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Messen am Limit Spezielle Messmethoden erweitern den Einsatzbereich der Computertomografie Sonderdruck Sonderdruck aus der Fachzeitschrift Kunststoffe 10/2019 Impressum Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Kolbergerstr. 22, 81679 München; Druck: alpha-teamDRUCK GmbH, Haager Str. 9, 81671 München. © Carl Hanser Verlag, München. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen und der elektronischen Wiedergabe sowie der Übersetzung dieses Sonderdrucks behält sich der Verlag vor. © Carl Hanser Verlag, München. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.

Messen am Limit - Werth

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Page 1: Messen am Limit - Werth

Messen am Limit Spezielle Messmethoden erweitern den Einsatzbereich der Computertomografie

Sond

erdr

uck

Sonderdruck aus der Fachzeitschrift Kunststoffe 10/2019

Impressum

Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Kolbergerstr. 22, 81679 München; Druck: alpha-teamDRUCK GmbH, Haager Str. 9, 81671 München. © Carl Hanser Verlag, München. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der photomechanischen und der elektronischen Wiedergabe sowie der Übersetzung dieses Sonderdrucks behält sich der Verlag vor.

© Carl Hanser Verlag, München. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind ohne Lizenzierung durch den Verlag nicht gestattet.

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© Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2019

Die OnTheFly-CT (links) ermöglicht die Inline-Messung und Auswertung im Fertigungstakt durch

Einsparen der im konventionellen Start-Stopp-Verfahren (rechts) auftretenden Totzeiten zum

Positionieren des Werkstücks (© Werth)

Bei Koordinatenmessgeräten mit Rönt-gentomografie-Sensor durchläuft die

von der Quelle ausgehende Röntgen-strahlung einen kegelförmigen Bereich, bevor sie auf den Detektor trifft (Bild 1). Vorteil dieses Sensors ist die zerstörungs-freie Messung des gesamten Werkstücks inklusive Innengeometrien. Das Werk-stück wird auf einem Drehtisch vollstän-dig von dem kegelförmigen Röntgen-strahl durchdrungen, sodass Informatio-nen aus allen Bereichen auf den Detektor gelangen können. Die zweidimensiona-len Durchstrahlungsbilder werden in ver-schiedenen Drehstellungen aufgenom-men. Eine Rückprojektion in Richtung der Position des Brennflecks ermöglicht die Rekonstruktion des Werkstückvolumens aus den Durchstrahlungsbildern (Bild 2). Dabei definieren die Pixel des Detektors ein dreidimensionales Voxelraster (Voxel: Volumetric Pixel). An den Materialüber-gängen wird aus den Amplituden der in der Umgebung befindlichen Voxel ein Messpunkt für jedes Voxel berechnet. Mit diesem patentierten Subvoxeling-Verfah-ren lässt sich eine deutlich bessere Orts-auflösung erzielen als durch das Voxel -raster gegeben (ein Zehntel und kleiner).

Modell, Messergebnis und Abweichungen angezeigt

Zur Auswertung werden mit automati-scher Segmentierung oder durch einfa-ches Anklicken am CAD-Modell (Patent) Regelgeometrieelemente wie Zylinder oder Ebenen ermittelt und zu Maßen ver-knüpft. CAD-Modell, Volumendaten, Mess-punktewolke und farbcodierte Abwei-chungen aus einem Soll-Ist-Vergleich kön-nen einzeln oder im selben Koordinatensys-tem überlagert in der Messsoftware Win-Werth dargestellt und von allen Seiten

analysiert werden. 2D-Schnitte und ge-messene geometrische Eigenschaften wie Winkel oder Form- und Lageabweichungen werden ebenfalls angezeigt. Messung und Inspektion finden in derselben Software statt, sodass die Rückführbarkeit der Er-gebnisse durchgängig gewährleistet und nur eine Software-Lizenz notwendig ist.

Vergrößerung und Messbereich sind von der Position des Werkstücks im Ke-gelstrahl abhängig. Je näher sich das Werkstück an der Röntgenquelle befin-det, desto höher ist die Vergrößerung und desto kleiner der Messbereich im Kegelstrahl (Bild 1). Die Auflösung hängt jedoch maßgeblich von der Pixeldich-

Messen am Limit

Spezielle Messmethoden erweitern den Einsatzbereich der Computertomografie

Die Anforderungen an die Messtechnik variieren in Abhängigkeit von der Messaufgabe. Beim Computertomo-

grafie-Sensor ist neben hoher Genauigkeit oder geringer Messzeit auch die Messbarkeit von schwer zu durch-

strahlenden Objekten oder Mehr-Material-Werkstücken gefragt. Für solche Anwendungen stehen unterschied-

liche Messmethoden zur Verfügung.

Multi-sen-sorik

Röntgenquellen

Röntgendetektor

Granitbasis

DrehachseBild 1. Im Kegelstrahl

zwischen Röntgen-

quelle und Detektor

wird das Werkstück

in verschiedenen

Drehstellungen

durchstrahlt

(Quelle: Werth)

MESS- UND PRÜFTECHNIK Koordinaten

[FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGÜTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK]

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Kunststoffe 10/2019 www.kunststoffe.de

te des Detektors und der Brennfleck-größe der Röntgenquelle ab.

Durch verschiedene physikalische Ef-fekte entstehen in den Durchstrahlungs-bildern Artefakte. Diese verursachen Messabweichungen bei der Ermittlung der geometrischen Eigenschaften des Werkstücks. Die in der Röntgenquelle er-zeugte Strahlung ist nicht monochroma-tisch. Beim Durchdringen des Werkstücks verschiebt sich durch die stärkere Ab-sorption niederfrequenter Strahlung das Frequenzspektrum in Richtung höherer Frequenzen. Dieser Effekt hängt von Ma-terial und Geometrie des jeweiligen Werkstücks ab und wird daher beim ma-thematischen Prinzip der Röntgen-Com-putertomografie nicht berücksichtigt. Dadurch entstehen Artefakte, die als Strahlaufhärtung bezeichnet werden. Moderne Korrekturverfahren können sol-che Artefakte weitgehend eliminieren.

Großer Messbereich und hohe Auflösung

Passt ein Werkstück nicht in den Kegel-strahl, kann der Messbereich auf ein Mehrfaches der Detektorfläche vergrö-ßert werden, indem statt des gesamten Werkstücks einzelne Bereiche nacheinan-der erfasst werden (Rastertomografie). Um beispielsweise bei Werkstücken mit vielen kleinen Details im gesamten Mess-bereich die Auflösung zu erhöhen, wird die Vergrößerung auf das hierfür notwen-dige Maß eingestellt und der entspre-chend verkleinerte Messbereich im Kegel-strahl durch Rastertomografie erweitert.

Bei der Rastertomografie werden nacheinander Durchstrahlungsbilder der verschiedenen Werkstückbereiche aufgenommen, zum Beispiel durch Ver-schieben des Werkstücks im Kegel-strahl. Im Vergleich zur „Im Bild“-Tomo-grafie, bei der das gesamte Werkstück in einem Bild erfasst wird, kann dies auch als „Am Bild“- Tomografie bezeichnet werden. Die Bilder der verschiedenen Bereiche werden zu einem Gesamtbild zusammengesetzt und das Werkstück-volumen aus den Gesamtbildern in den verschiedenen Drehstellungen rekon-struiert. Bei schlanken Werkstücken rastert man entlang der Drehachse, bei scheibenförmigen senkrecht zur Dreh-achse. Für kompakte Messobjekte lässt sich das Verfahren kombiniert in beiden Richtungen anwenden.

Hochaufgelöste Teilbereiche mit Multi-ROI-CT

Mit ROI- und Multi-ROI-CT (ROI: Region of Interest) lassen sich Teilbereiche des Werkstücks in höherer Auflösung messen. Dadurch spart man bei Werkstücken mit nur wenigen eng tolerierten geometri-schen Eigenschaften oder kleinen Geo-metrieelementen Messzeit und Spei-cherplatz gegenüber einer Raster-To-mografie des gesamten Werkstücks. Vo-raussetzung für die Multi-ROI-CT ist die patentierte exzentrische Computertomo-grafie. Damit lässt sich das Werkstück beliebig auf dem Drehtisch platzieren und muss nicht so ausgerichtet werden, dass sich sein Mittelpunkt auf der physi-kalischen Drehachse befindet. Das verrin-gert den Arbeits- und Zeitaufwand und erhöht den Bedienkomfort. Die Mess-software errechnet automatisch eine vir-tuelle Drehachse in einem vom Bediener definierten Drehpunkt in der Mitte des Werkstücks. Der Drehtisch rotiert wie bei der konventionellen „Im Bild“-Tomogra-fie um seine Achse, dabei dreht sich das Werkstück aus dem Zentrum des Kegel-strahls her aus. Daher wird der Drehtisch gleichzeitig mithilfe der Linearachsen auf einer Kreisbahn um die virtuelle Drehach-se bewegt. So befindet sich das Werk-stück in jeder Drehstellung in der Mitte

des Kegelstrahls (Bild 3a).Auch bei Auffälligkeiten im Werk-

stückvolumen kann eine ROI-CT des ent-sprechenden Bereichs durchgeführt wer-den, die eine „Im Bild“-Tomografie mit niedrigerer Auflösung voraussetzt (Bild 3b). Danach tomografiert man den interessie-renden Ausschnitt in höherer Vergröße-rung und Auflösung (Bild 3c). Bei der Re-konstruktion werden die Voxelinformatio-nen aus beiden Messungen kombiniert, sodass das resultierende Werkstückvolu-men über Bereiche mit unterschiedlicher Auflösung verfügt (Bild 3e).

Die Multi-ROI-CT kombiniert die Vor-teile von ROI- und exzentrischer Com -putertomografie. Mit diesem Verfahren können auch mehrere hochaufzulö-

Die AutorinDr.-Ing. Schirin Heidari Bateni ist

Technische Redakteurin bei der Werth

Messtechnik GmbH, Gießen; [email protected]

ServiceLiteratur & DigitalversionB Das Literaturverzeichnis und ein PDF

des Artikels finden Sie unter www.kunststoffe.de/2019-10

Bild 2. Berechnung von Volumendaten durch Rückprojektion gefilterter Durchstrahlungsbilder:

a) Objekt, b) Röntgenstrahlengang in der Schnittebene, c) Prinzip der schrittweisen Rückprojektion

und Überlagerung, d) Rekonstruktionsergebnis bei einer unterschiedlichen Anzahl von Rückpro-

jektionen am realen Werkstück (Quelle: Werth)

a)

c)

d)

1 Projektion 2 Projektionen 4 Projektionen 8 Projektionen alle Projektionen

0° + 45° 0° + 45° + 90° 0° + 45° + 90° + 135°

b)

© Kunststoffe

»

Koordinaten MESS- UND PRÜFTECHNIK

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© Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 10/2019

Bild 3. Messprinzipien: a) Exzentrische CT: Der Drehtisch wird während der Drehung um seine

Achse (1) durch einen Kreuztisch synchron auf einer Kreisbahn (2) um die Mitte (3) des Werkstücks

bewegt. Es ergibt sich eine virtuelle Drehachse in (3). b) Übersichts-CT; c) ROI-CT: Zone im Zentrum

des Werkstücks; d) Multi-ROI-CT: Das Prinzip der exzentrischen CT wird hier zum Tomografieren

mehrerer Zonen nacheinander genutzt. e) Messergebnis mit hoch aufgelöstem Bereich (Quelle: Werth)

a) b)

c)

Drehtisch

ROI

d)

Detektor

Werkstück

Drehtisch

Röntgen-röhre

2

31

Werkstück

e)

© Kunststoffe

Bild 4. Mit der Zwei-

Spektren-Tomografie

können auch Mehr-Ma-

terial-Werkstücke mit

hoher Genauigkeit

gemessen werden. Hier

sind die unterschiedli-

chen Materialien eines

Motorradhelms in Blau

und Rot dargestellt, eine

Schnittebene mit ge-

messenen geometri-

schen Eigenschaften in

Schwarz (© Werth)

sende Teilbereiche an beliebigen Positio-nen des Werkstücks gewählt werden (Bild

3d). Bei der Auswertung lassen sich die Geometrieelemente aus der Übersichts-CT und den verschiedenen ROI-Messun-gen miteinander verknüpfen.

Dichte Werkstücke und Mehr-Material-Objekte

Um dichtere Materialien zu durchstrahlen, benötigt man eine höhere Röhrenspan-nung, die eine Strahlung mit höherer Fre-quenz erzeugt. Mit der Röhrenspannung nimmt jedoch auch die Brennfleckgröße zu, sodass Auflösung und Messgenauig-keit abnehmen. Die Mikrofokus-Röntgen-röhren von Werth verfügen auch bei ho-her Röhrenspannung über einen kleinen Brennfleck, sodass schwer zu durchstrah-lende Werkstücke mit geringer Messunsi-cherheit gemessen werden können.

Bei Mehr-Material-Objekten, z. B. Me -tall- Kunststoff-Komponenten wie bestück-ten Steckverbindern, verursachen die schwer zu durchstrahlenden Metallteile je-doch Artefakte, die Messungen am Kunst-stoff erschweren. Die Verringerung der Ar-tefakte mit Zwei-Spektren-Tomografie re-duziert die Messunsicherheit oder macht eine Messung sogar erst möglich. Dazu werden in der Messsoftware zwei CT-Messungen bei unterschiedlicher Röh-renspannung zu einem Volumen ver-knüpft. Die dadurch entstehenden Strah-

lungsspektren mit unterschiedlichen Fre-quenzen lassen sich auf verschiedene Materialien abstimmen, sodass weniger Artefakte auftreten (Bild 4).

Messungen im Sekundentakt

Die OnTheFly-CT ermöglicht durch ex-trem kurze Belichtungszeiten eine starke Reduzierung der Messzeit bei gleichblei-bender Datenqualität oder umgekehrt bei gleicher Messzeit eine bessere Daten-qualität mit geringerer Messunsicherheit als im konventionellen Start-Stopp-Be-trieb. Denn dort wird die Drehung des Werkstücks zur Aufnahme eines jeden Durchstrahlungsbilds unterbrochen, um eine Bewegungsunschärfe während der Belichtung zu verhindern. Diese Totzeiten

spart das OnTheFly-Verfahren durch kon-tinuierliches Drehen ein. Die Bewegungs-unschärfe wird durch extrem kurze Be-lichtungszeiten verringert und die Anzahl der Durchstrahlungsbilder erhöht, sodass man die gleichen geringen Messunsi-cherheiten wie im Start-Stopp-Betrieb er-reicht. Typischerweise werden in weni-gen Minuten 10 000 Durchstrahlungs-bilder erfasst und daraus das Werkstück-volumen rekonstruiert [1].

Wie im konventionellen Start-Stopp-Betrieb wird das Werkstückvolumen in Echtzeit rekonstruiert, sodass es unmit-telbar nach der Messung ausgewertet werden kann. Die OnTheFly-CT ist Vo-raussetzung für eine Inline-Messung und Auswertung im Fertigungstakt mit CT-Sensorik. So können beispielsweise für Aluminium-Werkstücke mit einer Größe von ca. 150 mm in 30 s die gewünschten Maße ermittelt, ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt und das Werkstück auf De-fekte geprüft werden. Trotz der starken Ver ringerung der Messzeit im Vergleich zum konventionellen Start-Stopp-Betrieb bleibt die Spezifikation der CT-Geräte nach VDI/VDE unverändert.

Fazit

Spezielle Messmethoden erweitern das Spektrum des CT-Sensors auf Einsätze un-ter hohen Anforderungen an Messbe-reich, Auflösung, Messsicherheit und Messzeit. Messungen mit Computerto-mografie waren anfangs hauptsächlich in der Spritzgießbranche weit verbreitet. Mittlerweile können auch große und schwer zu durchstrahlende Objekte wie Motorblöcke oder Autositze sowie Mehr-Material-Werkstücke mit hoher Genauig-keit gemessen werden. W

MESS- UND PRÜFTECHNIK Koordinaten

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