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8/2010 www.fliegermagazin.de 35 Damit wir an den folgenden Flugplätzen einen hochoffiziellen und professionellen Eindruck machen, haben wir uns in Uniform geschmissen und mit Abzeichen sowie gebas- telten Crewausweisen behangen: In Afrika soll es noch Länder geben, die Piloten extra zur Kasse bitten, wenn sie ohne Uniform »im Dienst« sind. Auf alle Fälle macht es so man- ches leichter, wenn man ein paar Streifen auf den Schultern trägt. Weil in Ägypten eine kurzfristig geplan- te wichtige Tagung stattfindet, können wir den Flieger während der nächsten zehn Tage in Luxor nicht über Nacht parken. Deshalb steuern wir erst Asyut an und anderntags dann Luxor; nur hier gibt es das begehrte Avgas. Anschließend noch am gleichen Tag weiter nach Jeddah in Saudi-Arabien. Die Formalitäten in Ägypten lassen sich überraschend gut erledigen, was ohne den eingeschaltenen Handlingagenten wohl nicht so wäre. Dennoch: Jede Landung macht uns 600 Dollar ärmer. Als wir von Luxor starten, sind alle Spritbehälter voll, das Thermometer zeigt 40 Grad. Gut, dass der Platz tief liegt und eine lange Bahn hat. Unse- re »172« hebt zwar schnell und brav ab, aber die Steigleistung beim Abflug übers Rote Meer lässt zu wünschen übrig. Erst nach einer Stunde erreichen wir die geforderte Flugfläche 95. Als die Sicht über dem Meer immer schlechter wird, bleibt uns nichts anderes übrig als tieferzugehen. Kurz vor Jeddah sind wir froh, aus 5000 Fuß noch das Wasser zu sehen. Anflug und Kommu- nikation mit dem Controller funktionieren problemlos, wie überhaupt die Funkerei auf der gesamten Strecke. Da wir nicht wissen, auf welchem der zehn Vorfelder wir unse- ren Agenten finden, biegen wir von der Piste falsch ab. So müssen wir eine halbe Stunde rollen und zwei aktive Bahnen queren. Was den Sprit betrifft, sollen in Jeddah nur noch 140 Liter Avgas erhältlich sein, der Liter zum Schnäppchenpreis von 20 Dollar. Zum Glück ist die Lima Delta auch für Mo- gas zugelassen. Unser Handling Agent bringt es uns mit dem Tankwagen vorbei. Für den Liter Normalbenzin bezahlen wir »nur« drei Dollar und dennoch insgesamt fast 2000 Dollar weniger als für Avgas. Am nächsten Tag kommen allerdings noch mal 1000 Dollar für Handling und Landegebühren hinzu. Obwohl uns beim Drainen der Tanks die homogene Spritfärbung zeigt, dass sich das Avgas mit dem Mogas vermischt hat, bleibt ein komisches Gefühl vor dem Start und der langen Strecke über das Rote Meer nach Dji- bouti. Bereits auf dem Rollweg merken wir, dass Leistung fehlt. Beim Magnetcheck stirbt der Motor auf dem linken Zündkreis fast ab. So können wir nicht starten: »Request taxi back to the apron.« Sollte unsere Reise be- Text und Fotos: Markus Strolz, Roman Tagwercher B ereits im Jahr vor dieser Tour haben wir Flugerfahrung im Süden Afrikas ge- sammelt. Mit den Kontakten, die dabei entstanden, hat sich die Möglichkeit eines Ferryflugs mit einer Cessna 172 von Magde- burg nach Maun in Botswana eröffnet. Die Maschine ist zwar 40 Jahre alt, doch mit ge- rademal 2000 Betriebsstunden in einem sehr guten Zustand. Und ihr Continental-Motor – leider nur 145 PS stark – ist fast neu. Heike Schweigert, die neue Besitzerin der Skyhawk, hat in Maun den Kalahari Flying Club (www.kalahari-flying-club.org) gegrün- det; sie verchartert Flugzeuge, bietet betreu- te Touren an und kümmert sich um adminis- travie Belange ihrer Gäste, die in Botswana fliegen oder geflogen werden wollen. Leider verzögern Papierkram und Über- holung der Maschine den Abreisetermin, zum Beispiel muss der geliehene 140-Liter- Ferrytank noch mit einer Pum- pe versehen werden. Mit drei Wochen Verspätung holen wir die Maschine in Magdeburg ab. Von unserem Heimatflug- platz Hohenems in Vorarlberg fliegen wir Ende Juni über die Alpen in Richtung Italien und Kroatien, um dann auf der Ost- route unser Ziel anzusteuern. Mitten durch Afrika, über die großen Wüsten im Norden, fliegt niemand. Zwar wäre auch eine Route über die westaf- rikanischen Staaten denkbar, doch sowohl politisch als auch geografisch ist die Ostrou- te vorteilhafter. Mit Ferrytank und dem Notwendigsten an Gepäck stößt die Maschine bereits mit zwei Mann an ihre Betriebsgrenzen – auch wegen der vier Zusatzkanister für Flugplätze ohne Sprit. Auf den wirklich langen Strecken könnten wir in der Luft aus den Kanistern nachtanken. Über die Alpen läuft alles bestens. Tanken in Zadar, Kroatien; ein erstes Befüllen des Ferrytanks endet mit fünf Litern Avgas im Cockpit. Es verflüchtigt sich jedoch so schnell wie unser Ärger, und wir hängen gleich noch die nächste Etappe bis Korfu dran. Dort ver- bringen wir den eingesparten Tag – natürlich am Strand. Unser nächstes Ziel ist Heraklion auf Kreta. Immer noch in Europa, machen wir uns keine Gedanken über Avgas oder Öl, das wir bunkern wollen, bevor es nach Afrika geht. Doch Flugmotoröl ist nicht auf- zutreiben. Mit der Hilfe eines griechischen Clubpiloten sind wir nach vielen Telefona- ten und vier Stunden Taxifahrt um ein Uhr nachts endlich im Besitz von zwölf Litern des schwarzen Golds. Das sollte für den Rest der Reise ausreichen. Afrika erreichen wir anderntags nach ei- ner 270-Meilen-Strecke übers Mittelmeer. Mensch & Maschine Überführungsflug Deutschland–Botswana Auf der Ostroute nach Süden Von Magdeburg nach Maun – das sind 12 000 Kilometer durch 19 Länder: Was für ein Abenteuer mit einer Cessna 172! Zwei Österreicher haben sich der Herausforderung gestellt, um die Maschine für den Kalahari Flying Club zu überführen Noch zwei Länder bis ans Ziel: über der einsamen Weite an der Grenze von Tansania und Mosambik Auf den wirklich langen Strecken könnten wir in der Luft aus den Kanistern nachtanken

Mensch Maschine Auf der Ostroute nach Süden B · Nach bewährter Methode – hohe Drehzahl und mageres Gemisch – versuchen wir die Kerzen sauber zu brennen. Schließlich läuft

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Page 1: Mensch Maschine Auf der Ostroute nach Süden B · Nach bewährter Methode – hohe Drehzahl und mageres Gemisch – versuchen wir die Kerzen sauber zu brennen. Schließlich läuft

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Damit wir an den folgenden Flugplätzen einen hochoffiziellen und professionellen Eindruck machen, haben wir uns in Uniform geschmissen und mit Abzeichen sowie gebas-telten Crewausweisen behangen: In Afrika soll es noch Länder geben, die Piloten extra zur Kasse bitten, wenn sie ohne Uniform »im Dienst« sind. Auf alle Fälle macht es so man-ches leichter, wenn man ein paar Streifen auf den Schultern trägt.

Weil in Ägypten eine kurzfristig geplan-te wichtige Tagung stattfindet, können wir den Flieger während der nächsten zehn Tage in Luxor nicht über Nacht parken. Deshalb steuern wir erst Asyut an und anderntags dann Luxor; nur hier gibt es das begehrte Avgas. Anschließend noch am gleichen Tag weiter nach Jeddah in Saudi-Arabien.

Die Formalitäten in Ägypten lassen sich überraschend gut erledigen, was ohne den eingeschaltenen Handlingagenten wohl nicht so wäre. Dennoch: Jede Landung macht uns 600 Dollar ärmer. Als wir von Luxor starten,

sind alle Spritbehälter voll, das Thermometer zeigt 40 Grad. Gut, dass der Platz tief liegt und eine lange Bahn hat. Unse-re »172« hebt zwar schnell und brav ab, aber die Steigleistung beim Abflug übers Rote Meer lässt zu wünschen übrig. Erst nach einer Stunde erreichen wir die geforderte Flugfläche 95.

Als die Sicht über dem Meer immer schlechter wird, bleibt uns nichts anderes übrig als tieferzugehen. Kurz vor Jeddah sind wir froh, aus 5000 Fuß noch das Wasser zu sehen. Anflug und Kommu-nikation mit dem Controller funktionieren problemlos, wie überhaupt die Funkerei auf der gesamten Strecke. Da wir nicht wissen, auf welchem der zehn Vorfelder wir unse-ren Agenten finden, biegen wir von der Piste falsch ab. So müssen wir eine halbe Stunde rollen und zwei aktive Bahnen queren.

Was den Sprit betrifft, sollen in Jeddah nur noch 140 Liter Avgas erhältlich sein, der Liter zum Schnäppchenpreis von 20 Dollar. Zum Glück ist die Lima Delta auch für Mo-gas zugelassen. Unser Handling Agent bringt es uns mit dem Tankwagen vorbei. Für den Liter Normalbenzin bezahlen wir »nur« drei Dollar und dennoch insgesamt fast 2000 Dollar weniger als für Avgas. Am nächsten Tag kommen allerdings noch mal 1000 Dollar für Handling und Landegebühren hinzu.

Obwohl uns beim Drainen der Tanks die homogene Spritfärbung zeigt, dass sich das Avgas mit dem Mogas vermischt hat, bleibt ein komisches Gefühl vor dem Start und der langen Strecke über das Rote Meer nach Dji-bouti. Bereits auf dem Rollweg merken wir, dass Leistung fehlt. Beim Magnetcheck stirbt der Motor auf dem linken Zündkreis fast ab. So können wir nicht starten: »Request taxi back to the apron.« Sollte unsere Reise be-

Text und Fotos: Markus Strolz, Roman Tagwercher

Bereits im Jahr vor dieser Tour haben wir Flugerfahrung im Süden Afrikas ge-sammelt. Mit den Kontakten, die dabei

entstanden, hat sich die Möglichkeit eines Ferryflugs mit einer Cessna 172 von Magde-burg nach Maun in Botswana eröffnet. Die Maschine ist zwar 40 Jahre alt, doch mit ge-rademal 2000 Betriebsstunden in einem sehr guten Zustand. Und ihr Continental-Motor – leider nur 145 PS stark – ist fast neu.

Heike Schweigert, die neue Besitzerin der Skyhawk, hat in Maun den Kalahari Flying Club (www.kalahari-flying-club.org) gegrün-det; sie verchartert Flugzeuge, bietet betreu-te Touren an und kümmert sich um adminis-travie Belange ihrer Gäste, die in Botswana fliegen oder geflogen werden wollen.

Leider verzögern Papierkram und Über-holung der Maschine den Abreisetermin, zum Beispiel muss der geliehene 140-Liter-Ferrytank noch mit einer Pum-pe versehen werden. Mit drei Wochen Verspätung holen wir die Maschine in Magdeburg ab. Von unserem Heimatflug-platz Hohenems in Vorarlberg fliegen wir Ende Juni über die Alpen in Richtung Italien und Kroatien, um dann auf der Ost-route unser Ziel anzusteuern. Mitten durch Afrika, über die großen Wüsten im Norden, fliegt niemand. Zwar wäre auch eine Route über die westaf-rikanischen Staaten denkbar, doch sowohl politisch als auch geografisch ist die Ostrou-te vorteilhafter.

Mit Ferrytank und dem Notwendigsten an Gepäck stößt die Maschine bereits mit zwei Mann an ihre Betriebsgrenzen – auch wegen der vier Zusatzkanister für Flugplätze ohne Sprit. Auf den wirklich langen Strecken könnten wir in der Luft aus den Kanistern nachtanken.

Über die Alpen läuft alles bestens. Tanken in Zadar, Kroatien; ein erstes Befüllen des Ferrytanks endet mit fünf Litern Avgas im Cockpit. Es verflüchtigt sich jedoch so schnell wie unser Ärger, und wir hängen gleich noch die nächste Etappe bis Korfu dran. Dort ver-bringen wir den eingesparten Tag – natürlich am Strand. Unser nächstes Ziel ist Heraklion auf Kreta. Immer noch in Europa, machen wir uns keine Gedanken über Avgas oder Öl, das wir bunkern wollen, bevor es nach Afrika geht. Doch Flugmotoröl ist nicht auf-zutreiben. Mit der Hilfe eines griechischen Clubpiloten sind wir nach vielen Telefona-ten und vier Stunden Taxifahrt um ein Uhr nachts endlich im Besitz von zwölf Litern des schwarzen Golds. Das sollte für den Rest der Reise ausreichen.

Afrika erreichen wir anderntags nach ei-ner 270-Meilen-Strecke übers Mittelmeer.

Mensch & Maschine

Überführungsflug Deutschland–Botswana

Auf der Ostroute nach SüdenVon Magdeburg nach Maun – das sind 12 000 Kilometer durch 19 Länder: Was für ein Abenteuer mit einer Cessna 172! Zwei Österreicher haben sich der Herausforderung gestellt, um die Maschine für den Kalahari Flying Club zu überführen

Noch zwei Länder bis ans Ziel: über der einsamen Weite an der Grenze

von Tansania und Mosambik

Auf den wirklich langen Strecken

könnten wir in der Luft aus den Kanistern nachtanken

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reits hier ins Stocken geraten? Müssen wir etwa den ganzen Sprit ablassen und reines Avgas zum Horrorpreis kaufen, sofern wir es überhaupt irgendwo auftreiben können? Nach bewährter Methode – hohe Drehzahl und mageres Gemisch – versuchen wir die Kerzen sauber zu brennen. Schließlich läuft der Motor wieder rund. Auf dem riesigen Vorfeld machen wir ein paar Testläufe und sind zufrieden. Wir entscheiden uns für ei-nen Start mit Abbruch nach 1000 Metern, falls wir dann nicht problemlos abgehoben haben. Die 3000 Meter lange Bahn bietet genügend Sicher-heitsreserven.

Mit mulmigem Gefühl ste-hen wir wieder am Rollhalt, er-halten die Freigabe und schie-ben das Gas rein. Obwohl der Motor einwandfrei läuft, ist uns in den ersten Stunde über dem Wasser nicht richtig wohl. Ständig wandern die Augen zu den Motorinstrumenten, deren Anzeigen glücklicherweise im grünen Bereich liegen. Starker Rückenwind belohnt uns für die Un-annehmlichkeiten in Jeddah. Die 700-Mei-len-Strecke schaffen wir in fast sechs Stun-den – bei Gegenwind hätten es locker neun werden können; mit 95 Knoten »cruise« ist die alte Lady nun mal kein Rennwagen.

Nicht so erfreut sind wir über die Sicht, die sich allmählich verschlechtert. In Eritrea an der Westküste des Roten Meers fliegen wir in nur noch 2000 Fuß AGL, um die Boden-sicht nicht zu verlieren. Und wir müssen wei-ter sinken. Der Controller von Asmara kann es gar nicht glauben, dass wir uns mit 1000 Fuß melden. Er ist hörbar froh, uns endlich an Dschibuti übergeben zu können. Entlang der Küste schleichen wir uns zum Flughafen und sind erleichtert, ihn endlich in Sicht zu

haben. Im Anflug fragt Dschibuti Approach immer wieder nach unserem VOR-Radial. Der Controller scheint nicht zu wissen, dass seine Station gar nicht funktioniert. Aber wir melden brav die per GPS geschätzten Radials – damit ist er sehr zufrieden. 43 Grad Celsius meldet der Tower bei der Landung.

Wir gönnen uns einen freien Tag in Dschi-buti und hoffen, dass die Sicht besser wird. Wir erkunden die Stadt, sprechen mit deut-schen Soldaten, von denen manche während ihres Einsatzes gegen somalische Piraten im

gleichen Hotel untergebracht sind wie wir, und schon steht wieder die Flugplanung für den nächsten Tag an. »BLSA« im METAR, blowing sand: Das lässt keine gute Sicht erwar-ten. Wir einigen uns darauf, einen Versuch zu machen und umzudrehen, bevor wir die Bo-densicht verlieren. Zuerst wird aber wieder vollgetankt. Avgas

gibt es nur fassweise zu 200 Litern, die wir problemlos unterbringen. Beim Abflug will der Controller noch wissen, ob wir beide eine IFR-Berechtigung haben, was wir beja-hen können. Obwohl wir nach vorn kaum et-was sehen, bleibt aus den Seitenfenstern der Boden immer in Sicht. Im Laufe des langen Flugs können wir sogar auf die geforderten 9500 Fuß steigen. Kein Luxus, denn unser äthiopischer Zielflughafen Addis Abeba liegt in 7600 Fuß, umgeben von bis zu 13 000 Fuß hohen Bergen.

Kurz vor Addis erhält die Maschine noch eine kurze Dusche, was ihr nach den Sand-flügen nicht schadet. Zwei Minuten nach-dem wir ausgestiegen sind, prasselt starker Regen herab. Gut, dass wir unter dem Flügel Schutz finden, bis uns endlich jemand mit ei-nem Bus vom Vorfeld abholt.

Anflug auf Korfu: Die Piste von Kerkira

ragt wie ein großer Steg ins Meer. Auf

dem Weiterflug dient sie als Sprung-

brett nach Kreta

Markt in Dschibuti: Hier an der Südspitze des Roten Meers liegt die europäische Welt schon weit zurück

Tanken auf afrikanisch: Avgas gibt’s in Dschibuti nur in Fässern zu 200 Litern. Die passen dank Zusatztank locker in die Cessna 172

In den Bergen bei Addis Abeba: Die Mädchen schuften, die Männer stehen rum. Armut ist in Äthiopien überall sichtbar

Einreisebüro in Lokichoggio: Die Stadt ist der nordwestlichste Außenposten Kenias an der Grenze zum Sudan

Obwohl wir nach vorn kaum etwas sehen, bleibt aus den Seitenfens-tern der Boden immer in Sicht

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Addis Ababa ist ein Höhepunkt der Reise. Wir besichtigen Kirchen und Museen, fah-ren auf die hohen Berge in der Umgebung, genießen den Komfort eines modernen Großstadthotels – und sehen überall Armut. Die Gegensätze könnten nicht größer sein.

7600 Fuß, dazu 15 Grad über Standard-temperatur und ein gut beladener Flieger: die besten Voraussetzungen für eine »Un-fallakte«. Mehrmals rechnen wir durch, wie viel Sprit wir tatsächlich brauchen. Doch leider ist es sehr schwierig, genaue Wind-informationen für die Strecke nach Lokichoggio in Kenya zu bekommen. So wird der Start wie erwartet sehr mühsam, nur langsam gewinnt die »172« Höhe. Wie so oft auf den lan-gen Streckenabschnitten ver-gehen Stunden ohne direkten Funkkontakt, das gesamte Radiosystem ist nicht für den VFR-Verkehr unter Flugfläche 100 ausgelegt. Wieder mal dient uns eine Condor-Crew in Flight Level 360 als Relais-station; sie sendet unsere Position und ge-schätzte Ankunftszeit an einen Lotsen wei-ter. Durch die mangelnde Radarabdeckung hat sich in vielen Ländern Afrikas die Angabe von »estimates« durchgesetzt. Die Flugzeiten »to« oder »abeam« NDBs, VORs, Flugplätzen oder IFR-Meldepunkten werden vom Cont-roller abgefragt und wenn notwendig an an-dere Verkehrsteilnehmer weitergeleitet. Die Meldepunkte sind im spärlichen VFR-Kar-tenmaterial Afrikas nicht enthalten. So ist es gut, dass wir alle Punkte in unserem Garmin 296 finden.

Problemlos erreichen wir Kenia und stel-len uns darauf ein, wieder umständlich Mo-gas zu tanken. Doch in Lokichoggio hat ein Amerikaner gewerblich eine Cessna 206 sta-

tioniert. Er verkauft uns gerne Avgas, sogar zu einem vernünftigen Preis. Mark, ein süd-afrikanischer Pilot, der hier für die Mission Aviation Fellowship fliegt, nimmt uns in die Stadt mit. Sein international arbeitender hu-manitärer Flugdienst betreibt weltweit 130 Maschinen. Beim gemeinsamen Abendessen gibt uns Mark viele wertvolle Tipps für den Papierkram und den Weiterflug.

Die nächste Strecke führt uns nach Nai-robi. Wilson am Südrand der kenianischen Hauptstadt ist der wichtigste General-Aviati-

on-Flugplatz im Osten Afrikas, und so schaffen wir es kaum, einen Parkplatz zu finden. Fast hundert Maschinen stehen hier. Nach dem Papierkram in Kenia – zum ersten Mal wollen die Behörden alle Flugzeugdo-kumente und Lizenzen sehen – fliegen wir gleich weiter: Auf Sansibar wollen wir uns ein paar Tage Urlaub gönnen.

Unterhalb der Anflugschneise des nahege-legenen internationalen Flughafens schlei-chen wir uns von Wilson enroute in Rich-tung Tansania. Vorbei am 5895 Meter hohen Kilimanjaro, der sich leider in Wolken hüllt, erreichen wir erst bei Einbruch der Dunkel-heit die Insel – Anflug »special VFR«, wie der Controller sagt. Im Einreisebüro müssen wir zwei nette junge Mädchen davon überzeu-gen, dass Crew-Mitglieder kein Visum brau-chen. Das verdiente Kilimanjaro-Bier geneh-migen wir uns in einem Hotel am Strand.

Bis hierher haben wir die Ein- und Über-fluggenehmigungen von einem englischen Büro erledigen lassen, was bestens funktio-niert hat und auch recht günstig war. Ab San-sibar nehmen wir das wie geplant selbst in die Hand. Und gleich ein Anfängerfehler: Wir haben nicht beachtet, dass unsere Ankunft

auf einen Freitag fällt – bis Dienstag ist kein Weiterflug möglich. Doch es gibt schlimme-re Orte, um auf die »clearance number« von Mosambik zu warten. Ein Schnorchelausflug auf Prison Island und ein Tauchtag an den Riffs anderer Inseln lassen richtig Urlaubs-stimmung aufkommen.

Immer der Küste entlang fliegen wir nach Pemba in Mosambik. Von dort gleich wei-ter ins 150 Meilen entfernte Lumbo, wo uns

ein junges Begrüßungskomitee empfängt: Eine ganze Schule hat sich versammelt! Es scheint nicht oft vorzukommen, dass hier ein Flugzeug landet. Wir besichtigen den histo-rischen Teil der Ilha de Moçambique und gönnen uns regionale Kost. Auch wenn der Flugplatz nicht kontrolliert ist – am nächsten Morgen ist jemand da, der die Landegebühr kassiert. Und der »Polizist«, der die ganze Nacht das Flugzeug bewacht hat, fordert auch

Rührender Empfang: Eine ganze Schule

begrüßt Roman Tagwercher (l.) und

Markus Strolz in Lumbo, Mosambik.

Flugzeuge und Piloten scheinen

ein seltener Anblick zu sein

UN-Station am Flugplatz von Lokichoggio: Eine der abgewrack-ten Transportmaschinen soll eine Bruchlandung gehabt haben

Charme in Uniform: Auf Sansibar fragen die Damen von der Einrei-sebehörde nach Visa – die eine Flugzeugbesatzung nicht braucht

Auf der Ilha de Moçambique: Die Insel vor Lumbo gibt dem Land seinen Namen. Portugal war hier die erste Kolonialmacht

Ein Schnorchel-ausflug auf Prison

Island und ein Tauchgang lassen Urlaubsstimmung

aufkommen

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wir per Airliner den Rückflug nach Frankfurt am Main an.

Was für ein Abenteuer! Bestimmt werden wir bald wieder nach Maun kommen und schauen, wie es Heike und der A2-WOF geht.

seine Dollars ein. Bestimmt hätten die Ein-wohner einige Teile unserer Maschine oder zumindest den Sprit gut gebrauchen können.

Weiter nach Beira, der zweitgrößten Stadt von Mosambik. Der Flugplatz gehört uns ganz allein. Mit dem Start nach Polokwane (früher Pietersburg) in Südafrika müssen wir wegen Nebels warten. Fast die gesamte Stre-cke fliegen wir dann über den Wolken, teil-weise in 11 000 Fuß, was für unsere Cessna schon grenzwertig ist. Zum Glück entspricht das Wetter in Polokwane dem METAR, und so steigen wir problemlos durch »broken clouds« über dem Platz ab. Eine blitzsaubere Unterkunft mit freundlichen Gastgebern ha-ben wir schnell gefunden. Die Besitzer sind Deutsche, die vor 40 Jahren nach Afrika aus-gewandert sind. Abends latschen wir – offen-sichtlich die einzigen Weißen weit und breit – auf der Suche nach einem geöffneten Res-taurant quer durch die Stadt, um schließlich in einem Hotel unseren Hunger zu stillen.

Polokwane verabschiedet uns morgens mit Temperaturen um null Grad. Begonnen hat der Tag mit dichtem Nebel, der sich aber bald vollständig auflöst. Bis nach Botswana haben wir wunderschönes Wetter. Ab Süd-afrika läuft der gesamte Funkverkehr wieder sehr professionell ab, die Controller haben uns immer auf ihren Schirmen, und wir er-halten aktuelle Verkehrsinformationen – kein Fehler, denn der VFR-Verkehr nimmt deutlich zu.

In Maun erhalten wir als Nummer fünf unsere Landefreigabe. Heike, für die wir die Cessna hierher gebracht haben, hört ihre »Lima Delta« über Funk von Maun Approach und empfängt uns strahlend.

Nach 19 Tagen, 70 Flugstunden, 12 000 Kilometern und 19 durchflogenen Ländern haben wir wohlbehalten und ohne größere Probleme unser Ziel erreicht. Heike wird

die Maschine den Mitgliedern des Kalahari Flying Club zur Verfügung stellen und sie für die PPL-Schulung sowie im Charterbetrieb einsetzen. Neben einer »172« mit der Ken-nung A2-CAT verdoppelt die umregistrierte Lima Delta nun ihren Haustierbestand.

Heike zeigt uns noch »ihr« Okovanga Del-ta aus der Luft und fliegt uns mit der neuen Maschine nach Windhoek, wo wir uns herz-lich verabschieden. Von Namibia aus treten

Relikt einer vergan-genen Epoche: DC-6

am Flughafen Eros in Windhoek. Von Namibia reist die Cessna-Crew per

Airline zurück nach Frankfurt am Main.

Auf ihrem Ferry- flug kommt sie in

19 Tagen durch 19 Länder und legt dabei 12 000 Kilo-

meter zurück

Am Okavango: Wer Botswana besucht, sollte sich eine Flusstour mit den schmalen Einbaum-Booten nicht entgehen lassen

Auftrag erledigt: Roman Tagwercher und Markus Strolz übergeben die »Lima Delta« an Heike Schweigert, die neue Besitzerin

Mehr Bilder von der Überführung unter:www.fliegermagazin.de/galerie

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