32
aktuell Verein Tibetfreunde Tibetische Frauenorganisation Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) Erscheint vierteljährlich Nummer 86 • November 2004 Preis: 5 Franken Seite Aus dem Inhalt 4–8 Einheimische und Eindringlinge 4 Dorje Wangdu Phalha 5 100 Jahre britische Invasion in Tibet 7 Sven Hedin, Tibet-Erkunder 8 Der Musiker Loten Namling in Indien 9 UNHCR sieht kein Rückweisungs- problem in Nepal 10–11 Geschichte der Dalai Lamas (2) 12–13 Verein Tibetfreunde 14–15 Tibetische Frauenorganisation auf Yak-Besuch im Urnerland 16–19 Kampagne gegen Olympia 2008 in Peking 20–21 Osttibetreise 22–26 Tibet in den Medien 22–23 Leseperlen und Augenweiden 24 Alai: Der rote Mohn 25 Film: Monte Grande von Franz Reichle 26 Filmprojekt über Gedün Choephel 27 Tibet in Rom 28 «Gemeinsam sind wir stärker» 29 Dove oder doof? 29 Fragwürdiger Besuch von Bundes- rat Couchepin in Tibet 30–32 Veranstaltungen 30 Tibet Songtsen House 31 Tibet-Institut Rikon 32 2005 Dalai Lama in Zürich Loten Dahortsang kennt als ehemaliges Mitglied der Mönchsgemein- schaft in Rikon die tibetische Kultur von Grund auf, ist als Pflegesohn von Schweizern aber auch mit dem Leben hierzulande bestens vertraut. Heute verbringt er jeweils die Hälfte des Jahres mit Studien im süd- indischen Kloster Sera, in der restlichen Zeit widmet er sich in der Schweiz der Vermittlung der buddhistischen Lehre an Laien. Wir befrag- ten den Tibeter mit Schweizer Staatsbürgerschaft zu seinem Leben als Buddhist. Wie hast du in Tibet die Zeit vor dem Tod Maos erlebt, als sich das Land noch im Würgegriff der Kulturrevolution befand? Ich habe in Lhasa nicht gelitten. Meine Mutter war Schneiderin, und mein Vater leitete eine landwirtschaftliche Kommune. Ich ging in eine chinesische Schule, in der wir zwar Tibetisch sprachen, aber chinesische Geschichte und Politik lernten. Über die tibetische Kultur und den Buddhismus erfuhren wir nichts. Die Aus- übung der Religion war verboten, der Jokhang und die Klöster Sera und Drepung in der Nähe Lhasas waren geschlossen. Aber wir dachten angesichts der Propaganda, wir hätten im Ver- gleich zu den Exiltibetern und dem Dalai Lama, die am Hungertuch nagten, ein gutes Leben. Interessiertest du dich schon damals für den Buddhismus? Tatsächlich reicht mein Interesse am Buddhis- mus und an unserer Kultur in meine Kindheit zurück. Das Verbotene übt natürlich gerade auf Kinder eine Faszination aus. Einmal, in einem Lager des kommunistischen Jugendverbands, wollten uns die Leiter die Rückständigkeit des Buddhismus zeigen. Sie brachten uns nach Drepung, wo ein alter Mönch das verfallene Kloster hütete. Ganz entgegen der Absicht unserer Leiter berührte einer der Jungen ehr- fürchtig mit seinem Kopf die Buddha-Statue, und wir alle taten es ihm nach. Die Behörden konnten uns den Respekt vor dem Buddhismus nicht austreiben. Loten Dahortsang vermittelt die buddhis- tische Lehre in der Schweiz und bildet sich in tibetischen Klöstern in Indien weiter Foto: Dana Rudinger Demo zum Tag der Menschenrechte Demo zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember vor dem Palais Wilson in Genf, dem Sitz des UN-Hochkommissa- riats für Menschrechts. Erkundigen Sie sich über diese und wei- tere Aktionen ab November im GSTF- Büro, 01 451 38 38 oder beachten Sie unsere website www.tiibetfocus.com mit 4 Seiten mehr Tibetische Bewegungslehre Sa, 30. Okt., 9:00 bis 16:00 Uhr; Loten Dah- ortsang: Lu Jong - Das Gesundheitsge- heimnis der tibetischen Mönche; Seminar; Kosten: 80 Fr. oder nach eigenem Ermes- sen; Bitte leichte Mittagsverpflegung mit- bringen. Tibet- Institut Rikon, S.31 Mit Sport für Tibet Unter dem Motto «Move for Tibet» tre- ten wir am 6. November auf dem Säntis in die Pedalen von Spinning-Bikes - Zuschauer willkommen - Bikes ausge- bucht. GSTF-Sektion Ostschweiz. «Schliesslich überlebt nur das Spirituelle »

Menschenrechte nur das Spirituelle - GSTF

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

aktuellVerein Tibetfreunde Tibetische Frauenorganisation

Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF)

Erscheint vierteljährlich Nummer 86 • November 2004 Preis: 5 Franken

Seite Aus dem Inhalt

4–8 Einheimische und Eindringlinge4 Dorje Wangdu Phalha5 100 Jahre britische Invasion in

Tibet7 Sven Hedin, Tibet-Erkunder8 Der Musiker Loten Namling in

Indien

9 UNHCR sieht kein Rückweisungs-problem in Nepal

10–11 Geschichte der Dalai Lamas (2)12–13 Verein Tibetfreunde

14–15 Tibetische Frauenorganisation auf Yak-Besuch im Urnerland

16–19 Kampagne gegen Olympia 2008in Peking

20–21 Osttibetreise22–26 Tibet in den Medien22–23 Leseperlen und Augenweiden

24 Alai: Der rote Mohn25 Film: Monte Grande von Franz

Reichle26 Filmprojekt über Gedün Choephel27 Tibet in Rom28 «Gemeinsam sind wir stärker»29 Dove oder doof?29 Fragwürdiger Besuch von Bundes-

rat Couchepin in Tibet30–32 Veranstaltungen

30 Tibet Songtsen House31 Tibet-Institut Rikon32 2005 Dalai Lama in Zürich

Loten Dahortsang kennt als ehemaliges Mitglied der Mönchsgemein-schaft in Rikon die tibetische Kultur von Grund auf, ist als Pflegesohnvon Schweizern aber auch mit dem Leben hierzulande bestens vertraut.Heute verbringt er jeweils die Hälfte des Jahres mit Studien im süd-indischen Kloster Sera, in der restlichen Zeit widmet er sich in derSchweiz der Vermittlung der buddhistischen Lehre an Laien. Wir befrag-ten den Tibeter mit Schweizer Staatsbürgerschaft zu seinem Leben alsBuddhist.

Wie hast du in Tibet die Zeit vor dem Tod Maoserlebt, als sich das Land noch im Würgegriffder Kulturrevolution befand?

Ich habe in Lhasa nicht gelitten. Meine Mutterwar Schneiderin, und mein Vater leitete einelandwirtschaftliche Kommune. Ich ging in einechinesische Schule, in der wir zwar Tibetischsprachen, aber chinesische Geschichte undPolitik lernten. Über die tibetische Kultur undden Buddhismus erfuhren wir nichts. Die Aus-

übung der Religion war verboten, der Jokhangund die Klöster Sera und Drepung in der NäheLhasas waren geschlossen. Aber wir dachtenangesichts der Propaganda, wir hätten im Ver-gleich zu den Exiltibetern und dem DalaiLama, die am Hungertuch nagten, ein gutesLeben.

Interessiertest du dich schon damals für denBuddhismus?

Tatsächlich reicht mein Interesse am Buddhis-mus und an unserer Kultur in meine Kindheitzurück. Das Verbotene übt natürlich gerade aufKinder eine Faszination aus. Einmal, in einemLager des kommunistischen Jugendverbands,wollten uns die Leiter die Rückständigkeit desBuddhismus zeigen. Sie brachten uns nachDrepung, wo ein alter Mönch das verfalleneKloster hütete. Ganz entgegen der Absichtunserer Leiter berührte einer der Jungen ehr-fürchtig mit seinem Kopf die Buddha-Statue,und wir alle taten es ihm nach. Die Behördenkonnten uns den Respekt vor dem Buddhismusnicht austreiben.

Loten Dahortsang vermittelt die buddhis-tische Lehre in der Schweiz und bildet sichin tibetischen Klöstern in Indien weiter

Foto: Dana Rudinger

Demo zum Tag der MenschenrechteDemo zum Tag der Menschenrechte am10. Dezember vor dem Palais Wilson inGenf, dem Sitz des UN-Hochkommissa-riats für Menschrechts.Erkundigen Sie sich über diese und wei-tere Aktionen ab November im GSTF-Büro, 01 451 38 38 oder beachten Sieunsere website www.tiibetfocus.com

mit 4 Seiten m

ehr

Tibetische Bewegungslehre

Sa, 30. Okt., 9:00 bis 16:00 Uhr; Loten Dah-ortsang: Lu Jong - Das Gesundheitsge-heimnis der tibetischen Mönche; Seminar;Kosten: 80 Fr. oder nach eigenem Ermes-sen; Bitte leichte Mittagsverpflegung mit-bringen. Tibet- Institut Rikon, S.31

Mit Sport für TibetUnter dem Motto «Move for Tibet» tre-ten wir am 6. November auf dem Säntisin die Pedalen von Spinning-Bikes -Zuschauer willkommen - Bikes ausge-bucht. GSTF-Sektion Ostschweiz.

«Schliesslich überlebt nur das Spirituelle»

aktuell

2 n TA 86 November 2004

kommst du mit den sehr unterschiedlichen Kul-turen und Umgebungen zurecht?

Ich habe kein Problem damit. Ich bin vomMateriellen in der westlichen Welt nichtgeblendet, da mein Hauptziel darin liegt, spiri-tuell weiterzukommen. Das Leben in zweiKulturen ermöglicht mir auch, von jeder dasBeste für mich herauszunehmen. Ich möchtemir die tibetische Heiterkeit und Toleranzbewahren, finde aber auch die schweizerischePräzision, die gewissenhafte Arbeitsweise unddie Sparsamkeit erstrebenswert.

Du bist viel unterwegs.

Ich finde Reisen sehr bereichernd. In Indienerlebe ich eine völlig andere, spirituelleAtmosphäre, die für meine Meditationen sehrförderlich ist. Hierzulande geht es hektisch zu,vieles dreht sich um Geld, Macht und Ansehen.

Dagegen sind aber auch tibetische Klösternicht gefeit.

Im grossen Kloster Sera wurden mir gute Leh-rer zugeteilt, für die das Geistige im Vorder-grund steht, und erlebe dort deshalb keineMachtkämpfe.

In Indien gibt es, ausserhalb der Klöster, auchgrosse Armut. Wie gehst du damit um?

Schon früh, nämlich in Tibet, habe ich Armutgesehen. Armut ist Teil des Samsara. Alles Lei-den ist Bestandteil des Lebens, lehrt uns derBuddhismus. Diese Erkenntnis rechtfertigtaber nicht, dass wir die Hände in den Schosslegen.

Was unternimmst du gegen die Armut?

Manchmal packt mich eine unbuddhistischeWut, wenn ich den Mangel in der Welt sehe,obwohl es doch für alle genug zu essen gäbe.Ich unterstütze eine kleine Mädchenschule inOsttibet und ermahne vor allem westlicheBuddhismuszentren, sich für soziale Projektein Tibet zu engagieren und Tibets politischeProbleme nicht zu vergessen. Die buddhisti-sche Spiritualität ist ein Geschenk Tibets anden Westen, für das er sich seinerseits erkennt-lich zeigen sollte.

Du versuchst, westlichen Laien den Buddhis-mus näher zu bringen, und erteilst tibetischeMeditations- bzw. Bewegungskurse. Was mussman sich darunter vorstellen?

Bei den letzteren geht es um buddhistisch-schamanistische Körperübungen, einfacheBewegungsabläufe aus der tantrischen Heil-kunst, die die Selbstheilungskräfte stärken undder Vorbeugung von Krankheiten dienen.Lama Tulku Lobsang hat sie im Westenbekannt gemacht.

Was gibt der Buddhismus dir selbst?

Das buddhistische Denken spornt mich an,mich geistig weiterzubilden. Schliesslich istdas Einzige, was wir nach dem Tod mitnehmenkönnen, die spirituell-geistige Entwicklung.

Ich hatte das Glück, ausgezeichnete Lehrer zuhaben. Sie haben mir Lebensweisheiten undRatschläge mitgegeben, die mich wie eineLampe im Leben führen. Ausserdem haben siemir eine innere leuchtende Freude vorgelebt, wieich sie auch einmal gern erreichen möchte.

Wie erlebst du deine Meditation?

Ich praktiziere die sogenannte Shamata-Meditation und konzentriere mich dabei aufden Atem, versuche, mich geistig völlig zu ent-spannen mit dem Ziel, vom Alltag Abstand zugewinnen. Dann versuche ich in der Meditati-on, mit Wut, Ärger, Selbstbezogenheit,Hochmut, Ungeduld besser umzugehen und siein Mitgefühl, Bescheidenheit, Geduld umzu-wandeln.

Konzentrierst du dich auch auf bestimmte Bil-der, wie beispielsweise bei der Kalacakra-Meditation?

Bei der Meditation gibt es Phasen, wo man sichauf einen Spruch, eine Strophe von Milarepa,einen Satz aus den Vier Edlen Wahrheiten kon-zentriert. Die Kalacakra-Meditation hingegenist als Tantra-Visualisierung eine höhere Artvon Meditation, die nur sehr erfahrene Lamaspraktizieren können.

Du hast den Militärdienst absolviert. Ist dasnicht ein Widerspruch zur Gewaltlosigkeit, dieder Buddhismus fordert?

Buddhismus kann man nicht nur in der Theo-rie lernen. Es ist wichtig, Erfahrungen zumachen, um überhaupt «Nein» sagen zu kön-nen. Fleisch zu essen ist eine schlechte Tat, abererst wenn man Fleisch gegessen hat, weiss man,worauf man als Vegetarier verzichtet. Budd-hismus ist nicht nur etwas für die Frommen,

Wann bist du aus Tibet geflohen?Es war eigentlich keine Flucht, denn wir rei-sten ganz offiziell nach Nepal zum Verwand-tenbesuch. Es war 1979, und wir gehörten zuden Ersten, die vom Tauwetter nach dem Endeder Mao-Ära profitierten. Meine Grossmutter,meine Mutter und ich trafen in Nepal meinenOnkel aus der Schweiz. Wir hatten die Absichtgehabt, nach Tibet zurückzukehren, aber meinOnkel überzeugte uns davon, dass das Lebenim Exil besser und freier war.

Dann bist du in die Schweiz gekommen?

Ja, wir besuchten meinen Onkel in Rämis-mühle im Tösstal. Ich reiste jedoch bald dar-auf wieder nach Nepal. Dort verbrachte ich einJahr in einem Gelug-Kloster, wo ich vielewichtige Texte auswendig gelernt habe undauch im tibetischen Stil malen durfte, was inTibet nicht erlaubt war.

Doch schon bald zog es dich wieder in dieSchweiz.

Ich bekam ein besonderes Studentenvisumund wurde Mönchsschüler im Tibet-Kloster inRikon, wo ich hervorragende tibetische Leh-rer hatte. Dabei erhielt ich nicht nur eine spi-rituelle Ausbildung, sondern auch eine ausge-zeichnete Schulbildung und hatte sogar dieMöglichkeit, in Deutschland und in EnglandSprachkurse zu besuchen. Ich war bisher dereinzige Klosterschüler in Rikon, hoffe aber,dass ich nicht der letzte gewesen bin.

Du bist Schweizer geworden. Dies hatte zurFolge, dass du die Rekrutenschule absolvierenmusstest.

Der Militärdienst war ein wichtiger Schritt fürdie Integration in der Schweiz. Ich habe in derRekrutenschule in der Gebirgsinfanterie amGotthard einen Querschnitt der (männlichen)Schweizer Bevölkerung kennen gelernt, wiedas sonst nicht möglich gewesen wäre.

Wie sieht denn dein Leben heute aus?

Nach dem Tod meines Lehrers, des AbtesGedun Sangpo, bin ich als Mitglied derMönchsgemeinschaft ausgetreten. Seit drei Jahren habe ich meine buddhistischeAusbildung intensiviert. Ich habe mit demStudium der Erkenntnislehre im Kloster Serabegonnen. Bald werde ich eine vertiefte mehr-jährige Meditation und Studien über dasKalachakra im Jonang-Kloster in Nordindienaufnehmen. Für diese Studien bin ich jeweilsetwa ein halbes Jahr in Südindien. Die andereZeit verbringe ich in der Schweiz, wo ich inRikon Führungen mache, die Belehrungentibetischer Lamas übersetze, Vorträge halteund Kurse erteile.

Heute versuche ich ein gutes buddhis-tisches Leben zu führen, löse mich von mate-riellen Werten und dem Streben nach Ansehenund Einfluss. Wichtiger ist mir der spirituelleFrieden, die Genügsamkeit, die Einfachheitund das Streben nach geistiger Entwicklung.

Das ist ein Leben in mindestens zwei Welten,und zwar sowohl geistig wie örtlich. Wie

da. Loten Dahortsang wurde 1968 in Lha-sa als Kind von Eltern aus Kham undAmdo geboren. Er besuchte in Lhasa diePrimarschule und reiste 1979 mit der Mut-ter und Grossmutter nach Nepal und derSchweiz aus. 1981 bis 1982 verbrachte erin einem Gelug-Kloster in Nepal. Danachlebte er 17 Jahre als Novize im KlosterRikon, wo er unter anderem vom AbtGedun Sangpo unterwiesen wurde, aberauch eine weltliche Ausbildung erhielt. Ander Dolmetscherschule studierte er siebenJahre angewandte Linguistik und liess sich1990 einbürgern. Heute lebt er in derSchweiz und in Indien, wo er sich buddhi-stischen Studien widmet.

Publikation: Tulku Lama Lobsang, LuJong, O.W. Barth Verlag, ISBN 3-502-61121-1Loten hat an folgenden Publikationen mit-gearbeitet: Phalha, D.W., Genealogie desHauses Phala, Tibet Insitutut, ISBN 3-7206-0046-4; Tibet – Buddhas, Götter, Heilige,Prestel Verlag, ISBN 3-7913-2503-5

Stationen im Leben vonLoten Dahortsang

aktuell

TA 86 November 2004 n 3

sondern für alle Menschen, nicht etwas für diestille Klause, sondern für den Alltag.Dazu gibt es eine Geschichte: Zwei Männerkamen zu einem Zen-Meister. Der eine sagte:«Ich habe ein gutes Leben geführt, habe nichtgestohlen und niemandem Leid zugefügt, undmöchte nun ins Kloster eintreten.» Der anderemeinte: «Ich war ein schlechter Mensch, habegetötet und gestohlen, und will jetzt ebenfallsins Kloster.» Der Zen-Meister liess beide her-

ein. Der erste konnte sein gutes Leben weiter-führen, der zweite sich von seinen schlechtenTaten reinigen und sich weiter entwickeln.

Wenn wir vom Karma sprechen: Glaubst du,dass wir alle einmal wiedergeboren werden?

Die Lehre über die Wiedergeburt ist sehr kom-plex. Aber ich finde es nicht richtig, dass rein-karnierte Tulkus grosse Privilegien geniessenund zu sehr verwöhnt werden. Die Kloster-hierarchie richtet sich sonst nach der Verweil-zeit im Kloster, und auch die Tulkus solltenzuerst zwanzig Jahre lang lernen, um sich einenbesonderen Status zu erwerben. Die Privile-gierung von jungen Tulkus ist übrigens eineBesonderheit des tibetischen Buddhismus undeigentlich völlig unbuddhistisch.

Du studierst in Sera Erkenntnislehre. Kannstdu illustrieren, worum es dabei geht?

Der Buddhismus ist nicht ein Glaube, sondernein Weg, durch Erkenntnis Erleuchtung zuerlangen. Was aber bedeutet «Erkenntnis»überhaupt, beispielsweise die Erkenntnis derabhängigen Entstehung, die Erkenntnis, dasskein Ding ohne das andere existiert?Die folgende Geschichte illustriert, wie allesmiteinander zusammenhängt. Ein Meisterfragt seinen Schüler: «Siehst Du die Wolkenauf diesem weissen Blatt Papier?» Der Schülerbetrachtet das Blatt eine Weile und verneint.«Und doch sind die Wolken in diesem Blatt»,sagt der Meister, «denn das Blatt gäbe es nichtohne Holz, Holz nicht ohne Bäume, Bäumenicht ohne Regen, und ohne Wolken würde esnicht regnen».

Was kann ein Laie vom Buddhismus lernen?

Der Buddhismus ist keine Religion, sondernein logisches Denksystem. Es geht um ganzkonkrete, anwendbare Methoden zur Schulungund Entwicklung des Geistes. Wie ein Arzt dieUrsache einer Krankheit sucht und eine Thera-

pie für die Heilung verschreibt, zeigt der Budd-ha einen Weg, die Ursachen des Leidens zuerkennen und es zu überwinden.

Zielt der Buddhismus nicht auf eine Überwin-dung von Emotionen – was einem Menschengar nicht mehr erlauben würde, sich zu enga-gieren?

Die buddhistische Lehre sagt nicht, dass mankeine Emotionen haben darf, sondern, dassman innehalten und sie bewusst erleben undbeobachten soll. Nur wenn man mit seinenEmotionen umgehen kann, kann man sich auchrichtig engagieren, wie es der Bodhisattva Ava-lokiteshvara tut.

Welche buddhistische Erkenntnis ist deinerAnsicht nach zentral für uns hier im Westen?

Viele hier im Westen sind frustriert, weil sienicht bekommen, was sie wollen oder woraufsie glauben, Anspruch zu haben. Wenn ihnenLeid widerfährt, fragen sie sich, warum esgerade sie getroffen hat. Der Buddhismus sagt,dass im Samsara, dem Kreislauf des Lebens,Leid natürlich und allgegenwärtig ist: «Wennman im Freien sitzt, gibt es auch Wind.» Werdies erkennt, kann sein Schicksal besser akzep-tieren, sei es als Mensch, als Land oder alsVolk. Der Buddhismus lehrt uns auch, wenigerBesitz ergreifend zu sein und unsere Gier zuzügeln.

Der Buddhismus kann die Entwicklung auchvon uns Westlern fördern. Umgekehrt solldurch das Projekt «Science meets Dharma» diespirituelle Welt der Klöster mit Naturwissen-schaften und Mathematik bereichert werden.Was hältst du davon?

Wie gesagt, im Buddhismus geht es um dieBefreiung von jeglicher Art von Leiden, unddafür stellt der buddhistische Weg alle Mittelzur Verfügung. Doch um in der heutigen Weltzu leben und sich im Alltag zurechtzufinden ist

Intensivierte Virus-Attackenauf Computer der TibeterUM Wie schon 2003 verzeichnen die Tibeti-sche Regierung im Exil und Unterstützergrup-pen Virusattacken auf ihre Computernetz-werke. Diese Virus-Aktivität hat sich im Okto-ber deutlich intensiviert. Die Zunahme könntemit der auch im Oktober stattgefundeneninternationalen Konferenz der Unterstützer-Gruppen in Prag zusammenhängen.

Ein Computerspezialist, der die 400 Com-puter der Tibetischen Regierung im Exilbetreut, sprach von einer «unglaublich hohen»Intensität der Attacken. Die Viren waren inMails mit vorgeblichem Absender von Mitar-beitern der Exil-Administration oder vonMicrosoft versteckt und erschienen spezifischdazu gefertigt, vor der Konferenz in Prag anvertrauliche Informationen über Aktivitätender Unterstützergruppen oder die Agenda desDalai Lama zu gelangen. Die InternationalCampaign for Tibet konnte die Herkunft eini-ger virus-infizierter Mails bis zu einem Inter-net-Anbieter in Beijing zurückverfolgen.

Als diese Aktivität offenbar wurde, schie-nen die Absender der Viren ihre Strategie zuändern und versteckten diese in Mails, die alsHerkunft diverse Tibet-Unterstützergruppenvorgaben. Während das Netzwerk der Exil-Administration gut gegen Viren geschützt ist,sind die Computer der Unterstützergruppenmeist verletzlicher.

Fern von Tibet: Ein Geshe aus dem Kloster Rikon geniesst die «Monsun-Stimmung» auf der Gurschenalp ob Andermatt beim Yakausflug S.14, Foto: SilvioCapaul, Haus 26A, 7148 Lumbrein, GR, Tel. 061 931 34 70; Silvio verkauft 12er-Postkartensets für 10 Fr., davon gehen 6Fr. an tibetische Projekte.

aktuell

Einheimische und Eindringlinge

4 n TA 86 November 2004

es wichtig, die Grundlagen der modernen Wis-senschaften zu kennen. Da dieses Projekt vomDalai Lama begründet wurde, geben alle ihrBestes, um das Vorhaben zu verwirklichen.

Wie würde eine Welt aussehen, in der der Budd-hismus mehr Bedeutung hätte?

Der Buddha betonte, dass das, was er erzählte,seine Sicht der Dinge sei, er behauptete alsonicht, eine allgemeingültige Wahrheit zu ver-künden. Auch heute kennt man im Buddhis-mus die Missionierung nicht – die Meisterkommen nur, wenn man sie ruft.Die Religion ist die Ursache vieler Kriege.Wäre die buddhistische Toleranz und Fried-fertigkeit weiter verbreitet, wäre die Welt wohlfriedlicher, so wie sich Tibet vor mehr als tau-send Jahren unter dem Einfluss des Buddhis-mus von einer kriegerischen Grossmacht zueinem bescheideneren, weniger aggressivenLand wandelte.

Hat der Buddhismus eine Überlebenschancein unserer polarisierten Welt?

Im Westen breitet sich der Buddhismus nachwie vor aus. Aber auch die Chinesen sind inter-essiert. Selbst wenn die chinesische Regierungspirituelle Bewegungen unterdrückt und denBuddhismus in Tibet bekämpft, die in der Tra-dition wurzelnde Spiritualität der Chinesenlässt sich nicht ausmerzen. Der Buddhismuswird sich in China stark verbreiten. In den gros-sen Städten gibt es bereits überall Meditations-und Yogazentren.

Ist das nicht eine allzu optimistische Sicht derLage?

Nicht unbedingt, wenn man bedenkt, dass derBuddhismus in China 400 Jahre früher Wur-zeln fasste als in Tibet. Eine Basis zur Wieder-belebung ist vorhanden, umso mehr, als dertibetische Buddhismus in China traditionelleine grosse Rolle spielte. Die chinesischenKaiser respektierten den tibetischen Buddhis-mus und liessen sich von den Lamas beraten.Noch heute steht in Peking ein bedeutenderLama-Tempel. Zudem werden sich die Chine-sen nach der Deckung ihrer materiellenBedürfnisse vermehrt der spirituellen Weltzuwenden.

Welche Chancen gibst du dem Dialog Chinasmit der Exilregierung?

China ist am Dialog mit dem Dalai Lama inter-essiert. Denn nach seinem Ableben wird nie-mand mehr da sein, der für die Gesamtheit derTibeterInnen spricht, und eine Einigung wirdnoch schwieriger. Das Tibet-Problem ist näm-lich nicht ein Problem des Dalai Lama, sondernder tibetischen Nation, und wird bestehen blei-ben.

Hoffen wir, dass die Chinesen auch so denken.Besten Dank für das Gespräch und wir wün-schen viel Erfüllung bei deinen buddhistischenStudien.

Das Gespräch mit Loten Dahortsang führtenDaniel Aufschläger und Dana Rudinger

führungen zur gescheiterten Etablierung welt-licher Schulen, wo der Verfasser die Protest-note der grossen Klöster wiedergibt: «DasErlernen der englischen Sprache wird die Kin-der in ihrem buddhistischen Glauben und Ver-halten schädlich beeinflussen. Daher ist dieseSchule unverzüglich zu schliessen.»

Der Verfasser hält sich mit Wertungen auf-fallend zurück, wahrscheinlich ist dies Teil des«traditionellen tibetischen Geistes». Doch abund zu schimmert explizite Kritik durch, bei-spielsweise wenn er nach dem Ableben des 13.Dalai Lamas kritisiert, man habe dessenAnweisungen und Regierungsrichtlinien nichtbefolgt und stattdessen seine engsten Mitar-beiter bestraft. Der Autor schreibt von «Men-schen» – Insider mögen wissen, wer gemeintist –, die eine verwerfliche Haltung gezeigthätten und das Leben lang nur auf den eigenenVorteil bedacht gewesen seien.

Nach dem Einmarsch hatte die FamiliePhalha den Spagat zu vollbringen, einerseitsdie Kooperationspolitik des Dalai Lamas zuunterstützen, anderseits auch Kontakte undZusammenarbeit mit der Widerstandsbewe-gung zu pflegen, bis dies nicht mehr längermöglich war.

Doch das Buch ist nicht nur eine Famili-engeschichte, sondern ein zeitgeschichtlichesDokument, das vor allem da lebendig und auchberührend wird, wo der Autor aus der eigenenpersönlichen Erinnerung schöpft. Das Buch,das von Loten Dahortsang aus dem Tibeti-schen übersetzt wurde, enthält einen Anhangmit den Rängen der Amtsträger, einen Bildteil,einen Index sowie einen herausklapparenStammbaum der Familie Phalha.

Erschienen als Fasc. 27 in der Reihe «KleineArbeiten aus dem Tibet-Institut», DorjeWangdu: Genealogie, Geschichte undGeschicke des Hauses Phalha, Übersetzung:Loten Dahortsang, Bearbeitung und Kom-mentar von Peter Lindegger.

Dorje Wangdu Phalha war ein treuer Beamter derRegierung in Lhasa und im Exil

da. «Unser Leben ist so veränderlich wie Bla-sen im Wasser», schreibt Dorje Wangdu Phal-ha in seiner vom Dalai Lama angeregten«Genealogie, Geschichte und Geschicke desHauses Phalha», die nach einer tibetischenAusgabe im Verlag des Tibet-Instituts aufdeutsch erschienen ist. Dieser bildhafte Ver-gleich trifft ganz besonders auf die Lebensge-schichte des Verfassers und seiner grossenFamilie sowie viele TibeterInnen zu. Vor allemseine Gattin und die neun in Tibet verbliebe-nen Kinder – der älteste Sohn konnte fliehen –erlitten «eine wahre Hölle auf Erden».

Dorje Phalhas Bruder Thubten organisier-te die Flucht des Dalai Lama 1959 aus demNorbulinka, und für Dorje selber gab es keinZögern, den Dalai Lama zu begleiten und sei-ne Familie zurückzulassen. Die Pflichtgegenüber dem tibetischen Oberhaupt gingvor: «Als Beamter war es meine Pflicht ineiner Zeit, da das Leben des Dalai Lamaunmittelbar bedroht war und das SchicksalTibets auf dem Spiel stand, persönliche Opferzu bringen.» Die Ergebenheit gegenüber demDalai Lama drückt er treffend mit demWunsch aus, er möge in allen Wiedergeburtensein Untertan sein.

In der tibetischen Verwaltung übte er unteranderem das Amt als Kommandant der Leib-garde des Dalai Lama aus, war Reisemarschallfür die Reise des Dalai Lama nach Peking(1954/55) und wirkte im Exil als RepräsentantSeiner Heiligkeit in Kalimpong, arbeitete fürdas Kinderdorf in Dharamsala, betreute tibeti-sche Kinder in England und übersiedelte 1973in die Schweiz, wo der Neunzigjährige heuteim Tösstal lebt.

Auch wenn das Leben von Dorje Phalhaan Spannungen und Turbulenzen reich war,darf man nun nicht ein Buch erwarten, das inder Art der Lebensberichte von Ama Adheoder Palden Gyatso geschrieben wurde. Viel-mehr «atmet es den traditionellen tibetischenGeist», wie der Herausgeber Peter Lindeggerschreibt, der das 136-seitige Werk mit zahlrei-chen Erläuterungen in den Fussnoten versehenhat. Es werden uns sehr viele Namen präsen-tiert, da die Aufzeichnungen bis in die Zeit desfünften Dalai Lama zurückreichen. Dass die-se wie auch die Ortsnamen in der sogenanntenWylieschen Transkription wiedergegebenwerden – statt diese in die Fussnoten zu verle-gen – vereinfacht die Lektüre nicht gerade.

Die Familie Phalha, deren Mitglieder seitder Zeit des «Grossen Fünften» den DalaiLamas nahestanden, hat an Schlüsselstellen ander Führung des Landes mitgewirkt. Entspre-chend liegt die Stärke des Buches bei der Dar-stellung von wichtigen politischen Ereignis-sen und Entwicklungen und weniger bei derSchilderung von Einzelpersonen und -schick-salen. Dabei ist zu erfahren, dass es im Westenund Osten immer wieder zu Aufständen (dieunbotmässigen Khampas im Osten) und Ein-märschen (Gurkhas von Nepal) gekommen ist,bei denen sich Mitglieder der Familie Phalharuhmreich hervortaten. Interessant die Aus-

«Unser Leben ist so veränderlich wie Blasen im Wasser»

Dorje Wangdu Phalha, hoher Beamter der Regierung des Dalai Lama

Einheimische und Eindringlingeaktuell

TA 86 November 2004 n 5

Krone. Schon als Kind war Charles von dentibetischen Nomaden fasziniert, die schmuck-behangen in ihren schweren Chubas die Gren-ze zu Indien überquerten. Als er als einer derersten britischen Volontäre in Nepal unter-richtete, kam er in Kontakt mit den Khampa-Widerstandskämpfern, die, nachdem sie vonden USA im Stich gelassen worden waren,zwischen alle Fronten gerieten. Seither hat ersich in drei Büchern mit Tibet auseinanderge-setzt. In «A Mountain in Tibet» greift er dieGeschichte der Abenteurer in Westtibet auf, in«The Search for Shangri-La» wandert er auf

den Spuren der alten Bön-Religion, und in«Duel in the Snows» schildert er die britischeYounghusband-Expedition nach Tibet.

Unschuld und IgnoranzEs ist Allen ein Anliegen, die historische Ver-klärung des politischen Führers der Tibet-Strafexpedition, Colonel Francis Younghus-band, richtig zu stellen. Vor genau hundert Jah-ren hatten sich Younghusband und seineBegleiter, unter ihnen L. Austine Waddell,einen lang gehegten Traum erfüllt und warenin Lhasa einmarschiert. Aus YounghusbandsÄusserungen, vor allem aber auch aus denBriefen an seinen Vater und seine Schwesterentsteht das Bild eines ehrgeizigen, machtbe-sessenen Rassisten, der Anweisungen mis-sachtet und provoziert, nur um sein Ziel zuerreichen, und es auch mit der Wahrheit nichtimmer so genau nimmt.

Younghusband und andere nährten die seitnapoleonischer Zeit bestehende Angst der Bri-ten vor der Übermacht der Russen. Russlandexpandierte tatsächlich, in der Schilderung desVizekönigs in Indien, Lord Curzon, «rückt[e][es] vor wie ein Gletscher». Doch unmittelba-re russische Absichten in Tibet, in Berichtennach England wiederholt erwähnt und durchErzählungen tibetischer Flüchtlinge zusätz-lich untermauert, bestanden in Wahrheitkaum. Es ist eine Ironie der Geschichte, dassder Dolmetscher der Briten ein aus Tibet ver-jagter Verräter war, was bei den Verhandlun-gen sicher nicht der Vertrauensbildung diente.Analog stammten übrigens in den letzten Jah-ren manche Fehlinformationen über dieZustände in ihrem Land von Exil-Irakern.

Um punkt halb eins begibt sich Charles Allenins Café der British Library, wo wir seine kur-ze Mittagspause für ein Gespräch nutzen.Obwohl sein neuestes Buch, «Duel in the Sno-ws» (siehe Kasten) erst vor kurzem erschienenist, rückt die Deadline für das nächste Projektbereits wieder näher.

Das Interesse für den Himalaya undbenachbarte Regionen hat Allen sozusagen indie Wiege gelegt bekommen, stand doch seinVater, Geoffrey Allen, als Zivilbeamter unterdem berühmten Hugh Richardson an der nor-dindischen Grenze im Dienst der britischen

Hätte Grossbritannien Tibet retten können?Ein Gespräch mit dem englischen Autor Charles Allen über die britische Invasion Tibets

100 Jahre britische Invasion in Tibet

DR. Fast hundert Jahre lang fochten diezwei mächtigsten Reiche der Welt – dasviktorianische Grossbritannien und daszaristische Russland – in den Steppen undBergen Zentralasiens einen geheimenKampf, genannt «The Great Game» («DasGrosse Spiel»). Russland hatte seit der ZeitKatharinas der Grossen einen Siegeszugnach Osten angetreten, und der Abstandzwischen den Gebieten der beiden Gros-smächte verringerte sich im Lauf des 19.Jahrhunderts von einigen Hundert auf eini-ge Dutzend Kilometer. Grossbritannien verfolgte beunruhigt dieExpansion des Rivalen und fürchtete umseine Kolonie Indien. Um die Jahrhun-dertwende kamen Befürchtungen auf, dasssich Russland mit Tibet verbünden könn-te, da buddhistische Gesandte des Zarendas für westliche Ausländer gesperrteLand besuchten. Als der 13. Dalai Lamaangeblich zweimal einen Brief der Briten,der ihn zur Aufnahme von Handelsbezie-

hungen aufforderten, ungeöffnet zurückwies,schien sich der Verdacht zu bestätigen, dieTibeter wollten mit den Russen gemeinsameSache machen – ein Verdacht, der sich imNachhinein als unbegründet erwies. Dochnachdem ein Versuch zu Verhandlungengescheitert war, entsandte der Vizekönig LordCurzon mit nur zögerlicher Einwilligung ausLondon im Herbst 1903 Colonel FrancisYounghusband unter Begleitung einer ganzenArmee nach Tibet. Die Briten marschiertenbis nach Guru, wo sich Widerstand regte, dochgegen die zahlenmässig und waffentechnischweit unterlegenen Tibeter hatten sie ein leich-tes Spiel. Da sich der Dalai Lama weiterhin zu verhan-deln weigerte, drang Younghusband (uner-laubterweise) bis nach Lhasa vor, wo er am 3.August 1904 eintraf. Nach der Zusicherungvon Reparationszahlungen und der Erlaubnis,temporär in Tibet einen Stützpunkt zu errich-ten, zogen sich die Briten wieder aus Tibetzurück.

Einmarsch der britischen Truppen in Lhasa Fotos: Aus Allens Buch «Duel in the Snows»

aktuell

Einheimische und Eindringlinge

6 n TA 86 November 2004

Die Folgen der Younghusband-Missionlassen sich schwer abschätzen. Natürlich wur-den Klöster zerschossen und geplündert (esbleibt ein Geheimnis, welcher Anteil derBestände im British Museum von der Young-husband-Expedition stammt), aber die Aus-wirkungen waren unendlich weniger ein-schneidend als später die Zerstörungenwährend der Kulturrevolution. Es gibt sogar(tibetische) Stimmen, die meinen, die Britenwären besser in Tibet geblieben, wie es inYounghusbands ursprünglichem Vertrag vor-gesehen war. Dann hätte sich Tibet vielleicht,wie Indien nach 1945, seine Unabhängigkeiterkämpfen und bewahren können.

Die Zukunft TibetsDie chinesischen Besatzer haben Tibet vielLeid angetan. Doch die Unterdrückung dertibetischen Kultur durch die Chinesen ist im

Auch sonst sind Parallelen zur Gegenwartnicht zu übersehen.

Tibet war am Anfang des 20. Jahrhundertsein verschlossenes Land. Die grossen Klösterwaren bestrebt, ihre Macht zu verteidigen,gleichzeitig aber auch die Religion, denn manhielt Tibet für das «auserwählte Land», in demder Buddhismus überleben konnte. Jeglichenwestlichen Einfluss betrachtete man als eineBedrohung für die Religion. Darin und in einerMischung aus Unschuld und Ignoranz siehtAllen eine Parallele zum religiösen Absolutis-mus mancher neuzeitlicher Staaten.

Hätten die Tibeter die britische Invasionverhindern können? Laut Allens Schilderungstand Tibet am Ende des 19. Jahrhunderts amRand des Zusammenbruchs. Ein ungünstigesKlima beeinträchtigte die Ernten, die Steuer-einnahmen waren minimal, während die Klö-ster immer reicher wurden, und das Land wur-de von schwachen Regenten geführt, die unterdem Einfluss der chinesischen Ambane stan-den. Für eine Verteidigung gegen eine fremdeMacht waren die Voraussetzungen also denk-bar ungünstig.

Lichte der Geschichte besehen natürlich,meint Allen, denn alle Kolonialherren müssen,um zu überleben, die Kultur der Kolonieablehnen, genauso, wie auch die Engländer inIndien britischer waren als die Briten zu Hau-se. Und wie die Chinesen in Tibet gaben schondie weissen Amerikaner den Orten im indiani-schen Westen englische Namen.

Muss denn die Kultur des kolonisiertenLandes dabei gleich zerstört werden? DieGefahr, sagt Allen, geht viel mehr von derMassenimmigration von Han-Chinesen ausals von der chinesischen Politik. China ist inTibet allgegenwärtig; umgekehrt gehen aberauch junge Chinesen in die Klöster und betendort. Man kann hoffen, dass die tibetische Spi-ritualität ihrerseits einen Einfluss auf die Chi-nesen haben wird.

Tibet muss sich entwickeln, wir könnennicht die Tibeter wie in Aspik bewahren wol-len. Wir können nicht verlangen, dass dieNomaden, so romantisch ihr Leben uns aucherscheinen mag, arm und ungebildet bleiben.Wir im Westen müssen die tibetische Kulturfördern, aber auch den Bau von Spitälern undSchulen, und vor allem müssen wir den DalaiLama unterstützen. Charles Allen befürwortetdie durchdachte und pragmatische Annähe-rungspolitik des Dalai Lama, der, genauso wieder 13. Dalai Lama vor hundert Jahren, eineKonfrontation vermeiden will. Die Buddhi-sten, sagt Allen, kennen eben das Gesetz vonDauer und Vergänglichkeit.

Dana Rudinger

Übersichtsbücher zum Thema: Charles Allen: Duel in theSnows. Tsepon W. D. Shakabpa: Tibet, A Political History.Peter Fleming: Bayonets to Lhasa. Patrick French: Young-husband. Peter Hopkirk: The Great Game. Karl Meyer, Sha-reen Brysac: Tournament of Shadows. Peter Hopkirk: DerGriff nach Lhasa.Augenzeugenberichte: Francis Younghusband: India andTibet. L. Austine Waddell: Lhasa and Its Mysteries. Perce-val Landon: Lhasa. Edmund Candler: The Unveiling ofLhasa.

Der Autor von «Duel in the Snows» Charles Allen

Die Demaskierung eines HeldenDR. Vor genau hundert Jahren erfülltensich Colonel Francis Younghusband undseine Begleiter, unter ihnen L. AustineWaddell, einen lang gehegten Traum undmarschierten in Lhasa ein. Aus Younghus-bands Äusserungen, vor allem aber auchaus den Briefen an seinen Vater und seineSchwester entsteht das Bild eines ehrgei-zigen, machtbesessenen Rassisten, derAnweisungen missachtet und provoziert,um sein Ziel zu erreichen. Charles Allenschildert in diesem Buch minuziös daspolitische Umfeld, die Tage und die wich-tigsten Teilnehmer der Younghusband-Expedition in der Absicht zu zeigen «wiees wirklich war» und das Heldenimageihres politischen Führers zu relativieren.

Charles Allen, Duel in the Snows. JohnMurray 2004, 350 S. £ 20

Eine britischeKanone hat dieBurg von Gyantseim Visier

Tibetische Infanteristen, wie sie die Engländerantrafen Foto: L. A. Waddell

aktuell

TA 86 November 2004 n 7

Einheimische und Eindringlinge

DR. Der Verfasser von 65 Büchern, unteranderem von «Transhimalaja», «Abenteuer inTibet» und «Durch Asiens Wüsten», hat zwei-fellos durch sein Werk das Bild von Zentrala-sien im Westen stark mitgeprägt. Was aber hatdiesen Mann dazu bewogen, immer undimmer wieder Strapazen auf sich zu nehmen,sogar wiederholt sein Leben zu riskieren?

Sven Hedin wurde 1865 geboren und wardem Vernehmen nach kein guter Schüler.Immerhin brachte er es dank der Förderungdurch seinen Vater im Zeichnen zu einergewissen Fertigkeit. Als er 1885 in RusslandPrivatunterricht erteilen sollte, stellte sich baldheraus, dass er nicht zum Lehrer geboren war.Inspiriert von den Büchern Jules Vernes undvon seinem Vorbild, dem erfolgreichen Polar-forscher Adolf Erik Nordenskiöld, ging er aufReisen und brachte aus dem sagenhaften Per-sien viele Skizzen und den Stoff für ein Buchmit. Darin waren eigene, teils dramatischeErlebnisse mit Hintergrundinformationen ausunterschiedlichen Quellen vermischt, entspre-chend dem Stil der damaligen Reisebücher,aber es war wohl besser als die meisten, dennHedin hatte Talent zum Schreiben.

Seine Sprachbegabung und sein Interessean den Bewohnern anderer Länder, seineFähigkeit, sich in fremden Kulturen zurecht-zufinden und anzupassen sowie seine physi-sche Konstitution und sein Durchhaltewillenermöglichten es ihm, nach einem Geographie-studium das Reisen und Forschen zu seinemLebensinhalt zu machen. Er lebte von den Ein-

nahmen aus seinen Veröffentlichungen undVorträgen, wobei den Büchern für das breitePublikum preiswerte Ausgaben für jungeLeser und erst zuletzt die wissenschaftlichenVeröffentlichungen folgten.

Landschaftsskizzen...Seine ersten Reisen sowie die berühmt-berüchtigte Durchquerung der Wüste Takla-makan 1895, bei der er mehr als die Hälfte sei-ner Begleiter, praktisch alle seine Tiere undauch die Kameras verlor, dokumentierteHedin durch Skizzen von Landschaften undMenschen. Später fertigte er solche Zeichnun-gen und Aquarelle zusätzlich zu den Fotogra-fien an. Die Landschaftsskizzen, die aneinan-der gereiht eine Länge von einem Kilometerhätten, erwiesen sich als nützlich für die Her-stellung von Panoramakarten. Vergleiche mitspäteren Fotografien zeigten, dass in HedinsZeichnungen die Berghöhen nur leicht über-trieben waren, aber eine horizontale Verschie-bung aufwiesen, da er auf den ersten Reisennur mit einem Kompass arbeitete.

Überhaupt war seine Ausrüstung damalssehr spartanisch: nebst dem Kompass, derKamera, einem Thermometer und Uhren führ-te er noch eine Kette zur Längenmessung mitsich, bei der Vermessung grösserer Distanzenbehalf er sich damit, die Schritte seiner Trag-tiere zu zählen. Die relative Präzision seinerSkizzen beeindruckt umso mehr, als Hedinschlechte Augen hatte.

... und PorträtsSven Hedin porträtierte neben Tieren (unteranderem über 200 Kamele!) auch Menschen,mit dem Ziel, ein Standardwerk der Völkerentlang der Seidenstrasse zu erstellen. Aller-dings war sein Können doch begrenzt; anfangsgelangen ihm nur Zeichnungen im Profil, undauch später hatte er Schwierigkeiten mitgewissen Proportionen. So hielt sich sein wis-senschaftlicher Beitrag in dieser Hinsicht inGrenzen.

Einen Beitrag leistete Hedin aber sehrwohl, denn seine genauen Karten führtenandere Forschungsreisende wie Aurel Steindurch die Wüsten, und als Resultat der von ihmgeleiteten sino-schwedischen Expeditionen1927–1935 entstand der erste Atlas Zentrala-siens. Hedin war ein Kenner Mittel- und Nor-dostasiens (seine zwei Versuche, nach Lhasa

Vom Hobbyreisenden zum Expeditionsleiter von Weltruhm

An der Universität Zürich fand Mitte Mai eine Tagung mit dem Titel «Wie Kartenund Bilder visuelles Wissen entlang der Seidenstrasse transportierten» statt. Der Vortrag von Hakan Wahlquist vom Ethnographischen Museum in Stockholmwar Sven Hedin gewidmet, dem Mann, der anfangs des letzten Jahrhunderts inbesonderem Masse Bilder aus Zentralasien und Tibet nach Europa brachte.

vorzudringen, scheiterten allerdings beide)und ein erfahrener Expeditionsleiter, der nebstder Entdeckung der Wüstenstädte Loulan,Dandan Oilik und Karadong und der Veröf-fentlichung zweier mehrbändiger wissen-schaftlicher Werke dem europäischen Publi-kum eine ferne Region näher brachte. DieseLeistung wird auch durch seinen glühendenDeutsch-Nationalismus und seine offeneSympathie für die Nationalsozialisten nichtgeschmälert.

Zeichnungen aus der Hand von Sven Hedin

TIN-Publikation zur traditionellentibetischen MedizinDas Buch «Tibetan Medicine in ContemporaryTibet» des Tibet Information Network TINstellt in einer kurzen allgemeinen Einführungdie medizinische Tradition Tibets wie auchderen Geschichte dar, unter besondererBerücksichtigung der medizinischen Institu-tionen, welche sich seit den 50er Jahren eta-bliert haben. Als nächstes wird die Ausbildungin tibetischer Medizin im modernen Kontextbeleuchtet. Ein weiteres Thema ist die Produk-tion und Vermarktung von tibetischer Medizin.Nähere Einzelheiten zum Inhalt des Buchesfinden Sie auf der TIN-Website unterhttp://www.tibetinfo.net/publications/health-book2.htm.

aktuellEinheimische und Eindringlinge

8 n TA 86 November 2004

Karmapa und dem bhutanischen Premier-minister.

Eine Schlüsselfrage bleibt jedoch: Wiehalten es die jungen TibeterInnen mit LotensMusik? Die Generation in Indien also, die ihreHeimat nur aus den Erzählungen ihrer Elternkennt und mit indischen Musicalfilmen sowieelektronischen Hindi- und Tibet-Popsongsaufgewachsen ist. Lackmustest war ein gros-ses Open-Air-Konzert in der TibetersiedlungBylakuppe mit etwa 15 000 BesucherInnen.Loten war von der Organisation beeindruckt,denn das Open Air mit tibetischen Musikernaus aller Welt präsentierte sich so modern wieim Westen, mit Bühne, Kameras und Videoü-bertragung auf eine grosse Leinwand. Anfäng-lich war es Loten, der nur mit seiner tibeti-schen Laute, dem Dranyen, auftrat, etwas mul-mig zumute, denn die anderen Musiker kamenmit elektronischem Power daher. «Ich war derEinzige, der traditionelle Musik spielte. DenDraht zum Publikum fand ich, als ich dreimal‹Pö Rangzen› (Freies Tibet) ins Publikum rief,das begeistert mitmachte. Es war mir klar, dassdie Leute das Verlangen nach Freiheit für Tibetimmer noch in ihrem Herzen tragen. Meinefünf Lieder verbreiteten eine gute Stimmung.»

Doch wenn es tatsächlich so wenige tradi-tionelle Sänger gibt, wie man den Eindruckhat, ist der Erfolg der Mission von Loten, dieErhaltung des traditionellen Lieder- und Kul-turschatzes, gefährdet. Vielleicht regt aberLoten Namlings Vorbild junge TibeterInnenzur Nachahmung an. Immerhin war er in Indi-en unermüdlich auf Achse, und er hatte auchAuftritte im Fernsehen: «Ich war 20 Minutenim All-India Staatsfernsehen und sprach überdie Kultur Tibets und davon, dass Tibet besetztist und seine Kultur zerstört wird.» Er hatzudem die Erfahrung gemacht, dass er alsTibeter aus dem Westen mit seiner Botschaft,dass die alten Lieder ein wertvoller Teil dertibetischen Kultur sind und Pflege verdienen,viel ernster genommen wird, als Tibeter inIndien, die das gleiche sagen. Als jemand, deraus dem modernen Westen kam, machte Lotenin seinen traditionellen Kleidern und den Lie-

dern ohne elektronische Hilfsmittel Eindruckund vermittelte den Zuschauenden den Wertder eigenen Kultur.

Highlight in LadakhDen Höhepunkt der Reise erlebte Loten inLadakh, wo der Dalai Lama Belehrungen gab.Loten stand in der vordersten Reihe der Zu-schauer, als ihn der Dalai Lama erkannte. Er kamzu ihm, zog ihn scherzhaft an seinem Bärtchenund fragte ihn, ob dies das Zeichen seines Sän-ger-Metiers sei. Aus der anschliessenden Seg-nung schöpfte Loten Kraft für seine Mission.

Das weitere Ziel seiner Reise, alte Liederzu entdecken und aufzunehmen, war schwie-riger zu verwirklichen, denn einerseits sterbenlangsam die alten TibeterInnen, die diese Lie-der noch kennen, anderseits sind die Lamas,die die Lieder kennen, nicht besonders mit-teilsam, wie Loten herausfand. Besonders dieMilarepa-Lieder, die Loten ihres zeitlosen undaktuellen Inhalts wegen besonders schätzt undvon denen er auch dem Karmapa einige vor-getragen hat, sind selten geworden. Hier wur-de er erst kurz vor seiner Abreise fündig beider Tochter eines Lamas. In Bhutan spürte erein altes Paar auf, das ihm eine ganze NachtLieder vorsang aus Dankbarkeit dafür, dassLoten ihre Musik bewahren will. Bhutan istLoten als das letzte Reservat für die tibetischeKultur erschienen. So stellt er sich etwa dasTibet vor dem Einmarsch der Chinesen vor.

Frustration bei jungen Tibetern in IndienAuf seiner Reise ist Loten auch viel mit jun-gen Tibetern zusammen gekommen. Wieschätzt er ihre Situation ein? Fühlen sie sichwohl in Indien? «Viele sind frustriert, weil sichnach fünfzig Jahren immer noch keine Lösungdes Tibet-Problems abzeichnet und sie in Indi-en kaum integriert sind. Integration ist aberschwierig, da Flüchtlinge keine politischenRechte und keine Papiere besitzen und bei-spielsweise auch kein Land erwerben dürfen.»Er diagnostiziert Hoffnungs- und Orientie-rungslosigkeit und ein Liebäugeln mit Gewaltgegen die Besatzmacht Tibets – ein Zeichenfür die Hoffnungslosigkeit der Lage. Er stellteine Abwendung vom Politischen ins Private,auch Egoistische, fest: «Die Tibeter schauenfür sich selber und ihre Familie. Dabei geht esums Materielle: das eigene Motorrad, daseigene Haus. Die Gemeinschaft der Tibeterrückt in den Hintergrund.»

Vor diesem Hintergrund ist die Fluchtbe-wegung von Tibetern aus Asien, aus Tibet oderaus Indien, verständlich. Loten appelliert andie Tibetergemeinschaft in der Schweiz:«Meine Landsleute tun viel, aber nicht genugfür die neuen tibetischen Flüchtlinge in derSchweiz. Ich fordere sie auf, sich ihre eigeneFlucht zu vergegenwärtigen und wenn nötigauch Abstand zu nehmen von ihrem Image alsmustergültig integrierte Ausländer, und unse-ren Landsleuten zu helfen. Integration heisstnicht die eigene Kultur aufzugeben, sondernsie zu bewahren, weiterzureichen » Die Behör-den ruft er zu Grosszügigkeit auf: «Angesichtsder geringen Zahl von etwa 3000 TibeterInnen

Der Dalai Lama zupft am Spitzbärtchen von Loten bei einer Belehrung in Ladakh

da. Vor 15 Jahren kam der tibetische SängerLoten Namling von Indien in die Schweiz,gründete eine Familie, arbeitet hier seither anseiner musikalischen Karriere und tritt mit sei-nen traditionellen Liedern häufig in derSchweiz und in anderen westlichen Ländernauf. Doch hier bei uns befindet sich Loten weitweg von der tibetischen Kultur, die für seineMusik so wichtig ist und die er mit seinerMusik auch weitergeben möchte. «Ist das, wasich mache, richtig, bin ich auf der richtigenSpur?», fragt er sich. Er möchte herausfinden,ob ihn die alten und ob ihn die jungen Tibete-rInnen in Indien verstehen, dem Land, wo diegrösste tibetische Exilgemeinde lebt und wosich die meisten tibetischen Klöster angesie-delt haben (siehe TA Nr. 79).

So entstand der Plan einer einjährigen Rei-se nach Indien und in den Himalaya, den Lotenund seine Familie von Juni 2003 bis Juli 2004verwirklichten. Er zog mit der Familie durchNordindien und die tibetischen Siedlungen imSüden und besuchte die HimalayastaatenLadakh, Sikkim und Bhutan, wo er Konzertegab: von spontanen Vorführungen auf derStrasse bis hin zu grossen Konzerten und Auf-tritten vor Politikern und religiösen Würden-trägern sowie im Fernsehen. «Ich fühlte michwie einer der wandernden Sänger im altenTibet oder wie ein Troubadour im mittelalter-lichen Europa», erzählt Loten. Ein weiteresZiel der Reise war die Suche nach aussterben-dem traditionellem Liedgut, das er aufnehmenund bewahren wollte. Wichtig war ihm dieBegleitung seiner Familie, seiner Berner FrauAnja und der beiden Kinder, die er ins hei-matliche Leben eintauchen lassen wollte.

Positives FazitErleichtert zieht er ein positives Fazit: «Ichhabe tolle Reaktionen erlebt. Alte Menschenhaben vor Freude geweint, als sie Lieder zuhören bekamen, die sie das letzte Mal in ihrerHeimat in Tibet vernommen hatten.» Ermuti-gend war auch die Anerkennung von politi-schen Institutionen und religiösen Würdenträ-gern, wie dem tibetischen Parlament, dem

Als tibetischer Troubadour in Indien und im HimalayaAuf Tour für die tibetische Kultur

aktuell

TA 86 November 2004 n 9

in der Schweiz fallen ein paar Hundert Tibete-rInnen wirklich nicht ins Gewicht.» Loten istzuzustimmen, dass eine weitere Verstärkungder absolut gesehen kleinen Tibeter-Gemein-schaft in der Schweiz zu einer kulturellenBereicherung hierzulande führen würde. SeinEinsatz für Flüchtlinge zeigt, dass er sich aufvielfältige Weise für die tibetische Kultur ein-setzt. Auf die Auswertung seiner reichhaltigenErfahrungen in Indien dürfen wir gespanntsein.

da. Die erneuten Rückweisungen an der nepa-lisch-tibetischen Grenze, von denen wir inTibet aktuell Nr. 84 berichteten, veranlasstenuns dazu, das UN-Flüchtlingshochkommissa-riat (UNHCR) in Genf um eine Einschätzungder Lage zu bitten und aufzufordern, bei dennepalischen Behörden gegen Rückweisungenzu intervenieren sowie sie dazu anzuhalten,die Flüchtlinge aus Tibet dem UNHCR unddem Tibetan Refugee Welfare Office zu über-geben.

Der stellvertretende Direktor der Abtei-lung Asien und Pazifik, Hitoshi Mise, schriebuns am 6. August 2004 im Auftrag des Hoch-kommissars Ruud Lubbers, dass sich nachKenntnis des UNHCR zur Zeit keine Tibeterin nepalischen Gefängnissen befänden. NachAnsicht des UNHCR gibt es nicht mehr Fest-nahmen von tibetischen Flüchtlingen als inden Vorjahren. Gemäss ergänzender telefoni-scher Auskunft interveniert das UNHCR,sobald es von Verhaftungen erfährt, undbemüht sich um die Freilassung der Betroffe-nen. Der zuständige Mitarbeiter kann jedochnicht ausschliessen, dass es ohne Wissen desUNHCR zu Verhaftungen und Rückweisun-gen kommt. Das UNHCR muss sich mit sei-nem Büro von fünf internationalen Mitarbei-tenden auf periodische Grenzbesuchebeschränken. Etwas ungleiche Spiesse, wennman bedenkt, dass Chinas Grenzbeamte nichtnur die tibetische Seite kontrollieren, sondern

sich auch auf der nepalischen Seite zu Hausefühlen, was die Flüchtlinge selbst in Nepal zuerhöhter Vorsicht zwingt. Erschwerendkommt hinzu, dass die lokalen Behörden zumTeil gern mit der chinesischen Polizei koope-rieren, weil sich das finanziell lohnt und Kath-mandu weit entfernt ist.

Der UNO-Beamte weist auf die schwieri-ge Lage Nepals zwischen China und den USA(nicht etwa Indien) hin. Nepal wolle einerseitsden Chinesen entgegenkommen, anderseitsdem Willen der USA entsprechen, keine Tibe-ter zurückzuweisen. Es sei nicht etwa dasUNHCR gewesen, welches Nepal nach derAufsehen erregenden Rückweisung von 18Tibetern im vergangenen Jahr wieder auf denPfad der Tugend gebracht habe, sondern derDruck der Amerikaner, die mit der Ablehnungeines für Nepal wichtigen Handelsabkom-mens gedroht hätten. Doch aufgrund seinergeografischen Lage scheint China am länge-ren Hebel zu sein. So befürchtet Klemens Lud-wig, der ehemalige Präsident der Tibet-Initia-tive Deutschland, in einem NZZ-Artikel(«Dünne Luft für die Tibeter in Nepal»,5.8.2004), dass bei «einer wirklichen Annähe-rung zwischen Nepal und China die Tibeterden Preis dafür zahlen». Reibungslos scheintdagegen gemäss Aussagen des UNHCR derTransit nach Indien zu erfolgen: Transitpapie-re werden ausgestellt, und es gibt keine Ober-grenze für die Anzahl Einreisewilliger.

UNHCR weiss von keinen systematischen Rückweisungen nach Tibet

Die Geschichte der Dalai Lamasaktuell

10 n TA 86 November 2004

schriftsteller besonders liebevoll den 1391geborenen Gedün Drubpa als den eigentlichengeistigen Erben des Reformators.

Seine frühe Jugend zeichnete sich durchzahlreiche Wundererscheinungen aus; frühtrat er sodann ins Kloster Narthang ein, wo sei-ne Begabung einem durchreisenden JüngerTsongkhapas auffiel. So überzeugend soll des-sen Gelehrsamkeit geleuchtet haben, dass derJünger ihn dem Reformator vorstellte. Dieserschätzte den jungen Gedün Drubpa, liess ihnim Kloster Ganden weiter ausbilden und sollihm nach 1414 bedeutende Aufgaben bei derErrichtung des Klosters Drepung übertragenhaben. Dort wirkte Gedün Drubpa später alsäusserst energischer Abt. Im Jahr 1447 beganner das Kloster Tashilhünpo bei Schigatse zuerrichten, das bereits sechs Jahre später einge-weiht werden konnte.

Nach dem Tod des Khedrub Dsche wirkteer als Gyelwang oder Gyelwa d.h. als massge-bender «Siegreicher Machthaber» (der Gelug-pa), und residierte auf seinen Pastoralreisen,wie es heisst, zuweilen in dem von ihmgegründeten kleinen Kloster Namgyel Tschö-de an der Westflanke des «Roten Berges» beiLhasa, auf dem später der Potala erbaut wurde.

Er verfasste Schriften über Logik, Meta-physik, die Ordensdisziplin sowie Gedichte;auch soll jene hohe gelbe Wollmütze derGelugpas mit ihren seitlich abfallendenOhrenklappen auf ihn zurückgehen. Im hohenAlter zog er sich leidend nach Drepungzurück, wo er am 11. Januar 1475 mit 84 Jah-ren still verstarb. Zum Abschluss sei hier sein«Lied auf die östlichen Schneeberge» in vierjambischen Zehnsilblern übersetzt:

«Über jenen Bergen dort im Ostensegeln hoch am Himmel weisse Wolken.Bilder meiner liebevollen Lehrerquellen hoch, und neu erfüllt mich Zuver-sicht.»

Erst 1650 hat der Grosse Dalai Lama V. inzwei Traktaten sich und seine Vorgänger offi-ziell zu Inkarnationen des Padmapami-Avalo-kiteshvara und die Pentschen Rimpotsches zuVerkörperungen des Dhyani-Buddhas Ami-tabha erklärt, wodurch Gedün Drubpa eigent-lich erst im Nachhinein zum ersten Dalai Lamaerhoben wurde.

Der vorwiegend im Westen verwendeteTitel Dalai Lama ist in seiner ersten Hälftemongolisch, in der zweiten tibetisch: Dasmongol. ta-lè besagt «Weltmeer» und findetseine Entsprechung im tibetischen Wort Gyat-so, welches sich als Namensbestandteil einesjeden Dalai Lamas (ab dem zweiten) findet.Das tibetische Wort Lama bedeutet wörtlich

Oberer/Superior, kann aber durchaus auch alsgeistlicher Lehrer verstanden werden. Somitbesagt der Titel etwa «Weltmeer-Priester».

Die Tibeter kennen zahlreiche weitereBezeichnungen für den Dalai Lama, vondenen Gyelwa Rimpotsche, «Herrscherju-wel», und Yischin Norbu, «Wunschedel-stein», die bekanntesten sind, Kündün jedoch,«Leibliche Gegenwart», die populärste.

Gedün Gyatso, der zweite Dalai LamaNach Gedün Drubpas Tod scheint man nochkeineswegs planmässig Ausschau nach dessenInkarnation gehalten zu haben, doch lenktesich damals die ganze Aufmerksamkeit aufeinen im Feuer/Affen-Jahr (1475) geborenenKnaben. Dieser wurde in Tashilunpo und ab1494 in Drepung erzogen und nach seinerNovizialordination unter dem Na-men GedünGyatso Pel-Sangpo als Inhaber der neuenWürde eines Gelugpa-Oberen installiert. SeinLeben kennen wir aus einer Autobiographie –sie bricht freilich 1528 ab – ferner dank deranregenden Biographie «Der wunscherfüllen-de Baum» seines Schülers Yangpa Tschö-dsche von 1530, die später vervollständigtwurde.

Von 1498 an lebte er meist auf Lehrreisenin Zentraltibet. Erst 1517 kehrte er endgültignach Drepung zurück, wohin er die Residenzfür sich und seine Nachfolger verlegte, d. h.«Ganden Podrang» oder «Freudenpalast»errichten liess. Bis auf das 20. Jahrhundertwurden sämtliche Münzen, Banknoten undoffiziellen Erlasse «von Panchen Podrangerlassen» gekennzeichnet.

Er führte den jungen Orden zu hohem sitt-lichen Ansehen: So gab er den Gelugpa dasvon Tsongkhapa etablierte sogenannte «Gros-se Bittgebet» von Lhasa zurück, von dem sieeine Zeitlang aufgrund von Rivalitäten ausge-schlossen geblieben waren. Die wachsendeBedeutung der Gelugpa zeigt sich auch inzahlreichen Klostergründungen in West-, Zen-

Eine kurze Geschichte der Dalai Lamas von Peter Lindegger (Teil 2)

Geschichte der Wiedergeborenen Hierarchen, der Dalai Lamas I. bis III.

Die zeitgeschichtliche SituationVon der Mitte des 15. Jahrhunderts an bezeu-gen die tibetischen Kirchenhistoriker eine zu-nehmende Bereitschaft unter ihren Landsleu-ten, an die Phänomene des Erscheinens abge-schiedener hoher Wesen und an derenWiederkunft und Wiedererkennung zu glau-ben, resp. eine Wiederbegegnung mit ihnenwie auch ihre Wiedergeburt für wahrschein-lich zu halten.

Am Ende seines eminent fruchtbaren Wir-kens, unmittelbar bevor er am 25. Tag des 10.tibetischen Monats im Erde/Schwein-Jahr(1419) das Zeitliche segnete, soll der grosseReformator Tsongkhapa, der Stifter der soge-nannten Gelben Kirche, im «Tempel zumReinen Licht» des Klosters Ganden dem Jün-ger Gyeltsab Rimpotsche seine Mütze und sei-nen Mantel als Insignien der künftigenOrdensherrschaft übergeben und ihn damitzum «Thronhalter von Ganden» bestimmthaben.

67-jährig dankte dieser Thronhalter 1431ab und verstarb ein Jahr darauf. Auf ihn folg-te Khedub Dsche (*1385), ein hochgelehrterjüngerer Schüler Tsongkhapas. Ihm verdan-ken wir eine berühmte Biographie seines Mei-sters. Dieser nun hielt den Heiligen Stuhl vonGanden bis zu seinem Tod im Jahre 1438 inne.Er gilt als der erste Pentschen Rimpotsche.

Gedün Drubpa, der erste Dalai LamaUnter mehreren weiteren HauptschülernTsongkhapas schildern die späteren Kirchen-

Als kleine Vorbereitung auf den Besuch S.H. des Dalai Lama XIV. imSommer 2005 und die begleitende umfassende Ausstellung über dieDalai Lamas im Völkerkundemuseum Zürich stellt Peter Lindegger dierund 600-jährige Geschichte der Dalai Lamas in fünf Teilen dar. Im zwei-ten Teil befassen wir uns mit der Geschichte des ersten bis dritten DalaiLama.

Der erste Dalai Lama war der Gründer desKlosters Tashilünpo

Die Geschichte der Dalai Lamasaktuell

TA 86 November 2004 n 11

tral- und Osttibet. In diesen Klöstern scheintder Dalai Lama II. eine ebenso gestrenge wiekluge Güterverwaltung durchgesetzt zuhaben. Gendün Gyatso wurde auch um Ver-mittlung und Fürbitte bei politischen Streitig-keiten ersucht; die Zwistigkeiten zwischenRot- und Gelbmützen scheinen zu seiner Zeitindes noch nicht wirklich unversöhnlichgewesen zu sein.

Ihm werden eine reiche Sammlung vonmystischen Hymnen und Gedichten zu-geschrieben, sowie ein Erbauungsbuch, beti-telt «Elixier höchster Wonne».

Im ersten Frühlingsmonat desWasser/Hasen-Jahres (1542) verstarb dieserGyelwa, und man darf füglich sagen, in seinerRegierungszeit sei das Fundament zu einemeigentlichen tibetischen Kirchenstaat gelegtworden.

Sönam Gyatso, der dritte Dalai LamaBereits ein Jahr später wurde die Inkarnationdes dritten Dalai Lama in einem Knaben ausder Gegend südlich von Lhasa erkannt. In des-sen noblem Elternhaus scheinen erst-malserfolgreich geistliche Wiedererkennungsprü-fungen angestellt worden zu sein. Im Jahre1445 geleitete man den wiedergeborenenGyelwa in einer feierlichen Einholung auf denThron von Ganden. Dort wurde ihm mit derNovizenweihe der Name Sönam Gyatso ver-liehen, und er wurde sorgfältig unterwiesen.Von seinem 9. Lebensjahr an galt er als Abt derKlöster Drepung und Namgyel Tschöde, spä-ter auch als Prior von Sera. Im Jahre 1563erhielt er die Weihen zum Vollmönch.

Sönam Gyatso gilt als ebenso besonnenerwie entschlossener Kirchenfürst. Mehrmalsvermittelte er in politischen Konflikten. Esheißt, viele Altgläubige seien unter ihm zu denGelugpa konvertiert. Da der Ming-Kaiser -Shitsong dem tibetischen Buddhismus abholdwar, entsandte der Dalai Lama III. zur Verbes-serung des Verhältnisses den 3. PentschenRimpotsche, Lobsang Döndrup, an den chine-sischen Hof. Ab 1589 weilte der dritte Gyelwaoft und lange Zeit auf Visitationsreisen und zuSegnungen in Zentraltibet.

Nach seinem Feldzug gegen die Tangutenliess der Mongolenfürst Altan Khan dem DalaiLama III. eine Einladung überbringen, welchedieser nach langem Zögern denn auchannahm, um die alten Glaubensbeziehungen,wie sie zwischen den Sakyapa und den Mon-golen im 13. Jahrhundert angebahnt wordenwaren, zu erneuern.

So machte er sich denn im Herbst 1576 aufden weiten Weg zum Blauen See (Kökönor),der Heimat Tsong-khapas, wo ihn der Mon-golenfürst am 19. Juni 1578 mit reichen Ge-schenken willkommen hiess. Der Fürst er-hoffte sich dadurch gewissermassen einezweite Bekehrung seiner Stämme, die damalseinem arg verwahrlosten Buddhismus anhin-gen; auch sollten gewisse barbarische Gebräu-che der Mongolen endlich dem buddhisti-schen Sittengesetz angepasst werden.

Der Dalai Lama blieb einige Monate imLand, führte dabei zahlreiche Dispute, pre-digte und weihte viele Geistliche. Bei seinemAbschied liess er einen geistlichen Stellver-treter zurück, der als Inkarnation des Bodhi-sattva Mañjushri galt und deshalb mongolischMandschusiri Chutuktu genannt wird; ihmund seinen Nachfolgern verdanken die Gelug-

pa in erster Linie die Bekehrung der ostmon-golischen Hor-Stämme zu ihrer Schule. Aufeinem grossen Umweg über Lithang undTschamdo kehrte der 3. Dalai Lama nach Zen-traltibet zurück.

Doch schon 1583 erreichte ihn erneut eineEinladung, in die Mongolei zu kommen. Dies-mal führte seine jahrelange Missionsreise überKumbum, den Geburtsort des Tsong-khapa, indas Ordos-Gebiet zum Mongolenstamm derTümed. Dort aber verstarb der kränklicheDalai Lama III. im Frühling des Jahres 1588unter tiefster Trauer der anwesenden Mongo-lenfürsten, und sein Leichnam wurde in derFremde dem Feuer übergeben.

Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe

Statue des zweiten Dalai Lama (Smlg B. Aschmann)

Der dritte Dalai Lama wurde von den Mongolenbesonders intensiv verehrt

Mit viel Aufwand seitens unserer Touris-mus-Industrie und einem grossen media-len Echo wurde kürzlich die erste chinesi-sche Reisegruppe, welche ohne Visum dieSchweiz bereisen konnte, vorgestellt.Gemäss einem Abkommen mit China kön-nen chinesische Touristen künftig ohneVisum die Schweiz besuchen. Solche Rei-seerleichterungen sind wohl zu begrüssen,doch sollten sie nicht nur einseitiggewährt, sondern auf Gegenrecht beruhen.Heute müssen SchweizerInnen allerdingsnach wie vor für eine Reise nach China einVisum beantragen und können ihre Reise-ziele innerhalb Chinas nicht frei wählen.

Nationalrätin Maya geaf (BL) bitte des-halb den Bundesrat folgende Fragen zubeantworten:

1. Wieso hat der Bundesrat bei diesemAbkommen die Interessen der Schweize-rInnen nicht besser wahrgenommen undauf Gegenrecht bestanden?2. Ist der Bundesrat bereit, diese Diskri-minierung von Schweizer BürgerInnen inNachverhandlungen zu beseitigen und zuerwirken,– dass sie ebenfalls ohne Visum in China

einreisen können und– dass sie innerhalb Chinas ihre Ziele frei

wählen können und die vielfältigen fürsie heute bestehenden Reiseeinschrän-kungen aufgehoben werden?

3. Welche Hilfe kann der BundesratSchweizer BürgerInnen anbieten, denenein Visum für die Einreise nach China vonder chinesischen Botschaft willkürlichvorenthalten wird?

Interpellation zur Schwei-zer China-Tourismuspolitik

Tibetischer Abt nach Protestin Osttibet erschossen

Washington, 2. Oktober – Der Abt eines tibe-tischen Klosters in Westchina wurde erschos-sen, nachdem er und andere Mönche verlangthatten, dass die Polizei für die medizinischeBehandlung aufkomme, der sie sich unterzie-hen mussten, weil sie im Polizeigewahrsamgeschlagen worden waren, wie Radio FreeAsia (www.rfa.org) berichtete.

Wie zwei Informanten, die anonym blei-ben wollen, berichteten, schoss ein chinesi-scher Polizeioffizier am 14. September auf denAbt des Klosters Golok Topden und tötete ihndabei.

Eine Reihe von Beamten bestätigten unterder Bedingung der Anonymität diesen Vorfall,weigerten sich jedoch weitere Details zu nen-nen oder etwas darüber zu sagen, ob der Vor-fall untersucht würde. Anderen Quellen zufol-ge sei die Spannung in der Gegend in den letz-ten Tagen etwas abgeklungen.

Tibetan Centre for Human Rights andDemocracy (TCHRD)

aktuell

12 n TA 86 November 2004

Verein Tibetfreunde

Die «Central School for Tibetans CST» wur-de 1978 in Chauntra/Himachal Pradesh zuerstals Tages- und Primarschule gegründet, umden in diesem Gebiet lebenden Kindern vontibetischen Flüchtlingsfamilien eine Schul-möglichkeit zu bieten. Die Eltern dieser Kin-der hatten sich nach der Flucht aus Tibet in derGegend um Chauntra niedergelassen, um dortals Kleinbauern ihr Auskommen zu finden.Die CST-Schule wurde anfangs von «Save theChildren» in England unterstützt und danachin den frühen achtziger Jahren von Erzie-hungsdepartement der tibetischen Exilregie-rung in Dharamsala übernommen. Im Laufeder Jahre wurde die Schule zur Mittelschuleund zum Internat erweitert, damit auch tibeti-sche Kinder aus den abgelegenen Regionenvon Arunachal Pradesh eine Schulbildungerhalten können.

Nach einer Sondergenehmigung SeinerHeiligkeit des Dalai Lama ist die zentraleAdministration sehr bestrebt, jedes Jahr soviele Kinder wie möglich aus dieser nordöst-lich gelegenen Region Indiens aufzunehmen.Das Gebiet um den grösseren Ort Tuting inArunachal Pradesh ist wirtschaftlich noch soschlecht erschlossen, wie wir es uns kaum vor-stellen können: Es gibt weder Elektrizität nochTelefon und die meisten Siedlungen sind nurzu Fuss erreichbar. Die tibetischen Familien,die dort leben, sind äusserst arm. Der Ertragihrer kleinen Betriebe reicht gerade für dasLebensnotwendige; oftmals nicht einmal das.So wurde uns von der CST-Schule mitgeteilt,dass die Kinder aus Tuting, die dieses Jahr indie Schule aufgenommen worden sind, inerbärmlicher körperlicher Verfassung anka-men. Die Lebensläufe der Kinder sind allegleich: Aus bedürftigen Verhältnissen stam-mend, doch mit dem grossen Wunsch, einegute Schulausbildung erhalten zu dürfen.

In der Grundstufe lernen die Kinder zuerstTibetisch, da die meisten Familien zuhauseihren eigenen tibetischen Dialekt sprechenund die Verständigung in der Schule amAnfang eine Haupthürde ist.

Zur Zeit gehen 403 Kinder in die CST inChaundra. Davon besuchen 301 Schülerinnenund Schüler aus Tuting und Umgebung dasInternat. An der Schule unterrichten 18 Lehr-kräfte, und 16 Personen kümmern sich um dasWohl der Schüler.

Es wurde uns auch mitgeteilt, dass alleSchülerinnen und Schüler sehr diszipliniert,folgsam und rücksichtsvoll seien und eifriglernen würden.

Die nebenstehend aufgeführten kleinenSchülerinnen würden sich sehr freuen, wenneine Patin oder ein Pate sie durch die Schulzeitbegleiten könnte.

Unterstützungsfonds für Studenten in NotSeit der Gründung unseres Vereins liegt unserSchwerpunkt auf der Förderung der schuli-schen Ausbildung für junge Tibeterinnen undTibeter in Indien, Nepal und Tibet. Viele vonihnen erhalten während ihrer Schulzeit Unter-stützung durch eine Patenschaft. Wenn nundiese Jugendlichen ihre Schulzeit beendethaben und eine Ausbildung oder ein Studiumabsolvieren möchten, steht natürlich die Fra-ge der Finanzierung im Vordergrund. Sehr vie-le junge Leute leben im Exil ohne Angehöri-ge, die sie unterstützen könnten oder die Fami-lien sind zu arm, um Studien- undAusbildungskosten bezahlen zu können.

Nun erhalten wir durch unsere englisch-sprachige Website seit einigen MonatenAnfragen von jungen Tibeterinnen und Tibe-tern, die um Unterstützung während ihrerBerufsausbildung bitten. Wir hatten bis jetztkeine Möglichkeit, diesen Bitten nachzukom-men. Es hat uns aber keine Ruhe gelassen, undso hat unser Vorstand beschlossen, einenFonds für Studenten in Not einzurichten. MitHilfe dieses Fonds wollen wir in Härtefälleneine gewisse Unterstützung gewähren. Längstwerden wir nicht alle Anfragen erfüllen kön-nen, weshalb wir uns an Sie, liebe Leserinnenund Leser, wenden. Sollte es Ihnen möglichsein, eine Studentin oder einen Studenten zusponsern, wenden Sie sich doch bitte an uns.Der Unterstützungsbeitrag beträgt jährlich500 Fr. Kleine und grössere Zuwendungen aufdas Postkonto 30-19473-2 des Vereins Tibet-freunde mit dem Vermerk «Studenten in Not»sind ebenso sehr willkommen!

Von den bisher eingegangenen Anfragenhaben wir zwei Studenten ausgewählt, die ihreStudien gerne abschliessen möchten. Hier ihrekurzen Lebensläufe:

Dorjee Tsomogeb. 20.3.1997Gelling Village,Tuting

Jigme Wangmogeb. 17.2.1996Tuting

Choekyi Wangmogeb. 21.8.1997Tuting

Nyima Wangmogeb. 1.12.1997Tuting

Dechen Palzomgeb. 2.4.1997Tuting

Tenzin Lhamogeb. 10.1.1997Tuting

Die Patenschaften für diese Schule betreutFrau Sibylle Grafas, ob. Burghaldenweg 11,4410 Liestal, Tel. 061 901 58 23, Email: [email protected]. Sie erteilt Ihnen gerneweitere Auskünfte und schickt Ihnen bei derÜbernahme einer Patenschaft das Foto IhresSchützlings mit kurzem Lebenslauf zu. Derjährliche Patenschaftsbeitrag beträgt 500 Fr.

Wir danken Ihnen sehr für Ihre Unterstützung!

Patenschaften für Kinder der Zentralschule für Tibeter Wir stellen Ihnen hier die Zentralschule für Tibeter vor, eine Schule, dieKinder von tibetischen Flüchtlingsfamilien aus den abgelegenen Gebie-ten im Nordosten Indiens aufnimmt, um sie in der tibetischen Spracheund Kultur zu unterrichten und ihnen eine gute Schulbildung zu bieten. In jeder Ausgabe von Tibet aktuell veröf-

fentlichen wir unsere Gesuche für dieÜbernahme von Patenschaften. Es ist unsdaher ein Anliegen, Ihnen einmal mitzu-teilen, dass alle diese tibetischen Kinder,Mönche, Nonnen und älteren Leute einePatin oder einen Paten finden. Es erstauntuns selber jedes Mal, dass unter unserenLeserinnen und Lesern immer wieder dieBereitschaft da ist, eine Patenschaft zuübernehmen. So können wir uns glücklichschätzen, dass wir oft mehr Patenschaftenals die veröffentlichten vermitteln dürfen.Mit Freude und Genugtuung wollen wirIhnen, geschätzte Patinnen und Paten, hieran dieser Stelle von Herzen für Ihr grossesMitgefühl, das Sie diesen benachteiligtenMenschen entgegen bringen, danken. Biszum heutigen Zeitpunkt haben 1'535Patinnen und Paten 1'767 Patenschaftenübernommen, wovon 1'545 Kinderpaten-schaften und 222 Patenschaften für betag-te Tibeterinnen und Tibeter

Grosses Echo auf unserePatenschaftsgesuche

www.tibetfreunde.ch

aktuell

TA 86 November 2004 n 13

Verein Tibetfreunde

Rinzin Wangyal, Jahrgang 1980Rinzin ist in Tibetgeboren. Er verlorschon früh die Mutterund wuchs daher beiseiner Grossmutterauf. Sein Vaterbeschloss, ihn nachIndien zu schicken,damit er eine gute tibe-tische Schulbildungerhalte. Mit Hilfe sei-

ner Tante, die ihn auf der 45 Tage dauerndenFlucht begleitete, kam er nach grossen Strapa-zen in Indien an. Rinzin wurde danach in dieTibetan Homes School in Mussoorie aufge-nommen und schloss 1999 mit einem Examenab. Anschliessend studierte er drei JahreBetriebswirtschaft an der Universität vonBangalore. Nun möchte er am CMR-Institutfür Management-Studien seine Ausbildungfortsetzen. Sein Wunsch ist, danach sein Wis-sen für sein Land und seine Leute einzusetzen.Er schreibt, dass es schwierig für ihn sei, dieStudiengebühren und das Geld für die Unter-kunft aufzutreiben, da er keine Verwandten inIndien habe.

Ngawang Tshering, geb. 8.12.1980Der Leiter der tibeti-schen Siedlung Hon-gtsho inT h i m p h u / B h u t a ngelangte mit der Bitteum Unterstützung fürNgawang Tshering anuns. Ngawang lebe indieser tibetischenSiedlung, habe imFrühjahr 2004 am

SRN Adarsh College der Universität von Ban-galore sein Examen in Betriebswirtschaftgemacht und möchte nun weitere zwei Jahrebis zum MBA-Abschluss studieren. Da imJanuar 2003 das Elternhaus von Ngawangvollständig ausgebrannt sei, seien seine Elternnicht mehr in der Lage, den Rest des Studiumszu finanzieren.

Wenn Sie Rinzin Wangyal oder NgawangTshering unterstützen wollen oder weitereInformationen wünschen, nehmen Sie bittemit Frau Gaby Taureg, Lischweg 51, 4803Vordemwald, Tel. 062 751 02 93 oder viaEmail: [email protected] Kontakt auf.

Verein Tibetfreunde – warumohne Gütesiegel von ZEWO?Die Vermittlung von Patenschaften, vorwie-gend für Kinder, aber auch für Studierende,junge Mönche und Nonnen sowie alte Men-schen, ist ein Tätigkeitsschwerpunkt unseresVereins. In den vergangenen Monaten warenin der Schweizer Presse negative Artikel überEinzelpatenschaften und deren hohe Verwal-tungskosten zu lesen; auch das SchweizerRadio DRS strahlte eine Sendung mit ähnli-chem Inhalt aus. Solche Beiträge können ver-unsichern und ungute Gefühle bei Patinnenund Paten hinterlassen, ebenso auch bei Per-sonen, die eine Patenschaft übernehmenmöchten. Die Stiftung ZEWO, die gem-einnützige Organisationen mit einem Gütesie-

gel versieht, lehnt Einzelpatenschaften undderen Vermittlung mit der Begründung ab,dass «keine Art zu spenden administrativ soaufwendig ist wie die persönliche Einzelpa-tenschaft ... und Hilfe an einzelne Kinder die-se privilegiert, dadurch Missgunst und Neidschürt und unbeabsichtigte Ungleichheiten inFamilie und Gemeinschaft entstehen lässt».Unser Verein entspricht also nicht den Richt-linien der ZEWO.

Unsere ca. 1'750 Patenschaften werden imMoment von 12 Personen betreut, die alleunentgeltlich arbeiten. Die Patenschafts-beiträge für Kinder der TCV-Schulen über-weisen unsere Patinnen und Paten selberdirekt auf das TCV-Konto. Die anderenBeiträge für Patenschaften werden von unsohne jeden Abzug an die jeweiligen Institutio-nen überwiesen. Daher erscheinen die weiter-zuleitenden Patenschaftsgelder auch nicht aufunserer Jahresrechnung, denn sie gehörennicht dem Verein! Unser administrativer Auf-wand beträgt weniger als 3 % (anstelle von 20– 30 % anderer Organisationen) und wird nichtvon den Patenschaftsgeldern abgezogen, son-dern die Verwaltungskosten unseres Vereinswerden durch die Mitgliederbeiträge gedeckt.Unser erfolgreiches Patenschaftsprogrammwollen wir wegen eines Gütesiegels nicht auf-geben. Wie wir bereits in unserem Jahresbe-richt 2002 erwähnt haben, haben wir aufGrund der oben erwähnten Richtlinien derZEWO, aber auch wegen der hohen Kosten fürdie Erlangung des ZEWO-Zertifikats und dernachfolgenden Beiträge beschlossen, auf dasGütesiegel zu verzichten.

Wir sind uns bewusst, dass es keine«gerechten» Patenschaften gibt. Auch dieÜbernahme von Patenschaften für ganzeGemeinschaften und Dörfer kann ungerechtsein. Es bleibt zu erwähnen, dass die Kinderund Personen, für die wir Patinnen und Patensuchen, nicht vom Verein Tibetfreunde ausge-wählt werden, sondern wir erhalten die Gesu-che von den Schulen und Altersheimen, diealle unter der Obhut des Erziehungsdeparte-ments sowie der Komitees der tibetischenExilregierung stehen, zugesandt. Viele unse-rer Patinnen und Paten haben schon persönlichihren Schützling besucht und sich vergewis-sern können, dass die gewährte Unterstützungam richtigen Ort ankommt. Wir glauben an diesinnvolle Unterstützung durch Patenschaftenfür Tibeter in den Himalayaländern, denn dieBerichte über die gewährte finanzielle Hilfesind Bestätigung und Ansporn zum Weiterma-chen.

Patenschaften für ältere TibeterNicht nur junge Leute brauchen unsere Unter-stützung, gerade auch die älteren Tibeterinnenund Tibeter sind sehr dankbar, wenn jemandhilft, ihnen die finanziellen Sorgen im oftbeschwerlichen Alltag abzunehmen. Geradeweil die Chance, eine Patin oder einen Patenzu finden, für die Älteren viel geringer ist alsfür die Jüngeren, ist es uns ein Anliegen, fürzwei ältere Tibeter um eine Patenschaftsüber-

nahme zu bitten. Es sind dies:Tenjung, Jahr-gang 1932Tenjung ist verheiratetund hat 5 Söhne und 3Töchter, die teilweisenoch in Ausbildungsind. Er lebt zusammenmit seiner Frau in Bom-dila und führt einen klei-

nen Laden. Seit einem Unfall im Militärdiensthat er Probleme mit seinem linken Bein. Auchmacht ihm das Alter zu schaffen. Er wäre sehrfroh, mit Hilfe einer Patenschaft besser durchden Alltag zu kommen.

Pema Thinley,Jahrgang 1933Pema Thinley ist verwit-wet und wohnt in Dele-kling/Nepal. Sein einzi-ger Sohn ist 20 Jahre alt.Aufgrund seiner Alters-beschwerden ist es ihmnicht mehr möglich, so

hart wie früher zu arbeiten. Auch hat seinAugenlicht nachgelassen. Die Unterstützungdurch eine Patenschaft würde ihm erlauben,Medikamente zu kaufen, so dass dieBeschwernisse erträglicher wären.

Wir wären glücklich, wenn Sie eine Paten-schaft für einen dieser Tibeter übernehmenkönnten. Ein kurzer Lebenslauf mit Foto, aus-gestellt vom Central Tibetan Relief CommiteeCTRC Seiner Heiligkeit des Dalai Lama inDharamsala, wird Ihnen nach Übernahmezugestellt. Die Höhe des jährlichen Beitragesbeträgt 360 Fr. Wenn Sie an einer Patenschaftinteressiert sind, so wenden Sie sich bitte anFrau Samra Losinger, Verein Tibetfreunde,Postfach 825, Kramgasse, 3000 Bern 8. Tel.:031 311 37 36, Fax: 031 311 27 69, Email:[email protected]. Sie beantwortet

www.tibetfreunde.ch

TASHI DAGYEDas erste Tibet-Restaurant in Basel

Was Zürich schon seit Jahren hat, gibt es end-lich auch in Basel. Seit einem Jahr gibt es dasTASHI DAGYE, ein kleines Bijou, mit tibeti-schem Ambiente und tibetischen Spezialitä-ten, und das nur 5 Minuten von der Bahnhof-passerelle entfernt!

Entdecken Sie dort die kulinarische Seite vonTibet, es lohnt sich! Lassen Sie sich für einpaar Stunden in eine andere Welt entführen.

Die Lokalitäten sind auch für Feste bis zu 40Personen geeignet.

Hausspezialitäten sind hausgemachte Teigta-schen mit verschiedenen Füllungen in allenVarianten, sgn. «Momos, Shapalés» etc.

Neu gibt es auch Yakfleischspezialitäten.

Die Öffnungszeiten sind :Mo. – Fr.: 11.30-14.00 Uhr; 18.00-23.00 Uhr;Sa: 18.00-23.00 Uhr; So.: RuhetagTibet-Restaurant TASHI-DAGYESempacherstrasse 34 (im Gundeli)4053 Basel Tel./Fax: 061 361 28 27

aktuell

Tibetische Frauen-Organisation in der Schweiz

14 n TA 86 November 2004

TB.Am Sonntag, 29. August konnte der lang-ersehnte Ausflug nach Andermatt durchge-führt werden. Zusammen mit der GSTF-Sek-tion Zürich organisierten wir den Yaktag. DieTFOS bemühte sich um eine Busfahrtgele-genheit. Um 7.45h trafen sich die Mitgliederund die Mönchsgemeinschaft beim Carstand-platz in Zürich. Weitere Personen stiegen inHorgen noch zu. Während der Busfahrt wurdeein kurzes Morgengebet durch die Möncheabgehalten. Weiter ging die Fahrt mit unserembeliebten Chauffeur Freddy über die Satte-legg, Schwyz, Brunnen, Erstfeld und schlies-slich nach Andermatt. Besammlungsort warfür alle Teilnehmer um 10.30h bei der Talsta-tion der Gemsstockbahn. Hier stiessen wir aufunseren Reiseleiter Hans Murer aus Amsteg.

Er arbeitet im Vorstand der Yakvereinigung.Mit der Gondel schwebten wir auf die Gur-schenalp 2020m ü.M. Nach einem kurzenAbstieg sahen wir die Yaks, wie sie friedlichin der schönen Urner Bergwelt grasten. Es wareinen überwältigenden Anblick, man fühltesich wie auf einem Hochplateau in Tibet.

Adrian Regli und seine Angestelltebegrüssten uns in tibetischer Tracht underzählten, wie sie zu den Yaks gekommen sind.Darüber berichtet wurde bereits in Tibet-Aktuell Nr. 80/84. Die Mönche des KlostersRikon freuten sich ebenfalls sehr über die Tie-re und fotografierten rege die Yaks. Langsammachte sich unser Hunger bemerkbar. DerVorstand und die TFOS-Mitglieder offeriertenallen ein sehr reichhaltiges und köstlichesPicknick. Hans Murer brachte auch noch

Erste europäische Yaksvor 150 JahrenDR. Aus dem «Scientific American» von1854 stammt die folgende Nachricht:«Yaks waren bisher in Europa nur alsObjekte wissenschaftlicher Neugierbekannt. Nun ziehen Geoffrey Saint-Hilai-re und andere französische Wissenschaft-ler erstmals eine europäische Yakzucht inBetracht. Für den Jardin des Plantes habensie einige Yaks aus China erhalten – Tiere,von denen der Graf de Buffon(1707–1788) einst sagte, sie seien wert-voller als alles Gold der Neuen Welt. InThibet und China trägt dieses Tier grosseLasten, gibt Milch, liefert schmackhaftesFleisch sowie Haare, aus denen warmeKleider hergestellt werden können. Es inEuropa ansässig zu machen wäre ein gros-ser Dienst an der Menschheit. Übrigens hatsich der verstorbene Lord Derby bereitsdaran versucht, ist aber gescheitert.»

getrocknetes Yakfleisch mit. Natürlich pro-bierten alle davon. Es schmeckt wie das unsbekannte Trockenfleisch. Nach dem Essensammelten wir Alpenrosen und entfachten einFeuer. Angeführt durch die Mönchsgemein-schaft hielten wir eine kleine Pujazeremonieab. Danach bereiteten wir uns für den Abstiegins Tal vor. Die Wanderung durch den berühm-ten Lawinenbannwald nach Andermatt hinun-ter dauerte etwa zwei Stunden.

Um 15.30h erwartete uns unser Chauffeurbei der Talstation. Nach Verabschiedung vonden Zugreisenden ging es heimwärts zu. Eini-ge Teilnehmerinnen wollten um 19.00h inZürich sein, weil im Zürcher Hauptbahnhoffür die heimkehrenden Olympiaaktivisten vonVTJE und GSTF ein Empfang organisiertwurde.

Die Dris und Yaks gedeihen prächtig im rauen Urner Klima Foto: DR

Gruppenfoto bei den Yaks auf der Gurschenalp oberhalb von Andermatt

Yak-Ausflug ins Urnerland

Tibetische Frauen-Organisation in der Schweizaktuell

TA 86 November 2004 n 15

Phuntsog Nyidrol unterständiger Überwachung

Wie von AFP am 3.August mitge-teilt wurde, wird die Nonne Phun-sok Nyidrol, über deren Entlas-sung aus dem berüchtigten Drap-chi-Gefängnis vor einigen Monatenberichtet wurde, weiterhin durchdie Behörden schikaniert undsteht unter einer Art Hausarrest.Free Tibet Campaign bittet uns umdas Absenden von Protestbriefen.

Wie von Human Rights Watch berichtet, stehtPhuntsog Nyidrol, 37, die als letzte von den«Drapchi 14-Nonnen» aus dem Gefängnisentlassen wurde, nun unter ständiger Überwa-chung der chinesischen Behörden in ihremHeimatdorf. Infolge einer internationalenKampagne von FTC und weiterer Menschen-rechtsgruppen wurde Phuntsog am 16. Febru-ar 2004, ein Jahr vor Ablauf ihrer 16-jährigenHaftstrafe, vorzeitig entlassen. Seither wirdjeder ihrer Schritte von mindestens zweiSicherheitsbeamten (zwei Beamte derGefängnisbehörde und zwei weitere vom ört-lichen PSB) überwacht, und sie darf ihr Hausnicht ohne Bewachung verlassen.

Alle Besucher müssen sich eintragen,bevor sie zu ihr gelassen werden und es wirdgenau verfolgt, ob Phuntsog sich auf irgendei-ne Weise politisch äussert. Ihr Gesundheitszu-stand gibt nach wie vor Anlass zur Sorge, dennman weiss nicht, ob sie nach ihrer Entlassungin angemessener Weise medizinisch versorgtwird; jedenfalls ist anzunehmen, dass sieimmer noch an den Folgen eines Nierenscha-dens und unter Gedächtnisstörungen leidet,die durch die zahlreichen schweren Schläge,die sie während der Haft erdulden musste, ver-ursacht wurden.

China schlägt in zynischer Weise Kapitalaus der gelegentlichen Freilassung politischerGefangener, um in gewissen Schlüsselzeiteneine Minderung des internationalen politi-schen Drucks auf das Regime zu erreichen,während gleichzeitig die aus der Haft entlas-senen Gewissensgefangenen unablässig schi-kaniert werden. Phuntsog wurde genau einenTag, nachdem das US-Aussenministeriumeinen kritischen Bericht zur Menschenrechts-lage in China veröffentlicht hatte, freigelas-sen. Das Leben ist für ehemalige politischeGefangene besonders hart. Mönche und Non-nen, welche die Mehrheit der Gewissensge-fangenen bilden, dürfen ihr religiöses Lebennicht wieder aufnehmen, andererseits ist esihnen auf Grund der Schikanen fast unmög-lich, Arbeit zu finden. Phuntsog mitgezähltwurden seit 2002 dreizehn politische Gefan-gene vorzeitig aus der Haft entlassen. Von die-sen durften nur Ngawang Choephel, NgawangSangdrol und Takna Jigme Sangpo das Landverlassen. Phuntsog dagegen steht praktischunter Hausarrest.

Auch die amerikanische Menschenrechts-organisation Human Rights Watch drängt Chi-na, unverzüglich alle über die unlängst aus derHaft entlassene «singende Nonne» Phuntsog

Nyidron verhängten Restriktionen aufzuhe-ben. Phuntsog Nyidron war die politischeGefangene mit der längsten Haftstrafe. «DieChinesen versuchen andere Regierungen zubeeindrucken, indem sie aus opportunisti-schen Gründen politische Gefangene aus demGefängnis entlassen, die sie dann jedoch ineiner Art von Isolation und unter ständigerÜberwachung halten», sagte Brad Adams,Leiter der in New York ansässigen Asien-Abteilung von Human Rights Watch. «Chinaspielt ein hässliches Spiel, das die internatio-nale Gemeinschaft entschieden und öffentlichverurteilen muss.»

Leben in GefängnissenPhuntsog wurde 1989 im Alter von 20 Jahrenin Lhasa verhaftet, nachdem sie an einer fried-lichen Protestaktion teilgenommen hatte.Ursprünglich wurde sie zu acht Jahren Haftverurteilt. Ihre Strafe wurde um weitere achtJahre verlängert, weil sie mit 13 weiteren Non-nen heimlich Kassetten mit Liedern für dieUnabhängigkeit Tibets aufgenommen hatte,die 1993 aus dem Gefängnis geschmuggeltwurden. Alle Beteiligten wurden deshalb mitHaftverlängerungen bestraft. Phuntsog wurde2001 ein Jahr Haftverkürzung zugestanden,weil sie sich angeblich reuig gezeigt habe.

AktionFordern Sie die Behörden zur Einstellung derfortwährenden Überwachung von PhuntsogNyidrol und ihrer Familie auf. Bitten Sie dar-um, dass Phuntsog Nyidrol gestattet wird,Tibet zusammen mit ihren Familienangehöri-gen zu verlassen, damit sie sich im Ausland inmedizinische Behandlung begeben kann.

Call on the authorities to stop the constantsurveillance on Phuntsog and her family. Askthat Phuntsog Nyidrol, along with members ofher family, be allowed to leave Tibet if she wis-hes in order to seek medical treatment abroad.

Chairman of TAR Government (Vorsitzender der

Regierung der TAR) Legchog Zhuren Xizang Zizhiqu Ren-

min Zhengfu 1 Kang’angdonglu Lasashi 850000 Xizang

Zizhiqu People’s Republic of China

Telex: 6804 FAOLT CN oder 68007 PGVMT CN

(Anrede: Dear Chairman)

Minister of Justice (Justizminister)

Zhang Fusen Buzhang

Sifabu

Xiaguangli

Beijingshi 100016

People’s Republic of China

Email: [email protected]

Fax: 0086 10 6839 3014 oder 6529 2345 (c/o Ministry of

Communications)

(Anrede: Dear Minister)

Übersetzung: Irina Raba, Adelheid Dönges,Angelika Mensching

Auch den Geshes aus dem Tibet-Institut bereitete der Yak-Ausflugsichtliches Vergnügen Foto: DR

Internationale Konferenz derFrauenorganisationenDie «Tibetan Women's Association» (TWA)hat eine Konferenz für Führungskräfte dertibetischen Frauenorganisationen organisiert,die vom 3. bis 5. September im Asia HealthResort in Dharamsala stattfand. Von der TFOShat Tsewang Taksham teilgenommen.

Die Konferenz bot Gelegenheit für denAustausch über Ansichten und Erfahrungender Führungskräfte und über ihre Rolle in dertibetischen Gemeinschaft. Teilnehmerinnenwaren Exilparlamentarierinnen, Schuldirek-torinnen, religiöse Führer sowie Vorständevon nichtstaatlichen Organisationen und Ein-richtungen. Einige Teilnehmerinnen reistenaus anderen Ländern an, in die sie kürzlichemigriert waren. Alle diese Führungsfrauensind eine Quelle der Inspiration und Motivati-on für diese und die kommende Generation.Die Ziele der Konferenz waren die Diskussi-on der Rolle der führenden Frauen in der Tibe-tergemeinschaft; die Fragen anzugehen, wieden Herausforderungen dieser Rolle zu begeg-nen ist; die Stärkung des Selbstvertrauensdurch erfolgreichen Umgang mit den Heraus-forderungen; die Motivierung weiterer tibeti-scher Frauen, mehr Verantwortung zu über-nehmen und mit Hingabe, Disziplin undFührungsqualitäten Führerrollen wahrzuneh-men; den Gemeinschaftsgeist zwischen derführenden tibetischen Frauen einen zu stärken.

Quelle: TWA Dharamsala

aktuell

Aktionen gegen Olympia 2008 in Peking

16 n TA 86 November 2004

«Unsere Kampagne trägt in sich die Saat für eine starke Bewegung»

Im August 2004 lancierten Tibet-Unterstützungsgruppen und tibetischeOrganisationen weltweit unter schwierigsten Umständen eine Kampagnegegen die Oiympiade in Beijing 2008. Sie schlossen sich zusammenunter dem Dach des International Tibet Support Network (ITSN) und führ-ten einige bemerkenswerte Aktionen in Beijing und in Athen durch, die inder internationalen Presse und auch seitens der chinesischen RegierungReaktionen auslösten. Die Botschaft, die diese Aktionen der chinesi-schen Führung sandten, ist einfach: «Löst den Konflikt in Tibet, oder wirbereiten euch eine unangenehme Zeit.»

Interview von Uwe Meya mit WangpoTethong, dem Vorsitzenden der ITSN-Arbeits-gruppe «2008 - Free Tibet». Wangpo Tethong,41, lebt in der Schweiz, ist seit langer ZeitTibet Aktivist und war nun kürzlich auch inAthen dabei. Er ist überzeugt, dass die Kam-pagne das Potential besitzt, bis 2008 eine star-ke Bewegung auszulösen und wirklichenDruck auf China auszuüben.

F: Es ist nun ein Monat seit Athen vergangen.Wie fühlen Sie sich heute?

A: Ich bin sehr erleichtert, dass unsere friedli-chen Aktionen so erfolgreich waren. MeineKollegen und ich sind sehr zufrieden, dass wirTibeter und unsere Freunde in der Lage waren,eine professionelle Kampagne durchzu-führen. Wir fühlen uns ermutigt, um fortzu-fahren.

F: Was ist Ihre Position hinsichtlich Beijing2008? Gab es eine Änderung nach Athen?

A: Nein, unsere Position bleibt dieselbe. Dasgleiche Regime, welches brutal die Leute imbesetzten Tibet unterdrückt und den Tibeternihr Recht verweigert, ihre Zukunft selbst zubestimmen, erhält zu Unrecht von der IOC dieGelegenheit, sich als eine respektable politi-sche Führung zur Schau zu stellen. Deshalbprotestieren wir gegen die Spiele 2008 in Bei-

jing. Aber es geht nicht nur um den Sport unddie Spiele. In den kommenden vier Jahrenwird die ganze Welt China beobachten. Diesbietet uns eine einzigartige Gelegenheit, Chi-na unter politischen Druck zu setzen.

F: Rufen Sie dann zum Boykott auf?

A: Nein. Denn wir denken, dass ein Boykottnur die Athleten bestraft. Wenn es Athletengibt, die aus ethischen oder politischen Grün-den Zweifel haben, sollten sie 2008 trotzdemteilnehmen. Mein Vorschlag für sie ist: Nehmtin Beijing teil, aber stellt Euch auf die SeiteTibets, der Menschenrechte und der Vor-kämpfer der chinesischen Demokratiebewe-gung.

F: Sie verlangen also nicht einen Boykott, aberdennoch lautet Ihr Motto: «Keine Olympi-schen Spiele in China, bis Tibet frei ist». Istdies nicht ein Widerspruch?

A: Es ist eine grundsätzliche Position, welchewir einnehmen und die sich auf die Situationin Tibet bezieht. Nach unseren Überzeugun-gen können in China keine freien Spiele statt-finden, so lange die Freiheit der Tibeter unter-drückt ist.

F: Ist Ihre Position nicht anti-chinesisch?Mischen Sie da nicht Sport mit Politik?

Aktionen in Athen gegen die Olympiade 2008 in Peking

Die KampagnenteilnehmerInnen an einem Sitzstreik in Athen

A: Nein, unsere Anliegen werden durch demo-kratisch orientierte chinesische Gruppen, wie«Human Rights in China» und durch bekann-te Dissidenten wie Harry Wu geteilt. Wir alleglauben, dass China noch nicht für die Olym-pischen Spiele 2008 bereit ist. Eine Vermi-schung von Sport und Politik haben vielmehrdiejenigen zu vertreten, die die Entscheidungzugunsten der Spiele 2008 in Beijing vorangetrieben haben. Im Falle Chinas hat dieMischung von Sport und Politik sogar denschlechten Nachgeschmack, dass ein diktato-risches Regime, welches nur in eigenem Inter-esse handelt, damit eine nationalistischeBewegung lanciert.

Aktionen

F: Sind Sie mit dem Ergebnis Ihrer Aktionenin Athen und in Beijing zufrieden? Was wardas wichtigste Resultat?

A: Bei der Vorbereitung unserer Kampagne inPrag 2003 entwickelten wir zwei wichtigestrategische Ziele. Wir wollten eine starkeBotschaft nach Beijing senden, nämlich dassChina falsch liegt im Glauben, dass Beijing2008 ein prestigeträchtiges Ereignis, unge-stört von anderen, für die aktuelle Regierungsein wird, während die Situation in Tibet elendbleibt. Das zweite Ziel der Kampagne ist es,den Tibetern und Tibet-Freunden auf der Weltzu zeigen, dass die kommenden Jahre einegrossartige Gelegenheit darstellen, um Chinaunter Druck zu setzen. Die chinesische Reak-tion auf unsere Tätigkeiten in Athen und Bei-jing zeigte, dass diese Botschaft verstandenwurde. Daher sind wir mit dem Resultat sehrzufrieden.

F: Was macht Sie so sicher, dass dies der Fallist?

A: Am 5. August 04 hatten wir eine Presse-konferenz in Athen. Alle internationalenNachrichtenagenturen wie Reuters, AFP undAP waren anwesend, sowie auch Xinhua, dieamtliche chinesische Nachrichtenagentur.Mein Eindruck war, dass die zwei jungen chi-nesischen Journalisten sehr interessiert warenund sich viele Notizen nahmen. Ich selbst habeauch Interviews mit dem Mandarin-Servicevon Radio Free Asia geführt, das in China vie-le Hörer hat. Unsere Aktion am Sprungbrett-Finale der Frauen, wo wir ein Transparent mitder Aufschrift «Free Tibet» entrollen konnten,wurde im chinesischen Fernsehen gesendetNach einer weiteren mutigen Aktion am 30.August in Beijing, wo Aktivisten ein ähnlichesTransparent entrollten, gab die chinesischeRegierung sogar eine amtliche Antwort an dieinternationalen Medien heraus.

F: Haben Sie auch Rückmeldungen aus Tibetüber Ihre Aktionen?

A: Wir gaben viele Interviews an tibetischeRadiostationen. Ich nehme an, dass diese auchAuswirkungen hatten. Wir erhielten zwei Mel-dungen aus Tibet, die uns anregen, mit unse-ren Aktionen fortzufahren.

Aktionen gegen Olympia 2008 in Pekingaktuell

TA 86 November 2004 n 17

F: Ist Zusammenarbeit mit China nicht besser,als China zu isolieren?

A: Ich habe nie die Isolierung von China befür-wortet. Aber dennoch glaube ich, dass es nichtangebracht ist, ein totalitäres Regime zu unter-stützen, welches weiterhin Tibet besetzt unddie Menschenrechte verletzt. China sieht sei-ne erfolgreiche olympische Bewerbung alseine bedeutende Bestätigung an - im Juli 2001erklärte der Staatsrat-Vizepremier Li Lanqing:«Wir haben das Recht erworben, die olympi-schen Spiele 2008 zu organisieren. Diesbestätigt, dass die internationale Gemein-schaft die Tatsache anerkennt, dass Chinadurch soziale Stabilität und Fortschrittgekennzeichnet ist, seine Wirtschaft sicherweitert, und seine Einwohner ein friedlichesund angenehmes Leben führen.» Solche Äus-serungen sind Anlass zu grosser Sorge. Wersolche Worte unwidersprochen lässt, bremstden Wandel in China anstatt ihn zu fördern.

F: Unabhängige Beobachter meinten, dass dieOlympischen Spiele eine «Kraft für Gutes»sein werden. Warum sind Sie nicht geduldigerund warten ab, ob dieses korrekt ist?

A: Wir haben einen Menschenrechtsberichtüber China vorgelegt. Dieser belegt, dass es inden vergangenen drei Jahren, seit Beijing dieolympischen Spiele zugesprochen bekam,keine greifbaren Fortschritte bezüglich derMenschenrechtssituation gegeben hat. Tibetbleibt besetzt und Beijing scheint seine Posi-tion nicht zu verändern. Chinas im Mai veröf-fentlichtes Weissbuch zu Tibet, das eine Auto-nomie für Tibet kategorisch ausschliesst, zeig-te dies deutlich. Ferner hat China eineVerbesserung in gewissen Bereichen verspro-chen, wie die Pressefreiheit, die sich aber seit-dem eher verschlechtert hat. Unser Berichthebt hervor, dass die Meinungsfreiheit in Chi-na durch die Überwachung von Briefen unddes Internetgebrauchs weiterhin massiv kon-trolliert wird. Des Weiteren hat das IOC Chi-na geradezu eine «Lizenz» erteilt, welche es

nalität gearbeitet haben. Das TYC befand sichin den Wahlen und war daher nicht in der Lage,sich an unseren Aktionen zu beteiligen. Aberich weiss, dass sie bereits starkes Interesse ander Kampagne gezeigt haben und ich freuemich auf eine zukünftige Zusammenarbeit. ImMoment bin ich glücklich, dass der VTJE,welcher dem TYC angeschlossen ist, die Lei-tung übernahm. Aber selbstverständlich ist esentscheidend, dass die grossen tibetischenNGO’s, welche auch in den westlichen Län-dern viele Mitglieder zählen, die «2008-Free-Tibet»-Kampagne als eine Kampagne mit sehrgrossem Potential erkennen.

Internationales OlympischesKomitee

F: Was sollte das IOC tun? Ist es nicht falsch,eine Sportorganisation zu bitten, sich in poli-tische Angelegenheiten einzumischen?

A: Wir sehen einen Widerspruch zwischen derEntscheidung des IOC, die olympischen Spie-le Beijing zuzusprechen und den Werten vonFrieden und Versöhnung, die im olympischenLeitsatz enthalten sind. Was das IOC tut, istdas Entgegengesetzte. Es gibt einem diktato-rischen Regime die politische Legitimität, mitseiner Politik nicht nur in Tibet, sondern auchin China fortzufahren.

F: Der Dalai Lama ist nicht gegen Beijing alsGastgeber der Olympischen Spiele, wider-sprechen Sie ihm dann nicht in dieser Sache?

A: Der Dalai Lama ist prinzipiell einverstan-den, dass ein Land mit Chinas langerGeschichte, reicher Zivilisation und grosserBevölkerung es verdient, die Spiele organisie-ren zu dürfen. Aber er meinte auch, dass die-ses China mit diesem totalitären Regime, wel-ches die Menschenrechte, Freiheit und Demo-kratie nicht respektiert, es nicht verdient, einesolche prestigeträchtige Veranstaltung zuorganisieren.

F: Auf Ihrer Website (www.2008-FreeTibet.org) weisen Sie darauf hin, dass diekommenden vier Jahre eine einzigartige Gele-genheit darstellen, China unter Druck zu set-zen…

A: … das ist sehr offensichtlich.

F: Warum?

A: Sie müssen ihre Gegner dort unter Drucksetzen, wo es sie am meisten trifft: Für ein tota-litäres Regime ist es die Furcht vor Ungewis-sheiten und Kontrollverlust. Hu Jintao denkt,dass 2008 eine einzigartige Propagandagele-genheit bietet. Andererseits muss er auchbedenken, was geschehen könnte, wenn er dieKontrolle verliert. Kann er wie in der Vergan-genheit einfach Polizeikräfte aufbieten? Wennja, wie reagiert die Welt darauf und schadet esseinem Ansehen1? Also eine Menge an Unge-wissheiten!

F: Wer waren die Aktivisten?

A: In Beijing waren zwei Aktivisten vom Aus-tralia Tibet Council, einer von Students for aFree Tibet und einer von Free Tibet Campaign,dabei. In Athen waren wir elf Aktivisten: Sie-ben junge Tibeter vom Verein Tibeter Jugendin Europa (VTJE) und von International Cam-paign for Tibet Germany, ein Schweizer, zweivon Free Tibet Campaign (UK) und ich selber.

F: Wo lagen die grössten Schwierigkeiten?

A: Da waren einige Herausforderungen. Einesder grössten Probleme war herauszufinden,was die rechtlichen Konsequenzen für uns seinkönnten. Zudem waren die Sicherheitsmas-snahmen in Athen sehr streng. Es gab auch kei-ne Garantien, dass wir unsere Aktion über-haupt wie vorgesehen durchführen können. Esist nicht anzunehmen, dass Beijing ein einfa-cherer Platz für Proteste sein wird.

F: Ist es nicht naiv zu glauben, dass unter sol-chen Umständen zahlreiche Leute 2008 in Bei-jing demonstrieren werden, oder sie in denkommenden Jahren an ähnlichen Aktionenteilnehmen werden?

A: Niemand sagt, dass das eine einfache Ange-legenheit ist. Aberwir können eine grosse Wir-kung erzielen, wenn wir in der Lage sind,unsere Tätigkeiten geschickt zu planen. Ichbitte alle jene Leute etwas zu tun, die früherum eine Gelegenheit dazu baten. Verlassen Siedie Internet-Nachrichten Foren und treten Siein die reale Welt ein! Sie ist viel aufregender!Würde es nicht grossartig sein in Beijing 2008an einer Demonstration mit Tibetern aus Tibetund aus dem Exil teilzunehmen, die auch vonunseren westlichen Freunden unterstürzt wür-de?

F: Was erwarten Sie von den jungen Tibeternoder vom Tibetan Youth Congress TYC?

A: Lassen Sie mich dies als ehemaliges Mit-glied des VTJE sagen. Ich war extrem stolz inAthen diesen jungen Tibetern zuzusehen, wiesie mit solcher Ernsthaftigkeit und Professio-

«China spielt mit den Menschenrechten» – Protestaktion in Athen

aktuell

Aktionen gegen die Olympiade 2008 in Peking

18 n TA 86 November 2004

den chinesischen Behörden erlaubt, gegenü-ber Demonstranten eine Politik der Nulltole-ranz durchzusetzen. In Athen wurden vomIOC Gesetzesänderungen angeregt, die stren-ge Begrenzungen der Meinungsfreiheitwährend der olympischen Spiele zum Ziel hat-ten. Chinas jüngere Vergangenheit lässtbefürchten, dass es 2008 nicht anders seinwird.

F: Werden Sie 2008 in Beijing sein?

A: Sie sollten mir diese Frage 2008 wiederstellen. Ich möchte aber daran erinnern, dasswir am Anfang unserer Kampagne sagten:„Unser Ziel ist es realen Druck auf China aus-zuüben, indem wir in China protestieren.“ Wirwaren in der Lage, unser Versprechen einzu-halten.

F: Und was geschieht nach 2008? Wird Tibet2008 frei sein?

A: Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir solltenuns nicht ohne Not durch eigene Zeitvorgabenunter Druck setzen. Die Grundhaltung istwichtig. Wer sich nicht beirren lässt, wirdletztlich belohnt werden. China ist nicht somächtig, wie es uns glauben lassen möchte.Deshalb: Kein Grund für Nervosität und eili-gen Abkommen!

Rückblick auf die KampagnenaktivitätenWT Mai–Juli 2004 – Im Sidney, Berlin, Mon-treal, Rotterdam, London und Genf habenTibetunterstützungsgruppen im Rahmen desOlympischen Fackellaufes auf die Situationim besetzten Tibet aufmerksam gemacht. DieSchweizer Tibetgruppen leisteten auch ihrenBeitrag zum Gelingen dieser weltweit koordi-nierten Aktionen: In Genf waren am 24. JuniVertreter und Vertreterinnen von der GSTFund des Porte du Tibet anwesend.

5. August 2004 – Die offizielle Präsentationdes Menschenrechtsberichts der InternationalTibet Support Network (ITSN) findet in Athenunter grosser Beachtung der Medien statt. DieGSTF war an dieser Präsentation mit WangpoTethong vertreten.

20. August 2004 – Acht Tibet-Aktivisten ausder Schweiz treffen in Athen ein. Sie werdenvon Aktivisten aus England und Deutschlandergänzt.

22. August 2004 – Protest beim Finale desWasserturmspringens. Aktivisten entrollenein Transparent mit der Aufschrift «FreeTibet». Es findet bis nach China Beachtung.

25 August 2004 – Vor der Akropolis wird dasoffizielle Banner mit den fünf Einschusslöcherenthüllt. Grosses internationales Medienecho.(Leider keine CH-Medien)

26. August 2004 – Chinesische Dissidentenund Führer der Uighuren erklären ihre Solida-rität mit dem Aufruf der Tibetorganisationen:Bei der Übergabe der Olympiafahne an Pekingsoll das Publikum nicht applaudieren.

28. August 2004 – Nach langem Hin und Herund einer Medienkontroverse erscheint inEleftherotypia, einer grossen griechischenTageszeitung, endlich ein Inserat mit dem Auf-ruf der Tibetorganisationen für den Schluss-tag.

29 August 2004 – Am Schlusstag der Olym-piade schaffen es sechs TibetaktivistInnen, aufdem Olympia Gelände die grosse Flagge mitden fünf Einschusslöchern zu entfaltenn. Siewerden von rund 30 Polizei aufgehalten.

30. August 2004 – Vier Tibetaktivisten entfal-ten im Pekinger «Minderheiten Park» ein

Die Polizei löst den Sitzstreik gewaltsam auf

Transparent mit dem Slogan «No Olympicsfor China until Tibet is free». Zwei Aktivistenwerden verhaftet und am nächsten Tag ausChina ausgewiesen.

19. September 2004 – Tibeter und Schweizerlaufen am Greifenseelauf für die OlympiaKampagne. Das Motto: «Move for Tibet».

6. November 2004 – «Move for Tibet»- Indo-or Cycling Event auf dem Säntis zugunsten derOlympia Kampagne. Leider sind alle Räderschon ausgebucht. Wer kommen will ist aberherzlich eingeladen. Es gibt unter anderem eintolles Nachtesssen.

Tagebuch-Eintrag, Athen 29. August 2004WTSeit mehreren Monaten hat die Gruppe aufdiesen Tag hin gearbeitet. Zum Glück ist derDruck, heute etwas Aussergewöhnlicheserreichen zu müssen, nicht mehr so gross wienoch vor ein paar Wochen. Wir hatten einensehr guten Start hier in Athen und habenbereits einige Aufmerksamkeit in der Öffent-lichkeit erzielen können.

Das Wetter auf der Insel Aegina ist wiejeden Morgen in den letzten zwei Wochen sehrsonnig. Das heisst, es wird heute wieder über30 Grad. Da und dort zeigen sich mehr alsTrost kleine dekorative Wolkenknäuel amHimmel.

Wie verabredet, gehen Tenzin, der dieGesamtkoordination für die Aktion heute hat,Anne und Sophie vor. Anne und Sophie sindals Verstärkung aus London gekommen. Ichbleibe zurück mit den AktivistInnen. Wir wol-len zusammen nach Athen fahren.

Es geht dann alles sehr schnell. Nach demFrühstück versammeln wir uns um 11.00 Uhrin meinem Zimmer für einen letzten Check.Eine Stunde später sitzen wir im Schnellbootnach Athen. Im Hafen von Piräus angekom-men, merke ich, dass ich mein «Chuba» (tibe-tische Tracht) vergessen habe. Ich rufe bei

Louisa in Aegina an, und bitte sie, ob nicht ihrBekannter Costas mir das Kleid nach Athenbringen könnte. Einen Treffpunkt werde ichnachher durchgeben.

Gegen 13.15 treffen wir in unserem Büroein. Wir haben genau eine Stunde Zeit, um eineReihe von Dingen noch schnell zu erledigen:Eleanna, unserer Anwältin, muss ein kurzesup-date zu dem, was wir planen, gegeben wer-den. Der Begleitbrief zum Menschenrechtsbe-richt muss noch kontrolliert werden. Die letz-ten Änderungen zur heutigen Pressemittei-lung müssen noch gecheckt werden. Tenzinmöchte, dass wir einen Blick auf seine Anspra-che werfen.

Durch ihre drollige Art versteht es Elean-na, die Aktivisten ein bisschen zu beruhigen.Ich werde mich immer gerne an ihren schwarz-en Humor erinneren: «Ich werde schon dafürsorgen, dass eure Aktion erfolgreich wird. Ihrwerdet lebenslänglich hinter Gitter kommen.Das schafft Publizität!»

Der Plan ist simpel aber nicht einfach zubewerkstelligen. Wir wollen unsere «Olym-pia-Flagge» auf dem Olympia-Gelände ent-rollen, zum Hauptstadium gehen und sie dortmit dem Menschenbericht dem IOC überge-

Aktionen gegen die Olympiade 2008 in Pekingaktuell

TA 86 November 2004 n 19

ben. Unsere Botschaft ist simpel: Das ist dieFahne, die China verdient, und wir bitten dasIOC, sie den chinesischen Behörden zu geben.

Wir haben uns für das Wasserball-Finale11 Tickets beschafft. Tenzin (Koordinator desheutigen Tages), Anne (Medienperson), Ele-anna, Yannis, unser Fotograf, und Martin(Video) erhalten alle ein Ticket. Die fünf Frau-en und ich, die wir die Fahne zum Stadium tra-gen wollen, müssen natürlich auch noch einTicket haben. Jacky, unsere wichtigste grie-chische Kontaktperson, in den letzten Mona-ten soll vor dem Stadium warten und solltenwir abgeführt werden, schauen, in welchePolizeistation wir gebracht werden.

Am Vorabend haben wir auf einem Feldumgeben von Pistazienbäumen geprobt, wiedie Aktion ablaufen soll. Tashi mit ihrem gut-en Orientierungssinn faltet unsere Einschuss-Flagge einschliesslich der darin eingelegtenOlympiaflagge auf, Norlha und Tenzin Kel-sang stehen auf der Mauer, Yeshe und Kelsunghalten das untere Ende fest. Ich und Tashipostieren uns auf den Seiten. Sobald Tenzinuns das Signal gibt, «entschleiern» wir unsereFlagge, indem wir die Olympia-Flagge weg-ziehen. Zum Vorschein kommt unsere.

Wir warten einen Augenblick und mar-schieren dann auf das Hauptstadium zu. Auf-grund einer Anregung, die Tashi gestern hatte,wurde beschlossen, die Nationalhymne zu sin-gen, sobald wir marschieren. Ein guter Einfallzwar, führt aber dazu, dass wir, da nicht sehrtextfest, gestern abend und heute auf demSchnellboot den Text noch auswendiglernenmussten.

Wir fahren mit der Metro zum Stadium.Zum Spassen ist jetzt niemandem mehr zuMute. Wir Aktivisten bleiben ein bisschenzurück. Die anderen fünf gehen vor. (Oh ja,fast hätte ich vergessen, Costas den Treffpunktdurchzugeben. Ich bitte Anne draussen zuwarten und mir das Kleid zu bringen.). Tenzinruft uns an, und erklärt, dass die Rucksächeund Taschen - wie wir es vermutet haben - nurgescannt aber nicht durchsucht werden. Wirgehen erleichtert rein und können einen gros-sen Teil der Eventualpläne streichen. Kurznach dem Sicherheitscheck gelangen wir ineinen mächtigen weissen Tunnel-Bogen, dermich - obwohl ich ihn zum zweiten Mal sehe- durchaus beeindruckt. Alle sind sehr kon-zentriert und unter anderen Umständen, hättedie Architektur uns wohl mehr in ihren Banngezogen. Wir verteilen uns auf dem Gelände,um nicht aufzufallen.

Meine Aufgabe ist es, die Aktion heute so,wie wir es geplant haben, durchzuführen undnötigenfalls abzubrechen, wenn etwas Unvor-hergesehenes die friedliche Durchführunggefährdet.

Ich marschiere die ganze Streckenochmals ab. Sollten wir nicht aufgehaltenwerden, könnten wir von unserem Startpunktaus in sieben Minuten zum Hauptstadiumgelangen. Was angesichts der Zahl und Allge-genwart der Sicherheitsleute illusorisch ist.

Ich frage mich, ob das Gewaltlosentraining inder Schweiz uns heute was bringen wird. Wiewird wohl der Unterschied zwischen denSchlägen mit zusammengerollten Zeitungenim Hinterhof der Binzstrasse 15 in Zürich unddenen der griechischen Polizei sein?

Ein paar Wolken schaffen es immer wie-der uns, die hier unten seit Tagen von der Son-ne gedörrt wurden, ein bisschen Schatten zuspenden. Es weht gar ein recht frischer Wind.Wenn die griechischen Götter uns nur halb sowohl gesonnen sind wie die Wettergötter,muss alles klappen.

17.00 Uhr. Wir warten auf den Anruf vonTenzin. Wir wären bereit, in unserem Chupaszum verabredeten Treffpunkt loszumarschie-ren. Er, Anne und Martin würden sich dort mitden Medienleuteten uns anschliessen. Unddann ginge es los. Der Anruf kommt, es heis-st aber: «warten». Einige TV-Teams seien ver-spätet. Eine Viertelstunde später. Immer noch:«Warten». Dann um 17.30 Uhr ist es soweit.

Tenzin hält eine kurze Ansprache. Wir ent-rollen unsere Fahne. Wir marschieren los, wer-den aber nach nicht mal einer vielleicht zweiMinuten aufgehalten. Aus dem Nichts tauchenetwa zwanzig Polizisten – manche in Zivil -auf, reissen uns das Banner, unsere Rucksäckeund T-Shirts weg. Wir veranstalten daraufhinwie geplant ein Sit-in und weigern uns dasGelände zu räumen. Die Kameraleute haltenalles fest.

Um 20 Uhr schliesslich stehen wir auf. DiePolizei begleitet uns hinaus und will, dass wirum 23.30 die Banner und die anderen Mate-rialien abholen kommen. Von Dechen, unsererMedienverantwortlichen in unserem AthenerBüro, erfahren wir, dass bereits einige Berich-te auf dem Web erschienen sind und dass Reu-ters und AP Bilder und ein Video zu unseremProtest anbieten.

Um 1 Uhr morgens fahren wir alle mit derletzten Fähre – nicht mit dem Schnellboot –nach Aegina zurück. Auf dem Oberdeck ist eskühl. Die einen schlafen oder versuchen eszumindest. Die anderen schauen die nächstenzwei Stunden einfach in die Dunkelheit hinausund auf die fernen Lichter der Stadt Athenzurück mit dem Wissen, eigentlich alles getanzu haben, was möglich war. Zufrieden, dassniemand verletzt ist und alles gut lief.

PS 1: Am Tag zuvor haben wir nach mehre-ren Anläufen ein Inserat mit dem Titel «Don’tapplaud the oppressors» in der Zeitung Elefte-riatypia schalten können. Es soll, so wurde unsberichtet, deutlich ruhiger gewesen sein im Sta-dium, als die olympische Fahne an den Bürger-meister von Peking übergeben wurde.

PS 2: Das Wasserball Finale – das wir ver-passt haben – gewannen die Ungarn gegen dieSerben.

Das Kalachakra auf CDDR. 1985 führte der Dalai Lama seine ersteeuropäische Kalachakra-Initiation in Rikon durch,2002 eine weitere in Graz. Bei dieser Gelegenheitgab das Tibet-Institut Rikon eine CD heraus, aufder einerseits die Initiation, andererseits diebegleitende Grazer Ausstellung aus Beständen desTibet-Instituts dokumentiert ist. So findet man z.B.die Initiation in einer «äusserst leicht zugänglichenForm» als PDF-File auf Deutsch und Tibetischsowie ein bebildertes Tagebuch der Initiation 1985von Jacques Kuhn. Der Katalog der Ausstellungzeigt u. a. ungewöhnlich detailreich das Sand-mandala und – für Bücherfreunde – Einblicke inRaritäten wie das «Alphabetum Tibetanum» oderFilchners «Kumbum Tschamba Ling». Die CDläuft unter Windows und auf Mac (starten mitIndex.html) mit Browser. Navigationsleiste fehlt,Rückkehr zur Einstiegsseite nur via Browser-Menü möglich.Kalachakra – Das Rad der Zeit, CD, Tibet-Institut Rikon 2002, 48 Fr.

Protestaktion in der Höhle des Löwen in Beijing

aktuell

Aktuelles aus Osttibet

20 n TA 86 November 2004

Tibetpop und Karaoke – Augenschein in Osttibet

Dank der ökonomischen Entwicklung in Chi-na können es sich immer mehr Chinesen lei-sten zu reisen, unter Anderem nach Tibet. Inden letzten Jahren hat der Reiseverkehr im Pri-vatwagen wie auch die Anzahl Inlandflügeexponentiell zugenommen. Nach dem Ein-bruch während der Zeit der SARS-Epidemiestellen ausländische Besucher laut der Presse-agentur Xinhua nur noch 10% der Touristen inTibet (bzw. der so genannten «AutonomenRegion»).

Mili wird immer chinesischerNehmen wir das abgelegene Städtchen Mili imsüdlichen Kham als Beispiel. Während dereinwöchigen Ferien anlässlich der 1. Mai-Fei-ern war ich von Chengdu via Xichang nachMili zwei Tage unterwegs. Mili, in dem frühermindestens 50% der Bevölkerung tibetischwaren, wird nun zu etwa gleichen Teilen vonHan-Chinesen, Yi und Tibetern bewohnt, diemeisten Geschäfte sind chinesisch. Doch dasabgelegene Kloster Ganden Shedrub Namgy-eling, das von wenigen westlichen Touristenbesucht wird, und das zerfallene Fort von Mililohnen den langen Weg.

Mili selbst ist kein populäres Reiseziel,aber andere Orte wie der Lugu-See, Lijiangund Zhongdian sind zu Touristenorten für Ein-heimische ausgebaut worden, zum Entsetzeneiner amerikanischen Besucherin, die Lijiangvon früher kannte: «Es ist schrecklich, siehaben den Ort völlig kaputt gemacht!».Während früher gute Strassen als potenzielleGefahr galten, wird nun zwischen dem Lugu-See, Mili und Litang die Strasse ausgebaut, umUmsiedlungen zu erleichtern und den Migran-tInnen den Eindruck von guter Infrastruktur zugeben. Weshalb aber sind tibetische Gebieteein populäres Reiseziel geworden, nachdemsie noch vor wenigen Jahren als dreckig und

rückständig galten? Die Chinesen, wohlha-bende Hippie-Kinder wie von ihren Betriebengesponserte Mittelklassefamilien, ziehenzunehmend exotische Destinationen vor, diein jahrelanger Propaganda und neuerdingsauch in Musik-Videos als von glücklichen undfarbenfroh gekleideten Minderheitenbewohnte Gegenden präsentiert werden.Zudem sind in den «Goldenen Wochen», indenen jeder Chinese, der es vermag und nichtselber im Tourismusbereich tätig ist, verreist,die klassischen Ferienorte hoffnungslos über-füllt.

Das lang gehegte Bild der TibeterInnen alsfarbenfroh gekleidete, glückliche und tanzen-de Minderheit hat in der Karaoke-Ära eineneue Wendung bekommen. Die Faszinationder Chinesen für das Tibetische führt leider all-zu oft zur Verkleidung und Nachmacherei. AmLugu-See beobachtete ich fasziniert Hordenvon Chinesen, die sich in den von den Einhei-mischen angebotenen Moso-Trachten foto-grafieren liessen. Beide Seiten schienen ihrenSpass zu haben, die Moso nicht zuletzt des-halb, weil sie für den Verleih der Trachten wieauch für ihre Tanz- und Gesangsdarbietungzum 1. Mai bezahlt wurden. Bezeichnender-weise war die eigentliche Moso-Gastgeberinzur gleichen Zeit in Beijing, wo sie Talkshowsmoderierte und für ihre zahlreichen spritzigenTaschenbücher warb. Beim familieneigenenGuesthouse hat sie ein Museum eingerichtet,das ihr selbst gewidmet ist; ihre Zugehörigkeitzu einer ethnischen Minorität trägt wesentlichzu ihrem Erfolg bei. Wie in anderen Länderngilt eine gemischte Herkunft oder dieZugehörigkeit zu einem Minderheitenvolkunter der hippen jungen Intelligenz als «cool».Dieser Umstand dient weniger zur Völkerver-ständigung denn als Auslöser für Karaoke-Sauf-Parties.

Ich habe von vielen Grosstadtjugendlichengehört, die sich dem tibetischen Buddhismuszuwenden – was kaum überrascht. Angesichtsder neuen Regelungen der letzten Jahre fragtman sich, ob es überhaupt noch Mönche gibt,die Zeit zum Studium der Texte haben. DieAuflagen für die Klöster, Einkommen zugenerieren und Touristen zu betreuen, habendie Mönche in die Rolle von Verwaltern undFührern gezwängt.

Sogar das winzige, angeblich von einemTaiwanesen finanzierte Bönpo-Kloster amLugu-See bildet keine Ausnahme. Währendeine Gruppe von zwei Dutzend Chinesen eineFührung hatte, wurden wir eilends zum Lamagebracht, der uns segnete, worauf der unsbegleitende Mönch sogleich eine Spende von287 Yuan für ein zwei Meter hohes Räucher-stäbchen empfahl, das der Finanzierung desKlosters dienen sollte. Der Mönch ermahntedarauf meine chinesische Begleiterin, hart ander Bewahrung ihrer Kultur zu arbeiten, da wir«Westler nichts davon verstünden». Einemerkwürdige Empfehlung angesichts der Tat-sache, dass meine Begleiterin eine Atheistinist, die zum ersten Mal in ihrem Leben ein tibe-tisches Kloster besuchte.

Verschmelzung von Tradition und ModerneNeue farbenfrohe Reisebücher enthalten kolo-rierte alte Karten und historische Fotografientibetischer Städte wie Danba, zusammen mit

den üblichen verunglimpfenden Bildunter-schriften wie: «Tibetische Landschaft mitHolzhäusern und Schönheiten». Das Buchkonzentriert sich auf die landschaftlichen undweiblichen Schönheiten der Gegend, abzüg-lich korrekte Geschichtsschreibung.

Zu der verzerrten Darstellung der tibeti-schen Kultur in diesen ethnozentrischen undvon historischen Unwahrheiten strotzendenReisebüchern kommt die Vermarktung Tibetsin Zeitschriftenartikeln, Fernsehsendungenund Videos hinzu. Aus einer stattlichen Anzahltibetischer Restaurants in Chengdu dröhnenohrenbetäubende Tibetpop-Karaoke-Videos;an einem Ort sah ich als Kontrastprogrammältere Yi-Frauen, die vor einem solchenRestaurant handbemalte Holzschalen ver-kauften.In einem winzigen Laden in Mili ent-deckte ich ein neues Video namens «Tang'gu-

Bei den Jugendlichen in Mili Dzong, Kham, ist Basketball äusserst beliebt Fotos: Douglas Kremer

Sogar am abgelegenen Lugu-See sind Mobiltele-fone im Dauereinsatz

Douglas Kremer, New York

aktuell

TA 86 November 2004 n 21

Aktuelles aus Osttibet

la». Darin wird der Frühling durch eine Land-schaft von schneebedeckten Bergen, Wiesen,Wolken und Lungtas dargestellt, in der dreiDamen mit pelzbesetzten Hüten vor demPotala posieren. Unvermittelt wird man daraufnach Tang'gula versetzt, wo die Chuba zu einerLederjacke, der Pelzhut zu einer Baseball-Mütze, die tibetische Musik zu Hip-Hop undRave mutiert und wo die Grenzen zwischenVergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufge-hoben zu sein scheinen. Was die Aussage seinsoll, lässt sich kaum feststellen. Aber die hyp-notisierende Musik zu eintönigen chinesischenTexten, die unermüdlich kreisenden techno-musikbegeisterten TibeterInnen, und dieumherfliegenden Khataks und Lungtasmachen dieses Mischmasch zu einem unver-gesslichen Erlebnis.

So unvergesslich, dass ich nicht wenigstaunte, als wir in Chengdu zufällig dasursprüngliche Tang'gula entdeckten, ein gros-ses Restaurant mit Nachtklub und einer zwei-stündigen Show. Lieder aus dem Video wurdenvon traditionellen Tänzen, einem von einemTibeter vorgetragen Rap auf Hindi und ein paarvon Cowboys aus Ngawa gespielten traditio-nellen Instrumentalstücken abgelöst. DasPublikum war gemischt tibetisch und chine-sisch. Auch der Lhoga Tulku Rinpoche aus Sin-gapur war zufällig mit einigen seiner Schülerauf Besuch und offerierte uns seinen Segen.

Unter der tibetischen Bevölkerung inChengdu ist diese Art von Darbietung umstrit-ten. Doch sollten Sie sich selber ein Bildmachen und entschieden, ob dies die Zukunftvon multimedialer tibetischer Unterhaltung ist.Nebst Tang'gula gibt es in Chengdu weiteretibetische Restaurants, zum Beispiel das«Gesar» an der Ethnic Culture Street, das«Cacaja» gegenüber dem Jinjiang-Hotel, oderdas «Zhang Peng Buluo» im oberen Stock desRoman-Holiday-Shoppingcenters, vor dessenEingang römische Statuen und eine 10 Meterhohe Kopie eines ägyptischen Obelisken auf-gestellt sind.

übersetzt und leicht gekürzt von DR

Abgesagte Dalai-Lama-Brief-marke in OesterreichTAUnsere österreichischen Freunde von SaveTibet Austria berichten über den Plan derÖsterreichischen Post 2005 eine Briefmarkezum 70. Geburtstag des Dalai Lama herauszu-geben. Eigentlich eine gute Idee, die natürlichsofort den Protest des chinesischen Botschaf-ters in Wien herausforderte. Während China«jegliche Einmischung in innere Angelegen-heiten» zurückweist, nimmt sich das Reich derMitte wie selbstverständlich das Recht heraus,seinerseits, wo immer es um den Dalai geht,zu intervenieren. Zuerst haben unsere Freun-de den chinesischen Vorstoss belächelt, pral-len solche Proteste doch an einem souveränenLand wirkungslos ab, so jedenfalls die Mei-nung. Bald stellte sich jedoch Entsetzen undBetroffenheit ein, als die Herausgabe der Son-dermarke dann tatsächlich abgesagt wurde.

Tibet-Filme auf Druck ChinasabgesetztDelhi. – Auf Druck der chinesischen Regie-rung sind zwei populäre Kinofilme über Tibetaus dem Programm eines Filmfestivals inBombay gestrichen worden. Es handelt sichum «Seven Years in Tibet» mit Hollywood-Star Brad Pitt und «Kundun», einen Spielfilmüber das Leben des im Exil lebenden DalaiLama. Die chinesische Regierung hatte sichwegen der «Propaganda» beim indischenInformationsministerium beschwert. DieOrganisation «Freunde Tibets», die sich fürein unabhängiges Tibet einsetzt, reagierteschockiert. (SDA) (August 2004)

Warnung der UNESCO anChinaTA Gemäss Angaben der NachrichtenagenturAFPermahnte die UNESCO China im Juli, dieSorgfaltspflicht für die berühmte VerboteneStadt Pekings sowie für den Potala-Palast ein-zuhalten. Ansonsten würden die beiden UNES-CO-Monumente als gefährdet eingestuft. Eineentsprechende Untersuchung sei vorgesehen.

Berlin, (hib/VOM) Die deutsche Bundesre-gierung unterstützt den Anspruch Tibets aufAutonomie vor allem im kulturellen und reli-giösen Bereich als «Ausdruck des Selbstbe-stimmungsrechts des tibetischen Volkes».Dies geht aus ihrer Antwort (15/3630) auf eineKleine Anfrage der FDP-Fraktion (15/3534)zur Tibet-Politik der Regierung hervor. EinRecht Tibets auf Lösung aus dem chinesischenStaatsverband wird «in Übereinstimmung mitder Rechtsüberzeugung der Staatengemein-schaft» damit nicht anerkannt. Die Bundesre-gierung betrachte Tibet als Teil des chinesi-schen Staatsverbandes, heisst es. Selbst wennTibet vorübergehend die Voraussetzung einesunabhängigen Staates erfüllt haben sollte, was«aus völkerrechtlicher Sicht weder eindeutigzu belegen noch zu widerlegen» wäre, bleibefestzuhalten, dass Tibet auch zu diesem Zeit-punkt die völkerrechtliche Anerkennung alsStaat versagt geblieben sei. Somit werde dieExilregierung Tibets in Dharamsala (Indien)von der Bundesregierung nicht anerkannt.Zum Dalai Lama bestünden Kontakte in des-sen Eigenschaft als religiöser Führer. Aussen-minister Fischer habe bei seinen Gesprächenin Peking im Juli die chinesische Regierungöffentlich aufgefordert, eine friedlicheLösung der Tibet-Frage im Dialog mit demDalai Lama zu suchen.

Die Regierung bemüht sich nach eigenenAngaben seit Jahren, das Schicksal des Pan-chen Lama (Gedhun Choekyi Nyima) aufzu-klären. Forderungen der EU nach einemZusammentreffen mit ihm würden von derVolksrepublik stets mit der Begründung abge-lehnt, Gedhun Choekyi Nyima sei nicht dieReinkarnation des Panchen Lama, sondern einnormales Kind, das bei guter Gesundheit seiund ein glückliches Leben führe. Seine Elternwünschten keine Störung von aussen für ihrund des Kindes Leben. Sein Schicksal werderegelmässig von der Bundesregierung sowieihren EU-Partnern gegenüber der chinesi-schen Regierung angesprochen, heisst es.http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_195/01.html

Verwaltungsgebäude in traditioneller tibetischer Architektur mit billigem chinesischemMaterial nachgebaut in Mili Dzong, Kham

Leserbrief

Nicht nach «Ying-und-Yang»-PrinzipienDie Zeitschrift geht nicht nach den «Ying-und-Yang»-Prinzipien. Alles was die Volksrepu-blik China macht, ist mies. Es erinnert michein wenig an die Zeitschriften im KaltenKrieg, an den «Feind» gleich Kommunisten ...Hoffe, Sie würden in Zukunft besser recher-chieren und nicht einfach Behauptungen auf-stellen, ohne handfeste Beweise. Und auchetwas Positives schreiben über die Regierung(Chinas). Ich glaube einfach nicht, dass Chinanicht auch Gutes getan hat für die RegionTibet, wie ich auch nicht glaube, dass während(der Zeit des) Dalai Lama in Tibet alles gutwar! O. Frei, 8051 Zürich

Deutsche Regierung für tibetische Autonomie

22 n TA 86 November 2004

Tulkus mit Proiluh. Ein leicht lesbarer Report über das Tulku-System. Viele junge Reinkarnationen, die heu-te in 21 tibetischen Klöstern Indiens leben,gewinnen in Interviews Profil. Doch auch kri-tische Stimmen werden nicht unterschlagen.

Egbert Asshauer: Tulkus. Das Geheimnis der lebendenBuddhas. 200 S. Aquamarin Verlag, 2004.; Fr. 23.60.

Sherlock Holmes in TibetDR. Der Leiter des Amnye-Machen-Institutserzählt in diesem Buch im Stil Conan Doyleskenntnisreich die Abenteuer von SherlockHolmes während der zwei Jahre, in denen erunter Anderem in Tibet untergetaucht sein soll.Rudyard Kiplings Romanfigur Hurree Chun-der Mookerjee übernimmt die Rolle des Dr.Watson. In Lhasa angekommen, bekämpfendie beiden mittels übernatürlicher Kräfteerfolgreich eine Verschwörung gegen den jun-gen Dalai Lama. – Für Nicht-Sherlock-Hol-mes-Fans mag es spannendere Bücher geben.Doch dank sorgfältiger Recherchen des Autorserfährt die Leserin nebenbei viel über Indienund Tibet im ausgehenden 19. Jahrhundert.Wussten Sie zum Beispiel, dass die Methode,Verbrecher mittels Fingerabdrücken zu über-führen, zuerst in Indien angewendet wurde?

Jamyang Norbu, Das Mandala des Dalai Lama. Bastei Lübbe 2004,TB, 330 S. Û 7.90

Eine chinesische TibeterinDR. Die Chinesin Shu Wen erzählt der Radio-journalistin Xinran Xue ihr Leben. Wen mel-det sich 1958 zum Dienst nach Tibet, um ihrenangeblich umgekommenen Mann zu suchen.Sie rettet der Tibeterin Zhuoma das Leben, dieihrerseits die chinesischen Soldaten vor demTod durch tibetische Widerstandskämpferbewahrt. Auf ihrem weiteren Weg gehen diebeiden Frauen verloren und werden von einertibetischen Nomadenfamilie aufgenommen,die so abgelegen wohnt, dass sie noch nichteinmal vom chinesischen Einmarsch gehörthat. Zhuoma wird nach einiger Zeit entführt,während Wen etwa dreissig Jahre bei derNomadenfamilie bleibt und ihre Lebensweiseannimmt. Spannende Biografie, aus der man

viel über das Leben osttibetischer Nomadenerfährt. Harrt der Übersetzung ins Deutsche!

Xue Xinran, Sky Burial. Chatto & Windus (Random House) 2004, 164 S.

Kritischer Blick auf die TibetophilieDR. Donald Lopez, Professor für Tibetologie,erklärt uns alle zu Gefangenen des MythosTibet. Selbst die TibeterInnen sind der westli-chen Erfindung einer «tibetischen Nation»erlegen, und die Zuflucht zur Shugden-Gott-heit könnte laut Lopez ein Versuch konserva-tiver Kreise gewesen sein, das alte, orthodoxeund regionale Tibet wieder aufleben zu lassen.Ausserdem widmet sich der Autor denUrsprüngen des pejorativen Begriffs«Lamaismus» und der bekannten Fälschung«Das Dritte Auge», aber auch der Perzeptiontibetischer Kunst im Westen, den diversenpsychologisierten Ausgaben des «Tibetani-schen Totenbuchs» und den unpräzisen Über-setzungen des Mantras «Om Mani PadmeHum». Dabei geht Lopez auch mit einigen nam-haften Kollegen ins Gericht. Das Buch ist eineder vielen Quellen und eine würdige Ergänzungzu Martin Brauens «Traumwelt Tibet».

Donald S. Lopez, Prisoners of Shangri-La. University of Chi-cago Press 1998, 283 S., 25 $ (gebunden) bzw.10.50 $ (TB)

Das Leid der chinesischenBauernDR. Unter chinesischer Willkürherrschaft lei-den nicht nur Tibeter, sondern auch MillionenChinesen. Die Autoren Wu Chuntao (41) undChen Guidi (61) waren als Bauern verkleidetdrei Jahre lang in der zentralchinesischen Pro-vinz Anhui unterwegs und deckten haarsträu-bende Ungerechtigkeit und Grausamkeit loka-ler Kader gegenüber den Bauern auf – leiderkeine Ausnahmen, wie sie sagen, sondern dieRegel. Frau Wu und Herr Chen haben für ihrBuch «Studie über Chinas Bauern» den «LettreUlysses Award», den Weltpreis für Reportage-literatur, erhalten. Mehrere Verlage sind an einerÜbersetzung u.a. ins Deutsche interessiert. Wirwerden in einer der nächsten Ausgaben genau-er auf den Inhalt der Studie eingehen.

Osttibet – kenntnisreich und einfühlsamda. «Ost-Tibet – Brücke zwischen Tibet undChina» ist einer der wenigen Bildbände, dieneben hervorragenden Aufnahmen und eineminspirierten Layout auch einen gehaltvollenInhalt bieten. Wir zitieren aus einer Buchbe-sprechung, die wir in der ersten Nummer 2004des Tibet Forums gefunden haben: «250 gross-formatige Farbbilder von traumhaften Land-schaften, von stolzen und selbstbewusstenMenschen in traditioneller Tracht, von Mön-chen und Novizen bei Gebet und Ritual, vonKlöstern, Tempeln, Stupas und Lhatses beglei-ten einen Text, der kenntnisreich und einfühl-sam die wechselhafte Geschichte der tibeti-schen Provinzen Amdo und Kham im Span-nungsfeld zwischen Lhasa und Pekingdarstellt. Das Buch gibt Zeugnis von der muti-gen Selbstbehauptung der Osttibeter in denschwierigen Jahrzehnten der zweiten Hälftedes 20. Jahrhunderts und vom Engagement derProvinzen Kham und Amdo für die tibetischenSache. Ost-Tibet ist ohne Zweifel eines dergelungensten und wichtigsten Tibet-Bücherder letzten Jahre.»

Christoph Baumann/Therese Weber, Osttibet – Brücke zwi-schen Tibet und China, Akademische Druck- und Verlags-anstalt, Graz, Herbst 2002, 250 S., Preis: 117 Fr. / 69 Euro

Naiv oder klassisch: zweiexklusive Bilderzählungenda. Die Geschichte des Prinzen Norsang isteine Bildgeschichte mit klassischen Bildern.Das Märchen von Dowa Sangmo erzählt dertibetische Maler mit naiven Darstellungen.Beide Bücher sind exklusiv, weil grossforma-tig illustrierte tibetische Geschichten seltensind und die Bücher nur bei Elisabeth Neuen-schwander bezogen werden können. ElisabethNeuenschwander ist heutzutage in der Afgha-nistanhilfe engagiert und half den Tibeternfrüher in Nepal beim Aufbau ihrer Teppich-industrie.

Bezugsadresse: Elisabeth Neuenschwander, Schwabstr. 78,3018 Bern, Tel. 031 992 72 21, Bücherpreise: Dowa Sang-mo: 30 Fr.; Prinz Norsang: 38 Fr. (beide inkl. Porto und Ver-sand in der Schweiz).

aktuellUnsere Geschenkempfehlungen

Tibetische Leseperlen und Augenweiden

aktuell

TA 86 November 2004 n 23

Unsere Geschenkempfehlungen

da. Seit bald dreissig Jahren reist der FotografOlivier Föllmi in den Himalaya, nach Tibetund in angrenzende Länder. Der Sohn einesSchweizer und einer Französin ist publizi-stisch sehr aktiv, vorwiegend als Fotograf,aber er verfasst auch selbst Texte und konzi-piert, zusammen mit einigen Mitarbeitern, sei-ne Bücher. Föllmi und seine Frau Danielleleben und arbeiten in Annecy, eine halbe Auto-stunde von Genf entfernt.

Föllmis Liebe zur Himalaya-Regionbegann 1976 in Ladakh, wo er mehrere Win-ter verbrachte und eine Reise auf dem gefro-renen Fluss von Zanskar nach Ladakh im Bild-band «Der gefrorene Fluss» verewigte. Olivierund Danielle führten zwei Kinder, für die sieauf Wunsch der Eltern die Patenschaft über-nommen hatten, auf dem gefrorenen Flussnach Indien in die Schule. 1991 hielten sie sichin der tibetischen Gemeinschaft in Indien auf,wo man ihnen zwei Kinder, Tsering und Leo-nore Pema, zur Adoption anvertraute. 1995erscheint «Hommage au Tibet», dessen TitelProgramm ist. Entsprechend nutzt der DalaiLama das Buch dem Vernehmen nach alsGeschenk für Besucher und als Gastpräsent.

Humanitäres Engagement und erfolgreicheProdukteOlivier Föllmi pflegt auf geschickte Artsowohl sein humanitäres und politischesEngagement für Tibet und die Menschen imHimalaya-Gebiet wie auch seine Aktivitätenals Herausgeber. Auf der einen Seite fördernseine Frau und er mit der 1991 in der Schweizgegründeten «Himalayan Organisation forPeople and Education» (Hope) soziale Pro-jekte und machen auf Dia-Tourneen und inMedien auf das Schicksal Tibets aufmerksam.Auf der anderen Seite plant, erschafft und ver-markten mit grossem Erfolg ihre Bücher, Bild-karten und Kalender.

Die kreative Arbeit beginnt mit dem Foto-grafieren: Nur wenigen Fotografen ist es ver-gönnt, den Himalaya so stimmungsvoll einzu-fangen wie Föllmi. Die zuweilen schwierigenLichtverhältnisse meistert er so, dass der

Betrachter sich mitten in einer fast überirdi-schen Szenerie wähnt, die an Vorstellungenvon Shangri-La gemahnt. Um seinen Büchersozusagen eine eigene Seele zu geben, beauf-tragt er tibetische Künstler mit deren Gestal-tung. Die aus einem Gesamtkonzept entstan-denen Bücher werden in grossen Auflagenweltweit verkauft.

Buddhismus im HimalayaParadestück für diese Strategie ist das volu-minöse und grossformatige Werk «Buddhis-mus im Himalaya», das im September 2002 ineiner Auflage von 100 000 Stück auf Franzö-sisch, Englisch, Deutsch und Holländischerschien. Diese unglaublich hohe Auflageermöglichte tiefe Produktionskosten unddamit einen angesichts der Qualität und desUmfangs des Werkes äusserst günstigen Preisvon 50 Euro bzw. 83 Franken – zwei Dritteldes Preises vergleichbarer Bücher. Für denText arbeitete Föllmi mit Matthieu Ricardzusammen, dem langjährigen Französisch-Übersetzer des Dalai Lama. Dieser profundeKenner des tibetischen Buddhismus wie auchder aktuellen Lage Tibets verfasste in gut ver-ständlicher Sprache einige der rund 50 Beiträ-ge, die nach dem Lebenszyklus über Geburt,Leben Tod und Wiedergeburt gegliedert sind.

Wichtig für uns ist, dass in diesem Pracht-band, der auf den ersten Blick nichts mit Poli-tik zu tun hat, durchaus auch politische Beiträ-ge vorkommen. Unter anderem schreibt diewelsche Autorin und Tibetaktivistin ClaudeLevenson über die chinesische Invasion, plä-diert Jamyang Norbu für die UnabhängigkeitTibets und denkt der Dalai Lama über TibetsZukunft nach. Der Umfang des Bandes – 400Seiten im A2-Format – sowie die Auswahl vonSpezialisten als Autoren ermöglichen einekonzise Darstellung einer grossen Themen-vielfalt, beginnend bei buddhistischen The-men wie den «Vier Edlen Wahrheiten», überPorträts der Himalaya-Länder und kulturelleThemen wie die Kunst in Tibet bis hin zu denerwähnten politischen Aspekten. Eine idealeErgänzung sind die mehr als 150 meist dop-

pelseitigen Fotos von Olivier und DanielleFöllmi, die einen nachhaltigen Eindruck hin-terlassen. Das liegt einerseits am grossen For-mat und anderseits an den manchmal kraft-vollen, manchmal leise poetischen Bildern.

Buddhistische und indische WeisheitDie Föllmis haben das Format des Kalendersweiter entwickelt. Ihre Version enthält 744Seiten, jeweils für jeden Tag zwei Seiten, ein-ne Seite für ein Foto und die andere für einenbuddhistischen Sinnspruch. Ein Buch mit«Instant-Buddhismus», das man durchaus kri-tisieren könnte. Doch zitieren wir aus derBuchbesprechung unserer Kollegen vomdeutschen «Tibet Forum»: «Das ist keine ober-flächliche Kompilation im Modetrend. Hier istmit spürbarem Engagement ausgewählt und inzehn Themenschwerpunkten gegliedert wor-den. (…) Ein Vademecum, handlich, im Quer-format, in dem man gerne blättert und das,Ästhetik und philosophische Tiefe vereinend,zum Nachdenken und Meditieren über Gottund die Welt und ihre Menschen anregt.»

Vor kurzem ist ein ähnliches Buch über die«Weisheit Indiens» erschienen. Diese beidenBände sind nach dem erwähnten global aus-gerichteten Marketingkonzept produziertworden und zielen auf ein relativ breites Publi-kum. Dieses Konzept ist unterstützungswür-dig, so lange damit auch Qualität, das heisstrelevanter Inhalt, transportiert wird. Zu wün-schen wäre auch unseren inländischen Tibet-Autoren, dass sie mit einem solchen Power-Marketing die Welt informieren könnten.Denn nur globales Wissen schützt Tibet vordem Vergessen.

Buddhismus im Himalaya, Olivier Föllmi, Matthieu Ricardund weitere, Knesebeck Verlag, 423 Seiten, 50 Euro, 84 Fr.

Die Weisheit des Buddhismus Tag für Tag, Olivier undDanielle Föllmi, Knesebeck, 744 Seiten, 365 farbige Abbil-dungen, 52.90 Fr.

Die Weisheit Indiens Tag für Tag, Olivier und Danielle Föllmi,Knesebeck, 744 Seiten, 365 farbige Abbildungen, 52.90 Fr.

Olivier Föllmi — Fotograf des Lichts

aktuell

24 n TA 86 November 2004

Osttibet war weit von Lhasa entfernt, und dieFürsten von Chinas Gnaden liessen es sichganz gut gehen, wenn sie nicht gerade gegen-einander Krieg führten oder ihr Essen in Trüb-sal einnahmen, weil sie eben wieder hattenjemanden hinrichten lassen müssen. Und dochspüren sie auch die Schattenseiten der Macht.«Ich war sehr einsam. Und der Fürst, derzukünftige Fürst, die Frau des Fürsten, sie allewaren genauso einsam, wenn es keinen Krieggab, keinen Festtag, wenn kein Diener zubestrafen war.»

So schildert der Erzähler, der angeblichidiotische zweite Sohn des Fürsten Maichi, inAlais Roman «Roter Mohn» das Leben in Ost-tibet anfangs des letzten Jahrhunderts. Vorunseren Augen erscheint eine Feudalgesell-schaft, in der Freie nach Belieben zu Leibei-genen ernannt und Leibeigene wie Tierebehandelt werden, dem familieneigenen Hen-ker mitsamt Peitsche und Folterinstrumentari-um die Arbeit nie ausgeht, dem Mönch ausdem fernen Lhasa, der Kritik zu äussern wagt,die Zunge herausgeschnitten wird (wenn auchmit Bedauern) und für das Bett des Fürsten-sohnes immer wieder dienstfertig eine schöneMaid angeschleppt wird. Der Fürst macht dieGesetze und ahndet Verstösse, ist aber auchzuständig für die Existenzsicherung seinerUntertanen. Selbst die Lamas buhlen eifrig umseine Gunst.

Das Ende der FeudalherrschaftDoch die Zeiten ändern sich. Für den Krieggegen den Nachbarn holt Fürst Maichi Hilfebei den Chinesen, die ein Arsenal modernerWaffen und gleichzeitig Samen von Schlaf-mohn anliefern, worauf sich die Keller desFürsten bis zum Bersten mit Silber füllen.Etwas später wird der Mohnanbau eine Hun-gersnot bewirken, die dank weiser Voraussichtdes Idioten das Gebiet der Maichis verschontund ihnen zu noch mehr Macht und ihm selbstzu einer schönen Frau verhilft.

Die Zeichen der Zeit dringen der selbstge-fälligen Trägheit der Fürsten wegen nur gefil-tert in ihr Gebiet, und der idiotische «Junge

Herr» mit seinem ihm treu ergebenen Gefolgeist der einzige, der sie zu deuten vermag: «[DieFürstin] war eine kluge Frau, aber nicht kluggenug, denn sie hätte wissen müssen, dass sichdie Welt veränderte. Da sich neue Dinge ent-wickelten, mussten alte Gesetzmässigkeitensich ändern. Aber das sehen die meisten Men-schen nicht.»

Die Zeit der Fürsten neigt sich dem Endezu, und der «Idiot», der den Mord an seinemBruder nicht verhindert – den an sich selbstübrigens auch nicht – und die Fürsten reichlichmit Syphilis beschenkt, hilft nur ein bisschennach. Den Leidenden gegenüber erweist ersich auf seine naive Art immer wieder alsgutherzig, als er zum Beispiel das Getreide,das eigentlich zu einem überhöhten Preis andie Nachbarfürsten hätte verkauft werden sol-len, an die Hungernden verteilt und damit neueUntertanen gewinnt.

Epos mit Elementen von magischem RealismusDer «Idiot» entpuppt sich als Visionär, der inentscheidenden Situationen gute Ideen hat,dank seinem spontanen Handeln nach demLustprinzip immer wieder in seine Idiotenrol-le zurückfällt, dann wieder etwas wie Weisheitzeigt: «Verglichen mit der Trauer über etwas,das du nicht bekommst, ist die Trauer überetwas, das du bekommst, eine unermessliche».Trocken, aber nicht unberührt schildert er dieWelt um sich herum, meistens Grausamkeit,oft Lust, manchmal Glück, immer wieder dasZiehen der weissen Wolken.

Der Roman handelt von Macht, Intrigenund Krieg, Liebesspielen und Liebe, und hatdamit Gemeinsamkeiten mit den alten Epenwie dem tibetischen Gesar-Epos. Der Krieggegen den Hauptkonkurrenten Fürst Wangpowird nicht mit Waffen, sondern mit magischenRitualen geführt, die es über dem Gebiet desFeindes hageln lassen. Magie und Zukunftsvi-sionen des «Idioten» erinnern an die grossenRomane lateinamerikanischer Schriftstellerwie die eines Gabriel Garcia Marquez – nur istdieser weniger packend und abwechslungs-reich geschrieben. Besonders der Anfang istetwas gar episch geraten.

Der Tod des ZeitzeugenDer 1959 in Markang (ehemals ProvinzAmdo) geborene Alai, dessen Erzählungenauch schon in der von Alice Grünfelder her-ausgegebenen Anthologie «An den Lederrie-men geknotete Seele» erschienen sind,schreibt Chinesisch – und lebt in China. Selbstwenn das feudale Tibet sicher alles andere alsein Shangri-La war, auch wenn die Figurenund Geschehnisse im Roman durchaus diffe-renziert gezeichnet sind – differenzierterjedenfalls, als es in der Zusammenfassung derHandlung erscheinen mag –, stellt sich dochdie Frage, ob das Werk nicht Wasser auf dieMühle der kommunistischen Theorie von der«Befreiung Tibets» ist. Wohl nicht ganz zufäl-lig hört das Buch mit dem Einmarsch derRoten Armee auf. Deren Soldaten, schlicht als

«Rote Chinesen»bezeichnet, verschonen imRoman grosszügig die Überläufer wie auchden Erzähler. Er aber stirbt und mit ihm auchseine Rolle als Kommentator der weiterenhistorischen Ereignisse nach 1950.

Alai hat in China grossen Erfolg. Er wur-de für seinen Roman mit dem wichtigen«Mao-Dun-Preis» ausgezeichnet und ist heu-te Chefredakteur des grössten chinesischenScience-Fiction-Magazins. Dana Rudinger

Alai, Roter Mohn. Unionsverlag 2004,440 S. 38.90 Fr.

Roter Mohn und weisse Wolken

René Guyer gestorbenGSTF René Guyer aus Bern fühlte sichTibet zeitlebens verbunden. Besonderseng wurde diese Verbindung nach seinemdreijährigen Einsatz als Ingenieur fürHängebrücken in Nepal (1980–83). Erinteressierte sich stets für die Neuigkeitenund Entwicklungen der GSTF. Nach sei-nem Ableben im Mai 2004, kurz nach sei-nem 71. Geburtstag, durften auch wir einLegat von ihm entgegen nehmen, wofürwir herzlich danken.

Ein Roman des Tibeters Alai aus der Zeit bis zur chinesischen Invasion

Das Drogengeschäft blühte mit Hilfe der Chinesenauch in Osttibet

Aktuelle Tibet-Werbung vonFrank Bodinda. Frank Bodin, der Chef der WerbeagenturEuro RSCG Zürich, der mehrere Werbekam-pagnen für Tibet schuf (u.a. Kreuz- und Olym-pia-Kampagne), gestaltete vor kurzem eineSeite, die er im «Blick» unterbrachte: AusAnlass des dreisten Diebstahls des berühmtenMunch-Bildes «Der Schrei» zeigte er ein Bildder leeren Wand, wo das Meisterwerk gehan-gen hatte mit dem Untertitel «Millionen Men-schen schreien immer noch». Der Orginaltext:«Der Raub des berühmten Gemäldes erschüt-tert. Das sollten auch Menschenrechtsverlet-zungen tun. In Tibet sind Folter und Zwangs-abtreibungen an der Tagesordnung. Undnatürlich gibt es auch keine Freiheit in derKunst. Wir hoffen, dass Edvard Munchs Mei-sterwerk bald wieder auftaucht. Und dass Siezum Überleben der tibetischen Hochkulturbeitragen. Mehr zum Schrei von Menschen,deren Rechte man mit Füssen tritt: GSTF,www.tibetfocus.com.» Wir danken dem ini-tiativen Werber, der uns immer wieder mitspektakulärer Werbung unterstützt, für seinejüngste Tat.

Franz Reichle

Autopoiesis

Aktueller und geplanter Filmaktuell

TA 86 November 2004 n 25

Bedächtig folgt die Kamera dem fliessen-den Wasser, dem Flug des Vogels, dem Flug-zeug am Himmel auf ihrer Fahrt nachMonte Grande, dem Familientreffpunktund Zufluchtsort des chilenischen Wissen-schaftlers Francisco Varela.

So beginnt der neueste Dokumentarfilm«Monte Grande – what is life?» von FranzReichle («Das Wissen vom Heilen»). Vorder-gründig handelt es sich dabei um ein PorträtFrancisco Varelas, doch geht es, wie der zwei-te, von einem wissenschaftsphilosophischen

vard Biologie. Er war ein aussergewöhnlicherWissenschaftler, aber auch ein besondererMensch: intellektuell begabt, geistig wach,vielseitig interessiert, eigenständig denkend,intensiv lebend, von tiefer Spiritualität. Alsjunger Mensch schon machte er spirituelleErfahrungen, die üblicherweise erst nach jah-relanger Meditation möglich sind. In den USAbegann er, unter Anleitung seines LehrersChögyam Trungpa zu meditieren und lerntedabei, allgemeine philosophische Fragen inden Hintergrund zu stellen und zunächst ein-mal sich selbst kennen zu lernen.

Brückenschlag zwischen Wissenschaft undBuddhismusAls Neurobiologe und Kognitionswissen-schaftler betrat Varela neue Wege. Im Gegen-satz zur damaligen Lehrmeinung sah er denGeist, das Bewusstsein nicht als unabhängigeForschungsobjekte, sondern begann sie alsTeil seiner selbst zu untersuchen. Forschungdürfe die Natur nicht manipulieren, sagte er,sondern müsse die Person des Forschersimmer mit einbeziehen. Zusammen mit sei-nem Lehrer Herberto Maturana prägte er denBegriff «Autopoiesis» (siehe Kasten). Danacherschafft nicht nur jedes Lebewesen sichselbst, sondern konstruiert auch seine eigeneWirklichkeit. Aus dieser Idee folgt unmittel-bar, dass jedes Individuum autonom ist undentsprechend Verantwortung trägt.

«Eine Biene träumt sich eine Blume, unddie Blume träumt sich die Biene. Nimmt maneins von beiden weg, kann das andere nichtexistieren.» Dieses Bild illustriert anschaulichzwei Aspekte von Varelas Sichtweise, dieBerührungspunke mit der buddhistischen Phi-

losophie bilden: Einerseits enthält es das Bildder Abhängigkeit aller Dinge voneinander,andererseits ist darin Varelas Aussage enthal-ten, dass es keine von Wahrnehmung unab-hängige Realität gibt, sondern dass Wirklich-keit erst durch das Zusammentreffen von Sin-nesreizen mit den sie verarbeitendenHirnstrukturen entsteht. Weiter gedacht führtdiese Sicht zur Vorstellung, dass wir die Welt,in der wir leben, gemeinsam erschaffen.

Varela rief zusammen mit Adam Engle dieersten Mind-and-Life-Konferenzen insLeben, an denen sich der Dalai Lama undandere Buddhisten mit westlichen Wissen-schaftlerInnen über Erkenntnisse aus demBuddhismus und den westlichen Wissen-schaften sowie über philosophische Fragenaustauschen. Der Dalai Lama bezeichnet imFilm Varela als Freund und spirituellen Bru-der, als einen der wenigen Menschen, dieErkenntnisse westlicher Wissenschaften sodarlegen können, dass sie für einen Buddhi-sten verständlich werden.

Im Laufe der Dreharbeiten erkrankteVarela, der bereits eine Lebertransplantationund Chemotherapien hinter sich hatte, erneutsehr schwer. Auf glaubwürdige Weise schilderter, wie ihm nicht zuletzt seine Krankheit Ein-blicke in tiefere Bewusstseinsschichten erlaubthat, Schichten, die vielleicht mit dem buddhis-tischen «substanziellen Bewusstsein» identischsind, das den Menschen im Traum, in tieferMeditation oder im Tod erscheinen kann.

Dem Tod, den er als «Spiegel der Erfah-rungen, des eigenen Geistes und dessen, wasman ist» bezeichnete, sah Varela gelassen ent-gegen. Im Gespräch kurz vor seinem Tod lie-ferte er ein anschauliches Bild dessen, wasman sich unter Reinkarnation vorstellen könn-te, nämlich neues Leben, ein neues Individu-um mit neuem Geist, das sich aus einem Fluss

«Die Welt ist unser gemeinsamer Tanz»Neuer Film von Franz Reichle

Der Dalai Lama nennt Varelaseinen Freund und spirituellenBruder

Fotos: Filmverleih

Francisco Varela, Wissenschafter und

Buddhist DR. Der von Francisco Varela und seinemLehrer Humberto Maturana geprägteBegriff «Autopoiesis» heisst wörtlich über-setzt «(sich) selbst machen». Dieser Begriffbedeutet, dass ein lebendes System nichtetwas von aussen Abhängiges, sondernetwas Autonomes ist, das sich unter günsti-gen Bedingungen nicht nur selbst kreiert,sondern seiner Umwelt auch eigene Bedeu-tungen zuspricht. Das Lebewesen – alsoauch der Mensch – hat damit die Freiheit,sich seine Welt selbst zu erschaffen, anstattdarauf nur zu reagieren. Es liegt an uns, obwir die in unserem biologischen Erbe ange-legten Gesetze des Lebens erkennen unddanach handeln oder ob wir sie verkennenund die Grundlagen unseres Lebens undunserer Menschlichkeit zerstören. Damitwird Darwins Postulat, dass Entwicklungdurch Anpassung an äussere Bedingungenentsteht, sozusagen auf den Kopf gestellt.Ebenfalls im Gegensatz zu Darwins Lehresind laut Maturana und Varela nichtKonkurrenz, sondern Kooperation undToleranz die Grundlagen des Lebens.(Teilweise übernommen aus Maturana,Varela, Der Baum der Erkenntnis.)

Der Regisseur Franz Reichle wurde 1949 inder Ostschweiz geboren und studierte Gra-fik an der Schule für Gestaltung in Zürich.An der Hochschule für bildende Künste inHamburg bildete er sich zum Filmregisseurweiter. Zwischen 1981 und 1984 war er amAufbau der Abteilung Film an der ZürcherSchule für Gestaltung beteiligt, wo er heu-te wieder lehrt. Nach seinem fünfjährigenAufenthalt im ostsibirischen Burjatien ent-standen die Filme «Traumzeit» über denUntergang eines schamanistischen Volks-stamms in Ostsibirien und «Das Wissenvom Heilen» über tibetische Medizin.«Monte Grande» ist sein sechster Film.

Werk stammende Teil des Titels («Was istLeben?») andeutet, um weit mehr. Varela, vonseiner Familie liebevoll Pancho genannt, wur-de 1946 in Chile geboren und studierte in Har-

aktuell

Aktueller und geplanter Film

26 n TA 86 November 2004

werdenden, todkranken, aber bis zuletzt kla-ren Varela werden durch Aussagen von Fami-lie, Freunden und Kollegen ergänzt, die ausihrer Sicht Licht auf seine Person und seineumfassende Philosophie werfen. Aus Kilome-tern von Film hat der Regisseur geschickt weitmehr als ein Porträt zusammengestellt; wirkönnen nur vermuten, welche Mengen aninteressantem Material nicht Eingang findenkonnten. Immerhin soll ein Teil davon füreinen weiteren Film, «Mind and Life», ver-wendet werden (siehe Textkasten).

Menschliches Wissen könne sich auf ver-schiedene Arten manifestieren, sagt Varela,zum Beispiel als Wissenschaft oder Kunst –Weisheit aber sei etwas anderes. Alle drei, Weis-heit, Wissenschaft und Kunst, sind in diesemFilm zu einem harmonischen Ganzen vereint.

Franz Reichle wurde von einer Aussagedes Dalai Lama zum Zusammenhang zwi-schen Körper und Geist zu diesem Film ange-

regt. Als er vor sieben Jahren mit den Drehar-beiten begann, wusste er noch nicht genau,was aus seinem Projekt werden würde. EinenFilm zu machen über etwas, was er schonkennt, interessiere ihn nicht, sagt Reichle; ermöchte beim Filmemachen Neues lernen. Mitihm erfährt auch die Zuschauerin, was Lebensein kann, und verlässt den Kinosaal mit tie-fen Eindrücken und zahlreichen Denkanstös-sen. Dana Rudinger

Der Film «Monte Grande what is life?» läuft in Zürich.Der Film «Mind and Life» sowie ein Set von fünf DVDs zuVarela und Mind and Life, beide von Franz Reichle, erschei-nen im nächsten Jahr bzw. übernächsten Jahr.

Bücher: Francisco J. Varela, Traum Schlaf und Tod –Der Dalai Lama im Gespräch mit westlichen Wissenschaft-lern, Serie Piper (TB). Humberto R. Maturana, Francisco J.Varela, Der Baum der Erkenntnis – Die biologischen Wur-zeln menschlichen Erkennens, Scherz TB. Francisco J.Varela, Evan Thompson, Eleanor Rosch, Der mittlere Wegder Erkenntnis – Der Brückenschlag zwischen wissenschaft-licher Theorie und menschlicher Erfahrung, Goldmann TB.

des substanziellen Bewusstseins formt. «Füreinen westlichen Wissenschaftler ist dasschwer vorstellbar», war sein skeptischerKommentar, doch wollte er eine Antwort aufdie Frage, ob es Reinkarnation gibt, vorläufigoffen lassen.

Neue Erfahrungen beim FilmenDie in Interviewsequenzen und an Symbolikreichen Bildern dargestellten komplexenZusammenhänge lassen sich nur schwer nach-erzählen. Die Intensität des Films ist überwäl-tigend, doch immer dann, wenn der Geist desZuschauers zu ermüden droht, gönnt unsReichle eine Ruhepause in der Küche desFamilienanwesens, in der wir bei der Herstel-lung der traditionellen Empanadas zuschauen.Die Ausführungen des uns immer vertrauter

Gendün Choephel kommt auf die Leinwand

uh. «Kundün» (Scorsese, 1997) und «SiebenJahre in Tibet» (Annaud,1997) hiessen dieKassenschlager, die bei einem breiten Publi-kum eine Welle des Interesses für Tibet auslö-sten. Diese ebbte bald wieder ab und löstesogar eine Gegenbewegung aus; sie kritisiertedas in den beiden (und anderen) Filmengespiegelte Tibetbild als westliche Projektion.

Die Diskussion über das, was Tibet wirk-lich war und ist, dauert fort. Sie wird nächstesJahr durch den 90-minütigen Film «AngryMonk – Reflections on Tibet» aus der Werk-statt der angry monk productions in Zürichneue Nahrung erhalten. Der Regisseur undFilmproduzent Luc Schaedler hat über 100Tibetfilme visioniert und danach den typi-schen Beginn eines solchen Streifens etwa wiefolgt persifliert: «Nach einem Schwenk überdie schneebedeckten Berge des Himalaya wer-den zerfurchte Gesichter von meditierendenMönchen oder die Golddächer buddhistischerTempel gezeigt, Buddhastatuen und brennen-de Dochte von Butterlampen mit Gesichternvon betenden Gläubigen in Überblendungenverschmolzen, und das Ganze wird mit psy-chedelischer Synthesizermusik und tibeti-

schen Klosterbässen untermalt.» Man mussSchaedler Recht geben: solche Stereotypengibt es zuhauf.

Doch diesem gängigen Muster wird seinDokumentarfilm «Angry Monk» nicht folgen,sondern im Gegenteil versuchen, ein Gegen-gewicht zu setzen. Dazu eignet sich die Bio-graphie des genialen Amdo-Tulku und späte-ren «Ketzers» Gendün Choephel (1903–1951)vorzüglich. Der hochbegabte Gelehrte, Über-setzer, Poet und Maler, aber auch reisefreudi-ge Exzentriker, Frauenliebhaber, religiöseund politische Rebell passt schlecht ins tradi-tionelle westliche Tibetbild. Deshalb könnensich auch heute, über fünfzig Jahre seinemTod, die Geister an der Interpretation seinerLebensgeschichte entzünden. Bloss ein enfantterrible des tibetischen Buddhismus? Für vie-le, auch junge Tibeter galt und gilt er als Sym-bol eines sich reformierenden und öffnendenTibet, das die verkrustete und konservativeHaltung eines massgeblichen Teils von Klerusund Adel abwerfen will. Aber Gendün Choe-phel ist wie die freiwillige Reformation undÖffnung Tibets schliesslich gescheitert, seineWidersacher haben ihn verhaften lassen undins Gefängnis geworfen. Gesundheitlich rui-niert, hat er die gewaltsame «Öffnung» desLandes mit dem Einmarsch der Chinesen inLhasa kurz vor seinem Tod miterleben müssen.

«Der Film folgt den Spuren, die der Rebellin Tibet und Indien hinterlassen hat. InGesprächen mit alten Zeitzeugen und jungenTibetern entwickelt er ein spannendes Gegen-bild zum mystifizierten Tibet», schreibtSchaedler. Man darf gespannt sein.

Weitere Informationen www.angrymonk.ch istu.a. auch Schaedlers Text «Tibet – ein Projek-tionsfeld westlicher Phantasien?» zu finden.

In Zürich entsteht ein etwas anderer Tibetfilm: «Angry Monk – Reflectionson Tibet» («Der zornige Mönch – Überlegungen zu Tibet») von LucSchaedler steht in der Schlussphase der Produktion. Der Dokumentarfilm,der Leben und Wirken von Gendün Choephel nachzeichnet, soll ab Herbst2005 zu sehen sein. Er dürfte die Diskussion um den «Mythos Tibet» neubeleben.

DR. Als Kind war der Dalai Lama vonUhren und Fernrohren fasziniert, und die-ses Interesse an Technik und westlicherWissenschaft ist ihm bis heute geblieben.Bei einer Begegnung mit dem damalszweiundvierzigjährigen NeurobiologenFrancisco Varela an einer Konferenz ent-stand die Idee, den Dialog zwischen Budd-hismus und Wissenschaft zu vertiefen.Unabhängig davon hatte der an östlicherPhilosophie interessierte Jurist AdamEngle nach einem Besuch buddhistischerKlöster im Himalaya die gleiche Idee.Engle als administrativer Leiter und Varelaals wissenschaftlicher Koordinator orga-nisierten zusammen mit Michael Sautmanund dem Büro des Dalai Lama 1987 dieerste «Mind-and-Life-Konferenz» in Dha-ramsala, während der in einem abge-schlossenen Rahmen Seine Heiligkeit mitKognitionswissenschaftlerInnen undNeurobiologen über Fragen der wissen-schaftlichen Methode, der Erkenntnis, derHirnentwicklung und der Evolution disku-tierte. Die Teilnehmenden empfanden denDialog als so befruchtend, dass er seitherin zweijährlichem Rhythmus fortgesetztwird, vor allem zu Themen aus der Psy-chologie, der Wissenschaftsphilosophie,der Biologie und der Physik. Zu den Kon-ferenzen sind unterdessen sieben Bücherveröffentlicht worden.Gleichzeitig fördert das «Mind-and-Life-Institut» gemeinsame Forschungsprojektezwischen Buddhisten und Wissenschaftle-rInnen, beispielsweise die Untersuchungder Hirnaktivität während der Meditation,mit dem Ziel, eine ganzheitlichere Sichtder Welt zu erhalten und Methoden zu fin-den, die es den Menschen ermöglichen,sich weiter zu entwickeln und ihr Leid zumildern. Um den Austausch zwischen öst-licher Philosophie und westlicher Wissen-schaft auf eine breitere Basis zu stellen,rief der Dalai Lama 2001 das Projekt«Science meets Dharma» ins Leben, indem tibetische Mönche und Nonnen inNaturwissenschaften unterwiesen werden.

Webseite: www.mindandlife.org

Mind and Life

Mönch aus dem Kloster, in dem Gendün Choe-phel studierte Foto: L.Schaedler

aktuell

TA 86 November 2004 n 27

Das Museo Nazionale besitzt eine schöne Samm-lung von Votivplättchen, ähnlich diesem aus dem12 Jahrhundert.

DR. In Rom atmet jede Strasse, jedes Gebäu-de Geschichte – nicht minder der Palazzo, indem das staatliche Museo Nazionale d'ArteOrientale, kurz MNAOr, untergebracht ist.Eine breite Treppe führt zu den Museumsräu-men, die der italienische Staat seit 1957gemietet hat. Die Räume des altehrwürdigenPalastes sind etwas dunkel, bieten aber idealeklimatische Bedingungen für die wertvollenSammlungen. Irgendwo im oberen Stockwerkresidiert noch die betagte Besitzerin, die Prin-cipessa Brancaccio.

Den Grossteil der Tibet-Himalaya-Samm-lung hat der Tibetologe und Mitbegründer desMNAOr, Giuseppe Tucci (1894–1984), vonseinen Expeditionen mitgebracht. Einige

Tuccis ThangkasStücke stammen von anderen Sammlern oderwurden konfisziert, als sie illegal exportiertwerden sollten. Gezeigt werden, in schönenVitrinen, aber konventionell präsentiert, zahl-reiche Tsa-Tsas (tönerne Votivplaketten),daneben Statuen aus Metall und Holz (zumBeispiel eine hölzerne Durga aus Nepal aus dem18. Jahrhundert), Ritualobjekte, Schmuck, undsogar ein tibetisches Fresko aus dem 16. Jh., diezornvolle Gottheit Yama darstellend.

Zur Zeit meines Besuchs war unter ande-rem ein nepalesisches Bhavacakra-Thangkaaus dem 19. Jh. aufgehängt, auf dem die sechs

Welten dargestellt sind, in die man wiederge-boren werden kann. Auf einem anderen, tibe-tischen Thangka aus dem 18. Jh. war ein Vaj-radhatu-Mandala zu sehen. Das Mandala wur-de von Tucci selbst als «Psychokosmogramm»bezeichnet, das gleichzeitig den Mikrokosmos(unsere Innenwelt) und das Universum dar-stellen soll. Leider sind aus Platzgründen nurwenige von Tuccis vielen Thangkas ausge-stellt, zudem befinden sie sich teilweise inRestauration. Sie werden periodisch ausge-wechselt. In einer Spezialausstellung solldemnächst eine grössere Anzahl von TuccisThangkas zumindest vorübergehend derÖffentlichkeit präsentiert werden.

Andere Abteilungen beherbergen Samm-lungen aus Gandhara (grösstenteils ebenfallsvon Tucci akquiriert), Pakistan und Indien, ausdem Nahen und Mittleren Osten, aus Japanund China. Im ehemaligen Schlafzimmer derPrincipessa ist stilvoll das chinesische Porzel-lan untergebracht.

Es überrascht kaum, dass das Museumeher spärliche Besucherzahlen aufweist, istdoch Rom den meisten von uns nicht geradeals Mekka für Tibetfreunde bekannt. Speziali-sten hingegen wissen um die bedeutendeSammlung des Museums, und falls Sieohnehin eine Reise in Italiens Hauptstadt pla-

Tibetische Kunst in europäischen Museen (4)

Neues Präsidium bei derTibetergemeinschaftDie tibetischen Volksvertreter haben ein neu-es Präsidium der Tibeter Gemeinschaft, deralle TibeterInnen in der Schweiz angehören,gewählt. Präsident ist Lobsang Gangshontsangaus Hinteregg, der unter anderem Präsidentder GSTF war, und Pasang Memmishofer istVize. Jahrelang war sie für die tibetischeFrauenorganisation TFOS tätig. Wir gratu-lieren beiden herzlich. Eine Vorstellungerfolgt im nächsten Tibet aktuell.

Italiens Star-TibetologeGiuseppe Tucci wurde 1894 geboren undstudierte Literatur an der Universität Rom.Von 1925 bis 1930 lebte er als Lehrer fürItalienisch, Tibetisch und Chinesisch inIndien und begegnete bei dieser Gelegen-heit wichtigen Persönlichkeiten wie Mah-atma Gandhi. Aus dieser Zeit stammt auchseine Faszination für die grossen indischenReligionen, Buddhismus und Hinduis-mus. 1932 wurde er zum Professor fürReligionen und Philosophie Indiens unddes fernen Ostens an der Universität Romernannt. Zwischen 1929 und 1948 führteTucci sechs Expeditionen nach Tibetdurch; vier weitere führten ihn zwischen1950 und 1954 nach Nepal. Er war einerder Initianten des Italienischen Instituts fürden Mittleren und Fernen Osten (Ismeo),dem er vorstand. Neben zahlreichen wissen-schaftlichen Publikationen (darunter dasmehrbändige «Indotibetica» sowie derdreibändige Klassiker «Tibetan PaintedScrolls» über Thangkas) beschrieb er inBüchern für das allgemeine Publikum seineReisen, wie in «To Lhasa and Beyond»(«A Lhasa e oltre»). Giuseppe Tucci wur-de neunzig Jahre alt.Auf Deutsch erschienen sind u. a. G. Tucci und W. Häs-sig, Die Religionen Tibets und der Mongolei, Stuttgart1970, und in der Serie Archaeologia Mundi: G. Tucci,Tibet, Nagel-Verlag Genf 1973

Thangka mit goldenem Hintergrund, die GöttinNampargyelma darstellend (Museo Nazonale)

TSH Der Ew. Geshe Jampel Senge aus demTibet-Institut Rikon studierte im südindischenExilkloster Sera die fünf grossen Kostbarkei-ten (Prajnaparamita, Madhyamika, VinayaSutra, Abhidharma Kosa und Pramana) underhielt 1991 den Grad eines Geshe Lharampa.Danach trat er dem Gyumed Tantric Collegebei, wo er insgesamt 19 Jahre lang studierteund von S.H. dem Dalai Lama persönlich dieVollordination als Mönch erteilt bekam. InCoolbellup, Perth Australien, gründete er einZentrum für tibetische Philosophie und Kul-tur, dem er von 1996 bis 2004 als spirituellerLeiter und Lehrer vorstand. Seit Juni 2004 lebter auf Wunsch S.H. als Assistent des Abtes imKlösterlichen Tibet-Institut Rikon.

Neu im Tibet-KlosterRikon

nen, wäre dies ein günstiger Zeitpunkt, um siemit einem Besuch bei Tuccis Thangkas zuergänzen.

Das MNAOr befindet sich an der ViaMerulana 248, 10 Minuten von der Chiesa Sta.Maria Maggiore entfernt, bei der U-Bahn-Sta-tion Piazza Vittorio Emanuele. Öffnungszei-ten: montags, mittwochs, freitags, samstags8:30–14 Uhr, an den anderen Tagen und anFeiertagen 8:30–19:30 Uhr. Eintritt: 4 Euro.

www.tenzindelek.orgDie Tibetunterstützungsgruppe InternationalCampaign for Tibet Deutschland ICT hat eineWebsite für Tenzin Delek Rinpoche zusam-mengestellt, auf der man einen Überblick überdie Aktionen zugunsten des zum Tode verur-teilten tibetischen Würdenträger erhält. Hierkönnen auch weitere Aktionen gemeldet wer-den. Mail an [email protected].

Tibet-Karte mit EngagementArne Rohweder hat in seinem Kartenverlageine sorgfältig gemachte Tibetkarte herausge-geben, die auch die tibetischen Namen derOrte und Klöster enthält. Erhältlich ab EndeOktober.; Tel 044 980 61 21; [email protected]

aktuell

28 n TA 86 November 2004

Umweltbericht der Exil-RegierungDie Übersetzung des Berichts 2003 über denZustand der Umwelt in Tibet, sowie dieZusammenfassung des Umweltberichtes 2000des Environment & Development Desk desDepartment of Information and InternationalRelaltions der tibetischen Regierung-im-Exilliegt nun als Broschüre mit Ringspiralenbin-dung vor und kann um Euro 5 plus Porto beider IGFM bestellt werden.

Internationale Gesellschaft fur Menschen-rechte (IGFM), Arbeitsgruppe München,Jürgen Thierack, Rudolfstr. 1, 82152 Planegg,Tel (+49 89) 85 98 440, Fax (+49 89) 871 39357, [email protected], www.igfm-muenchen.de, Spendenmöglichkeit: IGFMMünchen, Kto 1583 93-803, PostbankMünchen, BLZ 700 100 80, IBANDE71700100800158393803 - BIC PBNK-DEFF

Tibeter und Schweizer laufenfür Olympia Kampagne

20 Personen sind im Rahmen des Internatio-nalen Greifenseelaufs am 19. September fürdie Olympia-Kampagne «2008-FreeTibet»gelaufen. Unter diesen Läuferinnen und Läu-fer waren es sowohl Tibeter wie auch Schwei-zer. Der jüngste Teilnehmer war 12 Jahre altder älteste knapp 50. Je nach Geschlecht, Alterund Vermögen konnte man sich für eine Kate-gorie (von 3,2 km bis 21km) entscheiden. ImVorfeld des Laufes wurden die Mitglieder derGSTF, des VTJE sowie die Freunde der Läu-fer und Läuferinnen angefragt, den Lauf miteinem Beitrag zu unterstützen. Das Geld istzugunsten von «2008-FreeTibet». Nach denRennen gab es noch ein gemütliches Beisam-mensein, welches von Nyima Thondup undTseten Allemann organisiert wurde. ImNamen der Olympia Kampagne überreichteTenzin D. Sewo jedem ein T-Shirt mit demLogo der Kampagne.

Choenden Tethong, der jüngste Tibet-Teilnehmer

DruckfehlerIn der letzten Ausgabe wurde die tibe-tische Version des Editorials von RuthGonseth nicht vollständig abgedruckt. Wir bitten um Entschuldigung unddrucken hier den vollständigen Text.

TA 86 November 2004 n 29

GSTF Die Gesellschaft Schweizerisch-Tibeti-sche Freundschaft verfolgt die Reise von Bun-desrat Pascal Couchepin nach Tibet mit aller-grösstem Unbehagen. Mit gutem Grund habenes ausländische Staatsoberhäupter und amtie-rende Minister bisher tunlichst vermieden,nach Tibet zu reisen. Denn von chinesischerSeite wurde immer wieder versucht, mit sol-chen Besuchen Legitimation für die Beset-zung Tibets herzustellen, und die Visiten wur-den für interne Propagandazwecke mis-sbraucht. Die Schweiz darf auf Grund ihrerlangen Beziehung zum tibetischen Volk keineSignale aussenden, die als Gutheissung dervölkerrechtswidrigen Besetzung Tibets ver-standen werden könnten.

Die GSTF begrüsst zwar, dass sich dieoffizielle Schweiz an der Restauration desKlosters Ramoche im Norden von Lhasa mit200'000 Franken beteiligt hat. Doch dazubraucht es keinen Bundesratsbesuch.Während der Kulturrevolution hatten die chi-nesischen Besetzer über 3000 tibetische Klö-ster zerstört und die Religionsfreiheit wirdseither massiv unterdrückt. Wir hoffen daher,dass das Kloster Ramoche nicht allein zueinem neuen Vorzeigeobjekt für den Touris-mus wird, wie dies bei den wenigen bisherwieder renovierten Klöstern der Fall ist. Wirfordern, dass sich Pascal Couchepin bei sei-nem Besuch dafür einsetzt, dass die tibetischeBevölkerung im Kloster Ramoche und imganzen Land ihren Glauben ohne Einschrän-kungen ausüben darf, dass sie mehr Selbstbe-stimmungsrechte erhält, und dass endlich dervom Dalai längst geforderte Dialog aufge-nommen wird. Engagierte Gespräche zu die-sen Fragen müssten allerdings nicht bei einemBlitzbesuch in Lhasa, sondern mit den kom-munistischen Machthabern in Peking geführt

werden. Denn dort wird über die ZukunftTibets entschieden. Wir sind gegen Touristen-besuche von Regierungsmitgliedern in Tibet.

Die Schweiz gehört zu den ersten westli-chen Ländern, die das neue kommunistischeRegime vor 1951 anerkannt hat. Das heisst,Tibet war zur Zeit der diplomatischen Bezie-hungsaufnahme zwischen Bern und Pekingnicht von China annektiert. Die BesetzungTibets wurde erst 1951 von China mit demsogenannten 17-Punkte-Vertrag, einem aufge-zwungenen Vertrag, formalisiert.

Der Besuch von Bundesrat Couchepinwirft sehr viele Fragen auf. Infolge der gehei-men Vorbereitung bestand nicht die Möglich-keit, auf diese Fragen eine Antwort zu erhal-ten. Wir werden aber nach der Rückkehr desBundesrates auf Klärung dringen und Rechen-schaft über diesen Besuch verlangen.

Stellungnahme der Tibeter Gemeinschaftund der ParlamentariergruppeDie Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz bit-tet Bundesrat Couchepin, nicht nur die begrüs-senswerte Restauration des Klosters Ramochein Tibet zu unterstützen, sondern sich auch fürdie Achtung der fundamentalen Menschen-rechte in Tibet und die Freilassung von politi-schen Gefangenen einzusetzen. Ferner fordertdie Tibeter-Gemeinschaft der Schweiz, dassBundesrat Couchepin sich für einen substan-ziellen Dialog zwischen der Führung derVolksrepublik China und der tibetischen Exil-regierung stark macht.

TADer Zürcher SP-Nationalrat und Präsi-dent der parlamentarischen Gruppe für Tibet,Mario Fehr, sah im Vorfeld der Reise durchausein Risiko, dass der Besuch von den chinesi-schen Behörden für Propagandazwecke mis-sbraucht werden könnte. Er kann dem bun-

desrätlichen Zwischenstopp in Lhasa aberauch gute Seiten abgewinnen. Die Schweiz, soFehr, sei nicht nur als Spenderin, sondern auchals das europäische Land mit der grössten tibe-tischstämmigen Bevölkerungsgruppe beson-ders verpflichtet, sich für die Anliegen Tibetseinzusetzen. Bundesrat Couchepin habe dieChance, die desolate Menschenrechtslage inTibet zur Sprache zu bringen, sich für politi-sche Gefangene – insbesondere für den zumTode verurteilten Tenzin Delek Rinpoche –einzusetzen und darauf hinzuwirken, dasszwischen der chinesischen Regierung und dertibetischen Exilregierung endlich ein «sub-stanzieller» Dialog geführt wird.

Bemerkenswertes «tibetisches» Körperpflege-mittel in London von D. Rudinger entdeckt undfestgehalten

Dove oder doof?Da weiss die Firma Lever Fabergé, Herstelle-rin der «Dove»-Produkte, mehr als wir: Vontibetischen Schlammpackungen haben wir bisanhin nie etwas gehört, und Tantra hielten wirbisher nicht für eine Wellness-Methode, son-dern für eine Richtung im Hinduismus bzw.Buddhismus. Aber wir lernen gern dazu. Oderhaben wir da irgendwo ein hinter britischemUnderstatement verstecktes Augenzwinkernübersehen?

TA bleibt dran und erkundigt sich.

Fragwürdiger Besuch von Bundesrat Couchepin in TibetTA Wie die Öffentlichkeit erst am Vortag seines Abflugs erfuhr, reisteBundesrat Couchepin am 10. Oktober nach Shanghai zu einem Treffen vonKulturministern. Auf dem Weg dorthin besuchte er – als erster Bundesratüberhaupt – Lhasa. Die Tibet-Organisationen und die ParlamentarischeGruppe für Tibet äussern sich kritisch und stellen Forderungen.

Eine Benefizveranstaltung mitVorträgen und Dias von

Dr. Herbert Schwabl, Padma AGDas Wissen vom Heilen – neue Entwick-lungen in der Tibetischen Medizin

Dhakpa N. Ott, Exiltibeter, Koordinator derKailash-ProjekteTibetische Medizin und Umwelt am BergKailash

Eintritt : 20 Fr. Studierende : 15 Fr.

Bern, Donnerstag, 18.November , 20.00 him grossen Saal der Schulwarte, Helvetia-platz 2, Bern

Riehen, Donnerstag, 25. November, 19.30 hin der Alten Kanzlei, Riehen bei Basel

Zürich, Donnerstag, 9.Dezember, 20 h imVolkshaus, Stauffacherstrasse 60, Zürich

Veranstalter: Verein TIBETFREUNDEPostfach Kramgasse 825 3000 Bern 8

Der Reinertrag der Veranstaltungen geht zuGunsten der Kailash-Projekte

Einblicke in die TibetischeMedizin in Ostund West

aktuell

30 n TA 86 November 2004

Veranstaltungen

Neue Öffnungszeiten ab 1. November: Freitags 14 – 18 Uhr oder nach telefonischerVereinbarung. NovemberBis 10.12.04 Ausstellung «Ladakh – eineAnnäherung». Der Fotograf Michael Mar-chant zeigt in seiner Ausstellung (Vernissa-ge Sa 16.10., 16.00h) das Ergebnis seinesSchaffens während den vier Jahren, die erin Ladakh lebte und arbeitete. Die Bilder ste-hen zum Verkauf und können während denÖffnungszeiten und den Abendveranstal-tungen besichtigt werden.

DO 4.11.04,19.00 h, Buddhistische Beleh-rung und Meditation. Ew. Geshe JampelSenge lehrt uns aus der buddhistischenBotschaft an die Welt: Warum die Friedfer-tigkeit die Basis zur Glückseligkeit allerLebewesen auf unserem Planeten ist undes notwendig ist, unser kostbares Lebeneinem bedeutungsvollen Zweck zu widmenund so durch Güte allen Wesen zu nützen.Die Belehrungen werden in englischerSprache gehalten. Anschliessend an dieBelehrung folgt eine Meditationsübung. Die Teilnehmer werden gebeten, ihr eigenesMeditationskissen sowie warme Sockenmitzubringen.Weitere Belehrungen mit Geshe-La findenstatt an den Donnerstagen 25.11.04,20.1.05 und 27.1.05. Unkostenbeitrag: Fr.

20 pro Abend und pro Person. Lebenslauf-angaben über Geshe Jampel Senge S. 27

FR 12.11.04, 19.30 h, Ladakh – eineAnnäherung. Diavortrag von MichaelMarchant. 1998 begann der englischeDokumentarfotograf Michael Marchant sei-ne vierjährige Arbeit in Ladakh mit derAbsicht, ein Buch über das Zusammen-leben der urbanen und dörflichen Bevölke-rung, Lamas und Nomaden auf der einenund der omnipräsenten indischen Armeeauf der andere Seite zu publizieren. Eintritt:Fr. 15.--

FR 19.11.04, 19.30 h, «Was für die Befrei-ung Tibets unverzüglich zu tun ist…» Vor-trag von Dr. Bernhard Müller. Der Tibet-kenner Bernhard Müller stellt die derzeitigepolitische, wirtschaftliche, soziale und kul-turelle Situation in Tibet (inklusive Amdo undKham) dar. Als bekannter Buchautor,Experte und Berater gilt Bernhard Müllerheute als Asienspezialist. In dieser Funktionsetzt er sich unter anderem auch für dieBefreiung Tibets ein. Eintritt: Fr. 15.

DO 25.11.04, 19.00 h, Buddhistische Beleh-rung und Meditation. Ew. Geshe JampelSenge lehrt uns aus der buddhistischenBotschaft: Einfache Erklärung über dieUrsachen der Glückseligkeit und die Ursa-chen des Leidens. Weitere Belehrungen mitGeshe-La finden statt an den Donnerstagen

20.1.05 und 27.1.05. Unkostenbeitrag: Fr.20 pro Abend und pro Person

FR 26.11.04, 19.30 h, Tibetisch Essen.Tibetische Spezialität: Fr. 20 pro Person, bitte bis eine Woche vorher anmelden (mit Angabe der Rückrufnummer und/oder E-Mail-Adresse sowie ob vegetarisch).DezemberFR 3.12.04, 19.30 h, «Das alte Ladakh».Film von Clemens Kuby (1996), 86 Min.(Video-Projektion). Der Film wurde zueinem der erfolgreichsten Dokumentarfilmeim deutschen Kino. Eintritt: Fr. 15.

FR 10.12.04, 19.30 h, Weihnachts-Momo-Essen. Die tibetischen Asylsuchenden, dieregelmässige Schüler des Deutschkursesim Tibet Songtsen House sind, kochen fürdie Gäste und wollen mit dem Reinerlös dieUnkosten für den Deutschunterrichtdecken, wie z.B. Unterrichtsbücher, Papier-und Schreibutensilien. Bitte bis spätestens3.12. anmelden und Rückrufnummer oderE-Mail-Adresse hinterlassen sowie ange-ben, ob vegetarisch.

SA 11.12.04, 11.00 – 16.00 h, Weihnachts-shopping im Tibet Songtsen House. SindSie noch auf der Suche nach einem beson-deren Weihnachtsgeschenk? Vielleicht fin-den Sie genau bei uns das Richtige! Schau-en Sie unverbindlich herein. Bei Kaffee,Chai und kleinem Gebäck stöbern Sie inaller Ruhe durch unser Sortiment anBüchern, Bildkalendern, tibetischen Hand-arbeiten und Geschenkartikeln. Wir freuenuns auf ihren Besuch.

Weihnachtsferien vom 12.12.04 bis 13.1.05

• Veranstaltungsprogramm •Tibet Songtsen House Oktober – DezemberAlbisriederstrasse 379, 8047 Zürich-Albisrieden, Tram 3, Tel.: 01/400 55 59

Mercantil-Druck AG Badenerstrasse 13 b Tel. 044 740 88 91Offset- und Reliefdruck Postfach 436 Fax 044 740 88 [email protected] 8953 Dietikon 1 ISDN 044 740 88 32

Wir drucken nicht nur für Tibet!

Neben allgemeinen Geschäftsdrucksachen wie Briefbogen, Couverts, Visitenkarten und Mailings bieten wir zusätzlich

Thermorelief + Prägungenan. Wenn Sie ein engagiertes Drucker-Team suchen, sind Sie bei uns richtig. Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.

aktuell

TA 86 November 2004 n 31

Veranstaltungen

Tibet-Stammtisch derGSTF-Sektion OstschweizDer Stammtisch der GSTF-Sektion Ost-schweiz findet jeden Monat einmal statt.Tibet-Interessierte sind herzlich willkom-men. Für nähere Informationen wenden Siesich bitte an Heinz Bürgin, Im Uttenwil, 9620Lichtensteig, fon 071 988 27 63, fax 071 98872 8630.11. 20 Uhr, Wil, Rest. Lhasa-StübliWinterpause

Das Tibet-Institut mit seiner Mönchs-gemeinschaft ist in der Zeit seines 30jäh-rigen Bestehens ein unverzichtbarer Teildes kulturellen und religiösen Lebens derüber 2000 Tibeterinnen und Tibeter in derSchweiz geworden. Als Beitrag zum Aus-tausch von Kultur und Wissen zwischen Ostund West bietet das Tibet-Institut der stän-dig wachsenden Zahl westlicher Interes-sierter ein vielseitiges Veranstaltungs-programm.Wie informieren Sie sich über das Pro-gramm? Sie finden aktuelle sowie laufendeVeranstaltugen im Internet unter www.tibet-institut.ch, unter der Tel.Nr. 052/383 20 72und in den Veranstaltungsanzeigern derRegionalzeitungen. Die Angaben hier ent-sprechen dem Stand von April 2004.Sekretariat Tibet-Institut Rikon Die Veranstaltungen sind nicht kostenpf-lichtig, wo nichts anderes vermerkt ist.Spenden werden gerne entegegengenom-men.Jeden Monat öffentliche FührungenAm 6. Nov. (Loten Dahortsang) und am 4.Dez: 14.30-16 Uhr. Ein Rundgang um unddurch das Tibet-Institut, Anmeldung bitte pere-mail: [email protected]; Fax: 052 38320 95 oder per Post

BUDDHISTISCHE PRAXISMi, 27. Okt., 19:30 bis 21:00 Uhr; der Ew.Lama Tenzin Phuntsog: Vollmond-Medita-tion; Bitte Opfergaben und Kerzen mitbrin-gen

TIBETISCHER BUDDHISMUSFr, 29. Okt., 19:30 bis 21:00 Uhr; der Ew.Geshe Jampel SengeBoddhicayavatara - Eintritt ins Leben zurErleuchtung; Vorbereitung auf die Beleh-rung von S.H. dem Dalai Lama im August2005 in Zürich; In englischer Sprache

TIBETISCHE BEWEGUNGSLEHRESa, 30. Okt., 9:00 bis 16:00 Uhr; Loten Dah-ortsang: Lu Jong

TIBETISCHER BUDDHISMUSSa, 30. Okt., 17:00 bis 18:30 Uhr; der Ew.Abt, Geshe Phuntsok Tashi; Lo Jong - DieÜbungen des Geistes

BUDDHISTISCHE PRAXISSo, 31. Okt., 18:30 bis 20:30 Uhr; der Ew.Geshe Khedup Tokhang: Lamrim-Belehrun-gen mit Fragestunde und Meditation; Nähe-re Informationen bitte unter der Telefon Nr.052 383 18 63

Buddhistischer FeiertagLHA-BAB DUECHEN, BUDDHA'S NIE-DERFAHRT AUF ERDENDo, 4. Nov., 9:30 bis 11:30 Uhr; Puja mit derEw. Mönchsgemeinschaft

MEDITATION mit Ew. Kunsang KorpönSa, 6. Nov., Sa, 20. Nov,.Sa, 4. Dez. jeweilsvon 17:00 bis 18:30 Uhr; Meditationssit-zung; In englischer SpracheBuddhistischer FeiertagGANDEN NGACHÖ, LICHTERFESTDi, 7. Dez., 16:30 bis 18:00 Uhr; Puja der Ew.Mönchsgemeinschaft mit anschliessenderLichterprozession; Freiwillige Beiträge; Bit-te Kerzen mitbringenMEDITATIONSa, 18. Dez., 17:00 bis 18:30 Uhr; der Ew.Kunsang Korpön: Meditationssitzung; Inenglischer Sprache

Tibet-Institut RikonTreffen der Sektion Nord-westschweiz der GSTF1.November, 6. Dezember

Immer 19.15 Uhr im «Scala», 4. Stock, FreieStrasse 89, Basel

Fortsetzung Veranstaltungen Tibet-Institut:TIBETISCHES NEUJAHRSFESTMi, 9. Feb., 09:30 bis 11:00 Uhr; Losar-Pujamit der Ew. MönchsgemeinschaftLAUFENDE VERANSTALTUNGENBUDDHISTISCHE PRAXISTäglich ausser So, 7.00 bis 07.45 UhrÖffentl. Morgenmeditation mit der Mönchs-gemeinschaftBUDDHISTISCHE PRAXISDer Ew. Geshe Khedup Tokhang spricht zuLamrim - Der Stufenweg zur Erleuchtung;jeden Sonntag, 19.30 bis 21.30 Uhr; Infor-mationen unter 052 383 18 63TIBETISCHE SCHRIFT UND SPRACHEDer Ew. Lama Tenzin Phuntsog erteilt Pri-vatunterricht für Anfänger und Fortgeschrit-tene; Zeit und Kosten nach Vereinbarung;Anmeldung unter der Telefon-Nummer052/383 26 98

Tibet-Stammtisch derGSTF-Sektion ZürichDer Stammtisch der GSTF-Sektion Zürichfindet jeden Monat am ersten Dienstag ab19 Uhr statt. Tibet-Interessierte sind herz-lich willkommen. Für nähere Informationenwenden Sie sich bitte an den SektionsleiterClaus Soltermann, .2. November: im neuen Restaurant Asi-an Tibetan Kitchen am Neumühlequai 6,ein paar Schritte limmatabwärts vomHotel Central am Central in Zürich.7. Dezember: im Restaurant Tibetasia,Quellenstr. 6, 8005 Zürich, Tram Nr. 4 u. 13bis Quellenstrasse, 4. Station ab HB

Internationale Tibet-Demoin Berlinda. In der Tradition der grossen internatio-nalen Tibet-Demonstrationen von Brüssel,Paris und Genf zum Tag des Aufstandes inTibet am 10. März 1959 in Lhasa findet amSamstag, 12. März 2005 in Berlin eine Tibet-Kundgebung statt. Das Motto lautet inAnlehnung an Kennedys Worte: «Ich bin einTibeter» Viele werden sich als Panda ver-kleidet mit diesen Worten zeigen, denn derPanda ist kein chinesisches Tier, sondernlebt in ethnisch tibetischem Gebiet. Nachdem Demo-Teil wird es kulturelle Darbie-tungen geben und am Abend einen Benefiz-Anlass. Prominente wie Richard Gere wur-den angefragt, zugesagt hat bisher alsGastredner Robert Ford, der Funker desDalai Lama, den die Leser des TA aus Por-träts kennen (TANrn. 58, 77). Tsewang Nor-bu ist Mitorganisator der Veranstaltung ([email protected]).

Kailash-Abend

Der Tibeter-Verein Ngari Korsum, Schweiz,lädt alle Interessierten zum traditionellenKailash-Abend mit Projektinformationenund Vorträgen ein:

27. November, im Reformierten Kirchge-meindehaus Horgen, Kelliweg 21, Hor-gen

Türöffnung ab 16 Uhr

Tibet – Transhimalaya-DurchquerungCestmir Lukes und seine Partnerin IreneOehninger sind mit einer Yakkarawanedurch den Transhimalaya ins Gebiet derNomaden gereist. Sie haben eine mystischund spirituell geprägte Landschaft erlebt,sind Nomaden begegnet und haben diver-se Schneeriesen bestiegen.

Samstag, 21. November, 19 Uhr (Türöff-nung um 18.30 Uhr) im «Mainstation 1901»,Track No. 7 Bar, Autobahn A13, bei der Aus-fahrt Chur Süd. Eintritt: 12 Franken; Tel. 081286 68 08

Freitag, 26. November, 19.30 Uhr im Mehr-zweckraum des Schulhauses Regensberg,im Chratz in Regensberg (oberhalb Diels-dorf). Eintritt: 15 Franken. An diesem Anlassfindet vorgängig eine Fotoausstellung statt;Frauen der Tibetischen Frauenorganisationbieten tibetische Artikel, Getränke undSnacks an.

Grosser Weihnachtsmarktvon Save Tibet Austria11. und 12. Dezember im Save Tibet Büro inder Lobenhauerngasse 5 in Wien (Tel. 01484 90 87), wo der grosse Weihnachtsmarktstattfindet. Es besteht die Gelegenheit, beitibetischen und Wiener Schmankerln ange-nehme Stunden in gemütlicher Atmosphärezu verbringen und aus dem reichhaltigenAngebot an tibetischer Handwerkskunst,Büchern und CDs mit tibetischer Musik zuwählen. Save Tibet hat auch einen Internet-Auftritt auf www.tibet.logic.at

FR 14.1.05, 19.30 h, «Zanskar – Trekkingin ein altes Königreich». Diavortrag vonPatrick Hagmann. Sieben Monate im Jahrist Zanskar von der Aussenwelt abgeschnit-ten. Nur während des kurzen Sommers istdie kleine Gebirgsregion ohne Schnee undEis erreichbar – und auch dann nur mit grös-stem Aufwand. Eine Möglichkeit ist ein 10-tägiges Trekking von Lamayuru über Lings-hed zum Hauptort Padum. In weiteren vierTagen gelangt man ins Höhlenkloster Phuk-tal. Kommen Sie mit in eine atemberauben-de Landschaft, über hohe Pässe, vorbei anpittoresken Dörfern und eindrücklichen Klö-stern. Eintritt: Fr. 15.im Tibet Songtsen House in Zürich

Trekking in Zanskar

aktuell

Veranstaltungen

32 n TA 87 November 2004

ImpressumPublikationsorgan der GSTF (Gesellschaft Schwei-zerisch-Tibetische Freundschaft), des VereinsTibetfreunde und der TFOS (Tibetischen Frauen-organisation in der Schweiz). Auflage: 4300Exemplare. ISSN-Nr. 1422-3546

Redaktion:

GSTF: Daniel Aufschläger, da. (Gesamtkoor-dination) Dorfstrasse 54, 8967 Widen Tel. P 056631 66 39, G. 043/ 259 40 08Email: [email protected]: Dana Rudinger, DR. Redaktorin, Wehnta-lerstrasse 566, 8046 Zürich, Tel. 01 372 09 67

Tibetfreunde: Gaby Taureg, 4803 Vordemwald, [email protected] Tel. 062 751 02 93, 079 25772 08, Fax: 062 751 47 38

Tibetische Frauenorganisation: Tseten Bhusets-hang, Im Schnegg 19, 8810 Horgen, Tel. 01 725 7131, 079 684 85 75, [email protected],

Korrespondent in New York: Douglas Kremer

Druck: Mercantil Druck AG, 8953 DietikonPreise: Einzelnummer Fr. 5.–, Jahresabo Fr. 25.– Erscheint 4-5 Mal jährlich. Inserate: ein-spaltige mm-Zeile: Fr. 0.57

GSTF-Büro: Binzstrasse 15, CH-8045 Zürich Tele-fon 01/451 38 38, Fax: 38 68, [email protected]änderungen bitte umgehend an die Vereinemelden. Internet: www.tibetfocus.com

VorschauTibet aktuell Nr. 87 erscheint Anfang Januar.:Redaktionsschluss Ende November. Wirerkundigen uns, was die jüngstenGespräche der Exilregierung in Pekinggebracht haben, machen uns Gedankenüber Ethik im Handel mit China u. v. m.

Die erste Ausstellung zu den «Dalai Lamas»

Im Juli 2005 wird seine Heiligkeit, der 14.Dalai Lama, 70 Jahre alt. Dieses Ereignis,aber auch die Belehrungen des Dalai Lamain Zürich, sind Anlass für eine einmaligeAusstellung im Völkerkundemuseum derUniversität Zürich zum Thema «Die DalaiLamas». Das Museum hat seit 30 Jahreneinen engen Kontakt zum Dalai Lama undhat die Ausstellung mit ihm erörtert. Die Ausstellung, zu der auch ein reich bebil-dertes Buch erscheinen wird, wird Objekteaus dem In- und Ausland zeigen – darunterRaritäten, die noch nie öffentlich ausgestelltwurden. Jeder der 14 Dalai Lamas wird mitHilfe von Thangkas und Statuen den Besu-chern vorgestellt. Ferner werden Schrift-stücke (z. T. Seidenschriftrollen mit impo-santen Siegeln), Rollbilder von Schutzgott-heiten der Dalai Lamas, Darstellungen desPotala, Geschenke von Dalai Lamas undsolche an die Dalai Lamas, Objekte, die mitder Suche nach Dalai Lamas in Zusam-menhang stehen, seltene Briefe und alteFotos ausgestellt sowie auch «triviale» Dar-stellungen von Dalai Lamas. Die Ausstel-lung wird von August 2005 bis etwa EndeApril 2006 dauern.da. Diese für Tibeter wie Tibetfreunde glei-chermassen wichtige Ausstellung wird ihreWirkung für Tibet nicht verfehlen, sind dochder Dalai Lama und ein eigenständigesTibet aufs Engste miteinander verbunden.Selbst wenn die Ausstellung unpolitischkonzipiert ist, werden die Chinesen mitihrem unweigerlich zu erwartenden Protestder Ausstellung einen politischen Charakterund damit eine (willkommene) Publizitätverschaffen. Die Wirkung ist nicht nur aufZürich begrenzt, sondern wird sich interna-

tional entfalten, wenn die Ausstellung vonausländischen Museen übernommen wird,die ihr Interesse bereits bekundet haben(falls es China nicht gelingt, diesem Vorha-ben einen Riegel vorzuschieben…)

Sponsoren gesuchtNeue Dimensionen erreicht die Ausstellungfür das Völkerkundemuseum auch in finan-zieller Hinsicht. Da in Ausstellung undBegleitpublikation sehr viele Leihgaben ausder Schweiz, Europa, Asien und den USAgezeigt werden sollen, und die Beschaffungder Objekte und des Bildmaterials teuer zustehen kommen, kann das Museum nichtdie gesamten Kosten aus seinem ordentli-chen Kredit bezahlen. Es ist auf zusätzlicheMittel von etwa 500 000 Franken angewie-sen. Es werden deshalb Sponsorengesucht, die beispielsweise einen der 14Dalai Lamas «sponsern». Dies geschieht in der Art, dass dieFirma/Einzelperson sich bereit erklärt, dieKosten für die Ausleihe eines Rollbildes undeiner Statue (und allenfalls weiterer Objek-te) eines der 14 Dalai Lamas zu finanzieren.Eine solche «Patenschaft» kostet beispiels-weise 18 000 Franken. Als Gegenleistungofferiert das Museum den Sponsoren Wer-bemöglichkeiten und die Möglichkeit Eventszu organisieren. Das Museum akzeptierttauch sehr gerne Dienst- und Sachleistun-gen entgegen im Bereiche von Transport,Versicherung und Flugtickets.Interessenten melden sich beim Ausstellungsma-cher Dr. Martin Brauen, Leiter Abteilung Tibet /Himalaya und Ferner Osten am Völkerkundemu-seum, Tel. 01 634 90 27/11, email:[email protected])