8
Meinung/Dialog Braucht die Wirtschaftsinformatik ein eigensta ¨ ndiges Curriculum fu ¨r Software-Engineering? Von Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl In der heutigen Ausgabe der Rubrik „Mei- nung und Dialog“ mo ¨ chten wir Ihnen das Thema Braucht die Wirtschaftsinformatik ein eigensta ¨ ndiges Curriculum fu ¨r Software- Engineering? pra ¨sentieren. Die Diskussion greift die Frage auf, ob und in welchem Um- fang Software-Engineering als Teildisziplin der Wirtschaftsinformatikausbildung an deutschen Hochschulen ein fester Bestandteil des Lehrplans sein sollte. Hintergrund dieser Frage ist, dass es zwar seit 1984 Studienplanempfehlungen fu ¨r die Hochschulausbildung in der Wirtschafts- informatik gibt [Mert84], „eine rasche Wei- terentwicklung im technologischen Umfeld der WI, verbunden mit einer inhaltlichen Konsolidierung des Fachs, aber bereits nach wenigen Jahren eine șberarbeitung erforder- lich machten“[GI03]: So wurde1989 auf Ini- tiative der Wissenschaftlichen Kommission (WK) Wirtschaftsinformatik eine durchga ¨n- gig revidierte Fassung der Empfehlung er- stellt [GI89], welche zwischen 1996 und 1997 erneut u ¨ berarbeitet wurde [GI97]. Daneben wurden 1992 durch die zwischenzeitliche Etablierung eigensta ¨ndiger Studienga ¨nge mit dem Abschluss „Diplom-Wirtschaftsinfor- matiker/in“ spezielle Empfehlungen fu ¨r die inhaltliche Ausgestaltung dieser Studienga ¨n- ge verabschiedet [GI92]. Bedingt durch neue- re Entwicklungen, Paradigmen und metho- dische Ansa ¨tze innerhalb der Wirtschafts- informatik wurde 2003 eine erneute Revision der verschiedenen Empfehlungen durch- gefu ¨ hrt, welche einen allgemeinen Rahmen fu ¨r die Wirtschaftsinformatik-Ausbildung beschreibt, „der unabha ¨ngig von unter- schiedlichen Auspra ¨gungen ist und fu ¨ r alle Ausbildungsformen (Pra ¨senzlehre, E- Learning, virtuelle Ausbildung, u. a.) gelten kann“ [GI03]. Diese von einer GI-Fachkom- mission im Auftrag der WK Wirtschaftsinfor- matik im Verband der Hochschullehrer fu ¨r Betriebswirtschaft e.V. und des Fachbereichs Wirtschaftsinformatik der Gesellschaft fu ¨r Informatik e.V. (GI) erarbeiteten Rahmen- empfehlungen stehen im Einklang mit der 1999 von der Kultusministerkonferenz erlas- senen Rahmenpru ¨ fungsordnung fu ¨r Wirt- schaftsinformatik [KMK99] und wurden von der WK Wirtschaftsinformatik und dem Pra ¨- sidium der GI am 31. Januar 2003 genehmigt. Zur Ero ¨ rterung, inwiefern diese aktuellen Rahmenempfehlungen einer sinnvollen Be- ru ¨cksichtung der Teildisziplin Software-En- gineering innerhalb der WI-Ausbildung Rechnung tragen, haben – Herr Prof. Dr. Franz Lehner, Lehrstuhl fu ¨r Wirtschaftsinformatik II, Universita ¨t Passau, und – Harry Sneed, internationaler Experte und Berater fu ¨ r Software-Engineering, einen Aufsatz verfasst. Dieser gemeinsame Diskussionsbeitrag wird im Anschluss mit einer detaillierten Stellungnahme von – Herrn Prof. Dr. Karl Kurbel, Lehrstuhl fu ¨r Wirtschaftsinformatik, Europa-Uni- versita ¨t Viadrina, Frankfurt (Oder) als damaligem Sprecher der o. g. GI-Kom- mission kommentiert und erweitert [GI03]. Der Beitrag und die Stellungnahme dis- kutieren die Frage, ob es tatsa ¨chlich Miss- sta ¨nde und Lu ¨cken in der Wirtschaftsinfor- matikausbildung im Bereich Software- Engineering gibt und geben einige interes- sante Gestaltungsanregungen. Dabei stellen sich sicher noch viele Fragen, welche unsere Leser zur Diskussion anregen du ¨ rften wie z. B.: Wie reflektieren z. B. Gestaltungshin- weise wie die von Lehner/Sneed in Tabelle 1 den Selbstanspruch der Doma ¨ nenorientie- rung sowie den der Gestaltung soziotech- nischer Systeme. Muss sich die Wirtschaftsin- formatik wirklich im Bereich des Software- Engineerings profilierend differenzieren oder gibt es dafu ¨ r viel lohnenswertere Bereiche, in welchen der Stand des Wissens viel geringer ist. Sollte sich die Wirtschaftsinformatik in diesem wie in anderen Bereichen nicht eher komplementierend zur Informatik verstehen als differenzierend? Wie schaffen wir ge- meinsam eine bessere Erfolgsquote bei kom- plexen Softwareprojekten? Der Status quo jedenfalls kann sicher weder Informatiker noch Wirtschaftsinformatiker in Forschung und Praxis zufrieden stellen. Wenn auch Sie zu diesem Thema oder ei- nem Artikel der Zeitschrift Wirtschaftsinfor- matik Stellung nehmen mo ¨ chten, dann sen- den Sie Ihren Beitrag (max. 2 DIN A4 Seiten, gerne auch als E-Mail) bitte an den Hauptherausgeber, Prof. Dr. Wolfgang Ko ¨- nig, Universita ¨t Frankfurt am Main, E-Mail: [email protected]. Literatur [GI89] Gesellschaft fu ¨r Informatik e.V. (GI): An- forderungsprofil fu ¨ r die Universita ¨tsausbildung in Wirtschaftsinformatik in wirtschaftswissen- schaftlichen Studienga ¨ngen. In: Informatik Spek- trum 12 (1989) 4, S. 225 228 und Wirtschafts- informatik 32 (1990) 5, S. 472 475. [GI92] Gesellschaft fu ¨r Informatik e.V. (GI): Rah- menempfehlung fu ¨ r Diplom-Studienga ¨nge Wirt- schaftsinformatik an Universita ¨ten. In: Informa- tik Spektrum 15 (1992) 2, S. 101 105 und Wirt- schaftsinformatik 34 (1993) 4, S. 446 449. [GI97] Gesellschaft fu ¨r Informatik e.V. (GI): An- forderungsprofil fu ¨ r die Universita ¨tsausbildung in Wirtschaftsinformatik in wirtschaftswissen- schaftlichen Studienga ¨ngen. In: Wirtschaftsinfor- matik 39 (1997) 5, S. 514 517. [GI03] Gesellschaft fu ¨r Informatik e.V. (GI): Rah- menempfehlung fu ¨ r die Universita ¨tsausbildung in Wirtschaftsinformatik. In: Informatik Spek- trum 26 (2003) 2, S. 108 113. [KMK99] Sta ¨ndige Konferenz der Kultusminister der La ¨nder in der Bundesrepublik Deutschland: Rahmenordnung fu ¨ r die Diplompru ¨ fung im Stu- diengang Wirtschaftsinformatik an Universita ¨ten und gleichgestellten Hochschulen; beschlossen am 23. Februar 1999, vgl. www.kmk.org. [Mert84] Mertens, Peter: Anforderungsprofil fu ¨r die Hochschulausbildung im Bereich der Be- trieblichen Datenverarbeitung (Betriebsinforma- tik). In: Informatik Spektrum 7 (1984) 4, S. 256 258. Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl Lehrstuhl fu ¨ r Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik & Financial Engineering Kernkompetenzzentrum IT & Finanzdienstleistungen Universita ¨ t Augsburg Braucht die Wirtschaftsinformatik ein eigensta ¨ndiges Curriculum fu ¨r Software-Engineering? von Prof. Dr. Franz Lehner und Harry Sneed Mit der Garmischer NATO-Tagung im Jahre 1968 wurde Software-Engineering als Dis- ziplin begru ¨ ndet. Seit diesem Zeitpunkt wird diskutiert, was darunter u ¨ berhaupt zu ver- stehen ist [Jack98]. Urspru ¨ nglich ging es pri- ma ¨r um die Frage, wie komplexe Software- systeme am besten zu entwickeln sind. Die rasche Verbreitung des Computers und in Verbindung damit die steigende Nachfrage nach Software fu ¨ hrten dazu, dass dieses inge- nieurma ¨ßige Vorgehen durch industrielle Ansa ¨tze (z. B. „Software Factory“) erweitert wurden. Etwas vereinfacht ausgedru ¨ ckt ver- steht man heute unter Software-Engineering die Menge aller Methoden, Techniken und Vorgehensweisen, die eingesetzt werden, um Software systematisch zu entwerfen, ent- wickeln, pru ¨ fen, testen, a ¨ndern, sanieren, verwalten usw. Da sich auch die Software- technologie kontinuierlich weiter entwickelt hat und noch immer weiter entwickelt, ist diese Methoden- und Wissensbasis alles an- dere als stabil. Sieht man zuna ¨chst einmal von der gene- rellen Dynamik des Softwareumfelds ab, so wurde in Bezug auf die Fachinhalte und die Methoden bisher nur teilweise ein Konsens erreicht. Immer wieder erschienen neue Vor- schla ¨ge wie z. B. das Master-Programm der Su ¨ ditalienischen Universita ¨ten unter der Lei- tung des CRAI-Konsortiums [Bolo83] oder WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491 498 WI –Aktuell

Meinung/Dialog

  • Upload
    karl

  • View
    213

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Meinung/Dialog

Braucht die Wirtschaftsinformatikein eigenstandiges Curriculum furSoftware-Engineering?

Von Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl

In der heutigen Ausgabe der Rubrik „Mei-nung und Dialog“ mochten wir Ihnen dasThema Braucht die Wirtschaftsinformatik eineigenstandiges Curriculum fur Software-Engineering? prasentieren. Die Diskussiongreift die Frage auf, ob und in welchem Um-fang Software-Engineering als Teildisziplinder Wirtschaftsinformatikausbildung andeutschen Hochschulen ein fester Bestandteildes Lehrplans sein sollte.Hintergrund dieser Frage ist, dass es zwar

seit 1984 Studienplanempfehlungen fur dieHochschulausbildung in der Wirtschafts-informatik gibt [Mert84], „eine rasche Wei-terentwicklung im technologischen Umfeldder WI, verbunden mit einer inhaltlichenKonsolidierung des Fachs, aber bereits nachwenigen Jahren eine �berarbeitung erforder-lich machten“[GI03]: So wurde1989 auf Ini-tiative der Wissenschaftlichen Kommission(WK) Wirtschaftsinformatik eine durchgan-gig revidierte Fassung der Empfehlung er-stellt [GI89], welche zwischen 1996 und 1997erneut uberarbeitet wurde [GI97]. Danebenwurden 1992 durch die zwischenzeitlicheEtablierung eigenstandiger Studiengange mitdem Abschluss „Diplom-Wirtschaftsinfor-matiker/in“ spezielle Empfehlungen fur dieinhaltliche Ausgestaltung dieser Studiengan-ge verabschiedet [GI92]. Bedingt durch neue-re Entwicklungen, Paradigmen und metho-dische Ansatze innerhalb der Wirtschafts-informatik wurde 2003 eine erneute Revisionder verschiedenen Empfehlungen durch-gefuhrt, welche einen allgemeinen Rahmenfur die Wirtschaftsinformatik-Ausbildungbeschreibt, „der unabhangig von unter-schiedlichen Auspragungen ist und fur alleAusbildungsformen (Prasenzlehre, E-Learning, virtuelle Ausbildung, u. a.) geltenkann“ [GI03]. Diese von einer GI-Fachkom-mission imAuftrag derWKWirtschaftsinfor-matik im Verband der Hochschullehrer furBetriebswirtschaft e.V. und des FachbereichsWirtschaftsinformatik der Gesellschaft furInformatik e.V. (GI) erarbeiteten Rahmen-empfehlungen stehen im Einklang mit der1999 von der Kultusministerkonferenz erlas-senen Rahmenprufungsordnung fur Wirt-schaftsinformatik [KMK99] und wurden vonder WK Wirtschaftsinformatik und dem Pra-sidium der GI am 31. Januar 2003 genehmigt.Zur Erorterung, inwiefern diese aktuellen

Rahmenempfehlungen einer sinnvollen Be-rucksichtung der Teildisziplin Software-En-

gineering innerhalb der WI-AusbildungRechnung tragen, haben– Herr Prof. Dr. Franz Lehner, Lehrstuhlfur Wirtschaftsinformatik II, UniversitatPassau, und

– Harry Sneed, internationaler Experte undBerater fur Software-Engineering,

einen Aufsatz verfasst. Dieser gemeinsameDiskussionsbeitrag wird im Anschluss miteiner detaillierten Stellungnahme von– Herrn Prof. Dr. Karl Kurbel, Lehrstuhlfur Wirtschaftsinformatik, Europa-Uni-versitat Viadrina, Frankfurt (Oder)

als damaligem Sprecher der o. g. GI-Kom-mission kommentiert und erweitert [GI03].Der Beitrag und die Stellungnahme dis-

kutieren die Frage, ob es tatsachlich Miss-stande und Lucken in der Wirtschaftsinfor-matikausbildung im Bereich Software-Engineering gibt und geben einige interes-sante Gestaltungsanregungen. Dabei stellensich sicher noch viele Fragen, welche unsereLeser zur Diskussion anregen durften wiez. B.: Wie reflektieren z. B. Gestaltungshin-weise wie die von Lehner/Sneed in Tabelle 1den Selbstanspruch der Domanenorientie-rung sowie den der Gestaltung soziotech-nischer Systeme. Muss sich dieWirtschaftsin-formatik wirklich im Bereich des Software-Engineerings profilierend differenzieren odergibt es dafur viel lohnenswertere Bereiche, inwelchen der Stand des Wissens viel geringerist. Sollte sich die Wirtschaftsinformatik indiesem wie in anderen Bereichen nicht eherkomplementierend zur Informatik verstehenals differenzierend? Wie schaffen wir ge-meinsam eine bessere Erfolgsquote bei kom-plexen Softwareprojekten? Der Status quojedenfalls kann sicher weder Informatikernoch Wirtschaftsinformatiker in Forschungund Praxis zufrieden stellen.Wenn auch Sie zu diesem Thema oder ei-

nem Artikel der Zeitschrift Wirtschaftsinfor-matik Stellung nehmen mochten, dann sen-den Sie Ihren Beitrag (max. 2 DIN A4Seiten, gerne auch als E-Mail) bitte an denHauptherausgeber, Prof. Dr. Wolfgang Ko-nig, Universitat Frankfurt am Main, E-Mail:[email protected].

Literatur

[GI89] Gesellschaft fur Informatik e.V. (GI): An-forderungsprofil fur die Universitatsausbildungin Wirtschaftsinformatik in wirtschaftswissen-schaftlichen Studiengangen. In: Informatik Spek-trum 12 (1989) 4, S. 225–228 und Wirtschafts-informatik 32 (1990) 5, S. 472–475.

[GI92] Gesellschaft fur Informatik e.V. (GI): Rah-menempfehlung fur Diplom-Studiengange Wirt-schaftsinformatik an Universitaten. In: Informa-tik Spektrum 15 (1992) 2, S. 101–105 und Wirt-schaftsinformatik 34 (1993) 4, S. 446–449.

[GI97] Gesellschaft fur Informatik e.V. (GI): An-forderungsprofil fur die Universitatsausbildungin Wirtschaftsinformatik in wirtschaftswissen-

schaftlichen Studiengangen. In: Wirtschaftsinfor-matik 39 (1997) 5, S. 514–517.

[GI03] Gesellschaft fur Informatik e.V. (GI): Rah-menempfehlung fur die Universitatsausbildungin Wirtschaftsinformatik. In: Informatik Spek-trum 26 (2003) 2, S. 108–113.

[KMK99] Standige Konferenz der Kultusministerder Lander in der Bundesrepublik Deutschland:Rahmenordnung fur die Diplomprufung im Stu-diengang Wirtschaftsinformatik an Universitatenund gleichgestellten Hochschulen; beschlossenam 23. Februar 1999, vgl. www.kmk.org.

[Mert84] Mertens, Peter: Anforderungsprofil furdie Hochschulausbildung im Bereich der Be-trieblichen Datenverarbeitung (Betriebsinforma-tik). In: Informatik Spektrum 7 (1984) 4, S.256–258.

Prof. Dr. Hans Ulrich BuhlLehrstuhl fur Betriebswirtschaftslehre,

Wirtschaftsinformatik &Financial Engineering

Kernkompetenzzentrum IT& Finanzdienstleistungen

Universitat Augsburg

Braucht die Wirtschaftsinformatikein eigenstandiges Curriculumfur Software-Engineering?

von Prof. Dr. Franz Lehnerund Harry Sneed

Mit der Garmischer NATO-Tagung im Jahre1968 wurde Software-Engineering als Dis-ziplin begrundet. Seit diesem Zeitpunkt wirddiskutiert, was darunter uberhaupt zu ver-stehen ist [Jack98]. Ursprunglich ging es pri-mar um die Frage, wie komplexe Software-systeme am besten zu entwickeln sind. Dierasche Verbreitung des Computers und inVerbindung damit die steigende Nachfragenach Software fuhrten dazu, dass dieses inge-nieurmaßige Vorgehen durch industrielleAnsatze (z. B. „Software Factory“) erweitertwurden. Etwas vereinfacht ausgedruckt ver-steht man heute unter Software-Engineeringdie Menge aller Methoden, Techniken undVorgehensweisen, die eingesetzt werden, umSoftware systematisch zu entwerfen, ent-wickeln, prufen, testen, andern, sanieren,verwalten usw. Da sich auch die Software-technologie kontinuierlich weiter entwickelthat und noch immer weiter entwickelt, istdiese Methoden- und Wissensbasis alles an-dere als stabil.Sieht man zunachst einmal von der gene-

rellen Dynamik des Softwareumfelds ab, sowurde in Bezug auf die Fachinhalte und dieMethoden bisher nur teilweise ein Konsenserreicht. Immer wieder erschienen neue Vor-schlage wie z. B. das Master-Programm derSuditalienischen Universitaten unter der Lei-tung des CRAI-Konsortiums [Bolo83] oder

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

WI –Aktuell

das „Master of Software Engineering Curri-culum“ am renommierten Software-Engi-neering Institute (SEI) der Carnegie MellonUniversitat [Ford89]. Eine Initiative derIEEE Computer Society versucht einenBody-of-Knowledge fur das Software-Engi-neering – SWEBOK genannt – zu ent-wickeln; Endres und Rombach haben denaktuellen Stand in einem umfangreichenWerk zusammengefasst [EnRo03]. Hinzukommen die Vorstoße einiger Lander wieTexas und Australien, welche staatliche Li-zenzen erteilen [Moor03]. Hinter diesen Li-zenzierungsinitiativen steht ein Kanon vonLehrinhalten, die der staatlich geprufte Soft-ware-Engineer zu beherrschen hat. Diese In-halte lehnen sich an die Lehrplane von Uni-versitaten an (z. B. die Universitat Texas inAustin), welche die Behorden beraten. DieLizenzierungsprogramme sind allerdingsnicht unumstritten [Knig02].Als Gegenstuck zu den akademisch ge-

pragten Initiativen gibt es auch Zertifizie-rungsprogramme der Industrie (z. B. SunCertified Java Programmer, Oracle CertifiedDatabase Administrator, Microsoft CertifiedSystems Engineer und Certified SoftwareTest Engineer der British Computer Society).Hinter jedem dieser Zertifikate steht ein nor-mierter Lehrinhalt. Die Akzeptanz und Ver-breitung solcher Zertifikate in der Industriezeigt, wie groß der Bedarf nach einem ein-heitlichen, allgemeingultigen Lehrinhalt ei-gentlich ist, auch wenn dieser moglicherweisewissenschaftlich anfechtbar ist. Eine wichtigeRolle spielt dabei sicherlich die Integrationneuer Mitarbeiter in laufende Projekte[Whit02].Im Zuge der Recherche fur diesen Diskus-

sionsbeitrag wurde auch eine Erhebung deseinschlagigen Lehrangebots an deutschenUniversitaten durchgefuhrt. Außerdem ha-ben wir anhand verbreiteter Lehrbucher derWirtschaftsinformatik versucht, die ideal-typische Sicht mit der Einordnung des Soft-ware-Engineering in die Wirtschaftsinforma-tik zu vergleichen. Es wurden fast 150Lehrveranstaltungen bzw. Module identifi-ziert, die regelmaßig angeboten und demSoftware-Engineering zugerechnet werdenkonnen. Eine Ausbildung in Software-Engi-neering fehlt in praktisch keinem einschlagi-gen Studiengang und wird ubrigens unterdem Stichwort „Anwendungssystement-wicklung“ auch in der GI-Rahmenempfeh-lung fur Studiengange der Wirtschaftsinfor-matik empfohlen. Allerdings werden nuretwa 20 Prozent davon direkt von Wirt-schaftsinformatikern oder Wirtschaftsinfor-matik-Instituten betreut. Der Unterschied inden Inhalten gegenuber dem Lehrangebotder Informatik-Institute ist kaum feststell-bar.Beschrankt man die Betrachtung auf jene

Hochschulstandorte, an denen ein vollstan-

diger Studiengang „Wirtschaftsinformatik“angeboten wird, so ist ein ahnliches Verhalt-nis wie bei der Gesamtbetrachtung allerLehrveranstaltungen zu beobachten, namlichein Anteil von etwa 20 bis 25 Prozent, dervon Wirtschaftsinformatik-Lehrstuhlen un-terrichtet wird. Dies lasst den Schluss zu,dass die Unterrichtsinhalte sowohl qualitativals auch quantitativ stark von der Informatikdominiert werden. Man kann also davonausgehen, dass die Entwicklung einer eigen-standigen Sicht, die sich am Bedarf der Wirt-schaftsinformatik orientiert, bisher kaum er-folgt ist und uberwiegend die Sichtweise derInformatik fur die Gestaltung des Unter-richts verwendet wird.Fur die Entwicklung eines fachspezi-

fischen Curriculums fur Wirtschaftsinforma-tiker gibt es jedoch einige gute Grunde:(1) Gegenstand der Informatik-zentrierten

Betrachtung ist der Einsatz von Soft-waretechnologien generell sowie derenWeiterentwicklung. In der Wirtschafts-informatik hingegen stehen mit betriebli-chen Anwendungssystemen spezielleund auch konkrete Systeme im Mittel-punkt und der Softwaretechnologiekommt lediglich ein instrumenteller Cha-rakter zu. Software-Engineering musstefur Wirtschaftsinformatiker demnach nureine Untermenge einer allgemeinen Soft-ware-Engineering-Lehre sein. Dazukommen weitere Unterschiede, die sichaus speziellen Anwendungen wie Real-zeitsystemen, Prozessleitsystemen, einge-betteten Systemen u. a. m. ergeben. Man-che Systeme haben sogar Sub-Disziplineneinen Namen verliehen; so spricht manz. B. von Web Engineering, InstructionalEngineering, Portal Engineering undMobile Engineering. In den Details (z. B.Spezifikation oder Test) konnen die Un-terschiede sehr groß sein.Im Prinzip gibt es auf einer abstraktenEbene genugend gemeinsame Inhalte,um auf das „Template der Lehrplane“aus der Informatik aufzubauen. Die Si-tuation in der Informatik ist allerdingsso, dass nicht ein „Template“, sondernmehrere existieren, und es hat sich trotzvieler �hnlichkeiten in den Inhalten den-noch kein einheitliches Curriculumdurchgesetzt. Dies hat sicherlich auchmit der Freiheit der Lehre an Universita-ten zu tun, steht aber andererseits in Wi-derspruch zu einer generellen Orientie-rung an Kernkompetenzen, welche furdie Praxis wunschenswert ist und dieauch zum Aufbau einer gemeinsamenWissensbasis beitragen wurde. Dazukommt, dass die erwahnte Spezialisie-rung (z. B. Web Engineering, EmbeddedSystems) auch zu einer Differenzierungder Zustandigkeiten gefuhrt hat, sodassje nach Softwareklasse bevorzugt Infor-

matiker oder Wirtschaftsinformatikereingesetzt werden. Die verwendeten Me-thoden, Werkzeuge etc. unterscheidensich in den verschiedenen Domanen er-heblich.

(2) Die Ausbildung in Software-Engineer-ing, wie sie heute in der Informatik ub-lich ist, trifft den Bedarf der Praxis (ge-nauer gesagt, jener Bereiche, in denenWirtschaftsinformatiker eingesetzt wer-den) nur bedingt. Man kann zwar einzel-ne Unterrichtsbausteine ubernehmen, esmussten aber weitere Lehrmodule er-ganzt werden, welche die Besonderhei-ten sozio-technischer Systeme im Kon-text betrieblicher Ablaufe berucksichti-gen. Vor allem auf die Wartung und dieWeiterentwicklung von Systemen ist hierhinzuweisen.In der GI-Rahmenempfehlung fur Wirt-schaftsinformatik-Studiengange wird die-sem erweiterten Kontext zumindest teil-weise Rechnung getragen, indem derBegriff Anwendungssystementwicklungverwendet wird. Software-Engineering,einschließlich Requirements-Engineer-ing, wird darin als ein Thema neben an-deren unter den Grundlagen der System-entwicklung angefuhrt. Wer allerdingsdie Definition von Software-Engineeringaus der Informatik ubernimmt, kamezum Schluss, dass Software-Engineeringdem Teilgebiet Anwendungssystement-wicklung in der Wirtschaftsinformatikgleich gesetzt werden kann. Ein Großteilder Einzelthemen, die dort aufgelistetwerden wie Analyse, Entwurf, Realisie-rung, Einfuhrung, Betrieb und Wartung,Modellierung von Prozessen und Objek-ten, Softwareergonomie, Programmier-sprachen, Programmierung, Reengineer-ing und Systemintegration, finden sichnamlich auch in jedem Lehrbuch uberSoftware-Engineering. Die Kommissionhatte hier an Stelle des Begriffs Anwen-dungssystementwicklung ohne weiteresden Begriff „Software-Engineering“ ver-wenden konnen. Es ist allerdings zu ver-muten, dass nicht zufallig von Anwen-dungssystemen gesprochen wird unddass dem Begriff eine imperative Bedeu-tung oder ein Signalwert beigemessenwerden kann. Der zweite Wortbestand-teil ist allerdings „Entwicklung“ und hierstort bei naherer Betrachtung, dass vieleder aufgelisteten Tatigkeiten wie War-tung, Reengineering, Betrieb und Ein-fuhrung von Standardsoftware, mit Ent-wicklung nichts zu tun haben. Besserware daher ein klares Bekenntnis zueiner gemeinsamen Disziplin „Software-Engineering“ oder „Systems-Engineer-ing“, wobei die unterschiedlichen Inte-ressen und Tatigkeitsfelder von Informa-tik und Wirtschaftsinformatik durch die

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

492 WI –Aktuell

Differenzierung innerhalb der Disziplinberucksichtigt werden konnten.

(3) Wirtschaftsinformatiker haben es haufigmit einer speziellen Klasse von Software(betriebliche Anwendungen) zu tun oderbenotigen fur ihre Aufgaben zumindesteine gegenuber Informatikern abwei-chende Sicht. Der Universalanspruch derInformatik hinsichtlich des ArtefaktsSoftware und der Methoden des Soft-ware-Engineerings ist hier manchmalhinderlich. Die Haltung ist teilweise ver-standlich, als sie mit den Zielen desSoftware-Engineerings der fruhen Jahreim Einklang steht. Man konnte dies kurzso ausdrucken: Software-Engineering isteine Methodenlehre, die fur die Ent-wicklung jeder Art von Software geeig-net ist. Betriebliche Applikationen sinddamit inkludiert und ein Informatiker istdemnach per se in der Lage, diese spe-zielle Art von Software bei entsprechen-den softwaretechnischen Kenntnissenprofessionell zu entwickeln.Dieser Anspruch stammt aber aus einerZeit, in der die Welt der Softwareanwen-dungen bei weitem nicht so komplexwar, wie dies heute der Fall ist. Wegender Vielfalt an Technologien und An-wendungsfeldern kann eine solche An-sicht nur mehr als kleinster gemeinsamerNenner akzeptiert werden. Abgesehendavon, dass dies auch an der Existenz-berechtigung der Wirtschaftsinformatikruttelt, liegt darin eine �berschatzungdes technischen Wissensanteils bei derLosung betrieblicher Probleme, welchez. B. an der umfangreichen Literatur zuProjektfehlschlagen studiert werdenkann. Wenn Informatiker betrieblicheAnwendungssysteme entwickeln oderAufgaben in diesem Umfeld uberneh-men, dann benotigen sie grundsatzlichdas gleiche Wissen wie Wirtschaftsinfor-matiker.

(4) Unter den zahlreichen Softwareklassennehmen betriebliche Anwendungssyste-me wegen ihrer Verbreitung und ihresAnteils an den Kosten eine besondereStellung ein. Ein gemeinsames Merkmal,aber auch eine Besonderheit ist dabei,dass es sich um sozio-technische Systemehandelt. Diese Besonderheit wird in derFachliteratur durch den Begriff „Anwen-dungssystem“ ausgedruckt. Manche Au-toren sprechen auch von Mensch-Auf-gabe-Technik-Systemen (MAT-Systeme)oderMensch-Organisation-Technik-Sys-temen (MOT-Systeme). Wesentliche Ei-genschaften dieser Softwareklasse basie-ren nicht auf physikalischen Gesetzenoder technisch bedingten Funktionen,sondern auf menschlichen Vereinbarun-gen, die sich jederzeit andern konnen.Diese Einbettung der Software in Orga-

nisationen oder soziale Systeme fuhrt da-zu, dass sich die Weiterentwicklung oftnur schwer planen lasst und wechselndenVorgaben unterworfen ist (z. B. durchReorganisationsprojekte oder Kosten-senkungsmaßnahmen). Die Geschafts-modelle, Geschaftsprozesse, Geschafts-objekte und Business Rules, die in derSoftware ihren Niederschlag finden, sindim Unterschied zu technischen Systemenmeist nicht prazise fassbar. Sie lassen sichallenfalls semi-formal und vorlaufig be-schreiben. Die formalen Methoden (z. B.fur die Spezifikation), die sich bei tech-nischen Anwendungen bewahrt haben,sind hier nicht oder nur bedingt brauch-bar. Eine Reduktion des Software-Engi-neerings auf einen weitgehend kontext-freien und minimalistischen Kern (alsoohne Berucksichtigung der Domane)wird fur nicht sinnvoll gehalten, denndie Aufgaben ergeben sich gerade ausder Berucksichtigung der Domane. DieDomane sollte daher bereits bei der Aus-bildung berucksichtigt werden.

(5) Betriebliche Informationssysteme bildenObjekte und Vorgange aus der Geschafts-welt ab. Sie mussen mit den eben be-schriebenen Rahmenbedingungen in Ein-klang stehen. Im Unterschied zutechnischen Systemen, bei denen die War-tung weniger als 20 Prozent des Entwick-lungsaufwands ausmacht, betragen dieKosten nach der Einfuhrung solcher Sys-teme bis zu 80 Prozent der gesamten Le-benzykluskosten [Keme97, Lehn91]. Diebesondere Herausforderung der Wirt-schaftsinformatik ist demzufolge derUmgang mit �nderungen. Jede Losungist im Prinzip nur eine �bergangslosung.Dies erklart auch die Forderung nachagilen Prozessen und die positive Auf-nahme der Ideen des Extreme Program-ming [Boeh02].Betriebliche Anwendungssysteme sindnach dieser Vorstellung nie fertig. DiesesErgebnis steht aber in einem scharfenKontrast zum Projektmodell des Soft-ware-Engineerings wie es von der Infor-matik benutzt wird. Das Spiralmodellvon Boehm als iterative Anwendung deslinearen Phasenmodells bietet zwar einegedankliche Hilfe, aber keine nachhaltigeLosung fur diesen Widerspruch. Die�nderungen, um die es hier geht, sindevolutionar und folgen keiner sequen-ziellen Logik. Sie sind daher auch mitdem Spiralmodell nicht beherrschbar.Ein besonderer Stellenwert kommt nochIntegrationsaufgaben zu, welche auf un-terschiedlichen Ebenen angesiedelt seinkonnen, sodass man in Anlehnung an dieProgrammierung zwischen Software-En-gineering-in-the-Small und Software-Engineering-in-the-Large unterscheiden

konnte. Daraus ergibt sich eine weitereDifferenzierung zwischen den Aufgaben,die der Informatik bzw. der Wirtschaft-sinformatik naher sind.

Aus diesen Argumenten lasst sich ableiten,dass die Wirtschaftsinformatik in der Ausbil-dung andere Schwerpunkte als das „klassi-sche“ Software-Engineering der Informatiksetzen sollte. Vor allem dem Umgang mit be-stehender Software, der Wartung, der Wei-terentwicklung, der Wiederverwendung, derSanierung, der Migration und der Integrati-on muss mehr Bedeutung beigemessen wer-den [Mayr02]. Es gibt zwar einen gemein-samen Kern, das Profil der beiden FacherInformatik und Wirtschaftsinformatik legtaber eine unterschiedliche Ausgestaltung inbestimmten Bereichen nahe. Auf diesem Ver-standnis beruht der nachfolgende Vorschlagfur ein Curriculum, der die besonderen An-forderungen der Wirtschaftsinformatik be-rucksichtigen soll. Konzipiert ist das Pro-gramm fur vier Semester. Eine Anpassung andie jeweiligen Erfordernisse in zeitlicheroder inhaltlich-struktureller Hinsicht ist imEinzelfall moglich und auch sinnvoll (z. B.in Abhangigkeit von bestehenden Lehrange-boten oder Vorschriften der Prufungsord-nung). Der Vorschlag ist gleichzeitig als Dis-kussionsbeitrag zur Weiterentwicklung bzw.Erganzung der aktuellen GI-Rahmenemp-fehlung fur Studiengange der Wirtschafts-informatik gedacht.Unter den vielen Teilgebieten des Soft-

ware-Engineerings sollten aus Sicht der Wirt-schaftsinformatik mindestens die folgendenvier Themenschwerpunkte behandelt wer-den, namlich (vgl. auch Tabelle 1):& Softwaremanagement (Produkt-, Prozess-

und Projektmanagement),& Software- und Systementwicklung,& Softwaretest und Qualitatssicherung so-

wie& Softwarewartung und Evolution von Soft-

waresystemen.Software-Engineering steht in einem Span-nungsfeld, das die beiden Disziplinen Infor-matik und Wirtschaftsinformatik uber dentechnologischen und den okonomischenWandel wechselseitig verbindet. Daraus er-geben sich standig neue Anforderungen anangehende Wirtschaftsinformatiker. Es istbeispielsweise gar nicht so lange her, dass dieHauptaufgabe eines Wirtschaftsinformati-kers primar darin bestand, Anwendungssys-teme zu konzipieren und Softwareentwick-lungsprojekte zu leiten. Mittlerweile werdenaber immer weniger neue Anwendungssys-teme in den Unternehmen selbst entwickelt.Man ist vielmehr damit beschaftigt, fertigeProdukte einzufuhren, bestehende Systemezu erneuern oder zusatzliche Komponentenzu integrieren. Man konnte die Kernkom-petenz des Wirtschaftsinformatikers imUmfeld des Software-Engineerings daher als

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

Meinung/Dialog 493

Integrationsaufgabe beschreiben. AktuelleTrends wie End-to-End-Integration von In-formationssystemen, Einsatz von mobilenTechnologien, Enterprise-Application-Inte-gration und Model-driven Architectures be-legen dies in vielfaltiger Weise.Dazu kommt, dass die traditionellen In-

formationstechnologien zunehmend mitKommunikationstechnologien verzahnt wer-den. Wirtschaftsinformatiker mussen dahersowohl mit den unterschiedlichen Software-technologien als auch mit den verschiedenenKommunikationstechnologien vertraut sein.Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, be-stehende Systeme und neue Systeme zu inte-grieren und beide uber Kommunikations-technologien miteinander sowie mit Kundenund Geschaftspartnern zu verbinden. Paral-lel dazu mussen die Geschaftsprozesse ana-lysiert und angepasst werden. Die Anforde-rungen sind also keineswegs auf Software imengeren Sinne bzw. auf den Softwareent-wicklungsprozess beschrankt. Wirtschafts-informatiker mussen vielmehr in der Lagesein, sich rasch in bestehende Softwaresyste-me einzuarbeiten, sie zu verstehen und sie anneue Technologien anzubinden. Es wird na-turlich auch von ihnen verlangt, die Werk-zeuge zu beherrschen, mit denen man An-wendungsarchitekturen modelliert undanalysiert.Software-Engineering ist die einzige Teil-

disziplin der Informatik, die nachhaltig mit

der Wirtschaftsinformatik (und anderen Bin-destrichinformatiken) verbunden wurde undzu deren Weiterentwicklung auch von bei-den Seiten beigetragen wird. Die Einheitlich-keit der Begriffe und die Arbeit an einer ge-meinsamen Wissensbasis sollte daher nichtaufgegeben werden. Pladiert wird aber fureine innere Differenzierung bei der Ausbil-dung in den beiden Fachern, da sich die An-forderungen an Wirtschaftsinformatiker imLaufe der Zeit konsolidiert haben und sichinzwischen deutlich von den eher technischorientierten Aufgaben von Informatikernunterscheiden. Die Weiterentwicklung vonSoftware-Engineering als Wissensbasis inzwei Disziplinen bietet damit auch dieChance, die verbreitete Monopol- oder Be-sitzorientierung in der Wissenschaft durcheine Aufgaben- und Kompetenzorientierungabzulosen.

Literatur

[Boeh02] Boehm, B.; DeMarco, T.: The AgileMethods Fray. In: IEEE Computer, June 2002.

[Boeh96] Boehm, B.: Anchoring the Software Pro-cess. In: IEEE Software, Juli 1996.

[Bolo83] Bolognani, M.; De Julio, S.: A Master ofSoftware Engineering Degree in southern Italy.In: ACM Soft. Eng. Notes, 8 (1983) 5.

[EnRo03] Endres, A.; Rombach, H. D.: EmpiricalSoftware and Systems Engineering. PearsonEducation, London 2003.

[Ford89] Ford, G.; Gibbs, N.: AMaster of SoftwareEngineering Curriculum. In: IEEE Computer,Sept. 1989, S. 59–71.

[Jack98] Jackson, M.: Will there ever be SoftwareEngineering. In: IEEE Software, Jan. 1998.

[Keme97] Kemerer, C.; Slaughter, S.: Determinantsof software maintenance profiles – An empiricalInvestigation. In: Journal of Software Mainte-nance, 9 (1997) 4.

[Knig02] Knight, J.; Leveson, N.: Should SoftwareEngineers be licensed. In: Comm. of the ACM,45 (2002) 11.

[Lehn91] Lehner, F.: Softwarewartung – Manage-ment, Organisation und methodische Unterstut-zung; Munchen, 1991.

[Mayr02] Mayr, H.; C., Maas, J.: Perspektiven derInformatik. In: Informatik Spektrum, 25 (2002)3, S. 177–186.

[Moor03] Moore, M.: A License to Practice Soft-ware Engineering. In: IEEE Software, June2003.

Prof. Dr. Franz LehnerLehrstuhl fur Wirtschaftsinformatik II

Universitat Passau

Harry SneedInternationaler Experte und Berater

fur [email protected]

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

Tabelle 1 Konzept eines Lehrplans fur Software-Engineering in der Wirtschaftsinformatik

Modulbezeichnung ausgewahlte Lehrinhalte �bungsergebnisse (Beispiele)

Software-Management Grundlagen des Software EngineeringStandards und Normen im Software EngineeringSoftwareprozesse, -produkte und -projekteAnforderungsmanagement fur SoftwareprodukteMetriken fur Softwareprodukte (Quantitatives Software-management)

ProjektdefinitionAnforderungsspezifikationAufwandsschatzungProjektplanLebenszyklus-PlanRisikoanalyse

Software- und Systementwicklung AnforderungsanalyseKonzeption und Entwicklung der SystemarchitekturMethoden fur den Systementwurf (z. B. UML, OCL)Programmierung (z. B. Java, C und COBOL)

FachkonzeptUML-EntwurfeXML-SchnittstellenSQL-DatenbankenJava-KlassenCOBOL-Bausteine

Softwaretest und Qualitatssicherung Qualitatssicherungsansatze fur SoftwareStatischer Softwaretest (Review, Inspektion etc)ModultestIntegrationstestSystemtest (Performancetest, Regressionstest etc)Testwerkzeuge und -infrastruktur

QualitatsplanStatische AnalyseKlassentestSchnittstellentestSystembewertung

Softwarewartung und Evolutionvon Softwaresystemen

Softwarewartung, Evolution von SoftwaresystemenFehler-, �nderungs- und KonfigurationsmanagementTechniken fur die Evolution von SoftwaresystemenReverse Engineering von SoftwareproduktenReengineering von SoftwareproduktenMigration und Integration von Softwaresystemen

Korrigierte Java-KlassenGeanderte Java-KlassenKonvertierte COBOL-ProgrammeGekapselte COBOL-ProgrammeNachdokumentation eines SystemsRepository

494 WI –Aktuell

Stellungnahme zum Beitrag„Braucht die Wirtschaftsinformatikein eigenstandiges Curriculumfur Software-Engineering?“

von Prof. Dr. Karl Kurbel

Beim Anlesen des Beitrags von Lehner undSneed habe ich mich gefragt, was eigentlichsein Ziel sein mag. Wenn man die Ausfuh-rungen an sich voruberziehen lasst, gibt eswenig, womit man nicht ubereinstimmenwurde: Dass die Wirtschaftsinformatik an-ders als die Informatik ist – klar; dass dieEntwicklung betrieblicher Informationssys-teme sich von der Entwicklung technischerSysteme unterscheidet – einverstanden; dassInformationssysteme nie fertig sind – eineLebenserfahrung.Die eine oder andere Aussage ruft zwar

nach Erganzung oder Widerspruch: Dassman unter Software-Engineering „. . . dieMenge aller Methoden, Techniken und Vor-gehensweisen . . .“ verstehe, ist eine zumin-dest eingeschrankte Sicht. War nicht die Ent-stehung des Software-Engineerings vielstarker durch fundamentale „Prinzipien“wie Abstraktion und Information Hiding[Parn72] motiviert? Methoden und Tech-niken sind verganglich, aber die von DavidParnas und anderen formulierten Prinzipiengelten auch heute noch, ja sie stellen gerade-zu den Kern des gegenwartigen objektorien-tierten Denkens dar. Dass sich Geschaftspro-zesse, -objekte und -regeln nicht prazisefassen ließen, konnen die Autoren nicht sogemeint haben. Kohorten von Wirtschafts-informatikern entwickelten doch Modelle,Methoden und Werkzeuge, um Geschafts-prozesse moglichst genau zu beschreiben,und setzen diese flachendeckend ein.Zuruck zur Ausgangsfrage. Das Ziel des

Beitrags offenbart sich im letzten Viertel:Die Autoren prasentieren einen Vorschlagfur ein Curriculum, wie Software-Engineer-ing-Ausbildung in der Wirtschaftsinformatikaussehen sollte. Auch hier setzt sich daswohlwollende Kopfnicken des Lesers fort.Nun ja, warum sollen die Autoren diesenVorschlag nicht unterbreiten? Die genanntenInhalte sind zwar konventionell, aber zwei-fellos wichtig. Allerdings findet sich, ganz imGegensatz zur Herleitung der Notwendig-keit eines wirtschaftsinformatik-spezifischenAnsatzes, kaum ein Stichwort, das nichtauch ein Autor aus der Informatik aufgezahlthatte. Die uberwiegende Mehrzahl der Be-griffe ist im ubrigen in der von den Autorenzitierten „Rahmenempfehlung fur die Uni-versitatsausbildung in Wirtschaftsinforma-tik“ [GI03] explizit oder implizit enthalten.Zur Abgrenzung bzw. Beziehung des

Curriculum-Vorschlags zu der Rahmenemp-fehlung scheint eine Anmerkung angebracht.

Ziel der Empfehlung ist es, die Wirtschafts-informatik-Ausbildung durch Lehrinhaltezu beschreiben, die von der Mehrzahl derWirtschaftsinformatiker fur sinnvoll und er-forderlich gehalten wird. Dagegen hat so-wohl die Kommission, die die Rahmenemp-fehlung erarbeitete, als auch die WKWirtschaftsinformatik, die sie verabschiede-te, bewusst darauf verzichtet, die Inhalte aufkonkrete Lehrveranstaltungen oder Teilcur-ricula abzubilden.Dafur sind die Rahmenbedingungen, un-

ter denen Wirtschaftsinformatik-Ausbildungpraktiziert wird, viel zu unterschiedlich. Ander einen Universitat mogen fur ein FachSoftware-Engineering 12 SWS, an einer an-deren nur 8 SWS zur Verfugung stehen. Aneiner dritten sind die Kapazitatsbedingungenvielleicht so, dass die Software-Engineering-Ausbildung teilweise an die Informatik-Fa-kultat ausgelagert ist, und an einer viertenmag es eine Fachereinteilung geben, nach derSoftware-Engineering-Inhalte uber verschie-dene andere Lehrveranstaltungen verteiltsind. Der Curriculum-Vorschlag von Lehnerund Sneed kann aus dieser Sicht als einemogliche, aber nicht die einzige denkbareKonkretisierung der Rahmenempfehlung an-gesehen werden.Zwei Fragen stellen sich mir nach der Lek-

ture des Beitrags:a) Die �berschrift uber den Inhalten:

Muss das, was Lehner und Sneed vorschla-gen, unbedingt unter der �berschrift „Soft-ware-Engineering“ stehen?b) Ist die heutige Praxis der Softwareent-

wicklung in dem Lehrplan reprasentiert?Ad a) Ein großer Teil der von Lehner und

Sneed genannten Inhalte wird seit Jahrennicht nur unter der �berschrift „Software-Engineering“ gelehrt. Insbesondere in derWirtschaftsinformatik und ihrem angelsach-sischen Pendant „Information Systems“ gibtes eine lange Tradition von Ansatzen, die mitdem Begriff „Systemanalyse“, spater mit„Systemplanung und -entwicklung“ und oftmit „Entwicklung betrieblicher Informati-onssysteme“ oder „Anwendungssystem-Entwicklung“ wie in der Rahmenempfeh-lung bezeichnet wurden.Lehner und Sneed stellen vollig zutreffend

fest, dass „. . . Einzelthemen wie Analyse,Entwurf, Realisierung, Einfuhrung, Betriebund Wartung, Modellierung von Prozessenund Objekten, Softwareergonomie, Pro-grammiersprachen, Programmierung, Reen-gineering und Systemintegration . . .“ sichnicht nur im Bereich der „Anwendungssys-tem-Entwicklung“, sondern auch in jedemLehrbuch uber „Software-Engineering“ fin-den. Ich erinnere mich, vor Jahren eine ver-gleichende Buchbesprechung zum Thema„Entwicklung von Informationssystemen –Systemanalyse, Software-Engineering undbenachbarte Gebiete“ in dieser Zeitschrift

verfasst zu haben [Kurb93]. Angesichts gro-ßenteils gleicher Inhalte der genannten Ge-biete schien mir das naheliegend. Ein bekann-ter o. Univ.-Prof. der Wirtschaftsinformatikließ mich allerdings wissen, dass er auf einederart abwegige Idee nie gekommenware.Ist es nun wirklich wichtig, dass man

ahnliche Inhalte, aus unterschiedlichen Per-spektiven betrachtet, mit der gleichen �ber-schrift versieht? Muss zwingend das, wasin vielen Wirtschaftsinformatik-Lehrplanenunter „Entwicklung betrieblicher Informa-tionssysteme“ o. a. steht, nun mit der �ber-schrift „Software-Engineering“ versehenwerden? Wo hatte wohl ein mit CASE-Toolsunterlegter umfassender Ansatz wie das „In-formation Engineering“ von James Martinhingehort, das von den strategischen Unter-nehmenszielen und kritischen Erfolgsfak-toren uber Daten- und Funktionsmodellie-rung bis hin zur Schema- und Codegenerie-rung ging [Mart89]? In das „Software-Engineering“ oder zur „Entwicklungbetrieblicher Informationssysteme“? Furmeine Begriffe ist das eher eine Frage fur Pu-risten oder fur Verbandfunktionare als eine,die fur die praktische Ausbildung von be-rufstauglichen Wirtschaftsinformatikabsol-venten relevant ist.Ad b) Mehr Kopfzerbrechen bereitet mir

der andere Punkt. Dazu zwei Anmerkungen:1.) Dem Curriculum-Vorschlag scheint ein

sehr konventioneller Denkansatz zugrundezu liegen – so wie wir Software-Engineeringvor 30 Jahren begeistert aufgenommen unddann immer weiter fortgeschrieben haben.Ich argumentiere hier nicht im Geiste derDotcom-Generation und der Internet-Pro-grammierer, die alle nicht webbasierten Sys-teme pauschal als „Legacy-Systeme“ diskri-minierten – egal wie modern sie gemachtwaren. Aber ist es nicht so, dass Informa-tionssysteme heute ganz anders aussehen alsvor 30, 20 oder 10 Jahren? Fruher dachtenwir in homogenen Systemen: Man macht ei-ne Anforderungsdefinition, dann entwirftman eine Systemstruktur, bricht diese herun-ter in Komponenten oder Module, spezifi-ziert diese erst grob, dann fein – im Idealfallenach Abstraktionsgesichtspunkten, Kapse-lung und Information Hiding – program-miert die Module, testet und fuhrt ein.Heute sind die Systeme hochst heterogen,

und im Entwicklungsprozess denkt man alserstes uber die Architektur nach (ein Be-griff, der ubrigens nirgends erwahnt wird)und daruber, welche der heterogenen Kom-ponenten wohin gehort. Informationssyste-me werden nach „Tiers“ (Ebenen, Layers)strukturiert: „Three Tier“-, „Four Tier“-,„Multi Tier“-Architekturen entstehen odersind schon vorgegeben.Fur die meisten Aufgaben benutzt man

Server: Web-Server, Application-Server, E-Business-Server, DBMS-Server, Transaction-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

Meinung/Dialog 495

Server u. a., die man nicht selbst entwickelt.Dafur muss sich dann aber der uberwiegendeTeil des (technischen) Entwicklungsprozes-ses an der Funktionalitat und dem Rahmenorientieren, den die Server setzen. ServerProxies mussen eingerichtet werden, Ser-vices, die von ASPs (Application-Service-Providers) kommen, mussen eingebundenwerden. Webservices etablieren sich – m. E.ganz anders als von den Erfindern gedacht –zunehmend als allgemeine Softwaretech-nologie fur verteilte Systeme und als Integra-tionsinstrument i. S. des EAI (Enterprise-Application-Integration).Wo schlagen sich diese „neuen“ Verhalt-

nisse in dem Lehner-Sneed-Vorschlag nie-der? Man mag ja sagen, dass sie sich schonirgendwie unter den genannten Stichwortensubsumieren lassen. Von einem neuen Curri-culum mag man aber erwarten, dass es dieaktuellen Verhaltnisse der Praxis expliziterwiderspiegelt. Das kann man zwar auch der„Rahmenempfehlung“ entgegenhalten; diesehat aber einen anderen Zweck, und immer-hin enthalt sie schon einige der einschlagigenBegriffe.2.) Immer weniger Anwenderunterneh-

men entwickeln neue Informationssystemeselbst. Allenfalls betreiben sie Aufgaben wieAnforderungsmanagement, Schnittstellen-anpassung und Integration mit anderen Sys-temen, Wartung, eventuell Migration u. a.Außer großen Unternehmen, die eigene Ent-wicklungsabteilungen unterhalten, sind esuberwiegend Softwarehauser, die neue Syste-me herstellen. Daneben mag man noch andie Endbenutzer selbst denken, die Fron-tend-Anwendungen mit Personal-Comput-ing-Technologien wie VBA/Excel, Accessoder JavaScript entwickeln.Die Erstellung von Software durch Unter-

nehmen, die von diesem Geschaft leben,funktioniert oft nach anderen Gesetzen alsdenen, die dem konventionellen Software-Engineering-Denken zugrunde liegen. Nichtnur die konventionelle Phasenstruktur passtnicht. An der Tagesordnung ist eine Vor-gehensweise, die man beschonigend als„Prototyping“ bezeichnen mag; jedoch istoft der unter Zeitdruck entwickelte „Pro-totyp“ gleichzeitig das als fertig verkaufteSystem, zumindest seine erste Version, diedann vielleicht evolutionar weiterentwickeltwird.Das Softwaregeschaft ist trotz allen Stre-

bens nach Standardsoftware und Wiederver-wendung durch Individualisierung gekenn-zeichnet. Abgesehen von „ShrinkWrapped“-Software mundet fast jeder Verkaufsauftragentweder in Softwareanpassung („Customiz-ing“) oder Neuentwicklung. Die Verkaufs-abteilung des Softwareunternehmens suchtKunden fur vorhandene Systeme oder furneue, die sich im Ideenstadium oder in Ent-wicklung befinden. Im Erfolgsfall wird nicht

nur der Preis, sondern in Abstimmung mitden eigenen Entwicklern ein Ablieferungster-min ausgehandelt. Aus Wettbewerbsgrundenist dieser in aller Regel zu knapp bemessenund eigentlich nicht zu schaffen. Alle wei-teren Aktivitaten werden dem Termin dannuntergeordnet. Phasenmodell? Iterative Ent-wicklung? Boehm-Spirale? Function Points?Geordnetes Prototyping? Keine Spur davon.Im Vordergrund steht das Anforderungs-

management auf beiden Seiten, beim Auf-traggeber und beim Auftragnehmer. Schnitt-stellen zum Kunden (d. h. zu seinenvorhandenen Systemen) ebenso wie inner-halb des Entwicklungsteams sind nicht ein-deutig spezifiziert, weil sich vorab einfachnicht alles im Detail spezifizieren lasst. Dassagt zwar schon der gesunde Menschenver-stand, wurde vom Software-Engineeringaber lange ignoriert („erst spezifizieren, dannimplementieren“). Die Kommunikation mitdem „Kunden“ lauft parallel auf verschiede-nen Ebenen (Produktmanager/Verkaufer mitAuftraggeber, Systemanalytiker auf beidenSeiten, Entwickler hier mit Entwickler dortetc.), gewollt oder nicht.Dennoch: In Nachtarbeit wird das ver-

kaufte System fertig gestellt, wenn auch mitder „ublichen“ Verzogerung, und uberge-ben. Es erfullt im Sinne einer Black Boxmehr oder weniger die Anforderungsdefi-nition, aber die interne Struktur betrachtetman besser nicht („quick and dirty“). Diedaraus resultierenden Probleme zeigen sichja erst spater. Ich habe auch Falle gesehen, indenen zum Wochenende oder zum Abliefe-rungstermin 23. Dezember ein nicht laufen-des System ubergeben wurde – in der Ge-wissheit, dass der Auftraggeber uberWeihnachten ohnehin keinen Funktionstestmachen werde. Nach den Feiertagen konnteman dann ein „Update“ nachsenden, das zu-mindest lief (wie die armen Entwickler ihreFesttage verbracht haben, mag man sich den-ken . . .).Nun will ich keineswegs diese Verhaltnisse

zum Maßstab der Dinge machen, aber soll-ten sich die Wirtschaftsinformatik und dieInformatik nicht auch etwas an der Praxisder Softwareentwicklung orientieren? Viel-leicht ware es einmal eine verdienstvolleAufgabe, eine Theorie des „Software-Engi-neerings im Chaos“ zu entwickeln. Zumin-dest sollten diejenigen, die Software-Engi-neering lehren, von ihren Abstraktionen derRealitat und ihren idealtypischen Modellenheruntersteigen und sich der Wirklichkeitnahern. Und in der einen oder anderen Formkonnte sich das vielleicht auch in einem„Lehrplan“ niederschlagen . . .

Literatur

[GI03] Gesellschaft fur Informatik e.V. (GI): Rah-menempfehlung fur die Universitatsausbildung

in Wirtschaftsinformatik. In: Informatik Spek-trum, 26 (2003) 2, S. 108–113.

[Kurb93] Kurbel, K.: Vergleichende Buchbespre-chung zum Thema „Entwicklung von Informa-tionssystemen – Systemanalyse, Software Engi-neering und benachbarte Gebiete“ (11 Titel). In:Wirtschaftsinformatik 35 (1993) 5, S. 499–506.

[Mart89] Martin, J.: Information Engineering,Book I – Introduction; Prentice Hall, Engle-wood Cliffs, NJ 1989.

[Parn72] Parnas, D.L.: On the Criteria to Be Usedin Decomposing Systems into Modules. In:Communications of the ACM 15 (1972) 12, S.1053–1058.

Prof. Dr. Karl KurbelLehrstuhl fur Wirtschaftsinformatik

Europa-Universitat Viadrina,Frankfurt (Oder)

Aus den Hochschulen

Dr. Dorit Boelsche, Jahrgang 1972, die bisherals Unternehmensberaterin bei SchullermannConsulting tatig war, hat einen Ruf auf eineProfessur fur Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Logistik, im Fach-bereich Wirtschaft der Fachhochschule Ful-da angenommen. Ihre Forschungsschwer-punkte sind Kooperationen zwischenlogistischen Akteuren, E-Contracting undIT in der Logistik (http://www.fh-fulda.de).

Zum Wintersemester 2004/05 fuhrte dieUniversitat Augsburg zusammen mit der TUMunchen und weiteren nationalen wie inter-nationalen Partnern unter der Federfuhrungvon Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl im Rahmendes „Elitenetzwerks Bayern“ den Elitestu-diengang „Finance & Information Manage-ment“ ein. Der zweisprachige (englisch/deutsch) Studiengang richtet sich anStudierende im 4. bzw. 6. Semester der(Wirtschafts-)Informatik, der Wirtschafts-wissenschaften und (Finanz-/Wirt-schafts-)Mathematik sowie verwandter Fa-cher. Innerhalb eines 4- bis maximal5-semestrigen Studiums erhalten die maxi-mal 30 Studierenden jedes Jahrgangs nichtnur Kompetenzen in den Bereichen Finanz-management und Wirtschaftsinformatik,sondern auch Kontakte zu renommiertenWissenschaftlern und Praktikern. Im fachli-chen Bereich werden den Studierenden ne-ben fundierten methodischen Grundlageninsbesondere profunde Kenntnisse in denbeiden Vertiefungsrichtungen Finanzwirt-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

496 WI –Aktuell

schaft oder Finanzwirtschaftsinformatik ver-mittelt. Aus der Wirtschaftsinformatik sind– neben Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl – Prof.Dr. Helmut Krcmar und Prof. Dr. Martin Bich-ler (beide TU Munchen), Prof. Oliver Gun-ther, Ph. D. (Berlin), Prof. Dr. Gunter Muller(Freiburg), Prof. Dr. Christof Weinhardt(Karlsruhe) sowie Prof. Dr. Robert Winter(St. Gallen) am Programm beteiligt. Diefachliche Ausbildung wird im Rahmen desspeziell auf die Bedurfnisse des einzelnenStudierenden abgestimmten Studienpro-gramms durch die Mitarbeit an Forschungs-projekten, Auslandsstudien und Auslands-praktika erganzt. Großen Wert legt manzudem auf die komplementierende Vermitt-lung von Soft Skills. Diese individuelle Stu-dienplanung wird durch einen Mentor ausder Wissenschaft begleitet, der den Studie-renden fur alle das Studium und die personli-che Entwicklung betreffenden Fragen zurVerfugung steht. Die Finanzierung ist durchdas Wissenschaftsministerium (Elitenetz-werk Bayern) mit ca. 2 Mio. a, die Univer-sitat Augsburg und die TU Munchen mit ca.0,5 Mio. a sowie Praxispartner (derzeitIBM, Allianz-Dresdner Asset Management,A.T. Kearney, O2, Dr. Oetker, DeutscheBank, UPM Kymmene, VW Bank, Bayeri-sche Landesbank) mit 1,5 Mio. a uber dienachsten funf Jahre sichergestellt(http://www.uni-augsburg.de/fim).

Dr. Eduard Depner, Jahrgang 1968, der bis-lang bei SAP in Walldorf tatig war, hat einenRuf auf die Professur fur Wirtschaftsinfor-matik im Fachbereich Wirtschaftswissen-schaften der Fachhochschule fur Technikund Wirtschaft Aalen angenommen. SeineForschungsschwerpunkte liegen im Bereichbetrieblicher Informationssysteme, Integra-tionstechnologien und Data-Warehousing.

Dr. Hermann Englberger, Jahrgang 1972,der bislang als Strategy Manager im Corpo-rate Information Office (CIO) von Siemensin Munchen tatig war, hat den Ruf auf dieProfessur fur Betriebswirtschaft/Organisa-tion im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwe-sen der Fachhochschule Munchen angenom-men. Seine Forschungsschwerpunkte sinddie Auswirkungen neuer informationstech-nischer Entwicklungen auf die Unterneh-mensfuhrung im Wettbewerb(http://www.e-berger.de/).

Dr. Ulrike Erb, die bis 2002 als Produktma-nagerin bei Notes Development in Hannoverund danach im E-Learning-Forschungspro-jekt eL3 an der Universitat Oldenburg tatigwar, hat einen Ruf auf die Professur fur Infor-mationssysteme im Dienstleistungsbereichim Fachbereich Informatik/Wirtschaftsin-formatik der Hochschule Bremerhaven an-genommen. Ihre Forschungsschwerpunkte

sind Groupware-Systeme, E-Learning undGenderforschung in der Informatik(http://www.hs-bremerhaven.de/frames.php?PageID=1418/).

Dr. Torsten Eymann, Jahrgang 1966, hat denRuf auf die Professur fur Betriebswirtschafts-lehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik ander Rechts- und Wirtschaftswissenschaftli-chen Fakultat der Universitat Bayreuth (vgl.WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004)4, S. 321) angenommen.

Prof. Dr. Ulrich Frank, Jahrgang 1958, dereine Professur fur Wirtschaftsinformatik imFachbereich Informatik der Universitat Kob-lenz bekleidete, hat einen Ruf auf den Lehr-stuhl fur Wirtschaftsinformatik und Un-ternehmensmodellierung im FachbereichWirtschaftswissenschaften der UniversitatDuisburg-Essen angenommen. Seine For-schungsschwerpunkte sind Unternehmens-modellierung, Wissensmanagement und IT-Management(http://www.wi-inf.uni-essen.de/FGFrank/).

PD Dr. Hans-Dieter Groffmann, Jahrgang1961, der im Institut fur Wirtschaftsinforma-tik der Universitat Frankfurt am Main seinePflicht-Lehrveranstaltungen anbietet und bisAnfang 2003 die Stelle eines Chief Informa-tion Officer bei GrunerþJahr in Hamburgbekleidete, ubernimmt ab Wintersemester2004/05 die Vertretung der Professur fur In-formationswirtschaft/Wirtschaftsinformatikan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultatder Technischen Universitat BergakademieFreiberg. Seine Forschungsschwerpunktesind Informationsmanagement, Internetoko-nomie sowie Mediensysteme und Mobilitat(http://www.wiwi.tu-freiberg.de/wi/).

Prof. Dr. Thomas Hess, Jahrgang 1967, dereine Professur fur Betriebswirtschaftslehreund Wirtschaftsinformatik in der Fakultatfur Betriebswirtschaftslehre der UniversitatMunchen bekleidet, hat einen Ruf auf dieProfessur fur Allgemeine Betriebswirt-schaftslehre undWirtschaftsinformatik in derFakultat fur Betriebswirtschaftslehre derUniversitat Mannheim abgelehnt. Seine For-schungsschwerpunkte sind die Veranderun-gen in der Medienbranche und in Controllingund Organisation durch Informations- undKommunikationstechnologien(http://www.wi.bwl.uni-muenchen.de).

PD Dr. Roland Holten, Jahrgang 1966, hateinen Ruf auf die Professur fur Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Entwicklung be-trieblicher Informationssysteme, im Fach-bereich Wirtschaftswissenschaften der Uni-versitat Frankfurt am Main angenommen.Seine Forschungsschwerpunkte sind Pro-zessmanagement und Business-Integration,

IS fur das Management, Theorie und Metho-den der IS-Entwicklung sowie IT-Manage-ment und IT-Architekturen(http://iwi2.wiwi.uni-frankfurt.de/).

Prof. Dr. Stephan Konig, Jahrgang 1967, derbei Accenture die Stelle eines Managers be-kleidete, hat einen Ruf auf die Professur furInterorganizational Business-Computing imFachbereich Wirtschaft der FachhochschuleHannover angenommen. Er betreut dort denneu gestarteten gleichnamigen MBA-Stu-diengang. Seine Forschungsgebiete sindEnterprise-Application-Integration, SilentCommerce undMobile Computing(http://www.wirt.fh-hannover.de).

PD Dr. Dirk Mattfeld, Jahrgang 1962, der bis-her die Position eines Hochschulassistentenim Fachbereich Wirtschaftswissenschaft derUniversitat Bremen bekleidete, hat den Rufauf eine Professur fur Wirtschaftsinformatikim Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwis-senschaften der Technischen UniversitatBraunschweig angenommen. Seine For-schungsschwerpunkte sind die Entschei-dungsunterstutzung und das Prozessmanage-ment in Logistik und Verkehr(http://www.tu-braunschweig.de/winfo).

Dr. Monika Reimpell, Jahrgang 1970, die bis-lang als Managerin bei Accenture tatig war,hat einen Ruf auf die Professur fur Wirt-schaftsinformatik und Wirtschaftsmathema-tik im Fachbereich Ingenieur- und Wirt-schaftswissenschaften der FachhochschuleSudwestfalen in Meschede angenommen(http://www.fh-meschede.de/public/reimpell/).

Prof. Dr. Friedrich Roithmayr, Jahrgang 1946,der bislang eine Professur fur Wirtschafts-informatik im Fachbereich Betriebswirt-schaftslehre der Universitat Innsbruck be-kleidete, hat den Ruf auf eine Professur furWirtschaftsinformatik – Information-Engi-neering im Fachbereich Wirtschaftsinforma-tik der Universitat Linz angenommen. SeineForschungsschwerpunkte sind Informationand Knowledge-Management, IS-Planungsowie Evaluierung (http://www.ie.jku.at).

Dr. Thomas Romeyke, Jahrgang 1957, derbislang im IT-Bereich eines großen deutschenLuftfahrtkonzerns tatig war, vertritt seit Ja-nuar 2004 das FachWirtschaftsinformatik amFachbereich Wirtschaftsingenieurwesen derFachhochschule Lubeck. Seine Lehrver-anstaltungen und Arbeiten konzentrierensich auf informationstechnologische Anwen-dungen in den Unternehmen, wie z. B. IT-Management und IT-Security. BesonderenRaum nehmen in allen Veranstaltungen dieThemen Open Source und Risikomanage-ment ein.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 6, S. 491–498

Aus den Hochschulen 497

PD Dr. Mareike Schoop, Jahrgang 1970, dieim Institut fur Wirtschaftsinformatik derUniversitat Munster die Professur fur Wirt-schaftsinformatik und Interorganisationssys-teme vertreten hat und eine Nachwuchsgrup-pe zum Thema „Electronic Negotiation Sup-port in B2B E-Commerce“ an der RWTHAachen leitet, hat einen Ruf an die UniversitatKoblenz-Landau auf eine Professur fur Wirt-schaftsinformatik, insbesondere betrieblicheKommunikationssysteme und mobile An-wendungen, im Fachbereich Informatik ab-gelehnt und einen weiteren Ruf auf eineProfessur fur Wirtschaftsinformatik im Fach-bereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-ten der Universitat Hohenheim angenom-men. Ihre Forschungsschwerpunkte sindbetriebliche Kommunikationssysteme, Ak-zeptanzforschung und SemanticWeb(http://www.uni-hohenheim.de/wi1).

Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Szyperski, Jahr-gang 1931, Honorarprofessor fur Betriebs-wirtschaft in der Wirtschafts- und Sozialwis-senschaftlichen Fakultat der Universitat zuKoln, hat aus den Handen des Bundespra-sidenten das Große Verdienstkreuz des Ver-dienstordens der Bundesrepublik Deutsch-land erhalten. Die Laudatio betonte seinenhervorragenden Einsatz bei der Erleichte-rung und Forcierung von Betriebsgrundun-gen aus der deutschen Hochschul- und For-schungslandschaft heraus sowie seinen Anteilan einer positiven Entwicklung des Entwick-lungs- und Innovationsstandortes Deutsch-land.

Prof. Dr. Volker Wulf, Jahrgang 1962 hat denan ihn ergangenen Ruf auf eine Professur furMedieninformatik an der PadagogischenHochschule Schwabisch Gmund (vgl.WIRT-SCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2,S. 162) abgelehnt und einen Ruf auf eine Pro-fessur fur Wirtschaftsinformatik und NeueMedien an der Universitat Siegen erhalten.