Anknüpfung – the „proper law of

the contract“ – ersetzen wollte. Er kam auch unter dem Einfluss von Savigny zu dem Ergebnis,

die engste Verbindung („the most real connection“) eines Vertrages mit einem Land bestimme

das anwendbare „proper law“. Neben dem Grundsatz der Privatautonomie sollte es nun auch

das Prinzip der engsten Verbindung geben.

Die Unzufriedenheit mit der Suche nach dem „hypothetischen Parteiwillen“ („the presumed

intention“) führte zu einer neuen Anknüpfung bei fehlender Rechtswahl: Die der engsten oder

vernünftigsten Verbindung („closest and most real connection“).183 Lord Simonds formulierte

in dem Urteil Bonython v. Commonwealth of Australia184, dass – bei fehlender ausdrücklicher

Wahl des „proper law“ – das „proper law” das Rechtssystem sei, in Bezug auf welches der

Vertrag geschlossen wurde oder das, mit dem das Geschäft die engste Verbindung habe.

Zu der engsten Verbindung gelangten die englischen Gerichte über objektive Anknüpfungen

wie zum Beispiel Ort des Vertragsschlusses, Erfüllungsort, Vertragswährung, Belegenheitsort

von unbeweglichem Eigentum oder Verbindungen der Parteien selbst zu einem Land, das heißt

Wohnsitz und Geschäftsort.185

180 (1970) A.C. 583, 603. 181 Collins, S. 419. 182 Vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 102, 107 ff.; Westlake, S. 271 ff. 183 Collier, S. 144; Dicey/ Morris, S. 1189; Graveson, S. 413; Jaffey, S. 133; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 102, 107 ff.; North, S. 104; Nygh, S. 106; Stone, S. 237 ff.; Westlake, S. 280. 184 (1951) A.C. 215 (219) (P.C.); dazu: Morris/ North, S. 457 ff. 185 Graveson, S. 413; Jaffey, S. 134, 138 f.; Morris, Ch. 13; Schmitthoff, S. 109; Stone, S. 237 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51.

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Zahlreiche englische Gerichtsentscheidungen186 knüpften an diese „closest and most real

connection“ an.

Bis zum Jahre 1930 sahen die höchsten englischen Gerichte die hypothetische Rechtswahl –

„the proper law of the contract“ – als Hauptgrundsatz an. Selbst die ausdrückliche Rechtswahl

galt nur als Untergruppe: Auch wenn sie zweifelsohne ein starkes Indiz für das hypothetische

Vertragsstatut war, so war sie nicht zwingend überzeugend, wenn der Vertrag tatsächlich

woanders lokalisiert war.187 Im Jahre 1939 kam es zu einer Wende: Der ausdrücklichen

Rechtswahl kam fortan überragende Bedeutung zu und die hypothetische Rechtswahl sollte nur

noch bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl relevant werden.188 Dennoch gab es weiterhin

vereinzelte Stimmen189, die eine ausdrückliche Rechtswahl nicht für überzeugend hielten.

Cheshire190 nahm den Gedanken der engsten Verbindung im Jahre 1948 auf und dehnte ihn aus,

indem er konstatierte, dass auch eine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl nur

gültig sein sollte, falls sie auf ein Recht deute, mit dem der Vertrag wenigstens eine gewisse

Verbindung habe.

Nach Ansicht der Literatur191 sollte von der Geltung des Vertragsstatuts allerdings eine

Ausnahme gemacht werden, wenn dessen Anwendung zu groben Unbilligkeiten führen würde,

wie auch im Fall des Schweigens einer Partei. Beruhend auf der Lehre des „proper law of the

contract“ wurde das maßgebliche Recht in der englischen Rechtsprechung ohne

„Typenbildung“ von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller Umstände bestimmt. Allerdings

wurde diese Lehre durch das Inkrafttreten des EVÜ am 1.4.1991 in England aufgehoben. Die

Parteiautonomie wurde gesetzlich festgelegt und trat an die Stelle der traditionellen Theorie des

„proper law of the contract“.192 Seitdem erfolgt eine objektive Anknüpfung gemäss Art. 4 EVÜ,

wenn es an einer Rechtswahl der Parteien fehlt.193 Die englische Kollisionsrechtslehre nähert

sich der Kollisionsrechtslehre der anderen europäischen Länder an, auch wenn die Vorschriften

des EVÜ bis jetzt im englischen Case Law wenig erforscht sind.

186 Bonython v. Commonwealth of Australia (1951) A.C. 215 (219) (P.C.); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking & Trust Co. (1961) A.C. 1007 ff. (HL); Rossano v. Manufacturers` Life Ins. Co. (1963) 2 Q.B., 352 (360); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71 (HL); Coast Lines Ltd. v. Hudig & Veder Chartering N.V. (1972) 2 Q.B. 34 (C.A.); Monterosso Shipping Co. Ltd. v. International Transport Workers` Federation N.V. (1982) 3 All E.R. 841 (C.A.); X A.G. and others v. A bank (1983) 2 All ER 464; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C., 50 (61, 69). 187 Mount Albert Borough Council v. Australasian Mutual Life Assurance Society (1938) A.C. 224 (240); Collier, S. 143; Nygh, S. 104. 188 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Nygh, S. 105. 189 Boissevain v. Weil (1949) 1 K.B. 482 (490); Re Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D. 323 (341). 190 Cheshire/ North, S. 208 ff.; dazu: Schmitthoff, S. 107. 191 Dicey/ Morris, S. 1189; Lando, S. 104 f. 192 Dicey/ Morris, S. 1188 ff.; Morris, Ch. 13; Nishitani, S. 270; North, Essays, S. 13 ff. 193 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (384); vgl. auch Kaye, S. 149; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 225; Plender, S. 104 f.

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IV. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in Abgrenzung zu dem

hypothetischen Parteiwillen in Frankreich

Im französischen autonomen Internationalen Privatrecht kann die Rechtswahl zwar

ausdrücklich erfolgen, allerdings existierten bis zur Einführung des EVÜ keine eindeutigen

Ausführungen zu dem allgemeinen Fragenkomplex stillschweigender Rechtswahlerklärungen.

Der französischen Bestimmung des Vertragsstatuts war mithin eine gesetzliche Trennung

zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen fremd.194 Auch in der

französischen Literatur wurde die Problematik der Beurteilung einer stillschweigenden

Rechtswahl nur an einigen Stellen gestreift, die kaum Rückschlüsse auf den Rechtszustand in

Frankreich vor Einführung des EVÜ zuliessen.195 Es handelt sich auch im französischen

Kollisionsrecht bei dem stillschweigenden Rechtswahlwillen um einen realen Willen im

Gegensatz zum nicht realen hypothetischen Parteiwillen.196 Er ergibt sich aus diversen

Umständen und birgt eine Gefahr in sich, da er vom Richter festgestellt werden muss und somit

von dessen Interpretation abhängt. Der Richter kann dabei in gewissem Umfang eine Tendenz

für eine bestimmte Rechtsordnung haben. Sein Einfluss ist hier sehr bedeutend.197

Das französische autonome Internationale Privatrecht für internationale Verträge unterscheidet

sich vom EVÜ insofern, als es gesetzlich nur eine ausdrückliche Rechtswahl zulässt und nicht

auch eine in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ geregelte stillschweigende Rechtswahl. Das Wort

ausdrücklich ist in der französischen Literatur zu einem sehr dehnbaren Begriff geworden.198

Die französische Version des EVÜ verlangt für die „hinreichende Sicherheit“ in Bezug auf eine

stillschweigende Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ eine Feststellbarkeit „de façon

certaine“ und wirkt damit etwas strenger als die deutsche und englische Fassung.

Der französische Kollisionsrechtler Kassis199 ist der Ansicht, dass die Idee einer Rechtswahl,

die „de façon certaine des circonstances de la cause“ resultieren muss, ein begrifflicher

Widerspruch sei (une „contradictio in terminis“). Der Ausdruck „de façon certaine“ müsse

194 BT-Drucks. 10/ 503, S. 51; anders aber Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248; Niboyet, S. 595, die jeweils eine solche Unterscheidung treffen; ders., Traité, S. 40 f.; Boughaba, S. 36 ff.; Schaack, S. 123. 195 Vgl. Hübner/ Constantinesco, S. 272; Koch, S. 82 f.; zum Beispiel wurde der stillschweigende Rechtswahlwille in Abgrenzung zum ausdrücklichen und hypothetischen Rechtswahlwillen angesprochen von Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248 f.; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 ff. 196 In diesem Sinne auch Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282, frz. Fassung, S. 260; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (168). 197 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246 f.; ähnlich Kassis, S. 361 f.; Niboyet, Traité, S. 40, 75. 198 Hartenstein, S. 114, vgl. auch Fußnote 5; Koch, S. 82 f.; Mezger, AWD 1974, S. 377 ff. 199 Kassis, S. 361.

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daher ignoriert werden, denn eine Rechtswahl, die „de façon certaine des circonstances de la

cause“ resultieren solle, sei begrifflich unmöglich.

Die Auslegung der nunmehr auch in Frankreich existierenden stillschweigenden Rechtswahl

richtet sich in der französischen Rechtspraxis nach Kriterien, die mit denen der deutschen200

und englischen Rechtspraxis weitgehend übereinstimmen.201

Im Anwendungsbereich des EVÜ geht die französische Rechtsprechung sowohl bei

ausdrücklichen Erklärungen wie auch beim Schweigen der Parteien davon aus, dass beide

Parteien an der Anwendung der lex fori interessiert sind, was sich in ihren Entscheidungen

widerspiegelt.

Zunächst wird das Vorliegen einer ausdrücklichen sowie stillschweigenden Rechtswahl, die

sich aus den Umständen des Falles und den Bedingungen des Vertrages ergeben kann,

untersucht. Liegen diese nicht vor, wird der hypothetische Parteiwille anhand der Umstände

erforscht, indem geprüft wird, was die Parteien gemacht hätten, wenn sie an die Frage des

anwendbaren Rechts gedacht hätten.202 Dies belegen viele Entscheidungen der französischen

Rechtsprechung203 bereits vor Einführung des EVÜ. In den meisten Entscheidungen könnte

man die Anwendung der lex fori allerdings auch damit rechtfertigen, dass sie das Recht der

engsten Verbindung darstellt. Die Parteiinteressen und das kollisionsrechtliche Gebot zur

Anwendung des sachnächsten Rechts können mithin konform laufen.204 Während bereits vor

Einführung des EVÜ vorrangig die Interessen der Parteien die französischen Entscheidungen

bestimmten, wurde dabei stets der Rechtsordnung zur Anwendung verholfen, die der

Kassationsgerichtshof für die sachnächste hielt.205

Durch das Inkrafttreten des EVÜ wurde die Schwierigkeit, eine klare Grenze zu ziehen

zwischen der stillschweigenden und der bloß hypothetischen Rechtswahl, die sich auf objektive

Kriterien bei fehlender Rechtswahl stützt, noch verstärkt.206

Was das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht angeht, konnten die Gerichte nach dem

französischen Kollisionsrecht vor Inkrafttreten des EVÜ frei entscheiden, zu welcher

200 Vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 51. 201 Vgl. 3.Kapitel A.I. 202 Ancel/ Lequette, S. 83 (88); Barbey, S. 311; Batiffol, Traité, S. 625; Leschallier de Lisle, S. 15, 16, 44; diese Unterscheidung trifft auch Meierhof, S. 121; Niboyet, S. 594 ff.; ders., Traité, S. 40 f., 76 f. 203 Beispielsweise Req. 1.3.26. – J.D.I. (Clunet 53) 1926, 661; Cass.civ., 15.5.1935 – Affaire Prévost c. Hampelé, Nouvelle revue de droit international privé (2) 1935, 341; Rev.crit.dr.int.priv. 1936, 463, note Niboyet; Cass.civ. v. 15.12.1969 – Thomas c/ Cie Erste Allgemeine et autres – J.D.I. (Clunet 98) 1971, 566; Cass.civ. v. 19.4.1988 – Roho C. Caron et autres, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 345. 204 Koerner, S. 87. 205 Vgl. z.B. Thomas c/ Cie Erste Allgemeine et autres – J.D.I. (Clunet 98) 1971, 566. 206 Andere Ansicht: Kassis, S. 367.

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Rechtsordnung der Vertrag bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles die „engste

Beziehung“ hatte. Es gab keinen alleinigen zwingenden Anknüpfungspunkt. Dies ging sogar so

weit, dass der Kassationsgerichtshof wieder Entscheidungen aufhob, die nur einen

Anknüpfungspunkt berücksichtigten.207

Auch im Hinblick auf das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht wendete die französische

Rechtsprechung damit schon im voraus die Regelung des EVÜ, nämlich Art. 4 EVÜ an,

wonach der Vertrag „dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen

aufweist.“208 Dennoch geht das EVÜ weiter, indem es vermutet, dass „der Vertrag die engsten

Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung

zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder

ihre Hauptniederlassung hat.“ Heute im Anwendungsbereich des EVÜ soll der französische

Richter diesen Staat ermitteln, dessen Recht er dann ohne weiteres anwenden darf.

Er kann auch die Ausweichklausel anwenden, die Art. 4 Abs. 5 EVÜ vorsieht, wenn der

Vertrag mit einer anderen Rechtsordnung enger verbunden ist. Allerdings muss er dies

begründen. Wenn der Richter sich mithin auf ein Indiz nicht als Indiz einer Rechtswahl der

Parteien i. S. d. Art. 3 EVÜ stützt, wendet er es zumindest über die Ausweichklausel des Art. 4

Abs. 5 EVÜ als Indiz der „engsten Verbindung“ an.

Der französische Richter darf im Anwendungsbereich des EVÜ aber nicht mehr direkt diese

andere Rechtsordnung anwenden.209

D. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl unter Berücksichtigung

des EVÜ

Eine Rechtswahl wird in der Regel bei Vertragsschluss getroffen, da eine im Nachhinein zu

treffende Rechtswahl oftmals mit einer beginnenden Konfliktsituation kollidiert. In einer

derartigen Situation werden die Parteien meist darauf beharren, dass ihr jeweiliges nationales

Recht Anwendung finden soll. Grundsätzlich muss eine Rechtswahl nach allen

Rechtsordnungen zulässig und wirksam zustande gekommen sein. Die Einigung der Parteien

muss in Bezug auf die Form-, Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Vertretung und Vollmacht

wirksam sein. Für diese Wirksamkeitsvoraussetzungen bestehen wiederum kollisionsrechtliche

207 Vgl. hierzu: Kassis, S. 348 f., 368; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101; vgl. auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (168). 208 Vgl. auch Kassis, S. 348 f.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101.209 Kassis, S. 368; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101 f.

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Regelungen, zum Beispiel im EVÜ, die das anzuwendende Recht bestimmen. Eine

Überprüfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl erfolgt im Falle eines

Rechtsstreits durch das Gericht. Fraglich ist dabei, wie die Rechtswahl der Parteien zu

verstehen ist.

Die kollisionsrechtliche Verweisung, mit der die Parteien das anwendbare Recht unter

Einbeziehung der zwingenden Normen des Privatrechts wählen, ist zunächst von der materiell-

rechtlichen Verweisung abzugrenzen.210 Diese ist gegeben, wenn neben der Herrschaft eines

bestimmten Rechts von den Parteien einzelne Regelungen einer Rechtsordnung für anwendbar

erklärt und zum Vertragsinhalt gemacht werden. Auch wenn diese Rechtsinstitute strikt

voneinander zu trennen sind, basieren sie beide auf der Annahme, dass die Parteien ihre

Interessen und individuellen Bedürfnisse besser einschätzen können als ein Richter oder

Gesetzgeber dies könnte, und dass ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden

Parteiinteressen erreicht werden kann.211 Welche Rechtsordnung schließlich anwendbar ist,

muss allerdings für jeden Fall unter Berücksichtigung seiner materiellrechtlichen Problematik

neu entschieden werden.212

I. Vertragsstatut – Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahl

Zunächst ist zu prüfen, was unter „Zustandekommen“ und „Wirksamkeit“ der Rechtswahl zu

verstehen ist, um dann feststellen zu können, welches Statut darauf anwendbar ist.

Während sich das „Zustandekommen“ der Rechtswahl darauf bezieht, dass die Parteien zu einer

Willensübereinstimmung gekommen sind, erfasst die „Wirksamkeit“ die Frage, ob ein einmal

zustande gekommener Vertrag auch Bestand für die Zukunft hat, weshalb man teilweise auch

im deutschen Recht vom „inneren Vertragsschluss“ spricht.213 Grundsätzlich ist beim

Schuldvertrag zu beachten, dass der beabsichtigte Hauptvertrag und der Rechtswahlvertrag, der

im deutschen Recht auch Verweisungsvertrag214 genannt wird, voneinander zu unterscheiden

sind, da sie rechtlich selbständig und damit in ihrer Gültigkeit voneinander unabhängig sind.

Während im deutschen Recht der Hauptvertrag aus den das ganze Rechtsgeschäft betreffenden

übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien besteht, werden als

Verweisungsvertrag die übereinstimmenden, ausdrücklichen oder konkludenten

210 Vgl. z.B. Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, 1.Bd. AT, Nr. 7. 211 In diesem Sinne Neuhaus, S. 257; Roth, Int. VersR, S. 436; vgl. auch Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, 1.Bd. AT, Nr. 7, der von ähnlichen Motiven spricht. 212 Abend, S. 356. 213 von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (512); Kost, S. 6; MüKo-Martiny, Art. 31 EGBGB Rn. 4 ff. 214 Vgl. z.B. Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Koch, S. 43; Müller-Gindullis, S. 44; Schwung, WM 1984, 1301; Stoll, S. 33; Umbricht, S. 72 ff.; Vischer, Int.VertrR, S. 66 ff.

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Willenserklärungen bezeichnet, die sich nur auf die Rechtswahl beziehen.215 Die

Rechtswahlvereinbarung ist als eigenständiger Vertrag anzusehen und die gewählte

Rechtsordnung soll über die Gültigkeit des Verweisungsvertrages entscheiden, weshalb der

bloße Anschein, der erweckt wurde – „die Erklärung als Faktum“216 – zu dieser Rechtsordnung

führen muss. Danach ist zu prüfen, ob die Verweisung gültig zustande gekommen ist.

Art. 3 Abs. 4 EVÜ und Art. 8 EVÜ sind Ausdruck der Unterscheidung zwischen

Rechtswahlvereinbarung und Hauptvertrag.

Art. 3 Abs. 4 EVÜ verweist bezüglich der Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das

anzuwendende Recht auf Art. 8 EVÜ. Gemäss Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 8 Abs. 1 EVÜ ist auf

Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung das Recht des Hauptvertrages

anwendbar, das heißt das Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre. Der

Hauptvertrag untersteht auch nach dem EVÜ nach überwiegender Ansicht217 dem einheitlichen

sogenannten Vertragsstatut, das heißt der Rechtsordnung, welche den Vertrag im Allgemeinen

beherrscht („materielle lex causae“). Man kann es auch als hypothetisches Vertragsstatut

bezeichnen, da die zu entscheidende Frage gerade in der Anwendbarkeit des durch die

Vorschrift berufenen Rechts besteht.

Nach herrschender Ansicht218, die vor allem in der Literatur schon lange überwiegend vertreten

wird und für die sich dann auch der deutsche Gesetzgeber entschieden hat, unterliegt ebenso die

Rechtswahlvereinbarung – der Verweisungsvertrag – dem Vertragsstatut und damit dem Recht,

das die Parteien durch die Rechtswahl wählen wollten.219 Es liegt nahe, die Einigung über den

Rechtswahlvertrag auf dieselben Prinzipien zu stützen wie die Einigung über den Hauptvertrag:

Da die Rechtswahl in der Regel nur eine rechtlich selbständige Klausel des Hauptvertrages

215 Schwung, WM 1984, 1301; Stoll, S. 33. 216 von Bar, II, Rn. 473; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Kost, S. 43; Kropholler, S. 271; Neuhaus, S. 256. 217 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Kropholler, S. 440; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 193; Schulze, S. 32; Umbricht, S. 73. 218 BGH IPRax 1988, 26; Abend, S. 291; Baumert, RIW 1997, 805 (806); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Kegel/ Schurig, S. 486; Kost, S. 26; kritisch dazu Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (22 ff.); Martiny, ZEuP 1999, 246 (253); Mitterer, S. 189; Neuner, RabelsZ 8 (1934), 103; Nishitani, S. 271; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 225; Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526; Scheerer, AWD 1974, 181 (185); Schulze, S. 34; Steiner, S. 142; Vischer, Int.VertrR, S. 68 f.; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510, (518 f.). 219 Vgl. hierzu: BGH IPRax 1988, 26; Abend, S. 291; Baumert, RIW 1997, 805 (806); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Kegel/ Schurig, S. 486; Kost, S. 26; kritisch dazu Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (22 ff.); Martiny, ZEuP 1999, 246 (253); Mitterer, S. 189; Neuner, RabelsZ 8 (1934), 103; Nishitani, S. 271; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 225; Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526; Scheerer, AWD 1974, 181 (185); Schulze, S. 34; Steiner, S. 142; Vischer, Int.VertrR, S. 68 f.; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510, (518 f.).

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darstellt, wäre es verfehlt, von den Parteien zu erwarten, dass sie sich darüber anders einigen als

über den Rest des Vertrages.220 Es dient daher dem Parteiinteresse, den Konsens der Parteien

für den Hauptvertrag und den Verweisungsvertrag einheitlich zu beurteilen. Zudem wird der

internationale Entscheidungseinklang auf diese Weise nicht mehr als notwendig gefährdet und

die Voraussehrbarkeit gerichtlicher Entscheidungen wird gefördert.221

Nach anderer Ansicht222 ist dennoch die lex fori anzuwenden. Wiederum andere223 wollen

internationale Sachnormen legis fori anwenden, was im Rahmen des EVÜ einer autonomen

Auslegung entspricht, so dass eine vertragsautonome Qualifikation im Rahmen des EVÜ

entscheidet. Die gesetzgeberische Lösung der Anwendung des von den Parteien gewählten

Rechts – nach dem EVÜ über die Anknüpfung in Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 8 Abs. 1 EVÜ – ist als

ein zweistufiges Verfahren zu verstehen, um jeglichen rechtslogischen Bedenken

entgegentreten zu können.224 Zuerst ist zu fragen, ob die Parteien einen zurechenbaren

Anschein eines gemeinsamen faktischen Willens225 gesetzt haben. Das bedeutet, dass an die

tatsächliche Bezeichnung der zu wählenden Rechtsordnung durch die Parteien anzuknüpfen

ist.226 Danach ist nach dem gefundenen Recht zu untersuchen, ob eine rechtsgeschäftliche

Einigung vorliegt. Problematisch ist es herauszufinden, wann von einem gemeinsamen Willen

ausgegangen werden kann. Die (Auslegungs-) Frage, ob ein anzuwendendes Recht von den

Parteien tatsächlich bezeichnet worden ist, beurteilt sich nach der lex fori.227 Um der von Art.

36 EGBGB sowie Art. 18 EVÜ geforderten einheitlichen Auslegung gerecht zu werden, ist der

gemeinsame Rechtswahlwille der Parteien in jedem Fall übereinkommenskonform zu

bestimmen.228 Eindeutig ist die Rechtslage, wenn sich beide Parteien ausdrücklich auf die

Geltung eines bestimmten Rechts geeinigt haben (vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 EVÜ). Anders

ist es hingegen, wenn lediglich stillschweigend gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 EVÜ eine

Rechtswahl getroffen wurde.

220 In diesem Sinne: Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526. 221 Vgl. Roth, Int. VersR, S. 527. 222 Moser, S. 232, 237; Raape, S. 433 f.; Umbricht, S. 73. 223 Baumert, RIW 1997, 805 ff. (807); Diamond, in “The Heidelberg” (1994) 2 Lloyd`s Rep., 287 (307); Vischer/ Huber/ Oser, S. 84 ff. (86). 224 von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Kost, S. 43; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 204 ff.; Roth, Int. VersR, S. 527, 528; Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769). 225 BGH NJW 1984, 2763 f.; OLG München IPRax 1991, 46 (48); Graf von Westphalen, AWD 1972, 593 (596); v. Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Linke, ZVR 79 (1980), 1 (33); Raape, S. 434; Roth, Int. VersR, S. 528; Soergel/ von Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn 101. 226 Ebsen/ Jayme, AWD 1972, 298 (300); Mann, NJW 1984, 2740; Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769). 227 Ebsen/ Jayme, AWD 1972, 298 (300); Mitterer, S. 56, 189; Roth, Int. VersR, S. 528 Fn. 362. 228 In diesem Sinne Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Kost, S. 41; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 230 f.

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Dabei ist es in allen Rechtsordnungen problematisch zu erkennen, woraus sich eine solche

stillschweigende Rechtswahl ergeben könnte, und ob sich diese „mit hinreichender Sicherheit“

ergibt. Es wird nämlich oft übersehen, dass sich die Frage nach dem anwendbaren Recht

überhaupt stellt. Auch mangelt es häufig an dem für einen Rechtswahlvertrag erforderlichen

Erklärungsbewusstsein. Daher kann aus den entsprechenden Verhaltensweisen der Parteien

nicht immer „mit hinreichender Sicherheit“ auf eine Rechtswahl geschlossen werden.229

Insofern dürfen die Entscheidungen der Rechtsprechung nicht zu weit reichen.

II. Verweisungsvertrag – Zulässigkeit der Rechtswahl

Demgegenüber ist die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl, das heißt die Frage, ob eine

Rechtswahl von einer Rechtsordnung überhaupt gestattet wird bzw. welche Kriterien für eine

stillschweigende Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ entscheidend sind, abzugrenzen.

Diese Frage bleibt dem Kollisionsrecht des Forums (lex fori) überlassen.230 Art. 3 EVÜ selbst

stellt klar, dass die lex fori allein über die Zulässigkeit der Rechtswahl bestimmt.231 Haben die

Parteien jedenfalls eine Rechtswahl nach dem EVÜ vorgenommen, so ist das vereinbarte Recht

Vertragsstatut, das heißt die Beziehungen zwischen den Parteien werden nach dem von ihnen

gewählten Recht beurteilt.232 Dieses ist den Parteien dabei nicht aufgrund objektiver

Gesichtspunkte vorgegeben, vielmehr wird es angewendet, weil die Parteien einen

entsprechenden Rechtswahlwillen hatten und genau dieses Recht gewählt haben.233 Darauf, wie

eine solche Rechtswahl in der Praxis aussieht, wird unten ausführlich eingegangen.

E. Die stillschweigende Rechtswahl nach den Grundsätzen der Auslegung von

Rechtsgeschäften

Die obige Feststellung, dass die stillschweigende Rechtswahl eine rechtsgeschäftliche Einigung

voraussetzt, führt dazu, dass die Auslegung von Rechtsgeschäften zu untersuchen ist. Denn

auch die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als rechtsgeschäftliche Willenserklärung

anzusehen ist, bestimmt sich durch Auslegung.234 Es wird ein willentliches Verhalten

untersucht, das Ausdruck eines Rechtsfolgewillens sein könnte. Der Erklärungstatbestand muss

ermittelt werden, um dann unter Heranziehung der relevanten Erklärungsumstände

229 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.), ZIP 1993, 1538 (1540); Schack, NJW 1984, 2738. 230 Baumert, RIW 1997, 806 f.; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Schulze, S. 27, 32; Steiner, S. 142; Umbricht, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 86, 87. 231 Meyer-Sparenberg, RIW 1989, 347; MüKo-Martiny Art. 27 EGBGB Rn. 64; Roth, RIW 1994, 275 (276). 232 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 55. 233 Koch, S. 43, 44; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 60. 234 In diesem Sinne Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Kellmann, JuS 1971, 609 ff.; Larenz, Die Methode der Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 82.

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festzustellen, ob eine Willenserklärung vorliegt.235 Zunächst muss der objektive Tatbestand

einer Willenserklärung vorliegen, wobei die Anhaltspunkte so hinreichend deutlich auf eine

Rechtswahl schliessen lassen müssen, dass ein objektiver Beteiligter aus dem Verkehrskreis der

Parteien redlicherweise von einer Erklärung zu der Rechtswahl ausgehen kann. Ein erkennbarer

Rechtswahlwille, mithin ein äußerer Erklärungstatbestand und ein Erklärungsbewusstsein, das

heißt ein inneres Willenselement der Parteien, sind unverzichtbar: Die Parteien müssen die

kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Recht erkannt haben und die äußeren

Umstände müssen darauf hindeuten.236 Denn oft wird die Frage des anwendbaren Rechts bei

der Vertragsgestaltung überhaupt nicht aufgeworfen und den Parteien nicht bewusst,

geschweige denn, dass sie artikuliert würde.237

Es ist bei der Auslegung gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ zwischen dem objektiven

Erklärungsinhalt für eine Rechtswahl und dem Erklärungsbewusstsein mindestens einer Partei

zu unterscheiden. Der äußere, objektive Erklärungstatbestand für eine stillschweigende

Rechtswahl muss sich aus den Indizien ergeben238, auf die in dieser Arbeit noch näher

eingegangen werden wird.

Je schwächer der objektive Erklärungsgehalt für eine Rechtswahl ist, desto stärker muss die

Annahme eines Erklärungsbewusstseins der Parteien sein. Sind sich die Parteien nicht sicher,

ob das Gericht auch nach einem anderen Recht urteilen könnte oder lassen die Umstände des

Einzelfalles daran zweifeln, dass die Parteien sich Vorstellungen über eine Rechtswahl gemacht

haben, so kann keine „hinreichende Sicherheit“ für die Annahme einer Rechtswahl i. S. d. Art.

3 Abs. 1 S. 2 EVÜ gegeben sein.

235 In diesem Sinne: Kellmann, JuS 1971, 609 ff.; Larenz, Die Methode der Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 82. 236 Vgl. hierzu: Abend, S. 297 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 113; Schwimann, S. 106 f.; Schwind, S. 200; vgl. Soergel/ Hefermehl, vor § 116 BGB Rn. 18. 237 Abend, S. 297 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 113; Schwimann, S. 106 f.; Schwind, S. 200; vgl. Soergel/ Hefermehl, vor § 116 BGB Rn. 18. 238 So auch Abend, S. 297.

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2. Kapitel: Problempunkte und Besonderheiten im Bereich der

Rechtswahl unter Einbeziehung des EVÜ

Nachdem im ersten Kapitel die stillschweigende Rechtswahl in Europa untersucht wurde,

sollen in diesem Kapitel weitergehende Aspekte, die im Bereich der Rechtswahl unter

Einbeziehung des EVÜ von Bedeutung sind, wie die Klarstellung des Verhältnisses zwischen

Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ, das Nichtstattfinden einer

Inhaltskontrolle für eine Rechtswahl, die Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog.

floating choice-of-law clauses) sowie die stillschweigende negative Rechtswahl und die

stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen und der Konvention von

Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ, untersucht werden.

A. Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3

Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ

Auch wenn die Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs.

4 iVm Art. 9 EVÜ nicht im Fragenkatalog des Grünbuchs enthalten ist, so bedarf das Verhältnis

aus wissenschaftlicher Sicht einer Untersuchung. Auf den ersten Blick könnte man nämlich

annehmen, dass Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ die Formerfordernisse für eine konkludente

Rechtswahl festschreibt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da diese Frage bereits in Art. 3 Abs. 1 S.

2 EVÜ dahingehend entschieden ist, dass die konkludente Rechtswahl formfrei möglich ist,

vorausgesetzt, die Indiztatsache erfüllt die für sie erforderliche Form. Art. 3 Abs. 4 EVÜ hat

eine Auffangfunktion, da er nach der Reihenfolge und Systematik des Art. 3 EVÜ nur für

Fragen gilt, die nicht schon zuvor in Art. 3 Abs. 1-3 EVÜ selbst geregelt sind.239 Um

grösstmögliche Klarheit zu erreichen, könnte die Formfreiheit der konkludenten Rechtswahl

explizit in Art. 3 Abs. 1 S. 2 einer zukünftigen Rom I-Verordnung festgeschrieben werden.

B. Keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl

Eine weitere Überlegung ist es, im Normtext des Art. 3 Abs. 1 einer zukünftigen Rom I-

Verordnung ausdrücklich festzuschreiben, dass keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl

stattfindet, auch wenn dies bereits geltendes Recht ist und mithin eine deklaratorische

239 Lorenz, RIW 1992, 697 (697); Mankowski, Urteilsanm., VuR 1999, 140 (141); Heiss, Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln in AGB nach europäischem Internationalem Privatrecht, RabelsZ 65 (2001), 634 (636 f.).

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Festschreibung wäre.240 Es kommt durchaus vor, dass die Gerichte eine Inhaltskontrolle nach

dem Sachrecht der lex fori vornehmen.241 Dadurch wird Sach- und Kollisionsrecht vermengt,

indem nicht berufenes Sachrecht zur Anwendung gebracht wird. Zudem widerspricht es dem

von Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 EVÜ gewollten Schutzmechanismus zu Gunsten schwächerer

Parteien: Danach soll zu Gunsten der schwächeren Partei das Recht angewendet werden, das

ohne Rechtswahl anwendbar wäre. Das objektiv anwendbare Recht setzt damit einen

Mindeststandard, unter den die Rechtswahl nicht führen darf. Da somit die Art. 5 Abs. 1, 6 Abs.

1 EVÜ bestimmen, dass eine Rechtswahl selbst bei einer typischerweise schwächeren Partei

nach Massgabe des Art. 3 EVÜ wirksam sein soll242, muss Art. 3 EVÜ bei Verträgen ohne eine

typischerweise schwächere Partei erst recht eine abschliessende Regelung und eine Rechtswahl

ohne Inhaltskontrolle wirksam sein.243

C. Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog. floating choice-of-law

clauses)

In manchen Rechtsordnungen ist es zulässig, dass der Verweisungsvertrag unter einer

Bedingung vereinbart wird oder die Bestimmung des anzuwendenden Rechts einer der

Vertragsparteien überlassen wird. Bedingte optionale Rechtswahlklauseln (“floating choice-of-

law clauses“) werden in einigen Ländern auch im Zusammenhang mit einer entsprechenden

Gerichtsstandsklausel oder Schiedsabrede vereinbart.244 Bei sogenannten “floating choice-of-

law clauses“245, auch „schwebende Rechtswahl“ genannt, wird das Vertragsstatut erst später

bestimmt und davon abhängig gemacht, wo Ansprüche aus diesem Vertrag klageweise geltend

gemacht werden. Es handelt sich daher um bedingte, alternative Rechtswahlklauseln.246 Sie

ermöglichen, wechselseitige Gerichtsstandsklauseln mit entsprechenden Rechtswahlklauseln

240 Mankowski, Stillschweigende Rechtswahl und wählbares Recht. 241 Siehe z.B. OLG Düsseldorf, RIW 1994, 420 (421). 242 Mankowski, Grundfragen des Internationalen Verbrauchervertragsrechts, RIW 1993, 453 (456); ders., Urteilsanm. RIW 1994, 421 (423). 243 Mankowski, Stillschweigende Rechtswahl und wählbares Recht. 244 Kropholler, S. 442; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 59. 245 Beispielsweise in Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R. 207 (C.A.); Black Clawson International Ltd. v. Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg A.G. (1981) 2 Lloyd`s Rep., 446 (456); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.); Dubai Electricity Co. v. Islamic Republic of Iran Shipping Lines, (“The Iran Vojdan”) (1984) 2 Lloyd`s Rep., 380, 385; Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; E.I. du Pont de Nemours & Co. and Endo Laboratories Inc. v. I.C. Agnew, K.W. Kerr and others (1987) 2 Lloyd`s Rep., 585, 592 (C.A.); ausführlich dazu: Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q. 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff. 246 In diesem Sinne auch: Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.

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jeweils zugunsten der lex fori zu verbinden.247 Dadurch kann ausschließlich am allgemeinen

Gerichtsstand des Beklagten oder an einem besonderen Schiedsgericht geklagt werden und das

angerufene Gericht hat die lex fori anzuwenden. Da bei Vertragsschluss noch nicht feststeht,

wer klagen wird, ist die Alternative notwendig.248

Fraglich ist, ob solche optionalen Rechtswahlklauseln zulässig sind. Während die „floating

choice-of-law clauses“ dem englischen Kollisionsrecht – wie sich noch zeigen wird –

Schwierigkeiten bereiten, da das anwendbare Recht bereits bei Vertragsschluss existieren und

identifizierbar sein soll, können sie im Einzugsbereich des EVÜ mit dem Institut der

nachträglichen Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 2 S. 1 EVÜ problemlos gelöst werden.249 Nach

deutschem Verständnis wäre eine explizite Zulassung im Normtext einer zukünftigen Rom I-

Verordnung nur eine Klarstellung, da solche Rechtswahlklauseln unter Art. 3 Abs. 1 S. 1 EVÜ

statthaft sind und Wirkungen wie eine nachträgliche Rechtswahl entfalten. Eine ausdrückliche

Klarstellung, dass optionale Rechtswahlklauseln zulässig sind, würde jedoch die

Rechtssicherheit vergrössern.

D. Die stillschweigende negative Rechtswahl

Der Abgrenzung halber ist noch das im Schiedsrecht verwendete Institut der stillschweigenden

negativen Rechtswahl zu beleuchten. Es dient dazu, die Anwendung außerstaatlichen Rechts

wie internationale Handelsbräuche, allgemeine Rechtsgrundsätze, die lex mercatoria oder die

UNIDROIT Grundsätze bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl zu rechtfertigen. Diese

Rechte versuchen, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragsparteien

herbeizuführen.250 Wenn die Parteien sich nicht auf die Anwendbarkeit einer bestimmten

Rechtsordnung geeinigt haben, leiten einige251 daraus den stillschweigenden Verzicht der

Parteien auf die Anwendung jeglicher staatlichen Rechtsordnung ab. Allerdings ist nach wie

vor umstritten,252 ob Rechtsregeln nichtstaatlichen Ursprungs (wie zum Beispiel die „lex

mercatoria“, also internationale Handelsbräuche und vorherrschende Praktiken des

247 Vgl. Abend, S. 288; Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16. 248 Ebenso: Abend, S. 288; Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16. 249 Reese/ Rosenberg/ Hay, Supplement 1992, Kapitel 9. 250 So auch Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (391f.); Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286 (315). 251 Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286 (312 ff.); Michaels, RabelsZ 62 (1998), 580 (595 ff.). 252 Dafür: Boele-Woelki, IPRax 1997, 161 (166); Kappus, IPRax 1993, 137 ff., Mänhardt/ Posch, S. 90, Schwimann, S. 104; dagegen: v. Bar, II, Rn. 425, v. Hoffmann, S. 369, Kropholler, S. 413, Lagarde, Rev.crit.dr.int.pr. 80 (1991), 287 (300); Menne, JuS 1998, 711 (713), MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 31 f.; North/ Fawcett, S. 482; Plender, S. 55; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ von Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 12, 16.

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internationalen Handels) einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl überhaupt zugänglich sind oder

ob nur staatliches Recht in Betracht kommt. Zur Begründung, dass die Wahl nichtstaatlicher

Rechtsregeln eine Rechtswahl im Sinne des Art. 3 EVÜ darstellen sollte, wird angeführt, dass

eine Möglichkeit, die in vielen Staaten Schiedsgerichten eingeräumt werde, staatlichen

Gerichten nicht vorenthalten werden könne.253 Diese Lehre ist jedoch nach überzeugender

Ansicht254 abzulehnen, da sie reinhypothetisch ist und die Wertungen, die hinter der

Anwendung nicht-staatlicher Rechtssätze stehen, verdeckt: Diese sollen nämlich nur

angewendet werden, weil sich bestimmte internationale Verträge, die alle gleichwertig zu

mehreren Rechtsordnungen verknüpft sind, nicht zwanglos in einer einzigen nationalen

Rechtsordnung lokalisieren lassen. Die nicht-staatlichen Rechtssätze sind, unabhängig davon

wie detailliert sie sind, generell nicht geeignet, um alle Vertragslücken zu füllen. Sie bilden

kein geschlossenes und umfassendes Normensystem.255 Dementsprechend wird für das EVÜ

richtigerweise vertreten, das Übereinkommen erlaube eine Vereinbarung nicht-staatlichen

Rechts nicht.256 Zudem ergibt sich bereits aus Art. 7 Abs. 1 EVÜ, dass man nur an die Wahl

staatlichen Rechts dachte. Die Wahl außerstaatlichen Rechts ist somit ausgeschlossen.

E. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen und der

Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ

Die Haager Konvention, das EVÜ und die Konvention von Mexiko nehmen alle drei auf die

Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl Bezug. Interessant ist es, dabei festzustellen,

dass sehr abweichende Maßstäbe für das Vorliegen einer stillschweigenden Rechtswahl gesetzt

werden.

Die früheste Konvention von allen, das Haager Abkommen über das auf internationale Käufe

253 Vgl. hierzu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 254 Robine, What Companies expect of International Commercial Arbitration, J. Int`l Arb.( June 1992), 31, 36; Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Vischer/ Huber/ Oser, S. 81 Rn. 148. 255 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 256 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 76 f.

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beweglicher Sachen anwendbare Recht vom 15.6.1955257, dem die Bundesrepublik

Deutschland bisher nicht beigetreten ist, befasst sich mit dem internationalen Kaufrecht und

setzt den schärfsten Versuch in Art. 2 Abs. 2: Demzufolge muss die stillschweigende

Rechtswahl „zweifelsfrei aus den Vertragsbestimmungen hervorgehen (résulter

indubitablement des dispositions du contrat)“. Hierbei handelt es sich um eine einschränkende

Formulierung,258 die den Gerichten keinen Spielraum lässt. Die Konsequenz daraus ist, dass ein

einzelnes Indiz, wie zum Beispiel eine Gerichtsstandsvereinbarung, nicht ausreicht. Andere

Elemente, wie die Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe oder der Bezug auf bestimmte

Rechtsvorschriften, müssen hinzukommen.259 Zudem wird gefordert, dass der Schluss auf eine

stillschweigende Rechtswahl aus den Bestimmungen des Vertrages an sich resultieren muss und

nicht aus anderen den Vertrag umgebenden, äußerlichen Umständen.260 Diese Forderung wurde

heftig kritisiert und es wurde die Ansicht vertreten, dass die an eine stillschweigende

Rechtswahl gestellten Forderungen zu hoch seien. Sie würden die Tatsache missachten, dass

die Parteien, wenn sie einen Gerichtsstand für ihren Streit wählen, in der Regel dieses spezielle

Recht auf den Vertrag auch anwenden wollten.261 Gleichzeitig wird durch die Formulierung

„zweifelsfrei“ in Art. 2 Abs. 2 des Haager Abkommens die Forderung unterstrichen, dass der

stillschweigende Rechtswahlwille nicht mit dem hypothetischen Rechtswahlwillen der Parteien

verwechselt werden darf.262 Aus der Bestimmung folgt schließlich, dass die stillschweigende

Rechtswahl nur als anfängliche möglich ist: Da sie sich bereits aus dem Vertrag ergeben muss,

kann sie nicht erst durch das spätere Prozessverhalten der Parteien zustande kommen.263 Art. 2

Abs. 3 des Haager Kaufrechtsübereinkommens264 regelt die „Voraussetzungen für eine

übereinstimmende Willensäußerung der Parteien über das als anwendbar erklärte Recht“; im

257 Das Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht v. 15.6.1955 ist am 1.9.1964 für Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien und Norwegen in Kraft getreten, am 6.9.1964 für Schweden, am 10.12.1971 für Niger und am 27.10.1972 für die Schweiz, dazu allgemein: Brulhart, S. 88 Nr. 187; Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 5 f. 258 So auch v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 155 (162) (1993); North-v. Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224; vgl. auch Plender, S. 10, 14; Raape, S. 435. 259 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166). 260 Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff. (390); Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); ders., S. 46; Plender, S. 14. 261 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166). 262 Vgl. Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 260; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (165); Vischer, Int.VertrR, S. 69 ff.263 Hartenstein, S. 120. 264 Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht, United Nations Treaty Series, 510 U.N.T.S. 147.

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französischen Originaltext265 ist in diesem Zusammenhang von “consentement des parties“ die

Rede. Es wird das nicht ausdrücklich bestimmte Erfordernis einer Einigung vorausgesetzt, das

damit für internationale Kaufverträge in den Vertragsstaaten des Abkommens gilt.

In dem (neuen) Haager Abkommen über das auf internationale Warenkäufe anwendbare Recht

vom 22.12.1986266, das in seinem Artikel 1 einen Mittelweg zwischen dem EVÜ und der

Haager Konvention von 1955267 zu finden sucht, wurde die Forderung in Art. 7 Abs. 1

ausgeweitet und noch strenger: Der stillschweigende Parteiwille muss sich „klar (“clearly“) aus

dem Gesamtinhalt des Kaufs und aus dem gesamten Verhalten der Parteien ergeben.“ Dieses

Erfordernis impliziert, dass ein bestimmtes Indiz, isoliert für sich genommen, nicht ausreicht,

um eine Rechtswahl der Parteien festzusetzen. Die Indizien, auf die geachtet werden muss,

werden so zwar zu Angelegenheiten über den Vertrag hinaus erweitert, aber die Wörter “clearly

demonstrated“ setzen immer noch ein relativ hohes Maß an Sicherheit.268

Die Konvention von Mexiko von 1994269, die ebenfalls den Grundsatz der Parteiautonomie

ausdrücklich anerkennt,270 ist in bestimmten Punkten widersprüchlich: In Art. 7 Abs. 1 fordert

sie, dass die stillschweigende Absicht einer Rechtswahl „in offensichtlicher Weise aus dem

Verhalten der Parteien und den Bestimmungen des Vertrages, betrachtet als Ganzes,

hervorgehen muss“. Dies kann als noch strengerer Standard angesehen werden, als das Maß an

Sicherheit, welches das EVÜ fordert.271 Denn es ist danach ausgeschlossen, dass in

schematischer Weise auf bestimmte Beweiszeichen zurückgegriffen wird, um den Parteien eine

stillschweigende Rechtswahl zu unterstellen. Eine stillschweigende Rechtswahl kann nur

angenommen werden, wenn es gerade im konkreten Fall „offensichtlich“ erscheint, dass die

265 United Nations Treaty Series, 220 U.N.T.S. 122. 266 Das (neue) Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht v. 22.12.1986 ist lediglich von Argentinien und Moldau ratifiziert sowie von den Niederlanden und der ehemaligen Tschechoslowakei gezeichnet worden; es ist noch nicht in Kraft getreten. Nach der Teilung der Tschechoslowakei am 1.1.1993 sind die Tschechische Republik und die Slowakische Republik als Unterzeichnerstaaten anzusehen. Text in 51 RabelsZ 1987, 196 ff. 267 So beispielsweise Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (162). 268 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 110; Pommier, S. 108. 269 Diese Interamerikanische Konvention von Mexiko vom 18.3.1994 über das auf internationale Schuldverträge anwendbare Recht wurde zwischen den USA und lateinamerikanischen Staaten, wie z.B. Argentinien, Chile, Ecuador, Kuba, Mexiko und Uruguay abgeschlossen, wobei es inhaltlich um dasselbe geht wie in dem Haager Übereinkommen. Die Konvention wurde von Venezuela am 26.10.1995, von Mexiko am 15.11.1996 ratifiziert und trat gemäss Art. 28 am 15.12.1996 in Kraft (Ratifikationsstand im Internet: http:// www.oas.org/SP/PINFO/docs.htm); vgl. dazu ausführlich Samtleben, IPRax 1998, 385 ff. 270 Vgl. Art 7 Abs. 1; die Anerkennung der Parteiautonomie ist nicht in allen lateinamerikanischen Staaten gesichert: Brasilien, Kolumbien und Uruguay erkennen beispielsweise die Parteiautonomie nicht an, weshalb der Konvention Signalwirkung zukommt, vgl. Arroyo, Rev.crit.dr.int.priv. 1995, 178 (182); Samtleben, IPRax 1998, 385 (387 f.). 271 Vgl. Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (388); Samtleben, IPRax 1998, 385 (388).

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Parteien den Vertrag einem bestimmten Recht unterwerfen wollten.272 Das wird verdeutlicht in

Art. 7 Abs. 2, der festsetzt, dass die Wahl der Parteien hinsichtlich eines bestimmten Gerichtes

„nicht notwendig“ eine Wahl des anwendbaren Rechts mit sich bringt,273 wohingegen nach dem

EVÜ dies immerhin diskutabel ist. Die Vorschrift des Art. 7 läßt es auch nicht zu, dass den

Parteien ein hypothetischer Wille unterstellt wird.274

Die Formulierungen des EVÜ bezüglich der stillschweigenden Rechtswahl in den drei

verschiedenen Rechtsordnungen Deutschland, England und Frankreich („mit hinreichender

Sicherheit“, “with reasonable certainty“, “de façon certaine“) machen deutlich, dass die

europäischen Gerichte in Bezug auf die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl eine

grosszügigere Einstellung haben.275 Festzuhalten bleibt, dass die geforderten Standards an

Sicherheit in Bezug auf die stillschweigende Rechtswahl in den verschiedenen Konventionen

variieren. Alle haben jedoch gemeinsam, dass das Gericht in der Lage sein muss, auf eine

„echte“ Rechtswahl zu schließen anstatt eine solche Absicht zu unterstellen.276

Es bestehen Unterschiede hinsichtlich der Umstände, aus denen auf eine „echte“ Rechtswahl

geschlossen werden kann. Wenn das Vorhandensein einer stillschweigenden Rechtswahl

„zweifelsfrei“ (“without doubt“) oder „mit Sicherheit“ (“with certainty“) feststellbar sein muss,

ist es klar, dass dem Gericht kaum Spielraum für Spekulation darüber bleibt, ob ein bestimmtes

Recht gewählt wurde oder nicht. Falls sich für die Benutzung von bestimmten Vorschriften,

einer bestimmten Sprache oder einer Gerichtsstandsklausel eine andere Erklärung findet, wie

beispielsweise der ausgezeichnete Ruf des gewählten Gerichtes, wird nicht auf eine

stillschweigende Rechtswahl geschlossen. Wenn die stillschweigende Rechtswahl jedoch nur

mit „angemessener Sicherheit“ (“reasonable certainty“) festgesetzt werden muss, ist es für das

Gericht bereits ausreichend, wenn ein Wille der Parteien, eine bestimmte Rechtsordnung

anwenden zu wollen, wahrscheinlicher ist als dessen Nichtexistenz. In diesem Fall kann ein

einzelnes Indiz, wie beispielsweise die Gerichtsstandsvereinbarung, ausreichen.277 Die letzte

Methode, die in der englischen Fassung des EVÜ zum Ausdruck gebracht wird, spiegelt sich,

272 Vgl. hierzu Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 273 Vgl. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), 250; anders aber Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (388), der in der Vorschrift (“though phrased negatively“) die gegenteilige Aussage sieht; Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 274 Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 275 In diesem Sinne auch v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166). 276 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff. (390); Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 110; vgl. auch Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 277 Nygh, S. 111; in diesem Sinne auch Samtleben, IPRax 1998, 385 (388).

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wie bereits dargelegt, sowohl in der deutschen Methode wider als auch im englischen Recht.

Blickt man auf die Entwicklung des Rechts der Konventionen, scheint es heute die bevorzugte

Methode zu sein.278

278 Nygh, S. 111.

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3. Kapitel: Die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl

A. Die Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zur

stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts

In diesem Abschnitt wird untersucht, wie in der Praxis festgestellt wird, ob sich eine

Rechtswahl „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den

Umständen des Falles“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ) ergibt.

I. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis

Mangels ausdrücklicher Erklärung haben sich in Deutschland, England und Frankreich

Indizien, das heißt bestimmte äußere Umstände, in der Praxis als Anhaltspunkte für einen

stillschweigenden Parteiwillen herausgebildet, die allerdings grundsätzlich im Zusammenhang

mit sämtlichen Einzelumständen des Falles sowie den Bedingungen des Vertrages zu bewerten

sind.279 Folglich kann ein Indiz in einem Fall von besonderer Wichtigkeit sein und den

Ausschlag für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl geben, während es in einem

anderen Fall, in dem entgegenwirkende Umstände oder Faktoren gegeben sind, als schwächeres

Indiz einzustufen ist.280 Mittels der Indizien wird eine Rechtswahl der Parteien zwar nicht

unbedingt offensichtlich, aber sie geben eine Wahrscheinlichkeit für eine Rechtswahl.281

Bei der Prüfung der in Betracht kommenden Indizien darf nicht aus den Augen verloren

werden, dass das entscheidende Merkmal der Parteiwille ist, da er maßgeblich den

stillschweigenden von dem hypothetischen Parteiwillen bzw. die stillschweigende Rechtswahl

von der objektiven Anknüpfung unterscheidet.282 Die Schwierigkeit einer stillschweigenden

Rechtswahl liegt darin, dass sie einerseits Ausdruck des realen Parteiwillens sein muss, aber

andererseits grundsätzlich nur äußeren Umständen entnommen werden kann, was die Gefahr

schematischen Vorgehens und fiktiver Annahmen begünstigt. Die später folgenden Indizien

sollen daraufhin näher untersucht und entsprechend dargestellt und gewichtet werden.

Die Heranziehung des Berichts von Giuliano und Lagarde, der als Auslegungshilfe gedacht ist

und im Official Journal283 veröffentlicht wurde, könnte in England gegen den hergebrachten

Grundsatz der Rechtsprechung verstoßen, Äußerungen noch lebender Autoren nicht zur

279 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev.de dr.int.priv.et de dr.pénal int. 1911, 395; dazu Jacquet, S. 26; Collier, S. 153; Kassis, S. 361. 280 Collier, S. 153. 281 Kassis, S. 361. 282 MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 41; Steiner, S. 79, 81; Stoll, S. 39. 283 (1980) O.J. C 282 (Oktober 31, 1980).

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Kenntnis zu nehmen.284 Allerdings sieht sec. 3 (3) (a) des Contracts (Applicable Law) Act 1990

die Heranziehung des Berichts ausdrücklich vor, so dass auch die englischen Gerichte ihn

letztlich doch hinzuziehen können.285 Mithin sollen hier auch die Indizien einer genaueren

Prüfung unterzogen werden, die die Autoren Giuliano und Lagarde in ihrem Bericht als

Beispiele für Situationen anführen, in denen auf eine „echte Rechtswahl“ der Parteien

geschlossen werden kann.286 Entscheidend ist, dass der stillschweigende Rechtswahlwille der

Parteien auf ein anderes, mit einer objektiven Anknüpfung nicht zusammenhängendes System

hinweist.287

Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die verschiedenen sprachlichen Fassungen des EVÜ

bezüglich der stillschweigenden Rechtswahl in den jeweiligen Gerichtsentscheidungen

widerspiegeln.

II. Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen

1. In Deutschland

a) Fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen

Bei der fakultativen Gerichtsstandsvereinbarung einigen sich die Parteien bezüglich eines

Falles mit Auslandsbezug nach eigenem Ermessen auf die Zuständigkeit der Gerichte eines

bestimmten Landes.288 Nach überwiegender Ansicht289 ist die fakultative

Gerichtsstandsvereinbarung ein materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche

Beziehungen.

Eine einheitliche Bewertung dieses Indizes kann in der deutschen Praxis nicht festgestellt

werden: Es wird ihm sowohl allein starke Bedeutung beigemessen, als auch teilweise nur im

Zusammenhang mit anderen Indizien. Obwohl die Wahl eines einheitlichen Gerichtsstandes

kein zwingendes Indiz für einen Rechtswahlwillen der Parteien ist, wird sie in der deutschen

284 Vgl. dazu: North/ Fawcett, S. 464; Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (359); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (680); Morris, Ch. 13. 285 North/ Fawcett, S. 464; Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (359); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (680); Morris, Ch. 13. 286 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 287 Nygh, S. 114. 288 MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 49. 289 BGHZ 49, 384; BGH NJW 1971, 323; Koch, S. 45, 94; Sandrock-Jung, Bd. II, S. 767 m.w.N. in Fn 9; Thomas/ Putzo, Einl. III 6 f. u. Vorb. § 38 Anm. 2; a.A.: Hausmann, in: FS Lorenz, S. 359 (361); Martiny, AWD 1972, 165 ff.

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Literatur290 als einer der stärksten Anhaltspunkte für die Wahl des Rechts des Gerichtsstaates

angesehen. Bereits der gemeinrechtliche Satz „qui eligit judicem, eligit ius“291 deutet darauf

hin, dass mit der Gerichtswahl in der Regel die Wahl des Rechts des Gerichtsortes gegeben

ist.292 Dieser Satz wird teilweise dadurch gerechtfertigt, dass in Handels- und Industriekreisen

mit der prorogatio fori die Vorstellung von der Anwendung der materiellen lex fori untrennbar

verbunden werde.293

Die Rechtsprechung vertrat schon in frühen Entscheidungen294 die Ansicht, dass eine

Gerichtsstandsvereinbarung auf eine stillschweigende Rechtswahl der Parteien für das

erkennende Gericht schließen lässt. Begründet wird dies damit, dass die Parteien davon

ausgehen, dass das Gericht nicht nach fremdem Recht entscheidet.

Auch in der folgenden neueren Rechtsprechung295 sieht man in der Gerichtsstandsvereinbarung

einen „starken Hinweis“ auf das Recht dieses Gerichts, wenn auch nicht mehr vorbehaltlos auf

einen Rechtswahlwillen geschlossen wird, sondern vielmehr weitere Umstände zur Begründung

einer Rechtswahl hinzutreten müssen. Solche Umstände können zum Beispiel das

Zusammenfallen des Abschlussortes oder des Erfüllungsortes mit dem Ort des Gerichtsstandes,

die Verwendung von der lex fori angehörenden Rechtsbegriffen oder auch die Maßgeblichkeit

der am Gerichtsort gebräuchlichen Sprache sein.296 Als Argument für den Indizcharakter einer

Gerichtsstandsvereinbarung wird angeführt, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die

Möglichkeit, nach Heimatrecht zu entscheiden, die beste Gewähr für eine richtige Entscheidung

ist. Die Anwendung fremden Rechts sei meistens für die Gerichte schwierig und kompliziert.

Deshalb rechneten die Parteien in der Regel damit, dass der Richter nur sein eigenes Recht

290 Andrae/ Fincke, S. 17; Baetge, JuS 1996, 983 (987); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318, 332); v. Hoffmann, § 10 Rn. 35, S. 372; Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 95 f.; Kost, S. 42; Kreft, WM-Sonderbeilage Nr. 5 zu Heft 35/ 1997, S. 3 (67); a.A. Kreuzer, S. 119, der die Gerichtsstandsvereinbarung als objektive Anknüpfungsnorm vorschlägt; Kropholler, S. 440; Lewald, S. 211; Lorenz, RIW 1992, 697 (702); Lüthge, S. 75, 81; Martiny, ZEuP 99, 246; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Nussbaum, S. 227 f.; Palandt/ Heldrich, Art. 27 Rn. 6; Raape, S. 435; kritisch Rammeloo, S. 223 ff.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 58; Schwimann, S. 107; Siehr, FS Keller, S. 485 (492); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 86; Stoll, S. 41 ff.; Umbricht, S. 76; Vischer/ Huber/ Oser, S. 91; Wolff, S. 142. 291 Vgl. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), 250; Kost, S. 42, MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Schulze, S. 44; Stoll, S. 41 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 70 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 14. 292 Denn er bedeutet übersetzt, dass derjenige, der das Gericht wählt, das Recht wählt. 293 Nussbaum, S. 228; vgl. dazu Vischer, Int.VertrR, S. 71, der mit dieser Rechtfertigung nicht übereinstimmt. 294 RG JW 1906, 449 (452); BGHZ 104, 268, 270; BGH DB 1964, 1297, AWD 1973, 101, WM 1964, 1023; BayObLG IPRspr 1934 Nr. 25; OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36; OLG Hamburg RIW 1986, 462 (463); LG Frankfurt a.M. AWD 1966, 226, 1969, 233; BAG DB 1975, 63. 295 So z.B. in BGH NJW 1996, 2569; vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 296 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226; BGH NJW 1996, 2569; vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 49.

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kennt.297 Zudem fordere auch das Interesse der Rechtssicherheit eine einheitliche Anwendung

deutschen Rechts. Hinzu komme, dass die Zahl der Fälle, in denen die Ermittlung

ausländischen Rechts auf Schwierigkeiten stößt, steige.298 Weiterhin wird angeführt, dass die

Parteien im Zweifel keine Trennung von materiellem und prozessualem Recht wollten, da das

Gericht am besten mit der lex fori vertraut sei.299

Die deutsche Rechtsprechung geht davon aus, dass vor allem die Parteien wegen der

Arbeitsvereinfachung die Anwendung der lex fori wünschen. Das heißt, es soll mit der

vorrangigen Anwendung der lex fori nicht so sehr dem Richter als vielmehr den Parteien

entgegengekommen werden. Das im Mittelpunkt stehende Parteiinteresse an der Anwendung

der lex fori begründet die Rechtsprechung mit rechtlichen und tatsächlichen Nachteilen bei der

Anwendung ausländischen Rechts im Prozess.300 Die möglichen Gegenargumente, dass die

Ermittlung ausländischen Rechts nicht zwingend schwierig sein muss für die deutschen

Gerichte, da diese in den wichtigen Rechtsgebieten zumindest teilweise über ausreichende

Informationen bezüglich anderer Rechtsordnungen in deutscher Sprache verfügen, und dass

eine unsichere Anwendung ausländischen Rechts mehr zur Gründlichkeit und einer kritischeren

Betrachtung zwingt als dies beim routinemäßigen Umgang mit bekannten Vorschriften der Fall

ist, überzeugen nicht. Sie hängen von zu vielen unsicheren Faktoren und Eventualitäten ab. Ob

die Ermittlung ausländischen Rechts für die Gerichte schwierig ist, hängt nämlich von

folgenden Umständen ab: dem jeweiligen, zu ermittelnden ausländischen Recht, den

ermittelnden Gerichten, der Sprache, dem Rechtsgebiet und ausreichenden Informationen der

Gerichte im konkreten Fall. Die Argumente zeigen, dass es wichtig ist, trotz einer

Gerichtsstandsvereinbarung stets die Gesamtheit der Umstände zu berücksichtigen und den

Einzelfall nicht außer Acht zu lassen. Denn der wirkliche Parteiwille ist zu ermitteln, wobei

eine Vereinbarung vorliegen muss.

Wenn also beispielsweise andere Bestimmungen des Vertrages oder die Gesamtheit der

Umstände dagegen sprechen, so kann der Gerichtsstandsvereinbarung in diesem Fall keine

Bedeutung beigemessen werden.301 Man könnte aus einer Gerichtsstandsklausel auch den

Schluss ziehen, die Parteien hätten, wenn sie schon an den Gerichtsstand gedacht haben, eben

gerade auch nur den Gerichtsstand vereinbaren und die Frage des anwendbaren Rechts dem

297 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 298 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 299 Nussbaum, S. 228; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Stoll, S. 41. 300 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 301 Abend, S. 296; vgl. auch Lewald, S. 211, der feststellt, dass die Rechtsprechung bei der Gerichtsstandsvereinbarung keineswegs einheitlich ist; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 85, 89; Schulze, S. 44 f.; Umbricht, S. 77.

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Kollisionsrecht des Forums überlassen wollen. Die formularmäßige

Gerichtsstandsvereinbarung auf einer Rechnung reicht daher grundsätzlich nicht.302 Genauso

wenig deutet eine nach Vertragsschluss getroffene Gerichtsstandsvereinbarung auf einen

Rechtswahlwillen der Parteien hin.303 Auch wenn der Kläger der Zuständigkeitsvereinbarung

zufolge zwischen Gerichtsständen wählen kann, sagt dies nicht viel über einen

Rechtswahlwillen der Parteien aus. Hier ist eine differenzierte Betrachtung geboten: Es kommt

mangels anderer Anhaltspunkte darauf an, wo der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses liegt.

Der BGH hat die Vereinbarungen eines wahlweisen Gerichtsstandes unter Berücksichtigung

des Prozessverhaltens dennoch als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl ausgelegt.304

Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung, die hingegen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

enthalten ist, kommt der Wille der Rechtswahl bereits durch die Einbeziehung der Allgemeinen

Geschäftsbedingungen zum Ausdruck.305 Es ist alleine schon deshalb Vorsicht geboten, weil

eine Gerichtsstandsklausel in erster Linie nur entscheidet, an welchem Ort ein Rechtsstreit

auszutragen ist, jedoch nicht zwingend eine eindeutige Einigung hinsichtlich der Frage enthält,

welches Recht auf den Vertrag anwendbar sein soll.

b) Schiedsgerichtsvereinbarungen

Im Unterschied zu staatlichen Gerichten sind Schiedsgerichte durch den Willen der Parteien

noch stärker gebunden, als dies bei einem staatlichen Gericht möglich ist.306

Die Schiedsgerichtsklausel führt ebenso wie die Gerichtsstandsvereinbarung zu einem Vertrag

über die Zuständigkeit, wobei auch hier die Ansicht vertreten wird, dass es sich um einen

materiellrechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen handelt.307 Allerdings setzen

sich die Parteien mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes nicht nur über die

Zuständigkeitsregelung der staatlichen Gerichte hinweg, sondern schließen die ordentlichen

Gerichte aus, indem sie sich dem Urteil eines Privatgerichtes unterwerfen. Häufig wird als Indiz

für eine stillschweigende Rechtswahl die Wirkung der Schiedsgerichtsvereinbarung derjenigen

der Gerichtsstandsklausel gleichgestellt.308 Beide sind in internationalen Verträgen Ausdruck

302 So auch: BGH DB 1969, 1053; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43 a; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schröder/ Wenner, S. 59; a.A. Steiner, S. 86. 303 Ebenso: OLG Düsseldorf WM 1971, 168 (170); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schröder/ Wenner, S. 59; Steiner, S. 86. 304 BGH IPRspr. 1958/ 59 Nr. 53; LG Freiburg IPRspr. 1966/ 67 Nr. 34 a; Lorenz, RIW 1992, S. 697 ff. (702); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 90; Schröder/ Wenner, S. 59; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 ff. (310 f.). 305 Ebenso: OLG Schleswig NJW-RR 1988, 283 f. 306 GA Saggio, in: Rs. C-126/97 (Eco Swiss China Time Ltd. v. Benetton International NV) Slg. 1999, I-3055, 3065 Nr. 21. 307 BGHZ 40, 320 (322); BGH NJW 1984, 2763 f.; Schütze, S. 215. 308 Vgl. Lewald, S. 211; Menne, JuS 1998, 711 (713); Schulze, S. 47 Fn. 96; Vischer, Int.VertrR, S. 72.

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des legitimen Interesses der Parteien an Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der aus einem

Verhandlungsergebnis resultierenden Rechtswirkungen.309

Auch bei der Schiedsgerichtsklausel wird auf eine alte Weisheit zurückgegriffen: „Qui eligit

arbitrum, eligit ius“. In diesem Fall bedeutet das, dass derjenige, der das Schiedsgericht wählt,

das Recht wählt.310 Demnach ist durch die Wahl eines Schiedsgerichtes eine Rechtswahl, in

ausdrücklicher wie auch stillschweigender Form, möglich. Andererseits mahnt der Wille der

Parteien, durch eine Schiedsgerichtsklausel auf staatlichen Rechtsschutz zu verzichten, zu einer

eher zurückhaltenden Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl. Eine

Schiedsgerichtsklausel deutet jedenfalls dann auf einen Rechtswahlwillen hin, wenn ein

institutionelles Schiedsgericht angerufen werden soll, das traditionell nach seinem Sitzrecht

entscheidet.

Diese langjährige Anerkennung der institutionellen Schiedsgerichtsvereinbarung als

stillschweigende Rechtswahl wird durch viele Entscheidungen der Rechtsprechung311 und

Stimmen in der Literatur312 belegt.

Der Indizwert einer Schiedsvereinbarung ist aber je nach Art des gewählten Schiedsgerichtes

verschieden zu beurteilen. Argumentiert wird damit, dass nur die institutionellen nationalen

Schiedsgerichte mit der Organisation oder der Einrichtung des jeweiligen Landes verbunden

sind, so dass die Parteien damit rechnen, diese Gerichte entschieden nach der lex fori.313 Als ein

solches institutionelles Schiedsgericht kommen Börsenschiedsgerichte oder Schiedsgerichte

eines bestimmten Handelszweiges in Betracht (wie zum Beispiel die Züricher Handelskammer,

London Corn-Trade-Association, London Court of Arbitration usw.).314 Die Schiedsrichter

haben spezielle Fach- und Branchenkenntnisse, aber ihnen fehlt es oft an Rechtskenntnissen,

309 Büchner, RIW 1984, 180 (181). 310 Konkret die Doktrin benennend: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 83; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 44; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32 f. 311 BGH WM 1964, 1023, AWD 1967, 108, AWD 1970, 31, OLG Düsseldorf AWD 1961, 126; Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, NJW 1996, 3229 (3230); OLG Hamburg VersR 1958, 213 (214), 1982, 1096, AWD 1958, 249 (250), WM 1969, 709 ff. (711), RIW 1979, 482 f.; OLG Stuttgart AWD 1960, 246 (247); LG Hamburg AWD 1974, 410; BAG DB 1975, 63; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 312 v. Bar, II, Rn. 472; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 15; Ferid/ Böhmer, S. 218; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318, 332); Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 122 f.; Kost, S. 42; a.A. Kreuzer, S. 119, der von einer objektiven Anknüpfungsnorm bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes spricht; Kropholler, S. 440; zurückhaltender Lewald, S. 211; Lorenz, RIW 1992, 697 (702); Lüthge, S. 81; Martiny, ZEuP 99, 246; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 44; Neuhaus, S. 262; Nussbaum, S. 228; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; kritisch Rammeloo, S. 224 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 87, 90 ff.; Sandrock, RIW 1992, 785 (787); Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32 f.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 59; Siehr, FS Keller, S. 485 (492); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 48; Steiner, S. 88; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (310 f.); Umbricht, S. 76; Vischer/ Huber/ Oser, S. 93; vgl. auch Vischer, Int.VertrR, S. 72; Wolff, S. 142. 313 Vgl. Nussbaum, S. 228; Vischer, Int.VertrR, S. 72. 314 Ebenso: Vischer, Int.VertrR, S. 72.

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die sie zum Richteramt an ordentlichen Gerichten befähigen. Sie können sich daher am besten

in der eigenen Rechtsordnung über Rechtsfragen informieren.315

Ein deutlicher Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl ist eine Vereinbarung auch dann,

wenn das Schiedsgericht nicht auf der Grundlage einer nationalen Rechtsordnung entscheidet,

sondern nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Dann wollen die Parteien, dass dieses Recht

angewendet wird, zu dem sie auf anderem Wege nicht kämen.316 Der Grund für die vertragliche

Bestimmung eines Schiedsgerichtes muss nicht nur in der Bestimmung des anwendbaren

Rechts bestehen; vielmehr erscheint im internationalen Handel ein Schiedsgericht oft als besser,

schneller und bequemer erreichbar sowie sachkundiger. Dass die Parteien jedoch grundsätzlich

sowohl bei der Vereinbarung eines staatlichen Gerichtes wie auch bei der eines

Schiedsgerichtes das Interesse haben und auch davon ausgehen, dass nach der lex fori

entschieden wird, lässt sich mit vielen Argumenten verdeutlichen: Zum einen läuft der Richter,

der ausländisches Recht anwenden muss, viel eher als bei der lex fori Gefahr,

Fehlentscheidungen zu treffen, da er das Recht nicht kennt. Zwar besteht in Deutschland die

gängie Praxis, Gutachten zum ausländischen Recht einzuholen. Allerdings werden deren

Ergebnisse fast kritiklos übernommen, was zu einer bedenklichen Abhängigkeit des Richters

vom Gutachter führt, ganz abgesehen davon, dass die Gutachten Zeit und Geld kosten.317

Zudem werden die Parteien dadurch benachteiligt, dass der Richter mittels des Gutachtens

einen Wissensvorsprung zum Inhalt des ausländischen Rechts hat. Selbst wenn die Parteien

Zugang zu den Gutachten hätten, würde das die Rechtslage nur punktuell aufklären, und es

stünden ihnen nicht alle rechtlichen Möglichkeiten offen. Zum anderen müssten die Parteien

sich mit Rechtsanwendung von minderer Qualität zufrieden geben, denn die fehlende

Einbettung in die ausländische Rechtsordnung bedeutet eine Einbuße an Rechtsfortbildung des

Richters sowie einen Mangel an legitimen Wertungen, um dem Einzelfall gerecht werden zu

können. Schließlich würde der Rechtsweg bei ausländischem Recht verkürzt, weil dessen

falsche Anwendung im Revisionsverfahren nicht gerügt werden kann. Dies gilt allerdings nur

für das Verfahren vor einem staatlichen Gericht. Die lex fori sichert eine höhere Authentizität

der Rechtsanwendung, bietet damit eine höhere Justizqualität und umgeht die Gefahr, dass das

ausländische Recht zu bloßem Buchstabenrecht degradiert wird.318 Im Vordergrund der

Parteiinteressen steht ein kurzes, kostengünstiges Verfahren mit einem Richter, der sich durch

315 Riemann, S. 202; Schütze, S. 202, 205 f. 316 Steiner, S. 88. 317 In diesem Sinne auch Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547 (549 ff.). 318 Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547 (549 ff.); in diesem Sinne auch Fudickar, S. 4.

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richtige Rechtsnormenanwendung auszeichnet, und an dessen Ende ein sachgerechtes Ergebnis

steht.

Anders ist dies bei einer Vereinbarung von Gelegenheitsschiedsgerichten ohne festen Sitz oder

ständigen internationalen Schiedsgerichten (wie zum Beispiel die International Chamber of

Commerce in Paris), erst recht unter Teilnahme von Schiedsrichtern mit unterschiedlicher

Staatsangehörigkeit, die jeder für sich ihre eigene Rechtsordnung repräsentieren. Diese hat

genauso wie die Berufung eines institutionellen Schiedsgerichtes, das nicht nach seinem

Sitzrecht zu entscheiden pflegt, keinen Indizcharakter.319 Bei Ad-hoc-Schiedsgerichten wird ein

Schiedsforum nur für einen bestimmten Streitfall zusammengestellt und nach Beurteilung

wieder aufgelöst. Hier dürfte der Schluss auf die Wahl des materiellen Rechts nur

ausnahmsweise zu ziehen sein, wenn der Sitz des Schiedsgerichtes ausdrücklich vereinbart ist

und der Ort des Schiedsgerichtes zudem in dem Land liegt, dessen Nationalität sämtliche

Schiedsrichter besitzen oder in welchem diese ihren Wohnsitz haben.320 Nehmen jedoch die

Parteien auf einen Vertrag Bezug, der nur von einer der beiden Parteien mit einem Dritten

geschlossen wurde und in dem eine Schiedsklausel enthalten ist, so entfaltet diese

Schiedsklausel ihre Indizwirkung für eine stillschweigende Rechtswahl auch zwischen den

Parteien. Es handelt sich um eine Inkorporation der stillschweigenden Rechtswahl.321 Es darf

nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vereinbarung eines bestimmten Schiedsgerichtes in

der Regel vorrangig andere Gründe hat als die stillschweigende Wahl des Rechts des Forums.

Dies ist der Fall, wenn die Schiedsklausel keinen Zusammenhang mit den sonstigen

Vertragsmodalitäten oder der Frage des anwendbaren Rechts erkennen lässt, und das streitige

Rechtsverhältnis zu einem anderen Land einen sehr starken, zum Recht des Schiedsverfahrens

aber sonst keinen Bezug hat.322

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass dem Sitz des Schiedsgerichtes an sich keine besondere

Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts zukommt, zumal der Indizwert von

der Art des Schiedsgerichtes abhängt.

2. In England

Gerichtsstands- und Schiedsklauseln werden zwar auch in England als starker Hinweis auf eine

stillschweigende Wahl einer Rechtsordnung angesehen, können jedoch in ihrer Würdigung

nicht mit denen anderer Rechtsordnungen gleichgesetzt werden:

319 OLG Stuttgart, AWD 1960, 246 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 92. 320 OLG Hamm NJW 1990, 652 (653); Koch, S. 123 f.; Reithmann/ Martiny, S. 92; Schröder/ Wenner, S. 60; Schütze, S. 205; Vischer/ Huber/ Oser, S. 93. 321 BGH AWD 1967, 108 f.; v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 93. 322 Mezger, AWD 1964, 201 (204); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 92.

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Die Ausbildung und Bedeutung der englischen Schiedsgerichtsbarkeit ist zum einen besonders

stark ausgeprägt, wodurch sich viele wichtige Urteile als “leading cases“ herausgebildet haben

und als Präjudizien dienen können. Zum anderen haben die englischen staatlichen Gerichte

weite Eingriffsmöglichkeiten in ein Schiedsverfahren. Die staatliche Gerichtsbarkeit bleibt trotz

Schiedsvertrages in einem viel weiteren Maße bestehen als dies in den anderen kontinentalen

Rechtsordnungen der Fall ist.323 Wird beispielsweise entgegen einem Schiedsvertrag ein

Verfahren von einer Partei vor dem ordentlichen Gericht anhängig gemacht, so kann das

Gericht nach seinem Ermessen an das vereinbarte Schiedsgericht verweisen oder das Verfahren

selbst aufnehmen.324 Durch eine Gerichtsstandsklausel stimmen die Parteien in England damit

überein, dass die Gerichte eines bestimmten Landes die Gerichtsbarkeit über Streitigkeiten

haben, die aus dem Vertrag resultieren, während die Schiedsgerichtsvereinbarung vorsieht, dass

jeglicher Streit, der aus dem Vertrag resultiert, von einem Schiedsgericht in einem bestimmten

Land entschieden werden soll. Das Recht, das am Sitz des Schiedsgerichtes gilt, bestimmt das

auf den Vertrag anwendbare Recht.325 Dies lässt sich damit begründen, dass es bequemer und

kostengünstiger ist, wenn das Recht des Ortes des Schiedsgerichtes gilt, als wenn ein

ausländisches Recht angewendet würde.326 Schiedsgerichtsklauseln sind vor allem in

Handelsverträgen üblich. Bei sonstigen internationalen Verträgen wird grundsätzlich immer das

Recht des Landes vereinbart, in dem die Schlichtung stattfinden soll.327 Sowohl die

Vereinbarung eines bestimmten Forums als auch die eines Schiedsgerichtes in England ziehen

323 Cohn, AWD 1974, 65 ff.; Koch, S. 108; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77. 324 Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77. 325 Vgl. Cheshire/ North, S. 205, wobei Chesire der Ansicht ist, dass grundsätzlich, wenn ein Gericht zuständig sei, daraus noch nicht folge, dass es notwendigerweise sein eigenes Recht anzuwenden habe; Collier, S. 153; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Graveson, S. 417; Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 212 ff.; Jaffey, S. 134; Jayme, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, S. 22; Koch, S. 109, 112; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (311 ff.); ders., S. 47; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76 ff. (83), der Chesires Ansicht kritisiert und meint, dass der Schluss von der Vereinbarung einer fremden Schiedsgerichtsbarkeit auf die Wahl des am Schiedsort geltenden materiellen Rechts nicht so überraschend sei wie Chesire konstatiere; Mitterer, S. 36; Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 441 ff.; North, S. 105; North/ Fawcett, S. 484; Nygh, S. 114; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 237, 242, 243; Webb/ Brown, S. 343 ff.; vgl. Wolff, Private International Law, S. 429. 326 North/ Fawcett, S. 484. 327 Jaffey, S. 134.

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nach Ansicht der englischen Rechtsprechung328 und Literatur329 die Anwendung englischen

Rechts nach sich. Teilweise330 wird die Ansicht vertreten, die ausdrückliche Wahl eines

staatlichen Gerichtes sowie die Wahl eines Schiedsgerichtes sei stets als eine stillschweigende

Wahl des anwendbaren Rechts anzusehen. Dem kann zugestimmt werden. Die Parteien gehen

nämlich grundsätzlich davon aus, dass das Gericht oder die Schiedsrichter ihr eigenes Recht

anwenden.331 Bei Schiedsgerichten wird dies damit begründet, dass Schiedsrichter in der Regel

Kaufleute sind und nicht Juristen und es würde zu Unannehmlichkeiten führen, wenn sie sich

mit komplizierten Rechtswahlfragen beschäftigen oder ein ausländisches Rechtssystem

anwenden müssten.332 Zudem kann so eine größere Effizienz des Vertrages erreicht werden: Es

ist sachgerechter, wenn das Gericht oder das Schiedsgericht das Recht anwendet, mit dem es

vertraut ist und die Kosten und Schwierigkeiten, die mit einer Prüfung ausländischen Rechts

einhergehen, vermieden werden.333 Dies lässt sich gut an dem Urteil Suisse Atlantique Société

d`Armement Maritime S. A. v. N. V. Rotterdamsche Kolen Centrale334 veranschaulichen, in dem

es um einen Vertrag zwischen Schweizern und Niederländern bezüglich eines Kohletransports

von den USA zu Häfen in Belgien, Holland und Deutschland geht. Er hat keine Verbindung

zum englischen Recht außer einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten englischen Rechts. Es

bestand kein Zweifel, dass englisches Recht auf den in Streit stehenden Vertrag angewendet

328 Hamlyn & Co v. Talisker Distillery Co. (1894) A.C. 202 (HL); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.); Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., S. 384; N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604; Maritime Insurance v. Assekuranz Union von 1865, (1935) Lloyd`s Rep., S. 16; The Njegos (1936) P.D. 90 (100); N.V. “Vulcaan” v. A/S J. Ludwig Mowinckels Rederi (1938) 2 All E.R. 152, 156 (HL); Suisse Atlantique Société d`Armement Maritime S.A. v. N.V. Rotterdamsche Kolen Centrale (1967) 1 A.C. 361; Tzortzis and others v. Monark Line, (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.), dazu: Hoyle, S. 212 ff.; Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A. (1973) 1 W.L.R. S. 349 (364); Bangladesh Chemical Industries Corporation v. Henry Stephens Shipping Co. Ltd. and Tex-Dilan Shipping Co. Ltd. (The “SLS Everest”) (1981) 2 Lloyd`s Rep., 389 (C.A.); Compania naviera micro S.A. v. Shipley international Inc. (The “Parouth”) (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.); Steel Authority of India Ltd. v. Hind Metals Inc. (1984) 1 Lloyd`s Rep., 405; Ilyssia Compania naviera S.A. v. Ahmed Abdul-Qawi Bamaodah (The “Elli 2”) (1985) 1 Lloyd`s Rep., 107 (C.A.); Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.); Egon Oldendorff v. Libera Corporation (1995) 2 Lloyd`s Rep., 64 (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380; Hartford Fire Insurance Co. and others v. Novocargo USA Inc. and others (The “Pacific Senator”) (2002) 1 Lloyd`s Rep., 485 ff.; SSQ Europe S.A. v. Johann & Backes OHG Q.B. 1 (2002), 465; vgl. dazu BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 329 Cheshire/ North, S. 205; Collier, S. 153; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Graveson, S. 417; Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 212 ff.; Jaffey, S. 134; Jayme, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, S. 22; Kaye, S. 152; Koch, S. 109, 112; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (311 ff.); ders., S. 47; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76 f.; Mitterer, S. 36; Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 441 ff.; North, S. 105; North, Essays, S. 38; North/ Fawcett, S. 484; Nygh, S. 114; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 237, 242, 243; Webb/ Brown, S. 343 ff.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 14; vgl. Wolff, Private International Law, S. 429. 330 Cheshire/ North, S. 205; ebenso: North/ Fawcett, S. 484. 331 Jaffey, S. 134. 332 Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13. 333 Jaffey, S. 138. 334 (1967) 1 A.C. 361.

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werden sollte aufgrund des gewählten Schiedsgerichtes, das mit englischem Recht vertraut

war.335

Ebenso lag der Fall in dem Urteil Spurrier v. La Cloche336. Wieder ging es um die Gültigkeit

einer Schiedsklausel. Ein auf Jersey wohnhafter Briefmarkensammler hatte seine Sammlung bei

einer englischen Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschäden versichert. Der Vertrag war

durch Vermittlung des Agenten der Gesellschaft in Jersey abgeschlossen worden und enthielt

eine nach dortigem Recht ungültige Vereinbarung eines Schiedsverfahrens, zu dessen näherer

Ausgestaltung die Parteien auf die Bestimmungen des englischen Arbitration Act (1889)

verwiesen hatten. Daher war die Schiedsklausel nach englischem Recht gültig.337

Zu erwähnen ist noch die Entscheidung N.V. Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James

Finlay & Co Ltd.338, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Eine Handelsfirma aus

Hongkong hatte mit einer schottischen Firma mit Zweigniederlassung in Bombay unter

Vermittlung von Maklern in Java drei Verträge über die Lieferung von Java-Zucker c. i. f.

abgeschlossen. Die Zahlung sollte gegen Dokumente erfolgen, wozu die Eröffnung eines

Kredits bei einer Bank in Hongkong vorgesehen war. Die Verträge enthielten folgende Klausel:

“Any dispute arising out of this contract is to be settled by arbitration of London brokers in the

usual manner…” Aus den Verträgen ergaben sich Streitigkeiten und es wurde schließlich

entschieden, dass anwendbares Recht englisches Recht sei, da sich die Parteien einem

englischen Schiedsgericht unterworfen hatten.339 Allerdings werden von den Gerichten auch

sonstige Indizien geprüft, die den Hinweis auf diese bestimmte Rechtsordnung unterstützen

oder auch entkräften könnten.

Das House of Lords brachte in den Urteilen Tzortzis and others v. Monark Line A/B340 und

Compagnie d`Armement Maritime S. A. v. Compagnie Tunisienne de Navigation S. A.341 zum

Ausdruck, dass die Festsetzung einer Schlichtung in einem bestimmten Land nicht

zwangsläufig als stillschweigende Rechtswahl des Rechts dieses Landes angesehen werden

muss, da nach Ansicht der englischen Gerichte stets das Recht auf den Vertrag anwendbar ist,

mit dem der Vertrag offensichtlich die engste oder vernünftigste Verbindung hat. In beiden

Urteilen bestand keinerlei Verbindung zwischen dem Vertrag und dem jeweiligen Land außer

335 Morris, Cases on private international law, S. 280. 336 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.). 337 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.); ausführlich dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 80. 338 N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604. 339 N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604; ausführlich dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 81 f. 340 (1968) 1 All ER 949, (1968) 1 W.L.R. 406 (413), C.A.; dazu: Graveson, S. 418 f.; Hoyle, S. 220 ff. 341 (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71, HL; dazu: Collins, S. 428; Graveson, S. 420 f.; Morris, Ch. 13.

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der Schiedsgerichtsklausel. Deshalb zogen die englischen Gerichte daraus den Schluss, dass

nicht lediglich aus der Schiedsgerichtsklausel auf eine stillschweigende Rechtswahl für das

jeweilige Land geschlossen werden könne.

In dem Urteil Compagnie d`Armement Maritime S. A. v. Compagnie Tunisienne de Navigation

S. A.342 räumte das House of Lords dem Prinzip der Rechtsgültigkeit den Vorrang gegenüber

der Schiedsgerichtsklausel zugunsten englischen Rechts ein. Einer an sich auf das anwendbare

Recht hinweisenden Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklausel wird keine Bedeutung

beigemessen, wenn alle anderen wesentlichen Verbindungen zu einem anderen Land bzw.

Recht bestehen.343 Es ist kein erkennbarer Grund dafür ersichtlich, warum die Parteien gerade

beabsichtigen sollten, das Recht des Landes anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste

Verbindung hat. Da sie in ihren eigenen Interessen handeln können, wollen sie in der Regel,

dass das von ihnen gwählte Recht – zum Beispiel in Form einer Gerichtsstands- oder

Schiedsgerichtsklausel – auf den Vertrag Anwendung findet.344 Dies wird von den englischen

Gerichten nicht immer so gehandhabt: Selbst wenn die Verbindung eines Vertrages zu einem

Land nur in einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten des entsprechenden Landes besteht, soll

dies wiederum dann für eine stillschweigende Rechtswahl ausreichen, wenn wesentliche

Verbindungen zu mehr als einem anderen Land bestehen.

In dem Urteil The Parouth345 wurde aufgrund einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten

englischen Rechts dieses auch für anwendbar gehalten, da alle anderen wesentlichen

Verbindungen zu Panama, Griechenland und Florida führten.346 Ebenso wurde einer

Schiedsgerichtsklausel, obwohl sie die einzige Verbindung zu dem entsprechenden Land war,

von der Rechtsprechung in der Entscheidung Tzortzis and others v. Monark Line A/B347

entscheidende Bedeutung für eine stillschweigende Rechtswahl eingeräumt: Die Parteien hatten

ihren Wohnsitz in verschiedenen Ländern. Die Schiedsgerichtsklausel sei ausschlaggebend

dafür, ob das Recht, das in einem der beiden Länder gilt, in denen die Parteien wohnen, oder

das Recht eines dritten, neutralen Landes, als stillschweigend vereinbart gilt.348

342 (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71, HL. 343 Vgl. Art. 3 Abs. 3 EVÜ; Stone, S. 243. 344 Jaffey, S. 135 Fn. 7. 345 (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.). 346 Jaffey, S. 136. 347 Tzortzis and others v. Monark Line (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.). 348 Akai Pty Ltd. v. People`s Insurance Co. Ltd., (1998) 1 Lloyd`s Rep. 90; Cheshire/ North, S. 205; North/ Fawcett, S. 484.

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Grundsätzlich soll die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtes die stillschweigende Wahl

des Rechts des Landes bedeuten, in dem sich das vereinbarte ausländische Gericht befindet.349

Jedoch schränkte das House of Lords dies in der Entscheidung Compagnie Tunisienne de

Navigation v. Compagnie d` Armement Maritime350 dahingehend ein, dass es sich um eine bloß

allgemeingültige Regel handele. Es solle sich zwar um ein gewichtiges Indiz handeln, aber man

könne ebenso anderen Indizien den Vorrang einräumen. Gegenstand des Verfahrens war eine

Schiedsgerichtsvereinbarung, bei der die Schlussfolgerung auf die Wahl englischen Rechts

nicht so leicht ist wie bei der Gerichtsstandsvereinbarung. Auf dieses Urteil wiederum folgte

die Entscheidung The Komninos S351. Gegenstand dieses Verfahrens war eine

Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischen Rechts. Selbst wenn sich die Prinzipien hier

ähneln, so kann sich ihre Wirkung folgendermaßen unterscheiden:

Ein Schiedsgericht kann auch aufgrund des guten Rufs der Schiedsrichter gewählt werden. Ein

staatliches Gericht wird primär gewählt, damit es das eigene Recht anwendet. Selbst wenn die

Parteien ein englisches Gericht als ein neutrales Gericht wählen, ist es wahrscheinlicher, dass

sie es in der Erwartung getan haben, dass die englischen Richter die Anwendung englischen

Rechts bevorzugen.352 Die Wahl eines staatlichen Gerichtes ist mithin ein stärkeres Indiz für

eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten englischen Rechts als die Wahl eines

Schiedsgerichtes in England. Es versteht sich von selbst, dass dies durch die Vertragssprache

oder andere äußere Umstände widerlegt werden kann.353

Lando354 ist der Auffassung, dass die Wahl eines Gerichtes, welches bekannterweise die

Gerichtsstandsvereinbarung nicht als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl anerkennt,

auch von keinem Gericht – selbst wenn es sich um ein Gericht mit einer anderen

Rechtstradition handelt – als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen werden

sollte. Denn schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass das gewählte Gericht gerade nicht

sein eigenes Recht anwenden wird. Wenn es der wirkliche Wille der Parteien war, ein fremdes

Recht auf den Vertrag anzuwenden, dann sollte den Parteien diese Wahl nicht versagt

werden.355 Dasselbe soll für die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes gelten. Lando ist der

349 Akai Pty Ltd. v. People`s Insurance Co. Ltd., (1998) 1 Lloyd`s Rep., 90. 350 (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71, HL. 351 (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370 (C.A.). 352 Nygh, S. 116, 118; Plender, S. 93. 353 Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER, 71 (HL). 354 Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 ff. (312); ders., S. 49 f. 355 In diesem Sinne Lando, S. 49 f.; Nygh, S. 117.

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Ansicht, dass Schiedsrichter sogar noch mehr daran interessiert sind, ihr eigenes Recht

anzuwenden als Richter von staatlichen Gerichten.356

Trotz der Bedenken kann festgehalten werden, dass sowohl eine Gerichtsstandsklausel wie

auch eine Schiedsgerichtsvereinbarung in England ein starkes Indiz dafür sind, dass das Recht

des Ortes des Gerichtes bzw. Schiedsgerichtes auf den Vertrag angewendet werden soll.

Immerhin hat seit dem Urteil Compagnie d`Armement Maritime S.A. v. Compagnie Tunisienne

de Navigation S.A.357 die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes zugunsten Englands stets dazu

geführt, dass von den Gerichten358 englisches Recht angewendet wurde.

Bei der Schiedsgerichtsvereinbarung kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die

Parteien den Sitz des Schiedsgerichtes aufgrund des Rechts am Ort des Schiedsgerichtes

gewählt haben. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Schiedsrichter stets das Recht des

Schiedsgerichtes anwenden. Schließlich ist fragwürdig, ob der Sitz des Schiedsgerichtes von

den Parteien gewählt wurde. Wählen die Parteien ein internationales Schiedsgericht, wie

beispielsweise das International Chamber of Commerce, kann der Sitz des Schiedsgerichtes

auch zufällig, mithin nicht von den Parteien bestimmt sein. Aus diesen Gründen sollte eine

Schiedsgerichtsklausel nur Indizcharakter für eine stillschweigende Rechtswahl haben, wenn es

sich um ein nationales Schiedsgericht oder ein ad hoc Schiedsgericht an einem bestimmten Ort

handelt.359

Die englische Rechtsprechung hat jedoch in den Urteilen Atlantic Underwriting Agencies Ltd.

v. Compagnie di Assicurazione di Milano360 und Steel Authority of India Ltd. v. Hind Metals

Inc.361 trotz der Wahl eines internationalen Schiedsgerichtes eine stillschweigende Rechtswahl

anerkannt. Ob von einer Schiedsgerichts- bzw. Gerichtsstandsklausel endgültig auf eine

stillschweigende Rechtswahl geschlossen werden kann, hängt folglich von sämtlichen

Umständen des Falles und den übrigen Bestimmungen bzw. Bedingungen des Vertrages

insgesamt ab.362

356 Lando, S. 50. 357 (1971) A.C., 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71, HL. 358 Vgl. Atlantic Underwriting Agencies Ltd. and David Gale (Underwriting) Ltd. v. Compania Di Assicurazione Di Milano S.P.A. (1979) 2 Lloyd`s Rep., 240; Compania naviera micro S. A. v. Shipley international Inc. (The “Parouth”) (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S. A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.). 359 Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Nygh, S. 118. 360 (1979) 2 Lloyd`s Rep., 240. 361 (1984) 1 Lloyd`s Rep., 405. 362 Vgl. Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71 (HL); Egon Oldendorff v. Libera Corporation (1995) 2 Lloyd`s Rep., 64, (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; BT-Drucks. 10/ 503, S. 48.

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In dem Urteil Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery363 aus dem Jahre 1894 wurde ausdrücklich

darauf hingewiesen, dass neben der Schiedsklausel stets sämtliche Indizien, wie zum Beispiel

der Ort des Vertragsschlusses und der Erfüllungsort, berücksichtigt werden müssen, um auf den

wirklichen Willen der Parteien schließen zu können. Der Entscheidung liegt folgender

Sachverhalt zugrunde: Es war ein Vertrag zwischen einer englischen und einer schottischen

Firma in London abgeschlossen worden. Der Vertrag war von beiden Seiten in Schottland zu

erfüllen und enthielt die nachstehende Schiedsgerichtsklausel: “Should any dispute arise out of

this contract, the same to be settled by arbitration by two members of the London Corn

Exchange, or their umpire, in the usual way.“ Problematisch war, dass diese Schiedsklausel

nach schottischem Recht ungültig war, da die Schiedsrichter nicht namentlich benannt waren;

in England war sie jedoch gültig. Da die Parteien durch die Schiedsklausel zum Ausdruck

gebracht haben, dass englisches Recht auf den Vertrag anwendbar sein sollte, wurde schließlich

englisches Recht für anwendbar erklärt und damit der Schiedsklausel starkes Gewicht als

subjektives Element zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl eingeräumt. Ausserdem

wurde argumentiert, dass auch das Schiedsverfahren mit zur Vertragserfüllung gehöre und

somit London nicht nur Vertragsabschlussort, sondern auch Erfüllungsort sei.364

3. In Frankreich

Ob die französische Rechtsprechung Gerichtsstands- und Schiedsklauseln als Kriterium für eine

stillschweigende Rechtswahl anerkennt, hängt vom Einzelfall und der Gewichtung der

Umstände ab, die in eine andere Richtung, als auf die Zuständigkeit französischer Gerichte,

weisen. Es kann jedenfalls ein Zusammenhang zwischen einer Schiedsgerichtsklausel und dem

Hauptvertrag bestehen, in dem die Klausel enthalten ist. Allerdings geht bereits aus dem

Gosset-Urteil aus dem Jahre 1963365, aber ebenso aus der neueren Rechtsprechung366 sowie der

Literatur367 im Allgemeinen hervor, dass die Schiedsgerichtsklausel und der Hauptvertrag

jeweils einer unterschiedlichen Rechtsordnung unterliegen können. Bereits in den

Entscheidungen, welche die Cour de Cassation am 19.2.1930368 und am 27.1.1931369 gefällt

363 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77 f. 364 Vgl. Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery, (1894) A.C. 202; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77 ff.365 Etablissements Gosset c. Carapelli, Rev.crit.dr.int.priv. 1963, 615 ff., note Motulsky; Cass.civ. 7.5.1963 – Société des Etablissements Raymond Gosset c. Société Carapelli – J.D.I. (Clunet 91) 1964, 82, note Bredin. 366 Vgl. Cass.civ. v. 4.4.2002 und Cass.civ. v. 9.4.2002, Recueil Le Dalloz 2002, n° 17, 1402. 367 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1974, S. 197; Jacquet, S. 42 ff.; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 248. 368 Vgl. Cass.civ. 19.2.1930 – Mardelé c. W. et H. Muller et Cie – J.D.I. (Clunet 58) 1931, 90 ff.; dazu: Kassis, S. 57 f. 369 Vgl. Cass.civ. 27.1.1931 – Dambricourt c. Rossart – J.D.I. (Clunet 59) 1932, 93 ff.; dazu: Kassis, S. 57 f.

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hat, wurde die Zulässigkeit der Schiedsgerichtsklausel und der Rechtswahl mit den „Interessen

des internationalen Handels“ begründet. In einer Entscheidung vom 10.4.1957370 hielt die Cour

de Cassation die Anwendung des gewählten englischen Rechts auf einen privatrechtlichen

Vertrag zwischen dem französischen Staat und einem griechischen Reeder für zulässig, da der

Vertrag international war und mehrere Beziehungen zu England aufwies, wie auch die Wahl

der Parteien eines Schiedsgerichtes in London. Die Cour de Cassation hat in ihrer Entscheidung

vom 17.12.1985371 ausgeführt, dass Klauseln über die internationale Zuständigkeit prinzipiell

zulässig sind, wenn es sich um einen internationalen Vertrag handelt und die Klausel keine

zwingende Zuständigkeit französischer Gerichte ausschliesst.372 Bereits in früheren Urteilen373

wurde die Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsstandes als Hinweis auf das anwendbare

Recht gewertet. Im Urteil vom 7.10.1980374 hat die Cour de Cassation hingegen beispielsweise

eine Schiedsgerichtsklausel nicht anerkannt. Gerade im Bereich der Rechtsprechung zur

Zulässigkeit von Gerichtsstands- und Schiedsklauseln scheint sich zu bestätigen, dass sich der

Begriff des internationalen Vertrages im Zuständigkeitsbereich nicht abstrakt bestimmen lässt,

sondern vielmehr flexibel interpretiert wird unter Berücksichtigung der vielen Einzelfälle.

Es kann festgehalten werden, dass die Möglichkeit, die Zuständigkeit französischer Gerichte

zugunsten ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte zu derogieren, einerseits von der

Vertragsqualifizierung und andererseits von der Gewichtung der Umstände abhängt, die in eine

andere Richtung als auf die Zuständigkeit französischer Gerichte weisen.375

Auch die französische Literatur376 neigt dazu, der Gerichtsstands- und

Schiedsgerichtsvereinbarung einen gewissen mehr oder weniger starken Indizwert zugunsten

der Rechtsordnung im Bereich des bezeichneten Forums bzw. Schiedsgerichtes zuzuerkennen.

Es sei schließlich offensichtlich einfacher für einen Richter, sein eigenes Recht anzuwenden.

Zudem sei es kaum wahrscheinlich, dass die Parteien durch den Richter die Anwendung eines

anderen Rechts ins Auge fassen würden.377 Dies gilt jedoch nicht bei der Wahl eines

internationalen Schiedsgerichtes. Hier folgt daraus nicht die Anwendbarkeit des Rechts am Ort

370 Vgl. J.D.I. (Clunet 85) 1958, 1008. 371 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1986, 537 ff. 372 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1986, 537 ff. 373 Cass.civ., 19 février 1930, Mardelé c. Muller et Cie, Rev.crit.dr.int.priv. 1931, 514; Cass.civ., 27 janv. 1931, Dambricourt c. Rossart, Rev.crit.dr.int.priv. 1931, 515. 374 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1981, 313 (316 ff.). 375 Koch, S. 113 f.; Schaack, S. 95. 376 Audit, S. 632; vgl. Kassis, S. 367; Batiffol, Traité, S. 646 ff., der sie als stärkste Indizien einstuft, vgl. S. 651; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248; Batiffol/ Lagarde, S. 304; Carabiber, S. 61; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1974, S. 189 ff.; Kassis, S. 364, 367; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 27, 216 ff., 224-227, 239 ff.; vgl. auch Leschallier de Lisle, S. 43; Mezger, Rev.crit.dr.int.priv. 1962, 133 ff.; ders., S. 595. 377 Audit, S. 632.

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des Schiedsgerichtes. Die Wahl eines internationalen Schiedsgerichtes ist zum einen oft zufällig

und zum anderen hat der internationale Schiedsrichter keine lex fori, die er anwenden könnte.378

Ansonsten können die Parteien indirekt ihr bevorzugtes auf den Vertrag anwendbares Recht

wählen, indem sie das Schiedsgericht nach ihrem Belieben bestimmen.379

Allerdings wird dem innerhalb der französischen Literatur380 wiederum entgegengehalten, dass

die Anwendung französischen Rechts nicht immer vorteilhaft sein müsse, da eine – wenn auch

unsichere – Anwendung ausländischen Rechts dafür zur Gründlichkeit und einer kritischeren

Betrachtung zwinge als dies beim routinemäßigen Umgang mit bekannten Vorschriften der Fall

sei.

Für Lagarde381 ist eine Rechtwahl, die aus einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines

bestimmten Staates resultiert, ohne dass ein zusätzliches Indiz auf einen Rechtswahlwillen der

Parteien zugunsten dieses Staates hinweist, bloß eine „indirekte“ Rechtswahl, die aber nicht

unbedingt das Erfordernis der „hinreichenden Sicherheit“ bzw. einer Sicherheit „de façon

certaine“ erfüllt.

Über die Stichhaltigkeit dieser Interpretation lässt sich streiten: Es ist nicht einleuchtend,

warum ein zusätzliches Indiz erforderlich sein soll, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass

der beweiskräftige Wert der Gerichtsstandsklausel für eine stillschweigende Rechtswahl

ausreichend ist. Auch wenn dies nach Ansicht Lagardes zu einer bloß einfachen „indirekten“

Rechtswahl führt, ist dagegen nichts einzuwenden.382

Zudem geht selbst aus dem Bericht zum EVÜ von Guiliano/ Lagarde383 hervor, dass die Wahl

eines Gerichtes eines bestimmten Landes darauf hinweisen kann, dass die Parteien auch das

Recht dieses Landes auf ihren Vertrag anwenden wollten. Einzige Voraussetzung sei, dass

diese Rechtswahl mit den anderen Bestimmungen des Vertrages und den gesamten Umständen

des Falles übereinstimme.384 Es wird also nur eine Vereinbarkeit der Rechtswahl mit dem

Vertrag gefordert, jedoch nicht ein zusätzliches, auf diese Rechtswahl hinweisendes Kriterium.

Für diese geforderte Vereinbarkeit ist es ausreichend, wenn sich die Gerichtsstandsklausel und

der Vertrag nicht widersprechen, ohne dass man ein zusätzliches Indiz bräuchte.

378 Kassis, S. 367. 379 Carabiber, S. 61; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 218. 380 Lalive, Recueil des cours 155 (1977-II), 1 (164 ff.). 381 Lagarde, Rev.crit.dr. int.priv. 1989, 835 ff. (837); ders., Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287, 303, 310 f. 382 So auch Kassis, S. 364. 383 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 384 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17.

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Es handelt sich bei der Annahme, dass die Wahl eines französischen Gerichtes bzw.

Schiedsgerichtes der Parteien die Wahl französischen Rechts bedeutet, jedenfalls nicht um eine

absolute Annahme, denn auch die französische Judikatur385 untersucht teilweise, welche

Rechtsordnung als Recht der charakteristischen Leistung bzw. als Schwerpunktrecht zur

Anwendung käme. Das Ergebnis wird dann mit der Indizwirkung der Gerichtsstands- bzw.

Schiedsabrede verglichen. Die Regel, dass das Recht des Schiedsgerichtsortes auf den Vertrag

angewendet wird, ist im französischen Internationalen Privatrecht mithin unverbindlich.386 Die

Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel weisen zwar materielle, allerdings nur eventuelle

Verbindungen zum anwendbaren Recht auf.387

Teilweise388 wird sogar anstelle des Rechts, das am Schiedsgerichtsort gilt, das Recht des Ortes,

an dem die Parteien ihren Wohnsitz oder ihr Handelsgeschäft haben, als Recht des

Schiedsgerichtes und damit als auf den Vertrag anwendbar angesehen. Vorerst soll allerdings

dem Recht der Vorrang eingeräumt werden, das die Parteien für anwendbar erklärt haben. Falls

sie dies nicht ausdrücklich getan haben, soll ihr dahingehender Wille interpretiert werden.

Allgemein kann festgehalten werden, dass die französische Rechtsprechung sowohl bei der

Gerichtsstands- als auch bei der Schiedsgerichtsklausel stets versucht, den Willen der Parteien

zu berücksichtigen.389

III. Verhalten im Prozess

1. In Deutschland

Ein weiteres Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl, das vor allem von grosser praktischer

Bedeutung ist, kann das Verhalten der Parteien und ihrer Rechtsanwälte während des

Rechtsstreites sein. Die stillschweigende Rechtswahl im Prozess führt zu einer

kollisionsrechtlichen Vereinbarung: Das EGBGB entscheidet über deren Zustandekommen und

Wirksamwerden.390 Fraglich ist, welche Bedeutung dem Indiz beizumessen ist, da eine

Rechtswahl im Prozess einige Besonderheiten aufweist. Dies kann unter anderem daran liegen,

dass das Prozessverhalten im Unterschied zu den hiervor behandelten und noch folgenden

Indizien zeitlich erheblich nach dem Vertragsschluss liegt. Das Verhalten, das eine Rechtswahl

im Verfahren selbst bedeutet, ist deshalb von dem Verhalten, das auf eine vorprozessuale

385 Cour d`appel de Paris v. 19.6.1970, in: Rev.crit.dr.int.priv. 1971, 695 ff.; Cass. v. 17.10.1961, in: Rev.crit.dr.int.priv. 1962, 133 ff. 386 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 4 ff.; Carabiber, S. 61; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 221. 387 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 249. 388 Vgl. Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 238. 389 In diesem Sinne hinsichtlich der Schiedsgerichtsklausel auch Carabiber, S. 60 ff.; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 253. 390 Buchta, S. 55; Mitterer, S. 121.

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Rechtswahl hindeutet, zu unterscheiden, weil der Richter jeweils verschiedene Anforderungen

an den Vortrag stellen muss, der eine Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl

rechtfertigt. Zudem haben die Parteien unterschiedliche Möglichkeiten, auf die Rechtswahl zu

reagieren.391 Die Einigung der Parteien kann mithin auf eine ursprüngliche Rechtswahl392, das

heißt einen bereits bei Vertragsschluss vorhandenen Rechtswahlwillen der Parteien, oder aber

auf eine nachträgliche Vereinbarung393 hindeuten. Es sind folgende Fälle des Prozessverhaltens,

in denen die stillschweigende Wahl oder Billigung der lex fori liegen könnte, zu unterscheiden:

Beide Parteien bzw. ihre Anwälte berufen sich im Prozess in ihren Prozessäußerungen

(Rechtsschriften, Plädoyers usw.) übereinstimmend auf eine ausländische Rechtsordnung, das

heißt die Rechtsanwälte der Parteien machen zum Beispiel unter Zugrundelegung einer

bestimmten Rechtsordnung Rechtsausführungen und können auf diese vom Gericht

„festgenagelt“ werden. Die übereinstimmende oder unwidersprochene Bezugnahme der

Parteien auf ein bestimmtes Recht während des Prozesses kann in der ausdrücklichen Erklärung

liegen, dieses Recht solle anwendbar sein, aber auch im bloßen Anführen von Vorschriften

einer Rechtsordnung.394 Diese in der Rechtsprechung vorherrschende Ansicht bleibt oft

unbegründet.

Das Parteiinteresse an der Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung auf Verträge sowie das

Interesse an der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bei der Rechtsanwendung

sprechen für die Zulassung sowohl der ursprünglichen als auch der nachträglichen

Rechtswahl395, die gemäss Art. 3 Abs. 2 S. 1 EVÜ gesetzlich geregelt ist. Die Unterscheidung

zwischen ursprünglicher und nachträglicher Rechtswahl fällt gerade bei den prozessualen

Indizien allerdings sehr schwer und wird von der Rechtsprechung bei der Frage der Rechtswahl

391 Steiner, S. 110. 392 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); OLG Köln JurBüro 1975, 778; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 79, 103; Umbricht, S. 77. 393 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGH IPRspr. 1962/ 63 Nr. 213, 1970 Nr. 12; BGHZ 40, 320 ff. (323); BGH NJW 1981, 1606 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; OLG Koblenz IPRax 1989, 175, RIW 1987, 629; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 (866); LG Berlin RIW 1996, 960; kritisch Abend, S. 260; anerkennend Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228; befürwortend auch Fudickar, S. 4 ff., 7; kritisch wiederum Neuhaus, S. 263, der zum einen anmerkt, dass die Parteien auch übersehen haben können, dass möglicherweise ausländisches Recht anzuwenden war und zum anderen, dass die Prozessvertreter dann nicht bevollmächtigt sind, von sich aus eine Vereinbarung über das anwendbare Recht zu treffen, wenn diese Vereinbarung sinngemäss über den Prozess hinauswirken müsste; Raape, S. 435 f.; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 79, 103; Umbricht, S. 77. 394 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756); OLG Frankfurt WM 1995, 1179; Abend, S. 298 f.; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 17; ablehnend Fudickar, S. 89; Kost, S. 46; Kreuzer, IPRax 1982, 1 (3); Menne, JuS 1998, 711 (714); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 48; so ähnlich auch Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 7; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 94, 95; so ähnlich Sandrock-Steinschulte, S. 37; Schröder/ Wenner, S. 67 ff.; Schulze, S. 49; Steiner, S. 95, 127 ff.; Vischer, Int.VertrR, S. 76. 395 Zur nachträglichen Rechtswahl: Fudickar, S. 4 ff.; Umbricht, S. 78.

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im Prozess wenig beachtet. In der Literatur396 fordert der überwiegende Teil für die Bewertung

des Prozessverhaltens der Parteien als Indiz eine differenzierte Betrachtung und nimmt nur in

Ausnahmefällen das Vorliegen eines Verweisungsvertrages an. Man ist sich uneinig, ob man

beispielsweise die Tatsache, dass bestimmte Normen von den Parteien zitiert werden, als

Hinweis auf eine nachträgliche oder ursprüngliche Rechtswahl zu deuten hat.

Zahlreiche Entscheidungen397 belegen, dass die Rechtsprechung die Anwendung deutschen

Rechts für gerechtfertigt hält, wenn sich eine der Parteien unwidersprochen auf bestimmte

Vorschriften des deutschen Rechts bezieht oder es die Parteien hinnehmen, dass das Gericht

deutsches Recht anwendet. Die Rechtsprechung verwendet das Prozessverhalten als Indiz für

den stillschweigenden398 und hypothetischen399 Parteiwillen, wobei sie sich oft auch – ohne

dazwischen zu unterscheiden – nur mit der Feststellung übereinstimmenden Prozessverhaltens

der Parteien400 begnügt, um das Recht, auf das sich die Parteien bezogen haben, anzuwenden.

Allerdings war schon vor Einführung des EVÜ die Einigkeit der Parteien für die Bestimmung

des hypothetischen Parteiwillens nicht ausreichend. Ein Indiz, welches erst während des

Prozesses eintritt, kann für eine Schwerpunktbestimmung nicht entscheidend sein. Ebenso

wenig genügt das Prozessverhalten im Rahmen des EVÜ für eine objektive Anknüpfung.401

Dementsprechend erweist sich der Ansatzpunkt der Rechtsprechung, an den hypothetischen

Parteiwillen hier anzuknüpfen, als ungeeignet. Generell ist der Schluss von einem bestimmten

Prozessverhalten auf einen entsprechenden Rechtswahlwillen nicht zwingend, sondern nur

möglich und letztlich einzelfallabhängig.

396 Vgl. Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097); Buchta, S. 35, 53 f.; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Fudickar, S. 87 ff.; Hartenstein, S. 116; v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; zustimmend dem von Berger Gesagten auch Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, S. 2736 (2739); in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Steiner, S. 118. 397 BGHZ 40, 320 (324); 103, 84 (86); 130, 371 (373); BGH NJW 1971, 323 (324); 1974, 410; 1976, 1581; 1981, 1606; 1984, 2762; 1988, 1592; 1991, 1292 (1293); 1992, 909, 1380; 1994, 187; BGH ZIP 1986, 366 (367); BGH NJW-RR 1986, 456 (457); 1990, 248 (249); BGH WM 1955, 1588 (1589); 1956, 598 (599); 1966, 140; 1970, 885; 1973, 382; 1977, 478; 1982, 1249; 1984, 432 (433); 1987, 1501 (1502); 1991, 464 (465); 1992, 567 (568); 1993, 1755 (1756); 1995, 859 (861); BGH RIW 1983, 957; 1992, 586; BGH AWD 1958, 33; BAG NJW 1965, 319; OLG Bremen VersR 1978, 509; OLG Celle RIW 1990, 322; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; 1994, 506, WM 1969, 975 (976); 1992, 1937 (1938); RIW 1991, 865 (866); NJW-RR 1992, 684; WM 1995, 1179; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 f.; OLG Hamm NJW-RR 1996, 179 (180); OLG Koblenz, RIW 1992, 59, 491; OLG Köln AWD 1976, 373; VersR 1975, 129; OLG Saarbrücken, NJW 1992, 987 (988). 398 BGHZ 53, 189 (193), AWD 1970, 323, WM 1977, 478, NJW-RR 1988, 159 (160); OLG Saarbrücken OLGZ 1966, 142 (145 f.). 399 BGH NJW 1962, 1005 f., AWD 1965, 455, 1974, 494, IPRax 1981, S. 93 (94); OLG Neustadt MDR 1956, 164; OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 (1297). 400 BGH WM 1965, 102; OLG Hamburg NJW 1958, 1919 f.; Hartenstein, S. 123 f. 401 OLG Düsseldorf WM 1992, 1898 (1900); Buchta, S. 24 f.; a.A. Kreuzer, S. 119, der die übereinstimmende Bezugnahme der Parteien auf die lex fori im Prozess als objektive Anknüpfungsnorm anerkennen will; Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (8 f.); Neuhaus, S. 263; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 96; Schack, NJW 1984, 2736 f.

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Es ist sowohl zwischen einer nachträglichen Rechtswahl im Prozess und einer vorprozessualen

Rechtswahl zu differenzieren als auch zwischen einem Partei- und einem Anwaltsprozess.

a) Prozessverhalten als Indiz für eine nachträgliche Rechtswahl im Prozess

Damit es sich bei der nachträglichen Rechtswahl um eine kollisionsrechtlich wirksame

Rechtswahl handelt, müssen im Prozessverhalten der Parteien die Erfordernisse, die an einen

Vertragsschluss gestellt werden, enthalten sein. Somit müssen die Parteien einen bewussten

Rechtswahlwillen haben und ihn auch äußern wollen.402 Die Parteien müssen sich ihrer

Rechtswahlmöglichkeit bewusst gewesen sein.403 Allerdings kann nicht immer aus dem

entsprechenden Prozessverhalten unmittelbar auf den Rechtswahlwillen der Parteien

geschlossen werden. Vielmehr muss differenziert werden, wer im Verfahren handelt und in

welcher Beziehung er zu dem Rechtsgeschäft steht.404 Daher ist bei dem Indiz des Verhaltens

im Prozess im Hinblick auf eine stillschweigende Rechtswahl zwischen dem Parteiprozess und

dem Anwaltsprozess zu differenzieren.405

aa) Indizienwertung im Parteiprozess

Bei dem nur sehr selten auftretenden Fall des reinen Parteiprozesses, in dem beide Parteien

ohne Parteivertreter auftauchen, wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass das

Parteiverhalten, mithin die Ausführungen der Parteien zur Rechtslage, keine Indizwirkung für

eine stillschweigende Rechtswahl habe. Die Parteien gäben, wenn sie anhand einer Norm

argumentierten, lediglich eine Rechtsansicht zum Ausdruck. Da dem juristischen Laien in der

Regel das Problembewusstsein fehlt und er gar nicht weiß, dass es die Möglichkeit einer

Rechtswahl gibt, fehlt es an einem Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl.406

bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess

Im Anwaltsprozess liegt der Fall wie im reinen Parteiprozess, und es kann kein

Rechtswahlwille der Parteien angenommen werden – selbst wenn dies nach Auffassung der

Rechtsprechung die Wirksamkeit der stillschweigenden Rechtswahl nicht berühren soll.407

Auch hier wird aber wieder nur eine Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht. Das Gericht kann

jedoch nur Tatsachen, das heißt, ob eine Rechtswahl stattgefunden hat oder nicht, ermitteln.

402 Vgl. auch Fudickar, S. 87; Mitterer, S. 136 f. 403 Fudickar, S. 87; Mitterer, S. 136 f. 404 So auch Buchta, S. 35 ff. 405 Vgl. hierzu: Buchta, S. 35 ff. 406 Vgl. OLG Köln RIW 1993, 1023 (1024 f.); OLG Neustadt MDR 1956, 164; vgl. Buchta, S. 35, 53 f.; Hartenstein, S. 116; v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; Schack, NJW 1984, 2736 ff.; ders., IPRax 1986, 272 ff.; Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Steiner, S. 118. 407 Vgl. Buchta, S. 36 f., 54; Schröder/ Wenner, S. 69.

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Zumindest wenn die Frage des anwendbaren Rechts vor Gericht nicht angesprochen worden ist,

fehlt den Anwälten das Erklärungsbewusstsein. Würde man hier eine stillschweigende

Rechtswahl annehmen, liefe das folglich auf eine bloße Fiktion hinaus. Denn die Äußerung

einer (möglicherweise falschen) Rechtsüberzeugung im Prozess ist noch keine

rechtsgeschäftliche Rechtswahl. Im Anwaltsprozess wird die Annahme einer stillschweigenden

Rechtswahl aufgrund übereinstimmenden Prozessverhaltens der Parteien auch deshalb als reine

Fiktion betrachtet, weil bei der Vertretung durch einen Anwalt die Wirksamkeit einer

stillschweigenden Rechtswahl zudem von der Vertretungsmacht abhänge.408

b) Prozessverhalten als Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl

Wenn im schlichten Prozessverhalten keine nachträgliche Rechtswahl liegt, so schließt sich die

Frage an, ob darin ein Indiz für eine anfängliche, vorprozessuale Wahl des deutschen Rechts

liegen könnte. Hier kommen folgende Verhaltensweisen in Betracht: Die Parteien können bei

Vertragsschluss deutsches Recht gewählt haben und nun einfach von dessen Anwendbarkeit

ausgehen; sie können auch nach Vertragsschluss, aber vor Prozessbeginn deutsches Recht

gewählt haben und sich nun im Prozess beiderseitig darauf berufen bzw. die Anwendung der

lex fori hinnehmen.

Der BGH409 erkennt das Prozessverhalten der Parteien als Indiz für eine vorprozessuale

Rechtswahl an. Es ist wieder zwischen dem Anwalts- und Parteiprozess zu differenzieren.

aa) Indizienwertung im Parteiprozess

Da, wie bereits erwähnt, dem juristischen Laien in der Regel das Problembewusstsein fehlt und

er regelmässig keine Kenntnis hat, dass es die Möglichkeit einer Rechtswahl gibt, liegt eine

Rechtswahl nicht durch sein Verhalten vor dem Prozess vor.410

bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess

Im Anwaltsprozess ist eine Indizwirkung für eine stillschweigende vorprozessuale Rechtswahl

hingegen anerkannt.411 Allerdings ist hier zu differenzieren, ob der Vertragsschluss bereits von

rechtskundigen Personen begleitet wurde, oder die Anwälte erstmals im Verfahren auftreten:

Nur, wenn der Vertragsschluss bereits von Anwälten begleitet wurde, sprechen die

Anhaltspunkte für eine vorher erfolgte stillschweigende Rechtswahl. Denn wenn Anwälte von

408 OLG Köln IPRax 1994, 213 (215); Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097); zustimmend Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 409 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756). 410 So beispielsweise Buchta, S. 35. 411 Vgl. Buchta, S. 36; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224.

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Anfang an beteiligt waren, kann man davon ausgehen, dass sie Problembewusstsein haben und

sich über die rechtliche Abwicklung Gedanken gemacht haben.412

c) Die Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozess

Im Mittelpunkt der Diskussion der Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl steht in der

deutschen Literatur und Rechtsprechung das Prozessverhalten. Die deutsche Rechtsprechung

stellt traditionell sehr geringe Anforderungen an die stillschweigende Rechtswahl im

Prozess413: Bereits das übereinstimmende Berufen auf die lex fori führt regelmäßig zu der

Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl.414

Die Literatur415 hingegen fordert überwiegend eine differenzierte Betrachtung und nimmt nur in

Ausnahmefällen und unter bestimmten Bedingungen einen Verweisungsvertrag an. Teilweise416

bringt sie ein entsprechendes Prozessverhalten auch mit dem Prozessrecht in Verbindung.

Die Literatur kritisiert, die Rechtsprechung missachte, dass es sich bei einer stillschweigenden

Rechtswahl um ein Rechtsgeschäft aus übereinstimmenden Willenserklärungen handele, das

nur angenommen werden könne, wenn sich dies „mit hinreichender Sicherheit aus den

Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles“ ergebe.417 Die bloße

Äußerung einer möglicherweise falschen Rechtsüberzeugung im Prozess sei noch keine

rechtsgeschäftliche Rechtswahl.418 Das Problembewusstsein des Internationalen Privatrechts sei

viel zu gering entwickelt, um aus einer tatsächlichen Übung der Prozessbeteiligten auf eine

stillschweigende Rechtswahl zu schliessen.419 Neuerdings hat der BGH sich jedoch selbst in

einigen Entscheidungen420 gegen eine allzu schnelle Annahme einer stillschweigenden

Rechtswahl im Prozess gewendet und die Notwendigkeit des Vorliegens eines „beiderseitigen

Gestaltungswillens“ zumindest für eine die ursprünglich getroffene Wahl abändernde

412 Buchta, S. 35 f., 70; Hartenstein, S. 116; vgl. auch North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224; Steiner, S. 118. 413 Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097). 414 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756); OLG Frankfurt WM 1995, 1179. 415 v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; Kegel/ Schurig, S. 574; Kropholler, S. 439; Lorenz, IPRax 1987, 269 (273); Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1, 11 ff.; kritisch Rammeloo, S. 225; Sandrock, RIW 1986, 841 (848); Schack, NJW 1984, 2736 (2737); ders., IPRax 1986, 272 (273 f.); Schröder/ Wenner, S. 67 f.; Schwimann, S. 106 f.; Siehr, FS Keller, S. 485 (496); Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769); Steiner, S. 96. 416 Schack, NJW 1984, 2736 (2737); ders., IPRax 1986, 272 (273 f.); Schröder/ Wenner, S. 67 f.; Steiner, S. 96. 417 Buchta, S. 36 f., 54; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 418 Vgl. Buchta, S. 36 f., 54; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (39); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 419 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.); in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193). 420 BGH NJW 1991, 1292 (1293); NJW-RR 2000, 1002 (1004); IPRax 2002, 37 (39); auch OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.).

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Rechtswahl betont. Demzufolge müssen die Parteien zumindest Erklärungsbewusstsein

hinsichtlich einer Rechtswahl besitzen.421

Der BGH hat seine Rechtsprechung erkennbar geändert und stellt nun höhere Anforderungen

an das Vorliegen eines stillschweigenden Rechtswahlwillens der Parteien als früher. Bereits im

erstinstanzlichen Verhalten wird ein ausreichendes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl

gesehen.422 Es wird in der Regel ausnahmslos auf eine stillschweigende Rechtswahl

geschlossen, wenn die Parteien während des gesamten Rechtsstreites von der Anwendbarkeit

derselben Rechtsordnung ausgegangen sind, selbst bei rügelosem Verhandeln der Parteien in

der Vorinstanz.423 Vorprozessuales Verhalten soll allerdings nur dann ein Indiz für eine

stillschweigende Rechtswahlvereinbarung sein können, solange sich die Parteien nicht aus

Unkenntnis auf die jeweilige Rechtsordnung berufen haben.424 Zudem nimmt die

Rechtsprechung425 eine stillschweigende Rechtswahl oft an, wenn die Parteien der vom Gericht

ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Anwendbarkeit eines Rechts nicht widersprechen.

Problematisch ist die Fallgestaltung, in der erstinstanzlich auf ein Recht Bezug genommen

wurde, zweitinstanzlich nun aber die Anwendung einer anderen Rechtsordnung verlangt

wird.426

Das Prozessverhalten der Parteien soll mithin eine Vermutung für die Anwendbarkeit deutschen

Rechts begründen, die durch sonstige Umstände eindeutig widerlegt werden muss, damit

ausländisches Recht angewendet wird. Das Indiz des Prozessverhaltens unterscheidet sich von

den meisten anderen typischen Indizien dadurch, dass sich die Parteien ausdrücklich zur

Anwendung eines bestimmten Rechts äußern. Daher wird beispielsweise das übereinstimmende

Zitieren von Rechtsnormen derselben Rechtsordnung teilweise427 als Indiz von

„hinreichenderer Sicherheit“ für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen als Äußerungen,

die nur aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze eine solche Vermutung zulassen. Der Richter

421 Vgl. Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (39). 422 BGH IPRspr 1962/ 63 Nr. 163; BGH IPRspr 1964/ 65 Nr. 41; 1971 Nr. 14; 1973 Nr. 12; 1988 Nr. 18; BGH WM 1977, 478; IPRax 1986, 292 (293); BGH RIW 1987, 629 (630); NJW-RR 1990, 248 (249). 423 Beispielsweise BGHZ 40, 320 (324); 103, 84 (86); 130, 371 (373); BGH NJW 1971, 323 (324); 1974, 410; 1976, 1581; 1981, 1606; 1984, 2762; 1988, 1592; 1991, 1292 (1293); 1992, 909, 1380; 1994, 187; BGH ZIP 1986, 366 (367); BGH NJW-RR 1986, 456 (457); 1990, 248 (249); BGH WM 1955, 1588 (1589); 1956, 598 (599); 1966, 140; 1970, 885; 1973, 382; 1977, 478; 1982, 1249; 1984, 432 (433); 1987, 1501 (1502); 1991, 464 (465); 1992, 567 (568); 1993, 1755 (1756); 1995, 859 (861); BGH RIW 1983, 957; 1992, 586; BGH AWD 1958, 33. 424 OLG Köln IPRax 1994, 213 (215); AG Heidelberg IPRax 1987, 25 f.; Mitterer, S. 122; Schack, NJW 1984, 2736 (2739). 425 BGH WM 1966, 140; NJW 1962, 1345 (1346); 1984, 2762. 426 Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf die folgenden unterschiedlichen Urteile hingewiesen: Während zum Beispiel das OLG Hamburg (OLG Hamburg VersR 1970, 1125, 1978, 918) an der einmal getroffenen Entscheidung in Bezug auf das anzuwendende Recht festhält, wendet das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt AWD 1973, 558) eine andere Rechtsordnung an. 427 Mitterer, S. 136; so ähnlich auch Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8; Raape, S. 435.

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könnte von seinem Fragerecht gemäss § 139 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen, um die gemäss

Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB geforderte „hinreichende Sicherheit“ zu erhalten, wobei er die

Willenssituation erfasst haben müsse, bevor eine Partei ausdrücklich erklärt habe, sich auf die

Rechtswahl der Gegenpartei verlassen zu haben.428 Die Parteien sind an ihre Rechtswahl

grundsätzlich über die Instanz hinaus gebunden. In Deutschland ist – im Gegensatz zu

Frankreich, wie sich in dieser Arbeit noch zeigen wird – auch der Richter durch die Rechtswahl

gebunden und kann sich nicht über das Prozessverhalten der Parteien, das zu einer Rechtswahl

führen können soll, hinwegsetzen.429 Die Rechtsprechung macht eine Ausnahme von dieser

Auslegung des Prozessverhaltens, wenn die Parteien, als sie die Vorschriften des deutschen

Rechts anführten, irrtümlich angenommen haben, deutsches Recht sei anwendbar.430 Die

stillschweigende Rechtswahl im Prozess muss nicht zur Anwendbarkeit deutschen Rechts

führen.431

Auch die übereinstimmende Berufung auf ausländische Rechtsvorschriften kann nach Ansicht

der Rechtsprechung432 im Prozess ein Indiz für die Wahl ausländischen Rechts sein. Wichtig sei

jedenfalls, dass es sich nicht nur um die Abgabe von Erklärungen im rein rechtsgeschäftlichen

Kontakt handele, sondern um eine solche im Prozess. Ein sich auf die Rechtswahl beziehender

Vortrag einer Partei im Prozess oder deren prozessuales Verhalten muss vor dem Hintergrund

des Prozessrechts bewertet werden.433

d) Kritik und Stellungnahme

Allein das Führen einer Rechtsdiskussion auf der Grundlage eines bestimmten Rechts kann

noch kein ausreichender Anhaltspunkt für die Vereinbarung des vorgetragenen Rechts sein. Die

bereits nach altem Recht umstrittene Rechtsprechung zur Rechtswahl durch Prozessverhalten

ist nach dem neuen auf dem EVÜ beruhenden Internationalen Vertragsrecht aus folgenden

Gründen nicht mehr haltbar:

Die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl führt in der Praxis dazu, dass die Richter

oft aus „Bequemlichkeit“ und Gewohnheit zu der lex fori, also heimwärts, streben. Die

Rechtsprechung, die schnell von einer stillschweigenden Rechtswahl der lex fori ausgeht,

unterstellt damit auf kollisionsrechtlicher Ebene den Parteien, die sich im Prozess nur auf

deutsche Rechtsnormen berufen, dass sie die Anwendbarkeit der lex fori vereinbart hätten.

428 Abend, S. 299; Buchta, S. 61 f.; Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 14 f; Schack, NJW 1984, 2736 (2739). 429 Zu Frankreich siehe 3. Kapitel A.III.3. 430 OLG Köln NJW 1987, 1151 (1152); LG Hamburg RIW 1977, 787 (788). 431 Vgl. nur Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8. 432 BGH NJW-RR 1990, 248 (249); OLG Celle RIW 1990, 320 (322). 433 Ebenso: Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8.

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Dieser Ansatz missachtet, dass der Sachvortrag der Parteien auch auf Unkenntnis oder Irrtum

beruhen kann. Wenn die Parteien von einer bestimmten Rechtsordnung im Prozess ausgehen,

haben sie keineswegs immer den gemeinsamen Willen, diese Rechtsordnung zur Anwendung

zu berufen, vielmehr nehmen die Parteien oft bloß an, sie sei kraft Gesetzes massgebend. Nicht

selten fehlen kollisionsrechtliche Erwägungen sogar vollständig. So wird die

kollisionsrechtliche Parteiautonomie für prozessuale Ziele missbraucht und die deutsche

Rechtsprechung läuft oftmals auf eine bloße Fiktion hinaus. Es wird eine mit „hinreichender

Sicherheit“ vorliegende Rechtswahl unterstellt, obwohl die Parteien die Rechtswahl und die

damit einhergehenden Probleme noch nicht einmal angesprochen haben, ihnen also eventuell

sogar das Erklärungsbewusstsein fehlte. Dies ist besonders kritisch, wenn internationale

Übereinkommen betroffen sind, denn damit verstößt die erwähnte Praxis der deutschen

Rechtsprechung zur stillschweigenden Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht gegen Art.

3 Abs. 1 S. 2 EVÜ. Es ist daher immer zu prüfen, ob die Parteien die Fragestellung erkannt und

eine Entscheidung gewollt haben, was in der Regel nicht der Fall ist. Richtigerweise führt das

OLG Köln434 hierzu aus, dass das Problembewusstsein im Internationalen Privatrecht selbst in

Anwaltskreisen viel zu gering sei, als dass man davon ausgehen könnte, die Beteiligten hätten

sich mit der Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung überhaupt befasst, geschweige denn

eine Rechtswahlerklärung abgeben wollen. Mithin erscheint es nicht angemessen,

übereinstimmendes Prozessverhalten ohne dessen genauere Untersuchung als Indiz für eine

stillschweigende Rechtswahl anzuerkennen. Auf diese Weise kann sich der Rechtsanwalt

zudem schützen vor möglichen Vorhaltungen seines Mandanten, es sei ohne Notwendigkeit

deutsches Recht vereinbart und auf die Durchsetzung des an sich anwendbaren Rechts

verzichtet worden, welches den Mandanten eventuell in eine rechtlich gesehen vorteilhaftere

Position versetzt hätte.

Vor all diesen aufgezeigten misslichen Konsequenzen einer vorschnellen Annahme einer

stillschweigenden Rechtswahl könnte man die Parteien schützen, indem eine ausdrückliche

Vereinbarung gefordert würde. Dies hätte auch zur Folge, dass das Übereinkommen nicht

leichtfertig umgangen werden könnte und ein äußerer Entscheidungseinklang hergestellt würde.

Denn dieser vom Gesetz geforderte, erhöhte Grad an Sicherheit wird angesichts der dargelegten

Umstände nur selten vorliegen.

Gemäss Art. 27 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 3 Abs. 2 EVÜ ist eine Rechtswahl aber „jederzeit“,

mithin bis zum Abschluss eines Verfahrens möglich. Daher ist gegen die Tatsache, dass nach

der Rechtsprechung auch das Verhalten der Parteien im Prozess maßgeblich sein soll, nichts

434 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.).

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einzuwenden. Auch wenn es richtig ist, dass das Verhalten der Parteien im Prozess aufgrund

der aufgezählten Argumente gegenüber einer übereinstimmenden Willenseinigung im

eigentlichen Sinne ein Minus darstellt, lässt sich daraus nicht schliessen, dass damit die

gegenseitige Berufung auf die Anwendung eines bestimmten Rechts als zulässiges Kriterium

für eine stillschweigende Rechtswahl gänzlich ausscheidet. Vielmehr sollte im Zweifel nur

dann von einer stillschweigenden Rechtswahl durch Prozessverhalten ausgegangen werden,

wenn beide Parteien ein zuvor ausdrücklich vereinbartes Recht ignorieren oder vom Gericht auf

die bestehende Problematik hingewiesen wurden. Denn falls zweifelhaft ist, ob die Parteien

überhaupt wussten, dass die Frage nach dem anwendbaren Recht zu klären ist, ist es gemäss

§ 293 Zivilprozessordnung (ZPO) die Aufgabe des Richters, die Rechtssituation zu klären, da er

die anwendbare Rechtsordnung von Amts wegen ermitteln muss. Keine Partei hat folglich eine

prozessuale Beweisführungslast.435

2. In England

Nach englischem Prozessrecht müssen die Parteien die Anwendung fremden Rechts verlangen.

In England wird das Verhalten der Parteien im Prozess nämlich nicht grundsätzlich wie in

Deutschland im Sinne einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl, sondern teilweise auch als eine

prozessuale Frage behandelt.436 Zudem ist im englischen Recht die Frage umstritten, nach

welchem Recht zu beurteilen ist, ob eine Änderung der Rechtswahl zulässig ist.437 Falls die

Parteien die Anwendung fremden Rechts nicht ausdrücklich verlangen, entscheidet das

angerufene Gericht die Sache, wie wenn es sich um einen rein innerstaatlichen Fall handeln

würde.438 Die Unterlassung der Parteien, sich ausdrücklich auf ausländisches Recht zu berufen,

führt automatisch dazu, dass (fakultatives) Kollisionsrecht nicht angewendet wird.439

Dem könnte man entgegenhalten, dass es sich hierbei nicht um eine Rechtswahl im eigentlichen

Sinne handelt und das englische Recht die Frage, ob englisches Recht anwendbar ist, nicht als

eine Frage des Internationalen Privatrechts, sondern vielmehr als eine Frage des englischen

Prozessrechts außerhalb des normalen Rechtswahlprozesses ansieht. Allerdings ist nicht

einleuchtend, warum es sich nach englischem Recht hier nicht um eine Rechtswahlfrage

handeln sollte. Die Unterlassung der Parteien, sich auf ausländisches Recht zu berufen, mag

435 BGHZ 77, 32, 38; 120, 334, 342; Brulhart, S. 99 Nr. 209; Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8, 13; Zöller/ Gemer, § 293 Rn. 9 ff. 436 Vgl. Lando, S. 51; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96. 437 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; Fudickar, S. 16; vgl. auch Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 18; Lando, S. 51; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103, 106; in diesem Sinne auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 438 Lando, S. 51; kritisch dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96. 439 Vgl. Lando, S. 51; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96.

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zwar von der eigentlichen Rechtswahl abweichen. Dafür, dass es sich dennoch um eine Frage

der Rechtswahl handelt, spricht aber, dass auch die indirekt oder prozessual ausgeführte Wahl

eines Rechts als Rechtswahl i. S. d. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ behandelt werden kann. Schließlich

geht es zweifelsohne bei der Frage, ob englisches Recht gewählt wurde, um eine

Rechtswahlfrage und somit um eine Frage des anwendbaren Rechts. Es wäre daher sicherlich

fragwürdig, wenn eine Frage bezüglich des anwendbaren Rechts nicht auch als Angelegenheit

des Internationalen Privatrechts behandelt würde. Zudem gibt es keinen Grund, warum die

Wahl englischen Rechts anders betrachtet werden sollte als die Wahl irgendeines anderen

Rechts. Unterlassen es also die Parteien, sich auf ausländisches Recht zu berufen, kann hierin

zumindest nach englischer Ansicht440 eine stillschweigende Wahl zugunsten englischen Rechts

gesehen werden. Die Frage, wie sich eine nachträgliche Rechtswahl der Parteien im Prozess

auswirkt, wird als prozessuale Frage behandelt. Findet eine Rechtswahl im Laufe der

Gerichtsverhandlung statt, ist folglich das jeweilige Prozessrecht des Landes maßgeblich.441

Englische Gerichte442 vertreten traditionell die Ansicht, dass bei der Suche nach einer

stillschweigenden Rechtswahl der Vertrag nicht ausgelegt werden könne, indem auf das

nachfolgende Verhalten der Parteien Bezug genommen würde. Vielmehr sollte anhand aller

relevanten Umstände – auch dem, was die Parteien zu dieser Zeit gesagt oder gemacht haben –

ermittelt werden, welche Absicht die Parteien bei Vertragsschluss hatten. Es sei zulässig, die

zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag umgebenden Umstände zu berücksichtigen,

nicht jedoch das nach Vertragsschluss eintretende Verhalten der Parteien. Denn es sei nicht

rechtmäßig zur Unterstützung eines Vertragsschlusses irgendetwas heranzuziehen, was erst

nach Vertragsschluss eintrete.443 Das House of Lords weist darauf hin, dass nachfolgendes

Verhalten zu einer Duldungsvollmacht oder zu einem neuen Vertragsschluss führen könnte. Die

nachträgliche Rechtswahl, die nach dem EVÜ gem. Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich zulässig ist444,

440 Fentiman, S. 71. 441 Fentiman, S. 92 ff. 442 Anders in R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529), in der die Möglichkeit zumindest, wenn auch einschränkend, anerkannt wurde: “If the parties` conduct shows that they have adopted a particular view with regard to the proper law, then it may be inferred that they have agreed that this law shall govern the contract accordingly”; ablehnend jedoch in: Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller and Partners (1970) A.C. 583 (603); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71 (HL); Wickman Machine Tools Sales Ltd. v. L. Schuler AG (1974) A.C. 235; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50, 69; vgl. Delaume, S. 40; Lipstein, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 158. 443 Dazu: North/ Fawcett, S. 475 ff.; Collins, S. 419; Dicey/ Morris, S. 1210; Nygh, S. 111; Plender, S. 94. 444 In der englischen Fassung des EVÜ heißt es in Art. 3 Abs. 2, die Parteien könnten eine Wahl des anzuwendenden Rechts “at any time“ anzeigen.

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ist von den englischen Gerichten immer wieder abgelehnt worden.445 Ein schriftlich

festgehaltener Vertrag soll nach Ansicht der englischen Gerichte446 nicht ausgehebelt oder

unterlaufen werden können, indem auf vorheriges oder nachfolgendes Verhalten der Parteien

Bezug genommen wird. Dem Verhalten der Parteien und ihren Verhandlungen wird

demzufolge von den englischen Gerichten kein Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl

entnommen.

Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass weder das EVÜ noch der Bericht von Giuliano/

Lagarde einen Zeitpunkt für die Berücksichtigung der „Umstände des Falles“ festlegen.447 In

Bezug auf die Bestimmung der „engsten Verbindung“ gemäss Art. 4 Abs. 1 EVÜ stellt der

Bericht fest, dass „es auch möglich ist, Faktoren zu berücksichtigen, die nach Vertragsschluss

noch hinzukommen“.448

Dies könnte dafür sprechen, auch nachfolgendes Verhalten oder nachträglich hinzukommende

Umstände für eine stillschweigende Rechtswahl mit zu berücksichtigen. Zudem können die

Parteien bei Vertragsschluss oft nicht die gesamte Tragweite ihrer Entscheidung erfassen,

sondern erst einige Zeit danach. Denn erst beim Eintreten eines aktuellen Streits könnte den

Parteien bewusst werden, was ihre Rechtswahl für den Vertrag bedeutet und dass Konflikte

innerhalb ihrer vertraglichen Bestimmungen auftreten könnten. Eine Nichtbeachtung der

nachträglichen Rechtswahl würde der Parteiautonomie widersprechen.449 Die englische

Ansicht, dass es nicht zulässig sei, nachfolgendes Parteiverhalten bei der Auslegung eines

Vertrages mit zu berücksichtigen, ist nicht haltbar und wird von den anderen europäischen

Vertragsstaaten des EVÜ nicht geteilt.450 Jedenfalls setzen die nationalen Gerichte der Länder,

die nachfolgendes Verhalten grundsätzlich in die Interpretation von Verträgen mit einbeziehen,

445 Delaume, S. 39 f.; Fentiman, S. 95; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 41; ders., Annuaire de l`Institut de droit international 1991, 64-I, S. 43; North, Essays, S. 39; in diesem Sinne auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff., 198; Plender, S. 94; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 12. 446 Prenn v. Simmonds (1971) 1 W.L.R. 1381; Wickman Machine Tool Sales Ltd. v. Schuler AG (1974) A.C. 235, dazu: Mann, L.Q.R. 89 (1973), 464. 447 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 18; so auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff., 198 ff. 448 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 20. 449 Delaume, S. 39; in diesem Sinne auch Fudickar, S. 4 f. 450 Vgl. Dicey/ Morris, S. 1201, 1202; Collins, S. 419; vgl. auch Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 266 f., der davon spricht, dass die Möglichkeit, das anwendbare Recht auch noch nach Vertragsschluss zu bestimmen bzw. zu ändern „très largement admis“ ist; Lando, S. 52; vgl. Mann, L.Q.R. 89 (1973), 464; der italienische Civil Code setzt in Art. 1362 sogar ausdrücklich fest, dass nachträgliches Verhalten mit zu berücksichtigen ist; Plender, S. 1.

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dies unter dem EVÜ fort.451 Deshalb sollten sich auch die englischen Gerichte, die das EVÜ

ebenfalls anwenden, dem anpassen und das Verhalten nach Vertragsschluss als Hinweis auf

eine stillschweigende Rechtswahl bei Vertragsschluss akzeptieren. Selbst außerhalb des EVÜ

würde dies Sinn machen: Der Grund, weshalb die englischen Gerichte das Verhalten der

Parteien vor oder nach dem Vertragsschluss als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl

ausschließen, liegt in der Rechtssicherheit. Die nachträgliche Änderung des anwendbaren

Rechts führe zu einer Unbestimmtheit, die sich weder mit dem Wesen der Rechtsordnung noch

mit dem des Vertrages vereinbaren lasse. Der Vertrag, der nur kraft einer bestimmten

Rechtsordnung zustande komme und daher auch nur existiere, soweit dieses Recht bestehe,

würde hinfällig, entziehe man ihm diese rechtliche Grundlage.452 Dies ist verständlich und auch

der Grund dafür, dass ein Vertrag zwischen den Parteien schriftlich niedergelegt wird.

Allerdings ist diese Betrachtung nicht einschlägig, wenn der Vertrag überhaupt keine

ausdrückliche Rechtswahl enthält. In diesem Fall sollten alle relevanten Umstände und alles,

was die Parteien gesagt oder gemacht haben, mit berücksichtigt werden. Es ist kein Grund

ersichtlich, warum dies auf „zeitgenössische Umstände“ beschränkt werden sollte. Schließlich

umfasst die Idee des “proper law“ selbst die Wahl eines sich ständig wandelnden, verändernden

Rechtssystems, wobei die sich ändernden wirtschaftlichen Umstände mit zu berücksichtigen

sind.453 Es ist einleuchtend, dass die Herrschaft der Parteien über das anwendbare Recht nicht

auf den einzigen Moment des Vertragsschlusses beschränkt sein kann.454 Zudem verliert der

Einwand an Gewicht, wenn man bedenkt, dass die Parteien ihr Schuldverhältnis jederzeit

aufheben könnten, um es neu erstehen zu lassen.455

Ein Beispiel, in dem nachfolgendes Verhalten der Parteien als relevant für einen

stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien angesehen werden könnte, ist das Vertrauen

der Parteien während des Prozesses auf die Anwendung eines bestimmten Rechtssystems. Einer

der Vorteile des Art. 18 EVÜ könnte darin bestehen, dass sich die Prozessparteien vor Gericht

auf in anderen Staaten ergangene Urteile berufen können.456 Grundsätzlich gehen die Parteien

während des Prozesses davon aus, dass das ausländische Recht mit dem des Gerichtes

übereinstimmt. Das Verhalten der Parteien könnte in dem Fall jedoch gleichfalls auf einen

451 So z.B. in Deutschland in BGH NJW 1981, 1606 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; OLG Koblenz IPRax 1989, 175, RIW 1987, 629; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 (866); LG Berlin RIW 1996, 960 und in Frankreich in Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger - J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 1997, 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60. 452 So auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103 f. 453 Graveson, S. 429 ff.; Nygh, S. 112. 454 Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 267. 455 Vgl. Lorenz, Vertragsabschluss, S. 104. 456 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 38.

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neuen Vertragsschluss hindeuten anstatt auf die Wahl des anwendbaren Rechts.457 Das zeigt,

dass nachfolgendes Verhalten der Parteien keinen sicheren Schluss auf eine stillschweigende

Rechtswahl zulässt, weshalb dieses Indiz in Bezug auf eine stillschweigende Rechtswahl wohl

auch gänzlich verworfen werden könnte. Es lässt sich zumindest festhalten, dass es sich um

eine einseitige Regelung zugunsten der Anwendung der englischen lex fori handelt, da gerade

in England die Gerichte besonders stark dazu neigen, das vertraute heimische Recht

anzuwenden.458

3. In Frankreich

Dem späteren Verhalten der Parteien im Prozess nach Abschluss des Vertrages, etwa im

Zeitpunkt der Klageerhebung, kommt auch im französischen Recht Bedeutung bei der

Ermittlung der stillschweigenden Rechtswahl zu, auch wenn sich die französische

Rechtsprechung zunächst nicht hinreichend klar zu der Frage der Zulässigkeit der

nachträglichen Rechtswahl geäussert hat.459

Zurückhaltend äussert sich Lagarde460 und schlägt vor, dass nachfolgendes Verhalten nur

relevant sein soll, wenn der Vertrag dahingehend berichtigt wird, dass der Leistungs- oder

Zahlungsort geändert wird, das nachfolgende Verhalten also auf eine implizierte Änderung des

gewählten Rechts hinausläuft.

Die französische Rechtsprechung461 versteht das Parteiverhalten während des Prozesses

allerdings nicht im Sinne einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl, sondern wie das englische

Recht als prozessuale Disposition über das anwendbare Recht. Nach der französischen

Rechtsprechung462 deutet das übereinstimmende Zitieren französischen Rechts vor einem

französischen Gericht daher auch nicht auf eine stillschweigende Rechtswahl, sondern vielmehr

auf einen „accord procédural“ hin, der im Gegensatz zu der stillschweigenden Rechtswahl nur

für die im Prozess geltend gemachten Rechte gilt und weder Zukunft noch Vergangenheit

berührt. Diese prozessrechtliche Wahl unterscheidet sich von der materiell-rechtlichen in

Frankreich erheblich. Daher ist der „accord procédural“ vom „accord de fond“ abzugrenzen, der

457 Nygh, S. 119. 458 So schon Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106. 459 Cass. v. 18.11.1959, Rev.crit.dr.int.priv. 49 (1960), 83; Cass. v. 29.1.1975, Rev.crit.dr.int.priv. 65 (1976), 338, 340; Batiffol, Traité, S. 648 ff.; vgl. auch Fudickar, S. 12 ff.; Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 266 f.; Tomaszewski, Rev.crit.dr.int.priv. (1972), 567 ff.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 50. 460 Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 80 (1991), 287 (310 f.). 461 Vgl. z.B. Colmar 16 Nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60. 462 Colmar 16 Nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60.

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die kollisionsrechtliche Rechtswahl bezeichnet: Es handelt sich also um eine auf den Prozess

beschränkte Vereinbarung, die nur für den Streitgegenstand gilt, die Parteien nur für den

Prozess bindet und keine darüber hinausgehenden Wirkungen hat.463

Die Rechtsprechung ist hier aber nicht immer eindeutig: Während die Cour de Cassation in der

Entscheidung Soc. De Baat en Zegwaard c. Soc. Les Fils Charvet et Porteix vom 4.10.1989464

eine Rechtswahl während des Prozesses von den Voraussetzungen des Art. 12 Nouveau code de

procédure civile (NCPC), der einen „accord exprès“ verlangt, abhängig machte, erachtete sie es

in einer Entscheidung vom 12.5.1997465 für die Anwendung der französischen lex fori als

ausreichend, dass beide Parteien auf der Grundlage des französischen Rechts plädierten.

Einerseits verzichtet die Cour de Cassation seit dem „Société Hannover“-Urteil aus dem Jahre

1997 für den „accord procédural“ zugunsten der lex fori auf das Erfordernis der

Ausdrücklichkeit, weshalb es für einen solchen „accord“ ausreicht, wenn die Parteien in ihren

Schlussanträgen ausschließlich Vorschriften französischen Rechts zitieren. Andererseits

verlangt der “accord procédural“ mehr als bloßes Schweigen der Parteien, da sich ihre

Vereinbarung aus dem „übereinstimmenden“ Zitieren von Rechtsnormen der lex fori ergeben

muss.466 Die Urteile der Cour de Cassation aus dem Jahre 1997 lassen jedenfalls für einen

“accord procédural sur la loi applicable“ ausreichen, dass dieser sich aus den Schlussanträgen

ergibt, in denen sich die Parteien auf bestimmte Rechtsvorschriften stützen.467 Die französische

Rechtsprechung ignoriert mithin die Formvorschriften des “accord procédural“ und schließt aus

übereinstimmenden Schlussanträgen auf das Vorliegen einer Vereinbarung. Die Entscheidung

vom 12.5.1997 ist auch insofern interessant, als die mit den beiden “grând arrêts“ vom 11. und

18.10.1988468 in Abkehr von der “jurisprudence Bisbal“469 eingeleitete Rechtsprechung, das

Kollisionsrecht von Amts wegen anzuwenden, wieder relativiert wird. Es scheint, als seien die

französischen Richter, ähnlich den englischen, grundsätzlich nicht gezwungen, das anwendbare

Recht selbst zu ermitteln, wenn die Parteien über den Anspruch verfügen können.470

463 Hartenstein, S. 121 ff.; ders., IPRax 2001, 478; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 79 (1990), 316 ff. 464 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.); vgl. auch Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 79 (1990), 316 ff. 465 Cass. Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514. 466 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.); so auch schon Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 1989, 277 (309 f.). 467 Cass. (6.5.1997), Rev.crit.dr.int.priv. 1997, 514; Cass. (1.7.1997), Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60; so auch schon Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 1989, 277 (309 f.). 468 Cass.civ., 11.10.1988, J.D.I (Clunet 116), 1989, 349/ 50; Cass.civ., 18.10.1988, J.D.I. (Clunet 116) 1989, 350, 352. 469 Cass.civ., 12.5.1959, Rev.crit.dr.int.priv. (1960), 62 f.; dazu: Ferid/ Sonnenberger, S. 203. 470 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (809 ff.); vgl. auch Ferid/ Sonnenberger, S. 203; Wagner, ZEuP 1999, 6 (29 ff.).

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Es sind mithin in der französischen Rechtsprechung bis jetzt keine klaren Linien erkennbar,

was umso mehr verwunderlich ist, als doch das EVÜ gerade für den europäischen Raum eine

Vereinheitlichung des Vertragskollisionsrechts innerhalb der EU bezweckt. Dahingehende

Fortschritte können hier leider nicht registriert werden.

Immerhin ist in der französischen Literatur471 betont worden, dass nach Art. 3 Abs. 2 EVÜ eine

Rechtswahl „jederzeit“, mithin noch nach Vertragsschluss, möglich ist. Da die Möglichkeit der

Parteien, das auf ihren Vertrag anwendbare Recht zu bestimmen, somit nicht auf den einzigen

Moment des Vertragsschlusses beschränkt ist, können sie durch ihr nachträgliches Verhalten

auf das anwendbare Recht hinweisen. Dies wird im Bericht von Giuliano/ Lagarde bestätigt.472

Damit legt das EVÜ fest, dass Rechtswahlvertrag und Hauptvertrag unabhängig voneinander zu

betrachten sind.473

IV. Erfüllungsort

Ein weiteres Indiz in der Praxis für eine stillschweigende Rechtswahl könnte die Wahl eines

gemeinsamen Erfüllungsortes für die beiderseitigen Leistungen sein. Mit der Vereinbarung

eines einheitlichen Erfüllungsortes bestimmen die Parteien allerdings nur einen konkreten

Detailpunkt zu der Leistung, ohne ihre Rechtsbeziehungen damit generell zu regeln. Somit

begründen sie keinen objektiv erkennbaren Zusammenhang mit der Rechtsordnung am Ort der

Leistungserfüllung.474 Eine solche Vereinbarung hat umso mehr Indizcharakter, je

unrealistischer sie ist. Sie muss von dem tatsächlichen Leistungsort abweichen und bei

gegenseitig verpflichtenden Verträgen muss ein einheitlicher Erfüllungsort vereinbart

werden.475

1. In Deutschland

Vor der Neufassung des EGBGB am 1.9.1986 knüpfte die deutsche Rechtsprechung476 am

Ende der vierstufigen Anknüpfungsleiter, wenn sich der hypothetische bzw. mutmaßliche

Parteiwille nicht ermitteln ließ, an den Erfüllungsort an und erblickte darin eine

stillschweigende Rechtswahl. Auch wenn die Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes

nach der Neufassung kein selbständiger Anknüpfungspunkt mehr ist, kann sie nach der

471 Foyer, J.D.I. (Clunet 112) 1976, 604; Kassis, S. 368 f.; Tomaszewski, Rev.crit.dr.int.priv. 1972, 567 ff. (588). 472 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 473 Foyer, J.D.I. (Clunet 112) 1976, 604: „Le contrat de choix de la loi étant autonome, les parties ne sont plus ligotées par la date de conclusion du contrat principal”; Kassis, S. 369. 474 Mitterer, S. 165. 475 BGHZ 52, 239 (241), 73, 391; Menne, JuS 1998, 711 (713); Schröder, IPRax 1987, 90 (91). 476 RGZ 58, 366 (367), 68, 203 (207), 81, 273 (274), 108, 241 (242); BGH NJW 1996, 2569; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 ff. (1297).

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Rechtsprechung477 und Lehre478 zumindest ein im Zusammenhang mit anderen Umständen

relevantes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl sein, denn bei Sachverhalten mit

Auslandsbezug liegen die Erfüllungsorte in der Regel in Gebieten unterschiedlicher

Rechtsordnungen.

Mit hinreichender Sicherheit i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann eine stillschweigende

Rechtswahl nach überwiegender Ansicht479 dann angenommen werden, wenn der vereinbarte

Leistungsort vom gesetzlichen sowie dem Ort, an dem die charakteristische Leistung zu

erbringen ist, abweicht.

Die Schlussfolgerung, dass die Parteien die an dem Erfüllungsort geltende Rechtsordnung als

Vertragsstatut gewählt haben, drängt sich auf, wenn die Parteien nicht den gesetzlichen

Erfüllungsort maßgeblich sein lassen. Haben die Parteien stattdessen einen davon

abweichenden, fiktiven Erfüllungsort vertraglich vereinbart, der sich auch nicht mit dem Ort

der „vertragscharakteristischen Leistung“ deckt, wird diese Annahme verstärkt. Gegenteilige

Indizien können die Bedeutung des Erfüllungsortes in gewissem Umfang entkräften.480

Nach der Rechtsprechung481 soll für die Indizwirkung die Wirksamkeit der Erfüllungsabrede

entscheidend sein.

Dem Anknüpfungspunkt des Erfüllungsortes ist entgegenzuhalten, dass er zur Starrheit führt

und es manchmal wichtiger ist, dass der Vertrag überhaupt erfüllt wird, während der

Erfüllungsort in seiner Bedeutung dahinter zurücktreten kann. Ausserdem sind Fälle denkbar, in

denen es entweder überhaupt keinen oder gleich mehrere Erfüllungsorte gibt, was zu

Schwierigkeiten führt.

Das entscheidende Argument dagegen ist allerdings, dass durch die Festlegung eines

einheitlichen Erfüllungsortes eine Vertragsspaltung entsteht, denn in der Regel sind bei einem

gegenseitigen Vertrag verschiedene Pflichten zu erfüllen, so dass der Erfüllungsort für jede

477 RGZ 148, 42 (43); BGH NJW 1985, 560, 561; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 483; OLG Frankfurt AWD 1969, 509 (510); OLG Hamburg NJW 1958, 1919 f.; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); LG Hamburg IPRspr 1975, Nr. 14. 478 Baetge, JuS 1996, 983 (987); v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Ferid/ Böhmer, S. 218; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332), Kegel/ Schurig, S. 574; Kropholler, S. 440; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 51; kritisch Nussbaum, S. 230, 233; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 75, 99; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 33 f.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schwimann, S. 107; Staudinger-Magnus, Art. 27 Rn. 83; Stoll, S. 43 f.; Thorn, IPRax 1996, 257 (258). 479 Buchta, S. 25; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 51; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 99; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 33 f.; Stoll, S. 43 f.; Steiner, S. 85; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 ff. (311). 480 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 481 OLG Frankfurt IPRspr 1979 Nr. 161 aber für den hypothetischen Parteiwillen; OLG Hamburg IPRspr 1982, Nr. 21.

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vertragliche Verpflichtung verschieden ist und in verschiedenen Staaten liegen kann. Durch

eine solche Vertragsspaltung wird ein gerechter Ausgleich zwischen den gegenseitigen

Vertragspflichten erschwert, da jede Rechtsordnung bestimmte Rechte und Pflichten anders

bewertet.482

Schließlich hängt die Frage, ob durch eine Erfüllungsortabrede ein objektiver

Erklärungstatbestand gesetzt wurde, wesentlich von den Begleitumständen ab. Im Grunde

genommen geht es bei der Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur um die Gestaltung eines

konkreten relevanten Anknüpfungspunktes, wobei gerade nicht die Frage des anwendbaren

Rechts im Vordergrund steht. Daher kann man allenfalls von einer indirekten Rechtswahl483

sprechen. Es erscheint jedoch durchaus naheliegend, diesen Ansatz als nicht überzeugend

abzulehnen.

2. In England

Im Allgemeinen hängt die Spezifikation des Leistungsortes nicht zwingend mit der

Rechtsordnung am Ort der Leistungserfüllung zusammen. Allerdings kann in der Angabe des

Erfüllungsortes dann ein Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien

gesehen werden, wenn die Parteien bei Angabe des Leistungsortes sich der Bedeutung für eine

Rechtswahl bewusst waren.484 Grundsätzlich ist der Erfüllungsort ebenso wie der Ort des

Vertragsschlusses im englischen Recht eher für die Bestimmung des hypothetischen

Parteiwillens maßgeblich.485 Der Erfüllungsort als Indiz für einen stillschweigenden

Rechtswahlwillen ist zum Beispiel im Vergleich zum Ort des Vertragsschlusses zu bevorzugen,

da er immerhin nicht zufällig ist und sich auf eine wesentliche Verbindung zwischen dem

Vertrag und dem auf ihn anwendbaren Recht stützt. Ist ein Vertrag bilateral, liefert der

Erfüllungsort keine Lösung und jede Partei muss in einem anderen Land erfüllen. Ebenso

wenig liefert der Erfüllungsort eine Lösung, wenn er den Parteien freigestellt ist.486

Der Erfüllungsort wird als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl von der Rechtsprechung

lediglich zusätzlich hinzugezogen, um ein anderes Indiz von grösserer Bedeutung zu

482 In diesem Sinne auch Stoll, S. 37; Umbricht, S. 51 ff., 54. 483 So beispielsweise Vischer, Int.VertrR, S. 79. 484 Benaim & Co. v. L. S. Debono (1924) A.C. 514 (520); Adelaide Electric Supply Co. Ltd. v. Prudential Assurance Co. Ltd. (1934) A.C. 122 (145, 151); Mainschiffahrts-Genossenschaft e.G. (MSG) v. Les Gravières Rhénanes S.a.r.l. (Case C-106/ 95) (1997) Q.B., 731, ECJ. 485 Jacobs, Marcus & Co. v. Crédit Lyonnais (1884), 12 Q.B.D., 589 (600) (C. A.); Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup. Ct. 1921); Keiner v. Keiner, (1952) 1 All E.R., 643; The Assunzione, (1954) P.D., 150, 1 All E.R., 278 (C. A.); Dicey/ Morris, S. 1211; Graveson, S. 416; Hoyle, S. 207 ff.; Morris, Ch. 13; Webb/ Brown, S. 344 ff. 486 Morris, Ch. 13.

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unterstützen. So wurde auch in den Urteilen Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery487 von Lord

Herschell und in R. v. International Trustee488 von Lord Atkin der Erfüllungsort als ein Indiz

unter mehreren, das für den Rechtswahlwillen der Parteien zu berücksichtigen ist,

angesprochen. Wie bereits angedeutet, wird dem Erfüllungsort als Indiz einer stillschweigenden

Rechtswahl auch in England keine grosse Bedeutung beigemessen. Bei näherer Betrachtung

zeigt sich, dass ein Schluss auf den Rechtswahlwillen der Parteien aus den erwähnten Gründen

nicht überzeugt. Daher kann festgehalten werden, dass der Erfüllungsort zumindest als

alleiniges Indiz keinen Schluss auf eine stillschweigende Rechtswahl rechtfertigt.

3. In Frankreich

Teilweise wird der Erfüllungsort in der französischen Literatur489 als Indiz einer

stillschweigenden Rechtswahl angesehen, da dies der Ort sei, an dem der Käufer seine Leistung

empfange und der Vertrag sich mithin erfülle. Der Erfüllungsort scheint in materieller Hinsicht

mit den Interessen der Parteien verbunden zu sein. Beim Schweigen der Parteien zu dem auf

den Vertrag anwendbaren Recht wird der Ort, an dem der Empfänger des Angebots seine

Leistung erhält, als einzige Verbindung und Bezugsort angesehen, es sei denn die Parteien sind

durch ihre Geschäftsbeziehungen anderweitig verbunden. Auch die Anforderungen des

internationalen Handels sowie Praktikabilitätsgesichtspunkte werden zur Begründung

herangezogen. Batiffol490 ist der Ansicht, dass der Erfüllungsort im Gegensatz zum Ort des

Vertragsschlusses bestimmt genug sei und deutlich den Willen der Parteien anzeige. Schließlich

sei dies der Ort, an dem sich der Vertrag durch äußerliche materielle Handlungen manifestiere.

Auf diesen Ort sei die Aufmerksamkeit der Parteien gerichtet, da an ihm Schwierigkeiten

entstünden, wenn zum Beispiel der Gläubiger behauptet, die Nichterfüllung feststellen zu

können.

Die französische Rechtsprechung hat vor Einführung des EVÜ in dem Zanarelli-Urteil491 den

Erfüllungsort als Indiz für die stillschweigende Wahl italienischen Rechts herangezogen.

Ebenso hat sie bereits in einem Urteil vom 9.12.1960492 die Anwendung des von den Parteien

487 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 218. 488 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); dazu: Hoyle, S. 208; Schmitthoff, S. 106, 107. 489 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 74 ff; ders., Traité, S. 635 ff.; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246, 264 ff.; dazu: Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; Jacquet, S. 34 ff., 37; Leschallier de Lisle, S. 16, 37 ff.; Niboyet, S. 595, ders., Traité, S. 47; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international, 1904, S. 75 (77); Toubiana, S. 16, 80, 104. 490 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246 f. 491 L`arrêt Zanarelli c. Soc. Boussois-Souchon-Neuvesel (B.S.N.): Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet; dazu: Jacquet, S. 32 ff. 492 Cass. Soc. 9 décembre 1960, (Etablissements Motokov c. Semeriva), J.C.P. 1961. II, 12029, note de Madame Simon-Depitre.

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gewählten Rechts der Tschechoslowakei zugunsten französischen Rechts abgelehnt, da der

Erfüllungsort des Vertrages in Frankreich lag und sich dort auch der Wohnsitz der Partei

befand. Dem Erfüllungsort wurde mithin als Indiz für einen stillschweigenden

Rechtswahlwillen, zumindest vor der Einführung des EVÜ, von der französischen

Rechtsprechung entscheidende Bedeutung eingeräumt.

Diese Rechtsprechung ist jedoch seit der Einführung des EVÜ nicht mehr länger haltbar, denn

als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien ist der Erfüllungsort viel zu

vielfältig und damit zu unbestimmt. Er erfüllt nicht die von Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ aufgestellte

Forderung einer „hinreichenden Sicherheit“ für eine stillschweigende Rechtswahl. Zudem

liefert er nicht immer eine praktikable Lösung, ist also teilweise in materieller Hinsicht

undurchführbar.493

V. Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung

Problematisch ist, inwieweit die Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung im

Internationalen Privatrecht eine stillschweigende Rechtswahl bedeutet. Eine Analyse der

Entscheidungen der verschiedenen nationalen Gerichte wird erkennen lassen, dass die

Auslegungen der nationalen Gerichte im Hinblick auf die Frage, ob bereits bei einer

Verweisung auf einen Rechtsbegriff, der einer bestimmten nationalen Rechtsordnung eigen ist,

eine Rechtswahl vorliegt, divergieren.494

1. In Deutschland

Im deutschen Internationalen Privatrecht unterscheidet man hier verschiedene Formen der

Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung:

Der Hauptvertrag kann sich auf eine bestimmte Rechtsordnung beziehen, indem er einerseits

deren Rechtsvorschriften zitiert und auf bestimmte rechtliche Erfordernisse dieser

Rechtsordnung Rücksicht nimmt und andererseits juristisch-technische Begriffe und Klauseln

enthält, die auf diese Rechtsordnung zugeschnitten sind.

a) Zitieren von Rechtsvorschriften

Wenn einzelne Bestimmungen eines Gesetzes in Bezug genommen werden oder auf rechtliche

Erfordernisse Rücksicht genommen wird, die nur in der einen, nicht aber in der anderen

Rechtsordnung gegeben sind, kann dies ein Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl

493 Batiffol, Traité, S. 638. 494 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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sein.495 Der BGH496 hat beispielsweise die Anwendung französischen Rechts für gerechtfertigt

gehalten, weil zusätzlich zu der französischen Sprache und französischen Währung eine Form

eingehalten wurde, die auf französisches Recht deutete. Ebenso kann auch die Einbeziehung

von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder die Verwendung von Formularen auf ein

bestimmtes Recht hindeuten.497 Dies wird im Folgenden noch detaillierter untersucht.

Fraglich ist zunächst einmal, ob in der unmittelbaren Bezugnahme auf einzelne zivilrechtliche

Vorschriften ein starker Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl für den gesamten

Vertrag gesehen werden kann. Dies wird von der überwiegenden Ansicht498 bejaht, auch wenn

dem entgegengehalten wird, dass die Parteien nur die zitierten Vorschriften einbeziehen

wollten, da sie ansonsten direkt auf die gesamte Rechtsordnung Bezug genommen hätten.499

Die Rechtsprechung500 erachtet es für eine stillschweigende Rechtswahl als ausreichend, wenn

die Geltung von bestimmten Vorschriften einer Rechtsordnung vereinbart wird und die Parteien

den Vertrag an den gesetzlichen Vorschriften dieser Rechtsordnung orientieren. Es ist auch zu

berücksichtigen, ob die in Bezug genommenen Vorschriften sich zwingend durchsetzen und

welcher Natur sie sind501: Setzen sie sich zwingend durch und gelten unabhängig vom

Vertragsstatut, so kann in ihrer Bezugnahme keine stillschweigende Rechtswahl gesehen

werden.502

Verwenden die Parteien hingegen in ihrem Vertrag Formulierungen, die auf Gesetzeserlasse

eines bestimmten Staates zurückzuführen sind, wird teilweise angenommen, die Parteien hätten

eine stillschweigende Rechtswahl getroffen.

495 BGH NJW 1992, 618 (619); BGH WM 1997, 560 (561); v. Bar, II, Rn. 471; BGH EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; sehr zurückhaltend Vischer, Int.VertrR, S. 73. 496 BGH EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 497 v. Hoffmann, § 10 Rn. 34, S. 371; Schröder/ Wenner, S. 63; Stoll, S. 46. 498 Andrae/ Fincke, S. 17; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 16; Ferid/ Böhmer, S. 218; v. Hoffmann, § 10 Rn. 34, S. 371; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (38); Kegel/ Schurig, S. 574; Kost, S. 42, 46; Kropholler, S. 439 f.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 46; Nussbaum, S. 227; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 61; Schwimann, S. 107; Siehr, FS Keller, S. 485 (494); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Stadler, Jura 1997, S. 505 (509); Steiner, S. 89; Wenner, EWiR 1999, 353 (354); Wolff, S. 141. 499 IPRspr 1958/ 59 Nr. 50; Stoll, S. 45. 500 RGZ 122, 316 (318); BGHZ 9, 34, 37, 104, 268, 270; BGH JZ 1963, 167 ff.; BGH NJW 1985, 1296 (1297); BGH NJW-RR 1996, 1034; BGH NJW-RR 1999, 813; BGH RIW 1997, 426; BGH WM 1956, 598 (599), WM 1997, 560 (561), WM 00, 1643; BGH EWiR 1999, 353; BGH BauR 1999, 631 f.; BGH IPRax 2001, S. 333; OLG Brandenburg BauR 2001, 820 (821); OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Hamburg IPRspr 1934 Nr. 38; OLG Köln RIW 1984, 314 (315), RIW 1993, 415; OLGR Saarbrücken 2003, 13-15; OLGR Düsseldorf 2003, 252-259; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 501 Henrich, BGH JZ 1961, 261 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 46; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 101; Schröder/ Wenner, S. 62. 502 Beispielsweise zwingende Preisvorschriften oder deutsches Mutterschutzrecht.

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Das OLG Hamburg503 hat aus der Tatsache, dass ein Versicherungsvertrag sich an die

Bestimmungen des englischen Marine Insurance Act lehnte, eine stillschweigende Rechtswahl

gefolgert.

Auch der Bericht zum EVÜ von Giuliano/ Lagarde504 nimmt aufgrund von in einem Vertrag

enthaltenen Hinweisen auf einzelne Artikel des französischen Codes Civil eine

stillschweigende Rechtswahl an. Ebenso deutet die Bezugnahme im Vertrag auf Rechtsinstitute,

die für ein Land besonders typisch sind505, auf eine Wahl dieses Rechts hin. Wird auf typische

Rechtsinstitute eines Landes isoliert Bezug genommen, kann eine kollisionsrechtliche

Teilverweisung richtigerweise dann angenommen werden, wenn dem ohne Rechtswahl

anwendbaren Recht ein derartiges Rechtsinstitut unbekannt ist. Falls dem Rechtsinstitut im

Vertrag eine zentrale Rolle zuteil wird, sollte auch der restliche Vertragsteil nach diesem Recht

beurteilt werden. Wird hingegen auf auch aus anderen Rechtsordnungen bekannte

Rechtsinstitute Bezug genommen, müssen für den Indizcharakter noch andere eindeutige

Indizien hinzukommen.506

Für die Auslegung i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB, wonach der objektive Erklärungsgehalt

für eine Rechtswahl festgestellt werden soll, ist entscheidend, ob der Vertragstext den Wortlaut

der Vorschriften ohne oder mit Angabe der gesetzlichen Grundlage wiedergibt. Während der

objektive Erklärungsinhalt bei ersterem weniger auf eine stillschweigende Rechtswahl

hindeutet, kann die Einbeziehung von Vorschriften unter Angabe der gesetzlichen Grundlage

eine stillschweigende Rechtswahl begründen. Für einen Erklärungsempfänger ist nämlich

erforderlich, dass er erstens die Norm wieder erkennt und sie zweitens einer bestimmten

Rechtsordnung zuordnen kann.507 Aus der Bezugnahme auf öffentlich-rechtliche Vorschriften

soll nach überwiegender Ansicht508 nicht generell auf eine stillschweigende Rechtswahl

geschlossen werden, denn die Parteien verbinden mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften in der

Regel nicht die Anwendbarkeit einer Rechtsordnung für den Schuldvertrag. Problematisch sind

die bereits erwähnten “construction clauses“ in Verträgen des internationalen

Geschäftsverkehrs.509 Während sie nach einer Ansicht510 ein im Zusammenhang mit weiteren

Umständen relevantes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl darstellen, sollen sie nach

503 OLG Hamburg IPRspr. 1934 Nr. 38. 504 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 505 Wie zum Beispiel der „trust“ im common law. 506 Vischer/ Huber/ Oser, S. 101. 507 Mitterer, S. 146. 508 Ferid/ Böhmer, S. 218; Neuhaus, S. 262 Fn. 735; Stoll, S. 45. 509 MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 101; Vischer/ Huber/ Oser, S. 90. 510 OLG München IPRax 1984, 319; LG München IPRax 1984, 318; Jayme, IPRax 1984, 303 f.; Jayme, FS Kegel, S. 253 (263 f.); Lorenz, RIW 1992, 697 (703); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Steiner, S. 90.

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anderer Ansicht511 eine ausdrückliche Rechtswahl bedeuten, da es dem verständigen

Erklärungswillen entspreche, dass Auslegung und Beurteilung eines Rechtsgeschäfts Hand in

Hand gehen.

Eine “construction clause“ beinhaltet zwar den Begriff „Auslegung“ und bestimmt damit auch

das Statut für die eigene Auslegung sowie der in einer “construction clause“ enthaltene

objektive Erklärungsgehalt in der Regel auch eine stillschweigende Rechtswahl begründet. Ob

darüber hinaus aber auch eine ausdrückliche Rechtswahl gewollt ist, folgt gemäss Art. 32 Abs.

1 S. 1 EGBGB nach einer Auslegung vom Standpunkt dieser Rechtsordnung aus. Es wäre

jedenfalls sinnwidrig, eine Vereinbarung einer bestimmten Rechtsordnung zu unterstellen, sie

aber nach einer anderen Rechtsordnung auslegen zu wollen. Auch wenn es stets auf die

Umstände des Falles ankommt, wird eine stillschweigende Rechtswahl grundsätzlich nur dann

mit „hinreichender Sicherheit“ im Sinne des Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB anzunehmen sein,

wenn die Bezugnahme auf ein Recht ohne besondere Rechtskenntnisse erkennbar ist.

b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln

Fraglich ist, ob in der Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln, die auf eine bestimmte

Rechtsordnung zugeschnitten sind, ein Anhaltspunkt für eine stillschweigende Rechtswahl

gesehen werden kann. Teilweise wird dies von den Gerichten512 und der Literatur513 bejaht.

Dies soll insbesondere gelten, wenn bestimmte Rechtsbegriffe oder für ein Recht typische

Klauseln verwendet werden. Begründet wird dies damit, dass es eine gedankliche Verbindung

zwischen dem konkreten Vertrag und der betreffenden Rechtsordnung voraussetze, die

verwendeten Rechtsbegriffe oder Klauseln der bestimmten Rechtsordnung zu verstehen. Das

rechtfertige die Vermutung, dass auch der gesamte Vertrag nach dem betreffenden Recht zu

beurteilen ist.514 Dagegen spricht aber, dass die Parteien, wenn sie schon Rechtsbegriffe oder

eine Klausel, die für die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung sprechen sollen, in

den Vertrag eingefügt haben, auch direkt eine Rechtswahlklausel hätten einfügen können, um

auf diese Weise Unsicherheiten und Missverständnissen vorzubeugen. Wenn der Vertrag, der

durch die juristischen Begriffe und Klauseln auf ein bestimmtes Recht Bezug nimmt, keine

kollisionsrechtliche Regelung enthält, könnte dies dafür sprechen, dass die Geltung dieses

511 OLG München IPRax 1989, 42 (43); Lorenz, IPRax 1989, 22 ff. (24); Schröder, IPRax 1985, 131 (132). 512 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1396; OLG Hamburg TransportR 1990, 117 (118); OLG Koblenz RIW 1993, 934; OLG Köln RIW 1993, 414 (415); LG Frankfurt NJW 1963, 450; LG Waldshut-Tiengen IPRax 1984, 100. 513 v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Kost, S. 46; Lorenz, IPRax 1987, 269 (272); Martiny, ZEuP 1997, 107 (112); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Neuhaus, S. 262; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 514 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34.

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bestimmten Rechts gerade nicht gewollt war oder zumindest eine der Parteien an der

Ausarbeitung des Vertrages nicht mitgewirkt hat.515

Zudem ist aus der Praxis bekannt, dass manche Klauseln, die für ein bestimmtes Recht typisch

sind, nur deshalb in den Vertrag aufgenommen werden, um den Vertrag dem jeweiligen

ausländischen Geschäftspartner verständlich zu machen. Weisen die Formulierungen jedoch

nicht auf typische ausländische Rechtseinrichtungen hin, sondern können genauso gut als

„analoger sprachlicher Ausdruck für auch dem deutschen Recht geläufige Einrichtungen“

angesehen werden, kommt ihnen ohnehin keine Bedeutung zu.516 Auch bei diesem Indiz ist

mithin Vorsicht geboten und auf weitere Hinweise und Umstände des Falles zu achten. In der

Regel kann diesem Indiz aus den oben genannten Gründen keine Bedeutung hinsichtlich einer

stillschweigenden Rechtswahl beigemessen werden.

2. In England

Die Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht stellt nach überwiegender Ansicht517 im englischen

Internationalen Privatrecht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl dar.

a) Zitieren von Rechtsvorschriften

Konkret kann eine stillschweigende Rechtswahl im englischen Recht vorliegen, indem

Vorschriften eines bestimmten Rechts zitiert werden oder sonst auf sie Bezug genommen wird.

Sowohl Rechtsprechung518 als auch Literatur519 erkennen dies als Indiz für einen

stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien an.

In dem Urteil Gan Insurance v. Tai Ping Insurance520 wurde eine stillschweigende Rechtswahl

angenommen, da auf englische Standardklauseln Bezug genommen wurde. Ebenso deute die

Benutzung der englischen Sprache oder englischer Rechtsbegriffe auf eine stillschweigende

Wahl englischen Rechts hin, wenn die anderen Rechtswahlmöglichkeiten auch dem

europäischen Recht entsprächen. Allerdings wäre es kein Hinweis auf eine stillschweigende

515 Hartmann, S. 61; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 311, 312. 516 BGHZ 19, 110 (112); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100. 517 The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Co. (1961) A.C. 1007; Wünsche Handelsgesellschaft International m.b.H. v. Tai Ping Insurance Co. Ltd. and another, (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.); North/ Fawcett, S. 484; Dicey/ Morris, S. 1222, 1227; Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (313 f.); ders., S. 50; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. (177 f.); Schmitthoff, S. 111; Webb/ Brown, S. 344; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 518 The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Co. (1961) A.C. 1007; Wünsche Handelsgesellschaft International m.b.H. v. Tai Ping Insurance Co. Ltd. and another, (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.). 519 Dicey/ Morris, S. 1222, 1227; Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), S. 225 (313 f.); ders., S. 50; North/ Fawcett, S. 484; Schmitthoff, S. 111; Webb/ Brown, S. 344; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 520 (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.).

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Rechtswahl der Parteien, wenn ansonsten das Recht eines “common law“ - Staates in Betracht

käme.521

Zu beachten ist, dass der Indizwert sehr stark von dem Kontext abhängt, in dem auf ein

bestimmtes Recht Bezug genommen wird. Der Bezug auf bestimmte Vorschriften eines

ausländischen Gesetzes kann auch darauf hindeuten, dass lediglich diese Bestimmungen, auf

die Bezug genommen wird, in den Vertrag miteinbezogen werden oder nur bestimmte Aspekte

des Vertrages diesem Recht unterliegen sollen. Jedenfalls war dies der Fall in dem Urteil

Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Company522. Eine englische Firma betrieb

eine Eisenbahn, ausgeführt in Kuba, und die Parteien hatten entschieden, dass kubanisches

Recht auf Angelegenheiten anwendbar sein sollte, die sich aus dem Anspruch auf das Eigentum

ergäben, das in Kuba lokalisiert war und von einem amerikanischen Kreditgeber als Sicherheit

gehalten wurde. Die englische Firma kaufte Inventar im Wert von 14, 000.000 USD und

entschied, einen Teil der Summe in U.S.Dollar aufzubringen. In diesem Fall lag keine

ausdrückliche Rechtswahl vor. Lord Morris vertrat die Auffassung, dass die Bezugnahme auf

kubanisches Recht in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag unter solchen

Umständen nicht zwingend eine stillschweigende Rechtswahl kubanischen Rechts als auf den

gesamten Vertrag anwendbares Recht bedeutete. Dies sollte vor allem gelten, wo die Umstände

auf eine stillschweigende Wahl amerikanischen Rechts hindeuteten.

Demzufolge muss es nicht zwingend heissen, dass eine stillschweigende Rechtswahl stets für

den gesamten Vertrag vorliegt.523

b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln

Die Tatsache, dass der Vertrag einer bestimmten Form entspricht oder bestimmte

Rechtsbegriffe oder Klauseln enthält, die nur in einer bestimmten Rechtsordnung bekannt sind

und nicht auch in anderen Rechtsordnungen, kann ein entsprechend stärkerer Hinweis auf eine

stillschweigende Rechtswahl dieser Rechtsordnung sein. Dies belegen sowohl

Literaturansichten524 als auch Entscheidungen der Rechtsprechung525 und dem ist nichts

entgegenzuhalten.

521 Webb/ Brown, S. 344. 522 (1961) A.C. 1007 (H.L.). 523 So auch: Dicey/ Morris, S. 1227; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 524 Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (313 f.); ders., S. 50 f.; North/ Fawcett, S. 484; Schmitthoff, S. 111; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 525 Kadel Chajkin and others v. Mitchell Cotts & Co., Ltd. and others, (1948) 64 T.L.R., 89 f.; Keiner v. Keiner (1952) 1 All E.R. 643.

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3. In Frankreich

Die Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht, indem Vorschriften dieses Rechts zitiert werden

oder auf sie isoliert Bezug genommen wird, stellt nach überwiegender Ansicht526 auch im

französischen Recht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl dar. Dies wird von

Entscheidungen der Rechtsprechung527 belegt. Exemplarisch sei hier auf das Urteil Cotonnière

de Mulhouse c. Tonxllier528 verwiesen, in dem die Tatsache, dass die Parteien sich auf die

Bedingungen des Syndicat Général der Baumwollindustrie bezogen, als Hinweis dahingehend

gewertet wurde, dass sie die Absicht hatten, sich dem französischen Recht zu unterwerfen.

Teilweise529 wird dem jedoch in der Literatur nicht zugestimmt. Eine stillschweigende

Rechtswahl könne nicht mit Sicherheit angenommen werden, bloß weil in einem Vertrag Bezug

auf bestimmte Vorschriften einer Rechtsordnung genommen worden sei. Dies gebe dem

Richter keine ausreichende Sicherheit. Somit könne er nicht ohne Zweifel davon ausgehen, die

Parteien hätten das anwendbare Recht gewählt.530

VI. Vertragssprache

1. In Deutschland

Die deutsche Rechtsprechung531 und Lehre532 sehen die Sprache, in welcher ein Vertrag

abgefasst ist oder in der die Verhandlungen stattgefunden haben, nur als ein zusätzliches

Kriterium, aber nicht alleiniges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl an. Teilweise533

wird sie als Indiz für einen Rechtswahlwillen sogar gänzlich abgelehnt. Der vertragliche

Gebrauch von Fachausdrücken, der Gesetzessprache oder Zitatstellen aus einer bestimmten

Rechtsordnung kann hingegen, wie bereits erläutert, ein Indiz für eine stillschweigende

Rechtswahl sein. Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, warum der Vertragssprache

allein kein starker Indizcharakter zukommt:

526 Batiffol, Traité, S. 625 (649 ff.); Niboyet, Traité, S. 55 f. 527 Cour de Douai, 2 nov. 1933, Cartry c. Warnier, J.D.I. (Clunet 61) 1934, 1195; Colmar, 3.2.1934, Cotonnière de Mulhouse c. Tonnelier – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 976. 528 Colmar, 3.2.1934, Cotonnière de Mulhouse c. Tonnelier – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 976. 529 Kassis, S. 362. 530 Kassis, S. 362. 531 BGHZ 19, 110, (112); BGH WM 1956, S. 598 (599), WM 1997, 560 (561); RIW 1997, 426; EWiR 1991, 1167; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (170); OLG Köln IPRspr. 1974 Nr. 15, NJW 1992, 618 (619). 532 v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Kost, S. 43; Kropholler, S. 440; Lorenz, RIW 1992, 697 (704); Menne, JuS 1998, 711 (714); Müller-Gindullis, S. 46; Neuhaus, S. 262 Fn. 734; Nussbaum, S. 229f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88, 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 64; Steiner, S. 91; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (313, 314); Stoll, S. 48. 533 Vischer, Int.VertrR, S. 72 f.

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Die Wahl der Vertragssprache hängt oft von Umständen ab, die nicht im Bereich der

vertraglichen Rechtsbeziehungen liegen, sondern eher einen geschäftlichen Hintergrund

haben.534 Grundsätzlich wählen die Parteien nämlich die Sprache, mit der sie sich am besten

verständigen können, um so die Kommunikation zu sichern. Daher kann vor allem Sprachen

wie Englisch, Französisch oder Deutsch keine besondere Bedeutung zukommen, da sie

international gebräuchlich sind und als allgemeine Verkehrssprachen angesehen werden. Die

Vertragssprache ist durch die zufälligen Sprachkenntnisse der Verhandlungspartner bedingt. Es

ist eine Notwendigkeit, dass die Parteien sich im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr auf eine

Sprache einigen. Ein Entgegenkommen in der Sprache muss daher ohne kollisionsrechtliche

Nachteile möglich sein. Gerade wenn die Sprache typisch für die Verkehrskreise ist, lassen sich

daraus keine Schlüsse ziehen. Die Parteien verwenden eine bestimmte Sprache nicht, weil sie

den Vertrag der Rechtsordnung des Landes zuordnen wollen, in dem die Sprache gesprochen

wird, sondern weil es sich um eine gemeinsam beherrschte Sprache handelt.535 Ganz davon

abgesehen, kann bei Berücksichtigung der Sprache schnell die Grenze zur Philologie

überschritten werden.536 Es ist davon auszugehen, dass die Parteien ihren Rechtswahlwillen

nicht in der Schreibweise eines Begriffs verstecken. Der Richter soll sich schließlich als Jurist

und nicht als Sprachwissenschaftler betätigen.537

Generell ist die Vertragssprache daher als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl

abzulehnen. Kommt den Gesetzeserlassen, auf die Bezug genommen wird, dagegen für den

ganzen Vertrag zentrale Bedeutung zu, kann hierin ein Hinweis auf eine stillschweigende

Rechtswahl gesehen werden.

Bei Bestimmungen, die in einem bestimmten Geschäftsbereich als internationaler Standard

gelten, gilt dies allerdings nicht. Daher kann zum Beispiel aus der Tatsache, dass auf den US-

amerikanischen Carriage of Goods by Sea Act 1936 verwiesen wird, nicht auf eine

stillschweigende Rechtswahl des amerikanischen Rechts geschlossen werden.538 Mithin sind

noch weitere Hinweise auf die betreffende Rechtsordnung erforderlich, um ohne Willkür eine

stillschweigende Rechtswahl begründen zu können.

534 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 72 f. 535 Schulze, S. 52. 536 Vgl. OLG Düsseldorf WM 1971, 168 (170), welches die Rechtschreibung als Indiz berücksichtigt. 537 Steiner, S. 91. 538 Dicey/ Morris, S. 1223.

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2. In England

Auch in England ist die Vertragssprache nach Ansicht der Rechtsprechung539 und der

Literatur540 nur ein schwaches Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl. Lord Diplock führte

zum Beispiel in seinen Äusserungen zu dem Fall Amin Rasheed Shipping Corporation v.

Kuwait Insurance Co.541 des House of Lords selbst aus, dass auch aus der von den Parteien

verwendeten Sprache die Einbeziehung einer stillschweigenden Rechtswahl gefolgert werden

könne („by necessary implication from the language used“).542 Gleichzeitig lässt sich aber an

dem Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry543 erkennen, dass die Vertragssprache kein

ausschlaggebendes Indiz ist, denn obwohl der Vertrag in englischer Sprache abgefasst worden

war, wurde aufgrund einer deutschen Schiedsgerichtsklausel deutsches Recht angewendet.544

Ebenso sehen Lando545 und North546 eine Terminologie, die für eine bestimmte Rechtsordnung

spricht, als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl an. Im Allgemeinen wird die

Vertragssprache jedoch als eine nur unwesentliche Verbindung zum möglicherweise

anwendbaren Recht angesehen.547 Collier548 begründet seine Ansicht, dass die englische

Sprache an sich keine Aussage über das anwendbare Recht beinhalten könne, damit, dass auch

Nicht-Engländer wie zum Beispiel die Schotten549 oder Amerikaner550 die englische Sprache

benutzen würden, ohne aber englisches Recht auf den Vertrag anwenden zu wollen. Zudem sei

die englische Sprache als die “lingua franca“551 des internationalen Handels bezeichnet worden,

was dagegen spreche, dass die englische Vertragssprache eine stillschweigende Wahl

englischen Rechts bedeute.

539 Chatenay v. The Brazilian Submarine Telegraph Co. Ltd. (1891) 1 Q.B., 79 (82); The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); The Adriatic (1931) P.D., 241 (C.A.); The Njegos (1936) P.D., 90 (101); Kadel Chajkin and others v. Mitchell Cotts & Co., Ltd. and others (1948) 64 T.L.R., 89 f.; Koninklijke Zwavelzuurfabrieken V/ H Ketjen N.V. v. D.A. and D.D. Psychoyos, Piraeus (The “Metamorphosis”) (1953) 1 W.L.R., 543 (549); Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50. 540 Kaye, S. 152; Lando, S. 50; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Schmitthoff, S. 110; Webb/ Brown, S. 348 ff.; Wolff, Private International Law, S. 427. 541 (1984) 1 A.C. 50. 542 Vgl. dazu: Collier, S. 144; ähnlich in R. v. International Trustee fort he Protection of Bondholders A.G. (1937) A.C. 500 (529) HL. 543 (1933) 1 K.B. (C. A.) 753. 544 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C. A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 545 Lando, S. 50. 546 Morris/ North, S. 434. 547 Collier, S. 154; Graveson, S. 428; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Stone, S. 243. 548 Collier, S. 154. 549 Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller & Partners Ltd. (1970) A.C. 583 HL. 550 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R. 1176 C.A. 551 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50; Monterosso Shipping Co. Ltd. v. International Transport Workers` Federation N.V. (1982) 3 All ER 841 C.A.

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Dem ist aus den bereits genannten Gründen, weshalb auch in Deutschland der Vertragssprache

kein Indizcharakter zukommen sollte, zuzustimmen. Es dürfe der Vertragssprache an sich keine

Bedeutung beigemessen werden, da die englische Sprache schon immer umfassend im Handel

benutzt worden sei, es sich mithin um eine Welthandelssprache handele.552 Allerdings kann der

englischen Vertragssprache durchaus Indizcharakter zukommen, wenn sie zusammenwirkt mit

englischer Rechtsterminologie: Wurde ein Vertrag in englischer Sprache verfasst und enthält er

zudem englische Rechtsterminologie, könnte dies wiederum indizieren, dass englisches Recht

auf den Vertrag anwendbar ist.553 Das verdeutlicht, dass es auch bei diesem Indiz letztlich auf

den Einzelfall, die Gesamtumstände und das Zusammenwirken mit anderen Indizien ankommt.

3. In Frankreich

Seit der Entscheidung „The Kid“554 ist klar, dass die Umstände und Verhältnisse der

Vertragsform im französischen Internationalen Privatrecht einen Hinweis auf das auf den

Vertrag anwendbare Recht geben können. Dies wird von der Literatur555 bestätigt. Auch der

Wortlaut des Vertrages bzw. die verwendete Sprache kann nach überwiegender Ansicht in der

Literatur556 und der Rechtsprechung557 ein Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen

darstellen. Allerdings sind sie beide als Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl nicht

ausschlaggebend, da sie oft mit anderen Vertragselementen übereinstimmen, ohne dass man

darin eine Bedeutung sehen könnte.558 Im französischen Kollisionsrecht wird der

Vertragssprache als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen entgegengehalten, dass

ihre Verwendung sich durch andere Erwägungen erklärt: Zwischen Vertragsschliessenden

verschiedener Nationalitäten wird eine bestimmte Sprache benutzt wegen der Annehmlichkeit

oder der juristischen Genauigkeit. Es kommt dabei stets auf die Art des Vertrages und auch auf

die konkrete Sprache und ihre allgemeine Bedeutung an.559 Ein genereller Schluss auf eine

stillschweigende Rechtswahl der Parteien kann daher nicht bloß anhand der von ihnen

verwendeten Sprache erfolgen.

552 Graveson, S. 428. 553 Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller & Partners Ltd. (1970) A.C. 583 HL; in diesem Sinne auch Collier, S. 154. 554 Cass.civ. 28.5.1963, Société les Films Roger Richebé c. Société Roy Export Company Establishment et Charlie Chaplin, J.D.I. (Clunet 90) 1963, 1004, note Goldman, Rev.crit.dr.int.priv. 1964, 513, note Loussouarn. 555 Batiffol, Traité, S. 645 ff. 556 Batiffol, Traité, S. 645 ff.; Leschallier de Lisle, S. 34; Malaurie, “Le droit francais et la diversité des langues”, J.D.I. (Clunet 92) 1965, 587; Niboyet, Traité, S. 75; Toubiana, S. 81. 557 Colmar 2 e Ch., 11 mars 1933, Goldstein c. Banque fédérative, Rev.crit.dr.int.priv. 1934, 138. 558 Batiffol, Traité, S. 646. 559 Niboyet, Traité, S. 75.

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VII. Verwendung von Formularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen

1. In Deutschland

Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formulare können nach deutschem Recht eine

stillschweigende Rechtswahl enthalten. Nach deutschem Kollisionsrecht ist es nämlich zulässig,

das Vertragsstatut in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu bestimmen; eine individuelle

Vereinbarung ist nicht erforderlich.560 Während der Formularvertrag den gesamten Inhalt des

Vertrages erfassen will, sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen nur ein Bestandteil des

Vertrages, der auf sie verweist.561 Vor allem im Wirtschaftsverkehr sind dem Vertrag oft

Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt, die eine Rechtswahl enthalten.562 Die deutsche

Rechtsprechung563 und überwiegende Literaturansicht564 leiten aus der Einbeziehung von

Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Verwendung von Formularen ein starkes Indiz für

eine stillschweigende Rechtswahl ab. Allerdings wird oft nicht geprüft, ob damit auch objektiv

die Erklärung verbunden ist, ein Recht zu vereinbaren. Die Rechtsprechung nimmt sowohl bei

den eigentlichen Formularverträgen wie auch bei den Verträgen, deren wesentlicher Inhalt in

Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt ist, grundsätzlich eine stillschweigende

Rechtswahl an. Zu differenzieren ist allerdings bei den Formularverträgen zwischen national

und international gebräuchlichen Formularen: Sofern das Formular von einer Handelskammer

oder einem Verband stammt, deutet dies darauf hin, dass die Parteien den Vertrag dem Recht

am Sitz des Verbandes unterwerfen wollen, falls dieser im Wesentlichen nationalen Charakter

hat. Oft wird auch das am Ort des Unternehmens geltende Recht als auf den Vertrag

anwendbares Recht gewollt sein.565

560 OLG München IPRax 1991, 46 (48); vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Tiedemann, IPRax 1991, 424 (425). 561 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 74. 562 Vgl. dazu auch Brulhart, S. 369 Nr. 6; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Kost, S. 19; vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 88, 102. 563 BGHZ 9, 34, 37, BGH JZ 1963, 167 ff., AWD 1970, 31 (32), EWiR 1999, 353; OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1396-1399; OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36, RIW 1986, 462, 463, RIW 1997, 70; OLG Hamm RIW 1994, 877; OLG Hamburg RIW 1991, 61; OLG Karlsruhe RIW 1979, 642 f.; OLG München RIW 1983, 957, 958; OLG Schleswig NJW-RR 1988, 283 (284); LG Frankfurt AWD 1969, 233. 564 Andrae/ Fincke, S. 17; Baetge, JuS 1996, 983 (987); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 4; Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 63; Kropholler, S. 440; Lewald, S. 210; kritisch Meyer-Sparenberg, RIW 1989, 347 (348); Menne, JuS 1998, 711 (713 f.); vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Nussbaum, S. 229; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 79 f., 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35 ff.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Wolff, S. 142; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 565 v. Hoffmann, AWD 1970, 248; so auch Nussbaum, S. 231 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35 f.

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Wenn dagegen international gebräuchliche Formulare verwendet werden oder Formulare von

internationalen Organisationen, sieht die herrschende Meinung566 darin kein Indiz für eine

Rechtswahl. Bei der Benutzung formularmäßiger Vertragsbedingungen von einer

internationalen oder nationalen Organisation kann nur dann eine kollisionsrechtliche

Schlussfolgerung gezogen werden, wenn das Unternehmen diese Verträge regelmäßig

übernimmt. Es gelten dann die allgemeinen Regeln für Massenverträge, was allerdings bei nur

gelegentlicher Benutzung567 nicht der Fall ist. Eine formularmäßige Bezugnahme auf einen

anderen Vertrag zwischen einer Partei und einem Dritten kann genügen. Die in diesem Vertrag

liegende stillschweigende Rechtswahl wird in die nunmehrigen vertraglichen Beziehungen

inkorporiert.568

Es ist für die Annahme einer Rechtswahlerklärung maßgeblich, ob die Bezugnahme auf eine

andere Rechtsordnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Verwendung von

Formularen erkennbar ist.569 Bei der Prüfung, ob die Bezugnahme erkennbar ist, ist zu

berücksichtigen, dass die Parteien zunächst die Gesamtheit der materiellrechtlichen Regelungen

wollen. Allerdings ist es möglich, dass die Parteien auf einzelne abtrennbare Teile des

Vertrages unterschiedliche Rechtsordnungen anwenden wollten, woraus ein weiteres

Auslegungsproblem erwächst.570 Die von einem Unternehmen ausgegebenen Formularverträge

müssen allein deshalb schon der gleichen Rechtsordnung unterstellt werden, um eine

einheitliche Gestaltung der Geschäftsführung zu gewährleisten. Zudem ist es einleuchtend, dass

das Unternehmen, das den Formularvertrag geschaffen hat, die Anwendung der Rechtsordnung,

die an seinem Sitz gilt, bevorzugt.571 Andererseits ist nicht einzusehen, warum allein aus der

Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gerade keine Rechtswahl vorsehen,

eine stillschweigende Rechtswahl hergeleitet werden können soll. Dafür wäre ein

übereinstimmender stillschweigender Wille beider Parteien erforderlich, der hier jedoch fingiert

würde. Eine tatsächliche Einigung der Parteien bezüglich einer Rechtswahl lässt sich nicht

566 LG Hamburg MDR 1954, 422; Ferid/ Böhmer, S. 218; Nussbaum, S. 229; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 104; Stoll, S. 46; Vischer, Int.VertrR, S. 75. 567 Ebenso: Vischer/ Huber/ Oser, S. 103; Vischer, Int.VertrR, S. 75. 568 RGZ 122, 316 (317); BGH AWD 1967, 108 ff. (109); v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff. 569 In diesem Sinne Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Mitterer, S. 142. 570 Exemplarisch sei auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf IPRspr 1929 Nr. 48 verwiesen, in der die Zurückweisung der AGB eines deutschen Versicherers durch ein niederländisches Unternehmen und anstelle dessen die Vereinbarung der Börsen-Binnenfahrt-Kasko-Police nur als teilweise kollisionsrechtliche Verweisung ausgelegt wurde und im Übrigen deutsches Recht angewendet wurde. In diesem Sinne auch das OLG Hamburg IPRspr 1954/55 Nr. 34 b = MDR 55, 109, das der Ansicht ist, dass Klauseln, die typischerweise einer Rechtsordnung entstammen, nach diesem Recht ausgelegt werden können, während im Übrigen der Vertrag einem anderen Obligationsstatut untersteht. 571 So ähnlich Brulhart, S. 369 Nr. 6, der davon spricht, dass die Auslegung von AGB nach nationalem Recht erfolgt; vgl. auch Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103.

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erkennen.572 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formulare werden regelmäßig nur

von einer Partei erstellt sowie von Verbänden vorformuliert und von der anderen Partei einfach

kommentarlos übernommen, woraus sich kein übereinstimmender Rechtswahlwille ableiten

lässt. Daher erscheint es überzeugender in Anwendung des Grundsatzes der engsten

Verbindung (vgl. Art. 4 EVÜ), die Massenverträge einheitlich einer objektiven Kollisionsnorm

des Inhalts zu unterstellen, dass sie grundsätzlich dem Recht am Sitz des Unternehmens zu

unterstellen sind.573 Für Konsumentenverträge sieht Art. 5 Abs. 3 EVÜ allerdings unter

bestimmten Voraussetzungen zwingend die Anwendung des Rechts des Staates vor, in dem der

Konsument seinen Wohnsitz hat.

Es kann zwar durch die Verwendung von Formularen bzw. Allgemeinen Geschäftsbedingungen

in der Vertragspraxis versucht werden, Einfluss auf das anwendbare Recht zu nehmen. Dies

spricht aber gerade dagegen, darin ein ausreichendes Indiz für eine stillschweigende

Rechtswahl zu sehen, da auf diese Weise andere nachteilig behandelt werden könnten. Dem

könnte auch § 307 BGB entgegenstehen. § 307 BGB schreibt vor, dass Bestimmungen in

Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des

Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine

unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und

verständlich ist. Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob eine derartige nachteilige Behandlung

der Käufer mit § 307 BGB vereinbar ist. Zweifel liegen insbesondere vor, weil durch die am

1.1.2002 in Kraft getretene Reform des Schuldrechts das BGB noch käuferfreundlicher gestaltet

worden ist, was sich mit der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl durch die

Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vereinbaren lässt. Diese lassen sich

nämlich auch nachteilig für die Käufer gestalten lassen. Zwar kann ein Käufer auch die

wirtschaftlich stärkere Partei und damit der Verwender von Allgemeinen

Geschäftsbedingungen sein. Jedoch sind dies in dem Fall eher nur die typischen Möglichkeiten

der Grossindustrie, die dadurch manchmal in der Lage sein mag, ohne eine ausdrückliche

Rechtswahl die Tatsachen so zu wenden, dass sich auch das gewünschte Ergebnis einstellt.574

572 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103. 573 Neuhaus warnt vor einer formularmäßigen Festlegung des maßgeblichen Rechts bei Massenverträgen, S. 257; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103. 574 Vgl. van Venrooy, Jura 1991, 69 (74).

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2. In England

In England können Formulare einigen Urteilen der Rechtsprechung575 sowie einzelnen

Literaturansichten576 zufolge, einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl begründen.

Auch nach Norths Ansicht577 ist die Form bestimmter Dokumente als Hinweis auf eine

stillschweigende Rechtswahl zu werten. Allerdings sollte ihnen grundsätzlich nicht allzu viel

Bedeutung beigemessen werden.578 Die Benutzung besonderer Terminologie oder Begriffe, die

für ein bestimmtes Recht typisch und oft auch in einem Formular enthalten sind, welches vor

dem Hintergrund dieses Rechts entworfen wurde, kann ein allgemeiner Hinweis auf eine

stillschweigende Rechtswahl sein. Denn in einem solchen Fall kann gut die Schlussfolgerung

gezogen werden, dass die Parteien dieses Recht auf den Vertrag anwenden wollten.

Die Abwicklung eines Vertrages ist unproblematischer und die aus dem Vertrag

möglicherweise resultierenden Streitigkeiten werden leichter gelöst, wenn der Vertrag nach

dem Recht behandelt wird, nach dem er auch verfasst wurde.579 Die englische Rechtsprechung

hat in den Entscheidungen Amin Rasheed v. Kuwait Insurance Co.580 und Miller v.

Whitworth581 jeweils die Benutzung eines englischen Formulars als Hinweis auf eine

stillschweigende Rechtswahl gewertet. Allerdings wurden auch anderen Indizien mit

berücksichtigt. Das englische House of Lords hatte zum Beispiel im Rechtsfall Amin Rasheed

Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co.582 Folgendes zu entscheiden: Eine kuwaitische

Versicherungsgesellschaft hatte an eine lybische Gesellschaft, welche Geschäfte in der

Golfregion tätigte, eine Seeversicherungspolice ausgegeben, die auf einem Standardformular

beruhte. Sie nahm mehrfach Bezug auf den englischen Marine Insurance Act 1906. Daher kam

das höchste englische Gericht zu dem Schluss, die Parteien hätten den Vertrag englischem

Recht unterstellen wollen.583 Hinzu kam, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kuwait

kein Recht bezüglich einer Schiffsversicherung hatte, was die Annahme, dass englisches Recht

575 Beispielsweise in The Industrie, (1894) P.D., 58 (C.A.); Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakrings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., 384; The Adriatic (1931) P.D., 241 C.A.; Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER 643; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583 (603) (1970) 1 All ER 796, HL; Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50; Egon Oldendorff v. Libera Corporation (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380. 576 Dicey/ Morris, S. 1224; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Jaffey, S. 134; Kaye, S. 152; Lando, S. 50; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 484; North, Essays, S. 38; Nygh, S. 115; Schmitthoff, S. 110, 111. 577 North/ Fawcett, S. 484. 578 So auch z.B. Collier, S. 154; Stone, S. 241, 243. 579 Jaffey, S. 138. 580 (1984) 1 A.C. 50, (1983) 2 All ER 884, HL; dazu: Hoyle, S. 222 ff. 581 (1970) A.C. 583 (603). 582 (1984) 1 A.C. 50. 583 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co. (1984) 1 A.C. 50.

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auf den Vertrag anwendbar war, verstärkte.584 Diese Art von Fall würde vermutlich in genau

der gleichen Weise nach dem EVÜ entschieden werden.585

In den Urteilen Compagnie Tunisienne de Navigation v. Cie d`Armement Maritime S. A.586 und

Coast Lines Ltd. v. Hudig & Veder Chartering N.V.587 wurde der Tatsache, dass bei dem

Vertrag ein englisches Formular benutzt wurde, hingegen nur wenig Bedeutung beigemessen:

Dass das Formular englischen Ursprungs sei, reiche für sich allein genommen nicht aus, um

einen ausreichenden Bezug zum englischen Recht herzustellen, wenn das Formular

üblicherweise bei Transaktionen benutzt werde, bei denen ansonsten überhaupt kein Bezug zu

England bestehe. Die Benutzung eines englischen Formulars muss jedoch nicht zwingend ein

ausreichendes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl sein, zumal die häufige Benutzung

solcher Formulare überall in der Welt im internationalen Handel üblich ist.588

In der Verwendung englischer Konnossementsformulare, die auf englische Rechtsbegriffe

abgestellt sind, kann eine stillschweigende Unterwerfung unter englisches Seetransportrecht

gesehen werden.589 Einen starken Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten des

Rechts des Landes, in dem das Formular seinen Ursprung findet, begründet die Benutzung

eines Standardformulars vor allem dann, wenn das Formular vorher nur bei Inlandsverträgen

benutzt wurde wie in dem Fall Miller v. Whitworth590. Zusammenfassend ist festzustellen, dass

es keine klare Richtlinie gibt und es auf die verschiedenen Umstände des Einzelfalles ankommt.

Eine stillschweigende Rechtswahl kann jedenfalls aus der alleinigen Verwendung eines

Formulars nicht ohne weiteres angenommen werden. Wie bereits an anderer Stelle der

Untersuchung dargelegt, ergibt eine Auswertung der Gerichtspraxis kein einheitliches Bild und

es werden nur punktuelle Vorgaben hinsichtlich der Indizien für eine stillschweigende

Rechtswahl geboten.

3. In Frankreich

Im französischen Internationalen Privatrecht tauchen Formulare und Allgemeine

Geschäftsbedingungen zur Unterstützung der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl

nicht auf.

584 North/ Fawcett, S. 484 f.; Jaffey, S. 135. 585 Ebenso North/ Fawcett, S. 485. 586 (1971) A.C. 572 HL, dazu: Hoyle, S. 214 ff. 587 (1972) 2 Q.B., 34. 588 Collier, S. 154. 589 Wolff, S. 142. 590 (1970) A.C. 583 (603).

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VIII. Vorherige Vertragspraxis der Parteien

1. In Deutschland

Die vorherige Vertragspraxis der Parteien ist im deutschen Recht eines der wenigen

überzeugenden Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl, falls gleiche oder zumindest in

ihrer Anlage ähnliche Verträge aufgrund einer ausdrücklichen Rechtswahl der gleichen

Rechtsordnung unterstehen, und ausnahmsweise danach ein Vertrag ohne ausdrückliche

Rechtswahl geschlossen wurde. Der in Rede stehende Vertrag kann dann demselben Recht

unterworfen sein. Dies gilt auch, wenn nur für einen Teil der Verträge oder nur für den

Hauptvertrag eine ausdrückliche Rechtswahl für eine bestimmte Rechtsordnung getroffen

worden ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die tatsächlichen Umstände keine Änderung des

Willens der Parteien erkennen lassen.591 Rechtliche oder wirtschaftliche Teile des Vertrages

werden häufig nach dem Recht des Hauptvertrages zu beurteilen sein: Dies entspricht insofern

dem Interesse der Parteien, als diese meist ein einheitliches Recht anstreben.592 Die

Rechtsprechung593 sieht in den vorangegangenen Vertragsbeziehungen zum Teil eine

stillschweigende Rechtswahl für die nachfolgenden Verträge.

Die Literatur hingegen ist sich uneinig: Während einige594 dem nur eine geringe Bedeutung

beimessen, sehen andere595 darin eine stillschweigende Rechtswahl. Allerdings handelt es sich

unter Umständen hierbei aus folgenden Gründen nur um ein sehr schwaches Indiz für eine

stillschweigende Rechtswahl: Auch wenn die Parteien frühere Verträge nach einem bestimmten

Recht abgewickelt haben, lässt das nicht immer eindeutig darauf schliessen, dass dies für die

Zukunft genauso gewollt ist. Fraglich bleibt nämlich, warum die Parteien es dann nicht

festgesetzt haben. Schließlich wäre das möglich gewesen. Daher muss erst erforscht werden, ob

das ursprünglich vereinbarte Recht nicht mehr gelten sollte oder die Übernahme der Klausel

vergessen oder für überflüssig erachtet wurde. Es müssen weitere Anhaltspunkte

hinzukommen, damit aus den Umständen erkennbar ist, dass die Regelungen der früheren

Verträge hier auch gelten sollen.596 Denn weder ist dem Leistungsaustausch selbst anzusehen,

591 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Kropholler, S. 440; Lorenz, RIW 1992, 697, 702; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 105; Schröder/ Wenner, S. 64; Schwimann, S. 107. 592 Gamillscheg, AcP 157, 303 (334); Kost, S. 46. 593 BGH AWD 1970, 31 (32), IPRspr 1954/ 55, Nr. 22, 1971 Nr. 158 b; OLG Hamburg WM 1969, 709 ff. (711); vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49; abgelehnt in OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 594 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 37; Steiner, S. 92; Stoll, S. 47. 595 v. Bar, II, Rn. 471; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228 f.; Ferid/ Böhmer, S. 218; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; v. Hoffmann, § 10 Rn. 35, S. 372; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 46. 596 In diesem Sinne auch Mitterer, S. 171.

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auf welcher Rechtsordnung der Vertrag beruht, noch ist eine in früheren Verträgen getroffene

stillschweigende Rechtswahl leichter zu ermitteln, als die des in Streit stehenden Vertrages.

Sind mehrere Verträge mit einer Rechtswahl versehen und der zu beurteilende Vertrag nicht,

stellt dies einen Bruch in der Kontinuität dar. Es ist somit ein gewisser Bezug erforderlich, um

einen hinreichenden Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl geben zu können.597

Folglich wird eine Bezugnahme der Parteien auf einen bereits abgewickelten Vertrag, der eine

Rechtswahlklausel für ein anderes Recht enthält, zwar möglicherweise auf einen

stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien hindeuten, aber letztlich ist dies

einzelfallabhängig.598

2. In England

Die Verbindung des in Frage stehenden Vertrages mit einem oder mehreren anderen Verträgen

wird in England als starkes Indiz für eine stillschweigende Wahl des Rechts der anderen

Verträge angesehen. Dies belegen sowohl viele Entscheidungen der Rechtsprechung599 als auch

Stimmen in der Literatur600. Parteien, die schon mehrere Verträge miteinander abgeschlossen

haben und sich in einer fortlaufenden Reihe von Geschäftsabwicklungen befinden, werden

nämlich oft davon ausgehen, dass dieselben Voraussetzungen und Bedingungen gelten.

Allerdings ist die englische Rechtsprechung bei diesem Indiz im Hinblick auf eine

stillschweigende Rechtswahl nicht stringent: Während in dem Fall einer Bürgschaft601 eine

Schlussfolgerung auf das anwendbare Recht gezogen werden können soll, wird dies in dem Fall

eines Kredits oder der Verrichtung einer Schuldverschreibung602 verneint. Die

Schlussfolgerung auf eine stillschweigende Rechtswahl bei lediglich verwandten Verträgen

mag hingegen ein schwächeres Indiz sein, vor allem bei der Benutzung eines Formulars. In den

597 Mitterer, S. 171. 598 BGH AWD 1967, 108 ff. (109); OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff. (268); Steiner, S. 89. 599 The Adriatic (1931) P.D., 241; The Njegos (1936) P.D., 90; R. v. International Trustee (1937) A.C. 500, 554, 558; Re United Railways of the Havanna and regal Warehouses Ltd. (1960) Ch.D., 52 (94) (C.A.), (1961) A.C., 1007; Sayers v. International Drilling, (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER, 163 (C.A.); Pacific Molasses Co. and United Molasses Trading Co. Ltd. v. Entre Rios Compania Naviera S.A. (The “San Nicholas”) (1976) 1 Lloyd`s Rep., 8 (C.A.); Armadora Occidental S.A. v. Horace Mann Insurance Co. (1977) 1 W.L.R. 520, (1977) 1 W.L.R., 1098 (C.A.); The “Freights Queen” (1977) 2 Lloyd`s Rep., 140; Broken Hill Pty Co. Ltd. v. Xenakis (1982) 2 Lloyd`s Rep., 304; Ilyssia Compania naviera S. A. v. Ahmed Abdul-Qawi Bamaodah (The “Elli 2”) (1985) 1 Lloyd`s Rep., 107 (C.A.); Dimskal shipping Co. S. A. v. The International Transport Workers Federation (The “Evia Luck”) (1986) 2 Lloyd`s Rep., 165 (172 f.); Mitsubishi Corporation v. Aristidis Alafouzos (1988) 1 Lloyd`s Rep., 191; Enichem anic S.p.A. and others v. Ampelos shipping Co. Ltd. (The “Delfini”) (1988) 2 Lloyd`s Rep., 599, (1990) 1 Lloyd`s Rep., 252 (C.A.). 600 Dicey/ Morris, S. 1224, 1225; Jaffey, S. 135; Kaye, S. 153; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 485; North, Essays, S. 38; Nygh, S. 116; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 243. 601 The Broken Hill Proprietary Co. Ltd. v. Theodore Xenakis (1982) 2 Lloyd`s Rep., 304. 602 Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade (1989) 1 W.L.R. 1147, (1989) 1 All ER 1189, C.A.

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Fällen, in denen die Parteien jedoch über eine Rechtswahlklausel in einem verwandten Vertrag

verhandelt haben, könnte es gerechtfertigt sein, daraus zu schliessen, dass sie dasselbe Recht

auch auf die anderen zwischen ihnen abgeschlossenen Verträgen anwenden wollten.603

Vereinzelt wird auch in der vorherigen Vertragspraxis ein Indiz für eine stillschweigende

Rechtswahl gesehen, wenn ein Vertrag zwischen einer Partei, wie zum Beispiel einem Auftrag-

oder Arbeitgeber, und vielen anderen, beispielsweise den Auftrag- oder Arbeitnehmern,

abgeschlossen wurde und dieser Vertrag zu einer Gruppe mehrerer ähnlicher Verträge

gehört.604

3. In Frankreich

Der Verbindung des in Frage stehenden Vertrags mit einem oder mehreren anderen Verträgen

kommt auch im französischen Recht Bedeutung für eine stillschweigende Wahl des Rechts der

anderen Verträge zu.605 Es wird neben der Gerichtsstands- bzw. Schiedsgerichtsvereinbarung

als eines der stärksten Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen.606 Vereinzelt

wird dem in der Literatur607 jedoch nicht zugestimmt: Allein aus der Tatsache, dass ein

vorheriger Vertrag mit einer Rechtswahlklausel abgeschlossen worden sei, könne der Richter

niemals mit Sicherheit folgern, dass auf den in Frage stehenden Vertrag das von den Parteien

bei dem anderen Vertrag zuvor gewählte Recht anzuwenden sei.608

IX. Währungsvereinbarung

Bei einer Währungsvereinbarung als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl ist zu

beachten, dass seit der Einführung des Euro am 1.1.1999, seitdem der bargeldlose

Zahlungsverkehr mit Euro möglich ist und damit der Euro als Buchgeld gilt, eine Indizwirkung

zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl problematischer geworden ist. Sie ist zum einen

vollständig ausgeschlossen, wenn Verträge von Parteien geschlossen werden, die jeweils

Ländern angehören, die an der Währungsunion teilnehmen. Dies ist bei Deutschland und

Frankreich der Fall, bei England jedoch nicht. Zum anderen ist die Währungsvereinbarung auch

für Länder, die nicht an der Währungsunion teilnehmen, seit Einführung des Euro auf jeden

Fall ein schwächeres Indiz geworden als vorher, da der Euro keinem spezifischen Land

zugeordnet werden kann.

603 North/ Fawcett, S. 485; Morris, Ch. 13; Nygh, S. 116; Stone, S. 243. 604 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R. 1176 C.A., 3 All ER 163, (C.A.); Stone, S. 243. 605 Batiffol, Traité, S. 643 ff. 606 In diesem Sinne: Batiffol, Traité, S. 651. 607 Kassis, S. 362. 608 Kassis, S. 362.

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1. In Deutschland

Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob Währungsvereinbarungen im deutschen Internationalen

Privatrecht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl beinhalten. Einigkeit besteht,

dass Währungsvereinbarungen allein kein Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl darstellen

und auch ansonsten im Zusammenhang mit anderen Kriterien eher als schwaches Indiz

einzustufen sind.609

Die Rechtsprechung610 gebraucht die Währungsvereinbarungen vielmehr, um ihre

Auslegungsergebnisse zu unterstützen. Die Tatsache, dass Währungsvereinbarungen kein

hinreichendes Indiz darstellen, lässt sich wie folgt erklären: Die Währungsvereinbarung regelt

keine rechtlichen Beziehungen, da sie nicht Teil der Leistungsbestimmung ist. Durch sie

werden nur der Umfang der Schuld und die Zahlungsweise festgelegt. Hier können auch

öffentlich-rechtliche Bestimmungen die Notwendigkeit zu der Vereinbarung einer bestimmten

Währung mit sich bringen.

Die Währungsvereinbarung hat wirtschaftliche Hintergründe, denn sie soll der

Geschäftsabwicklung dienen, indem sie ein Währungsrisiko vermeidet. Es spielen sowohl

währungspolitische Erwägungen wie auch internationale Gepflogenheiten eine Rolle für die

Entscheidung, in welcher Währung gezahlt werden soll. Die Vereinbarung einer bestimmten

Währung geschieht vorrangig aus Gründen der Wertstabilität oder um mit dem

Geschäftspartner überhaupt ins Geschäft zu kommen.

Die Währung bezieht sich nur auf den Leistungsgegenstand, aber nicht auf den Vertrag als

solchen. Daher setzt sie keinen objektiven Erklärungstatbestand für eine Rechtswahl, sondern

lässt sich eher zufällig mit einer Rechtsordnung verknüpfen. Es wird oft aus wirtschaftlichen

Erwägungen eine andere als die Landeswährung vereinbart, ohne dass man deshalb

Rückschlüsse auf das anzuwendende Recht ziehen könnte.

Die Währungsvereinbarung regelt zwar einen konkret relevanten Anknüpfungspunkt. Es steht

aber gerade nicht die Frage des anwendbaren Rechts im Vordergrund. Daher ist zur

Vermeidung von willkürlichen Ergebnissen ein verhältnismäßig schwaches Indiz wie die

609 BGH DB 1981, 1279, NJW 1987, 1141 (1142) für den hypothetischen Parteiwillen, 1992, 618, NJW-RR 1990, 183; OLG Brandenburg EWiR 2001, 656 mit Anm. Schwenker; LG Limburg NJW 1990, 2206; Baetge, JuS 1996, 983 (987); v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; v. Hoffmann, S. 372; Kropholler, S. 440; Martiny, ZEuP 1997, 107 (113); Menne, JuS 1998, 711 (714); Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 230; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38; Schulze, S. 53; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (314); Stoll, S. 48. 610 BGHZ 19, 110 (112); BGH AWD 1958, 33, WM 1969, 858 (859), NJW 1992, 618, EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (171); OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36; OLG Köln RIW 1984, 314 (315), RIW 1994, 970 ff.; OLG Brandenburg BauR 2001, 820 (821).

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Währung durch weitere Hinweise auf die betreffende Rechtsordnung zu untermauern. Dies gilt

auch, wenn sich die Vertragswährung während der Rechtsbeziehungen ändert. Eine Änderung

der Währung durch die Parteien während ihrer Rechtsbeziehungen, ist als ergänzender

Anhaltspunkt für eine bereits getroffene Rechtswahl zu berücksichtigen.611

Im Übrigen kann der Schluss von einer bestimmten Währung auf die Geltung einer bestimmten

Rechtsordnung zu Komplikationen führen:

Wenn beispielsweise die Zahlung in US-Dollar vereinbart wurde, steht keine „einheitliche“

Rechtsordnung zur Verfügung, die man anwenden könnte. Denn in den 50 Bundesstaaten der

USA gelten unterschiedliche Zivilrechtsordnungen. Man müsste daher die maßgebliche

Teilrechtsordnung weiter ermitteln.612

Ebenso problematisch verhält es sich mit einer etwaigen Angabe der Zahlstelle im Vertrag.

Hier wird in der Regel das Verhältnis eines Vertragspartners zu seiner Hausbank und deren

internationalem Partner eine Rolle spielen. Der vereinbarten Zahlstelle kommt bei den

weltweiten Bankverbindungen von Grossbanken aber eher zufällige Bedeutung zu. Ein

Unternehmen wird seine Geschäftspartner vielmehr deshalb anweisen, bei einer bestimmten

ausländischen Bank zu zahlen, weil diese ausländische Bank mit seiner inländischen Hausbank

verbunden ist, als dass jenes Unternehmen das am Sitz der ausländischen Bank geltende Recht

wählen will.613

2. In England

Die Währung im weiteren Sinne, das heißt sowohl die Währung der Auszahlung in bar wie

auch die Währung einer Rechnung oder eines Kontos, wird teilweise614 in England als Indiz für

eine stillschweigende Rechtswahl angesehen: Es soll beispielsweise die Rechtsordnung des

Ortes, in dem das Kreditinstitut sitzt, bei dem ein vereinbarter “letter of credit“ fällig wird,

sowie das Recht, das auch für die “performance bond“, die Verrichtung einer

Schuldverschreibung, gilt, maßgeblich sein.615

611 OLG Köln NJW-RR 1995, 245 (246); anders OLG Köln, RIW 1994, 970. 612 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38. 613 BGHZ 19, 110; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38; Stoll, S. 48. 614 The Njegos (1936) P.D., 90 (101); R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders A/G (1937) A.C. 500 HL; The Assunzione (1954) P. D., 150, 1 All ER 278, C.A.; N.V. Handel My. J. Smits Import-Export v. English Exporters (London), Ltd. (1955) 2 Lloyd`s Rep., 69 (72); Re Claim by Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D., 323; Offshore International S. A. v. Banco Central S. A. (1977) 1 W.L.R., 399; Collier, S. 155; Hoyle, S. 210; Kaye, S. 152; Lando, S. 50. 615 Offshore International S.A. v. Banco Central S. A. (1977) 1 W.L.R., 399; Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade (1989) 1 W.L.R., 1147 (C.A.); The Bank of Baroda v. Vysya Bank Ltd., (1994) 2 Lloyd`s Rep., 87; Bank of Credit & Commerce Hong Kong Ltd. (in Liquidation) v. Sonali Bank, (1995) 1 Lloyd`s Rep., 227; Wahda Bank v. Arab Bank PLC, (1996) 1 Lloyd`s Rep., 470 (C.A.).

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Grundsätzlich kommt der Währung jedoch keine wesentliche Bedeutung zu, so dass allein aus

ihr nicht auf eine stillschweigende Rechtswahl zu schliessen ist.616 Dies lässt sich an dem Urteil

Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry617 verdeutlichen, denn obwohl in diesem Fall die

Fracht in englischer Währung ausgedrückt worden war, wurde deutsches Recht aufgrund einer

deutschen Schiedsgerichtsklausel angewendet.618

Dem ist aus denselben Gründen, aus denen dieses Indiz auch in Deutschland nur als sehr

schwach eingestuft wird, zuzustimmen.

Zudem werden zum Beispiel US-Dollar und Pfund Sterling häufig als Währung im

internationalen Handel benutzt, weshalb sich daraus nicht ein Schluss auf das anwendbare

Recht ziehen lässt: Ein im Ausland angestellter Engländer oder Schotte können in Sterling

bezahlt werden, ohne dass englisches oder schottisches Recht auf ihren Vertrag anwendbar ist.

Denn seine Kollegen anderer Nationalitäten können in ihren eigenen Währungen bezahlt

werden.619 Allerdings ist auch hier wieder das Zusammenwirken mit anderen Indizien zu

berücksichtigen: In Kombination mit dem Zahlungsort, könnte die Währung auf das

anwendbare Recht hindeuten.620 Der Zahlungsort ist jedoch irrelevant, wenn die Zahlung in

mehr als einem Land stattfinden kann oder an einem anderen als dem vereinbarten Ort

erfolgt.621 Die Währungsangabe ist ein gutes Beispiel für ein Indiz einer stillschweigenden

Rechtswahl, welches zwar nach dem common law ausreichte, aber nach dem EVÜ nun nicht

mehr ausreichen kann, da es aus den bereits erläuterten Gründen an der nach dem EVÜ

erforderlichen „hinreichenden Sicherheit“ fehlt. Daher muss Art. 4 EVÜ aufgrund mangelnder

Rechtswahl zur Anwendung gelangen.

3. In Frankreich

Auch die französische Rechtsprechung622 lässt bei internationalen Verträgen

Währungsgleitklauseln zu und zieht die Währung teilweise als Indiz für das auf den Vertrag

anwendbare Recht heran. Dem wird in der Literatur623 zugestimmt. Wenn die Parteien das auf

616 Lando, S. 50; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; North/ Fawcett, S. 485; Stone, S. 243. 617 (1933) 1 K. B. (C. A.) 753. 618 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C.A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 619 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER 163, C.A.; Coupland v. Arabian Gulf Oil Co. (1983) 1 W.L.R., 1136 C.A.; Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50. 620 Exemplarisch in The Assunzione (1954) P.D. 150, 1 All ER 278, C.A., dazu: Hoyle, S. 207 ff. 621 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C., 50. 622 Chambre des requêtes le 19 octobre 1938 Gazette du Palais 1938, 2, 886; dazu: Jacquet, S. 31. 623 Barbey, S. 310; Batiffol, Traité, S. 671 ff.; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248, der aber nicht direkt von einem Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen spricht; Boughaba, S. 127 ff., 133; Leschallier de Lisle, S. 34; Niboyet, Traité, S. 47.

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den Vertrag anwendbare Recht nicht bestimmt haben, kann dieses einheitlich mit dem Recht

des Staates, aus dem die gewählte Währung stammt, beurteilt werden. Es handele sich bei der

Währung um ein entscheidenes Element von grosser ökonomischer Bedeutung, das Schlüsse

auf das anwendbare Recht zulasse.624

X. Ort des Vertragsschlusses

1. In Deutschland

Der Ort des Vertragsschlusses kann zwar im deutschen Internationalen Privatrecht auf eine

stillschweigende Rechtswahl hindeuten.

Jedoch handelt es sich hierbei nach herrschender Meinung625 um einen sehr schwachen

Hinweis, der leicht zu entkräften ist. Es werden mehrere Gründe dafür angeführt:

Der Abschlussort führe zu einer starren Anknüpfung, da die Berücksichtigung des Einzelfalles

unmöglich gemacht würde. Man könnte den Abschlussort leicht manipulieren, indem man sich

zwecks Vertragsschlusses an einem bestimmten Ort trifft oder eine entsprechende

Vereinbarung in den Vertrag aufnimmt. Er könnte aber auch bloß zufällig gewählt sein, weil

sich zum Beispiel in verschiedenen Ländern ansässige Vertragspartner auf halbem Weg oder an

einem für beide einfach zu erreichenden Ort treffen wollten, ohne damit aber ihren Vertrag

automatisch auch diesem Recht unterwerfen zu wollen. Ganz davon abgesehen könnte es

enorme Schwierigkeiten bereiten, einen Abschlussort des Vertrages überhaupt zu bestimmen:

Beispielsweise wenn der Vertrag in einem Flugzeug oder auf einem Schiff geschlossen wurde

oder die nationalen Rechtsordnungen der Parteien als Abschlussort jeweils einen anderen Ort

bestimmen.626 Die Orte bei internationalen Geschäften können schnell auseinanderfallen. Viele

Verträge werden sogar inter absentes abgeschlossen durch Brief, Telegramm oder Telefon. In

diesen Fällen fehlt es an einem Abschlussort.627 Letztlich hängt die Wertung des Hinweises

auch hier von den Umständen des Einzelfalles ab.

624 Boughaba, S. 127 ff., 133, der auch den umgekehrten Schluss, das heißt, dass das auf den Vertrag anwendbare Recht die Währung bestimmt, diskutiert. 625 BGH AWD 1958, 33; auch hinzuziehend OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 483; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); v. Bar, II, Rn. 470; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332); Kropholler, S. 440; Menne, JuS 1998, 711 (714); ganz ablehnend Mitterer, S. 182 f.; Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 233; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Steiner, S. 93; vgl. auch Umbricht, S. 52 f. 626 Stoll, S. 36; Umbricht, S. 52. 627 Umbricht, S. 52.

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2. In England

Auch im englischen Recht handelt es sich bei dem Ort des Vertragsschlusses nach einhelliger

Auffassung628 um ein nur sehr schwaches Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl. Dies

kann mit denselben Argumenten begründet werden, mit denen auch die schwache Bedeutung

des Ortes des Vertragsschlusses für eine stillschweigende Rechtswahl in Deutschland erklärt

wurde: Der Ort des Vertragsschlusses könnte in betrügerischer Absicht auserwählt worden sein,

um einen an sich ungültigen Vertrag gültig werden zu lassen; er könnte bloß zufällig sein und

keine wirkliche Verbindung zum Vertrag haben; schließlich könnte es unmöglich sein, den Ort

des Vertragsschlusses zu bestimmen, solange der Vertrag noch nicht geschlossen wurde. Das

anwendbare Recht ist damit alles andere als vorhersehbar, was zu Rechtsunsicherheit führt.629

Der Ort des Vertragsschlusses wurde von der Rechtsprechung als ein Indiz unter mehreren, das

für den Rechtswahlwillen der Parteien zu berücksichtigen ist, in den Urteilen Hamlyn & Co. v.

Talisker Distillery630 von Lord Herschell und in R. v. International Trustee631 von Lord Atkin

angesprochen. Aus dem Ort des Vertragsschlusses allein sollte jedoch ebenso wenig wie aus

dem Erfüllungsort ein überzeugender Schluss auf den Rechtswahlwillen der Parteien möglich

sein. Dies bestätigt das Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry632, denn obwohl der

Vertrag in England abgeschlossen worden war, wurde englisches Recht nicht für anwendbar

erklärt.633

3. In Frankreich

Die französische Rechtsprechung hat wortgetreu die Vorschrift des Art. 1159 des Codes Civil

(“ce qui est ambigu s`interprète par ce qui est d`usage dans le pays où le contrat a été passé“)

als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl übernommen, indem das Recht des Ortes als

stillschweigend vereinbart angesehen wird, an welchem der Vertrag geschlossen wurde.634

628 British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, Ltd. (1910) 1 Ch. 354, 381; Kahler v. Midland Bank Ltd. (1950) A.C. 24; Zivnostenska Banka National Corporation v. Frankman (1950) A.C. 57; Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER 643; Hoyle, S. 208, 218; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Schmitthoff, S. 110. 629 Morris, Ch. 13. 630 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 218. 631 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); dazu: Hoyle, S. 208; Schmitthoff, S. 106, 107. 632 (1933) 1 K.B. (C. A.) 753. 633 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C. A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 634 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; Paris 1re Ch., 25 juin 1931, Mendelsohn c. Bloch, J.D.I. (Clunet 59) 1932, 993; Cour de Douai, 2 nov. 1933, Cartry c. Warnier, J.D.I. (Clunet 61) 1934, 1195; Req., 28.12.1936, Mayer c. Switzerland general insurance C° et autres, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 682, note Batiffol.

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Allerdings hat die Rechtsprechung635 den Ort des Vertragsschlusses schon bei der Suche nach

dem hypothetischen Parteiwillen herangezogen. Auch in der Literatur636 gibt es befürwortende

Ansichten in Bezug auf den – wenn auch schwachen – Indizwert für eine stillschweigende

Rechtswahl. Als Argumente für den Indizwert werden der Schutz Dritter und die Sicherheit der

Übereinkommen zwischen den Parteien angeführt.637 Allerdings wird dieses Indiz von der

Rechtsprechung638 im Vergleich zu den anderen möglichen Indizien als subsidiär und als bloße

Ergänzungsregel des Parteiwillens angesehen. Dem Ort des Vertragsschlusses ist als Indiz für

einen stillschweigenden Rechtswahlwillen entgegenzuhalten, dass er zu oft bloß zufällig und

unvorhergesehen ist: Die Parteien treffen sich dort, wo sie gerade Gelegenheit dazu haben. Ihre

Interessen äußern sich in dem Handel, den sie betreiben, der Arbeit, die sie ausüben, den

Zahlungen, die sie ausführen und den Gerichtsverfahren, die sie verfolgen, die jedoch alle

keinen notwendigen Bezug zum Ort des Vertragsabschlusses haben. Eine Auswertung der

Rechtsprechung639 verdeutlicht dies: Die internationalen Verträge werden häufig in wichtigen

Zentren abgeschlossen, wo die Parteien sich nur zum Vertragsabschluss treffen, aber kein

ständiges, sondern nur sekundäres Vertragsinteresse haben. Zudem ist der Ort des

Vertragsschlusses zum Beispiel bei einem Vertrag zwischen Abwesenden schwer bestimmbar.

Die möglicherweise praktischen Vorteile des Ortes des Vertragsschlusses als Indiz sind nur

scheinbar vorhanden, da seine Einheit und Sicherheit zum Beispiel bei Verträgen in Form von

Briefwechseln gefährdet werden. Diese sind im internationalen Rechtsverkehr ein nicht seltener

Fall. Bei ihnen kommt der unangemessene Charakter des Ortes des Vertragsschlusses zum

Vorschein.640 Zudem sei der Charakter des Ortes des Vertragsschlusses verbunden mit der

immateriellen Natur der Einigung der Parteien. Er lasse sich weniger materiell charakterisieren,

sei oft schwer zu bestimmen und könne zu einem Ort führen, der schlecht geeignet sei in Bezug

auf die Gesamtheit der Parteiinteressen.641 Batiffol642 meint, dass sich der Ort des

Vertragsschlusses als unvereinbar erwiesen hat mit einer Divergenz konkreter Situationen und

635 Req., 28 déc. 1936, Gazette du Palais, 1937, 1, 281. 636 Barbey, S. 294 ff.; Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 74 ff.; ders., Traité, S. 635 ff.; ders., Chronique de jurisprudence française 1935-1936 Conflit des lois, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 419 (434); Leschallier de Lisle, S. 16, 34; Niboyet, Traité, S. 47; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international 1904, S. 75 (77); Toubiana, S. 79. 637 Vgl. Barbey, S. 295. 638 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. crit.dr.int.priv. 1911, 395; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22. 639 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. crit.dr.int.priv. 1911, 395; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22. 640 Batiffol, Traité, S. 636, 637; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247. 641 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247, 249. 642 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246; vgl. auch ders., Les conflits de lois en matière de contrats, S. 69f., 75.

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oft zufällig sei. Niboyet643 hingegen, der den Ort des Vertragsschlusses als Indiz für den

hypothetischen Parteiwillen heranzieht, ist der Ansicht, dass die Parteien das auf den Vertrag

anwendbare Recht bestimmen können, indem sie den Vertrag in dem Land abschliessen, dessen

Rechtsordnung sie auch auf den Vertrag anwenden wollen. Aus den bereits angeführten

Gründen kann dem nicht gefolgt werden. Allerdings kommt es auch im französischen

Kollisionsrecht bei diesem Indiz auf das Zusammenwirken mit anderen Indizien für eine

stillschweigende Rechtswahl an. Batiffol644 als bedeutender Kollisionsrechtler in Frankreich ist

der Auffassung, der Ort des Vertragssschlusses sei dann mehr materieller Natur, wenn er mit

dem Wohnsitz einer der Parteien zusammentreffe. Es kommt letztlich wieder auf den Einzelfall

an.

XI. Ort der Klageerhebung

1. In Deutschland

Der BGH645 hat sogar die Erhebung einer Klage als Hinweis auf eine stillschweigende

Rechtswahl gewertet, obwohl die Klage auch im Ausland hätte erhoben werden können. Der

Ort der Klageerhebung kann jedoch nicht als ein Anhaltspunkt für einen stillschweigenden

Rechtswahlwillen gelten, da der Ort der Klageerhebung nichts darüber aussagt, ob eine

Einigung über das anwendbare Recht gegeben ist.646 Liegt keine eindeutige Einigung der

Parteien vor, so kann sie auch bei der Ermittlung des Parteiwillens nicht berücksichtigt werden.

Eine derartige Interpretation geht daher zu weit.

2. In England und Frankreich

Im englischen und französischen Internationalen Privatrecht gibt es zu diesem Indiz keine

Entsprechung.

XII. Rechtsgültigkeit und Ergänzung

Die Rechtsgültigkeit, auch lex validitatis-Regel genannt, enthält den Grundsatz, die formelle

und materielle Gültigkeit von Verträgen, die zu verschiedenen Rechtsordnungen Verbindungen

aufweisen, mit der Bestimmung eines Vertragsstatuts aufrechtzuerhalten, welches den Vertrag

wirksam sein lässt. Dieses Vertragsstatut wird lex validitatis genannt.647 Es wird die

Einbeziehung einer zentralen materiellrechtlichen Wertung im internationalen Vertragsrecht bei

643 Niboyet, Traité, S. 47, 55, 77 f.; ders., S. 587. 644 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 249. 645 BGH IPRax 1986, 292 (293); aber nicht allein ausreichend als Indiz nach BGHZ 50, 32. 646 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 14; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schack, IPRax 1986, 272 (274); Steiner, S. 132. 647 Abend, S. 357.

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der Bestimmung des Vertragsstatuts erlaubt. Das Gültigkeitsinteresse wird berücksichtigt. Das

Indiz der Rechtsgültigkeit wird in den drei, hier dargestellten europäischen Rechtsordnungen

sehr uneinheitlich beurteilt. Dies fällt insofern auf, als sich die Mitglieder der Kommission des

Instituts de Droit International nicht einigen konnten, ob die Rechtsgültigkeit, die lex validitatis,

bei der Feststellung der stillschweigenden Rechtswahl zu berücksichtigen ist: Während sich

sechs Kommissionsmitglieder648 dafür aussprachen, sprachen sich drei649 dagegen aus. Im

Folgenden wird auf den Meinungsstand in den verschiedenen Rechtsordnungen eingegangen.

1. In Deutschland

In Deutschland ist das Prinzip der Rechtsgültigkeit (die lex validitatis) zwar als Indiz einer

stillschweigenden Rechtswahl vor langer Zeit diskutiert und vereinzelt unterstützend

herangezogen650 worden. Es wird jedoch grundsätzlich nicht als ein solches anerkannt.651

Spätestens seitdem die Rechtsprechung die Parteiautonomie als kollisionsrechtliches Prinzip

anerkennt, wird eine stillschweigende Rechtswahl auch bei einem invalidierendem Recht

anerkannt.652 Auf den ersten Blick scheint das Indiz der lex validitatis durchaus sinnvoll zu

sein, denn es ist einleuchtend, dass die Parteien wollen, dass ihr Vertrag Gültigkeit beansprucht.

Dementsprechend ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie ihren Vertrag dem Recht

unterstellen wollen, nach dem ihr Vertrag gültig ist. Deshalb wird die Rechtsgültigkeit

zumindest vereinzelt in der deutschen Literatur653 als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl

befürwortet. Sie begründet dies damit, dass den Parteien daran gelegen sei, ihren Vertrag

möglichst rechtskonform und damit rechtsgültig zu gestalten. Bei der Rechtswahl gingen

redliche Parteien von der validierenden Wirkung des gewählten Rechts aus, da das

materiellrechtliche Ergebnis für sie entscheidend sei.654 Dies zeige sich vor allem in der

Verwendung von Vertragsklauseln, die auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweisen. Käme es

den Parteien nicht auf das Ergebnis an, würden sie schließlich eine ausdrückliche

Rechtswahlklausel in den Vertrag aufnehmen.655 Deshalb seien Rechtskollisionen zwischen

648 Die folgenden Kommissionsmitglieder waren für eine Berücksichtigung der lex validitatis: Goldman, Philip, Jayme, Lalive, Rigaux, Li. 649 Gegen eine Berücksichtigung der lex validitatis waren die Mitglieder: Reese, Ferrer-Correia, North. 650 Der BGH sprach sich damals für eine Berücksichtigung des Validitätsinteresses im Rahmen der Feststellung des objektiven hypothetischen Parteiwillens und der stillschweigenden Rechtswahl aus, BGH, IPRspr 1968/ 69 Nr. 170, 421 ff.; BGHZ 44, 183 (186 ff.); Abend, S. 259 ff., 362. 651 RGZ 12, 34 (36 f.); 108, 241 (242 f.); BGHZ 52, 239 (241 ff.); 53, 189 (193 ff.); LG Heidelberg IPRax 1987, 26 f.; a. A. Abend, S. 259 ff. und Jayme, der sogar vorschlägt, die lex validitatis-Regel bei der Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl als zentralen Punkt zu berücksichtigen, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, 64-I, S. 39. 652 Vgl. zum Beispiel OLG München IPRax 1990, 320 (323); Abend, S. 337. 653 Beispielsweise Abend, S. 259 ff. 654 Abend, S. 259 ff. 655 Abend, S. 259 ff.

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validierenden und invalidierenden Rechten zugunsten des validierenden Rechts zu lösen.

Weiterhin wird argumentiert, dass der Bindungswille der Parteien im internationalen

Vertragsrecht zu berücksichtigen sei und der Verweisungsvertrag daher nicht ausgenommen

werden dürfe.656

Dagegen spricht aber Folgendes: Die Anwendung der lex validitatis-Regel würde einen

Systembruch bedeuten, da man aus dem materiellen Recht Rückschlüsse auf das Internationale

Privatrecht ziehen würde.657 Es besteht zwar die Möglichkeit, dass es den Parteien durchaus auf

das materiellrechtliche Ergebnis ankommt, weshalb dies aber noch lange nicht im Kontext des

Internationalen Privatrechts Berücksichtigung finden kann. Regelmässig wird beim

Internationale Privatrecht nur geprüft, welche Rechtsordnung auf den in Frage stehenden

Vertrag anwendbar ist, ohne dem materiellen Recht Beachtung zu schenken. Würde man einen

Blick auf das materielle Recht zulassen, wäre nicht nachvollziehbar, warum zwingend von der

Wertung, dass der Vertrag gültig sein soll, auszugehen ist. Schließlich enthält jede

Rechtsordnung ihre eigenen Wertungen, die nicht unterlaufen werden sollten. Wenn

beispielsweise nach einer Rechtsordnung ein von einem Minderjährigen geschlossener Vertrag

als gültig anzusehen ist, der nach einer anderen Rechtsordnung aber ungültig wäre, sollte nicht

unbedingt die Rechtsordnung auf den Vertrag angewendet werden, wonach der Minderjährige

einen gültigen Vertrag schließen kann. Es gibt also durchaus überzeugende Bedenken gegen

dieses Indiz der lex validitatis-Regel. Die Gegner argumentieren, dass die lex validitatis-Regel

nicht ein Aspekt der Parteiautonomie sei, sondern vielmehr auf der tatsächlichen Seite

stünde.658 Da man den Erklärungsgehalt der Vertragsumstände mittels Auswertung faktischer

Umstände ermittele, müsse der Validitätsgedanke bei der faktischen Feststellung der

konkludenten Rechtswahl mitberücksichtigt werden.659 Zudem spricht gegen eine

Berücksichtigung als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl, dass auch der offizielle

Bericht zum EVÜ das Element der Vertragsgültigkeit nicht zu den Indizien für eine

stillschweigende Rechtswahl zählt.660 Die Rechtsgültigkeit könnte daher eher im Rahmen einer

objektiven Anknüpfung gemäss Art. 28 EGBGB bzw. Art. 4 EVÜ zu berücksichtigen sein.661

Da sich jedoch das Institut de Droit International mehrheitlich für die Berücksichtigung der lex

validitatis bei der Feststellung der stillschweigenden Rechtswahl entschieden hat, ist im

656 Abend, S. 259 ff. 657 Ansicht der Gegner Reese, Ferrer-Correia und North, vgl. Abend, S. 261, 296. 658 Vgl. Abend, S. 261, 296. 659 Vertreten von den Gegnern Reese, Ferrer-Correia und North, vgl. Abend, S. 261. 660 Entsprechend Abend, S. 296; Plender, S. 95. 661 Anders aber Abend, S. 296: „ (…) dieser Faktor kann aber weniger bei der Ermittlung des unter Umständen gewählten Rechts berücksichtigt werden, als vielmehr bei der Frage, ob dieses Recht wirklich konkludent gewählt wurde. Diese Frage ist aber von der Frage zu unterscheiden, welches Recht die Parteien Anlaß hatten, zu wählen“.

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deutschen Kollisionsrecht mit einer Neubewertung der lex validitatis-Regel im Bereich der

Parteiautonomie zu rechnen.662

2. In England

Im englischen Internationalen Privatrecht ist die Rechtsgültigkeit nach überwiegender

Ansicht663 eines der stärksten Indikatoren einer stillschweigenden Rechtswahl und ein

fundamentales Prinzip nach dem traditionellen englischen Recht. Das englische Internationale

Privatrecht berücksichtigt im Gegensatz zu Deutschland den Gedanken der Rechtsgültigkeit bei

der Bestimmung einer stillschweigenden Rechtswahl.664 Haben die Parteien einen Vertrag

abgeschlossen oder zumindest Vertragsbedingungen eingefügt, die in Bezug auf ein

möglicherweise anwendbares Recht wirksam wären, aber in Bezug auf andere Rechtssysteme

nicht, so spricht im englischen Kollisionsrecht eine starke Vermutung dafür, dass das Recht

anwendbar ist, das dem Vertrag zur bestmöglichen Wirksamkeit verhilft. Es kann nämlich

davon ausgegangen werden, dass die Parteien beabsichtigten, dass ihr Vertrag wirksam ist.665

Diese Auffassung spiegelt sich auch in vielen Entscheidungen der Rechtsprechung666 wider, die

in dem Prinzip der Rechtsgültigkeit ebenfalls ein starkes Indiz für eine stillschweigende

Rechtswahl sieht. Es soll sogar dann angewendet werden, wenn die Parteien ausdrücklich ein

den Vertrag ungültig werden lassendes Recht gewählt haben. Denn die Parteien sollten sich

eine Rechtsordnung aussuchen, wonach der ganze Vertrag gültig ist. In dem Fall Peninsular

and Oriental Steam Navigation Co. v. Shand667 war eine Klausel nach englischem Recht gültig,

aber nach französischem Recht ungültig, weshalb der Privy Council englisches Recht für

anwendbar hielt. Hinzu kam jedoch, dass der Ort, an dem der Vertrag geschlossen wurde,

England war. Es kam in diesem Fall mithin auf das Zusammenwirken der verschiedenen

Indizien an. Ebenso deutet ein passender nachträglicher Inhalt des Vertrages auf eine

stillschweigende Rechtswahl hin, wenn er Rechtsgültigkeit besitzt.668 Wie das House of Lords

662 In diesem Sinne auch Abend, S. 261. 663 Cheshire/ North, S. 203; Collier, S. 157; Jaffey, S. 136; Lando, S. 93; Morris/ North, S. 431 ff.; North, S. 105; Nygh, S. 119; Schmitthoff, S. 116, 117; Stone, S. 237; Weintraub, S. 382 ff.; Webb/ Brown, S. 347 ff. 664 Vgl. Abend, S. 296. 665 Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws 470 (1962); Jaffey, S. 136 f.; North, S. 105; Vischer, FS Keller, S. 554; Webb/ Brown, S. 344. 666 Hamlyn v. Talisker Distillery (1894) A.C. 202; Peninsular & Oriental Steam Navigation Co. v. Shand, (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; Re Missouri Steamship Co. (1889) 42 Ch.D., 321, C.A., on the validity of exemption clauses; South African Breweries Ltd. v. King, (1899) 2 Ch.D., 173 (181); Spurrier v. G.F. La Cloche (1902) A.C. 445, on the validity of arbitration clauses; The Njegos, (1935) P.D., 90 (107); N.V. Handel Maatschappij J. Smits v. English Exports (London), Ltd. (1955) 2 Lloyd`s Rep., 317 (C.A.); Sayers v. International Drilling Co. N.V. (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER 163; Coast Lines v. Hudig & Veder (1972) 2 Q.B., 34; Amin Rasheed Shipping Corpn. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50. 667 (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; dazu: Morris/ North, S. 431 ff. 668 Nygh, S. 119; Stone, S. 241, 242; Vischer, FS Keller, S. 554; Weintraub, S. 387.

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in dem Urteil Amin Rasheed v. Kuwait Insurance Co.669 anerkannte, wird ein an sich nicht

ausreichender Bezug zu der entsprechenden Rechtsordnung zu einem solchen, wenn dem

ansonsten in Betracht kommenden anwendbaren Recht jegliche detaillierte Regeln zur

Interpretation des Vertrages fehlen. Das Gericht führt hierzu aus, dass die Parteien stets das

Recht wählen sollten, das mit dem Vertragstyp vertraut ist und welches detaillierte Regeln zu

der Interpretation des Vertrages und zu der Ergänzung seiner ausdrücklichen

Vertragsbedingungen enthält. Gegen die Ansicht der Rechtsprechung und der überwiegenden

Literatur ist jedoch einzuwenden, dass das Prinzip der Parteiautonomie dadurch eingeschränkt

wird, wonach die Parteien das Recht haben, das anwendbare Recht zu wählen, selbst wenn es

unklug erscheint. Stimmen beide Parteien mit der Anwendbarkeit einer bestimmten

Rechtsordnung überein, gleichgültig, ob vor oder während des Prozesses, ist ohnehin nicht

davon auszugehen, dass das von ihnen gewählte anzuwendende Recht eines ist, das ihren

Vertrag ungültig macht.670 Zudem handelt es sich bei der Schlussfolgerung, dass die Parteien

das wirksame Recht gewählt haben, um eine reine Fiktion, da die Parteien bei Vertragsschluss

wahrscheinlich nicht wussten, dass der Vertrag nach dem einen Recht wirksam, nach dem

anderen jedoch unwirksam ist.671 Das Prinzip der Rechtsgültigkeit mag zwar anwendbar sein,

um die stillschweigende Rechtswahl der Parteien in eine bestimmte Richtung zu lenken: Wenn

beispielsweise die Indizien in verschiedene Richtungen weisen, wie exemplarisch die

Schiedsgerichtsklausel auf eine Rechtsordnung, die Bezugnahme auf bestimmte Rechtsinstitute

aber auf eine andere, kann das Prinzip der Rechtsgültigkeit – unter der Voraussetzung, dass die

Parteien sich der Ungültigkeit bewusst waren – auch das entscheidende Gewicht sein.672 Um es

jedoch grundsätzlich anwenden zu können, müsste es als zwingende Regel angesehen werden,

was aber wenig mit der Absicht der Parteien als mehr mit einer objektiven Anknüpfung, einer

Vermutung der Gerichte, zu tun hätte. Der Grund der Ungültigkeit ist danach für eine

Anwendung des Prinzips der Rechtsgültigkeit ausschlaggebend.673

Eine stillschweigende Rechtswahl nach dem Rechtsgültigkeitsprinzip ist aber nicht zwingend.

Englische Gerichtsentscheidungen674 belegen, dass eine vermeintliche stillschweigende

Rechtswahl von der Tatsache überwogen werden kann, dass der Vertrag objektiv engere

Verbindungen zu einem anderen Land aufweist, nach dessen Recht der Vertrag ungültig wäre,

669 (1984) 1 A.C. 50. 670 Ehrenzweig, S. 470; Kassis, S. 223. 671 Jaffey, S. 137. 672 Plender, S. 95 f. 673 Vischer, FS Keller, S. 554 f. 674 Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakrings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., 384, C.A.; British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, Ltd. (1910) 1 Ch. 354, 381; revised on another point (1912) A.C. 52, HL; Maritime Insurance v. Assekuranz Union von 1865, (1935) Lloyd`s Rep., 16.

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wie zum Beispiel eine Gerichtsstandsklausel zugunsten eines anderen Rechts. Diese

Annäherung englischer Gerichte wurde von Lord Wilberforce in dem Verfahren Co. Tunisienne

de Navigation v. Co. d`Armement Maritime675 kritisiert. Auch wenn, wie aufgezeigt, dem gute

Gründe entgegenstehen, wird von den Gerichten meistens das Recht für anwendbar gehalten,

das den Vertrag wirksam macht: Ein gültiger Vertrag sei schließlich wirksamer als ein

ungültiger.676

3. In Frankreich

Das aus der englischen Rechtsprechung bekannte Indiz der Rechtsgültigkeit soll nach

überwiegender Ansicht677 auch im französischen Recht von Bedeutung sein. Es soll nämlich

das Recht auf den Vertrag angewendet werden, das dem Vertrag zur Gültigkeit verhilft (“la loi

qui donne vie au contrat“), da die Nichtigkeit eines Vertrages stets vermieden werden sollte.

Allerdings handelt es sich hierbei um das schwächste Indiz, das selten genau bestimmt sein

wird.678

XIII. Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien

1. In Deutschland

Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien werden im deutschen

Internationalen Privatrecht nur im Rahmen der objektiven Anknüpfung geprüft, nicht jedoch

bei der Suche nach dem stillschweigenden Parteiwillen. Im Rahmen einer Anknüpfung an den

stillschweigenden Parteiwillen werden sie lediglich unterstützend hinzugezogen und

mitberücksichtigt.679 Auch dem Indiz des Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit wird

entgegengehalten, dass sie zu einer Vertragsspaltung führten und als starre Regel daher

abzulehnen seien.680

675 (1971) A.C. 572, 598; dazu: Collins, S. 428. 676 Jaffey, S. 137 f. 677 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 19 ff.; ders., Traité, S. 647 ff.; Toubiana, S. 17. 678 Batiffol, Traité, S. 651. 679 Vgl. z.B. in RGZ 95, 41 (42); BGHZ 104, 268, 270; BGH NJW-RR 1990, 183, WM 1997, 560 (561); OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (171); OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323) für Wohn- und Geschäftssitz; BGH WM 1956, 598 (599), NJW-RR 1990, 183; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323) für die Staatsangehörigkeit; vgl. auch Kreuzer, S. 120, der auf das am Geschäftssitz geltende Recht Bezug nimmt; Lewald, S. 212; Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 230. 680 Umbricht, S. 55.

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2. In England

In England können der Wohnsitz der Parteien und ihre Nationalität nach Ansicht der

Literatur681 ebenso wenig als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen berücksichtigt

werden. Sie spielen vielmehr bei der Suche nach der „engsten Verbindung“ (Art. 4 Abs. 1

EVÜ) eine Rolle. Bloß aufgrund eines ausländischen Wohnsitzes oder der Nationalität der

Parteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei Vertragsschluss ihr eigenes Recht

auf den Vertrag anwenden wollten.682 Die Tatsache, dass eine der Parteien ein Staat oder eine

Regierung ist, lässt nach Meinung der Rechtsprechung und der Literatur683 darauf schliessen,

dass ihr Recht auf den Vertrag anzuwenden ist. Ebenso stellt nach Ansicht Jaffeys684 die

Tatsache, dass beide Parteien ihren Wohnsitz oder Geschäftsort in ein und demselben Land

haben, einen starken Hinweis darauf dar, dass das Recht dieses Landes von den Parteien

gewählt wurde. Dies begründet er damit, dass die Parteien wahrscheinlich an ihr eigenes Recht

denken, wenn sie mit Landsleuten einen Vertrag schliessen. Nach der englischen

Rechtsprechung685 soll der Wohnsitz für eine möglicherweise stillschweigende Rechtswahl von

Bedeutung sein, wenn die Parteien in verschiedenen Ländern wohnen und der Vertrag eine

Gerichtsstandsklausel enthält, die letztlich ausschlaggebend dafür ist, ob der Gerichtsort in

einem Land gewählt wurde, in dem eine der Parteien wohnt, oder ob ein neutrales Gericht in

einem dritten Land gewählt wurde. Zudem misst die Rechtsprechung teilweise686 dem Recht

des Wohnsitzes Bedeutung bei, wenn ein Vertrag zwischen einer Partei, zum Beispiel einem

Auftrag- oder Arbeitgeber, und vielen anderen, wie beispielsweise den Auftrag- oder

Arbeitnehmern, zu einer Gruppe mehrerer ähnlicher Verträge gehört und das Recht am

Wohnsitz der Partei auch bei den anderen ähnlichen Verträgen üblich ist. Im Allgemeinen kann

dem Wohnsitz jedoch keine weitreichende Bedeutung zukommen, da er oft vom Zufall und

nicht beeinflussbaren Faktoren abhängt. Auch wenn der Wohnsitz von den englischen

Gerichten687 schon als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl benutzt wurde, so ist

681 Anders hingegen: Kaye, S. 153; sehr kritisch: Cheshire/ North, S. 203; ablehnend: North/ Fawcett, S. 485; Nygh, S. 118; Stone, S. 238. 682 Vgl. dazu beispielsweise das Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K. B. (C. A.) 753, in der ein Engländer Partei war, aber deutsches Recht angewendet wurde; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 683 Bonython v. Commonwealth of Australia (1951) A.C. 201, P.C.; R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders A/G (1937) A.C. 500 (531, 557), (1937) 2 All ER 164, HL; Cheshire/ North, S. 203; vgl. auch Morris/ North, S. 457 f. 684 Jaffey, S. 135. 685 Tzortzis and others v. Monark Line A/ B (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.). 686 Sayers v. International Drilling (1971) 3 All ER 163, (C.A.). 687 So auch in: Jacobs v. Crédit Lyonnais (1884), 12 Q.B., 589 (600) (C. A.); South African Breweries Ltd. v. King, (1899) 2 Ch.D., 173 (178); Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER, 643.

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diese Rechtsprechung nach dem EVÜ, das eine „hinreichende Sicherheit“ für eine

stillschweigende Rechtswahl fordert, nicht länger haltbar.

3. In Frankreich

Nach Ansicht der französischen Rechtsprechung688 und Literatur689 soll die Staatsangehörigkeit

der Parteien als Hinweis auf eine stillschweigende Wahl des anwendbaren Rechts relevant sein.

Allerdings wird sie eher unterstützend als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen

herangezogen. Nach Meinung Batiffols690 wird die Staatsangehörigkeit lediglich hinzugezogen,

um die Standfestigkeit des Wohnsitzes zu unterstreichen oder dem Erfüllungsort bzw. dem Ort

des Vertragsschlusses mehr Gewicht zu verleihen. Teilweise wurde die Staatsangehörigkeit der

Parteien von der Rechtsprechung691 als Indiz für den hypothetischen Parteiwillen angeführt. Die

Rechtsprechung692 hat in Entscheidungen das Recht als stillschweigend vereinbart anerkannt,

das an dem Wohnsitz des Schuldners gilt.

Die Literatur693 stimmt dem vereinzelt zu, wobei der Wohnsitz nicht nur des Schuldners,

sondern der Parteien im Allgemeinen als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen

wird. Der Wohnsitz einer der Parteien weise immerhin einen „materiellen“ Bezug zum Vertrag

auf. Allerdings sei er nicht von Dauerhaftigkeit, weil man ihn zu leicht ändern könne.694

Barbey695 zieht den Wohnsitz hinzu, um ihn auf die Personen anwenden zu können, die

staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit zumindest unsicher ist. Allerdings taucht der

Wohnsitz in Entscheidungen der Rechtsprechung696 auch zur Begründung des hypothetischen

Parteiwillens auf.

688 Paris 10.1.29 Gazette du Palais 1929, I, S. 259; 31 mai 1932; Civ. 1.7.36, Revue critique 1937, 175; L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet. 689 Barbey äussert sich eher zurückhaltend, S. 292 ff.; Batiffol, Traité, S. 640; Jacquet, S. 32 ff.; Leschallier de Lisle, S. 34. 690 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 245 ff., 282 f.; ders., Traité, S. 640 ff. 691 Cass.Req. v. 19.5.1884, Vorbe c. Vorbe, 1885-I, 113. 692 Cour d`Appel de Paris 26.1.88. J.D.I. (Clunet 15) 1888, 390; Cour d`appel de Paris 10.1.1929, Gazette du Palais 1929, I, 259; Cour de Colmar 31.5.33. Revue critique 1934, 468; Civ., 9 janvier 1934, Rev.crit.dr.int.priv. 1934, 915, note Niboyet; Cass.civ. 9.1.1934 United States Shipping Board c. Compagnie forestière de l`Afrique française – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 672, note Tager; vgl. auch Colmar 16 nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass.civ., 1 er juillet 1936, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 175, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 302; Cass. Soc. 9 décembre 1960, (Etablissements Motokov c. Semeriva), J.C.P. 1961. II, 12029, note de Madame Simon-Depitre; L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet; Cass.civ. v. 10.5.1988 – S.A.R.L. Deutsche Terrazo Verkaufsstelle Ulm c. Soc. Établ. Magris et Fils et autre, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 346. 693 Barbey, S. 293 ff.; Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 282 ff.; Jacquet, S. 33; Leschallier de Lisle, S. 34, 40; Niboyet, S. 588; ders., Traité, S. 47; Philonenko, J.D.I. (Clunet 63) 1936, 259 ff.; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international 1904, S. 75 (77). 694 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 250, 282. 695 Barbey, S. 293. 696 Dame Hoffmann c. Rousel-Hoadley: Cour de Paris 21.5.35, Rev.crit.dr.int.priv. 1936, 149; Req., 6.4.1938, J.D.I. (Clunet 65) 1938, 788.

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Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Geschäftsort der Parteien können als Indizien auch

kumulativ zu einer stillschweigenden Rechtswahl führen, wenn sie bei den Parteien jeweils

divergieren. In dem Zanarelli-Urteil697 lehnte die Rechtsprechung die Anwendung

französischen Rechts ab, da Zanarelli italienischer Nationalität war und seinen Wohnsitz sowie

Geschäftsort in Italien hatte. Die drei Indizien sollten nach Ansicht der Rechtsprechung

kumulativ zur Anwendung italienischen Rechts führen. Zwar war die andere Partei

französischer Nationalität, allerdings war dem Geschäfts- und dem Erfüllungsort, die beide in

Italien lagen, der Vorrang eingeräumt worden.

XIV. Art und Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes

1. In Deutschland

Bei der Ermittlung des stillschweigenden Parteiwillens werden Art und Standort bzw. Lage des

Vertragsgegenstandes von der deutschen Rechtsprechung nicht berücksichtigt, höchstens

zusätzlich erwähnt, um die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl zugunsten einer

bestimmten Rechtsordnung zu untermauern.698 Allerdings wurde vereinzelt die lex rei sitae, das

Recht des Ortes, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, bei Grundstücksgeschäften als

stillschweigend vereinbart angesehen.699 Im deutschen Recht ist nur in Ausnahmefällen die lex

rei sitae für den sachenrechtlichen Teil eines Rechtsgeschäfts nicht anwendbar.700 Daher ist es

möglich, dass die Parteien auf die schuldrechtlichen Beziehungen dieses Recht angewendet

wissen wollen. Allerdings sind weitere Indizien erforderlich, um zu der Annahme einer

stillschweigenden Rechtswahl zu gelangen.701 Es findet sich kein überzeugendes Argument, das

man diesem Indiz entgegenhalten könnte.

2. In England

In England hingegen wird die Art702 und der Standort bzw. die Lage des

Vertragsgegenstandes703 von der Rechtsprechung teilweise benutzt, um einen stillschweigenden

Rechtswahlwillen der Parteien zugunsten eines bestimmten Rechts zu unterstreichen.

697 L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet.; dazu: Jacquet, S. 32 ff. 698 So z.B. in BGH NJW-RR 1996, 1034; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 699 Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 700 In diesem Sinne Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 701 Ebenso Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 702 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, (1910) 1 Ch.D., 354 (383); in Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.) wird die Natur des Vertrages allgemein als Merkmal für eine stillschweigende Rechtswahl mitberücksichtigt. 703 Spurrier v. G.F. La Cloche, (1902) A.C., 446; Lindsay v. Miller, [1949] VLR 13, [1949] ALR 200; 1949 WL 10017; 23 ALJ 367 Supreme Court of Victoria; Zivnostenska Banka National Corporation v. Frankman (1950) A.C. 57.

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Allerdings war die englische Rechtsprechung hier nicht immer konsequent, denn in dem Urteil

Kahler v. Midland Bank, Ltd.704 wies sie den Standort des Vertragsgegenstandes als Indiz für

einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien ausdrücklich zurück. Der Standort bzw.

die Lage und die Art des Vertragsgegenstandes sollten als Indizien für eine stillschweigende

Rechtswahl nach Ansicht der Literatur705 mitberücksichtigt werden. Sie rechtfertigen jedoch

nicht die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“, wie es

das EVÜ fordert.

3. In Frankreich

Der Standort bzw. die Lage des Vertragsgegenstandes sollten für eine stillschweigende

Rechtswahl auch im französischen Internationalen Privatrecht mitberücksichtigt werden.706

Man könne nämlich davon ausgehen, dass es im Interesse der Parteien sei, den Vertrag dort zu

lokalisieren, wo sich der Vertragsgegenstand befinde. Zudem sei so nur ein einziges Recht auf

den Vertrag anwendbar, ohne dass man zwischen dinglichen und vertraglichen Rechten

unterscheiden müsse.707 Dennoch rechtfertigen sie nicht die Annahme einer stillschweigenden

Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“, wie es das EVÜ fordert. Teilweise708 wurde auch in

Frankreich die lex rei sitae als stillschweigend vereinbart angesehen.

XV. Widersprüchliche Indizien in allen drei Rechtsordnungen

In allen drei Rechtsordnungen ist der Fall problematisch, in dem verschiedene Indizien einander

widersprechen. In einem solchen Fall kann eine stillschweigende Rechtswahl nicht mit

„hinreichender Sicherheit“ festgestellt werden, da es auch Indizien gibt, die in eine andere

Richtung weisen und damit andere Indizien aushebeln könnten. Da Art. 3 Abs. 2 EVÜ es den

Gerichten nicht gestattet, eine Rechtswahl anzunehmen, die die Parteien getroffen haben

könnten, falls sie keine eindeutige Absicht bezüglich einer Rechtswahl hatten, ist auf Art. 4

EVÜ zurückzugreifen.709 Dieser besagt in Abs. 1, dass „der Vertrag dem Recht des Staates

unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, soweit das auf den Vertrag

anzuwendende Recht nicht nach Artikel 3 vereinbart worden ist.“ Wird zum Beispiel ein

französisches Formular verwendet, aber gleichzeitig die Zuständigkeit deutscher Gerichte

vereinbart, liegt keine stillschweigende Rechtswahl vor. Zwar wurde vor Einführung des EVÜ

704 (1950) A.C. 24. 705 Cheshire/ North, S. 203; Kaye, S. 153. 706 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 69f; Batiffol, Traité, S. 642; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 707 Batiffol, Traité, S. 642; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 708 Cass.civ. v. 21.7.1987 – S.A.R.L. du Castelleretto et autre c. Soc. anon. Continentale de Promotion immobilière, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 345 f.; Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247 f., wobei hier von einer „Vermutung“ („présomption“) gesprochen wird, was eher für ein Indiz des hypothetischen als des stillschweigenden Parteiwillens spricht; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 709 North/ Fawcett, S. 486.

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vertreten, dass der stärkere Umstand ausschlaggebend sei, wenn mehrere typische Umstände

mit entgegengesetzter Indizwirkung vorliegen.710 Diese Ansicht ist aber im Interesse der

Rechtssicherheit nicht mehr haltbar, da es sich um eine individuelle Schwerpunktbetrachtung

handelt.711 Zudem lässt sich die Bestimmung des stärksten Umstandes nur von Fall zu Fall

vornehmen. Daher bietet Art. 4 EVÜ als typisierende Anknüpfung an die charakteristische

Leistung eine bessere Lösung.712 Bei widersprüchlichen Indizien ist der Schluss auf eine

stillschweigende Rechtswahl ausgeschlossen. Denn gegenteilige Indizien, die sich aus den

jeweiligen Umständen des einzelnen Falles ergeben, können einander und damit ihre jeweilige

Bedeutung für eine stillschweigende Rechtswahl in gewissem Umfang entkräften.713 In einigen

Fällen, wenn die verschiedenen Indizien in Bezug auf eine stillschweigende Rechtswahl eine

unterschiedlich starke Aussagekraft haben, kann es schwer sein, bestimmte Indizien durch

wiederum andere Indizien zu entkräften. Jedoch können alle Indizien stets durch die jeweiligen

Umstände des Falles entkräftet werden.714

XVI. Kumulation schwacher Indizien

1. In Deutschland

Falls verschiedene schwache Indizien kumulativ vorliegen, könnte dies im deutschen Recht

insgesamt auf einen stillschweigenden Rechtswahlwillen hindeuten. Die Häufung von Indizien

würde eine größere Sicherheit für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl der

Parteien bedeuten.715 Die Parteien haben nämlich einen gemeinsamen Rechtswahlwillen

gezeigt. Das in der Praxis der Rechtsprechung durchgeführte Abzählen der Indizien einer

stillschweigenden Rechtswahl, das an “contact counting“ erinnert, legt die Vermutung nahe,

dass die Kumulation von Indizien zu einer stillschweigenden Rechtswahl der Parteien führen

soll.716 Das Zusammenfallen des Abschluss- oder Erfüllungsortes mit dem Ort des

Gerichtsstandes, die Verwendung von der lex fori angehörenden Rechtsbegriffen, die

Maßgeblichkeit der am Gerichtsort gebräuchlichen Sprache oder der dort geltenden Währung

710 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 711 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 712 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 713 So auch v. Hoffmann, § 10 Rn. 36, S. 372; Menne, JuS 1998, 711 (714); Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 714 So auch Schmitthoff, S. 111. 715 BGHZ 104, 268 (270); WM 1997, 560 (561); OLG Celle RIW 1988, 137 (138), NJW-RR 1992, 1126 (1127); OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 55; OLG Saarbrücken RIW 1980, 796 (797); Abend, S. 259; v. Bar, II, Rn. 470; v. Hoffmann, § 10 Rn. 36, S. 372; Kegel/ Schurig, S. 575; Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Schröder/ Wenner, S. 65; Schwimann, S. 107; Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 50; Steiner, S. 93; Vischer, Int.VertrR, S. 79; anderer Ansicht Mitterer, S. 187. 716 Abend, S. 258; vgl. auch v. Bar, II, Rn. 470, wo das Abzählen der Indizien ganz deutlich wird: „…in ihrer Summe mögen sie jedoch zusammen mit weiteren Sachverhaltselementen zu so überragenden Indizien für einen Rechtswahlwillen werden, dass jeder vernünftige Zweifel an dem Vorhandensein abweichender Vorstellungen der Parteien schweigen muß.“

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sind für sich allein wenig aussagekräftig, können jedoch zusammen mit einer

Gerichtsstandsvereinbarung oder der Bezugnahme auf Vorschriften einer bestimmten

Rechtsordnung die Anwendung der lex fori rechtfertigen.717 Ebenso können die

Vertragssprache, der Vertragsgegenstand, der Abschlussort des Vertrages sowie der Wohnort

von Verkäufer und Käufer und deren Nationalität als Indizien kumulativ zu einer

stillschweigenden Rechtswahl führen.718 Dies ist jedoch einzelfallabhängig und somit nicht

zwingend. Die Bildung von Fallgruppen entbindet den Richter nicht von einer Bewertung der

Tatsachen im Einzelfall. Zwar kann im konkreten Fall eine konkludente Willenserklärung aus

einer Kumulation der von den Parteien gewählten Anknüpfungspunkte, die alle auf eine

Rechtsordnung hinweisen, entnommen werden. Selbst bei kumulativem Vorliegen dieser

Merkmale ist eine Entkräftung durch gewichtigere objektive Umstände aber immer noch

möglich: Grundsätzlich sind die Indizien nämlich objektiv zu gewichten und bei sich

widersprechenden Indizien streng nach diesem allgemeingültigen Gewicht abzuwägen.719

Gegen eine stillschweigende Rechtswahl können vor allem auch Prestigefragen stehen, so etwa

im Handel mit Entwicklungsländern.720 Die Wahl eines Rechts, wenn auch stillschweigend,

könnte Misstrauen gegenüber dem Vertragspartner bedeuten, so dass von einer Rechtswahl

oftmals abgesehen wird.

2. In England

Im englischen Recht ist strittig, ob das Vorliegen mehrerer Indizien zu der Annahme eines

stillschweigenden Rechtswahlwillens der Parteien führen kann. Das war, wie aufgezeigt,721 die

Praxis der deutschen und wohl auch der englischen Gerichte vor der Übernahme des EVÜ. Die

Kumulation verschiedener Faktoren, die alle auf dasselbe Rechtssystem wiesen, führte dazu,

dass das Gericht davon ausging, dass ein Rechtswahlwille der Parteien in Bezug auf diese

Rechtsordnung existierte. Dies war zum Beispiel der Fall bei dem Vorhandensein einer

Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklausel und der Bezugnahme auf eine bestimmte

Rechtsordnung.722 Nach dem EVÜ ist dies nicht länger gerechtfertigt, da nun ein positiver,

eindeutiger Beweis einer Rechtswahl erforderlich ist. Schließlich sind stets alle Umstände des

Einzelfalles mitzuberücksichtigen, da eine Kumulation von Indizien allein nicht zu einer

717 BGHZ 104, 268 (270); BGH WM 1997, 560 (561); OLG Köln NJW-RR 1995, 245 (246), MDR 1993, 315 f.; BGH EWiR 1996, 923 f. mit Anm. Graf von Westphalen; OLG Brandenburg EWiR 2001, 656 mit Anm. Schwenker. 718 BGH RIW 1998, 318; vgl. OLG Brandenburg IPRspr 1996 Nr. 141; OLG Hamm RIW 1993, 940. 719 Steiner, S. 84; Stoll, S. 60. 720 Vischer/ Huber/ Oser, S. 92. 721 Vgl. Gliederungspunkt XVI.1. 722 Lando, S. 93.

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stillschweigenden Rechtswahl führen kann. Bei mehreren verschiedenartigen Umständen kann

weder ein einzelner Faktor noch eine einzelne Schlussfolgerung entscheidend sein.723

3. In Frankreich

Da eine Kumulation verschiedener schwacher Indizien im französischen Internationalen

Privatrecht keine Erwähnung findet, kann festgehalten werden, dass sie für die Festlegung einer

stillschweigenden Rechtswahl nicht relevant ist. Allerdings ist auch im französischen

Internationalen Privatrecht eine Gewichtung der verschiedenen Indizien unvermeidbar.724

B. Die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der stillschweigenden

Rechtswahl des EVÜ und ihre Auswirkungen

In der französischen Literatur725 wurde die Unterstellung laut, man hätte mit der im Gegensatz

zu der deutschen und englischen Fassung eher strengen französischen Fassung des EVÜ, die

die höchsten Anforderungen an die Sicherheit einer stillschweigenden Rechtswahl stelle (“de

façon certaine“), eine stillschweigende Rechtswahl quasi ausschließen wollen. Die deutsche

und englische Fassung seien ein bißchen elastischer und damit anpassungsfähiger. Vor allem

die deutsche Fassung sei sehr “soft“. Die Begriffe “de façon certaine“ werden in England und

Deutschland jeweils übersetzt mit “with reasonable certainty“ (was soviel heißt wie “avec une

certitude raisonnable“, was „angemessene Sicherheit“ bedeutet) und “mit hinreichender

Sicherheit“ (“avec une certitude suffisante“). Die divergierenden Auslegungen in den

verschiedenen Staaten könnten auf diesen Unterschied in der Übersetzung zurückzuführen

sein.726 In der fränzösischen Fassung wäre die Wortwahl “de façon nécessaire“ besser gewesen

als “de façon certaine“, um auch die französische Fassung weniger streng und stattdessen

anpassungsfähiger zu gestalten. Schwierigkeiten bereitet im französischen Kollisionsrecht die

Frage, was man unter einer angemessenen oder hinreichenden Sicherheit verstehen muss.

Anhand der Indizien kann man im französischen Kollisionsrecht zwar von einem hinreichenden

Beweis für eine stillschweigende Rechtswahl sprechen, aber nicht von einer hinreichenden

Sicherheit. Die Literatur727 vertritt die Ansicht, es sei schwer einzusehen, dass es verschiedene

Stufen der Sicherheit geben können solle, denn entweder sei eine Sache sicher oder eben nicht.

723 The Assunzione (1954) P.D., 150; Graveson, S. 431. 724 Batiffol, Traité, S. 651. 725 So Kassis, S. 362, 366 f. 726 Vgl. hierzu insbesondere Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 727 Vgl. Kassis, S. 362, 366 f.

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Der Text hätte in der Tat mehr für Zufriedenheit gesorgt, wenn er festgesetzt hätte, dass die

Rechtswahl bewiesen sein muss.

Jeder Staat, der das EVÜ anwendet, hätte dann sein Recht individuell über die Beweise

ausgestalten können. Zweifelhaft bleibt, ob es eine Frage des Ausdrucks bzw. der Darstellung

oder eine Art Phraseologie ist, von „angemessener“ oder „hinreichender“ Sicherheit zu

sprechen.

Die unterschiedlichen Fassungen des EVÜ dürfen nicht dazu führen, dass jeder Richter aus

einer anderen Rechtsordnung die stillschweigende Rechtswahl anders auslegt bzw. interpretiert.

Eine solche Divergenz lässt sich auch nicht damit erklären, dass jeder Richter Schwierigkeiten

hat, ein neues internationales Übereinkommen losgelöst von den Vorgaben seines vorherigen

nationalen Rechts zu interpretieren. Es handelt sich um ein Missverständnis, was die Bedeutung

der einzelnen Wörter des Textes des EVÜ angeht. Dieses Problem kann nur anhand von

Beweisen für eine stillschweigende Rechtswahl gelöst werden, so dass es auf die Unterschiede

in der Wortbedeutung nicht mehr ankommt.

Eine stillschweigende Rechtswahl zu beweisen, ist die Rechtfertigung der Indizien.

Für den französischen Professor Lagarde728 liegt der Sinn des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ trotz

dieser Variationen darin, eine stillschweigende, dennoch aber sichere Rechtswahl zuzulassen.

Eine Wahl, die schlicht und einfach indirekt ist, soll hingegen beseitigt werden.

Ausgehend von diesem Hintergrund betrachtet er die Indizien für eine stillschweigende

Rechtswahl sehr kritisch und hat seine Zweifel, ob sie tatsächlich als solche tauglich sind.

Als Beispiel einer solchen bloß indirekten Rechtswahl führt Lagarde eine Rechtwahl an, die aus

einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines bestimmten Staates resultiert, ohne dass ein

zusätzliches Indiz auf einen Rechtswahlwillen der Parteien zugunsten dieses Staates schließen

lässt. Allerdings ist die Stichhaltigkeit dieser Interpretation zweifelhaft.

Der Interpret des EVÜ fühlt sich häufig verloren in den Begriffen „choix tacite mais certain“,

„choix implicite“, „choix présumé“ und „choix hypothétique“. Er hat das Gefühl, sich in einem

nicht klar umrissenen Gebiet zu befinden, einem Gebiet des Schattens hinsichtlich des

Beweises der Rechtswahl. Die von dem EVÜ benutzten Wörter tragen auf ihre Art dazu bei,

Verwirrung zu stiften. Dies verdeutlicht sich auch in den französischen Urteilen.

728 Lagarde, Rev.crit.dr. int.priv. 1989, 835 ff. (837); ders., Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (303).

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Der zweideutige Text des EVÜ mit seiner „hinreichenden Sicherheit“ erweckt den Anschein,

dass man eine Frage des Rechtsbeweises zu einer Frage des Internationalen Privatrechts

machen wollte. Der Beweis der Rechtswahl ließe sich durch ein Indiz aus den Bestimmungen

des Vertrages oder Umständen des Falles lösen. Damit hätte man eine reale Tatsache, die eine

Wahrscheinlichkeit einer Rechtswahl beinhaltet, so dass der Richter daraus eine Entsprechung

für eine Sicherheit entnehmen könnte. Handelt es sich um Indizien, die auf eine Rechtswahl

hinweisen, kann einzig und allein die Überzeugung des Richters den Indizien einen

hinreichenden, beweiskräftigen Wert geben, um der von dem EVÜ geforderten Sicherheit zu

dienen. Alles reduziert sich darauf, zu wissen, ob Indizien für eine Rechtswahl vorliegen. Reale

Tatsachen aus den Umständen des Falles können die Rechtswahl beweiskräftig machen. Es gibt

Situationen, in denen man ohne zu zögern versichern kann, dass solche Indizien nicht

vorhanden sind. In derartigen Situationen ist es offensichtlich, dass keine Rechtswahl der

Parteien vorliegt. Dann kommt der sogenannte hypothetische Parteiwille zum Tragen. In

Wirklichkeit findet der Richter hierbei nicht das Recht heraus, das die Parteien gewählt hätten,

wenn sie an die Notwendigkeit einer Rechtswahl gedacht hätten. Er kann zumindest in diesem

Schritt nicht eine Untersuchung des Parteiwillens vornehmen, weil der Richter unter dem

Deckmantel des hypothetischen Parteiwillens in Wahrheit nur seine eigenen Vorstellungen

ausdrückt. Sobald ein einzelnes oder mehrere Indizien vorhanden sind, ist es die Überzeugung

des Richters, die bestimmt, dass die Indizien als „hinreichender“ Beweis einer Rechtswahl, mit

anderen Worten einer entsprechenden Sicherheit, dienen. Ansonsten hat der Richter, wie sich

gerade im französischen Kollisionsrecht feststellen lässt, die Möglichkeit über die

Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ, indem er das Fehlen einer Rechtswahl feststellt, dem

nach seiner Vorstellung anwendbaren Recht zum Durchbruch zu verhelfen.

Die dargestellte Praxis der Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zu der

stillschweigenden Rechtswahl zeigt deutlich, dass ohne eine Entscheidungs- bzw.

Auslegungskompetenz eines supranationalen Spruchkörpers (des Gerichtshofs der

Europäischen Gemeinschaft)729 eine Rechtsvereinheitlichung auf internationaler Ebene bzw. ein

einheitliches Internationales Privatrecht für Schuldverträge nicht möglich ist.730 Der “effet

729 Nach den Auslegungsprotokollen hat der EuGH zunächst keine Interpretationsbefugnis; eine solche wird erst nach Ratifizierung durch sieben Mitgliedstaaten vorliegen, vgl. ABl. EG 1989, Nr. L 48, S. 1 ff. 730 Vgl. hierzu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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utile“731, das Streben, dem Europarecht zur größtmöglichen Wirksamkeit zu verhelfen, wäre

gefährdet, was im Hinblick auf die angestrebte Einheit des europäischen Kollisionsrechts sehr

bedenklich ist. Daher sind die in den verschiedenen Übereinkommenstexten der Mitgliedstaaten

verwendeten Begriffe auch gemeinschaftsrechtlich nach dem “effet utile“ auszulegen.

C. Exkurs: Die stillschweigende Rechtswahl in dem Nicht-EU-Mitgliedstaat

Schweiz

Auch in der Schweiz als Nicht-EU-Mitgliedstaat wird die stillschweigende Rechtswahl aus von

der Rechtsprechung entwickelten Indizien hergeleitet.732 Es handelt sich dabei um dieselben

Indizien wie die der EU-Mitgliedstaaten für eine stillschweigende Rechtswahl.

I. Vertragsrecht

Gemäss Art. 116 II IPRG733 muss die Rechtswahl ausdrücklich sein oder sich eindeutig aus

dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben. Damit hat der schweizerische Gesetzgeber in

Art. 116 II S. 1 IPRG eine Minimalanforderung an die Rechtswahl aufgestellt.734 Diese als

Sachnorm zu qualifizierende Norm bestimmt, dass der Richter zunächst in Abgrenzung zu

einem bloß hypothetischen Willen prüfen muss, ob ein Wille der Parteien zum Abschluss eines

Rechtswahlvertrages tatsächlich vorliegt.735 Im Übrigen werden Zustandekommen und

Wirksamkeit der Rechtswahl nach dem gewählten Recht beurteilt.736 Eine Rechtswahl setzt

mithin übereinstimmende gegenseitige ausdrückliche oder stillschweigende

Willensäusserungen der Parteien voraus.737

Das Bundesgericht in der Schweiz musste Fälle, in denen die Parteien eine ausdrückliche

Rechtswahl getroffen hatten, relativ selten entscheiden. Umso mehr beschäftigte es sich mit der

Frage, ob im konkreten Fall aus den Umständen auf eine stillschweigende Rechtswahl

731 Diese Formulierung geht auf den Europäischen Gerichtshof zurück. In verschiedenen Urteilen hat nämlich der Gerichtshof die Mitgliedstaaten verpflichtet, alles zu tun, was zu der Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts notwendig ist. In der französischen Bezeichnung nennt man dies den effet utile des Gemeinschaftsrechts. Der EG-Vertrag begründet also nach dieser Rechtsprechung für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, keine Maßnahmen zu ergreifen oder aufrechtzuerhalten, die die praktische Wirksamkeit, also den effet utile, von Regeln beeinträchtigen können. Dazu grundlegendes Urteil Yvonne van Duyn gegen Home Office v. 4.12.1974 (Amtl. Sammlung 1974, S. 1337). 732 Vgl. BGE AJP 1993, 863 f. mit Anm. Schwander; Brulhart, S. 216 Nr. 435, 436; Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 68 ff.; Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 39 ff.; Vischer, Int. VertrR, S. 69 ff. 733 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 1.1.1989. 734 Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481. 735 Brulhart, S. 124 Nr. 259; Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 59. 736 Hierzu Brulhart, S. 124 Nr. 260; Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481 f. 737 Art. 116 II IPRG; vgl. auch Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481.

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geschlossen werden konnte.738 Es ist schwierig, anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichts

zu bestimmen, wann allgemein eine stillschweigende Rechtswahl vorliegt. Voraussetzung ist

jedenfalls „eine übereinstimmende Willensbekundung seitens der Parteien, aus der zweifelsfrei

ersichtlich ist, dass beide ein und dieselbe Rechtsordnung auf ihr Vertragsverhältnis

angewendet wissen wollen“.739 Als Indizien hat die schweizerische Rechtsprechung wie auch in

den EU-Mitgliedstaaten die Gerichtsstandsvereinbarung740, die Vereinbarung eines

Erfüllungsortes741, eines Abschlussortes742, die Vertragssprache und Benutzung typischer

Rechtsinstitute und Klauseln einer Rechtsordnung743 sowie die Benutzung von

Formularverträgen und AGB744 anerkannt. Während in Deutschland das Verhalten der Parteien

im Prozess zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl führt, wird in der

schweizerischen Rechtsprechung745 eine stillschweigende Rechtswahl aufgrund der Tatsache,

dass beide Parteien von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ausgehen oder darauf

Bezug nehmen, meistens abgelehnt, wenn ein solches Verhalten der einzige Anhaltspunkt für

eine Rechtswahl ist. Stets erforderlich sei nämlich, dass aus dem Vertragsinhalt oder aus den

Umständen des Einzelfalles auf einen bewussten Rechtswahlwillen der Parteien geschlossen

werden könne.746 Dieser dürfe nur angenommen werden, wenn „...zusätzliche objektive

Anhaltspunkte den Schluss zulassen, damit solle in Abweichung der objektiven

kollisionsrechtlichen Anknüpfung ein anderes materielles Recht bestimmt werden“.747 Als

weitere sich aus den Umständen ergebende Indizien können das gemeinsame Personalstatut und

der Zusammenhang des Sachvertrages mit anderen Verträgen genannt werden.748

Die Rechtswahl steht als Vertrag mit kollisionsrechtlichem Zweck an der Schnittstelle von

Schuldrecht und IPR und unterliegt somit den Wirksamkeitsvoraussetzungen beider

Rechtsgebiete.749 Da die Rechtswahl ein Rechtsgeschäft ist, ist es im Falle eines Mangels

anhand der allgemeinen Regeln über Vertragsauslegung, Vertrauensprinzip, Treu und Glauben,

Vertragsergänzung und Anpassung an veränderte Verhältnisse, aufrechtzuerhalten.750

738 Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn 11. 739 Vgl. BGE 81 II 175 ff., 87 II 200 f., 99 II 317 f. 740 BGE 60 II 204, 72 III 52, 76 II 48, 82 II 553, 88 II 191 ff., 94 II 355 ff., 100 II 34, 111 II 179. 741 BGE 29 II 260 ff. (262). 742 BGE 82 II 450, 87 II 194 ff., 106 II 36 ff. 743 BGE 62 II 140. 744 BGE 71 II 287; ZR 79 (1980) Nr. 41. 745 Vgl. BGE 87 II 194 ff., bestätigt durch BGE 88 II 325 ff., 89 II 214 ff., 89 II 265 ff., 91 II 44 ff., 91 II 442 ff., 92 II 10 ff., 99 II 317 ff. 746 BGE 87 II 174 f., 91 II 445. 747 BGE 119 II 176; vgl. ferner Cour Civile Wallis, RVJ 1993, 292; Oger Uri, RBUR 1990, 34 f. 748 Vgl. Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 76 ff.; Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 44. 749 Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 48. 750 Schwander, FS Lalive, S. 484.

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Der Richter sollte bei Schwierigkeiten der stillschweigenden Rechtswahl nicht direkt zur

objektiven Anknüpfung greifen, sondern zuerst die Parteien befragen, ob sie in Kenntnis der

Umstände eine neue Rechtswahl treffen wollen.751

II. Erbstatut

Das Erbstatut ist deshalb im Schweizer Recht besonders interessant, weil im Gegensatz zum

Vertragsrecht das Bewusstsein, dass eine Rechtswahl getroffen wird, nicht vorhanden zu sein

braucht. Gemäss Art. 90 I IPRG untersteht der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in

der Schweiz schweizerischem Recht. Eine Rechtswahlerklärung zugunsten ausländischen

Heimatrechts wird in der Rechtsprechung752 jedoch grosszügig ausgelegt. Entscheidend ist,

dass die Rechtswahl bestimmt erfolgt und nicht rechtsmissbräuchlich ist.753 Eine Rechtswahl

zugunsten des schweizerischen Erbstatuts kann sich auch aus der Wortwahl und ähnlichen

Umständen ergeben.754

III. Ergebnis und Lösung

In der Schweiz bestehen dieselben Schwierigkeiten mit der stillschweigenden Rechtswahl wie

auch in den EU-Mitgliedstaaten, da auch in der Schweiz die Festlegung eines stillschweigenden

Rechtswahlwillens anhand eines Indizienkataloges erfolgt. Eine mögliche Lösung wäre es, den

Gerichten in IPR-Fällen mehr Freiheit zuzubilligen. Diese Freiheit sollte auch beinhalten, die

Frage des anwendbaren Rechts offenlassen zu dürfen, wenn die Rechtsfolgen übereinstimmen.

Es ist erforderlich, dass den Gerichten bei der Umsetzung des nationalen Rechts mehr

Entscheidungsfreiraum zugesprochen wird.755

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der europäischen Untersuchung

I. Ergebnisse der Untersuchung der einzelnen Vertragsstaaten

1. In Deutschland

Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB knüpft zur Bestimmung, welches Recht anwendbar ist, an den nicht

ausdrücklich, sondern stillschweigend erklärten Parteiwillen an. Dieser muss sich allerdings

„mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder den Umständen der

Falles“ ergeben. Wann dies der Fall ist, muss mangels Gesetzesdefinition durch Auslegung des

751 Vgl. zu den Möglichkeiten einer „Rettung“ einer Rechtswahl Schwander, FS Lalive, S. 484. 752 Vgl. BGE 125 III 35. 753 BGE 111 II 16 Erw. 3. 754 BGE 125 III 35. 755 Schwander, Rechtskollisionen, FS Heini, S. 403 f.

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Gesetzes ermittelt werden. Dabei sind sowohl der Standpunkt des EGBGB und des EVÜ wie

auch die Vereinheitlichungsbestrebungen mit einzubeziehen.

Eine Interpretation des Gesetzeswortlauts ergibt, dass sowohl „hinreichende Sicherheit anhand

der Vertragsbestimmungen“ für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl wie

kumulativ auch die „Umstände des Einzelfalles“ maßgeblich sind, mithin kein

Alternativitätsverhältnis zwischen diesen Voraussetzungen besteht, wie es auf den ersten Blick

erscheinen mag. Ferner konnte festgehalten werden, dass für die kollisionsrechtliche

Vereinbarung über das anwendbare Recht ebenso wie für die rechtsgeschäftliche Einigung im

materiellen Recht sowohl die objektiven wie auch die subjektiven Voraussetzungen einer

Willenserklärung vorliegen müssen. Daher kann eine stillschweigende Rechtswahl nur dann

vorliegen, wenn ein objektiver Erklärungstatbestand gesetzt wurde, und die Parteien subjektiv

das Erklärungsbewusstsein für eine Rechtswahl hatten.

Zu der Ermittlung eines objektiven Erklärungsinhalts bezüglich einer Rechtswahl ist auf die

Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers aus dem Verkehrskreis der Beteiligten

abzustellen, wobei stets die Umstände des Einzelfalles mit einzubeziehen sind. Die Ermittlung

des stillschweigenden Parteiwillens erfolgt in der Praxis nach von der Rechtsprechung

entwickelten Indizien. Zu berücksichtigen ist, dass die Tauglichkeit dieser Indizien, als Beleg

für eine stillschweigende Rechtswahl zu dienen, eng begrenzt ist und aus der Anknüpfung an

unterschiedliche Indizien Unsicherheiten resultieren. Die untersuchten Indizien sind alle nicht

aussagekräftig.

Jedem der oben einzeln aufgezählten Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl steht

mindestens ein – bereits angeführtes – Argument entgegen, es als Anknüpfungspunkt für

internationale Schuldverträge anzusehen: Die Untersuchung der typischen Indizien, die unter

Einbeziehung der Rechtsprechung und Literatur auf eine stillschweigende Rechtswahl

hindeuten, hat aufgezeigt, dass das Auslegungsergebnis grundsätzlich von der Tatsache

beeinflusst wird, dass die Gerichte vorzugsweise ihr eigenes Recht anwenden und somit die

Rechtswahlfreiheit der Parteien von den Gerichten missbraucht wird. Teilweise werden

grenzüberschreitende Bezüge eines Falles von den Gerichten sogar ignoriert, um zu der für die

Richter einfachen Anwendung deutschen Rechts zu gelangen. Die stillschweigende Rechtswahl

führt in der Regel mithin zur lex fori. Dabei wird übersehen, dass das Kollisionsrecht nicht der

Bequemlichkeit der Richter und Rechtsanwälte dient, sondern der international

privatrechtlichen Gerechtigkeit zwischen den Parteien. Hinzu kommt, dass bei den meisten

Indizien nicht ohne Zweifel davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien bei deren

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Entstehen in dem Bewusstsein handelten, eine Rechtswahl zu treffen, auch wenn den einzelnen

Indizien unterschiedliches Gewicht beizumessen ist. Wenn keine Rechtswahl vorliegt, darf sie

auch nicht „durch die Hintertür“ eingeführt werden. Die als typische Indizien bezeichneten

Kriterien für eine stillschweigende Rechtswahl haben keinen abstrakt-generellen

Aussagegehalt. Vielmehr ist festzuhalten, dass bei der Frage der stillschweigenden Rechtswahl

vor allem der Zusammenhang mit weiteren Kriterien und den einzelnen Umständen des Falles

maßgeblich ist. Die Bewertung der einzelnen Indizien bleibt unklar, da sie von Fall zu Fall als

bedeutend oder unbedeutend eingestuft werden. Die vorliegenden Urteile zeigen insofern

häufig methodische Schwächen. Da es keinen Indizienkatalog für Willenserklärungen gibt,

sollte es ihn auch in diesem Fall der stillschweigenden Rechtswahl nicht geben, da er eben nur

in bestimmten Situationen – wenn überhaupt – einen Schluss auf einen Rechtswahlwillen der

Parteien zulässt.

Eine zumindest teilweise Voraussehbarkeit hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Indizien

und ihrem Verhältnis zueinander kann nur für typische, wiederkehrende Fälle geschaffen

werden. Dies ist nicht zufriedenstellend, denn es bleibt immer noch die Frage, warum die

Parteien die Rechtswahl nicht direkt schriftlich festgehalten haben. Vielmehr wäre in der

deutschen Rechtspraxis hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl zu wünschen, dass die

Umstände des Einzelfalles mehr Berücksichtigung und die Einschränkung, dass eine

stillschweigende Rechtswahl nur bei hinreichender Sicherheit angenommen werden darf, mehr

Beachtung finden. Im Lichte des Einzelfalles ist zu untersuchen, warum die Parteien eine

Rechtswahl nicht ausdrücklich vereinbart haben. Zudem ist die Bedeutung der einzelnen

verschiedenen Indizien besser herauszustellen. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie darf

nicht weiterhin für den Zweck einer Bevorzugung der lex fori missbraucht werden und die

Praxis der deutschen Rechtsprechung zur stillschweigenden Rechtswahl im internationalen

Vertragsrecht sollte in Zukunft nicht gegen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ verstoßen.

Zu betonen ist, dass ein Indizienkatalog nichts mit einem Parteiwillen und somit einer

Rechtswahl zu tun hat, sondern mehr mit einer objektiven Anknüpfung im Rahmen des Art. 4 V

EVÜ. Die deutschen Gerichte stellen das Willenselement oft nicht fest und prüfen es nicht,

weshalb häufig der Eindruck der Feststellung des hypothetischen statt des konkludenten

Parteiwillens entsteht. Zwar unterscheidet die deutsche Rechtsprechung theoretisch zwischen

stillschweigender und hypothetischer Rechtswahl, vermengt aber in der Praxis beides

miteinander.

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Generell bleibt zu wünschen, dass der BGH die bei der Feststellung eines konkludenten

Verweisungsvertrages zu prüfenden Rechtsfragen streng untersucht und der Tendenz der

Tatsacheninstanz entgegenwirkt, eine stillschweigende Rechtswahl festzustellen, um so die

rechtliche Überprüfung des kollisionsrechtlichen Abwägungsprozesses im Rahmen der

Generalklausel bei der objektiven Anknüpfung zu vermeiden.

Es müssen klarere Voraussetzungen für die stillschweigende Rechtswahl geschaffen und eine

schärfere Abgrenzung des stillschweigenden Parteiwillens zum bloß hypothetischen

Parteiwillen aus Gründen der Methodik und Rechtssicherheit gezogen werden. Während bei

der hypothetischen Rechtswahl der Richter fragt, welches Recht die Parteien gewählt hätten,

wenn sie eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen hätten, wird bei der stillschweigenden

Rechtswahl eine tatsächlich erfolgte Willensübereinkunft gefordert, die allerdings nicht

ausdrücklich erfolgt ist. Es muss scharf zwischen dem fiktiven Willen und der konkludenten

Willensübereinkunft getrennt werden. Dies misslingt den Gerichten leider oft.

Bei der Feststellung des konkludenten Parteiwillens handelt es sich um eine nicht revisible,

tatsächliche Entscheidung. Das vom Tatrichter festgestellte und angewendete ausländische

Recht ist nicht revisibel (§ 545 Abs. 1 ZPO), das Revisionsgericht überprüft lediglich die

Einhaltung der Ermessensgrenzen.756 Die Feststellung des hypothetischen Parteiwillens

hingegen ist revisibel.

Deshalb sind strengere Anforderungen an eine stillschweigende Rechtswahl zu stellen.

Insbesondere der Begriff der „hinreichenden Sicherheit“ eröffnet der Rechtsprechung erneut

vom Gesetz nicht gedeckte Spielräume in der Bestimmung des stillschweigenden Parteiwillens.

Die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl darf nicht zu grosszügig erfolgen.

Hier besteht im deutschen Internationalen Privatrecht dringender Verbesserungsbedarf.

Dies könnte dadurch erreicht werden, dass man entweder grundsätzlich ein

Ausdrücklichkeitserfordernis für die Rechtswahl in dem Übereinkommen festlegt oder die

Regelung der stillschweigenden Rechtswahl an sich schärfer fasst. Nur indem man die Parteien

zwingt, sich in Klarheit über das anwendbare Recht auszusprechen, kann man zwingend den

Schluss ziehen, dass das Recht unter Ausgleichung der gegenseitigen Parteiinteressen bestimmt

wurde.

Auch wenn sich wegen des Charakters des Verweisungsvertrages eine absolute Sicherheit in

der Ermittlung einer stillschweigenden Rechtswahl fast nicht erreichen lässt, darf dennoch eine

756 Vgl. zum Beispiel BGH NJW 1991, 1418 f.; Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8, 9.

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Anknüpfung an Anhaltspunkte, die genauso gut nur ein Beweggrund für eine Rechtswahl sein

könnten, nicht ausreichen. Bei Zweifeln über das Vorhandensein übereinstimmender

Willenserklärungen, ist vielmehr zwingend eine objektive Anknüpfung nach den Kriterien des

Art. 28 Abs. 1-5 EGBGB vorzunehmen. Das aufgezeigte Erfordernis der Eindeutigkeit einer

Rechtswahl, das eine Abgrenzung zu einer hypothetischen Rechtswahl ermöglichen soll, lässt

sich nicht mit der Annahme einer Einigung der Parteien über das anwendbare Recht gestützt

auf reines Schweigen einer Partei vereinbaren. Andererseits stellt die objektive Anknüpfung

anstelle des gewählten Rechts keine Patentlösung dar, da es oft schwierig ist, den objektiven

Schwerpunkt des Vertrages zu ermitteln. Zudem liefe dies nur auf eine Problemverschiebung

hinaus.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass der BGH dem durch eine konsequente Änderung seiner

Rechtsprechung voraus griffe oder zumindest in die Erwägungsgründe eines

Gemeinschaftsinstruments Richtlinien für die Richter geschrieben werden, so dass diese zu

einer Änderung der Rechtsprechung gezwungen sind.

2. In England

Im Gegensatz zum deutschen Richter hält sich der englische Richter bei der Auslegung einer

Willenserklärung sowie der eines Gesetzes viel stärker an den Wortlaut. Das bedeutet, dass sich

die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien tatsächlich aus dem ergeben, was sie vereinbart

und nicht aus dem, was sie eventuell gewollt haben. Dieser auf den ersten Blick sehr strenge

Grundsatz wird aufgelockert durch die Möglichkeit, den ausdrücklichen Vertragsinhalt durch

stillschweigende Vertragsbestandteile (“implied terms“) zu ergänzen. Dabei spielen

Verkehrssitte, Handelsbrauch und Gesetz eine Rolle. Während das Common Law am

Vertragsinhalt noch uninteressiert war und keine ergänzende Rechtsordnung für Vertragslücken

bereithielt, haben diese Funktion nun verschiedene jüngere Gesetze übernommen.

Wenn Vertragslücken nicht durch dispositives Gesetzesrecht geschlossen werden können,

dienen die „implied terms“ der richterlichen Vertragsergänzung (ähnlich dem deutschen § 157

BGB).757 Keines der konkreten Indizien für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der

Parteien während des Vertragsschlusses ist absolut überzeugend. Auch eine Vielzahl an

Indizien führt nicht zwangsläufig in eine bestimmte Richtung, obwohl das unter manchen

Umständen hilfreich wäre. Das Aufstellen einer solch allgemeingültigen Regel würde

tatsächlich zu einer objektiven Anknüpfung und damit zu dem vermuteten, hypothetischen

anstatt dem stillschweigenden Parteiwillen führen. Auffällig ist, dass es bei den in England

757 Vgl. The Moorcock (1889) 14 P.D., 64 (68).

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relevanten Indizien entscheidend darauf ankommt, ob sie zur Wirksamkeit des Vertrages

führen: Unabhängig davon, welches Indiz man betrachtet, seine wahre Bedeutung besteht

jeweils darin, dass es zu dem Recht führt, das dem Vertrag zur grösstmöglichen Wirksamkeit

verhelfen könnte. Es wird stets die angenehmste, am wenigsten komplizierte Rechtswahllösung

gewählt, was sinnvoll erscheint. Auch im englischen Recht kommt einigen Indizien mehr

Gewicht zu als anderen. Ebenso sind einige Indizien speziellerer Art und zum Beispiel nur auf

bestimmte Verträge anwendbar, während andere einen allgemeingültigeren Aussagegehalt

haben. Die Überzeugungskraft der Indizien hängt jeweils von ihrem Wichtigkeitsgrad und den

Umständen des Falles ab.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass – unabhängig davon, ob das EVÜ im englischen

Recht eine Veränderung markiert oder nicht – seine praktische Auswirkung jedenfalls nicht so

gross zu sein scheint wie man hätte annehmen können.

3. In Frankreich

Vor französischen Gerichten wurde das EVÜ – wie bereits ausgeführt – vor seinem

Inkrafttreten anerkannt. Das EVÜ und das französische autonome Internationale Privatrecht

sind sich sehr ähnlich und stimmen beide in einem der wichtigsten Grundsätze, der Freiheit der

Rechtswahl, überein. Im Gegensatz zum französischen Kollisionsrecht gibt das EVÜ allerdings

genauer und klarer als das französische Recht Antworten auf die Probleme der nachträglichen

Rechtswahl, des Verweisungsvertrages, die Frage, ob es möglich ist, verschiedene

Vertragsaspekte verschiedenen Rechten zu unterstellen (sogenannte dépecage) und vor allem

hinsichtlich der Anforderungen an eine stillschweigende Rechtwahl. Während im Rahmen des

EVÜ die Forderung, dass sich die stillschweigende Rechtswahl “de façon certaine“ ergeben

muss, nicht eindeutig erscheint, war die vorherige Rechtssitutation diesbezüglich noch

undurchsichtiger. Bei der Untersuchung der Indizien, anhand derer eine stillschweigende

Rechtswahl in der Praxis festgemacht wird, sind – wie auch in den anderen Rechtsordnungen –

die jeweiligen Umstände des Falles und das verschiedene Gewicht der einzelnen Indizien zu

berücksichtigen.

Betrachtet man die französischen Entscheidungen, entsteht der Eindruck, eine Einigung der

Parteien sei einfacher über einen bestimmten Richter als über eine bestimmte Rechtsordnung zu

erwirken. Es ist jedoch irreführend, die Einigung der Parteien von einem bestimmten Richter

abzuleiten, die Rechtswahl aber aus einem bestimmten Recht zu folgern.

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II. Schlussfolgerungen aus gesamteuropäischer Sicht und Ausblick

Mit Inkrafttreten des EVÜ und bereits vorher in den Vertragsstaaten, in denen die Vorschriften

des EVÜ als nationales Recht galten oder die Rechtsprechung beeinflussten, wurde ein

„bipolares“ internationales Vertragsrecht geschaffen. Zum einen wurde die kollisionsrechtliche

Parteiautonomie zur Bestimmung des Vertragsstatuts bedingungslos zugelassen. Zum anderen

erfährt die Rechtswahlfreiheit ihre Grenzen durch die gesonderte Anknüpfung drittstaatlicher

zwingender Normen oder zwingender Normen der lex fori.

Im Rahmen des Art. 3 EVÜ sorgen die Vertragsparteien in allen drei hier dargestellten

Rechtsordnungen durch eine durchdachte Rechtswahl grundsätzlich dafür, dass der Vertrag

insgesamt oder zumindest ein Teil des Vertrages einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt

wird.

Innerhalb des europäischen Rechtskreises konnten neben Gemeinsamkeiten vor allem

gravierende Unterschiede festgestellt werden. Gemeinsam ist den EU-Mitgliedstaaten

Deutschland, England und Frankreich die europäische Rechtsauffassung, dass reines

Schweigen, das heißt die Tatsache, dass die Parteien zur Frage des anwendbaren Rechts keine

Stellung nehmen, nicht ausreicht, um auf die Maßgeblichkeit der lex fori zu schließen.

Vielmehr scheint überwiegend eine richterliche Prüfpflicht angezeigt. Auch die aufgestellten

Kriterienkataloge, anhand derer eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis festgemacht

wird, stimmen weitestgehend in allen drei Rechtsordnungen überein und unterscheiden sich nur

in einzelnen Punkten und ihrer jeweiligen Gewichtung. So wirkt sich zum Beispiel das generell

sehr starke Indiz der Gerichtsstandsklausel vor allem in England positiv und am häufigsten

zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl aus, ohne dass weitere Indizien hinzukommen

müssten.

Art. 3 EVÜ markiert in allen drei Rechtsordnungen in gewissem Maße insofern eine

Veränderung im Gegensatz zu dort vorher geltendem Recht, als die Grenze zwischen einem

stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien und einem – von den Gerichten aus

objektiven Kriterien gefolgerten – hypothetischen Parteiwillen oft verwischt wurde. Hier ist in

allen drei Rechtsordnungen zumindest eine Verbesserung zu erkennen.

An Unterschieden konnte Folgendes festgestellt werden: Während in Deutschland der Richter

an die Interessen der Parteien gebunden ist und kaum Möglichkeiten hat, sich über den

Parteiwillen hinwegzusetzen, kann der französische Richter entgegen dem Parteiwillen

ausländisches Recht anwenden. Zudem gilt im deutschen Recht auch im autonomen

internationalen Schuldvertragsrecht die Regelung des EVÜ, während sich das französische

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autonome Internationale Privatrecht für internationale Verträge vom EVÜ unterscheidet, da der

Rechtswahlvertrag ausdrücklich abgeschlossen werden muss. Zu beachten ist dabei, dass der

Begriff „ausdrücklich“ in der französischen Literatur sehr weit ausgedehnt worden ist.

Weiterhin war der französischen Bestimmung des Vertragsstatuts bis zum Inkrafttreten des

EVÜ eine Trennung zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen fremd,

während das deutsche Recht dagegen spätestens seit der Internationalen Privatrechtsreform im

Jahre 1986 zumindest theoretisch streng zwischen der Anknüpfung an den stillschweigenden

Parteiwillen und der Ausrichtung an objektiven Anknüpfungsfaktoren (vgl. Art. 28 EGBGB)

unterscheidet, auch wenn sich diese Unterscheidung leider nicht immer in der deutschen

Rechtsprechungspraxis widerspiegelt. Während der stillschweigende Parteiwille als ein

konkretes Wahrscheinlichkeitsurteil über den Parteikonsens zu verstehen ist, kann man die

objektiven Anknüpfungsfaktoren diesbezüglich als ein abstraktes Wahrscheinlichkeitsurteil

ansehen.

Die stillschweigende Rechtswahl muss sich nach dem Übereinkommenstext in Deutschland mit

„hinreichender Sicherheit“ erschließen lassen und in England mit “reasonable certainty“.

Die französische Fassung spricht von „de façon certaine“, was strenger sein könnte, da es ein

viel höheres Maß an Sicherheit anzeigt als die englische oder deutsche Fassung. Diese mehr

fordernde Formulierung in der französischen Fassung gegenüber der englischen und deutschen

könnte zu verschiedenen nationalen Annäherungen geführt haben. Die deutschen und

englischen Gerichte haben – vielleicht aufgrund des weniger restriktiven Wortlauts des Art. 3

EVÜ und unter dem Einfluss ihrer früheren Lösungen – weniger Bedenken, eine

stillschweigende Rechtswahl zu bejahen als die französischen Gerichte.

Dennoch besteht gemäss Art. 33 Abs. 3 WVK eine Vermutung für eine übereinstimmende

Bedeutung, selbst wenn die in der englischen und französischen Fassung verwendeten

Formulierungen wesentlich klarer erscheinen als die in der deutschen Fassung. Die deutsche

Übersetzung ist gegenüber diesen Originalfassungen ungenau: Das EVÜ in der englischen

Fassung von Art. 3 Abs. 1 fordert, dass die „Rechtswahl ausdrücklich sein muss“ oder sich

“with reasonable certainty“ aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des

Falles ergeben muss. In der deutschen Fassung wird der Satz “with reasonable certainty“ als

„mit hinreichender Sicherheit“ verstanden, was man ebenso gut übersetzen könnte mit “with

sufficient certainty“ („mit ausreichender Sicherheit“).

Insgesamt ist die Terminologie des Übereinkommens sehr vage. Unklar ist, was unter

„hinreichend“ zu verstehen ist, und ob „hinreichend“ mit „ausreichend“ gleichgesetzt werden

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kann. Darauf gibt es zwar keine eindeutige Antwort, aber immerhin machen zumindest alle

Formulierungen deutlich, dass die Rechtswahl wenigstens real sein muss und nicht vom Richter

unterstellt werden darf. Auch für das Kollisionsrecht muss der Grundsatz der Parteiherrschaft

maßgebend sein.758 Insofern erscheint der europäische Standpunkt, dass die Entscheidung über

das anwendbare Recht im Belieben und der Verantwortung der Parteien steht, zutreffend. Es

besteht kein Grund, den Willen der Parteien zu übergehen, wenn sie sich einig sind, welches

Recht anzuwenden ist.

Wichtig ist, dass Art. 18 EVÜ nicht übersehen wird, in dem sich die Vertragsstaaten zu der

einheitlichen Auslegung und zum Respekt der Auslegung in den anderen Vertragsstaaten

verpflichtet haben. Daher lässt sich als Ergebnis festhalten, dass es sich verbietet, ein Indiz in

einem Vertragsstaat als ein „sicheres“ Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl anzusehen,

während es in einem anderen Vertragsstaat eine ganz andere Bedeutung hat. Dies würde zu

einer Disharmonie im europäischen Rechtsverkehr führen.

Auch wenn das EVÜ, das für die drei hier behandelten Vertragsstaaten Deutschland, England

und Frankreich gilt, kein Gemeinschaftsrecht ist und auch nicht direkt auf Art. 293 EGV beruht,

ist auf der anderen Seite eine aktive Beteiligung der Gemeinschaften bei der Ausarbeitung und

Umsetzung des EVÜ nicht zu leugnen, zumal für die Auslegung des Übereinkommens der

EuGH zuständig ist.759 Daher ist eine fast einheitliche Anwendung bzw. praktische Umsetzung

des EVÜ in den Vertragsstaaten wünschenswert. Eine Möglichkeit wäre, festzuschreiben, dass

eine Rechtswahl grundsätzlich ausdrücklich zu erfolgen hat. Damit könnte die Problematik der

hier aufgezeigten extrem schwierigen Feststellbarkeit einer „mit hinreichender Sicherheit“

vorliegenden Rechtswahl vermieden werden. Von einer mit „hinreichender Sicherheit“

vorliegenden Rechtswahl kann bei Parteien, die teilweise die international privatrechtliche

Problematik überhaupt nicht erkennen oder bei Vertragsschluss zumindest nicht an eine

Rechtswahl denken, nicht die Rede sein. Diese in jeder Hinsicht äußerst wünschenswerte

Bestimmung der Ausdrücklichkeit würde die hier dargestellte Rechtsprechung in den

verschiedenen Mitgliedstaaten bzw. ihre auseinandergehende praktische Umsetzung des

Übereinkommens endgültig verhindern. Wünschenswert ist, dass die jeweiligen zuständigen

Gerichte dem schon durch eine Änderung ihrer Rechtsprechung vorausgreifen.

758 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (303). 759 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 5 ff.; vgl. auch Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (682 f.); vgl. auch Kaye, S. 31.

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Der von der deutschen Rechtsprechung zu Recht geforderte „beiderseitige Gestaltungswille“

der Parteien in Bezug auf eine Rechtswahl sollte konsequenter in allen Fällen mit der

Problematik einer stillschweigenden Rechtswahl geprüft bzw. vorausgesetzt werden. Eine

diesbezügliche grundsätzliche Klarstellung durch die Gerichte ist insofern wünschenswert, als

Äußerungen eines Gerichtes im Allgemeinen durch die Notwendigkeiten des jeweiligen Falles

und die Erheblichkeit der Rechtsfrage für die Entscheidung bedingt sind. Hier besteht in allen

drei Rechtsordnungen Bedarf an einer grundsätzlichen Stellungnahme der Gerichte zu diesem

Problemkomplex. Es sind eine präzisere Definition der stillschweigenden Rechtswahl sowie

Mindestvoraussetzungen für die Annahme, dass eine solche vorliegt, erforderlich.

Obwohl in den verschiedenen Vertragsstaaten teilweise für dieselbe Materie unterschiedliche

Staatsverträge gelten, wird der äußere Entscheidungseinklang, der durch internationale

Übereinkommen angestrebt wird, besonders stark gefährdet, wenn diese nicht einmal

angewandt werden. Daher wäre es förderlich, wenn man sich künftig auf europäischer Ebene

eingehender darüber verständigte, inwieweit die Anwendbarkeit bestimmter staatsvertraglicher

Kollisionsnormen durch die Rechtswahl oder das Prozessrecht eingeschränkt werden darf. Mit

dem Schritt der Einigung ist allerdings noch nicht alles Erforderliche getan, um eine

Verbesserung einzuleiten. Vielmehr ist zudem dafür Sorge zu tragen, dass eine sodann

hoffentlich erzielte Einigung von den Gerichten auch umgesetzt wird.

Das europäische Schuldvertragsrecht, das heißt die Gesamtheit gemeinschaftsrechtlicher

Normen, kann uns nur dann zukunftsweisende Lösungen bieten, wenn jeder Mitgliedstaat sich

mit den einzelnen Sachgebieten befasst, die spezifischen Problemlagen erkennt und

dementsprechend sich um deren Lösungen bemüht.

Die hier untersuchten Mitgliedstaaten des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens sind

von einer einheitlichen Auslegung der Vertragsbestimmung, was die stillschweigende

Rechtswahl angeht, bis jetzt aber noch weit entfernt. Entscheidungen der obersten Gerichte

anderer Mitgliedstaaten werden oft entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder

jedenfalls nicht ernsthaft tiefergehend untersucht. Gerade die unterschiedliche Auslegung bzw.

Anwendung des EVÜ widerspricht der Universalität des Übereinkommens. Es ist bedenklich,

dass der Gleichklang zwischen dem Staatsvertrag und seiner nationaler Umsetzung in den

verschiedenen Mitgliedstaaten relativ gering ist. Hierin liegt eine Gefahr für die Rechtseinheit.

Um eine einheitliche Anwendung des EVÜ zu begünstigen, ist es angebracht, die

Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen anzugleichen und das Grünbuch umzusetzen.

Auch die Auslegungsprotokolle zum Schuldvertragsübereinkommen vom 19.12.1988 werden,

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wenn sie in Kraft treten760, nur ein Vorlagerecht, jedoch keine Vorlagepflicht vorsehen. Das ist

besonders misslich, da die nationalen Rechtsordnungen unterschiedliche Anforderungen an eine

wirksame stillschweigende Rechtswahl stellen. Der nur schwer zu harmonisierende Dualismus

zwischen europäischer Rechtsangleichung und Kollisionsrecht bleibt somit zunächst wohl

bestehen. Das europäische Kollisionsrecht entwickelt sich insofern mühsam, als es durch

technische Schwächen und Koordinationsmängel gekennzeichnet ist. Zudem divergieren die

verschiedenen Lösungen der Mitgliedstaaten in der Praxis zu stark, als dass von einer

„Angleichung“ der nationalen Rechte gesprochen werden könnte. Die kollisionsrechtliche

Praxis zur stillschweigenden Rechtswahl zeigt die noch bestehenden Rechtsunterschiede

zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, die verringert werden müssen.

Gerade auch im Hinblick auf die Schaffung anderer europäischer kollisionsrechtlicher

Konventionen761, die voranschreitet, ist mit einer weiteren Stärkung der kollisionsrechtlichen

Praxis zu rechnen.

Umso wichtiger ist es, sich vor Augen zu führen, dass langfristig gesehen die Vereinheitlichung

von Kollisionsnormen nicht gelingen kann, wenn die staatsvertraglichen Bestimmungen nicht

auch übereinstimmend von den Mitgliedstaaten ausgelegt werden. Mit der Umwandlung des

Übereinkommens in ein Gemeinschaftsinstrument würde dem EuGH automatisch die

Zuständigkeit für dessen Auslegung übertragen. Da die Entscheidungen des EuGH zu Art. 3

EVÜ im Einzelfall und nur in rechtlicher und nicht tatsächlicher Hinsicht ergehen würden, wäre

der Ausgang eines konkreten Rechtsstreits jedoch nicht voraussehbar. Es kann lediglich davon

ausgegangen werden, dass der EuGH zumindest in den wichtigsten Punkten zur Auslegung von

Art. 3 Abs. 1 EVÜ Stellung nehmen würde, um so die grössten

760 Das erste Protokoll, das die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs vorsieht, tritt für die Staaten, die es ratifiziert haben (also für alle Mitgliedstaaten außer Belgien und Irland), in Kraft, wenn das zweite Protokoll von Belgien ratifiziert worden ist; zum Ratifikationsstand vgl. Jayme/ Hausmann, 10. Auflage, Nr. 71 und 72; Martiny, ZEuP 1997, 107 (127 f.); http://ue.eu.int/accords/default.asp. 761 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des IPR (außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen) des Bundesjustizministeriums vom 15.4.1984 in der Fassung vom 1.12.1993, IPRax 1995, 132 f. – geplant ist insbesondere ein EU-Übereinkommen über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ II): Der Rat hat Fragebögen versandt und die „Groupe Européen“ ist dabei, den Entwurf eines Vertragstextes auszuarbeiten. Zu den Vorarbeiten vgl. Jayme, IPRax 1998, 140 f.; zu sonstigen bereits unternommenen Initiativen vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.

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Zweifel auszuräumen.762 Da sich das EVÜ in der Praxis der stillschweigenden Rechtswahl als

Fehlleistung herausgestellt hat, wird die Bereitschaft zur Rechtsvereinheitlichung innerhalb der

Europäischen Gemeinschaft kaum gestärkt.

Vor dem Hintergrund meines Ergebnisses bleibt zu hoffen, dass das Grünbuch alsbald mit einer

entsprechenden Änderung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ in Kraft treten und dadurch ein Mehr an

Harmonisierung sowie Voraussehbarkeit und Rechtssicherheit erreicht werden wird.

762 So Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003, in dem vorgeschlagen wird, dass der EuGH ggf. klarstellen könnte, dass die Wahl der Gerichte eines bestimmten Staates noch keine Rechtswahl darstellt, wenn es hierfür ansonsten keine Anhaltspunkte gibt.

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4. Kapitel: Die stillschweigende Rechtswahl in den USA

A. Einleitung

Auch wenn in den USA kein einheitliches Zivilrecht existiert, stammen 49 der 50 Zivilrechte in

den USA aus einer Quelle: Dem englischen Common Law – einem Komplex von

Rechtsnormen, die ursprünglich bloße Sitten und Gebräuche waren, durch langjährige Übung

aber zu objektivem Recht erhoben wurden.763 Selbst das Recht von Louisiana, das nicht aus

dieser Quelle stammt, ist stark amerikanisiert.764 Daher sind sie sich so ähnlich, dass ihre

Rückführung auf gemeinsame Grundlagen in den verschiedenen Restatements – das sind

private Kompilationen der von der Gerichtspraxis entwickelten Kollisionsregeln in

Gesetzesform – nicht schwierig war, zumal sie auch alle durch die einheitliche Sprache geprägt

sind.

Im Gegensatz dazu besteht die EU aus vier Rechtsfamilien, – der anglo-irischen, der

skandinavischen, der deutschen und der romanischen – innerhalb derer die Rechtsordnungen

deutlich voneinander abweichen und sich zudem durch zwölf verschiedene Sprachen

unterscheiden.765

Das Common Law beruht auf richterrechtlicher Rechtsetzung, enthält jedoch ungeachtet seiner

Rechtsquelle ebenso rechtliche Regeln und Prinzipien wie das kontinentale Recht.766 Es besteht

dabei zu einem grossen Teil aus Bestimmungen, die in Deutschland, Frankreich oder im

Gemeinschaftsrecht in Form eines einfachen Gesetzes niedergelegt wären.767 Zudem besteht

das Common Law aus fundamentalen Prinzipien, die Verfassungsrang haben und als

allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannt sind.768 Die für den anglo-amerikanischen Rechtskreis

typischen Merkmale des Fehlens einer umfassenden Kodifikation und der Vorherrschaft des

763 Arthur Kuhn, Grundzüge des englisch-amerikanischen Privat- und Prozeßrechts besonders im Vergleiche mit den Systemen des europäischen Kontinents, S. 9; auch Mathias Reimann weist, was das amerikanische common law angeht, auf die Rezeption des englischen Rechts hin, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 6. 764 Martiny/ Witzleb-Drobnig, Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 117. 765 Martiny/ Witzleb-Drobnig, Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 118. 766 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324; in diesem Sinne mit Ausführungen zum Federal Common Law auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 335 ff. 767 Stefan Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent – Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen, S. 1295, 1296. 768 Ausführlich zum Federal Common Law William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 335 ff.; Stefan Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent – Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen, S. 1295, 1296.

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Richterrechts bestätigen sich im Internationalen Privatrecht: In den USA existiert auch kein

einheitliches „amerikanisches“ Kollisionsrecht. Es gibt weder ein einheitliches “common law“-

Kollisionsrecht noch ein kodifiziertes gemeinsames Bundesrecht. Der Begriff “Conflict of

Laws“ (Kollisionsrecht) ist ein Oberbegriff, der zum einen die Regeln bezeichnet, die das

anwendbare materielle Recht bestimmen (im Amerikanischen “choice of law“ genannt) und

zudem die Regeln über die Zuständigkeit der Gerichte (“Jurisdiction“) umfasst sowie die

Urteilsanerkennung und Urteilsvollstreckung (“Recognition and Enforcement of Foreign

Judgements“).769

Jede Jurisdiktion hat ihr eigenes, nicht kodifiziertes Kollisionsrecht (“Restatement of Conflict

of Laws Second“), das entweder auf “state statutes“ oder Gewohnheitsrecht beruht. Da es kein

übergeordnetes Bundesrecht gibt, entscheidet jeder Staat selbst über das anwendbare Recht für

die vor seine Gerichte kommenden Fälle. Das Kollisionsrecht ist damit dem einzelstaatlichen

Recht vorbehalten worden.770 Konsequenz dieses Konzepts ist, dass man statt eines einzigen

„amerikanischen Systems“ 51 verschiedene Rechtsordnungen berücksichtigen muss, nämlich

die der 50 Bundesstaaten und des “District of Columbia“, wobei einige Rechtsordnungen

nahezu identische Inhalte haben.771 Der einstige englische Einfluß wirkt jedenfalls im

amerikanischen Privatrecht, seinen Institutionen, seinen Prinzipien, seiner Terminologie und

der Methode der Entscheidung nach Präzedenzfällen noch nach.772

B. Entwicklung

Sobald ein rechtliches Problem Vorfälle oder Angelegenheiten involviert, die mehr als nur

einen Staat betreffen, muss ein Gericht bestimmen, welchen Staates Rechtsnormen anwendbar

sind. Die Entwicklung derzeitiger Theorien zur Rechtswahl ist revolutionär. Die Entwicklung

beginnt mit der “Vested Rights“/ “territorial“-Theorie, die das Denken bis zum mittleren letzten

Jahrhundert dominierte. Dann, unter der Führung des American Law Institutes und einer Reihe

769 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Peter Hay, Einführung, S. 152, 153;Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324; so auch aufgeteilt bei William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., vgl. auch S. 160, 203, 339. 770 Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss, 339; so auch Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Peter Hay, Einführung, S. 165; Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324. 771 Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77. 772 Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7.

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von Richtern und Professoren geführt von Brainerd Currie, begann eine Analyse des

Rechtswahlkonfliktes, die “interests“ zu prüfen, die in jedem besonderen Rechtsproblem eine

Rolle spielen.773

I. Die Vested Rights-Theorie

Zwischen 1820 und 1840 trugen die Kollisionsrechtler James Kent und Joseph Story – ein

Richter des Supreme Court, der damit begann sich mit Rechtswahlkonflikten in den USA zu

beschäftigen – erheblich durch ihre mehrbändigen Commentaries on American law zu der

Entwicklung der Rechtswahl bei.774 Ursprünglich begann Rechtswahl als eine Disziplin in den

USA mit dem grundlegenden “treatise“ von Joseph Story, veröffentlicht in 1834.775 Story, stark

beeinflusst von den territorialen Konzepten früherer holländischer Denker, betonte das Recht

eines Staates, zu kontrollieren, was in seinen Gerichten vorgeht.776 Amerikanisches

Kollisionsrecht in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts konzentrierte sich auf die Arbeit von

Professor Joseph H. Beale von der Harvard Law School. Seine Anstrengungen mündeten in das

Restatement First of Conflict of Laws 1934 sowie Beales eigener “treatise“, veröffentlicht im

darauffolgenden Jahr. Im Kern von Beales Arbeit liegt ein territorialer Befehl, da sie auf der

Idee basiert, dass in dem Moment, in dem der Klagegrund entsteht, Rechte entstehen

entsprechend dem Recht des Ortes, an dem sich das Ereignis vollzog.777 Dies ist die sogenannte

Vested Rights-Theorie, die äußerst einflussreich war. Sie bot eine alternative Ansicht des

Rechtswahlprozesses, eine Sichtweise, die eher zu akzeptieren war als die territoriale und

formalistische Rechtsprechung des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts. Joseph H. Beale als

stärkster Gegner der Vested Rights-Theorie hielt ihr entgegen, dass ausländisches Recht

niemals wirksam werden könnte ausserhalb des Gebietes des ausländischen Souveräns.778 Die

Anwendung des Gerichtes von ausländischem Recht könnte vielmehr erklärt werden mit den

Bedingungen der Schaffung und Verstärkung von vested rights. Seiner Ansicht nach wird ein

773 Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158, 239 ff.; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., S. 327, 373 ff. (1999). 774 Während Kent 4 Commentaries on American Law veröffentlichte, brachte Story neun Commentaries über verschiedene Sachgebiete zwischen 1832 und 1845 heraus; dazu Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ 1987, S. 5 ff.; vgl. auch Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7. 775 Joseph Story, Conflict of Laws (1834). 776 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 63. 777 Brulhart, S. 144 Nr. 294; Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b. 778 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 c.

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Recht gegründet, sobald sich ein Ereignis in einem ausländischen Gebiet vollzieht.779 Da das

einzige Recht, das in einem ausländischen Territorium wirksam werden kann, das Recht eines

ausländischen Souveräns war, wurden die Existenz und der Inhalt eines solchen Rechts von

ausländischem Recht bestimmt.780

II. Die „Erie-Doktrin“

Bereits 1842 befand der Kollisionsrechtler und Richter Joseph Story, der sich als erster in den

USA näher mit dem Kollisionsrecht befasste, in der Entscheidung Swift v. Tyson781 des United

States Supreme Court, die Bundesgerichte seien frei, ein eigenes bundesstaatliches “Common

Law“-Kollisionsrecht zu entwickeln. Diese Regel, die anfangs nur für das Vertrags- und

Handelsrecht galt, dehnte man später auf fast alle Rechtsgebiete des Common Law aus.782 Ein

Kollisionsrecht war somit theoretisch zur Lösung der Fälle für die Bundesgerichte nicht

erforderlich. Die Wende wurde dann allerdings 1938 durch den Supreme Court mit dem Urteil

Erie Railroad Co. v. Tompkins783 eingeleitet: Der Kläger war durch einen Zug der beklagten

Eisenbahngesellschaft verletzt worden. Nach dem common law von Pennsylvania stand ihm

kein Anspruch zu, wohl aber nach federal common law. In diesem Urteil wurde die Swift-

Entscheidung verworfen und befunden, dass es kein bundesstaatliches Common Law gebe.

Vielmehr müsse das Sachrecht des Staates angewendet werden, in dem das Gericht sitze, also

einzelstaatliches Recht (sogenannte „Erie-Doktrin“).784 Dies bestätigte der Supreme Court kurz

danach für das Kollisionsrecht in seinem Urteil Klaxon Co. v. Stentor Electric Manufacturing

Co.785. Seit Story, auf den das territoriale Denken zurückgeht, hat sich das amerikanische

Kollisionsrecht in einer Weise entwickelt, die dem europäischen Internationalen Privatrecht

fremd ist. Beginnend mit der Wende dieses Jahrhunderts hatten soziologische Rechtsprechung

und dann Rechtsrealismus gelehrt, dass Rechtsregeln angepasst werden sollten, um

gesellschaftlichen Zielen zu dienen. Da Beale`s territoriales System nicht die hinter den

konkurrierenden materiellen Rechtsregeln stehenden Zwecke erforschte, befriedigte es nicht

779 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b, c. 780 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b, c. 781 41 U. S. 1 (14 ff.) (1842); Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 347. 782 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 293; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 371. 783 304 U. S. 64 (1938); Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 353.784 304 U. S. 64 (69 ff., 78) (1938); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 87; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 336; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws Part F § 104; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 352 ff. 785 313 U. S. 487 (496) (1941); bestätigt in: Day & Zimmermann, Inc. v. Challoner, 423 U.S. 3, 4, (96) (1975); vgl. hierzu auch Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 19 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 107; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 367.

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den Auftrag der Rechtsprechung des Zwanzigsten Jahrhunderts. David Cavers, ein junger

Professor erkannte dieses Problem 1933 in einem bahnbrechenden Artikel.786 Auch Walter

Wheeler Cook erkannte dieses Problem in einer Serie von Artikeln, die in seinem Buch „The

Legal and Logical Bases of the Conflict of Laws“ von 1942 endete.

III. Die Governmental Interest Analysis-Theorie

In den 1950ern wuchs die Unzufriedenheit über die starren Kollisionsregeln, was zu einer

Revolution führte, die von Currie ausgelöst wurde. Er wollte die kollisionsrechtlichen Fälle

mittels einer sogenannten Interessenanalyse (“Governmental Interest Analysis“), das heißt

rechtspolitischen Wertungen, lösen. Während die Arbeit an dem Restatement Second

voranschreitete, argumentierte Brainerd Currie, dass der Rechtswahlprozess sich an den Werten

orientieren sollte, die hinter den materiellen Rechtsregeln stünden.787 Ob eine Rechtsregel

anzuwenden war, sollte davon abhängen, ob die hinter der Rechtsregel stehende Wertung in

ihrer Anwendung gefördert werden sollte. Ein Gericht sollte anstatt starren Anknüpfungsregeln

zu folgen, ermitteln, ob und inwieweit die beteiligten Staaten überhaupt daran interessiert seien,

ihr Recht angewendet zu sehen.788 Folge dieses Ansatzes war, dass die Interessen der

teilnehmenden Staaten und die Erwartungen der Parteien mehr Bedeutung erlangten und

rechtspolitische Wertungen eine entscheidende Rolle spielten.789 Kritisiert wurde an dem

Ansatz, dass es unmöglich sei, den Zweck materieller Normen eindeutig zu bestimmen und

daraus Schlüsse auf ihre Reichweite herzuleiten. Der Ansatz sei unsicher.790 Currie` s Ansatz,

bekannt als “governmental interest analysis“, ist in verschiedensten Formen erschienen.791 Der

Ansatz, der von allen hier erwähnten und anderen Personen befürwortet wurde, führte zu dem

Entwurf des Restatements Second. Die Arbeit an diesem Projekt begann 1952 und wurde 1963

wesentlich vervollständigt. Schließlich erschien im Jahre 1971 nach neunzehn Jahren

786 David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev. 1933, 173. 787 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 246 ff. 788 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, S. 51 RabelsZ 1987, 11; Brainerd Currie, “The Silver Oar and All That”: A Study of the Romero Case, 27 U. Chi. L. Rev. 1959, 1, 68; Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88, 89; Bernd von Hoffmann, Internationales Privatrecht, S. 55; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521, 539 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (793); Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 85 f.; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 327, 328; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 241 ff., 252 ff. 789 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88; in diesem Sinne auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 239 ff. 790 Friedrich K. Juenger, A Critique of Interest Analysis, 32 Am. J. Comp. L. (1984), 1-50; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, 34 Mercer L. Rev. 1983, 521 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (794). 791 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158, 239 ff.

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Vorbereitung das Restatement Second792, das heute noch – wie gezeigt werden wird – in den

wichtigen Gebieten wie dem Vertragsrecht von grösstem Einfluss ist.793

IV. Der “proper law“-Ansatz

Generell meidet das Restatement Second feststehende und schnelle Regeln zugunsten des

allgemeinen Prinzips, dass das Recht des Staates mit der „meist bedeutenden Beziehung“ zu

dem Vertrag anwendbar sein soll. Ziel ist es, sicherzustellen, dass das Recht des von dem

Problem am meisten betroffenen Staates angewendet und dadurch ein vernünftiger Ausgang des

Rechtsstreites gesichert wird. Dieser Ansatz wird teilweise “proper law“ genannt.794

Das Restatement Second ist immer noch von grossem Einfluss in den wichtigen

Rechtsgebieten.795 Die meisten Staaten haben entweder die entscheidenden Vorschriften

ausdrücklich übernommen oder folgen immerhin ihrem Ansatz.796 Ungefähr vierzehn

Einzelstaaten der USA folgen dem Restatement Second, während zweiundzwanzig Staaten

noch der traditionellen Methode des ersten Restatements folgen. Nur zwei Staaten folgen der

Theorie von Currie und sechs Staaten797 kombinieren die verschiedenen Methoden.798 Während

der letzten Jahre wurde von Currie`s “interest analysis“ Abstand genommen.

Die besondere Problematik ist, dass die anscheinend unbestimmte, fast formlose Natur dieses

Prozesses zu einem ad-hoc Entscheidungsprozess geführt hat. Um diesem Problem

entgegenzuwirken, haben einige Richter und Gelehrte vorgeschlagen, aufgrund der grossen

Erfahrung mit modernen Formen von Rechtswahlanalysen, die Bekanntgabe neuer Regeln

zuzulassen, die sowohl funktionell als auch sicher sind. Das sich seit damals entwickelte

Einzelstaatenrecht der Gerichte muss sich allerdings in den Grenzen der US-Verfassung halten,

wobei bestimmte “federal statutes“ zu beachten sind. Es wird jedoch kaum von internationalen

multilateralen Übereinkommen beeinflusst.799 Louisiana ist der einzige Staat, der sein

792 Ausführlich dazu vgl. unter C. 793 Der Berichterstatter war Professor Willis Reese von Columbia. 794 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158. 795 Kennzeichnend ist seine Charakterisierung als private Kompilation der von der Gerichtspraxis entwickelten Kollisionsregeln in Gesetzesform. 796 Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 (1994); Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 329. 797 Hawaii, Louisiana, Massachusetts, New York, Oregon und Pennsylvania. 798 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ 1987, 10, 16; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 1996, 181, 183 ff., 186; dies hat sich auch in vielen Jahren nicht geändert, vgl. http://council.legislature.mi.gov/files/mlrc/1997/borrow.htm. 799 Vgl. mit Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 856 ff.

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Kollisionsrecht kodifiziert hat.800

Das amerikanische Kollisionsrecht hat sich im interlokalen Bereich entwickelt. Auf

internationaler Ebene werden die dort gefundenen Prinzipien entsprechend angewandt. Es gilt

für internationale und interlokale Fälle gleichermassen. Die Gerichte unterscheiden nicht

danach, ob ein Sachverhalt nur einzelstaatliche Grenzen oder die der USA überschreitet.801

Diese Merkmale finden sich auch im Internationalen Privatrecht vieler anderer Staaten. Die

Eigenart des anglo-amerikanischen Rechts liegt mehr in der Methode und Art der richterlichen

Entscheidungsfindung, wobei innerhalb der Staaten des Common Law insoweit wesentliche

Unterschiede bestehen.802 Da somit jeder Einzelstaat in den USA seine eigene Praxis zum

Internationalen Privatrecht besitzt und das amerikanische Kollisionsrecht ständig von neuen

Ansätzen überflutet wird, gestaltet sich die Lage insgesamt sehr undurchsichtig. Es ist

festzuhalten, dass die Parteiautonomie und damit die Rechtswahlfreiheit grundsätzlich in fast

allen Bundesstaaten anerkannt sind, auch wenn das Recht der amerikanischen Bundesstaaten

hier ein „uneinheitliches Bild“ bietet.803 Sie dient immerhin dem Interesse der Parteien nach

Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendungsentscheidung.804

C. Grundsätze der Rechtswahlmethodik nach dem Restatement of Conflict of Laws

Second

Die Restatements geben als private Kompilationen der von der Gerichtspraxis entwickelten

Kollisionsregeln dem europäischen Betrachter einen guten Überblick über das geltende

Internationale Privatrecht in den USA. Es handelt sich nicht um eine Kodifizierung, sondern um

800 Vgl. Louisiana Civil Code, Art. 3515-3549 in “Book IV Conflict of Laws”. Noch vor der Aufnahme in die Union 1812 gab sich Louisiana einen Zivilkodex nach Vorbild des französischen Codes Civil, der nach wiederholten Novellierungen noch heute in Kraft ist. Das Recht von Louisiana musste seither dem der Nachbarstaaten innerhalb der USA weithin angepasst werden, doch gilt beispielsweise das Kaufrecht des Uniform Commercial Codes hier nach wie vor nicht, vgl. ausführlich dazu Erik Jayme, Neue Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Louisiana, IPRax 1993, 56 ff. 801 Warner v. Kressly, 359 9 Wn. App. 358, 512 P. 2d 1116 (1118 f.) (1973); Ito International Corp. v. Prescott, Inc., 921 P. 2d 566 (571) (Wa. Ct. App. 1996); Lloyds Bank PLC v. Republic of Ecuador, 1998 WL 118170, 1 (7) (S. D. N. Y. 1998). 802 Jan Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 82; Julius von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, Art. 27-37 Rn. 135. 803 Vgl. nur Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 251 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 241 ff.; vgl. auch Wulf-Henning Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht: Das Versicherungsverhältnis im internationalen Vertragsrecht – zugleich ein Beitrag zum Schutz des schwächeren Vertragspartners im IPR und zur Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 434 (1985). 804 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1 (1972).

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einen Versuch, die amerikanische Gerichtspraxis in Rechtssätzen wie sie üblicherweise in

Gesetzen formuliert werden, zusammenzufassen.805 Auch wenn die Restatements in ihrer Form

Gesetzen ähneln, sind sie nicht bindend, werden jedoch von den meisten Gerichten freiwillig

befolgt. Die wichtigsten Regeln werden vom American Law Institute – einer privaten

Einrichtung – seit 1923 systematisch zusammengestellt.806 Für eine rechtsvergleichende

Untersuchung scheint das Restatement of Conflict of Laws Second insofern am geeignetsten zu

sein, als sich sogar der Ursprung einiger europäischer Normen auf das Restatement Second

zurückführen lässt: Die Struktur des Art. 4 EVÜ, der bei fehlender Rechtswahl einschlägig

ist,807 ist beispielsweise nicht europäischen Ursprungs, sondern lässt sich aus diesem

Restatement herleiten.808

Zudem wird die Anknüpfungsmethodik des Restatements Second in der amerikanischen

Gerichtspraxis am meisten vertreten: Von den 29 Bundesstaaten, die den modernen

amerikanischen Theorien folgen809, gehen immerhin 10810 von der Rechtswahlmethodik des

Restatements aus.811 Die anderen 22 Bundesstaaten haben die traditionelle Theorie

805 Bernd von Hoffmann, Internationales Privatrecht, S. 54; Friedrich K. Juenger, Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht – Eine Kritik aus amerikanischer Sicht, 46 RabelsZ 1982, 57, 80 ff.; vgl. Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7. 806 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 13 ff.; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 8. 807 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 808 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; vgl. auch Plender, S. 18. 809 Grundlegend zur Anwendung der modernen Theorien in der gerichtlichen Praxis: Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129, 131 ff. (1994); Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791-799; vgl. auch Peterson, S. 84; im Gegensatz dazu vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327 ff. (1999), der nur die Anwendung der traditionellen Theorie bespricht, anders jedoch in Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 183 ff., 186 (1996), wo er auf die modernen Theorien eingeht. Zu den 29 Bundesstaaten, die den modernen amerikanischen Theorien folgen, gehören unter anderem Wyoming, North Carolina, West Virginia und Montana, vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 331 (1999). 810 Und zwar die Folgenden: Alabama, Florida, Georgia, Kansas, Maryland, New Mexico, Rhode Island, South Carolina, Tennessee, Virginia, vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 330 (1999). Ausführlich dazu auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 184 ff. (1996). 811 Vgl. Bodenheimer, RabelsZ 51 (1987), 10, 16; Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 (1994); Kegel/ Schurig, S. 163; Peterson, S. 84, der von der „größten Zahl von Anhängern“ spricht; Stegemann, S. 4; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 330 (1999), der die Staaten sogar entsprechend aufzählt; anders hingegen Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592, der noch von 14 Bundesstaaten spricht; vgl. dazu auch Daiske Yoshida, Note, The Applicability of the attorney-client privilege to communications with foreign legal professionals, 66 Fordham L. Rev., 209, 235 (1997); dies ist auch heute noch so, vgl. folgende Webseite von 2000, http://www.usdoj.gov/archive//aag/testimony/2000/vetatstfinal.htm, sowie vom 22. August 2006: http:// www.insurancescrawl.com/archives/2006/08/conflict_of_laws_choice_of_law_and_insurance.html.

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beibehalten.812 Unter traditioneller Theorie im amerikanischen Internationalen Vertragsrecht ist

die sogenannte “lex loci contractus rule“813 zu verstehen, wonach der Vertrag nach dem Recht

des Staates zu beurteilen ist, in dem der Vertrag geschlossen worden ist.

Zu berücksichtigen ist, dass das Restatement heute zumindest teilweise repräsentativen

Charakter für die anderen modernen amerikanischen Theorien haben dürfte. Firsching weist

darauf hin, dass das Restatement Second einen „Zustand der Konsolidierung“ nach einer

„Sturm- und Drangzeit“ einleitete.814

I. Entwicklung

1. Restatement of Conflict of Laws First (1932) und Second (1971)

Das Restatement of Conflict of Laws First (1932), das 625 Paragraphen enthielt, war im Ansatz

territorial und stand unter dem Einfluß der Lehre von den wohlerworbenen Rechten (vested

rights). Es statuierte ein regelorientiertes, starres Kollisionsrecht.815 Das Restatement of

Conflict of Laws Second ist mit seiner Regelung eine Reaktion auf die klaren, aber einseitigen

Bestimmungen des Restatements First, da dessen regelorientiertes Kollisionsrecht nicht

geeignet ist, eine Vielzahl von Fällen mit verschiedenen Interessen zu berücksichtigen.816 Die

Regeln sind zu starr, um differenzierten Fällen gerecht werden zu können.

Im Gegensatz zum Restatement of Conflict of Laws First, übernahm das Restatement of

Conflict of Laws Second (1971) nicht die Vested Rights-Lehre seines Vorgängers, sondern

wurde vielmehr beeinflusst von diversen Ansätzen während seiner Entstehungszeit. Nach den

Worten seines Berichterstatters ist es in einer Zeit des Chaos entstanden, die sein Werk zum

812 Dazu vgl. Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 ff. (1994); Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); Peterson, S. 84; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 331 (1999). Dies ist auch heute noch so, vgl. folgende Webseite von 2000, http://www.usdoj.gov/archive//aag/testimony/2000/vetatstfinal.htm, sowie vom 22. August 2006: http://www.insurancescrawl.com/archives/2006/08/conflict_of_laws_choice_of_law_and_insurance.html. 813 Vgl. hierzu Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 459 (1962); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 186 (1996): “Lex loci contractus is still the law in the majority of jurisdictions, although there is a significant modern erosion of the rule…” 814 Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137. 815 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ, 9 (1987); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); hierzu ausführlich vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 64. 816 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 94.

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Provisorium abstempeln. Seine Schwäche liegt darin, dass es relativ wenig Anleitung enthält.817

Das Restatement Second ist ein komplexer Ansatz zur Rechtswahl, der sich zusammensetzt aus

dem weiten Bereich von traditionellen und modernen Rechtswahlmethodologien. Wie sein

Vorgänger ist es sehr umfassend und detailliert und enthält Hunderte von territorialen

Rechtswahlregeln, aufgeteilt nach Rechtsgebieten (Vertragsrecht, Deliktsrecht, Eigentum usw.).

Es enthält jedoch auch viel von der modernen Rechtswahlrevolution, einschließlich „grouping

of contacts“, „interest analysis“, „validation“ and „party autonomy“. Die Aufnahme des

Restatements Second hat zu mannigfaltiger, scharfer Kritik von seinen Kommentatoren geführt.

Es hat sich als extrem beliebt zwischen den Gerichten erwiesen.

Heute ist das Restatement Second, das von mehr als der Hälfte der Staaten übernommen wurde

und auch im Bundessystem sehr einflussreich ist, bei weitem das beliebteste Rechtswahlregime

im ganzen Land.818 Einige Gerichte scheinen sich uneins zu sein über die Absichten der

Verfasser.819 Das Restatement Second ist sehr dehnbar und wird durch drei Grundsätze

gekennzeichnet: Erstens soll eine Streitfrage grundsätzlich dem Recht des Staates unterliegen,

zu dem sie die „most significant relationship“ hat. Bei dieser Suche sind verschiedene Faktoren

zu berücksichtigen, die allgemein für alle Rechtsgebiete gelten und in § 6 des Restatements

Second aufgeführt werden.820 Zweitens ist der Rechtswahlansatz des Restatements Second

gekennzeichnet durch einige “grouping of contacts“-Abschnitte821 und drittens gibt es

zahlreiche Abschnitte, die Rechtswahlregeln für bestimmte rechtliche Klagen und

Angelegenheiten vorsehen.822 Diese grundsätzlichen Elemente werden später823 noch

detaillierter angesprochen.

2. Die “Center of gravity” oder “Grouping of contacts”-Theorie des Restatements First

Die Revolution im Kollisionsrecht fand auch in den Gerichten statt: In der für das Vertragsrecht

berühmten Entscheidung Auten v. Auten824 wurde von der traditionellen Methode des

817 American Law Institute, Restatement of the Law, Second, St. Paul 1971, Introduction, S. VII; dazu auch Brulhart, S. 147 Nr. 301; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 552 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (795); Willis L. M. Reese, American Trends in Private International Law: Academic and Judicial Manipulation of Choice of Law Rules in Tort Cases, 33 Vand. L. Rev., 717, 734 (1980). 818 Vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 2000: As the Century turns, 49 Am. J. Comp. L., 1 (2001). 819 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 205 ff. 820 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ, 9 ff. (1987); Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss 338, 344 (2000); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S.89, 94; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 329. 821 §§ 145 (2) und 188 (2), vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 211 ff. 822 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 212 ff. 823 Siehe unter 2. Teil C. II. 824 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954); gefolgt von Babcock v. Jackson, 12 NY2d 473 (1963).

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Restatements First abgerückt und begonnen, die Interessen der beteiligten Staaten zu

erforschen. Der Kläger in Auten wollte eine Trennungsvereinbarung vollziehen. Das Ehepaar

hatte in England geheiratet. Vierzehn Jahre später verklagte sie ihren Ehemann in New York

auf Grundlage der Vereinbarung wegen nicht bezahltem Unterhalt. Er verteidigte sich mit der

Begründung, dass sie, während sie in England gewesen sei, auf eine Scheidung geklagt habe,

wobei sie gegen die Trennungsvereinbarung verstoßen habe.825 Diese Verteidigung, die nach

englischem Recht ungültig ist, hatte Erfolg in den unteren New Yorker Gerichten. Das

Berufungsgericht hob das Urteil auf. Richter Fuld vertrat die Ansicht, es sollte die allgemeine

Rechtswahlregel gelten, dass Fragen bezüglich einer Vertragsvollziehung von dem Recht des

Ortes bestimmt werden, in dem der Vollzug stattfand. Fuld beobachtete dann, dass neuere Fälle

die “center of gravity“ oder “grouping of contacts“826-Theorie übernommen hatten, die nicht

dem Ort des Vertragsschlusses oder –vollzuges Bedeutung zuspricht, sondern das Recht des

Ortes hervorhebt, „das die bedeutendsten Berührungspunkte mit der Streitangelegenheit hat“.827

Fuld erkannte zwar, dass der “center of gravity“-Test weniger Sicherheit und Vorhersehbarkeit

als die starren, generellen Regeln bietete, akzeptierte aber dennoch die neue Theorie, da ihr

Fokus auf bestimmte rechtliche Angelegenheiten die Anwendung der Wertung der

Gerichtsbarkeit, die am engsten mit dem Fall verbunden ist, gestattete.828

Der Ausdruck “center of gravity“ entstammt einem casebook und wurde erstmals vom Supreme

Court in Indiana verwendet, um den Staat zu ermitteln, dessen Recht die Parteien für ihren

Vertrag mutmaßlich gewählt hätten.829 Der Ansatz ermöglichte es dem Gericht, sowohl jegliche

involvierten Interessen als auch die Absicht der Parteien und ein zielorientiertes Ergebnis zu

berücksichtigen. Daher war es sehr flexibel. Der “center of gravity test“ gestattete dem Gericht,

beides zu berücksichtigen, das Staats- und das Parteiinteresse.830

Negativ zu bewerten ist jedoch, dass es sich um eine bloße Formel handelt, die nicht angibt,

welche Berührungspunkte erheblich sind und welches Gewicht ihnen zukommt. Dies führt zu

825 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954); gefolgt von Babcock v Jackson, 12 NY2d 473 (1963); hierzu ausführlich William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 203 ff. 826 Ausführlich dazu Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791-799; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 211 ff.; zum Mangel an Vorhersehbarkeit auch Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), S. 521 (537); bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 827 Rubin v. Irving Trust Co., 305 N.Y. 288, 113 N.E.2d 424, 431 (1953); Warner v. Kressly, 359 9 Wn. App. 358, 512 P. 2d 1116 (1118 f.) (1973); vgl. auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 203 ff. 828 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws 203 ff. 829 Barber Co. v. Hughes, 223 Ind. 570, 586, 63 N.E. 2d 417, 423 (1945); vgl. Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 830 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws 204.

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Unsicherheit.831 Die Bestimmung des “center of gravity“ in Auten v. Auten832 war

unproblematisch. England war der bedeutendste Berührungspunkt, da das eheliche und

familiäre Domizil dort war, die Ehefrau und Kinder noch dort lebten und alle Parteien Briten

waren. Weiterhin rechtfertigte Fuld seine Wahl englischen Rechts mit der Begründung, dass

England als Rechtswahl am engsten im Einklang stand mit der bei Vertragsausführung

vorliegenden Absicht der Parteien.833 Die Entscheidung Auten v. Auten834 markierte eine grosse

Rechtsveränderung.835 Sie wurde von einem anerkannten Juristen für ein einflussreiches

Gericht geschrieben und in einer Zeit verkündet, als Internationales Privatrecht reif war für eine

Veränderung.836

Die wichtigste Auswirkung des Falles war sein Einfluss auf den Entwurf des Restatements

Second, der den “most significant relationship“837-Test übernahm. Das Konzept der “most

significant relationship“ bildet den Kern des Restatements Second und erscheint in jedem

Abschnitt. Einerseits erscheint es als eine generelle, noch übrig bleibende Rechtswahl-

Richtlinie, die anzuwenden ist, wenn kein bestimmter Abschnitt anwendbar ist. Andererseits als

eine Überprüfung und Begrenzung der Parteiautonomie im Vertrag oder Ausfluchtsweg,

benutzt um das irrationale Ergebnis eines mutmaßlichen Bezugsabschnittes zu vermeiden.

Andere Gerichte wiederum behielten den traditionellen Ansatz bei, so dass es heute

verschiedene Anknüpfungsregeln in den verschiedenen einzelnen Bundesstaaten gibt.838

Obwohl der primäre Effekt des Falles vorübergehend war, hat die Formulierung des “center of

gravity“ heute Aussagekraft, da einige Staaten den “center of gravity“-Test in gewissem

Umfang genauso behandeln wie den „most significant relationship“-Standard.839

831 Kritisch Peter Hay, Einführung, S. 170; Kay spricht abschätzig von der „arithmetic of contact-counting“, Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 (529); bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 832 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954). 833 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 204. 834 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954). 835 Die Arbeit an dem Restatement Second hatte in dem Jahr vor der Entscheidung in Auten begonnen. 836 Zum Beispiel 249 Minn. 376, 82 N.W.2d 365 (1957) (Zurückweisung der lex loci delicti in sogenannten „dramshop“ Fällen). Dieser Fall wurde unter Anwendung des Ansatzes des Restatements First entschieden. Er zeigt deutlich den zweistufigen Test: Zuerst wird das Problem des Falles charakterisiert und dann die Regel für das entsprechende Problem angewandt. 837 Ausführlich dazu Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 206 ff., 229 ff. 838 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 90; William M. Richman & David Riley, The First Restatement of Conflict of Laws on the Twenty-Fifth Anniversary of its Successor: Contemporary Practice in Traditional Courts,56 Md. L. Rev., 1196, 1200 f. (1997); Symeon C. Symeonides, The Judicial Acceptance on the Second Conflicts Restatement: A Mixed Blessing, 56 Mod. L. Rev., 1248, 1261 f. (1997). 839 Allerdings folgt North Dakota speziell eher dem “center of gravity”-test anstatt dem Second Restatement; New York benutzt den “center of gravity”-Test nicht mehr.

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Da das Restatement Second immer stärkeren Einfluss auf die Gerichtspraxis der Einzelstaaten

in den USA nimmt,840 soll im Folgenden genauer darauf eingegangen werden.

II. Inhalt des Restatements Second

1. Charakterisierung

Nach dem Restatement First muss der Richter grundsätzlich zunächst in einem

kollisionsrechtlichen Fall das streitige Problem qualifizieren. Er muss den Fall benennen, um

bestimmen zu können, welche Rechtswahlregel anwendbar ist (sogenannte

“characterization“).841 Dieser Vorgang richtet sich nach der lex fori: Der Richter muss auf sein

Recht blicken, um die entscheidende Kollisionsregel zu finden.842 Dem entspricht § 7 Abs. 2

des Restatements Second. Falls ein Fall beispielsweise hauptsächlich ein „Vertragsproblem“

beinhaltet, wird das Recht des Ortes des Vertragsschlusses oder der Vertragsvollziehung

angewendet. Offensichtlich kann das Ergebnis sich ändern, je nachdem wie das Gericht das

Problem qualifiziert. Es war unter Anwendung des Restatements First oft nicht nachvollziehbar,

warum das Gericht eine bestimmte Qualifikation eher vornahm als eine andere.843 Als

führendes Fallbeispiel dient Alabama Great Southern Railroad v. Carroll.844 Die Anwendung

der „Charakterisierung“ beinhaltet ein wesentliches Risiko: Es vermeidet generell

Begründungen und Erklärungen und fördert rückbezügliche Rechtswahlen anstatt das

Erforschen der Begründung, warum ein bestimmtes Ergebnis angemessen ist.845

2. § 187 des Restatements Second – Rechtswahl

a) Die Zulässigkeit der Rechtswahl – § 187 Abs. 1 Restatement Second

§ 187 des Restatements Second ist die „basic policy“, das Fundament der vertraglichen

Kollisionsregeln im Restatement Second und ein fast allgemeingültiger Grundsatz in den

840 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 204 ff., 213 ff.; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 195 f. (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1996, Tenth Annual Survey, 45 Am. J. Comp. L., 447, 459, 488 (1997); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46Am. J. Comp. L. 233, 266 (1998). 841 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 160 ff. 842 Forsyth v. Cessna Aircraft Co., 520 F. 2d 608 (611) (9th Cir. 1975); vgl. auch Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 90, 91. 843 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 160 ff. 844 11 So. 803 (1892). 845 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 161.

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USA.846 Danach ist die kollisionsrechtliche Parteiautonomie anzuerkennen und das von den

Parteien gewählte Recht anzuwenden.847 Das Prinzip der Parteiautonomie ermöglicht eine

einfache Lösung bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts und korrespondiert mit den

Interessen der amerikanischen Staaten an der Förderung internationaler Rechtsbeziehungen.

Bestimmung des anwendbaren Rechts bedeutet, das inländische Vertragsrecht des Staates unter

Ausschluss seiner Regeln des Internationalen Privatrechts zu identifizieren. Die Rechtswahl

muss nicht ausdrücklich sein, solange es sich um eine tatsächliche Rechtswahl handelt.848 Die

Parteiautonomie wird einheitlich in den USA anerkannt, da es der Rechtssicherheit und der

Vorhersehbarkeit dient, die als Werte von herausragender Bedeutung angesehen werden.849

Rechtsprechung850 und Literatur851 gestatten den Parteien einstimmig, das anwendbare Recht zu

wählen und erkennen damit die Parteiautonomie in vollem Umfang an. Es kann jedoch

festgehalten werden, dass die Parteiautonomie nicht nur überall in den USA anerkannt ist.

Vielmehr ist es ein grundsätzliches Rechtswahlprinzip in den meisten Ländern der Welt und in

vielen internationalen Übereinkommen. Folglich ist kaum überraschend, dass es auch der

Ausgangspunkt des Übereinkommens von Rom war, das für die meisten europäischen Länder

verbindlich ist.852

Die Problematik, welche Sachnormen auf das Zustandekommen des kollisionsrechtlichen

Verweisungsvertrages anzuwenden sind, ist in den USA nicht wie in Europa zum Gegenstand

eingehender wissenschaftlicher oder richterlicher Untersuchung gemacht worden. Nach dem

Restatement Second und der Gerichtspraxis ist für das Zustandekommen einer Rechtswahl

846 Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L. 135 (1994); Wolfgang Büchner, Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln im Rechtsverkehr mit Common Law-Staaten, RIW 1984, 180, 182; Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss 2000, 338, 344, 347 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 270; Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142; Russel J. Weintraub, Choice of Law in Contract, 54 Iowa L. Rev. 1968, 399, 406. 847 Peter Hay, Einführung, S. 165; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223 ff. 848 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297 (1982). 849 Vgl. beispielsweise Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 252. 850 Overseas Trading Co., S a v. U.S., 141 Ct.Cl. 561, 159 F.Supp. 382 (1958); B.M. Heede, Inc. v. West India Machinery & Supply Co., 272 F.Supp. 236 (S.D.N.Y. 1967). 851 Vitek Danilowicz, “Floating” Choice-of-Law Clauses and their Enforceability, 20 International Lawyer, 1005 (1986); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 93; Peter Hay, Einführung, S. 165; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 60 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 252; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 222 ff.; Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 856 ff.; Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142; Frank Vischer et al., Internationales Vertragsrecht, S. 29 ff.; Russel J. Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, S. 355 ff. 852 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297.

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zumindest hinsichtlich Willensmängeln bzw. für die Gültigkeit des Verweisungsvertrages in der

Regel die lex fori maßgeblich.853

Die Freiheit der Parteien, das Vertragsstatut zu wählen, ist zudem in sec. 1-105 (I) UCC, der

inzwischen in allen Staaten der USA in Kraft ist und als eine Regelung des Handelsrechts zur

inneramerikanischen Rechtsvereinheitlichung beitragen soll, gesetzlich verankert und stellt

damit auch Gesetzesrecht – “statute law“ – dar.854

Die Internationale Privatrechts-Kodifikation in Louisiana aus dem Jahre 1991 enthält jedoch in

Art. 3540 Civil Code eine eigenständige Regelung der Parteiautonomie, die keine

Beschränkungen erwähnt.855

Soweit es um Streitfragen geht, die der Parteiautonomie unterliegen, schreibt § 187 Abs. 1 die

Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts zunächst ausnahmslos vor.856 Reese, der

Berichterstatter des Restatements Second, betrachtete erstmals die Parteiautonomie als echte

Kollisionsnorm. Es gelang ihm, seine Kollegen vom American Law Institute, die mit ihm

jahrelang an der Neufassung des Restatements arbeiteten, von der Richtigkeit dieser Ansicht zu

überzeugen. Diese Entwicklung lässt sich an den Formulierungen der verschiedenen Entwürfe

zum zweiten Restatement verfolgen.

b) Die Grenzen der Rechtswahl – § 187 Abs. 2 Restatement Second

Schranken der Parteiautonomie sieht das Restatement allerdings in § 187 Abs. 2 (a), (b) und § 6

Abs. 2 (c) vor.857 Die Vertragspartner dürfen das anwendbare Recht aber jederzeit wählen: bei

oder nach Vertragsschluss ebenso wie im Prozess.858 Welche Grenzen der Parteiautonomie zu

setzen sind, das heißt, ob eine räumliche Beziehung zwischen dem Rechtsverhältnis und dem

Staat, dessen Recht gewählt wurde, zu fordern ist oder ob es ausreicht, dass die Parteien für die

853 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment b 562 (1971); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 273, 293. 854 Vgl. Peter Hay, Einführung, S. 165; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (387); Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 64 (1975); Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142. 855 Erik Jayme, Neue Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Louisiana, IPRax 1993, 56 ff.; Symeon C. Symeonides, Private International Law Codification in a Mixed Jurisdiction: The Louisiana Experience, 57 RabelsZ 1993, 460, 499. 856 Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 131. 857 Vgl. Peter Kaye, The New Private International Law of Contract of the european community, S. 148 (1993); William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223 ff.; dazu auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 222 ff. (1996). 858 Hulme v. Sweetman Construction Company, 230 F. 2d 66 (68) (10th Cir. 1956); Wells v. J. C. Penney Company, 250 F. 2d 221 (225 f.) (9th Cir. 1957); Rennick v. O.P.T.I.O.N. Care, Inc., 77 F. 3d 309 (313) (9th Cir. 1996).

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Rechtswahl ein vernünftiges Interesse haben, ist streitig: Früher wurde auf der Basis der

“substantial relationship“ - Regel die Rechtswahlabrede nur als gültig und für den Richter

beachtlich angesehen, wenn das für den Hauptvertrag gewählte Recht eine bestimmte

Beziehung zu den Parteien, dem Vertragswerk usw. aufwies. Der Hauptvertrag durfte nicht

schon durch seinen Charakter derart auf eine bestimmte Rechtsordnung fixiert sein, dass eine

Rechtswahl gegen die Interessen dieses Staates verstieß.859

Heute wird eine geographische Verknüpfung zwischen Vertrag und gewähltem Recht

überwiegend abgelehnt und stattdessen eine “reasonable relation“ gefordert. Im Gegensatz zur

“substantial relation“ wird keine Verbindung im Sinne eines räumlichen Kontaktes, sondern ein

vernünftiges Interesse der Parteien für das gewählte Recht vorausgesetzt. Es wird darauf

abgestellt, ob die Wahl des Vertragsstatuts von vernünftigen Parteien vorgenommen wurde.

Das Restatement Second setzt die Vernünftigkeit der Rechtswahl mit deren Ernsthaftigkeit

gleich. Auch die Verweisung auf ein Recht, das – ohne Berührungspunkte mit der Transaktion

aufzuweisen – den Parteien bekannt ist und eine klare Sachregelung des Vertragsgegenstandes

enthält, oder das bei verschiedenen Rechtsgemeinschaften angehörigen Parteien einen neutralen

Standard sichert, oder in dem der Rechtsberater einer Partei ausgebildet ist und praktiziert, kann

in diesem Sinne „vernünftig“ sein.860

Die amerikanischen Gerichte beurteilen die “reasonable relation“ in der Regel ausschließlich

nach objektiven Berührungspunkten, selbst wenn sie es subjektiv formulieren sollten.861 Im

859 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 65 ff.; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 222 ff. (1996). 860 Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 973-1025, 990 ff.; derselbe, Choice of Law in California – A “Prestatement“ A Response to Harold Horowitz`s “Restatement“, 21 UCLA L. Rev. 781, 791 (1973-74); Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 67; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 259; Notes and Comments, Conflict of Laws: “Party Autonomy” in Contracts, 57 Col. L. Rev. 1957, 553-576, 575; John Prebble, Choice of Law to determine the validity and effect of contracts: A comparison of english and american approaches to the conflict of laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 433-536, 503, 506; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 132.861 Vgl. Department of Motor Vehicles v. Mercedes-Benz of North America, Inc., 408 So. 2d 627 (Fla. App. 1981); Nordson Corp. v. Plasschaert, 674 F. 2d 1371 (1375) (11th Cir. 1993); First National Bank of Louisville v. Insurance Centers, Inc., 560 F. Supp. 1261 (E.D.Mo. 1983); Hunter v. H.D.Lee Co., Inc., 563 F.Supp. 1006 (N.D.N.Y. 1983); Schulke Radio Productions, Ltd. v. Midwestern Broadcasting Co., 6 Ohio St.3d 436, 453 NE.2d 683 (686) (Oh.Sup.Ct. 1983); Zerman v. Ball, 735 F.2d 15, 23 (2d Cir. 1984); Kalman Floor Co. v. Jos.L. Muscarelle, Inc., 196 NJ Super 16, 481 A. 2d 553, 555 f. (N.J.Super.Ct. 1984).

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Gegensatz zum EVÜ von 1980862 lässt das Restatement Second eine Rechtswahl nur zu, wenn

sie ein validierendes Recht zur Anwendung kommen lässt und das gewählte Recht nicht auch

das objektiv anwendbare Recht gemäss § 188 ist.863

Während 1960 noch objektiv an das Recht des Landes angeknüpft wurde, in dem der

Schwerpunkt des Vertrages lag und der Parteiwille nur die Funktion eines “important factor“

für die Bestimmung dieses Schwerpunktes haben sollte, wurde danach die Rechtswahl der

Parteien als unabhängiger Anknüpfungsgrund eingeordnet und nicht länger unter dem

Oberbegriff der Anknüpfung durch Ermittlung des Schwerpunktes des Rechtsverhältnisses. Nur

bei Fehlen einer Rechtswahl ist das maßgebliche Recht objektiv durch “the most significant

relationship“ zu bestimmen (§ 188 Abs. 1).864 Wenn kein Rechtswahlgesetz vorhanden ist,

basiert eine Rechtswahl auf einer Folge von Faktoren, die viele der Themen der Revolution der

Rechtswahl einfangen: den Bedürfnissen der innerstaatlichen und internationalen Systeme, den

relevanten Wertungen des Gerichtsstandes oder anderer interessierter Staaten und den relativen

Interessen der Staaten, die die besondere Angelegenheit bestimmen. Die Verfasser entschieden

wohlüberlegt, die Faktoren in keiner bestimmten Reihenfolge an Wichtigkeit aufzulisten und

erkannten an, dass „einem besonderen Faktor oder einer Gruppe von Faktoren in verschiedenen

Rechtswahlgebieten unterschiedliches Gewicht beizumessen ist.“865

c) Die ausdrückliche Rechtswahl

Eine Rechtswahl kann nach dem Restatement Second in verschiedenen Formen auftreten. Am

einfachsten ist die Form einer ausdrücklichen Rechtswahlvereinbarung. Diese bedarf allerdings

nicht notwendig der Schriftform, sondern wird auch in mündlicher Form anerkannt.866 Als eine

862 Das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen ist seit dem 1. April 1991 verbindlich. Österreich, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Dänemark, Belgien, Irland, Luxemburg, Holland, Deutschland, Portugal, Spanien, Schweden und England haben das Übereinkommen ratifiziert. 863 Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 299; vgl. Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 284; Eugene F. Scoles & P. Hay, Conflict of Laws, S. 656 ff. 864 Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Bd. 3, S. 73; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 62 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 207 ff., 226 ff.; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 134. 865 Vgl. Restatement Second 36, comment c. Obwohl die Liste von Faktoren erstmals in einem Artikel erschien, mitverfasst von dem Berichterstatter des Restatements Second, vgl. Elliot E. Cheatham and Willis L. M. Reese, Choice of the Applicable Law, Col. L. Rev. 1952, 959, 962-981, offenbart sie eine Schuld gegenüber Professor Currie und Leflar, den verschiedenen Mitteln eines echten Konflikts-Beschlusses und sogar gegenüber dem Restatement First. 866 Nakhleh v. Chemical Const. Corp., 359 F.Supp. 357 (S.D.N.Y. 1973).

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ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über das auf ihren Vertrag anwendbare Recht genießt

sie absolute Priorität.867

aa) Choice-of-law clause

Da “choice-of-law“-Entscheidungen unter den modernen Ansätzen in den USA kaum

voraussehbar sind, ist den Parteien grundsätzlich zu einer Vereinbarung über das anwendbare

Recht – einer “choice-of-law clause“ – zu raten. In der Praxis wird zu diesen sogenannten

“choice-of-law clauses“ zunehmend Zuflucht genommen, vor allem in den weit verwendeten

gedruckten Bestimmungen: Ladescheine und Charterverträge, Spedition, Versicherungs- und

Bankbedingungen – all diese enthalten ausdrückliche “choice of law clauses“.868 In den USA

werden diese “choice of law clauses“ als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl anerkannt. Die

Fälle, die “choice of law clauses“ beinhalten, sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen.869 “Choice

of law clauses“ werden von der umfassenden Mehrheit der Fälle üblicherweise ohne viel

Diskussion aufrechterhalten.870 Von den mehr als zweihundert Fällen auf diesem Gebiet aus

dem Jahre 1995 haben nur 26 eine “choice-of-law clause“ vollständig oder teilweise für

ungültig erklärt.871 Es ist interessant, festzustellen, dass in den meisten Fällen von 1995, in

denen das Gericht verweigerte, das von den Parteien gewählte Recht anzuwenden, der Grund

darin lag, dass die Angelegenheit, auf die sich das gewählte Recht bezog, nicht-vertraglich

war.872 Beispielsweise verweigerte das Gericht, das gewählte Recht auf Angelegenheiten des

Betruges oder andere Deliktsklagen,873 auf Anwaltsgebühren,874 Zwangsvollstreckung einer

867 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226. 868 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 221 (1996). 869 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 221 (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 385 ff. (1999). 870 Dazu beispielsweise Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 385 ff. (1999). 871 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 195 f., 221 (1996). 872 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 195 f., 221 (1996). 873 Vgl. beispielsweise Benson v. Merck, 1995 WL 110570 (N.D. Cal. 1995) (applying chosen law but concluding that because that law “dictates that a contractual choice-of-law provision does not govern tort-based claims…., the Court must apply the law of the forum.” Id. at p. 4); Atchison Casting Corp. v. Dofasco, Inc., 1995 WL 655183, 889 F. Supp. 1445, 1458-59 (D.Kan. 1995); Pizzeria Uno of Kingston, Inc. v. Indepence Mall Group, 1995 WL 419932 (MA Superior Court, Suffolk County 1995); Audiotext Communications Network, Inc. v. US Telecom, Inc., 1995 WL 625744 (D. Kan. 1995) (decided under Florida` s conflicts law). 874 Vgl. Telmark, Inc. v. Schierloh, 102 Ohio App.3d 801, 658 NE.2d 43 (1995); Payapratama v. Bankers Trust Co., 1995 WL 495634 (S.D.N.Y. 1995); vgl. hingegen die zwei Ausnahmefälle Arno v. Club Med Boutique Inc., 134 F.3d 1424 (9th Cir. 1998, entschieden nach Kalifornischem conflicts law) und Servicios Comerciales Andinos. S.A. v. General Electric del Caribe, Inc., 145 F.3d 463 (1st Cir. 1998), dazu ausführlich: Symeon C. Symeonides,Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 353 (1999).

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Hypothek,875 oder Verjährungsrecht anzuwenden.876 Die Zulässigkeit von Rechtswahlklauseln

richtet sich allerdings nach einzelstaatlichem Recht und divergiert.877 Grundsätzliche

Voraussetzung für eine Rechtswahl ist nach der amerikanischen Lehre, dass folgende

Vertragsmerkmale vorhanden sind: Sowohl das subjektive Moment des Willens wie auch das

objektive Moment einer Erklärung dieses Willens nach außen müssen vorliegen. Fehlt es an

einem übereinstimmenden Rechtswahlwillen oder seiner Kundgabe nach außen, scheidet eine

Rechtswahl von vornherein aus. Bei einer ausdrücklichen Rechtswahl sind diese Merkmale

problemlos festzustellen.878

bb) Choice-of-law clause in Kombination mit Gerichtsstands- oder

Schiedsgerichtsklauseln

Rechtswahlvereinbarungen werden in den USA oft mit Gerichtsstands- oder

Schiedsgerichtsklauseln kombiniert. Folglich sind zwei Arten von Klauseln involviert: choice-

of-law clauses (Rechtswahlklauseln) und choice-of-forum clauses (Gerichtsstandsklauseln). Die

rechtlichen Probleme, die sich daraus ergeben, sind bei beiden ähnlich. Aber, wie bereits

festgestellt, gibt es Begrenzungen der Parteiautonomie, da es Angelegenheiten gibt, die ein

Staat von seinen eigenen Gerichten unter Anwendbarkeit seines eigenen Rechts entschieden

haben will. Da Schlichtung von der American Arbitration Association oder dem International

Chamber of Commerce geregelt wird, kann es durchaus vor einem Gericht erscheinen, das in

einem Staat lokalisiert ist, der keine Beziehung zu der Transaktion hat.879

Auch “floating choice-of-law“ clauses, eine sogenannte schwebende Rechtswahl, und

“construction clauses“ werden insbesondere im internationalen Vertragsrecht in England880 und

875 Vgl. Vanice v. Oehm, 247 Neb. 298, 526 N.W. 2d 648, 651 (1995); Harbor Funding Corp. v. Kavanagh, 666 A. 2d 498, 500 (Me. 1995); Red Rock Commodities, Ltd. v. ABN-AMRO Bank, N.A., 1995 WL 714349, S.D.N.Y., Dec 05, 1995.876 Vgl. Fisher v. Reich, 1995 WL 23966 (S.D.N.Y. 1995); Audiotext Communications Network, Inc. v. US Telecom, Inc., 1995 WL 625744 (D. Kan. 1995) (decided under Florida` s conflicts law); vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 381 ff. (1999). 877 Fuller Co. v. Compagnie des Bauxites de GuinŽe, 421 F. Supp. 938 (W. D. Pa. 1976); General Electric Co. v. Keyser, 166 W. Va. 456, 275 S.E.2d 289 (1981): Musgrave v. HCA Mideast, Ltd., 856 F.2d 690 (4th Cir. 1988); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika 290 (1987); Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 332; Willis L. M. Reese et al., Cases and Materials on Conflict of Laws Chapter 9. 878 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 69. 879 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1201. 880 Vgl. hierzu: Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 (1112).

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den USA881 überwiegend als Rechtswahlvereinbarung ausgelegt und als Form einer

ausdrücklichen Rechtswahl anerkannt. Es sind in der Benutzung von Rechtswahl- und

Gerichtsstandsklauseln verschiedene Tendenzen zu beobachten.882 In vielen Gebieten sind die

Anwälte immer noch besorgt, ihre internationalen Geschäftsverträge mittels vorsichtig

verfasster Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln sicher in dem Einzugsbereich eines

nationalen Rechts, falls möglich das Recht ihrer Mandanten oder ein zuverlässiges neutrales

Recht, verankert zu haben.883 In anderen Gebieten des internationalen Handels tauchen

Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln hingegen nicht auf.884 Das kann daran liegen, dass die

Parteien das Geschäft als eine Routineangelegenheit betrachten und sich auf die Regeln des

Internationalen Privatrechts verlassen. Allerdings scheinen in manchen Gebieten die Parteien

anzunehmen, es sei bereits ein ausreichendes Maß an internationaler Einheitlichkeit existent, so

dass die Frage des anwendbaren nationalen Rechts nicht entschieden werden muss. In anderen

Fällen vermuten die Parteien, dass die Frage einer ausdrücklichen Rechtswahl und eines

Gerichtsstandes eine unnötige Streitigkeit über eine Prestigeangelegenheit verursachen und

somit die Chancen einer effektiven Kooperation beeinträchtigen würde.885 Die Parteien haben

manchmal den Eindruck, die Wahl eines spezifischen nationalen Rechts sei nicht hilfreich und

würde den vorsichtig verhandelten Interessenausgleich, der sich im Vertrag widerspiegelt,

beeinträchtigen. Allerdings betrachten die Parteien in den meisten Fällen die ausdrückliche

Rechtswahlklausel immer noch als einen sicheren Schutz gegen unvorhergesehene rechtliche

Konsequenzen. Ausserdem bestehen einige Länder auf Anwendung ihres eigenen nationalen

Rechts.886

d) Die stillschweigende Rechtswahl und der hypothetische Parteiwille

Bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl der Parteien muss ihre implizierte Absicht ermittelt

werden.887 Das Gebiet einer „stillschweigenden“ im Gegensatz zu der „hypothetischen“

Rechtswahl, ist in der Praxis undurchsichtig. Selbst nach der objektiven Umdeutung der

untergeordneten Regel tendierten die Gerichte dahin, diese zwei Ansätze zu vertauschen,

881 Foreman v. George Foreman Associates, Ltd., 517 F. 2d 354, 356 (9th Cir. 1975); Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 f. (6th Cir. 1977); Sullivan v. Sayin Business Machines Corp., 560 F.Supp. 938, 939 (N.D.Ind. 1983); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 290 (1987); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45. 882 Vgl. hierzu: Vitek Danilowicz, “Floating” Choice-of-Law Clauses and their Enforceability, 20 International Lawyer, 1005 ff. (1986). 883 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 884 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 885 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 886 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 887 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; so auch Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 343 (1952).

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obwohl zumindest prozessuale Forderungen ihre unzweideutige Trennung erzwingen. Das

Abwiegen der objektiven Interessen macht deutlich, dass stillschweigende Rechtswahl die

individuellen, subjektiven Vertragsmerkmale oder die Merkmale eines vertraglichen Verhaltens

hervorhebt.888 Sowohl die Rechtsprechung889 als auch die Literatur890 erkennen allerdings in

den USA neben einer ausdrücklichen Rechtswahl eine stillschweigende bzw. schlüssige

Rechtswahl an, die auch als “implied or inferred intention“ oder “tacit election, choice or

agreement“ bezeichnet wird.891 Das bedeutet, dass die Wahl des anwendbaren Rechts nicht

ausdrücklich sein muss, solange es sich um eine tatsächliche Rechtswahl handelt. Wenn die

Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung bezüglich des anwendbaren Rechts getroffen haben,

sich aber bei einem mehrstaatlichen Vertragsverhältnis aus ihren Äußerungen schließen läßt, sie

seien übereinstimmend von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ausgegangen, so wird

ihre hieraus abgeleitete stillschweigende Rechtswahl gleichermaßen berücksichtigt.892

Die stillschweigende Rechtswahl bereitet allerdings im Gegensatz zur ausdrücklichen

Rechtswahl Schwierigkeiten. Zwar belegen zahlreiche amerikanische Entscheidungen893, dass

der stillschweigende Parteiwille dem ausdrücklichen gleichgestellt wird: Die amerikanische

Lehre fordert für beide einen tatsächlichen Rechtswahlwillen und dessen indirekte

Manifestation nach außen. Problematisch ist jedoch, woran eine stillschweigende Rechtswahl in

der Praxis festgemacht, wie sie ermittelt und bewiesen werden kann. Darauf wird im Folgenden

genauer eingegangen. Die stillschweigende Rechtswahl ist von dem hypothetischen

888 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229. 889 Kleve v. Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft in Basel, 182 Misc. 776 (780), 45 N.Y.S. 2d 882 (886) (1943); Bartlett & Co., Grain v. Merchants Co., 323 F. 2d 501 (505) (5th Cir. 1963); American Service Mutual Insurance Co. v. Bottum, 371 F. 2d 6, 11 (8th Cir. 1967); Cole v. State Automobile & Casualty Underwriters, 296 N.W. 2d 779 (782) (Ia. 1980). 890 David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev., 185 (1933); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 469 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff.; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223; Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 859 ff.; Robert Allen Sedler, The Contracts Provisions of the Restatement (Second): An Analysis and a Critique, 72 Col. L. Rev. 1972, 279-328, 327 ff.; Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 891 Vgl. beispielsweise Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; so auch vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (165). 892 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment a 561 (1971); Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1211; vgl. auch Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff. (1987); William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223. 893 Cable Co. v. McElhoe, 58 Ind. App. 637, 108 N.E. 790 (1915); Blair v. New York Life Ins. Co. 104 P. 2d 1075, 1079 (Cal. Ct. App. 1940); Paulansky v. Polish Roman Catholic Union of America, 219 Ind. 441, 39 N.E. 2d 440 (1942); Hall v. Keller, 80 F.Supp. 763, 79 U.S.P.Q. 286 (W.D. La. 1948); Maxwell Shapiro Woolen Co., Inc. v. Amerotron 158 N.E. 2d 875 (Mass. 1959); Yager v. Rubymar Corp., 34 Misc.2d 704, 216 N.Y.S.2d 577 (1961).

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Parteiwillen – “the presumed intention of the parties“ – abzugrenzen, bei dem es sich nicht um

einen Willen der Parteien, sondern um eine objektive, individualisierende Methode zur

Anknüpfung an den Schwerpunkt des Vertrages handelt.894 Die Gerichte stellen in ihren

Entscheidungen895 klar, dass sie eine rein objektive Schwerpunktbestimmung des Vertrages

vornehmen. Für eine wirksame stillschweigende Rechtswahl muss hingegen sicher sein, dass

die Parteien das gewünschte Recht tatsächlich gewählt haben. Ein bloß hypothetischer

Parteiwille reicht nicht.896

Eine scharfe Grenzziehung zwischen stillschweigender und hypothetischer Rechtswahl ist auch

im amerikanischen Kollisionsrecht in der Praxis kaum möglich. Die amerikanische Lehre weist

zwar auf die Unterscheidung zwischen realem (“party-made“), stillschweigendem und irrealem

(“court-made“), hypothetischem Parteiwillen hin.897 Jedoch vergrößert die Rechtsprechung ihre

diesbezügliche Unsicherheit dadurch, dass sie dogmatisch nicht genau trennt. Konsequenz

daraus ist, dass “implied“ und “presumed intention“ jeweils sowohl für einen stillschweigenden

als auch für einen hypothetischen Parteiwillen stehen können. Die Gerichte formulieren

beispielsweise in ihren Entscheidungen “that the law governing this contract is that which the

parties intended, or may fairly presumed to have intended“.898

Bei der stillschweigenden Rechtswahl bei Verträgen (“contracts without a choice-of-law

clause“) haben sich in den letzten Jahren zwei Methoden entwickelt, um die

Rechtswahlkonflikte zu lösen.899 Die erste Methode, bekannt als “uniform-contract-

interpretation“-Methode, zielt darauf ab, das Recht nur eines einzelnen Staates anzuwenden,

selbst wenn der Vertrag mehrere Rechtsordnungen berührt. In der Regel führt diese Methode

dazu, dass das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Vertrag entweder abgeschlossen

894 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 188 Comment a (1971); David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev. 1933, 185; Robert Keith Larson, Choice of Law: Illinois Contract Cases, 31 Chi.-Kent L. Rev. 1952-53, 291-352, 308; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 70 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 269; Ernst Rabel, An interim account on comparative Conflicts Law, 46 Mich. L. Rev. 1947-48, 625, 635. 895 General Acceptance Corp. v. Lyons, 125 Vt. 332, 215 A.2d 513 (1965); Jansson v. Swedish American Line, 30 A. L. R. 2d 1385 (1950), 185 F. 2d 212, 216 (1st Cir 1950); Boston Law Book Co. v. Hathorn 119 Vt. 416, 127 A.2d 120 (1956). 896 In diesem Sinne auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223. 897 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Robert A. Leflar, Choice-Influencing Considerations in Conflicts Law, 41 N. Y. U. L. Rev. 1966, 267, 283. 898 Mullay v. Carlisle Chemical Works, Inc., 177 F.Supp. 588, 593 (D.N.J. 1959); auch vermengt in Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 (6th Cir. 1977). 899 Zu “contracts without a choice-of-law clause“ vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 224 (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 390 ff. (1999).

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wurde oder der andere wichtige Verbindungen mit dem Vertrag oder den Parteien hat.900 Die

andere Methode, das heißt die sogenannte “site-specific“-Methode, wurde in der Entscheidung

Reichhold Chemicals901 und Param Petroleum902 verfolgt und wird teilweise auf § 193 des

Restatements Second gestützt.903 Diese Methode verfolgt nicht das Ziel, das Recht eines

einzelnen Staates auf den gesamten Vertrag anzuwenden, sondern konzentriert sich stattdessen

auf das Recht des Staates, in dem die Vertragsverletzung stattfand, es sei denn ein anderer Staat

hat eine noch bedeutendere Beziehung in dem konkreten Fall.904 Der Supreme Court von New

Jersey wies den “uniform-contract approach“ 1993 in dem Urteil Gilbert Spruance Co. v.

Pennsylvania Manufacturers´Ass´n Ins. Co.905 zurück und begann, den “site-specific approach“

zu entwickeln.906 Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Pennsylvania war der

Wohnsitz des Versicherers, des Versicherten, des Versicherungsvertrages und der versicherten

Abfall produzierenden Anlage. New Jersey war der Ort, an dem der Abfall deponiert worden

war. Spruance war somit weder ein “multistate“- noch “multisite“-Fall, vielmehr ein “bi-state“,

“split-site“-Fall. Das Gericht wendete hier das Restatement Second an und entschied, dass das

Recht des Staates anwendbar sei, wo der hauptsächliche Ort des versicherten Risikos sei, es sei

denn ein anderer Staat habe eine „dominante bedeutende Beziehung entsprechend den

Prinzipien aufgezählt in § 6 des Restatements“.907

Im Jahre 1997 wurden neun von elf Fällen nach der “site-specific“-Methode entschieden.908

Das Restatement Second setzt fest, dass bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl der Parteien

das Recht des Staates anwendbar ist, das in Bezug auf den speziellen Fall die wichtigste

Beziehung zu dem Geschäft und den Parteien hat (the „most significant relationship“, vgl.

§ 188 (1)).909 Folgende Gesichtspunkte sollen bei Anwendung dieser “choice-of-law principles“

900 Vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 901 Reichhold Chemicals, Inc. v. Hartford Accident & Indemnity Co. 703 A. 2d 1132 (Conn. 1997). 902 Param Petroleum Corp. v. Commerce & Industry Insurance Co. 686 A. 2d 377 (N.J. App. 1997). 903 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46 Am. J. Comp. L., 233, 276 (1998); vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 904 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 905 134 N.J. 96, 629 A. 2d 885 (1993). 906 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 907 629 A. 2d 893; vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 363 ff. (1999). 908 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46 Am. J. Comp. L., 233, 276 (1998). 909 Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Band 3, S. 73; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 62 ff.; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 134.

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Berücksichtigung finden: der Ort des Vertragsschlusses, der Ort der Vertragsverhandlungen,

der Ort der Vertragsausführung sowie des Vertragsgegenstandes, der Geschäftssitz der Parteien,

ihr Wohnsitz, ihre Nationalität.910 Das Gericht, das diese Methode anwendet, zählt nicht die

Indizien, die einschlägig sind. Vielmehr betrachtet es, welches Indiz am wichtigsten ist.

Während einige Indizien mehr Bedeutung haben, sind andere weniger zu berücksichtigen.911 Es

gibt keine Vereinbarung bezüglich der Wichtigkeit dieser Indizien, aber die

Gerichtsentscheindungen zeigen, dass einige Indizien bedeutungsvoller sind als andere. Dem

Indiz der Gerichtsstandsklausel wird beispielsweise – wie sich noch herausstellen wird – immer

ein grosses Gewicht beigemessen. Um zu wissen, welches die wichtigsten und

aussagekräftigsten Indizien sind, müssen die Gerichtsentscheidungen gründlich betrachtet

werden.

3. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis

Auch die amerikanische Rechtsprechung ermittelt den stillschweigenden Parteiwillen anhand

von Indizien, obwohl sich noch keine festen Regeln oder Strukturen gebildet haben, die in

schematischer Form bei Vorliegen gewisser typischer Umstände von einer schlüssigen

Rechtswahl ausgehen. Vielmehr wird der Parteiwille durch die Berücksichtigung aller

Umstände des Vertrages bestimmt.912

Die Gerichte ziehen alle relevanten Umstände in Betracht, wie zum Beispiel auch die

Heimatländer der Vertragsparteien, die Benutzung von Standardformularen und die Wahl eines

Gerichtsstandes oder eines Schiedsgerichtsortes. Es werden alle möglichen Hinweise

herangezogen und geprüft, ob sie auf eine stillschweigende Rechtswahl hindeuten.

Folgende Indizien sollen daraufhin näher untersucht werden:

a) Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel

Während Schiedsgerichtsklauseln eine relativ neue Entwicklung darstellen, werden

Gerichtsstandsklauseln seit Ende des letzten Jahrhunderts benutzt und prozessiert und

„historisch nicht befürwortet von den amerikanischen Gerichten.“ Der Supreme Court erklärte

eine ausländische Gerichtsstandsvereinbarung erstmals im Jahre 1900 für nichtig unter dem

Harter Act, der in seinem Versuch, die relative Haftung von Verfrachtern durch die

Regulierung von Ladescheinen zu definieren, als ein Vorläufer von COGSA (Carriage of

910 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 188 (1971); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181 (1996); Peter Stone, The Conflict of Laws, S. 14 (1995). 911 Am. Jur. 2d Conflict of laws to constitutional law § 84 (1979). 912 Blair v. New York Life Ins. Co. 104 P. 2d 1075, 1079 (Cal. Ct. App. 1940).

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Goods by Sea Act) diente.913 Nach einer langen Entwicklung lässt sich die Tendenz

amerikanischer Gerichte914 zur Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen feststellen. Die

Abrede eines Gerichtsstandes ist nämlich auch in den USA zu einem unerlässlichen und

wichtigen Bestandteil des Wirtschafts- und Rechtslebens geworden, auch wenn amerikanische

Gerichte dem früher kritisch gegenüberstanden. Gerichtsstandsklauseln sind historisch nicht

befürwortet worden von amerikanischen Gerichten. Viele Bundes- und Landesgerichte haben es

abgelehnt, solche Klauseln anzuerkennen mit der Begründung, dass sie „gegen das

Gemeinwohl verstießen“ oder es ihre Auswirkung sei, „die Gerichtsbarkeit des Gerichtes

abzusetzen“. Obwohl diese Ansicht noch immer beträchtliche Akzeptanz findet, tendieren

andere Gerichte heute dahin, eine mehr positive Einstellung gegenüber Gerichtsstandsklauseln

einzunehmen. Das Argument, dass solche Klauseln ungeeignet sind, da sie dazu neigen, ein

Gericht von seiner Gerichtsbarkeit zu entfernen, wird als eine verkümmerte rechtliche Fiktion

angesehen.915 Es erscheint im Kern auf historischem richterlichem Widerstand gegenüber

jedem Versuch zu beruhen, die Macht und das Geschäft eines bestimmten Gerichtes zu

verringern und hat wenig Raum in einem Zeitalter, in dem alle Gerichte überbeschäftigt sind.

Denn Geschäfte, die einst hauptsächlich auf lokaler Ebene stattfanden, operieren nun in

Weltmärkten.916

Der ehemalige kritische Standpunkt änderte sich jedoch mit der bahnbrechenden Entscheidung

M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co.917. Die Vollziehung von

Gerichtsstandsklauseln in internationalen Übereinkommen wird bestimmt von der Supreme

Court-Entscheidung, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die amerikanische Gesellschaft

Zapata Off-Shore Company hatte mit der deutschen Firma Unterweser Reederei GmbH einen

Vertrag geschlossen, der diese verpflichtete, die Ölbohrplattform „Chaparral“ Zapatas von

Louisiana nach Italien zu befördern. Der Vertrag enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten

des High Courts of Justice in London. Ungeachtet dieser Klausel machte Zapata

Schadensersatzansprüche wegen eines im (Bundes-) District Court in Tampa, Florida

913 Elisabeth A. Clark, Foreign Arbitration Clauses and Foreign Forum Selection Clauses in Bills of Lading Covered by COGSA: vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 71 B. Y. U. L. Rev. 1996, 439, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996).914 Application of Doughboy Industries, Inc., and Pantasote Co., 17 A.D. 2d 216, 233 NYS. 2d 488, 494 n. 2 (1962); M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. S. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972); Gaskin v. Stumm Handel GmbH, 390 F. Supp. 361, 363, 366 N. 2 (S.D.N.Y. 1975); Spatz v. Nascone, 368 F. Supp. 352, 354 (WD.Pa. 1973).915 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 916 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 917 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972).

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entstandenen Unfalls gegen die deutsche Reederei geltend.918 Deren auf die

Gerichtsstandsvereinbarung gestützten Einwand der Unzuständigkeit wiesen District Court und

Court of Appeals zurück. Der Supreme Court hob die Entscheidung des Bundesgerichtes auf.919

In dieser Entscheidung lehnte eine Mehrheit von acht Richtern920 die traditionell feindliche

Haltung amerikanischer Gerichte gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen ab und schloss sich

der modernen Lehre von der Zulässigkeit einer vertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung an.

Begründet wurde dies mit den Anforderungen des modernen zwischenstaatlichen Handels.921

Es wurde in dem entsprechenden Fall der eher positive Standpunkt eingenommen, dass solche

Klauseln dem Rechtsschein nach gültig sind und vollzogen werden sollten, es sei denn, die

widersprechende Partei lege dar, dass eine Vollziehung unter diesen Umständen unvernünftig

sei.922 Diese Entwicklung ist deshalb von erheblicher praktischer Bedeutung, weil die Wahl

eines Gerichtsstandes von der Rechtsprechung zugleich als Grund für die Anwendung des

entsprechenden Rechts und somit als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl angesehen wird.

Auch die amerikanische Lehre923 geht von der starken Vermutung aus, die

Gerichtsstandsklausel beinhalte in sich eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten der

Rechtsordnung des Forums. Die Maxime „qui eligit iudicem eligit ius“ soll im amerikanischen

Kollisionsrecht allerdings erst dann gelten, wenn über das bloße Faktum der Forumwahl

918 Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9AWD 1972, 449, 450 ff.; Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, 1204 ff., 1217. 919 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972); dazu ausführlich Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449, 450 ff.; Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1204 ff., 1217. 920 Lediglich J. Douglas dissentierte. 407 U.S. 20-24 (1972). 921 In dem Urteil hieß es: “Such clauses are prima facie valid and should be enforced unless enforcement is shown by the resisting party to be ´unreasonable` under the circumstances.” Außerdem: “The expansion of American business and industry will hardly be encouraged if, notwithstanding solemn contracts, we insist on a parochial concept that all disputes must be resolved under our laws and in our courts……….”. 922 Vgl. Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9AWD 1972, 449 ff.; N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 923 S. A. Bayitch, The connecting agreement: A Study in Comparative Conflict Law, 7 Miami L. Q. 1952-53, 297; Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449 ff.; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 106 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 292; Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff.

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hinausgehende Aufschlüsse über die Vorstellungen der Parteien zu gewinnen sind.924

Wie ausländische Gerichtsstandsklauseln wurden auch Schiedsgerichtsklauseln traditionell von

den Gerichten abgelehnt, die der Ansicht waren, jene seien aus Gründen des Gemeinwohls

ungültig.925 Die Übernahme des Federal Arbitration Act (FAA) im Jahre 1925 forderte

allerdings die Vollziehung von Schiedsgerichtsklauseln in Verträgen für den

zwischenstaatlichen Handel, wobei die traditionelle Regel gegen die Vollziehung umgestürzt

wurde. Im Jahre 1985 bestätigte der Supreme Court in Mitsubishi Motors Corp. v. Chrysler-

Plymouth, Inc.926 wieder die Wichtigkeit, ausländische Schiedsgerichtsklauseln zu vollziehen.

Anstatt breiter Gemeinwohlrechtfertigungen für Schiedsgerichtsklauseln, die diese Fälle

präsentieren, sowie der ausdrücklichen Anwendbarkeit des FAA auf Seegeschäfte, vertreten

einige Gerichte927 die Ansicht, dass ausländische Schiedsgerichtsklauseln unter COGSA

ungültig waren, weil sie die Haftung der Verfrachter begrenzten. Es trat eine Spaltung in den

Bezirksgerichten über die Vollziehung ausländischer Schiedsgerichtsklauseln unter COGSA

auf.928 In der Gerichtsentscheidung Scherk v. Alberto-Culver Co.929 wurde eine

Schiedsgerichtsvereinbarung in einem aus einem internationalen Vertrag entstandenen Fall, in

dem es um Wertpapiere ging, vollzogen. Das Gericht erklärte, dass in Bezug auf jeden Vertrag,

der Berührungspunkte zu zwei oder mehreren Ländern aufweise, in der Regel Unsicherheit

existiere, da jedes Land seine eigenen materiellen sowie internationalprivatrechtlichen

Rechtsregeln habe. Eine vertragliche Bestimmung, die im Voraus das Gericht, in dem

Streitigkeiten ausgetragen werden sollen, und das damit anwendbare Recht bestimme, sei eine

fast unabdingbare Vorbedingung, um die Planmäßigkeit und Vorhersehbarkeit, die für jede

internationale Geschäftsabwicklung wesentlich sei, zu erreichen. In Scherk v. Alberto-Culver

924 In diesem Sinne: S. A. Bayitch, The connecting agreement: A Study in Comparative Conflict Law, 7 Miami L. Q. 1952-53, 297; Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449 ff.; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 106 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 292; Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff. 925 Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 926 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).927 Vgl. Nachweise bei: Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: Vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, S. 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 928 Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: Vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 929 Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974).

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Co.930 fand das Gericht es entscheidend, dass die Vereinbarung „wirklich international“ war.

Vergleichsweise erklärte das Gericht in Mitsubishi Motors Corp. v. Chrysler-Plymouth, Inc.931,

dass „Aspekte der internationalen Höflichkeit, die Kapazitäten und die Eignung ausländischer

und grenzüberschreitender Gerichte sowie die Offenheit gegenüber dem Bedürfnis des

internationalen Handelssystems für Vorhersehbarkeit in der Streitschlichtung erfordern, dass

wir die Parteivereinbarung vollziehen, selbst unter der Annahme, dass ein gegensätzliches

Ergebnis in einem inländischen Kontext vorzuziehen wäre.“932 Die mutmaßliche Gültigkeit

einer Gerichtsstandsvereinbarung kann beseitigt werden, falls die widersprechende Partei

zeigen kann, dass sie „unter den Umständen unvernünftig ist.“ All diese Fälle indizieren die

Bereitschaft des Gerichtes, die Interessen der amerikanischen Geschäftswelt zu

berücksichtigen, während Angelegenheiten, die sich auf internationale Verträge beziehen,

abgewogen werden. Das Zitat tendiert dazu, nahezulegen, dass das Gericht bereit wäre, die

vernünftigen Maßnahmen zu vollziehen, die den Handels- und Warenverkehr zwischen USA

und ausländischen Firmen fördern und verbreiten.

Selbst wenn die Bewertung von Schiedsgerichtsklauseln nicht immer eindeutig ist933, kommt

der Schiedsgerichtsklausel nach dem Restatement Second934 eine gewisse Indizwirkung

hinsichtlich einer stillschweigenden Rechtswahl zu. Enthält ein Vertrag eine

Schiedsgerichtsklausel, kann man darin eine stillschweigende Wahl des am Schiedsgerichtsort

geltenden Rechts sehen. Rechtsprechung935 und Lehre936 erachten dies als ausreichend. Bereits

die Wahl einer bestimmten Schiedsgerichtsordnung kann ausreichen als ein Indiz.937 Ebenso

kann die vereinbarte Zuständigkeit eines staatlichen Gerichtes auf das dortige materielle Recht

hindeuten.938 Auch im amerikanischen Recht wird eine Schiedsgerichtsvereinbarung im

Vergleich zu einer Gerichtsstandsklausel, auch wenn sie beide dieselbe Funktion wahrnehmen,

930 Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974). 931 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).932 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).933 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 70. 934 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 218 Comment b (1971). 935 Lummus Company v. Commonwealth Oil Refining Company, Inc., 280 F. 2d 915 (924) (1st Cir. 1960); Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974); vgl. Kress Corp. v. Edw. C. Levy Co., 102 III.App.3d 264, 430 N.E. 2d 593, 58 III.Dec. 561 (1981); Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).936 Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 937 Vgl. Kress Corp. v. Edw. C. Levy Co., 102 III.App.3d 264, 430 N.E. 2d 593, 58 III.Dec. 561 (1981).938 Chinchilla v. Foreign Tankship Corporation, 195 Misc. 895 (900), 91 N.Y.S. 2d 213 (218) (1949).

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insofern als vorteilhafter angesehen, als sie einfacher, informeller und schneller zu vollziehen

sei.939

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarung als

stärkster Anhaltspunkt für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen wird,940 spielt sie

dennoch in der amerikanischen Kasuistik eine eher geringe Rolle. Dies kann daran liegen, dass

in den Gerichten der USA die Anknüpfung an den Parteiwillen sich ihren Anwendungsbereich

jahrzehntelang mit der Anknüpfung an den Abschluss- und Erfüllungsort teilen musste. Zudem

wurden beide früher von den Gerichten oft für unwirksam erklärt, so dass sich zwangsläufig

kein typisierendes Fallrecht in Bezug auf eine zusätzliche Bedeutung solcher Klauseln als Indiz

für eine schlüssige Rechtswahl entwickeln konnte.941 Es stellt sich die Frage, warum „das

anwendbare Recht in einer internationalen Handelsschlichtung“ ein Problem darstellt. Jedes

nationale Gericht wird bei Konfrontation mit der Frage des anwendbaren Rechts auf einen

vertraglichen Streit vor dem Hintergrund nationaler Rechtswahlregeln entscheiden.

Internationale Streitschlichtung, entwickelt als eine Alternative zu nationalen richterlichen

Systemen, leitet ihre Autorität nicht aus einer Nation, aber aus einer Vereinbarung zwischen

zwei Privatparteien her.

Fraglich ist, ob ein Schlichter das anwendbare Recht mittels einer Regel des Internationalen

Privatrechts wählen und welches Kollisionsrecht er anwenden sollte. Eine andere Möglichkeit

wäre es, den Fall vor dem Hintergrund eines nicht nationalen Rechtssystems zu entscheiden

(lex mercatoria). Eine zusammenhängende Entwicklung von Gerichtsentscheidungen, die eine

Antwort auf solche Fragen geben würden, fehlt. Daher spielte die Doktrin eine entscheidendere

Rolle als in anderen Rechtsgebieten, um eine Richtlinie zu formen, um Schlichtern in ihrem

Prozess der Wahl des anwendbaren Rechts auf eine internationale Streitigkeit zu helfen.942 Die

Rechtswahlbedeutung der Schiedsgerichtsklausel sollte jedenfalls nicht weiter reichen als die

einer staatlichen Gerichtsstandsklausel, denn schließlich können die Parteien ihr Schiedsrecht

auch in einer Rechtsordnung verankern.

939 “By agreeing to arbitrate a statutory claim, a party does not forgo the substantive rights afforded by the statute; it only submits to their resolution in an arbitral, rather than a judicial forum. It trades the procedures and opportunity for review of the courtroom for the simplicity, informality, and expedition of arbitration,” Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 628, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).940 Vgl. 3. Kapitel A.II.1. 941 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 75 ff. 942 Carlo Croff, The Applicable Law in an International Commercial Arbitration: Is it Still a Conflict of Laws Problem? 16 Int`l Law, 613 (1982).

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b) Das Verhalten der Parteien im Rechtsstreit

Im Gegensatz zum englischen Recht kann im amerikanischen Recht dem nachträglichen

Verhalten der Parteien ein Hinweis auf die ursprüngliche Absicht der Parteien einer

stillschweigenden Rechtswahl entnommen werden.943 Die Absicht muss bei Vertragsschluss

vorgelegen haben. Auch wenn die Parteien erst im Prozess eine Rechtswahl treffen, ein anderes

als das ursprünglich gewählte Recht bezeichnen, wird diese Vereinbarung als stillschweigende

Wahl dieses Rechts anerkannt.944 Dies spiegelt sich in vielen Entscheidungen der

Rechtsprechung945 wider. Das Schweigen der Parteien im Prozess angesichts eines

anderweitigen objektiven Vertragsstatuts oder ihre nur auf Forumrecht gegründeten

Einlassungen werden als stillschweigende Bezeichnung der lex fori gedeutet. Die Gerichte

fingieren traditionell die Übereinstimmung des fremden Vertragsstatuts mit der lex fori.946 In

der Entscheidung Kutka v. Temporaries, Inc.947 geht die amerikanische Rechtsprechung sogar

soweit, dass sie die Tatsache, dass die Parteien im Prozess lediglich Forumrecht vorgetragen

haben, auch als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl der lex fori wertet, wenn der Vertrag

eigentlich eine auf ein anderes Recht deutende Rechtswahlklausel enthält. Die Parteien sind

frei, das einst gewählte oder ansonsten anwendbare Recht durch eine später erfolgte Rechtswahl

zu ersetzen, obgleich weder die formelle Gültigkeit des Vertrages noch die Rechte Dritter

gegensätzlich beeinträchtigt werden dürfen.948

943 Vgl. Dietrich Fudickar, Die nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 15 ff. (1983); Peter Nygh, Autonomy in international contracts, S. 112 (1999); vgl. Frederick A. Mann, Note: Wickman Machine Tool Sales Ltd. V. L. Schuler AG, 89 L. Q. R., 464-465 (1973); Nagla Nassar, Sanctity of Contracts revisited, S. 41-45 (1995). 944 Ulrich Drobnig, American-German private international law, S. 228; Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 991; ders., A Treatise on the Conflict of Laws, S. 469 ff. (1962); Dietrich Fudickar, Die nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 15 ff. (1983); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 294; Peter Nygh, Autonomy in international contracts, S. 112. 945 Hulme v. Sweetman Construction Company, 230 F. 2d 66 (68) (10th Cir. 1956); Wells v. J. C. Penney Company, 250 F. 2d 221 (225 f.) (9th Cir. 1957); Neville Chemical Co. v. Union Carbide Corp. 422 F. 2d 1205, 1211 (3d Cir. 1970); Continental Wirt Electronics Corp. v. Sprague Electric Co. 329 F.S. 959, 963 (D.C.Pa. 1971); Hellenic Lines Ltd. v. Embassy of Pakistan 467 F. 2d 1150, 1153 (2d Cir. N.Y. 1972); Ezell v. Hayes Oilfield Construction Co., Inc., 693 F. 2d 489, 492 (5th Cir. 1982); Rennick v. O.P.T.I.O.N. Care, Inc., 77 F. 3d 309 (313) (9th Cir. 1996). 946 San Rafael Compania Naviera, S.A. v. American Smelting and Refining Co., 208 F. Supp. 164 (N.D. Cal. 1962), bestätigt, 1964 AMC 2437, 327 F.2d 581, 587 (9th Cir. 1964); Parets v. Eaton Corp., 479 F. Supp. 512, 519, Anm. 2 (E.D.Mich. 1979); vgl. E.F. Scoles & P. Hay, Conflict of Laws, S. 635 (1992). 947 Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1533 (S.D.Tex. 1983). 948 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297 (1982).

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c) Die Spezifikation des Erfüllungsortes

Der Erfüllungsort wird von der Rechtsprechung949 als Indiz für eine stillschweigende

Rechtswahl angesehen. Falls der Erfüllungsort und der Ort des Vertragsschlusses jedoch in

verschiedenen Ländern liegen, ist das Recht auf den Vertrag anwendbar, in dem die Leistung zu

erfüllen ist. Dies belegen zahlreiche Entscheidungen der Rechtsprechung950. Allerdings kann

der Erfüllungsort als Indiz überwunden werden von dem Ort des Vertragsschlusses, dem

Wohnsitz, Geschäftsort der Parteien sowie dem Standort des Vertragsgegenstandes.951 Gegen

den Erfüllungsort als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl ist anzuführen, dass er schwer

zu bestimmen ist und bei gegenseitigen Verträgen trotz einer Bezugnahme auf die

„charakteristische Leistung“ nicht immer im Hinblick auf nur eine Vertragsschuld ermittelt

werden kann.952

d) Bezugnahme auf ein anderes Recht oder einen anderen Vertrag

Ein konkludenter Parteiwille kann sich zunächst aus dem Vertrag selbst ergeben, indem er zum

Beispiel Rechtsbegriffe einer fremden Rechtsordnung enthält oder auf Rechtsinstitutionen einer

anderen Rechtsordnung verweist. Nach der Rechtsprechung953 und Lehre954 reicht eine

Bezugnahme der Parteien auf einer bestimmten Rechtsordnung zuzuordnende Rechtsbegriffe

oder -institutionen aus, um eine stillschweigende Wahl dieses Rechts zu begründen. Im

Restatement Second955 wird die Verwendung spezifischer Rechtsbegriffe als ein überzeugender

Beweis für das Vorhandensein eines auf Rechtswahl gerichteten Willens der Parteien genannt.

Auch die Bezugnahme auf ein Recht, in dem sich die Parteien im Verweisungsvertrag

ausdrücklich auf das Recht beziehen, soll ein Hinweis auf das auf den Vertrag anwendbare

Recht sein.956

949 Watts v. Long, 116 Neb. 656, 218 N.W. 410 (1928); Elk River Coal & Lumber Co. v. Funk, 222 Iowa 1222, 271 N.W. 204 (1937).950 Alexander v. Barker, 64 Kan. 396, 67 Pac. 829 (1902); Garnes v. Frazier & Foster, 118 S.W. 998 (Ky. App. 1909); Pratt v. Sloan, 41 Ga. App. 150, 152 S.E. 275 (1930); United States-Alaska Packing Co. v. Luketa, 58 F. 2d 944 (9th Cir. 1932); Moore v. Burdine, 174 So. 279 (La.App. 1937). 951 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411. 952 Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 265. 953 Kleve v. Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft in Basel, 182 Misc. 776 (780), 45 N.Y.S. 2d 882 (886) (1943); Chinchilla v. Foreign Tankship Corporation, 195 Misc. 895 (900), 91 N.Y.S. 2d 213 (218) (1949). 954 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff.; Martin Wolff, The Choice of Law by the Parties in International Contracts, 73 United States L. Rev. 1939, 203-216, 214; Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 352 (1952). 955 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment a 561 (1971). 956 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment c 563 (1971); S. Painton & Co., Ltd. v. Bourns, Inc., 309 F. Supp. 271, 273 f. mit Anm. 15 (S.D.N.Y. 1970); Erwin Spiro, The Incidence of time in the Conflict of Laws, 9 Int. & Comp. L. Q. 357-382, 377 (1960).

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e) Vertragssprache

Die Vertragssprache wird im amerikanischen Internationalen Privatrecht als ein Indiz für einen

stillschweigenden Rechtswahlwillen angesehen.957 Insbesondere kann aus der Verwendung von

Standardverträgen im internationalen Rohstoffmarkt auf eine stillschweigende Rechtswahl

geschlossen werden. Auch eine vorherige Handelsbeziehung hilft, die Absicht der Parteien zu

indizieren.958 Durch Bezugnahme auf einen anderen Vertrag oder gedruckte

Geschäftsbedingungen, die eine Rechtswahlklausel enthalten, kann ebenfalls eine

stillschweigende Rechtswahl erfolgen.959 In der Entscheidung Kutka v. Temporaries, Inc.960

wurde darüber diskutiert, ob zusätzliche Bestimmungen in einen Vertrag gelesen werden

können. Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass dies nur dann möglich sei, wenn der

diesbezügliche implizierte Wille der Parteien sich klar und eindeutig aus der verwendeten

Sprache ergibt. Es müsse sich ergeben, dass die Implikation derart klar von den Parteien

beabsichtigt worden war, dass sie es für unnötig hielten, es ausdrücklich festzuhalten.961

f) Rechtsgültigkeit und Ergänzung

Im amerikanischen Kollisionsrecht wird das Indiz der Rechtsgültigkeit sowohl von der

Rechtsprechung als auch von der Lehre als leitender Wertungsgesichtspunkt im internationalen

Vertragsrecht und zur Bestimmung einer stillschweigenden Rechtswahl herangezogen.962 In der

Entscheidung Walling Chemical Co. v. Hart963 wurde sogar eine teilweise

Gültigkeitsvermutung akzeptiert und die “partial rule of validation“964 des Restatements Second

angewandt.

Die Tendenz amerikanischer Gerichte, von mehreren in Betracht kommenden Rechten

dasjenige anzuwenden, welches den Vertrag aufrechterhält, wurde im Jahre 1959 von Albert A.

Ehrenzweig einer eingehenden Analyse unterzogen. Er formulierte nach seiner Analyse die „lex

957 Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 958 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297. 959 Dazu kritisch Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449, 451; Ulrich Drobnig, American-German private international law, S. 228, 229. 960 Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1533 (S.D.Tex. 1983). 961 „..[i]n order for a court to read additional provisions into the contract, the implication must clearly arise from the language used, or be indispensable to effectuate the intent of the parties. It must appear that the implication was so clearly contemplated by the parties that they deemed it unnecessary to express it.”, vgl. Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1535 (S.D.Tex.1983) (citing Danciger Oil & Ref. Co. v. Powell, 154 S.W.2d 632 (Tex.1941)). 962 Vgl. Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment c 563 (1971); Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 299; Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470; Peter Hay, Einführung, S. 169; Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Band 3, S. 93; with Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 284. 963 508 F. Supp. 338, 341 (D. Neb. 1981). 964 Russel J. Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, S. 360.

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validitatis“-Regel, die er zunächst “rule of validation“ nannte und später dann mit Erik Jayme

zusammen als “presumption of validity“ bezeichnete.965 Seitdem kann in der amerikanischen

Rechtsprechung966, von der die „lex validitatis“-Regel bis dahin nicht ausdrücklich angewandt

wurde, eine „Gültigkeitsvermutung“ festgestellt werden, derzufolge stets das den Vertrag

aufrechterhaltende Recht gelten soll. Das Restatement Second geht in § 187 davon aus, dass die

Parteien bei Vertragsabschluss und meist gleichzeitig getroffener Rechtswahl die Gültigkeit des

Vertrages erwarten und deshalb die Wahl eines Rechts, welches den Vertrag ungültig macht,

auf einem “mutual mistake“ beruht. Die Rechtswahl dürfe wegen Willensmangel nicht beachtet

werden und der Vertrag sei objektiv zu lokalisieren.967 Begründet wird die

„Gültigkeitsvermutung“ der Rechtsprechung – wie auch in den anderen Rechtsordnungen –

damit, dass die Parteien zumeist ein den Vertrag aufrechterhaltendes Recht bezeichnen werden,

so dass damit der Validitätsgrundsatz und die Parteiautonomieregel harmonieren.968 Die

Parteien rechneten immer mit der Verbindlichkeit der Vertragsbestimmungen und somit der

Anerkennung des Verweisungsvertrages. Anderenfalls würden die Parteierwartungen zerstört,

obwohl der Validitätsgrundsatz die Parteierwartungen schützen will.969

Dennoch geben die amerikanischen Gerichte970 fast durchweg einer Rechtswahl auch dann

statt, wenn sie zumindest ausdrücklich ein den Vertrag invalidierendes Recht zur Anwendung

beruft. Haben die Parteien nämlich ausdrücklich ein solches Recht als für ihr Vertragsverhältnis

verbindlich bestimmt, so kann nicht mit der Begründung der Parteierwartungen ein anderes als

das gewählte Recht angewandt werden.971 Dies wäre insofern widersprüchlich, als davon

auszugehen ist, dass die Parteien vorrangig das Recht erwarten, das sie gewählt haben.

Zudem bindet ein fehlerfrei zustandegekommener Verweisungsvertrag die Parteien ebenso wie

andere von ihnen zulässigerweise getroffene Vereinbarungen. Dem Validierungsgrundsatz ist

965 Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 357; vgl. auch Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470. 966 Vgl. z.B. in Kossick v. United Fruit Co., 365 U.S. 731, 741 (1961).967 Frank Vischer, Veränderungen des Vertragsstatuts und ihre Folgen, Festschrift für Max Keller zum 65.Geburtstag, S. 545 ff., 554 (1989). 968 Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 974, 991; John Prebble, Choice of Law to determine the validity and effect of contracts: A comparison of english and american approaches to the conflict of laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 528. 969 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment e 565 (1971); so auch Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470. 970 Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 (6th Cir. 1977); Hardy v. Monsanto Enviro-Chem Systems, Inc., 414 Mich. 29, 86 n.60, 323 N.W.2d 270, das Gericht zitierte § 187 des Restatements Second, wobei es die vertragliche Rechtswahlklausel der Parteien aufrechterhielt. Das Zitat des Restatements war inkonsequent gegenüber dem Ergebnis und der Methodologie. Untergeordnete Gerichte führten es nach der Hardy-Entscheidung fort, die lex loci contractus anzuwenden. Vgl. z.B. in den Fällen zitiert in Symeon Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1993 (and in the six previous years), 42 Am. J. Comp. L. 599, 603 n.30 (1994).971 Vgl. Eugene F. Scoles & Peter Hay, Conflict of Laws, S. 649.

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entgegenzuhalten, dass er den Parteien die Möglichkeit einräumt, sich auf einen beiderseitigen

Irrtum (“mutual mistake“) zu berufen, was angesichts einer unzweideutigen Vereinbarung nicht

befürwortet werden kann.972 Ausserdem haben die amerikanischen Gerichte selbst darauf

bestanden, bestimmte den Vertrag für ungültig erklärende Regeln durchzusetzen, selbst mit

dem Risiko, die Absicht der Parteien, den Vertrag gültig werden zu lassen, zu ignorieren.

Schließlich gibt es möglicherweise gar keine Notwendigkeit für diesen Grundsatz, da viele

Gerichte ohnehin die starren Regeln des First Restatements anwenden, was zu funktionieren

scheint, auch wenn sie in Wirklichkeit das den Vertrag gültig machende Recht anwenden.973

g) Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien

Der Wohnsitz und der Geschäftsort spielt in der US-amerikanischen Rechtspraxis für die

Bestimmung des anwendbaren Rechts nur eine untergeordnete Rolle.974

h) Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes

Auch der Standort bzw. die Lage des Vertragsgegenstandes wird als Indiz für die Bestimmung

des Rechtswahlwillens der Parteien lediglich mitberücksichtigt.975

i) Ort des Vertragsschlusses

Bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl soll der Ort des Vertragsschlusses für die

Bestimmung des anwendbaren Rechts von Bedeutung sein.976

Der Ort des Vertragsschlusses ist in den USA als Anknüpfung, hinter der eine grosse Tradition

steht, weit verbreitet, wird befürwortet und praktiziert.977 Begründet wird dies damit, dass der

Vertragsabschlussort der am sichersten feststellbare territoriale Berührungspunkt der Verträge

mit einer Rechtsordnung sei. Dieses Recht sei daher am leichtesten feststellbar.978

972 Vgl. auch Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 287. 973 Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 459 (1962). 974 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411 (1961); erwähnt von Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 352 (1952). 975 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411. 976 S.o., 411 (1961); vgl. mit Robert P. Umbricht, Die immanenten Schranken der Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 53. 977 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 978 S.o.

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D. Ergebnis der US-amerikanischen Untersuchung und Ausblick

Das Internationale Privatrecht hat eine besondere Stellung im amerikanischen Rechtssystem.979

Obwohl das amerikanische Rechtssystem im Wesentlichen case-law ist, kann eine Tendenz zu

vermehrtem Gesetzesrecht in der amerikanischen Rechtspraxis wahrgenommen werden. Die

Verfasser des Restatements waren der Ansicht, dass Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und

einheitliche Ergebnisse nicht erreicht werden können durch strikte Rechtswahlregeln. Aus

diesem Grund versuchten sie einen milderen, weniger strikten Ansatz, indem sie keine klaren

Regeln aufstellten und Kodifikationen nicht strenge Aufmerksamkeit schenkten, aber

stattdessen mehr Interpretationsfreiheit zuließen.980 Diese Methode hat in der Praxis jedoch zu

Schwierigkeiten geführt: Es gibt nur einige wenige Indizien, die zu der Annahme einer

stillschweigenden Rechtswahl führen. Amerikanische Gerichtsentscheidungen zeigen, wieviel

Freiraum die Gerichte haben, um zu ihren Entscheidungen zu gelangen, und wie sehr das

Ergebnis vom Einzelfall abhängt. Es gibt nicht viele Beschränkungen und Regelungen. Es gibt

auch keine klaren Kriterien, die dem Richter zur Verfügung stehen, mit dessen Hilfe eine

stillschweigende Rechtswahl bestimmt werden könnte. Die Richter haben die Aufgabe, das

relative Gewicht der verschiedenen Umstände des Einzelfalles und der subjektiven Kriterien zu

bestimmen. Hierfür benutzen sie objektive Kriterien, um sich selbst diese Aufgabe zu

erleichtern. Problematisch dabei ist, dass keine klaren Kriterien zur Verfügung gestellt werden,

anhand derer eine stillschweigende Rechtswahl ermittelt werden könnte. Rechtsprechung und

Literatur widmen sich diesem Problem nur in sehr geringem Maße, weshalb es schwer ist,

„sichere“ Kriterien für die notwendige Feststellung einer stillschweigenden Rechtswahl

anzuwenden.

Folglich wird eine vorhandene stillschweigende Rechtswahl oft nicht erkannt und stattdessen

ein durch den Richter bestimmtes Recht auf den Vertrag angewendet.

Im Allgemeinen wird nicht näher darauf eingegangen, ob aus dem Vorhandensein der hier

erörterten Indizien tatsächlich auf eine Rechtswahl der Parteien – und falls ja, warum –

geschlossen werden kann. Im Regelfall wird bloß auf eine verbreitete Übung hingewiesen.

Es bleibt festzuhalten, dass im amerikanischen Kollisionsrecht eine Tendenz besteht, zu der

Bestimmung durch Regeln zurückzukehren, zumindest solange die Regeln die Starrheit des

Restatements First vermeiden.

979 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 980 Friedrich K. Juenger, The European Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations: Some Critical Observations, 22 Va. J. Int`l L. 1981, 123-141, 135 ff.

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Bestehen auch nur die geringsten Zweifel an einer stillschweigenden Rechtswahl, unterstellen

die US-amerikanischen Gerichte ihre Nichtexistenz. Positiv daran ist, dass das damit

einhergehende Verlangen der amerikanischen Gerichte, dass die Parteien eindeutig auf das

anwendbare Recht hinweisen müssen, Rechtssicherheit mit sich bringt. Die Parteien werden

gezwungen, sich dem Problem des anwendbaren Rechts in besonderem Maße zu widmen und

für klare Verhältnisse zu sorgen. Negativ daran ist, dass dem Parteiwillen nicht immer zum

Durchbruch verholfen wird. Die US-amerikanischen Gerichte nehmen überwiegend eine

stillschweigende Rechtswahl an, wenn der in Streit stehende Vertrag in einem deutlichen,

sachlichen Zusammenhang mit anderen Verträgen steht, die eine Rechtswahl enthalten oder

eine Gerichtsstandsklausel enthält. Ob die Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes

ausreicht, muss offen bleiben. Entsprechend § 187 des Restatements Second, ist zuerst zu

prüfen, ob die Parteien ein bestimmtes Recht gewählt haben. Ansonsten wird ein Recht

vermutet. Schließlich müssen entsprechend § 188 des Restatements Second alle Faktoren in

Betracht gezogen werden, die zu einer „engsten Verbindung“ führen könnten.

Heute dringen Ideen aus der Lehre in das Kollisionsrecht, die noch nicht in die Rechtsprechung

der Gerichte eingezogen sind. Vielleicht werden sie jedoch in der Zukunft die Arbeiten zu

einem dritten Restatement beeinflussen. Sicherlich wird bis dahin noch viel Zeit vergehen, da

das American Law Institute derzeit noch nicht plant, das Restatement Second zu

überarbeiten.981 Jedenfalls lässt sich konstatieren, dass sich die amerikanische Rechtsprechung

im Anschluss an das Restatement Second an die europäischen Rechtsordnungen angenähert hat

und diese Richtung wohl weiterhin beibehalten wird.

981 Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss, 338, 345 (2000).

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5. Kapitel: Gegenüberstellung der Ergebnisse der europäischen und

amerikanischen Untersuchung und Schlussfolgerung

A. Gegenüberstellung der Ergebnisse

Es wurden kollisionsrechtliche Lösungen zum Problem der stillschweigenden Rechtswahl im

europäischen und amerikanischen Rechtskreis in der Praxis des internationalen Vertragsrechts

dargestellt. Diese Gegenüberstellung führt zu dem Ergebnis, dass beide Lösungsmodelle auf

denselben Grundprinzipien beruhen, wie zum Beispiel dem anerkannten Prinzip der

Parteiautonomie und der damit einhergehenden Möglichkeit der freien Rechtswahl. Auch die

Gründe für die Rechtswahlfreiheit sind identisch: Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und

Bestimmbarkeit des anwendbaren Rechts sowie die Erleichterung bzw. Förderung des

internationalen Rechtsverkehrs.

Der geltenden deutschen Lösungskonzeption des EGBGB, die auf den Prinzipien Savignys zur

Lösung kollisionsrechtlicher Fragen beruht, entspricht auch die amerikanische

Lösungsmethodik, insbesondere die des Restatements.

Umgekehrt wurde in den anderen Staaten der Europäischen Union das Kollisionsrecht für

Schuldverträge unter dem Einfluß von später gewonnenen Erkenntnissen aus dem US-

amerikanischen Vertragsrecht reformiert und harmonisiert. Dies führte zu dem Versuch, die

amerikanische, interessenorientierte Judikatur auf das europäische Vertragskollisionsrecht zu

transponieren.982 Das Kollisionsrecht hat in der amerikanischen Rechtsordnung jedoch eine

grundsätzlich eigene Stellung.983 Dennoch ähneln sich das Restatement und das EGBGB in

aufbautechnischer Hinsicht sehr: Zunächst ist zu prüfen, ob die Parteien eine Rechtswahl

getroffen haben gemäss Art. 27 EGBGB bzw. § 187 des Restatements Second. Ansonsten muss

eine Anknüpfungsvermutung gesucht werden entsprechend Art. 28 Abs. 2, 3, Art. 29, 30

EGBGB bzw. § 188 des Restatements Second. Schließlich sind dann die übrigen Faktoren, die

zur „engsten Beziehung“ nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB bzw. §§ 6, 188 des Restatements Second

führen, näher zu beleuchten.984

Es handelt sich aber nicht nur um rechtstheoretische Gemeinsamkeiten.

982 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 983 S.o. 984 Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 146.

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Vielmehr werden die Gemeinsamkeiten in der praktischen Umsetzung am deutlichsten. Ein

Indiz für die Wichtigkeit des Restatements könnte auch die Tatsache sein, dass sich deutsche

Kommentierungen zur Darstellung der kollisionsrechtlichen Situation in den USA teilweise

einer wörtlichen Wiedergabe des Restatements bedienen. Dies legt die Vermutung nahe, dass

das Restatement für das amerikanische Kollisionsrecht repräsentativ ist.985

Art. 3 Abs. 1 des EVÜ nimmt denselben Standpunkt ein, der in § 187 des Restatements Second

impliziert ist: Beide erlauben Richtern und Schlichtern, eine Absicht aus den Bedingungen des

Vertrages zu schliessen und lehnen den Begriff einer „vermuteten“ oder „hypothetischen“

Rechtswahl ab, basierend auf Vermutungen darüber, was die Parteien anzuwenden beabsichtigt

hätten, wenn sie sich des Rechtswahlproblems bewusst gewesen wären. Während § 187 (2) (a)

des Restatements Second fordert, dass die Rechtswahl in bestimmten Aspekten entweder von

einer “substantial relationship“ oder “some other reasonable basis“ unterstützt wird, ist Art. 3

des EVÜ insofern toleranter, als es in dieser Hinsicht keine Einschränkung enthält. Allerdings

ist davon auszugehen, dass Verträge geschlossen werden „für einen ernsthaften Zweck und

selten, wenn überhaupt, werden die Parteien ein Recht wählen, ohne einen guten Grund dafür.“

Dementsprechend stimmen das EVÜ und das Restatement Second in sachlicher Hinsicht

wiederum überein.986

Der Unterschied zwischen amerikanischer und europäischer Rechtspraxis ist im Hinblick auf

die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts nicht so gravierend, wie

man annehmen könnte. Die juristisch deduktive Methode der europäischen Rechtskreise ist vor

allem durch das Rechtsetzungsmonopol des Gesetzgebers eingeschränkt, so dass die

Kodifikationen auch Lücken enthalten, die durch die induktive Methode gefüllt werden können.

In der amerikanischen Rechtspraxis lässt sich dagegen die Tendenz zu vermehrtem

Gesetzesrecht beobachten. Sie nähert sich daher der deutschen Rechtspraxis an. Insgesamt kann

festgehalten werden, dass sich das EU-Recht in der Praxis zur stillschweigenden Rechtswahl

durch die Judikatur an das common law im Wege immer zunehmender und bedeutenderer

Präjudizien eines case law annähert.987 Das EVÜ hat nicht nur Ähnlichkeit mit dem

Restatement Second, sondern beinhaltet auch viele „amerikanische Ideen“. Auch das

Bundesverfassungsgericht und andere neuere europäische Verfassungsgerichtshöfe haben

985 Julius von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, Art. 27-37 Rn. 138. 986 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1213. 987 Karin L. Pilny, Präjudizienrecht im anglo-amerikanischen und im deutschen Recht – Eine rechtsvergleichende und rechtsmethodologische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Verfassungsrechts, S. 211 ff.; aber auch die Amerikaner können weiterhin von den Erfahrungen der Europäer lernen, vgl. Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie, S. 88.

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durchaus mehr mit dem US-Supreme Court gemeinsam als mit den obersten Fachgerichten.988

Die Europäer sind wie die Verfasser des Restatements zu der Einsicht gelangt, dass

Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Ergebnisse nicht durch strenge

Kollisionsregeln erreicht werden können und versuchen stattdessen eine weniger strenge

Vorgehensweise, indem sie Auslegungsspielraum gewähren.989 Die Praxis zeigt jedoch, dass

diese Auslegungsspielräume zu Interpretationsschwierigkeiten führen, die durch die

Anwendung klarer Regelungen vermieden werden könnten.

Es lassen sich allerdings auch Unterschiede aufzeigen zwischen dem EVÜ und dem

Restatement Second: Beispielsweise wird die Frage, ob es möglich ist, verschiedene

Vertragsaspekte verschiedenen Rechten zu unterstellen, von beiden verschieden behandelt. Das

EVÜ lässt ausdrücklich eine gewollte “dépeçage“ zu. Das Restatement Second scheint in

unklaren Worten diese Möglichkeit auch zu tolerieren, spricht allerdings nicht spezifisch die

damit verbundene Frage an, ob die Parteien ihren Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt einem

anderen als dem zu Beginn geltenden Recht unterstellen können. Das EVÜ erlaubt solch eine

nachfolgende Änderung. Die Bestimmungen des Restatements Second schliessen es zumindest

nicht aus und es gibt amerikanische Autoren, die vorschlagen, eine Änderung des gewählten

Rechts zuzulassen.990

Im Gegensatz zum Restatement Second991 sprechen das EVÜ und der Bericht von Giuliano/

Lagarde weder den Schutz des Schwächeren im Internationalen Vertragsrecht an noch das

Problem der nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossenen sogenannten

Adhäsionsverträge. Das EVÜ hätte zumindest – wie das Restatement Second – klarstellen

können, dass die Parteiautonomie ihren Sinn verliert, „wenn sie zur Herrschaft des Stärkeren

über den Schwächeren wird“.992 Ein weiterer Unterschied ist, dass das Restatement Second im

Gegensatz zum EVÜ eine Rechtswahl nur zulässt, wenn sie ein Recht für anwendbar erklärt,

das gültig ist, sofern das gewählte Recht nicht auch das objektiv anwendbare Recht ist.

Auch wenn es in Einzelfragen Unterschiede gibt, haben sich in den Mitgliedstaaten der EU und

in den USA ähnliche Gedanken durchgesetzt:

988 Dazu ausführlich vgl. Christian Starck, Vorrang der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit, Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, Band 1, S. 11 ff. 989 Friedrich K. Juenger, The European Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations: Some Critical Observations, 22 Va. J. Int`l L. 1981, 123-141, 135 ff.990 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1213, 1214. 991 Restatement (Second), § 187 Comment (b), Illustrations 2 und 3, sowie Reporter`s Note zu Comment (b). 992 Friedrich K. Juenger, Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht – Eine Kritik aus amerikanischer Sicht, 46 RabelsZ, 57 (68) (1982); Paul Heinrich Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 257.

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Den durchkodifizierten Rechtsordnungen des europäischen Bereichs steht die Rechtsfindung

durch Schwerpunktbildung im case law des anglo-amerikanischen Bereichs gegenüber.

Die Gerichte der hier untersuchten europäischen Vertragsstaaten ziehen eine Reihe von Indizien

zur Ermittlung des stillschweigenden Rechtswahlwillens heran, wobei diese gegeneinander

abgewogen werden. Die US-amerikanischen Gerichte gelangen, wie aufgezeigt993, nur bei

einigen wenigen Indizien zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl. Das führt dazu,

dass das europäische Recht gründlicher und weitläufiger nach dem stillschweigenden

Rechtswahlwillen forscht. Dem könnte man entgegenhalten, dass durch die Heranziehung nur

weniger Umstände – wie in der amerikanischen Rechtsordnung – die Rechtssicherheit steigt: Es

kann nicht zu einem Streit darüber kommen, welches Gewicht jedem einzelnen Merkmal

beizumessen ist, da die Gerichte nur überschaubar wenige Indizien untersuchen müssen. Es

werden von vornherein nur die Indizien, die auf einen realen Parteiwillen schliessen lassen,

berücksichtigt. Dadurch wird eine Abgrenzung zum hypothetischen Parteiwillen überflüssig.

Ein Nachteil hierbei ist, dass nach der US-amerikanischen Lösung nicht alle Versuche

unternommen werden, einem möglichen Rechtswahlwillen der Parteien zum Durchbruch zu

verhelfen. Dabei sollte die Rechtswahl der Parteien in jedem Fall Vorrang haben vor einer

objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts, damit die Rechtswahlfreiheit auch zur

grösstmöglichen Entfaltung gelangen kann.

Gemeinsam ist allen Rechtsordnungen, dass sie von der Notwendigkeit eines

Rechtswahlvertrages ausgehen, auch wenn die Umstände, die innerhalb der jeweiligen

Rechtsordnung zur Ermittlung des stillschweigenden Rechtswahlwillens führen, teilweise

voneinander abweichen. Zudem räumen alle Gerichte unter anderem der Gerichtsstandsklausel

das stärkste Gewicht ein. In Deutschland ist die beliebteste Art einer stillschweigenden

Rechtswahl das Berufen der Parteien auf ein bestimmtes Recht während des Rechtsstreits. Es

ist bei Anwälten ebenso beliebt wie bei Gerichten, da es fast unvermeidbar zu der Anwendung

deutschen Rechts führt. Allerdings sind einzelne Aspekte, vor allem das Maß an notwendigem

Bezug auf das jeweilige Recht und sein Effekt, nicht klar.994

Weiterhin wurde gezeigt, dass in allen Rechtsordnungen bei der stillschweigenden Rechtswahl

stets eine Einigung der Parteien erforderlich ist, auch wenn dies beim stillschweigenden

Verhalten in der Praxis ungewöhnlich und schwer feststellbar erscheint.

993 Vgl. 4. Kapitel C.II.3. 994 Ulrich Drobnig, American-German private international Law, S. 229.

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B. Schlusssfolgerung

Die fortschreitende Entwicklung der privaten internationalen Beziehungen, insbesondere in der

Europäischen Union, aber auch in globaler Hinsicht, räumt dem äußeren

Entscheidungseinklang der hier behandelten Rechtsräume EU und USA einen zunehmenden

Stellenwert innerhalb der kollisionsrechtlichen Interessen ein.

Dieser Entscheidungseinklang sollte nicht durch punktuelle Rechtsvereinheitlichung erfolgen,

sondern gesamthaft. Die Privatautonomie im Europäischen Internationalen Privatrecht muss in

Zukunft noch genauer und unmissverständlicher in den Staatsverträgen geregelt werden. Dabei

ist vor allem darauf zu achten, dass diese nicht durch das Verhalten der Parteien sowie der

Richter in der Praxis umgangen werden können. Die Rechtssicherheit, die damit einherginge,

ist als elementarer Bestandteil des Internationalen Vertragsrechts zu begreifen.

Während das Restatement nicht einmal eine Kodifizierung, sondern lediglich einen Versuch

darstellt, eine gemeinsame Basis für die amerikanische Gerichtspraxis zu schaffen, wird das

EVÜ von seinen Verfassern995 nicht als bloße Übergangsregelung, sondern als Abschluss einer

Entwicklung angesehen. Die europäische Rechtsprechung zieht mehr Indizien für die

Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl heran als die amerikanische Rechtsprechung.

Eine Antwort auf die Frage, welche Rechtsordnung die „bessere“ Methode zur Ermittlung einer

stillschweigenden Rechtswahl und ihrer praktischen Umsetzung aufweist, ist jedoch letztlich

nicht möglich.

Wünschenswert ist eine stärkere Harmonisierung der Rechtsordnungen. Auf europäischer

Ebene sollte diese mittels des Grünbuchs voranschreiten. Die erforderliche Annäherung der hier

behandelten Rechtsordnungen im Hinblick auf die stillschweigende Rechtswahl kann nur

erreicht werden, wenn eine präzisere Definition der stillschweigenden Rechtswahl im

Gesetzeswortlaut erfolgt, in dem der Begriff der „stillschweigenden Rechtswahl“ aufgenommen

wird, ohne Raum für verschiedene sprachliche Auslegungen in den Rechtsordnungen zu

gewähren. Es müssen Mindestvoraussetzungen für die stillschweigende Rechtswahl in den

Gesetzestext aufgenommen werden.

Fraglich ist, ob hilfsweise ein kleiner Indizienkatalog ins Gesetz aufgenommen werden sollte,

um mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit der jeweiligen Rechtsprechung der verschiedenen

Rechtsordnungen zu gewährleisten.

995 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 7 ff.

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Durch eine Aufzählung der Indizien im Gesetz wäre eine klare Abgrenzung zum

hypothetischen Parteiwillen möglich und es bestünde nicht das Problem der Gewichtung der

Indizien. Eine ausländische Partei müsste sich nicht aus Unkenntnis des jeweiligen Rechts einer

Bewertung von Indizien gegenübergestellt sehen. Durch einen gesetzlichen Indizienkatalog

hätte man eine positive Vermutungswirkung sowie eine negative Ausschlusswirkung und somit

eine scharfe Grenzziehung.

Die Aufzählung der Indizien im Gesetz dürfte allerdings für die Bestimmung einer

stillschweigenden Rechtswahl nicht abschliessend sein. Denn der Übergang vom relativ starken

zum relativ schwachen Indiz ist fließend und kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein, so dass

die Gefahr der willkürlichen Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl vorläge. Zudem ist

eine Rechtswahlvereinbarung ein Vertrag, der sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend

möglich sein muss. Bei der Ermittlung des stillschweigenden Parteiwillens handelt es sich

daher um eine bloße Vertragsauslegung. Da es bei einer Auslegung von einem Verhalten oder

einer Vereinbarung keine abschließenden Indizien gibt, anhand derer eine Auslegung

vorgenommen werden muss, ist ein Indizienkatalog als ausschließliche und abschliessende

Bestimmung für das Vorliegen einer stillschweigenden Rechtswahl nicht zu befürworten.

Die Ausnahme der Aufnahme eines kleinen Indizienkataloges ließe sich nur mit der besonderen

Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl und der Notwendigkeit von Rechtssicherheit

rechtfertigen.

Die Indizien der Gerichtsstandsklausel, der vorherigen Vertragspraxis sowie der Bezugnahme

auf eine andere Rechtsordnung haben – wie in der Arbeit dargestellt – das grösste Gewicht.

Der Sitz des Schiedsgerichtes hat hingegen keine grosse Bedeutung für die stillschweigende

Rechtswahl, weil der Indizwert stets von der Art des Schiedsgerichtes abhängt. Das

Prozessverhalten als Indiz ist insofern problematisch, als nicht davon ausgegangen werden

kann, dass die Parteien überhaupt wussten, dass die Frage des anwendbaren Rechts zu klären ist

und der Richter gemäss § 293 ZPO das anwendbare Recht von Amts wegen ermitteln muss.

Erfüllungsort, Vertragssprache und Währungsvereinbarungen sind für sich genommen nicht

aussagekräftig im Hinblick auf eine stillschweigende Rechtswahl. Aus der Verwendung von

Formularen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf eine stillschweigende Rechtswahl zu

schliessen, liefe auf eine Fiktion eines übereinstimmenden Rechtswahlwillens hinaus und

verstiesse zudem gegen § 307 BGB. Auch bei dem Ort des Vertragsschlusses, dem Ort der

Klageerhebung und Art, Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes fehlt es an jeglichem

Bezug zu einer möglichen Einigung über das anwendbare Recht. Während das Prinzip der

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Rechtsgültigkeit in Deutschland als Indiz überhaupt nicht anerkannt wird, werden Wohnsitz,

Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien im Rahmen der objektiven Anknüpfung

geprüft und nicht bei der stillschweigenden Rechtswahl. Bei dem Vorliegen verschiedener

widersprüchlicher Indizien fehlt es ebenso an der für eine stillschweigende Rechtswahl

erforderlichen „hinreichenden Sicherheit“ wie bei der Kumulation schwacher Indizien, die

anstatt an die Suche eines Rechtswahlwillens der Parteien eher an ein „contact counting“

erinnert.

Die Verfasserin schlägt daher folgenden Gesetzeswortlaut vor:

„Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder durch die Parteien stillschweigend vorgenommen

werden. Sie erfolgt ohne Inhaltskontrolle und formlos. Der stillschweigende Rechtswahlwille

der Parteien muss erkennbar sein. Eine stillschweigende Rechtswahl liegt nicht ausschließlich,

jedoch insbesondere vor, wenn die Parteien in ihrem Vertrag auf eine andere Rechtsordnung

Bezug nehmen, eine Gerichtsstandsklausel von ihnen in den Vertrag aufgenommen worden ist

oder die vorherige Vertragspraxis eine Rechtswahl enthielt.“

In der Einleitung der Arbeit wurde auf das Grünbuch und die darin gestellte Frage hingewiesen,

ob ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere Definition der stillschweigenden

Rechtswahl enthalten sollte oder – angenommen das Übereinkommen werde in ein

Gemeinschaftsinstrument umgewandelt – durch die Zuständigkeitsübertragung an den

Gerichtshof eine hinreichende Rechtssicherheit gewährleistet wird (Frage 9 im Grünbuch Punkt

3.2.4.).

Im Verlaufe der Arbeit sollte deutlich geworden sein, dass diese im Grünbuch gestellte Frage

eindeutig dahingehend zu beantworten ist, dass ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere

Definition der stillschweigenden Rechtswahl enthalten muss und eine

Zuständigkeitsübertragung an den Gerichtshof keine hinreichende Rechtssicherheit

gewährleistet.

Es bleibt abzuwarten, ob das künftige „Rom I“-Instrument in der Regelung hinsichtlich der

stillschweigenden Rechtswahl diese erforderliche genauere Definition enthalten wird.

Dies ist für eine erhöhte Rechtssicherheit angesichts der Bedeutung internationaler

Vertragsbeziehungen nach der hier vertretenen Ansicht wünschenswert.

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LEBENSLAUF

Julia Patricia Krautter Romeiro wurde 1977 in Düsseldorf geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität in Frankfurt a.M., in Bonn sowie in Lausanne in der Schweiz. Im Jahre 2001 absolvierte sie das Erste juristische Staatsexamen und erwarb im Anschluss daran an der University of Minnesota in den USA einen Master of Law (LL.M.). Sie nahm danach an einem International Lawyer Programm einer internationalen Anwaltskanzlei in New York, USA, teil.Nach dem Referendariat in Düsseldorf legte die Autorin 2006 das Zweite juristische Staatsexamen ab. Seit Beginn des Jahres 2007 ist sie in einer international ausgerichteten Anwaltskanzlei in São Paulo, Brasilien, anwaltlich tätig.