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Robert Engelman Bonnie Dye Pamela LeRoy Mensch, Wasser! Zweite, aktualisierte und überarbeitete Auflage Mensch, Wasser Druck 20.09.2000 20:34 Uhr Seite 1

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Robert Engelman Bonnie Dye

Pamela LeRoy

Mensch, Wasser!

Zweite, aktualisierte und überarbeitete Auflage

Mensch, Wasser Druck 20.09.2000 20:34 Uhr Seite 1

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Robert Engelman, Bonnie Dye und Pamela LeRoy

Mensch, Wasser!Report über die Entwicklung der Weltbevölkerung und die Zukunft der Wasservorräte

Zweite, aktualisierte und überarbeitete Auflage

Herausgegeben von derDeutschen Stiftung Weltbevölkerung

Balance Verlag 2000

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Impressum

© 2000 Balance Verlag, Stuttgart

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlichgeschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe-berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages und des Heraus-gebers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfälti-gungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen. Bei Verwendung inUnterricht und Lehre ist auf dieses Buch hinzuweisen.

Herausgeber: Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)Autoren: Robert Engelman, Bonnie Dye und Pamela LeRoyÜbersetzung: Thomas Pfeiffer, Hermann VetterRedaktion: Stefanie Ettelt (DSW), Dr. Stefan Raps (Hampp Verlag)Titel der Originalausgabe: Sustaining Water – Population and theFuture of Renewable Water SuppliesUmschlaggestaltung und Layout: Hampp Verlag GmbH, StuttgartFotos: Jutta Weser (S. 8, 14, 24), Roger Gerhardy (S. 2, 60), PhotoDisc(Umschlag, S. 42)Grafik und Satz: Andrea Kunkel, StuttgartRepro: Litho Lenhard, StuttgartDruck: Gutmann & Co, TalheimGesamtherstellung und Produktion: Hampp Verlag GmbH, Stuttgart

Printed in Germany – Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

ISBN 3-930723-32-8

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Inhalt

Inhalt

Zwei Alternativen für den Kampf um Wasser 7Vorwort zur zweiten Auflage

Einleitung 8Definition wichtiger Fachausdrücke und Begriffe 12

Grenzen 14Die Verfügbarkeit von Wasser 17Die Verwendung von Wasser 18Wasser und nachhaltige Entwicklung 21Süßwassergewinnung aus dem Meer 22

Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung 24Bevölkerungsentwicklung und Wasserknappheit 25Zur Aussagekraft von Grenzwerten für Wassermangel 27Der Wassermangel-Index 29Länder mit Wassermangel 31Regionaler Wassermangel in Indien 36Andere Indikatoren nicht nachhaltigerWassernutzung 38Wassereinfuhr 39Regionaler Wassermangel in Kalifornien 41

Konsequenzen für Gesund-heitswesen und Entwicklung 42Der Abbau von Grundwasser in Saudi-Arabien und den USA 43Umweltverschmutzung und Krankheit 45Der Wasserbedarf der Städte in Mexiko und China 49Ökosysteme, Klima und globale Umwelt 50Wasser und Entwicklung 51Wasser und Konflikte 52Fallstudie: Das südliche Afrika 55Fallstudie: Das Nilbecken 57

Strategien 60Strategien zur Wassererhaltung und Bevölkerungsentwicklung 63Verschiedene Zukunftsperspektiven 64

Datenquellen und Methoden 72Bevölkerungsentwicklung und Verfügbarkeit von Wasser 1975, 2000 und 2025 77Bevölkerung und jährlich sich erneuerndes Süßwasser 1975, 2000 und 2025 96Rangliste von 100 Ländern: Versorgung mit Süßwasser 106

Literaturangaben 110Stichwortverzeichnis 119Danksagung 123

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Weltbevölkerung und Wasser

Gesamtmenge des Wassers auf der Erde: 1,4 Milliarden Kubikkilometer

Gesamtmenge des sich erneuernden Wassers, das jährlich auf die Landoberfläche fällt:

41 000 Kubikkilometer

Weltbevölkerung: 1975: 4,1 Milliarden Menschen2000: 6,0 Milliarden Menschen2025: 7,3 bis 8,4 Milliarden Menschen

Volumen-Maßeinheiten: 1 Kubikkilometer = 1 Milliarde Kubikmeter1 Kubikmeter = 1000 Liter

Abbildung 1:

Das Wasser der Erde

Quelle: Igor Shiklomanov, World Fresh Water Resources, in Peter H. Gleick (Hrsg.), Water in Crisis: A Guide to the World´s Fresh Water Resources, 1993.

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Zwei Alternativen für den Kampf um WasserVorwort zur zweiten Auflage

Wasser ist die Quelle allen Lebens: es ist unersetzlich. Menschen benötigen es für ihrLeben zuhause, für die Produktion von Nahrung und für die wirtschaftliche Produktioninsgesamt. Wasser ist für alle Bereiche der menschlichen Entwicklung von entscheiden-der Bedeutung. Seine Verfügbarkeit wird aber immer mehr zur Achillesverse desBemühens um humanitären Fortschritt.

Die Liste der Länder mit Wasserknappheit wird immer länger – vor allem aufgrunddes Bevölkerungswachstums. Das macht Fortschritte auf den Gebieten Gesundheit,Ernährung und Armutsbekämpfung immer schwieriger – und wirkt indirekt auch Inves-titionen in eine nachhaltige Wassernutzung und in eine humanitäre Bevölkerungspoli-tik entgegen. Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig, dass sich die Situa-tion in den nächsten Jahrzehnten weiter zuspitzen wird. Entsprechend nehmen auch dieWarnungen vor Kriegen und gewaltsamen innerstaatlichen Verteilungskämpfen umdiese lebensnotwendige Ressource zu.

Indes ist auch ein gemeinsamer Kampf für Wasser vorstellbar. Zum einen wird Was-ser selbst dort, wo es knapp ist, keineswegs so effizient genutzt, wie es beim heutigenStand von Wissenschaft und Technik möglich wäre, sondern vielfach regelrecht ver-schwendet. Zum anderen gibt es hervorragende Chancen, durch humanitäre Maßnah-men das Bevölkerungswachstum erheblich zu verlangsamen. Der gemeinsame Kampffür Wasser kann nur erfolgreich sein, wenn beide Möglichkeiten im Sinne einer Dop-pelstrategie und mit größerer Anstrengung als bisher umgesetzt werden. Die Alternativesind Katastrophen mit dramatischen Ausmaßen.

Es kommt also darauf an, zu einem gemeinsamen, gewaltlosen und kombiniertenKampf für Wasser und damit zu einer humanitären Bevölkerungspolitik aufzurufen.Dazu möchte die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung mit der Herausgabe dieses Buchesbeitragen.

Hannover, im Mai 2000

Dr. Hans FleischGeschäftsführerDeutsche Stiftung Weltbevölkerung

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Vorwort

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Einleitung

Wasser ist schwer zu reinigen, teuer zu transportieren und ein uner-setzbarer Rohstoff; es ist unentbehrlich für die Nahrungsmittelerzeu-gung, die wirtschaftliche Entwicklung und das Leben überhaupt. Sei-ne Bedeutung für die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschenist seit Anfang der Neunzigerjahre von der Weltbank und den Verein-ten Nationen immer wieder betont worden. Unterstrichen wird dieseRolle auch durch die Tatsache, dass in diesem Jahrzehnt erstmals dieAnrainerstaaten des Nils, des Jordans und des Ganges zusammen-kamen und Verhandlungen über die Verteilung der gemeinsamenWasserressourcen aufnahmen. Dass es solche Treffen nicht schon infrüheren Zeiten gab, liegt hauptsächlich daran, dass die Zahl der Men-schen, die gemeinsame Wasserressourcen nutzten, im Allgemeinengering genug war. Ein Mangel an Wasser stellte deshalb meist nur einvorübergehendes und kein chronisches Problem dar.

Erst wenn die Wasserleitungen nichts mehr hergeben, was 1999z.B. eine Zeit lang an so weit auseinander liegenden Orten wie Ver-mont (USA) und Grazalema (Spanien) der Fall war, werden dieBewohner der Industrieländer daran erinnert, wie wichtig die

Von allen sich erneuernden Ressourcen unseres Planeten istSüßwasser vielleicht die problematischste.

Wasser kanndurch keinenanderen Roh-stoff ersetztwerden

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Wasserversorgung für alle Aspekte des Lebens ist.1

In den wenigerwohlhabenden Ländern brauchen Millionen Menschen, zumeistFrauen, nicht erst an diese Tatsache erinnert zu werden: Viele gehenjeden Tag kilometerweit, um das nötige Wasser zu finden und nachHause zu tragen.

Trotzdem wird der Frage nach einer gesicherten Wasserversor-gung in der weltweiten Diskussion über die nachhaltige Nutzungnatürlicher Ressourcen erst in jüngster Zeit mehr Beachtunggeschenkt, jedoch kaum im Kontext der stark steigenden Bevölke-rungszahlen. Auf einem Planeten, dessen Oberfläche zu zwei Drittelnvon Wasser bedeckt ist, hat die Illusion des Überflusses die Tatsacheverdeckt, dass sich erneuerndes Süßwasser immer knapper wird. Ineiner Welt, in der das Bevölkerungswachstum trotz des internationa-len Konsenses hinsichtlich der Gegenmaßnahmen nach wie vor einheikles Thema ist, wird in der wissenschaftlichen Diskussion prak-tisch nicht darauf eingegangen, dass ein geringeres Bevölkerungs-wachstum den Druck auf die sich erneuernden Süßwasserreservenvermindert und uns damit mehr Zeit verschafft, das Problem in denGriff zu bekommen.

Die Weltmeere mögen unerschöpflich erscheinen, doch das denMenschen tatsächlich verfügbare Süßwasser ist begrenzt – und stelltnur einen Bruchteil des vom Weltraum aus erkennbaren Wassers dar.Langfristig kann die Menschheit für ihren laufenden Verbrauch nurauf die sich erneuernden Wasservorräte zurückgreifen, d.h. auf dasWasser, das als Niederschlag vom Himmel fällt, im Boden versickertoder sich in Flüssen und Seen sammelt und ins Meer zurückfließt, ausdem es durch die Sonne wieder verdunstet. Wenn Wasser nachhaltigverwendet werden soll, darf man es nicht schneller aus den Reser-voiren und anderen Quellen entnehmen, als es durch den natürlichenWasserkreislauf ersetzt wird.

Unsere Fähigkeit zur Gewinnung und Lagerung von Süßwasserhat sich im Laufe der Geschichte erweitert, und wir lernen, es immereffizienter zu verwenden. Doch keine Technik kann den Grundvorratwesentlich erweitern. Die Möglichkeit der Entsalzung könnte zwar zudem Gedanken führen, die Weltmeere seien eine unerschöpfliche Süß-wasserquelle; doch Meerwasserentsalzung ist nach wie vor teuer,belastet die Umwelt und verbraucht große Mengen an sich nicht

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Einleitung

Keine Technikkann denGrundvorrat an Wasser vermehren

Die Menge dessich erneuern-den Süßwasserswird immerknapper

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erneuernden fossilen Energieträgern. Es gibt heute jedoch nichtwesentlich mehr Süßwasser als vor 2000 Jahren, als die Weltbevölke-rung weniger als drei Prozent der heutigen sechs Milliarden Men-schen betrug.

Wegen ihrer Begrenztheit sind die sich erneuernden Süßwasser-vorkommen eine entscheidende natürliche Ressource im Hinblick aufdas Bevölkerungswachstum. Nur bei wenigen anderen Ressourcen,die für das tägliche Leben so wichtig sind wie Wasser, sind der Ver-fügbarkeit so enge Grenzen gesetzt. Bereits heute leiden die Bemühun-gen zur Verbesserung der Gesundheit und des Lebensstandards inDutzenden Ländern unter dem Problem der Wasserknappheit.

Mit der Zunahme der Bevölkerung sinkt die durchschnittliche proKopf verfügbare Menge sich erneuernden Süßwassers. Hydrologenund andere Wasserexperten sind sich einig, dass Wasserknappheitoder sogar Wassermangel unausweichlich ist, wenn ein bestimmtesVerhältnis von Bevölkerungsgröße und der Menge des sich erneu-ernden Wassers aus dem Gleichgewicht gerät.

In den letzten Jahrzehnten sind diese Grenzwerte in mehr als zweiDutzend Ländern erreicht oder überschritten worden. Das Bevölke-rungswachstum wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlichdazu führen, dass weitere zwei Dutzend Länder und viele MillionenMenschen unter Wassermangel leiden. Daneben könnten die voraus-gesagten Veränderungen des Weltklimas die Wasservorräte umver-teilen oder verringern und das Aufkommen von Stürmen verstärken.In der Tat sieht es so aus, als ob diese Veränderungen bereits begon-nen haben. Sie werden in Zukunft das Management der knappenWasservorräte noch schwieriger machen.

Akuter Wassermangel hat in einigen Ländern bereits außerge-wöhnliche Maßnahmen erforderlich gemacht. Etliche Regionen imwestlichen Indien etwa müssen in Dürreperioden per Eisenbahn mitTrinkwasser versorgt werden. In den Städten des Subkontinentskommt in der Trockenzeit oft stundenlang kein Wasser aus den Lei-tungen, was die Einwohner dazu zwingt, sich in langen Schlangen vorden von der Stadt bereitgestellten Tankzügen aufzustellen, und häu-fig Ursache für regelrechte Aufstände ist. Wie schlimm die Situationin manchen Teilen Indiens ist, verdeutlichte eine Bemerkung des indi-schen Präsidenten K. R. Narayana im Rahmen seiner Eröffnungsredeanlässlich einer Konferenz über die Wassergewinnung im Oktober 1998.

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DasBevölkerungs-wachstum führt dazu, dass immermehr Menschenunter Wasser-knappheit leiden

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„Ein Großteil der indischen Stadtbewohner trinkt in Flaschen abge-fülltes Wasser“, erklärte Narayana. „Es ist traurig, dass Wasser baldschon so teuer sein wird wie Milch.“

Leben ist auf Wasser angewiesen, genauso wie auf Luft und Nah-rung. Auch für die Produktion von Nahrungsmitteln ist Wasser not-wendig, weil das Pflanzenwachstum auf dem Wasserstrom von denWurzeln zu den Blättern beruht.

Gute Böden und eine zuverlässige Versorgung mit Wasser sindseit jeher eine Voraussetzung für die Landwirtschaft. Ein verlässlichesund reichhaltiges Angebot an Wasser spielte bei der Industrialisie-rung Europas und Nordamerikas eine bedeutende Rolle. Auch wenndie Entwicklungsländer manche der Fehler der Vergangenheit ver-meiden können, kann man sich nur schwer vorstellen, wie es zu einernachhaltigen Entwicklung kommen soll, wenn das Angebot an sicherneuerndem Süßwasser knapp ist.

In vielen Regionen der Erde ist der Zugang zu Wasser nicht durchMarktmechanismen geregelt, sondern es kann kostenlos und häufigunbegrenzt entnommen werden. Wasser ist keine globale Ressource,die so problemlos wie Erdöl transportiert und gehandelt oder wieNahrungs- oder Arzneimittel als Hilfeleistung zur Verfügung gestelltwerden kann. Ob die Menschen in einem Flussgebiet Wasser ver-schwenden, spielt für die Menschen in einem anderen keine großeRolle. Sauberes Wasser muss dort verfügbar sein, wo Menschen leben:in der Nähe ihrer Siedlungen.

Dieser Bericht – hervorgegangen aus der Überarbeitung derersten aus einer Reihe von Population Action International in den Ver-einigten Staaten herausgegebenen Studien über den Zustand dernatürlichen Ressourcen – zieht den nationalen Pro-Kopf-Vorrat und -Verbrauch als Indikator für eine Reihe von wirtschaftlichen, sozialenund gesundheitlichen Risiken heran, die den Ländern mit Süßwas-sermangel drohen. Auf der Grundlage der 154 Länder, aus denen ver-lässliche Daten über die sich erneuernden Wasservorkommen vorlie-gen, lässt sich ein Wassermangel-Index berechnen. Er gibt die proKopf und Jahr in einem Land verfügbare Menge der sich erneuerndenSüßwasservorräte für die Jahre 1975, 2000 und – basierend auf denBevölkerungsprojektionen der Vereinten Nationen – 2025 an. Einegrafische Darstellung dieses Indizes mit einem Säulendiagramm fürdie 100 trockensten Länder befindet sich auf den Seiten 77 bis 95.

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Einleitung

Wasser spieltebei der Indus-trialisierungEuropas undNordamerikaseine große Rolle

Der Wasser-mangel-Indexgibt die proKopf und JahrverfügbareMenge der sicherneuerndenSüßwasser-vorräte an

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Die Bevölkerungs- und Wasserdaten, auf denen der vollständigeIndex beruht, enthält die Tabelle ab Seite 96. Eine Rangordnung der100 Länder auf der Basis der heute pro Kopf verfügbaren Wasser-menge findet sich ab Seite 106.

Hinter den nationalen Daten verbergen sich gewaltige regionaleUnterschiede – vor allem in den großen Ländern. Der Wassermangelin den letzten Jahren – etwa in Kalifornien und im Nordosten Brasi-liens – zeigt, dass es auch in solchen Ländern zu saisonalen und regio-nalen Engpässen kommen kann, die insgesamt über ausreichendesich erneuernde Wasservorräte verfügen. Das bekamen im Sommer1999 auch die Einwohner des im Osten der USA gelegenen Bundes-staates Maryland zu spüren: Sie durften ihren Rasen nicht bewässern,weil nach einer langen Dürreperiode der Wasserstand des Potomac-Flusses auf ein kritisches Niveau gesunken war.

Eine eingehende Analyse des Zusammenspiels von Bevöl-kerungsentwicklung und sich erneuernder Wasserreserven auflokaler Ebene scheitert bislang daran, dass bestenfalls sporadischerhobene und unregelmäßig publizierte Daten verfügbar sind. Dochein Vergleich der aktuellen Bevölkerungsentwicklung und ihrervorausgeschätzten Dynamik mit den Daten über die sich erneuern-den Wassermengen in den 154 Ländern zeigt, welche Bedeutungdas Bevölkerungswachstum für die Verfügbarkeit dieser Ressourcehat.

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Nationale Datenverbergen oftgroße regionaleUnterschiede

Definition wichtiger Fachausdrücke und Begriffe

P Wasserkreislauf: der Kreislauf, in dem Wasser aus den Weltmeeren undanderen Wasserflächen verdunstet, sich als Wasserdampf in Wolken sam-melt und als Regen oder Schnee wieder auf die Wasseroberflächen fällt oderihnen als Abfluss- oder Grundwasser zufließt.

P Abfluss: Wasser aus Regen oder Schnee, das in Flüssen vom Land abfließtund, soweit es nicht verdunstet, die Meere, Inlandseen oder Grundwasser-becken erreicht.

P Grundwasserschicht: eine Erd- oder Felsschicht oder -region, die Grund-wasser enthält.

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Einleitung

P Grundwasser: Wasser, das von Natur aus in unterirdischen Grundwasser-becken gespeichert ist oder Boden und Fels durchfließt und durchtränktsowie Quellen und Brunnen speist.

P Wasserentnahme: Entnahme von Wasser aus natürlichen Quellen oderBecken – z.B. Seen, Flüssen oder Grundwasserbecken – zum menschlichenGebrauch. Soweit es nicht verbraucht wird, kann es später in das gleicheoder in ein anderes natürliches Reservoir zurückgeführt werden.

P Wasserverbrauch: Verwendung von Wasser, die seine Verdunstung oderTranspiration (durch Pflanzen) zur Folge hat oder auf sonstige Weise dasWasser einer weiteren Verwendung entzieht.

P Sich erneuerndes Wasser: Wasser, das in bestimmten Zeiträumen durchden Wasserkreislauf ständig erneuert wird, etwa das Wasser von Flüssen,in Grundwasserbecken oder anderen Quellen, die durch die Niederschlägeoder den Abfluss aufgefüllt werden. Die Erneuerungsfähigkeit des Wasser-vorrats hängt von der natürlichen Auffüllgeschwindigkeit wie auch dermenschlichen Entnahmegeschwindigkeit ab. Soweit Wasser schneller ent-nommen als nachgeliefert wird, kann es nicht als sich erneuernd gelten.

P Sich nicht erneuerndes Wasser: Wasser in Grundwasserbecken und ande-ren natürlichen Speichern, das nicht oder nur so langsam nachgeliefertwird, sodass die Wassermenge auf Dauer abnimmt, wenn über die MaßenWasser entnommen wird.

P Entsalzung: Erzeugung von Süßwasser durch Entfernen von Salz aus Meer-oder Brackwasser mithilfe von meist aus Erdöl oder anderen fossilen Brenn-stoffen erzeugter Energie.

P Wassermangel: Nach Definition der Hydrologen leiden alle Länder unterWassermangel, in denen die jährlich pro Kopf verfügbare Menge an sicherneuerndem Süßwasser 1000 Kubikmeter oder weniger beträgt. (Ent-sprechend dieser Definition wird der Begriff im vorliegenden Bericht ver-wendet.)

P Wasserknappheit: 1001 bis 1666 Kubikmeter sich erneuerndes Süßwasserpro Kopf und Jahr.

Quellen: Nach Robert K. Barnhart, The American Heritage Dictionary of Science, 1986; Peter H. Gleick; World Resources Institute.

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Grenzen

Zwischen 1940 und 2000 hat sich die Weltbevölkerung von 2,3 aufsechs Milliarden Menschen mehr als verdoppelt. Gleichzeitig ver-doppelte sich der Wasserverbrauch von jährlich etwa 400 auf 800Kubikmeter pro Kopf. Da die Süßwasservorräte der Erde begrenztsind, kann sich der globale Wasserverbrauch voraussichtlich nichtnoch einmal vervierfachen.3 Einer groß angelegten wissenschaft-lichen Untersuchung zufolge nutzt die Weltbevölkerung heute bereitsgut die Hälfte der weltweit sich erneuernden Süßwasservorkommen.4

Besonders in Ländern, in denen die Bevölkerung sehr schnell wächst,kann der steigende Bedarf an Wasser kaum noch gedeckt werden.

In vielen Ländern ist heute noch ausreichend Wasser vorhanden,doch in vielen anderen führt der permanent steigende Bedarf einerwachsenden Bevölkerung zu einem auf Dauer nicht tragfähigen Was-serverbrauch oder zur erheblichen Verschlechterung der Wasserqua-lität und -versorgung. Das gilt besonders für Länder in Afrika und imNahen Osten. Doch auf lange Sicht wird das Verhältnis von Bevölke-rungszahl und sich erneuernden Wassermengen auch in Teilen Asiensund Lateinamerikas, möglicherweise sogar in Europa, zum Problem.

Der weltweite Wasserverbrauch hat sich in der vergangenenJahrhunderthälfte mehr als vervierfacht.

Die Weltbevöl-kerung nutztheute ungefährdie Hälfte der sich erneuerndenSüßwasser-vorräte

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Um die Grenzen des verfügbaren Wassers zu verstehen, muss mansich vor Augen halten, wie wenig von den 1,4 Milliarden Kubikkilo-meter Wasser der Erde für den Menschen verwendbar ist. Nur 2,5 Pro-zent der gesamten Wassermenge sind Süßwasser, das als Trinkwasser,zur Bewässerung und für die meisten industriellen Zwecke notwendigist. 69 Prozent davon sind in den Polareiskappen und Gebirgsglet-schern gebunden oder liegen so tief in der Erde, dass es bis auf weite-res nicht möglich ist, sie zu erschließen.5

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Grenzen

Abbildung 2:

Weltbevölkerung und Verwendung von Süßwasservon 1940 bis 2000

Seit 1940 hat sich der Süßwasserverbrauch der Menschheit ungefähr ver-vierfacht, während sich die Weltbevölkerung verdoppelt hat. Einige Wasser-experten schätzen die praktische Obergrenze des nutzbaren sich erneuern-den Süßwassers auf 9000–14 000 Kubikkilometer pro Jahr. Danach wäre einezweite Vervierfachung des Welt-Wasserverbrauchs unwahrscheinlich.

Quelle: Peter H. Gleick, Pacific Institute for Studies in Development, Environment,and Security

Nur 2,5 Prozentder gesamtenWassermengeder Erde sindSüßwasser

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Wenn es darum geht, wie viel Süßwasser dem Menschen zur Verfü-gung steht, dann zählt nicht die Gesamtmenge des weltweit verfüg-baren Süßwassers, sondern die Geschwindigkeit, mit der die Süßwas-servorräte durch den globalen Wasserkreislauf erneuert werden. Die-ser wird von der Sonne angetrieben und bringt jährlich etwa 113 000Kubikkilometer Wasser in Form von Regen und Schnee auf die Land-oberfläche der Erde. Davon verdunsten etwa 72 000 Kubikkilometerin die Atmosphäre. Es bleiben also jährlich 41 000 Kubikkilometer, diedie Grundwasservorräte auffüllen und durch die Flüsse oder aufanderem Wege ins Meer zurückgelangen.6 Denkt man sich das gesam-te Wasser der Erde in einer Badewanne, so würde die jährlich verfüg-bare sich erneuernde Menge kaum einen Teelöffel füllen.

Doch nur ein Teil der 41 000 Kubikkilometer Süßwasser kann vonMenschen genutzt werden. Mehr als die Hälfte dieses Wassers fließtbei Überschwemmungen ins Meer und nicht weniger als ein Achtelfällt als Niederschlag in Gebieten, die von menschlichen Siedlungenzu weit entfernt sind, um genutzt werden zu können.7 Manche Was-serexperten schätzen die Obergrenze der global verfügbaren, sicherneuernden Süßwassermenge auf zwischen 9000 und 14 000 Kubik-kilometer pro Jahr.8 Ein erheblicher Teil davon wird benötigt zurBewahrung der in und an Flüssen, Feuchtgebieten und Küstengewäs-sern liegenden natürlichen Ökosysteme mit ihrem immensen Arten-reichtum.

Diese kritischen Grenzen werden zwar nicht weltweit erreicht,aber regional, national und lokal. Bei der Messung der Wasser-vorräte eines Landes sprechen die Hydrologen von endogenen(inneren) und exogenen (äußeren) Vorräten. Die innere Zufuhr istder Niederschlag auf dem Staatsgebiet abzüglich der Verluste, diedurch Verdunstung entstehen. Die äußere Zufuhr erfolgt durch Flüs-se, die in das Staatsgebiet fließen, sowie durch grenzüberschreiten-de Grundwasservorräte – und kann vom Ausland aus eingeschränktwerden. Im Idealfall stehen einem Land beide Arten der Wasserzu-fuhr zur Verfügung, doch viele Länder können nur einen Teil davonnutzen, d.h. dem Verbrauch zuführen – je nachdem, wie sehr sichihre Fläche zur Speicherung von Wasser eignet und in welchemZustand sich ihre Infrastruktur befindet. Manche Entwicklungslän-der können nur rund ein Fünftel ihrer potenziellen Wasservorkom-men nutzen.9

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Der kritischeFaktor - dieGeschwindigkeitder Erneuerungdes Süßwassers

Endogene undexogene Wasser-vorräte einesLandes

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Die Verfügbarkeit von Wasser

Die meiste Zeit in der Geschichte der Menschheit haben die weltwei-ten Süßwasservorräte ausgereicht, um die menschlichen Bedürfnissezu decken und die Ökosysteme und ihre Artenvielfalt zu erhalten.Doch mit der Zunahme der Bevölkerung werden die Wasserreservenimmer knapper.

Die Verfügbarkeit von Süßwasser hängt weitgehend vom Klimaab, insbesondere von der zeitlichen und räumlichen Verteilung derNiederschläge und dem „Verdunstungsbedarf“ der Atmosphäre, derenAufnahmefähigkeit für Feuchtigkeit hauptsächlich von der Durch-schnittstemperatur bestimmt wird. Einige trockene Länder im NahenOsten und in Nordafrika verzeichnen so geringe Niederschläge undeine so hohe Verdunstung, dass nur ein geringer Teil des vorhandenenSüßwassers für die Menschen zugänglich ist. In vielen Wüstengebie-ten fallen nur wenige Millimeter Regen im Jahr – und die oft inner-halb von wenigen Tagen. Länder wie Schweden oder Island hingegen,wo viel Niederschlag und wenig Verdunstung vorherrschen, sind mitWasser reich gesegnet.

Die Verfügbarkeit von Wasser kann sehr große jahreszeitlicheSchwankungen aufweisen. Selbst an sich gut mit Wasser versorgteRegionen können ausgesprochen trockene und nasse Jahreszeitenerleben. Bangladesch etwa ertrinkt in der zwei- bis dreimonatigenMonsunzeit fast im Regen, doch im übrigen Jahr bleiben die Nieder-schläge fast völlig aus. Auf den Philippinen müssen zur Versorgungder rasch wachsenden Städte vielerorts die Brunnen immer tiefergebohrt werden – trotz saisonal starker Regenfälle, die manchmalsogar mit verheerenden Flutkatastrophen einhergehen. Vor allemmüssen sich die Süßwasservorräte, um verwendbar zu sein, in derNähe der Menschen befinden, die sie benötigen. Rund drei Viertel dermexikanischen Bevölkerung leben im trockenen zentralen Hochland,während sich vier Fünftel des Oberflächenwassers in den feuchterenKüstengegenden befinden.10

Sozioökonomische Faktoren beeinflussen in starkem Maße denZugang zu Wasser. In vielen Entwicklungsländern fehlt es an Kapitalund an der Technik, um Wasservorkommen zu nutzen. Mächtige indus-trielle oder landwirtschaftliche Interessen können in einem Landeinen übermäßigen Anteil an den Wasservorräten beanspruchen. Die

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Grenzen

Die Verfügbar-keit von Süß-wasser hängtweitgehendvom Klima ab

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ärmsten Menschen am unteren Ende der Hierarchie leiden meist amstärksten unter der Wasserknappheit.

Der Zugang zu Wasser wird noch komplizierter, wenn zwei Staatenan grenzüberschreitenden Grundwasservorräten, Flüssen und Seenbeteiligt sind und über ihre Nutzungsrechte streiten. Die Wasserver-sorgung ist so einer der wichtigsten Verhandlungspunkte zwischenIsrael und seinen arabischen Nachbarn, die eine der global höchstenBevölkerungszahlen im Verhältnis zum verfügbaren sich erneuerndenWasser aufweisen. Zu den aktuellen und potenziellen Regionen, indenen Wasser ein Konfliktfaktor ist, gehören auch die Flussläufe vonNil, Euphrat und Tigris, Indus, Ganges und Brahmaputra.

Einer der größten Einflussfaktoren auf die Pro-Kopf-Verfügbar-keit von Süßwasser ist die Zahl der Menschen, die darum konkur-rieren. Wachsende Bevölkerungen und steigender Lebensstandardtreiben die Nachfrage nach den begrenzten Wasservorkommen indie Höhe und verstärken den Wettbewerb und die Spannungen zwi-schen den Nutzern. Da Urbanisierung, Industrialisierung und Bewäs-serung häufig mit nicht nachhaltigem Süßwasserverbrauch einher-gehen, droht auch durch diese Entwicklung eine Verschärfung derSituation.

So sind die Niederschlagsmengen in China und Kanada nahezugleich, sowohl in absoluten Zahlen als auch pro Hektar.11 Doch weil inChina 42-mal mehr Menschen leben als in Kanada, hat jeder Chinesenur auf durchschnittlich 2,4 Prozent des Wassers Zugriff, das einemKanadier zur Verfügung steht. Durch regional verschiedenes Bevöl-kerungswachstum nehmen solche Ungleichheiten immer mehr zu.

Die Verwendung von Wasser

Weltweit ist die Landwirtschaft mit 71 Prozent der größte Konsumentvon Wasser.12 Etwa 23 Prozent des Wasserverbrauchs entfallen aufIndustrie und Energiewirtschaft und nur acht Prozent auf die priva-ten Haushalte.13 Die Verwendung von Wasser ist jedoch von Land zuLand sehr verschieden. Sie hängt von der wirtschaftlichen Entwick-lung, dem Klima und der Bevölkerungsdichte eines Landes ab. In Afri-ka werden 85 Prozent der Wasservorkommen für die Landwirtschaft,zumeist zur Bewässerung verwendet,14 während im hoch industria-

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Wasser wirdimmer mehrzum Konflikt-faktor

Die Landwirt-schaft ver-braucht weltweit dasmeiste Wasser

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lisierten Europa mehr als die Hälfte von der Industrie und zur Ener-gieerzeugung verbraucht wird.

Zwar hängt ein Großteil der weltweiten Landwirtschaft noch vomsich erneuernden Wasser ab, das auf die Pflanzen regnet, doch derhohe Verbrauch der Landwirtschaft wird vor allem durch Bewässe-rungsmaßnahmen verursacht. Die Bewässerungswirtschaft hat pa-rallel mit dem Weltbevölkerungswachstum zugenommen. (Zur Land-wirtschaft gehört auch die Viehzucht, doch sie verbraucht im Ver-gleich zur Bewässerungswirtschaft nur wenig Wasser.) 1995 wurdenweltweit 255 Millionen Hektar – diese Fläche entspricht einem Landvon der Größe des Sudans – bewässert, die ein Drittel der Welternteerzeugten. In zwei von drei Ländern war die Landwirtschaft der größteWasserverbraucher.15

Der Wasserkonsum der Landwirtschaft ist in Trockenregionenwie etwa dem Nahen Osten, Nordafrika und dem Südwesten der Ver-einigten Staaten besonders hoch. In diesen Regionen sind die Nieder-schläge minimal und die Verdunstung ist sehr hoch, sodass die meis-ten Anbaugebiete fast das ganze Jahr bewässert werden müssen.Besonders extreme Beispiele für Länder mit einer intensiven Bewäs-serungswirtschaft sind Afghanistan und der Sudan: In beiden Län-dern ist die Landwirtschaft für über 90 Prozent des gesamten Was-serverbrauchs verantwortlich.16

In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts hat sich die bewässerteFläche weltweit nahezu verdoppelt, um die Bedürfnisse einer wachsen-den Weltbevölkerung zu decken, die sich auch wirtschaftlich ent-wickelte und pro Kopf mehr Nahrung verbrauchte. Zwischen 1950 und1990 hat sich die bewässerte Fläche sodann noch einmal mehr als ver-doppelt.17 Erst in den letzten Jahren verlangsamte sich die Zunahme.Inzwischen wird es immer problematischer, neue Staudämme und Was-serspeicher anzulegen und Grundwasserbecken zu erschließen, da diemeisten bereits genutzt werden.

In Kalifornien und dem Südwesten der Vereinigten Staaten ist Was-ser so kostbar, dass die Farmer ihr Land – mitsamt den Wasserrechten –an die wachsenden Großstadtzonen verkaufen, damit diese ihren gewal-tigen Bedarf decken können. Länder wie Israel und Malta hängen sogarvon so genanntem virtuellem Wasser ab: Um knappes Wasser für dennicht landwirtschaftlichen Gebrauch nutzen zu können, importieren siewasserintensive Nahrungsmittel wie z.B. Salat. Dieser „virtuelle“ Wasser-

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Grenzen

In Afghanistanund im Sudanbenötigt dieLandwirtschaftüber 90 Prozentdes Wassers

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import verringert zwar vor Ort den Bewässerungsbedarf, setzt diese Län-der aber im Falle steigender Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkterheblichen Risiken aus.

Der Wasserbedarf pro Haushalt – zum Trinken, zur Essenszube-reitung, zum Waschen und Reinigen, zur Gartenbewässerung und fürDienstleistungsbetriebe wie Gaststätten und Wäschereien – macht inden meisten Ländern nur einen kleinen Teil des gesamten Wasser-verbrauchs aus. Mit wachsendem Lebensstandard steigt jedoch imAllgemeinen der private Wasserverbrauch.18 Dementsprechend großsind auch die Unterschiede zwischen den reichen und den armen Län-dern: Ein US-Bürger verbraucht im Durchschnitt täglich etwa 650Liter Wasser für häusliche Zwecke. Dagegen müssen die EinwohnerBenins mit weniger als einem Hundertstel davon auskommen – rundvier Litern pro Tag.19

Generell macht der Wasserverbrauch der Haushalte in den Län-dern einen größeren Teil des Gesamtverbrauchs aus, die vorwiegendRegenfeldbau betreiben oder deren Industrie kaum entwickelt odernur wenig wasserintensiv ist. In Australien, Lettland und Gabun etwaentfallen über 60 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs auf die pri-vaten Haushalte.20

Die Industrie, wozu auch die Energieerzeugung gehört, benötigtWasser zur Kühlung, Verarbeitung, Reinigung und Abfallbeseitigung.21

Atomkraftwerke und Kraftwerke auf der Basis fossiler Brennstoffesind die größten industriellen Einzelverbraucher, die erhebliche Was-sermengen zur Kühlung verwenden.22 (Dazu wird zum Teil zwar auchMeerwasser benutzt, allerdings muss das nach der Verdunstung desWassers zurückbleibende Salz entfernt werden, wodurch hohe zusätz-liche Wartungskosten entstehen können.) Zwar wird der größte Teildes industriell genutzten Wassers in den Wasserkreislauf zurückge-führt, doch ist es häufig mit Chemikalien und Schwermetallen ver-seucht oder so stark erwärmt, dass bestimmte Ökosysteme leiden.23

Der industrielle Verbrauch liegt bei weniger als fünf Prozent in vie-len Entwicklungsländern und 85 Prozent in Belgien und Finnland.24

Nur in Europa, wo verhältnismäßig wenig Landfläche bewässertwird, verbraucht die Industrie ebenso viel Wasser wie Landwirt-schaft und Haushalte zusammen. Der Anteil des industriellen Was-serverbrauchs gilt oft als Indikator für die wirtschaftliche Entwick-lung eines Landes.

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Mit wachsen-dem Lebens-standard steigtmeist auch derWasserkonsum

In Europa ver-braucht dieIndustrie genau-so viel Wasserwie Landwirt-schaft undHaushaltezusammen

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Wasser und nachhaltige Entwicklung

Nachhaltige Entwicklung (sustainable development) bedeutet vorallem, natürliche Ressourcen in einer Weise zu nutzen, dass sie auchden zukünftigen Generationen noch zur Verfügung stehen.25 Die nach-haltige Erschließung der Wasservorräte erfordert daher die Berück-sichtigung des Wasserkreislaufs, damit die sich erneuernden Wasser-vorräte langfristig nicht vermindert werden.

Allerdings sind die meisten der gut zugänglichen sich erneuern-den Süßwasservorkommen – Flüsse, Bäche und Seen sowie sich raschauffüllende Grundwasserspeicher – heute bereits erschlossen. DieErschließung weniger gut zugänglicher Reservoire ist meist sehrkosten- und zeitintensiv. Auch für Mensch und Umwelt kann der Preisder zusätzlichen Wassergewinnung gewaltig sein. Der Assuan-Stau-damm in Ägypten etwa – von dem vor allem die Bauern profitieren –hat unersetzliche archäologische Stätten überflutet, wertvolle Öko-systeme und Fischgründe zerstört, die Ufer ausgewaschen und dasNährstoff- und Sediment-Gleichgewicht des Nilbeckens gestört.26, 27

China muss mehr als 3,2 Milliarden Dollar aufbringen, um schät-zungsweise eine Million Bauern und Dorfbewohner umzusiedeln, diedem geplanten Drei-Schluchten-Staudamm am Jangtse werden wei-chen müssen.28

Der Transfer von Wasser aus einem Flussgebiet in ein anderes, z.B.um den regionalen Wasserbedarf im Westen der Vereinigten Staatenzu befriedigen, ist meist zu teuer, wenn mehrere Länder daran betei-ligt sind. Die Pläne, Wasser aus den Großen Seen sowie aus Flüssen inAlaska und Westkanada über das Felsengebirge in die wasserarmenBundesstaaten der USA und nach Nordmexiko zu bringen, sind vorallem wegen der immensen Kosten, technischen Schwierigkeiten undGefahren für die Umwelt auf Eis gelegt worden. Auch der wachsendepolitische Widerstand spielte hierbei eine Rolle. Ende 1999 sprachensich das kanadische Umweltministerium und die meisten Umwelt-minister der Provinzen deshalb für einen Gesetzentwurf aus, der einVerbot von Wasserexporten aus den Großen Seen vorsieht.29

Der zunehmende Einsatz fossiler Brennstoffe, um Wasser aus tie-fen Grundwasserbecken heraufzupumpen, hat die Süßwasserversor-gung heute gewaltig gesteigert – allerdings auf Kosten der zukünfti-gen Generationen. Die Nutzung von Grundwasser widerspricht zwar

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Grenzen

Für Umsied-lungsmaßnah-men bringtChina mehr als3,2 MilliardenDollar auf

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nicht grundsätzlich dem Prinzip der Nachhaltigkeit, denn die Men-schen haben seit den frühesten Kulturen des Orients Wasser ausBrunnen geschöpft. Wenn jedoch die Brunnen in den nächsten Jahr-zehnten weiterhin ergiebig sein sollen, darf heute nur so viel Wasserentnommen werden, dass der Grundwasserspiegel langfristig stabilbleibt. Doch in den Regionen Asiens, Afrikas und Nordamerikas, indenen hauptsächlich künstlich bewässert wird, sinken die Grund-wasserspiegel bereits seit einiger Zeit stark, weil die Niederschlägedie Grundwasserschichten nicht so schnell wieder auffüllen, wie dieBauern Wasser aus dem Boden pumpen. Wie viel Wasser verbrauchtwerden kann, ohne auf lange Sicht den Wasserkreislauf zu schädigen,hängt nicht nur von den menschlichen Bedürfnissen ab, sondern auchvon den natürlichen Gegebenheiten.

Zwar werden alle natürlichen Wasservorräte durch den Wasser-kreislauf wieder aufgefüllt, doch das Auffüllen kann Tage oder auchJahrtausende dauern. Flüsse brauchen im Durchschnitt 18 Tage, umwieder auf Normalniveau Wasser zu führen. Bei großen Seen und tie-fen Grundwasserbecken können Jahrtausende vergehen, bis derursprüngliche Wasserstand wieder erreicht wird.30 Die ältesten Was-servorräte der Welt, etwa das nubische Grundwasserbecken in Nord-afrika, füllten sich schon in frühen geologischen Epochen, als das Was-ser in die Gesteinsschichten der Erde eindrang. Es ist fraglich, wie lan-ge es dauert, bis das so genannte fossile Wasser solcher Reservoireersetzt wird – wenn es überhaupt möglich ist. Daher ist die Entnahmegroßer Wassermengen aus fossilen Grundwasserbecken schon perdefinitionem nicht nachhaltig und kann nur eine Übergangsmaßnah-me gegen Wassermangel sein.

Süßwassergewinnung aus dem Meer

Die Entsalzung von Meerwasser könnte theoretisch eine dauerhafteQuelle für sich erneuerndes Süßwasser sein – zumindest für reicheLänder, die Zugang zum Meer haben. Doch bislang ist die Süßwasser-gewinnung aus dem Meer nicht nachhaltig. 1997 wurden weltweit täg-lich etwas mehr als 18 Millionen Kubikmeter Süßwasser in rund 7500Entsalzungsanlagen gewonnen. Damit hat sich die globale Entsal-zungskapazität innerhalb von 20 Jahren verachtzehnfacht. Doch das

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Das AuffüllennatürlicherWasservorrätedauert Tage bisJahrtausende

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entsalzte Meerwasser macht kaum ein Tausendstel des globalen Süß-wasserverbrauchs aus, wie die Berechnungen von Peter H. Gleick, Prä-sident des Pacific Institute for Studies in Development, Environment,and Security im kalifornischen Oakland, ergaben.31

Wegen der hohen Kapital- und Energiekosten ist entsalztes Was-ser um ein Vielfaches teurer als Wasser, das auf anderem Wegegewonnen wird. Um es überhaupt erschwinglich zu machen, wird dieMeerwasserentsalzung meist stark subventioniert, wie z.B. in Kuwait.Bei einem jährlichen Wachstum der Weltbevölkerung von knapp 1,3Prozent ist es jedoch kaum vorstellbar, dass sich diese Technik schnellgenug durchsetzt, um einen wesentlichen Teil des weltweiten Was-serbedarfs zu decken.32

Die heutige Meerwasserentsalzung hat einen weiteren Nachteil:Sie wird fast ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben. Die-se sind zwar reichlich vorhanden, aber dennoch begrenzt. Zusätzlichbelasten sie die Luft und tragen zur Gefahr von Klimaveränderungenbei. Es gibt zwar auch Entsalzungsanlagen, die mit Solarenergie betrie-ben werden, doch diese liefern gegenwärtig weltweit nur einen gerin-gen Anteil des entsalzten Wassers. Nichts deutet heute darauf hin,dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern wird.33

Sicher werden weiterhin neue Süßwasserquellen erschlossen.Wasser wird in Zukunft jedoch effizienter verwendet werden müssen.Lösungen, die langfristig funktionieren sollen, müssen die Grenzenberücksichtigen, die der Wasserkreislauf ihnen setzt. Bislang ist dieGewinnung von Wasser nur dann nachhaltig, wenn sie sich auf die 41 000 Kubikkilometer beschränkt, die der Wasserkreislauf jährlichzur Verfügung stellt. Von dieser Menge muss man so lange ausgehen,bis kosteneffiziente und umweltschonende Energien zur Entsalzungvon Meerwasser eingesetzt werden können. Wenn man davon dasWasser abzieht, dass durch Überschwemmungen und den Bedarf derNatur für den Menschen verloren geht, ist wohl ein Viertel bis einDrittel dieser Wassermenge das Maximum, das nachhaltig verwendetwerden kann.

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Grenzen

Die Meerwas-serentsalzungbenötigt vielEnergie und ist sehr kost-spielig

Wasservorrätemüsseneffizientergenutztwerden

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Bevölkerungsentwicklungund Wasserversorgung

Die Weltbevölkerung wächst immer noch fast genauso schnell wie inden vergangenen Jahrzehnten. Seit 1970 ist die Fertilität zwar fastüberall gesunken und das Weltbevölkerungswachstum hat sich ver-langsamt, doch aufgrund der Bevölkerungsgröße und des hohenAnteils an jungen Menschen kommen jedes Jahr weltweit etwa 80 Mil-lionen Menschen hinzu – so viel wie die heutige Bevölkerung Deutsch-lands. Und jeder zusätzliche Mensch braucht Wasser zum Leben.

Bereits heute leiden viele Länder – reiche wie arme – unter dendirekten oder indirekten Folgen des Wassermangels. Einige der höchs-ten Wachstumsraten betreffen Bevölkerungen in trockenen Ländern,von denen viele schon heute unter schwindenden Wasserreserven lei-den. Zeitweiliger oder chronischer Süßwassermangel ist in weiten Tei-len Afrikas und im Nahen Osten, Nordchina, in Regionen Indiens undMexikos, im Westen der Vereinigten Staaten, in Nordostbrasilien undden mittelasiatischen Ländern der ehemaligen Sowjetunion bereitsRealität.34

In vielen Ländern werden die Grenzen der sich erneuerndenSüßwasservorräte bald erreicht oder sogar überschritten.

Zeitweiliger oderchronischerWassermangelist in vielen Län-dern verbreitet

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Das Bevölkerungswachstum erhöht nicht nur den Wasserbedarf,sondern beschleunigt auch die umweltbedingten Störungen desWasserkreislaufs, da auch die Nahrungsmittel- und Energieproduk-tion zunehmen. Dazu gehören die Abholzung von Wäldern und ande-re zerstörerische Landnutzungsformen, Abfälle, Schädlingsbekämp-fungs- und Düngemittel sowie Treibhausgase, die sich auf das Erd-klima auswirken können. Viele dieser Aktivitäten beschränken dieverfügbare Menge und beeinträchtigen die Qualität des Wasserszusätzlich.

Bevölkerungsentwicklung und Wasserknappheit

Malin Falkenmark, eine weithin anerkannte schwedische Hydrologin,entwickelte einen Index für Wasserknappheit, der ein ungefähresMindestniveau an pro Kopf verfügbarem Wasser festlegt. DieserGrenzwert orientiert sich daran, wie viel Wasser notwendig ist, umeinen angemessenen Lebensstandard in einem mäßig entwickeltenLand in einer Trockenzone zu erhalten. Falkenmark ging von einemMinimum von täglich 100 Litern pro Kopf (36,5 Kubikmetern pro Jahr)für den häuslichen Grundbedarf aus, die auch gesundheitliche undhygienische Bedürfnisse einbeziehen. Die Erfahrung der Länder, dieeffizient mit Wasser umgehen und nur mäßig entwickelt sind, zeigteihr, dass etwa das fünf- bis 20fache davon für Landwirtschaft, Indus-trie und Energieerzeugung benötigt wird. Aufgrund dieser Ergebnis-se schlug Falkenmark Grenzwerte zur Kennzeichnung von Wasser-knappheit und Wassermangel vor.35

In einem Land, in dem pro Kopf jährlich mehr als etwa 1700Kubikmeter sich erneuerndes Süßwasser zur Verfügung stehen, tre-ten nur selten oder nur lokal Wasserprobleme auf. Unterhalb dieserMarke beginnt die periodische oder regelmäßige Wasserknappheit,unter 1000 Kubikmetern pro Kopf jährlich der chronische Wasser-mangel, der neben der wirtschaftlichen Entwicklung auch diemenschliche Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen kann.Wenn jährlich pro Kopf weniger als 500 Kubikmeter Wasser verfüg-bar sind, spricht man von absolutem Wassermangel.36

Allerdings sind das nur ungefähre und keine exakten Grenzwerte.Wann Wasserknappheit einsetzt, ist regional verschieden und hängt

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Der Index fürWasserknapp-heit: ungefäh-res Mindest-maß für daspro Kopf undJahr verfüg-bare Wasser

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vom Klima, der wirtschaftlichen Entwicklung und anderen Faktorenab. Wasserknappheit kann auch gemildert werden durch umfassendeProgramme zur Wassererhaltung und durch eine bessere Technik.Dennoch sind die Grenzwerte für Mangel und Knappheit ein brauch-bares Werkzeug, wenn man die möglichen Auswirkungen von Bevöl-kerungsveränderungen auf die pro Kopf verfügbaren Wasservor-kommen ermessen will.

Verfügbarkeit meint in diesem Zusammenhang, dass das Wasserals solches vor Ort vorhanden ist und im Prinzip genutzt werden könn-te. Es sagt nichts darüber aus, ob die Menschen tatsächlich Zugangdazu haben, d.h. über die Mittel und Möglichkeiten verfügen, estatsächlich zu nutzen. Die Frage nach dem Zugang zu Wasser hängtzwar auch von seiner Verfügbarkeit ab, muss aber als ein eigenstän-diges Thema betrachtet werden, das mehr Aufmerksamkeit verdient,als wir ihm hier schenken können. Zu untersuchen, wie viel Wasserverfügbar ist, ist jedoch ein wichtiger erster Schritt. Nur so könnenwir in Erfahrung bringen, wie viel Wasser unter idealen Vorausset-zungen maximal entnommen werden kann – ob nun nachhaltig oder,was häufiger der Fall ist, nicht nachhaltig.

Die 1000-Kubikmeter-Grenze wird von der Weltbank und anderenAnalytikern als ein allgemeiner Indikator des Wassermangels aner-kannt.37 Gleick vom Pacific Institute nennt diesen Grenzwert „dasungefähre Minimum für eine angemessene Lebensqualität in einemmäßig entwickelten Land“.38 Israel, ein verhältnismäßig wohlhaben-des Land, wird oft erwähnt, weil es sogar mit erheblich weniger Was-ser auskommt – mit 407 Kubikmeter Süßwasser pro Person (worinjedoch auch sich nicht erneuerndes Grundwasser enthalten ist). Dochselbst Länder, die über viel Wasser verfügen, können aufgrund vonregionalen Unterschieden oder besonders hohem Wasserbedarf Pro-bleme mit der Wasserversorgung haben. Trotz solcher Abweichungengilt unter Hydrologen und Wasserverbrauchs-Experten die 1000-Kubikmeter-Marke als weltweit nützlicher Grenzwert für Wasser-mangel. Falkenmarks 1700-Kubikmeter-Schwelle (genauer gesagt,1667 Kubikmeter) für Wasserknappheit ist ein Warnsignal für Länder,in denen die Bevölkerung weiterhin schnell wächst. Wenn sich dieBevölkerungszahlen nicht stabilisieren, werden die meisten Länder,in denen heute Wasserknappheit herrscht, langfristig unter Wasser-mangel leiden.

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Verfügbarkeitsagt nichtsdarüber aus, ob Wassertatsächlichgenutzt wird

Israel kommtmit 407 Kubik-meter Süßwas-ser pro Personund Jahr aus

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Zur Aussagekraft von Grenzwerten für Wassermangel

Die in diesem Bericht diskutierten Grenzwerte für Wasserknappheitund Wassermangel dürfen nicht als „Grenzen des Wachstums“ imMalthus’schen Sinne oder als festgelegte natürliche Grenzen ver-standen werden, die konsequent und unweigerlich bestimmte Fol-gen für die zwischen Bevölkerung und Umwelt bestehende Dynamikhaben. Vielmehr dienen sie als Indikatoren für die negativen Kon-sequenzen, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit Wasserknappheiteinhergehen. Als solche können diese Grenzwerte uns helfen, dieDringlichkeit von Problemen abzuschätzen, die mit der Verfügbar-keit von Süßwasser zusammenhängen. Sie können uns auch einenEinblick darin verschaffen, wie natürliche Grenzen das Wechselspielvon Umwelt und Bevölkerung beeinflussen. Während einige Ländermit weniger als 1000 Kubikmeter Süßwasser jährlich pro Kopf wirt-schaftlich prosperieren, tun sich andere sehr schwer, Landwirt-schaft, Industrie und Privathaushalte mit ausreichend Wasser zuversorgen, obwohl sie Wasser im Überfluss besitzen. Trotz dieserscheinbaren Widersprüche werden die hier vorgestellten Grenz-werte von vielen Hydrologen und der Weltbank anerkannt undangewendet. Um zu verstehen, warum die Reaktionen auf Wasser-knappheit in den einzelnen Ländern teilweise so unterschiedlichausfallen, ist es notwendig, die Grundlagen und Grenzen einiger derin diesem Bericht präsentierten Bedingungen und Analysen aufzu-zeigen.

Erstens beziehen sich die hier vorgelegten Daten über die proKopf verfügbare Wassermenge ausschließlich auf sich erneuerndesSüßwasser, definiert als nicht salzhaltiges Wasser, das sich jährlichdurch Niederschläge erneuert und in Bächen und Flüssen ins Meerfließt. Nicht berücksichtigt wird Wasser, dass durch die Sonnenein-strahlung oder durch Pflanzen in die Atmosphäre verdunstet, Prozes-se, die im Allgemeinen als Evapotranspiration bezeichnet werden.Indem man das Wasser, das durch Evapotranspiration verloren geht,aus der Rechnung herausnimmt, kann man die Daten zur Verfügbar-keit von Wasser auch für Länder mit sehr unterschiedlichen klima-tischen Bedingungen standardisieren. Nur so kann die tatsächlich zurNutzung bereitstehende Wassermenge erfasst werden, die nicht vonsaisonalen Schwankungen abhängt (siehe Seite 28).

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Grenzwerte fürWassermangelzeigen dieDringlichkeitdieses Ressourcen-problems auf

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Nicht mit eingerechnet werden zweitens auch Grundwasservorräte,die sich – einen menschlichen Zeithorizont zugrunde gelegt – nichtdurch Niederschläge wieder auffüllen – so genanntes sich nichterneuerndes oder fossiles Wasser. Die Erschließung fossiler Wasser-speicher bietet Ländern, die unter Wassermangel leiden, zumindestvorübergehend eine Möglichkeit, die sich aus der Mangelsituationergebenden Konsequenzen zu umgehen. Dieser Weg mündet für diemeisten Länder jedoch häufig sehr früh in eine Sackgasse, da zumeinen die Pumpkosten erheblich steigen, wenn die Grundwasserspie-gel sinken, und zum anderen der Wasserbedarf stetig steigt, wenn dieZahl der Einwohner wächst und die Industrialisierung zunimmt.

Darüber hinaus spiegeln diese Daten auch das Timing der meistjahreszeitlich bedingten Schwankungen der verfügbaren Wasser-menge nicht wider. In den Tropen etwa fallen zur Regenzeit immenseWassermengen vom Himmel, die oftmals verheerende Flutkatastro-phen auslösen, sich aber kaum für eine spätere Verwendung spei-chern lassen. Wenige Monate später verwandelt die Trockenzeit Flüs-se und Bäche in Rinnsale und führt zu einer drastischen Verknappungdes verfügbaren Wassers. Aus diesem Grund leiden manche Wasser-einzugsgebiete oder Länder, in denen es durchschnittlich genügendWasser zur Versorgung der Bevölkerung gibt, unter periodischer Was-serknappheit. Bevor jedoch solche saisonalen Schwankungen der ver-fügbaren Wassermenge in die wissenschaftliche Analyse einfließenkönnen, müssen weitaus mehr Daten erhoben werden.

Wie bereits erwähnt, variiert die Fähigkeit von Ländern – sowohlauf der Ebene der Individuen als auch auf der der Institutionen – mitknappen Wasservorräten hauszuhalten. Dementsprechend kommenmanche Länder besser mit einem sich verknappenden Angebot anverfügbarem Süßwasser zurecht als andere. Daher wäre es verfehlt,bestimmte Grenzwerte als absolut zuverlässige Indikatoren für dieSituation in einem Land zu betrachten oder sie einheitlich auf alleLänder anzuwenden. Wie gesagt, der Begriff Grenzwert beschreibthier keine absolute Grenze, sondern vielmehr eine – auf eine Vielzahlvon Ländern, die sich hinsichtlich ihres Klimas, ihrer Bodenbeschaf-fenheit und ihres wirtschaftlichen Entwicklungsstands zum Teil starkunterscheiden, anwendbare – Schwelle, bei deren Unterschreitung diemit unzureichenden Wasservorräten einhergehenden Probleme meistdeutlich zunehmen. Auf der Grundlage dieser ungefähren Grenzwerte

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Die Erschließungfossiler Wasser-speicher ist kei-ne nachhaltigeStrategie

Die Fähigkeit,mit knappenWasservorrätenhauszuhalten,variiert von Land zu Land

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lässt sich ein Modell erstellen, das erklären hilft, wie sich die Bevöl-kerungsentwicklung auf begrenzte Ressourcen wie etwa Süßwasserauswirkt.

Schließlich besagen die hier beschriebenen Grenzwerte nicht,dass Länder, die pro Kopf und Jahr über mehr als 1700 KubikmeterSüßwasser verfügen, automatisch „wasserreich“ sind. So, wie derBegriff in der Erstausgabe von Mensch, Wasser! gebraucht wurde,erwies er sich als irreführend, da in vielen Ländern – angefangen beiIndien über den Iran bis hin zu den Vereinigten Staaten – zwar nomi-nell jährlich mehr als 1700 Kubikmeter Süßwasser pro Kopf zur Ver-fügung stehen, sie also nicht unter Wasserknappheit leiden, es inregenarmen Gebieten dieser Länder aber immer wieder zu ernsthaf-ten periodischen Versorgungsengpässen kommt. Da sich zudem, jenach Entfernung von den Ballungsgebieten, nicht alle Süßwasservor-kommen zu vertretbaren Kosten erschließen lassen, liegen in vielenLändern die Vorkommen an wirtschaftlich erschließbarem Süßwasserweit unter den hier abgedruckten Schätzungen.

Deshalb arbeiten wir in dieser Ausgabe von Mensch, Wasser! mitdem Begriff der „relativen Wassersuffizienz“ beziehungsweise demdes „relativen Wasserreichtums“. Damit wollen wir darauf hinweisen,dass auch Länder, die über den Grenzwerten für Wassermangel bezie-hungsweise Wasserknappheit liegen, nicht notwendigerweise Süß-wasser im Überfluss haben. Selbst der Ausdruck „Suffizienz“ wird derRealität in solchen Ländern oftmals nicht gerecht. In den VereinigtenStaaten beispielsweise werden Südkalifornien sowie manche GebieteFloridas und des südlichen Texas aufgrund zeitweiliger oder chroni-scher Wasserknappheit in ihrer Entwicklung behindert. Dennoch hal-ten wir diesen Begriff am besten dafür geeignet, den Zustand der sicherneuernden Wasserressourcen in Ländern zu beschreiben, die ober-halb der Grenzwerte für Wassermangel und Wasserknappheit liegen.

Der Wassermangel-Index

Die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums auf die Wasserver-sorgung können untersucht werden, indem man die aktuellen Datenüber die sich erneuernden Wasservorkommen eines Landes (ein-schließlich der Zuflüsse aus anderen Ländern) mit Daten über die

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Wassermangelund Wasser-knappheit sind relativeBegriffe

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frühere, heutige und voraussichtliche Bevölkerungszahl vergleicht.Das World Resources Institute und – für einige Länder – dieErnährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen(FAO) veröffentlichen länderweise Daten über die Verfügbarkeit undden Verbrauch von Wasser. Die Bevölkerungsabteilung der VereintenNationen gibt alle zwei Jahre für die meisten Länder Hochrechnungendes Bevölkerungswachstums und der Einwohnerzahl heraus, die biszum Jahr 2050 reichen, in längeren Abständen auch Projektionen biszum Jahr 2150. Auf der Grundlage unterschiedlicher Annahmen hin-sichtlich der Geburtenrate, Sterblichkeit und Wanderungsbewegun-gen hat die UN-Behörde eine niedrige, mittlere und hohe Projektionder Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2050 errechnet.

Durch den Vergleich der Bevölkerungsdaten für 1975, 2000 und2025 mit den neuesten Daten zur Süßwasserversorgung in 154 Län-dern lässt sich mithilfe der Grenzwerte von Falkenmark für die dreigleich weit auseinander liegenden Zeitpunkte ein länderspezifischerWassermangel-Index aufstellen. Ein Vergleich der Ergebnisse auf-grund der hohen und der niedrigen Bevölkerungsprojektion für 2025zeigt, welchen Einfluss das Bevölkerungswachstum der nächsten Jah-re auf die Süßwasserversorgung der meisten heute lebenden Men-schen haben kann. (Eine eingehende Erklärung der Methode des Was-sermangel-Index findet sich ab Seite 72. Der vollständige Index ist abSeite 96 aufgeführt.)

Der Index für Wassermangel zeigt deutlich, dass Wasser für mehrals ein Drittel der untersuchten Länder in vier der fünf Kontinente einwesentliches Entwicklungshindernis ist oder in Zukunft werden dürf-te. Heute leiden 26 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 505 Mil-lionen Menschen unter Wasserknappheit oder Wassermangel. In die-sen Ländern kommen insgesamt täglich 34 000 Kinder auf die Welt.Bis zum Jahr 2025 werden 39 bis 46 Länder in diese Kategorien fallen,und ihre Gesamtbevölkerung wird – je nach ihrem Wachstum in dennächsten 25 Jahren – um 2,4 bis 3,3 Milliarden Menschen zunehmen.Allein die Differenz dieser beiden Zahlen ist doppelt so groß wie dieGesamtbevölkerung der Länder, die zurzeit unter Wasserknappheitoder -mangel leiden. Je nachdem, ob das niedrige oder das hohe UN-Szenario der globalen Bevölkerungsentwicklung eintritt, werden biszum Jahr 2025 eine halbe Milliarde Menschen mehr oder weniger inLändern mit häufigen oder chronischen Wasserproblemen leben.

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Projektionen derBevölkerungs-entwicklung biszum Jahr 2050

Wassermangelist für vieleLänder einwesentlichesEntwicklungs-hindernis

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Länder mit Wassermangel

Gegenwärtig leiden 14 Länder unter Mangel an sich erneuerndemSüßwasser, neun davon mit einer rasch wachsenden Bevölkerung.39

Bis 2025 werden zwischen fünf und neun weitere Länder hinzuge-kommen sein. Zwischen 405 und 670 Millionen Menschen werdendann in diesen Ländern leben (niedrige bzw. hohe UN-Projektion).

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Gegenwärtigherrscht in 14 LändernWassermangel

Abbildung 3:

Entwicklung der jährlichen Wasserverfügbarkeit proKopf in El Salvador und Südafrika in Abhängigkeit vonzwei verschiedenen Bevölkerungsszenarien

Die Bevölkerungsentwicklung könnte in El Salvador darüber entscheiden, obdas Land bis 2035 die Grenze zur Wasserknappheit und möglicherweise nochim selben Jahrhundert zum Wassermangel unterschreitet – so wie es das aufder Annahme eines hohen Bevölkerungswachstums basierende UN-Szenarionahe legt. Folgt das Land dagegen der niedrigen UN-Projektion, wird die Bevöl-kerungsentwicklung bei einer Wasserverfügbarkeit von deutlich über 1700Kubikmeter – dem Grenzwert für Wasserknappheit – ihr Maximum erreichen.

El Salvador

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In mehreren Ländern können die unterschiedlichen Bevölkerungs-projektionen für 2025 darüber entscheiden, ob sie in Zukunft untervielleicht zu bewältigender Wasserknappheit oder ausgesprochenemWassermangel leiden werden. So stehen heute in Äthiopien jährlichpro Kopf 1758 Kubikmeter sich erneuernden Wassers zur Verfügung.Dieser Wert wird höchstwahrscheinlich sinken, doch je nach Bevöl-kerungsentwicklung wird Wasser in Äthiopien bis 2025 mit jährlich1015 Kubikmetern pro Kopf entweder knapp sein oder zur Mangel-ware werden. Ähnlich sieht die Lage in Südafrika und dem Libanonaus. Auch in Uganda, Pakistan und Syrien wird die Bevölkerungsent-wicklung darüber entscheiden, ob sie die Grenze von relativem Was-serreichtum zu Wassermangel unterschreiten oder nicht.

Zu den Ländern, die bis 2025 voraussichtlich unter Wasserknapp-heit leiden werden, gehört Indien (wo heute pro Kopf 1882 Kubikmeterjährlich zur Verfügung stehen), zurzeit mit über einer Milliarde Einwohnern das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde. Bis 2025 wird die Bevölkerung des Landes voraussichtlich auf zwischen 1,2 und

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Einige LänderAfrikas undAsiens stehen an der Schwellezum Wasser-mangel

Mit einer Verfügbarkeit von jährlich 1240 Kubikmeter sich erneuernden Süß-wassers pro Kopf hat Südafrika die Grenze zur Wasserknappheit bereits unter-schritten. Die Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahrzehnten wird aus-schlaggebend dafür sein, ob Südafrika 2025 unter Wassermangel leiden wird,oder ob die Einwohnerzahl um 2007 ihren Höhepunkt erreicht, noch bevor dasLand unter den Grenzwert für Wassermangel fällt.

Südafrika

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1,4 Milliarden Menschen anwachsen, innerhalb der nächsten 50 Jah-re könnte es sogar China überflügeln und zum einwohnerstärkstenLand der Erde aufsteigen. Unter dieser Voraussetzung kann man fastdavon ausgehen, dass sich der chronische Wassermangel, der schonheute viele Gegenden des Landes heimsucht, weiter verschlimmernund ausbreiten wird.

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Länder mit

Wassermangel

1975

Kuwait

Libyen

Singapur

Vereinige Arabi-

sche Emirate

Saudi-Arabien

Jordanien

Jemen

Israel

Tunesien

Oman

Algerien

Burundi

Weitere Länder

mit Wasser-

mangel 2000

Ruanda

Ägypten

Weitere Länder

mit Wasser-

mangel 2025

(niedrige UN-Bevöl-

kerungsprojektion)

Somalia

Burkina Faso

Kenia

Marokko

Haiti

Weitere Länder

mit Wasser-

mangel 2025

(nur mittlere und

hohe Projektion)

Malawi*

Äthiopien*

Südafrika~

Libanon~

Tabelle 1:

Länder mit Wassermangel in den Jahren 1975, 2000und 2025 (Projektion). Kriterium: weniger als 1000Kubikmeter sich erneuerndes Wasser pro Kopf undJahr

* mittlere Projektion; ~ hohe Projektion

ChronischerWassermangelin Indien

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China (jährliche Wasserverfügbarkeit pro Kopf zurzeit: 2215 Kubik-meter), gegenwärtig das bevölkerungsreichste Land, wird nach allendrei UN-Bevölkerungsprojektionen 2025 nur knapp über dem Grenz-wert für Wasserknappheit liegen. Je nach Bevölkerungsgröße werdendann jedem Chinesen zwischen 1831 und 2029 Kubikmeter sicherneuerndes Süßwasser zur Verfügung stehen. In der nordchine-sischen Ebene, wo Wasser bereits jetzt knapp zu werden droht, wer-den pro Jahr 30 Milliarden Kubikmeter Grundwasser zu viel aus demBoden gepumpt.40

Fünf der ölreichen arabischen Staaten – Kuwait, Jemen, Oman,Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – gehören zuden neun Ländern mit dem geringsten Wasservorkommen pro Kopf.Jedes Mal wenn die Saudis Wasser suchen – so wird scherzhaft gesagt –,finden sie Öl. Und in gewisser Hinsicht ist Öl in der Tat einer derbesten Ersatzstoffe für Wasser, denn es liefert Energie für die Meer-wasserentsalzung und für die Förderung von Grundwasser. Viele Län-der des Nahen Ostens stützen sich stark auf Entsalzung und fossileGrundwasservorräte, um ihre magere Ausstattung mit sich erneu-erndem Süßwasser aufzubessern. Angesichts der hohen Kinderzahl indiesen Ländern wird dieses Wasser immer knapper werden. Zurzeitverdoppelt sich die Bevölkerung in dieser Region alle zwei bis dreiJahrzehnte. Vielleicht werden sich diese Länder aufgrund ihres heu-tigen Reichtums von jeder künftigen Wasserknappheit freikaufenkönnen. Entscheidend aber ist, dass reiche wie arme Länder heuteWasser auf nicht nachhaltige Weise verbrauchen. Am Ende werdenauch sie vor den Folgen stehen und mit dem verbliebenen Wasser aufnachhaltige Weise umgehen müssen.

Israel und Jordanien gehören zu den zehn Ländern mit der gerings-ten pro Kopf verfügbaren Wassermenge: ein Umstand, der das Kon-fliktpotenzial von Wasser drastisch verdeutlicht. Laut einer gemein-samen Studie, die von den vier Wissenschaftsakademien aus den Ver-einigten Staaten, Israel, Jordanien und von der PalästinensischenAutonomiebehörde finanziert wurde, wird binnen 40 Jahren dasgesamte sich erneuernde Süßwasser der Region für den privaten Sek-tor benötigt. Bis dahin, so die Forderung der Wissenschaftler, müssenIndustrie und Landwirtschaft in der Region vollständig auf entsalztesMeerwasser und aufbereitetes Abwasser umsteigen.41 Auch wennIsrael seine Wasservorkommen wahrscheinlich effizienter als jedes

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Viele Länder desNahen Ostensstützen sich aufdie Meerwasser-entsalzung undauf fossileVorräte

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andere Land nutzt, übersteigt sein Bedarf seit Mitte der Siebzigerjahredie sich jährlich erneuernde Menge.42 Israel kontrolliert den Wasser-verbrauch der Palästinenser im 5890 Quadratkilometer großen besetz-ten Westjordanland, von wo es rund 40 Prozent seines Grundwassersund mehr als 25 Prozent seines sich erneuernden Wassers bezieht.43

Den Palästinensern entgeht jedoch nicht, dass die jüdischen Siedleretwa viermal mehr Wasser pro Kopf verbrauchen als sie, und sie erhe-ben den Vorwurf, dass die Tiefbrunnen der Siedler Wasser von ihrenweniger tiefen Brunnen abziehen.44, 45 Israel wird von heute 4,7 Mil-lionen Einwohnern auf etwa acht Millionen Menschen im Jahr 2025anwachsen.

In Jordanien, dessen Bevölkerung sich von 1,5 Millionen im Jahr1955 auf 5,7 Millionen im Jahr 1995 mehr als verdreifacht hat, führtder sich zuspitzende Mangel zu einer Verschlechterung der Wasser-qualität und zu verstärktem Rückgriff auf Grundwasserreservoire beigleichzeitig rasch sinkenden Grundwasserspiegeln. Seit Anfang derNeunzigerjahre kommt es in der Hauptstadt Amman trotz Wasser-rationierung ständig zu Versorgungsengpässen. Jordanien mit zurzeitjährlich 134 Kubikmeter Wasser pro Kopf nimmt bereits heute alle sei-ne Wasservorräte in Anspruch. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts wirdsich die jordanische Bevölkerung voraussichtlich nochmals verdop-peln (bis 2043 nach der niedrigen beziehungsweise bis 2025 nach derhohen Projektion).

In Afrika kämpfen vor allem die Länder südlich der Sahara da-rum, die sinkende Wassermenge pro Kopf mit den Bedürfnissen ihrerrasch wachsenden Bevölkerungen in Einklang zu bringen. Von den 20 afrikanischen Ländern, die Anfang der Neunzigerjahre vorErnährungsproblemen standen, ist die Hälfte entweder bereits jetztvon Wasserknappheit betroffen oder wird voraussichtlich bis 2025 indiese Kategorie fallen.46 Weil sie bislang kaum die finanziellen undtechnischen Möglichkeiten dazu hatten, brauchen diese Länder Ent-wicklungen zur Erschließung sich erneuerbarer Wasservorkommenund zu ihrer nachhaltigen Nutzung heute dringender denn je. Zu die-sen Ländern gehören neben dem kriegsgepeinigten Somalia, das seitJahren ohne nationale Regierung auskommen muss, auch Algerien,Kenia, Malawi und Ruanda.

Dass die Verfügbarkeit von Süßwasser eine entscheidende Rollefür die Sicherheit der Ernährungsgrundlage spielt, liegt auf der Hand.

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Die jüdischenSiedler ver-brauchenviermal mehrWasser als diePalästinenser

Vor allem Länder südlichder Saharastehen vorerheblichenWasserproble-men

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Für Länder, die unter Wasserknappheit oder Wassermangel leiden,wird es zusehends schwerer – wenn nicht gar unmöglich –, ihre wach-sende Bevölkerung zu ernähren, ohne Getreide (und das darin ent-haltene virtuelle Wasser) zu importieren. Die Wasserexpertin SandraPostel schätzt, dass Wassermangel und Wasserknappheit der Grundfür rund ein Viertel des globalen Getreidehandels ist.47

Einige Länder haben heute noch genug sich erneuerndes Süßwas-ser pro Kopf zur Verfügung, werden aber voraussichtlich bis 2025 unterWassermangel leiden. Stehen heute in Äthiopien jährlich 1758 Kubik-meter pro Person zur Verfügung, werden es im Jahr 2025 nur noch zwi-schen 1015 und 915 Kubikmeter sein. In Haiti kommen heute auf jedenEinwohner jährlich 1338 Kubikmeter Wasser; 2025 werden es je nachBevölkerungsentwicklung zwischen 984 und 859 Kubikmeter sein.Marokko, das heute mit jährlich 1058 Kubikmetern pro Kopf schondicht an der Grenze zum Wassermangel liegt, wird 2025 voraussichtlichmit zwischen 852 und 713 Kubikmetern auskommen müssen.

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Regionaler Wassermangel in Indien

Indien, der zweitbevölkerungsreichste Staat der Welt, hat mit durchschnittlich1882 Kubikmetern pro Kopf ausreichend sich erneuerndes Wasser zur Verfü-gung. Dennoch leiden viele seiner knapp eine Milliarde Einwohner unter schwe-rem Wassermangel, insbesondere aufgrund der ungleichen Verteilung des Was-sers. Der größte Teil des Regens fällt in der Monsunzeit von Juni bis September.Die Niederschlagsmengen schwanken zwischen zehn Zentimetern pro Jahr inWest-Radschastan und 900 Zentimetern in Meghalaja im Nordosten.48 Über-schwemmungen und Dürren sind im ganzen Land keine Seltenheit. Vor allemauf lokaler Ebene entzünden sich immer wieder Konflikte an der Frage der Was-sernutzung. Im Dezember 1999 kamen in einem Dorf im Bundesstaat Gujarat20 Menschen ums Leben, als ein Protestmarsch gegen eine als ungerecht emp-fundene Wasserverteilung in einen offenen Aufruhr umschlug.49

Wie stark Indien unter regionalem Wassermangel zu leiden hat, zeigt sichdeutlich im nordwestlichen Bundesstaat Radschastan. Er liegt in einer derunwirtlichsten Dürrezonen der Welt, seine nordwestlichste Region ist ein Teil derriesigen Wüste Thar. Die Temperaturen variieren stark und das Monsunklima

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

ist nur schwer einzuschätzen. Dürre und Wüstenbildung sind verbreitet, Wasserist häufig knapp. Radschastan, in dem mehr als fünf Prozent der indischenBevölkerung leben, verfügt nur über ein Prozent der Wasservorräte in Form vonGrundwasser, geringen Regenfällen und einem bescheidenen Anteil an grenz-überschreitenden Gewässern.50

Zudem wächst die Bevölkerung Radschastans, anders als in anderen Bun-desstaaten wie Kerala oder Tamil Nadu, schnell. Neue Untersuchungen erga-ben, dass noch Mitte der Neunzigerjahre weniger als ein Drittel der dort leben-den Paare Verhütungsmittel anwendeten. Die Gesamtfruchtbarkeit – die durch-schnittliche Kinderzahl pro Frau – lag bei 3,6. Das stellt zwar einenbeachtlichen Rückgang gegenüber der Gesamtfruchtbarkeit von 4,5 ein Jahr-zehnt zuvor dar, ist aber noch immer weit vom Ersatzniveau der Fertilität von2,1 Kindern pro Frau entfernt. Angesichts dieser Zahlen muss man davon aus-gehen, dass die Bevölkerung Radschastans noch auf Jahre hinaus jährlich ummindestens eine Million Menschen wachsen wird.

Zurzeit stehen in diesem Bundesstaat pro Kopf jährlich 350 KubikmeterWasser zur Verfügung, womit Radschastan, wäre es ein eigenes Land, in dieKategorie des absoluten Wassermangels fallen würde.51 Um die akute Mangel-situation zu beheben, greift der Bundesstaat zwar verstärkt auf Grundwasser-reserven zurück. Früher oder später werden diese Vorräte jedoch nicht mehrausreichen, um den Wasserbedarf der schnell wachsenden Bevölkerung auchnur annähernd zu decken.

Selbst die Bewohner von Gebieten mit starkem Niederschlag leiden häufigunter Wassermangel, weil die Landschaften entwaldet werden und veröden. Vie-le Böden sind stark verdichtet, sodass der Regen meist abläuft, ehe er in denUntergrund eindringen kann. So kommt es häufig zu Überschwemmungen. DieRegion Tschirapantschi in Meghalaja hat im Durchschnitt mit die höchsten Nie-derschläge weltweit. Doch wegen ihrer starken saisonalen Konzentration undder fortschreitenden Abholzung der Wälder in den letzten Jahrzehnten, die demsteigenden Bedarf an Ackerland und Siedlungsfläche weichen mussten, lässtsich ein großer Teil davon nicht auffangen. Die Region leidet heute drei bis vierMonate im Jahr unter Überschwemmungen, während in der übrigen Zeit meistTrockenheit vorherrscht.52 Die Bevölkerung mit derzeit über zwei Millionen Men-schen nimmt rasch zu, sodass sich der Wassermangel und die Ausbreitung derWüsten in Tschirapantschi in Zukunft voraussichtlich noch verschärfen werden.

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Andere Indikatoren nicht nachhaltiger Wassernutzung

Manche Länder verbrauchen mehr Süßwasser, als sie in Form vonsich erneuernden Vorräten besitzen. Beträgt der tatsächliche Was-serverbrauch mehr als 100 Prozent der sich erneuernden Vorkom-men, ist der Wasserkonsum dauerhaft nicht nachhaltig. Sich nichterneuerndes Wasser aus tiefen Grundwasserschichten kann nur

38

Tabelle 2:

Länder, deren Wasserverbrauch mehr als 100 Prozentder sich erneuernden Wasservorräte beträgt, mit Ver-dopplungszeit der Bevölkerung

Land

Vereinigte Arabische

Emirate

Saudi-Arabien

Libyen

Katar

Jemen

Usbekistan

Jordanien

Israel

Kuwait

Bahrain

Wasserverbrauch

in Prozent der sich

erneuernden Was-

servorräte

1405 Prozent

709 Prozent

374 Prozent

174 Prozent

135 Prozent

115 Prozent

110 Prozent

110 Prozent

>100 Prozent

>100 Prozent

Verdoppelungszeit

der Bevölkerung bei

der heutigen natür-

lichen Wachstums-

rate in Jahren (*)

35 Jahre

21 Jahre

20 Jahre

33 Jahre

22 Jahre

44 Jahre

19 Jahre

46 Jahre

23 Jahre

29 Jahre

* Ohne Migration, die bei einigen dieser Länder bedeutend ist

Quellen: Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen(FAO), „Irrigation in the Near East in Figures“, 1997; FAO, „Irrigation in the Coun-tries of the Former Soviet Union in Figures“, 1998; Vereinte Nationen, „World Popu-lation Prospects: The 1998 Revision“.

Wasser austiefen Schichtenkann nur einmalverbrauchtwerden

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einmal verbraucht werden, danach sind die Reserven erschöpft.53

Heute verbrauchen mehr als ein Dutzend Länder über 100 Prozentihrer sich erneuernden Vorräte an Süßwasser, Libyen etwa fast dasVierfache.54

Obwohl in Libyen zunehmend Wasser entsalzt und wieder aufbe-reitet wird, musste man dem rasch wachsenden Bedarf entsprechen,indem man auf die Grundwasserreserven im Süden der dünn besiedel-ten libyschen Wüsten zurückgriff. Da die Bevölkerung Libyens voraus-sichtlich von heute 5,6 Millionen auf 8,7 Millionen Menschen im Jahr2025 wachsen wird, werden die Grundwasservorräte unter der Wüstejedoch in den nächsten Jahrzehnten erschöpft sein und die Bevölkerungdes Landes zwingen, mit den knappen sich erneuernden Wasservor-räten zurechtzukommen.

Wassereinfuhr

Die Abhängigkeit von eingeführtem Oberflächenwasser ist ein weite-rer Indikator für die Anfälligkeit einer Bevölkerung für Wasserman-gel.55 Länder, deren Wasserversorgung auf grenzüberschreitendeZuflüsse angewiesen ist, werden mit steigendem Wassermangelzunehmend von anderen Ländern abhängig. Ägypten z.B. befindetsich in einer äußerst verletzlichen Position: 97 Prozent des sich erneu-ernden Wassers stammen aus dem Nil, dem längsten Fluss der Welt.Dementsprechend ist Ägypten fast vollständig von internationalenZuflüssen abhängig. Der Blaue und der Weiße Nil fließen im Sudanzusammen, Ägypten ist der letzte von neun Anrainerstaaten. Der ehe-malige UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali sagte 1989 in seinerFunktion als ägyptischer Außenminister vor dem US-Kongress, dassdie nationale Sicherheit Ägyptens in den Händen von acht anderenafrikanischen Staaten des Nilbeckens liege.56

1959 schlossen Ägypten und der Sudan ein Abkommen über dieVerwendung des Nilwassers, an dem jedoch Äthiopien und andereLänder am Oberlauf des Flusses nicht beteiligt waren.57 In Äthiopien,wo der Blaue Nil entspringt, denkt man inzwischen darüber nach, dieZuflüsse des Nils selbst zu erschließen. Kenia und Tansania planen dieNutzung des Victoriasees, in dem der Weiße Nil entspringt, zur Bewäs-serung von Ackerland. Burundi, Tansania und Uganda wollen gemein-

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Die nationaleSicherheitÄgyptenshängt von acht anderenAnrainerstaa-ten des Nils ab

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sam den Kagera erschließen, der wiederum den Victoriasee speist.58

Die ägyptische Bevölkerung wird bis 2025 voraussichtlich von heute68 Millionen Menschen auf 87 bis 104 Millionen wachsen, doch schonjetzt leidet das Land unter akutem Wassermangel (heute stehen proKopf jährlich 852 Kubikmeter zur Verfügung). Der Verbrauch über-steigt die sich erneuernden Wasservorkommen. Ägypten fürchtet zuRecht um seine Wasserversorgung, wenn die Länder am Oberlauf desNils einen größeren Anteil des Nilwassers beanspruchen. US-Vize-präsident Al Gore brachte die Situation vor einiger Zeit auf den Punkt,als er anmerkte, dass es ungeachtet des raschen Bevölkerungswachs-tums in allen Nil-Anrainerländern (Verdopplung in 20 bis 30 Jahren)„nicht mehr Nilwasser gibt als zu der Zeit, da Moses im Schilf gefun-den wurde“.59

40

Die Nutzung vonNilwasser birgtein erheblichesKonfliktpotenzial

Tabelle 3:

Länder, deren sich erneuernde Wasservorräte zumehr als der Hälfte von Zuflüssen aus anderen Ländern abhängen

Land

Ägypten

Niederlande

Kambodscha

Syrien

Sudan

Irak

Prozentsatz des

sich erneuernden

Wassers von außer-

halb der Grenzen

97 Prozent

89 Prozent

82 Prozent

79 Prozent

77 Prozent

66 Prozent

Verdoppelungszeit

der Bevölkerung bei

der heutigen natür-

lichen Wachstums-

rate in Jahren (*)

30 Jahre

139 Jahre

28 Jahre

18 Jahre

22 Jahre

25 Jahre

* Ohne Migration

Quelle: Peter H. Gleick, „Effects of Climate Change on Shared Fresh Water Resour-

ces“, in: Confronting Climate Change: Risks, Implications and Responses 1992;

Vereinte Nationen, „World Population Prospects, The 1998 Revision“.

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Bevölkerungsentwicklung und Wasserversorgung

Regionaler Wassermangel in Kalifornien

Im Vergleich zu anderen Ländern mit Wasserknappheit oder Wassermangel ver-fügen die Vereinigten Staaten mit jährlich fast 10 000 Kubikmetern Wasser proKopf insgesamt über relativ reiche sich erneuernde Wasservorräte. Doch auchdort übersteigt der Wasserbedarf häufig das lokale Angebot. Kalifornien, einhalbtrockener Bundesstaat mit der größten Bevölkerung und einer der höchs-ten Zuwachsraten, ist ein Beispiel für Wasserkrisen, die auch in den übrigen US-Staaten und in anderen Teilen der Welt zunehmen.

Im letzten Jahrhundert wuchsen viele kalifornische Städte sehr schnell,gleichzeitig entwickelten sich große landwirtschaftliche Bewässerungsflächen.Beides wurde durch massive Bundes-, Staats- und lokale Investitionen in Stau-dämme, Wasserleitungen, Pumpstationen und Wasserverteilungssysteme ermög-licht. Heute werden im ganzen Bundesstaat gewaltige Wassermengen von wasserreichen in wasserarme Gebiete geleitet. San Francisco erhält Wasser ausder mehrere hundert Kilometer entfernten Sierra Nevada; Los Angeles ist auf Was-ser aus dem fernen Monosee, dem Central Valley Project und dem Colorado ange-wiesen. Doch die besten Standorte für Staudämme sind inzwischen vergeben unddie bislang noch nicht genutzten Wasservorkommen liegen weit von den Bevölke-rungszentren entfernt. Süßwasser wird in der Region zunehmend knapper.

Darüber hinaus werden die Auswirkungen der kalifornischen Wasserwirt-schaft auf die Umwelt immer sichtbarer. In vielen Gebieten ist die Wasserqua-lität gesunken, wichtige wasserabhängige Ökosysteme sind inzwischen zerstörtoder stark beeinträchtigt worden. Zwischen 1987 und 1992 litt Kalifornien untereiner der schlimmsten Dürren seiner Geschichte, die schwere Schäden hinter-lassen hat. Die Wasserqualität sank, bedrohte Arten schrumpften auf gefähr-lich niedrige Bestandszahlen und ganze Fischbestände wurden vernichtet, alsmehrere Flüsse und Seen völlig austrockneten. Die kalifornische Bevölkerungvon derzeit knapp 30 Millionen Menschen wird voraussichtlich bereits 2015zirka 40 Millionen zählen.

Diese Schwierigkeiten sind ein Lehrstück, das für viele andere Gegendenund Länder von Bedeutung ist. Auf die Dauer wird die Notwendigkeit, diegegensätzlichen Interessen von Stadtbewohnern, Landwirten, Industrie undnatürlichen Ökosystemen auf einen Nenner zu bringen, wie sie jetzt in Kalifor-nien zutage tritt, überall auf der Welt ernst genommen werden müssen.

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