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promet, Jahrg. 32, Nr. 3/4, 123-129 (August 2006) © Deutscher Wetterdienst 2006 123 1 Einleitung Normalerweise herrscht im tropischen Pazifik ein mar- kantes Gefälle der Meeresoberflächentemperatur längs des Äquators: Der Ostpazifik ist mit etwa 20 °C relativ kalt, im Westpazifik misst man recht hohe Tem- peraturen bis zu 30 °C (Abb. 3-1, mittleres Bild). Diese Differenz spiegelt sich in den Klimadaten beiderseits des äquatorialen Pazifiks wider (Abb. 3-2, mittleres Bild). Im Westen steigt die Luft über dem sehr warmen Wasser auf, was starke Wolkenbildung und ergiebige Niederschläge auslöst, denen die tropischen Regen- wälder Indonesiens ihre Existenz verdanken. Auf der anderen Seite, über dem kalten östlichen Pazifik, sin- ken großräumig Luftmassen ab und schaffen trockene Bedingungen – Voraussetzung für die küstennahen Wüsten des westlichen Südamerikas. Der äquatoriale Pazifik ist aber auch eine der Regio- nen des Weltozeans, die durch relativ starke Variabi- lität der Meeresoberflächentemperatur gekennzeich- net ist. Dabei bezeichnet man anomal warme Bedin- gungen im äquatorialen Ostpazifik als El Niño und die anomal kalten Phasen als La Niña. Sowohl El Niño als auch seine „kalte Schwester“ La Niña beeinflussen das Klima weit über den äquatorialen Pazifik hinaus. Fern- wirkungen sind bis ins äquatoriale und südliche Afrika (siehe A. H. FINK, S. 121, dieses Heft) sowie über dem östlichen Südamerika und Nordamerika nachweisbar. In Europa sind die Auswirkungen hingegen nur schwach ausgeprägt, aber statistisch signifikant.Verän- derungen in der Variabilität der Meeresoberflächent- emperatur des äquatorialen Pazifik infolge des anthro- pogenen (durch den Menschen verursachten) Treib- hauseffekts wären daher von globaler Reichweite. 2 El Niño Mit El Niño bezeichnet man eine Erwärmung großer Teile des oberen tropischen Pazifiks, die im Mittel et- wa alle vier Jahre auftritt. Das Wort „El Niño“ stammt aus dem Spanischen (El Niño: Das Christkind) und wurde von den peruanischen Küstenfischern bereits im vorletzten Jahrhundert geprägt. Diese beobachteten, dass alljährlich zur Weihnachtszeit die Meeresober- flächentemperatur anstieg, was das Ende der Fisch- fangsaison markierte, und die Fischer belegten zu- nächst dieses jahreszeitliche Signal mit dem Wort El Niño. In einigen Jahren allerdings war die Erwärmung besonders stark, und die Fische kehrten auch nicht wie sonst üblich am Ende des Frühjahrs wieder. Diese be- sonders starken Erwärmungen dauern typischerweise etwa ein Jahr lang an. Sie sind u. a. mit Veränderungen der tropischen Niederschlagsmuster verbunden, wie etwa Dürren in Südostasien und sintflutartigen Niederschlägen über dem westlichen Südamerika. Heute werden nur noch diese außergewöhnlichen Er- wärmungen mit El Niño bezeichnet, welche in unre- gelmäßigen Abständen von einigen Jahren (im Mittel etwa alle vier Jahre) wiederkehren. Die Abb. 3-1 (unteres Bild) zeigt die Meeresoberfläch- entemperatur im tropischen Pazifik, wie sie im De- zember 1997 während des letzten sehr starken El Niños beobachtet wurde. Der großskalige Charakter der Erwärmung ist deutlich ersichtlich: Sie erstreckt sich etwa über ein Viertel des Erdumfangs in Äquator- nähe. Das für El Niño typische Erwärmungsmuster be- sitzt die stärksten Temperaturerhöhungen im äquatori- alen Ostpazifik, mit Anomalien von über 5 °C vor der Küste Südamerikas, so dass sich der Temperaturgegen- Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen The El Niño/Southern Oscillation Phenomenon M. LATIF 3 Zusammenfassung Das El Niño/Southern Oscillation (ENSO)-Phänomen ist die stärkste kurzfristige natürliche Klimaschwankung auf Zeitskalen von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Obwohl ENSO seinen Ursprung im äquatorialen Pazifik hat, wirkt es sich dennoch auf das globale Klima aus. ENSO resultiert aus der Wechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre und ist einige Monate im voraus vorhersagbar. Es besteht die Möglichkeit, dass der an- thropogene Klimawandel die ENSO-Statistik beeinflusst. Abstract The El Niño/Southern Oscillation (ENSO) phenomenon is the strongest natural climate fluctuation on time- scales from a few months to several years. Although ENSO originates in the tropical Pacific it affects global cli- mate. ENSO results from ocean-atmosphere interactions and is predictable several months in advance. Anthro- pogenic climate change may change the ENSO statistics.

met, Jahrg.32, Nr. 3/4, 123-129 (August 2006) © Deutscher ...eprints.uni-kiel.de/5799/1/Latif_Promet.pdfM. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen Abb. 3-1: Die Meeresoberflächentemperatur

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promet, Jahrg. 32, Nr. 3/4, 123-129 (August 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Normalerweise herrscht im tropischen Pazifik ein mar-kantes Gefälle der Meeresoberflächentemperaturlängs des Äquators: Der Ostpazifik ist mit etwa 20 °Crelativ kalt, im Westpazifik misst man recht hohe Tem-peraturen bis zu 30 °C (Abb. 3-1, mittleres Bild). DieseDifferenz spiegelt sich in den Klimadaten beiderseitsdes äquatorialen Pazifiks wider (Abb. 3-2, mittleresBild). Im Westen steigt die Luft über dem sehr warmenWasser auf, was starke Wolkenbildung und ergiebigeNiederschläge auslöst, denen die tropischen Regen-wälder Indonesiens ihre Existenz verdanken. Auf deranderen Seite, über dem kalten östlichen Pazifik, sin-ken großräumig Luftmassen ab und schaffen trockeneBedingungen – Voraussetzung für die küstennahenWüsten des westlichen Südamerikas.

Der äquatoriale Pazifik ist aber auch eine der Regio-nen des Weltozeans, die durch relativ starke Variabi-lität der Meeresoberflächentemperatur gekennzeich-net ist. Dabei bezeichnet man anomal warme Bedin-gungen im äquatorialen Ostpazifik als El Niño und dieanomal kalten Phasen als La Niña. Sowohl El Niño alsauch seine „kalte Schwester“ La Niña beeinflussen dasKlima weit über den äquatorialen Pazifik hinaus. Fern-wirkungen sind bis ins äquatoriale und südliche Afrika(siehe A. H. FINK, S. 121, dieses Heft) sowie über demöstlichen Südamerika und Nordamerika nachweisbar.In Europa sind die Auswirkungen hingegen nurschwach ausgeprägt, aber statistisch signifikant. Verän-derungen in der Variabilität der Meeresoberflächent-emperatur des äquatorialen Pazifik infolge des anthro-pogenen (durch den Menschen verursachten) Treib-hauseffekts wären daher von globaler Reichweite.

2 El Niño

Mit El Niño bezeichnet man eine Erwärmung großerTeile des oberen tropischen Pazifiks, die im Mittel et-wa alle vier Jahre auftritt. Das Wort „El Niño“ stammtaus dem Spanischen (El Niño: Das Christkind) undwurde von den peruanischen Küstenfischern bereits imvorletzten Jahrhundert geprägt. Diese beobachteten,dass alljährlich zur Weihnachtszeit die Meeresober-flächentemperatur anstieg, was das Ende der Fisch-fangsaison markierte, und die Fischer belegten zu-nächst dieses jahreszeitliche Signal mit dem Wort ElNiño. In einigen Jahren allerdings war die Erwärmungbesonders stark, und die Fische kehrten auch nicht wiesonst üblich am Ende des Frühjahrs wieder. Diese be-sonders starken Erwärmungen dauern typischerweiseetwa ein Jahr lang an. Sie sind u. a. mit Veränderungender tropischen Niederschlagsmuster verbunden, wieetwa Dürren in Südostasien und sintflutartigenNiederschlägen über dem westlichen Südamerika.Heute werden nur noch diese außergewöhnlichen Er-wärmungen mit El Niño bezeichnet, welche in unre-gelmäßigen Abständen von einigen Jahren (im Mitteletwa alle vier Jahre) wiederkehren.

Die Abb. 3-1 (unteres Bild) zeigt die Meeresoberfläch-entemperatur im tropischen Pazifik, wie sie im De-zember 1997 während des letzten sehr starken ElNiños beobachtet wurde. Der großskalige Charakterder Erwärmung ist deutlich ersichtlich: Sie erstrecktsich etwa über ein Viertel des Erdumfangs in Äquator-nähe. Das für El Niño typische Erwärmungsmuster be-sitzt die stärksten Temperaturerhöhungen im äquatori-alen Ostpazifik, mit Anomalien von über 5 °C vor derKüste Südamerikas, so dass sich der Temperaturgegen-

Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

The El Niño/Southern Oscillation Phenomenon

M. LATIF

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ZusammenfassungDas El Niño/Southern Oscillation (ENSO)-Phänomen ist die stärkste kurzfristige natürliche Klimaschwankungauf Zeitskalen von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Obwohl ENSO seinen Ursprung im äquatorialenPazifik hat, wirkt es sich dennoch auf das globale Klima aus. ENSO resultiert aus der Wechselwirkung zwischenOzean und Atmosphäre und ist einige Monate im voraus vorhersagbar. Es besteht die Möglichkeit, dass der an-thropogene Klimawandel die ENSO-Statistik beeinflusst.

AbstractThe El Niño/Southern Oscillation (ENSO) phenomenon is the strongest natural climate fluctuation on time-scales from a few months to several years. Although ENSO originates in the tropical Pacific it affects global cli-mate. ENSO results from ocean-atmosphere interactions and is predictable several months in advance. Anthro-pogenic climate change may change the ENSO statistics.

Page 2: met, Jahrg.32, Nr. 3/4, 123-129 (August 2006) © Deutscher ...eprints.uni-kiel.de/5799/1/Latif_Promet.pdfM. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen Abb. 3-1: Die Meeresoberflächentemperatur

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satz längs des Äquators deutlich abschwächt. Mit ElNiño gehen auch Veränderungen in der Meeresober-flächentemperatur in anderen Regionen einher, wiebeispielsweise eine Erwärmung des tropischen Indi-schen Ozeans oder eine Abkühlung des Nordpazifiks.Letztere werden durch eine veränderte atmosphäri-sche Zirkulation in diesen Gebieten als Folge der ElNiño Erwärmung im tropischen Pazifik hervorgerufen.

3 La Niña

Unter La Niña-Bedingungen (der Begriff La Niñawurde in Analogie zum Begriff El Niño gewählt) ver-schärft sich der Temperaturkontrast längs des äquato-rialen Pazifik (Abb. 3-1, oberes Bild), und es bildet sich

eine weit nach Westen reichende Kaltwasserzunge aus,mit relativ niedrigen Temperaturen im äquatorialenOst- und Zentralpazifik. Das bedeutet erhöhte Nieder-schläge über dem westlichen Pazifik und Teilen Süd-ostasiens, für das westliche Südamerika hingegen un-gewöhnlich trockene Verhältnisse. Ein La Niña-Ereig-nis ist in erster Näherung als ein El Niño-Ereignis mitumgekehrtem Vorzeichen zu verstehen. Beide Phäno-mene sind Teil einer Oszillation, wobei El Niño dieWarmphase und La Niña die Kaltphase der Oszillationbeschreiben.

4 Wechselwirkung Ozean-Atmosphäre

Die „Southern Oscillation“ (Südliche Oszillation)stellt eine Art Druckschaukel zwischen dem südostasi-atischen Tiefdruckgebiet und dem südostpazifischenHochdruckgebiet dar und bestimmt die Stärke derPassatwinde längs des Äquators im Pazifik. Man weißinzwischen, dass und wie sich die Oberflächentempe-ratur des äquatorialen Pazifik mit der Stärke der Pas-satwinde ändert. Unter dem Einfluss der Passatwindequillt vor der Küste Südamerikas und längs des Äqua-tors im östlichen Pazifik kaltes Wasser aus der Tiefe andie Meeresoberfläche, wodurch sich die relativ niedri-gen Meeresoberflächentemperaturen in dieser Regionerklären (Abb. 3-1). Umgekehrt treibt der Ost-West-Gegensatz der Meeresoberflächentemperatur imäquatorialen Pazifik auch eine zusätzliche Komponen-te der Passatwinde an, die man als „Walker-Zirkula-tion“ bezeichnet (Abb. 3-2, mittleres Bild).

Eine anfängliche Erwärmung des Ostpazifiks und, da-mit verbunden, ein verminderter Ost-West-Gegensatzder Temperatur dämpfen die Southern Oscillation: DerLuftdruck über dem westlichen Pazifik steigt, währender über dem östlichen Pazifik sinkt – was die Walker-Zirkulation und damit die Passatwinde und schließlichden Auftrieb kalten Wassers im östlichen Pazifik ab-schwächt (Abb. 3-2, rechtes Bild). Dadurch steigt dieOberflächentemperatur in dieser Meeresregion nochweiter an. Schließlich gipfelt diese Art von instabilerWechselwirkung zwischen Ozean und Atmosphäre ineinem El Niño-Ereignis mit ungewöhnlich hohen Tem-peraturen im Ostpazifik, einem stark reduzierten Tem-

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

Abb. 3-1: Die Meeresoberflächentemperatur des tropischenPazifik im Dezember. (a) La Niña-Bedingungen:1998, (b) normale Bedingungen: 1996 und (c) ElNiño-Bedingungen: 1997.

(a) (b) (c)

Abb. 3-2: Ozean-Atmosphäre-Wechselwirkungen während (a) La Niña, (b) im Normalzustand und (c) während El Niño. Thermokline:Grenzfläche zwischen warmem Oberflächenwasser und kaltem Tiefenwasser.

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peraturgegensatz längs des Äquators (Abb. 3-1, unteresBild) und einem „Einschlafen der Passatwinde“ längsdes Äquators.Analog dazu entwickelt sich ein La Niña-Ereignis, wobei die Prozesse jedoch mit umgekehrtemVorzeichen ablaufen. La Niñas sind demnach durch ei-nen verstärkten Temperaturgegensatz und anomal star-ke Passatwinde entlang des Äquators gekennzeichnet(Abb. 3-2, linkes Bild). Im Zusammenhang mit den Ver-änderungen der Meeresoberflächentemperatur ver-schieben sich auch die großen Niederschlagsgebiete,was u. a. die Dürre in Südostasien und die sintflutarti-gen Niederschläge über dem westlichen Südamerikawährend eines El Niño-Ereignisses erklärt.

5 Wellenmechanismus

Nun erklärt diese „positive Rückkopplung“ zwischenOzean und Atmosphäre, d. h. zwischen Temperatur-gradient und Walker-Zirkulation, zwar das Wachstumund damit die Verstärkung einer anfänglichen Stö-rung, nicht aber die oszillatorische Natur der Schwan-kungen der Meeresoberflächentemperatur im äquato-rialen Pazifik. Der Grund für die Phasenumkehr, alsobeispielsweise für das Umschwingen von einem ElNiño- in einen La Niña-Zustand, liegt in der Wande-rung langer ozeanischer Wellen längs des Äquators(Abb. 3-3). Flauen die Passatwinde während eines ElNiño-Ereignisses ab, hat das zunächst direkte Folgenfür den Ostpazifik: der Auftrieb kalten Wassers wird(durch „Kelvin-Wellen“) gedämpft und dadurch eineweitere Erwärmung gefördert. Hinzu kommt abernoch ein indirekter und zeitlich verzögerter Effekt:

Durch die abgeschwächten Passatwinde entstehen imWestpazifik „Rossby-Wellen“, die mit verstärktemAuftrieb von kaltem Wasser an die Oberfläche einher-gehen und ihre maximale Amplitude einige Grad jen-seits des Äquators besitzen. Die Rossby-Wellen wan-dern zunächst nach Westen und werden am Westranddes Pazifik in Kelvin-Wellen reflektiert, die das Signallängs des Äquators nach Osten tragen. Die äquatoria-len Wellen sind mit vertikalen Bewegungen der Ther-mokline (Sprungschicht: diese ist die Grenzfläche zwi-schen warmen Oberflächenwasser und kaltem Tiefen-wasser) verbunden, die wiederum die Meeresober-flächentemperatur beeinflussen. Die äquatorialenWellen beeinflussen aber die Meeresoberflächentem-peratur nur im Ostpazifik, weil dort die Thermoklinedicht unterhalb der Oberfläche liegt. Im Ostpazifikangekommen, kühlen die Kelvin-Wellen die Wasser-massen ab und leiten den Umschwung zu einem LaNiña-Ereignis ein.

Die Periode von etwa 4 Jahren, mit der die Meeres-oberflächentemperatur oszilliert, ist daher maßgeblichdurch die Beckenbreite des Pazifiks gegeben, welchedie Laufzeit der äquatorialen Wellen bestimmt. Aller-dings muss man die Überlagerung vieler Wellen be-trachten, um die Periode zu erklären. Der Einfluss derBeckenbreite erklärt auch die im Vergleich recht klei-ne Oszillationsperiode von etwa 2 Jahren des nur etwahalb so großen äquatorialen Atlantiks. Der IndischeOzean besitzt keine El Niño-artige Oszillation, da erpraktisch keine Ost-West-Asymmetrien längs desÄquators aufweist und infolge der Land-Meer Vertei-lung durch die Monsunwinde dominiert wird.

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

Abb. 3-3: Schematische Darstellung desWellenmechanismus zur Er-klärung der oszillatorischenNatur von ENSO.

Abb. 3-4: Die zeitliche Entwicklung der Temperaturen in den oberen 400 Metern desäquatorialen Pazifiks in der Zeit Dezember 1996 bis Dezember 1998 in °C. Die-se Periode ist durch die Entwicklung eines starken El Niños und eines starkenLa Niñas gekennzeichnet. Die Temperaturanomalien sind in Abständen von3 Monaten gezeigt. Man erkennt deutlich zunächst die ostwärtige Wanderungeiner warmen Anomalie, gefolgt von der Wanderung einer kalten Anomalie. Essind diese Anomalien, auf denen das Vorhersagepotenzial ENSOs basiert.

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Die Wanderung ozeanischer Wellen lässt sich anhandvon Temperaturmessungen der oberen 400-Meter-Schicht des äquatorialen Pazifik verfolgen (Abb. 3-4).Derartige Messungen werden inzwischen mit einemNetz von fest verankerten Bojen, dem sog. „TOGA-TAO Array“, routinemäßig gewonnen. So konnte manbereits im Dezember 1996, ein halbes Jahr vor demEinsetzen des letzten großen El Niños, in etwa 100 bis200 Metern Tiefe im äquatorialen Westpazifik einewarme Anomalie ausmachen, die langsam ostwärtswanderte. Diese Anomalie kann man mit einem Kel-vin-Wellen-Paket identifizieren. Interessant ist auchdie Tatsache, dass diese Wellen ihre stärkste Ausprä-gung in der Tiefe haben; man spricht daher auch von„internen“ oder „baroklinen“ Wellen. Das Wellenpa-ket erreichte im April 1997 den Ostpazifik; vier Mona-te später hatte sich dort die Meeresoberfläche infolgeder Wechselwirkung mit der Atmosphäre bereits starkerwärmt und El Niño war in vollem Gang.

Die dadurch abflauenden Passatwinde verursachtenihrerseits Störungen im Westpazifik, verbunden mitungewöhnlich niedrigen Temperaturen in der Tiefe.Diese kalten Temperaturanomalien, die man mit ei-nem Rossby-Wellen-Paket identifizieren kann, beweg-ten sich nach der Reflektion am Westrand als Kelvin-Wellen-Paket nach Osten und lösten hier im Jahr 1998eine La Niña-Phase aus. Wegen der herausragendenRolle des Wechselwirkung Ozean-Atmosphäre undder damit engen Verbindung zwischen dem El Niño-Phänomen und der Southern Oscillation spricht manheute im allgemeinen vom El Niño/Southern Oscilla-tion (ENSO)-Phänomen. Diese Bezeichnung deutetan, dass ENSO als eine Eigenschwingung des gekop-pelten Systems Ozean-Atmosphäre zu verstehen ist.Es ist gerade die Wechselwirkung von Ozean und At-mosphäre, welche die Entstehung des ENSO-Phäno-men erst ermöglicht: Würden sich beispielsweise diePassatwinde während eines El Niño nicht abschwä-chen, gäbe es keine Rossby-Wellen-Pakete, die denUmschwung in die La Niña-Phase bewerkstelligenkönnten.

6 Ökologische, volkswirtschaftliche, gesundheitlicheAuswirkungen

Die regionalen und globalen Klimaschwankungen, dievom El Niño/Southern Oscillation Phänomen hervor-rufen werden, wirken sich auf Ökosysteme und auchauf die Wirtschaft vieler Staaten aus. Es ist deshalbnicht nur vom rein wissenschaftlichen, sondern auchvom wirtschaftlichen Standpunkt aus wichtig, Einblickin die Physik des Systems Ozean-Atmosphäre imäquatorialen Pazifik zu gewinnen und davon weiter zulängerfristigen Vorhersagen zu kommen. So hängen et-wa der Fischfang vor der Küste Perus, die Maisernte inZimbabwe oder das Auftreten bestimmter Krankhei-ten in verschiedenen Regionen der Erde von ENSOab. Die Häufigkeit von Malaria in Kolumbien bei-

spielsweise ist mit dem Auftreten von El Niño ver-knüpft: Eine Häufung von Malariafällen geht deutlichmit El Niño-Ereignissen einher. Das anomal warmeKlima in Kolumbien während El Niño-Episoden be-günstigt die Vermehrung der entsprechenden Mücken-arten, welche die Malaria übertragen, wodurch es zumehr Malariainfektionen kommt. Der Kokosölpreiszeigt ebenfalls eine erstaunliche Korrelation mit demAuftreten von El Niño: Etwa ein Jahr nach El Niño-Ereignissen schnellt der Kokosölpreis in die Höhe. DieUrsache für die Schwankungen im Kokosölpreis liegtin der extremen Dürre in Südostasien, wo Kokos vorallem angebaut wird. Die El Niño bedingten Miss-ernten in Südostasien führen zu einer Verknappungvon Kokosöl, wodurch sein Weltmarktpreis ansteigt. Esexistieren zahlreiche andere gesellschaftlich relevanteAuswirkungen von ENSO, die hier nicht weiter be-schrieben werden können.

7 Vorhersagbarkeit von ENSO

Wie in Abschnitt 5 beschrieben, kann man die mit ElNiño und La Niña einhergehenden Schwankungen derOberflächentemperatur des tropischen Pazifiks als ei-nen quasiperiodischen Zyklus verstehen, der im Prin-zip vorhersagbar ist. Allerdings, bedingt durch die cha-otische Natur des Klimasystems, verläuft dieser Zyklusnicht streng periodisch und kann deshalb nicht perfektprognostiziert werden. Für einen Zeitraum von einigenMonaten bis zu einem Jahr jedoch lassen sich dieOberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifikrecht zuverlässig vorhersagen, und damit die mitENSO verbundenen weltweiten klimatischen, ökologi-schen und ökonomischen Folgen.

Die Vorhersagen basieren auf statistischen und physi-kalischen Modellen. Letztere sind i. a. gekoppelte Oze-an-Atmosphäre Modelle. Da, wie auch die Wettervor-hersage, die Kurzfristklimavorhersage, im mathemati-schen Sinne, ein Anfangswertproblem ist, muss der Zu-stand des Systems zu Beginn der Vorhersage bekanntsein. Mit Hilfe des TOGA-TAO-Arrays (http://gcmd.nasa.gov/records/GCMD_ds256.1.html) stehen wert-volle Informationen aus verschiedenen Tiefen desäquatorialen Pazifik zur Verfügung. Diese werden indie gekoppelten Modelle „assimiliert“, um einen mög-lichst dynamisch balancierten Anfangszustand für dieVorhersage zu erhalten.

Prognosen jahreszeitlicher Anomalien der Temperaturund der Niederschläge lassen sich grundsätzlich nurmit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erstellen,wobei diese Wahrscheinlichkeit jeweils aus einem En-semble von Vorhersagen abgeleitet wird (siehePAETH, S. 107, dieses Heft). Dabei werden heute nichtnur die Anfangsbedingungen variiert, um ein Ensem-ble zu erstellen, sondern auch verschiedene Klimamo-delle parallel eingesetzt. Dies geschieht, um auch denEinfluss von Modellfehlern zu erfassen. Interessanter-

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

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weise zeigt sich, dass derartige Multi-Modell-Vorhersa-gen denen, die mit nur einem Modell durchgeführtwerden, überlegen sind (Abb. 3-5).

Prognosen des Kurzfristklimas unterscheiden sich vonWettervorhersagen dadurch, dass sie sich nicht auf de-taillierte Wetterphänomene, wie etwa einzelne Hoch-oder Tiefdruckgebiete beziehen. Im Gegensatz hierzubeinhalten Klimaprognosen die Vorhersage der statis-tischen Momente, wie etwa die Mittelwerte beispiels-weise der Temperatur oder des Niederschlags über ei-ne Jahreszeit hinweg. Dennoch bedeuten Kurzfristkli-mavorhersagen eine wesentliche Erweiterung der Wet-tervorhersage, weil der Einfluss der langperiodischenozeanischen Schwankungen Vorhersagen über dieZeitskala der „internen Vorhersagbarkeit“ der Atmo-sphäre hinaus, die bei etwa zwei Wochen liegt, ermög-licht. Es werden seit einigen Jahren an mehreren Insti-tuten routinemäßig ENSO-Vorhersagen durchgeführt.Dabei haben sich die Vorhersagen als sehr erfolgreichherausgestellt, so dass die durch ENSO bedingtenSchadenssummen deutlich gesenkt werden konnten.

8 Hat ENSO einen Einfluss auf das Klima inEuropa?

Während der Einfluss von ENSO auf zahlreiche Re-gionen der Erde, insbesondere in tropischen Breitennachgewiesen ist (z. B. verstärkter Niederschlag in Tei-len Südamerikas, Dürre in Südostasien, usw. währendEl Niño-Episoden), gibt es noch Unsicherheiten in derBestimmung der Fernwirkung ENSOs auf Europa.Auseiner Studie von atmosphärischen Großwetterlagenergibt sich, dass im Winter (Dezember, Januar, Febru-ar) ein El Niño-Ereignis mit einer verstärkten Anzahlvon Tagen mit zyklonalem Strömungsmuster überMitteleuropa einhergeht, d. h. vermehrt Tiefdrucksys-teme mit ihren typischen Wettererscheinungen das me-

teorologische Bild prägen. Dies äußert sich in kälterenWintertemperaturen über Nordeuropa sowie verstärk-tem Winterniederschlag in einem Band von den Briti-schen Inseln bis zum Schwarzen Meer. Damit konsis-tent sind Ergebnisse aus einer Studie, die zeigt, dassinsbesondere im Februar eines El Niño-Jahres auf denBritischen Inseln signifikant mehr Niederschlag fälltals im langzeitlichen Mittel. Allerdings muss dies nichtuneingeschränkt für alle El Niño-Ereignisse gelten,wie das Beispiel Winter 1997/98 gezeigt hat.

Hingegen kommt es laut dieser Studien bei La Niña-Ereignissen im Westen und Südwesten Europas zu ge-ringerem Niederschlag, da sie eine gegenüber dem Win-termittelwert reduzierte Anzahl von zyklonalen Strö-mungstypen aufweisen. Aufgrund von Anomalien imDruckfeld, die durch El Niño (La Niña) hervorgerufensind, wird ferner die Position des über Europa liegen-den Endes der nordatlantischen Zyklonenzugbahn(„jetstream“) beeinflusst, so dass die nordatlantischenTiefs im Falle eines El Niño (La Niña)-Ereignisses ei-ner nach Süden (Norden) verschobenen Route folgen.Modellsimulationen unterstützen diese Sichtweise.

Die mittleren Breiten sind durch eine hohe interne Va-riabilität gekennzeichnet, die sich aus der chaotischenNatur der Atmosphäre ableitet. Der Einfluss ENSOsauf Europa lässt sich daher nur anhand sehr langer Be-obachtungsreihen nachweisen. Da solche Zeitreihennur an einigen wenigen Stationen vorliegen, wird derZusammenhang zwischen Tropen und mittleren Brei-ten zunehmend auch anhand von Klimamodellrechun-gen untersucht. Mehrere Studien zeigen zwar, dassENSO-Extreme das Strömungsfeld im atlantisch-euro-päischen Raum verändern können, diese aber ver-glichen mit den Änderungen im nordpazifischen Sek-tor wesentlich schwächer sind. Insbesondere reagiertdie Modellatmosphäre über Europa nicht immer mitdem gleichen Antwortmuster auf El Niño- oder LaNiña-Ereignisse. Unklar ist gegenwärtig ferner, wel-chen relativen Einfluss extratropische gegenüber tro-pischen Meeresoberflächentemperaturanomalien aufdie atmosphärische Zirkulation in den mittleren Brei-ten haben und inwieweit dadurch möglicherweise derENSO-Einfluss überdeckt wird. Darüber hinaus kannes auch einen indirekten ENSO-Effekt derart geben,dass ENSO zunächst über eine „atmosphärische Brü-cke“ Anomalien der Meeresoberflächentemperaturbeispielsweise im Nordatlantik erzeugt, die dann ihrer-seits die atmosphärische Zirkulation über Europa be-einflussen.

9 Beeinflussung ENSOs durch den anthropogenenTreibhauseffekt

Beobachtungen der Meeresoberflächentemperatur imtropischen Pazifik für die letzten 140 Jahre zeigen eineVerstärkung der interannualen (Jahr-zu-Jahr) Variabi-lität. So wurde beispielsweise das „Jahrhundert-El

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

Abb. 3-5: Korrelationen der vorhergesagten und beobachtetenAnomalien der Meeresoberflächentemperatur imäquatorialen Ostpazifik für einzelne Modelle und fürdas Ensemble-Mittel (rot) als Funktion des Vorhersa-gezeitraums (Monat), Mittel der Jahre 1980–2001.

Vorhersagezeitraum in Monaten

Kor

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koef

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Niño-Ereignis" der Jahre 1982/1983 noch vom El Niñoder Jahre 1997/1998 übertroffen. Ferner ist eine Häu-fung von El Niño-artigen Situationen in den neunzigerJahren des letzten Jahrhunderts zu verzeichnen gewe-sen. Es drängt sich daher die Frage auf, in wieweit deranthropogene Treibhauseffekt ENSO beeinflussenkann. Um diese Frage näher zu untersuchen, habenMitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Meteorologiein Hamburg eine Treibhaussimulation mit einem glo-balen gekoppelten Ozean-Atmosphäre-Modell, dasENSO realistisch simuliert, analysiert. Dabei wurdedas Modell im Jahre 1860 initialisiert und mit beob-achteten Treibhausgaskonzentrationen angetrieben.Zukünftige Konzentrationen wurden bis zum Jahr2100 nach einem BAU (business as usual)-Szenariumdes IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Chan-ge) vorgeschrieben.

Die Veränderungen in der Meeresoberflächentempe-ratur des tropischen Pazifiks infolge des anthropoge-nen Treibhauseffekts sind denen während El Niño-Er-eignissen beobachteten sehr ähnlich: Der Ostpazifikerwärmt sich mit etwa 3 °C bis zum Jahr 2100(Abb. 3-6) sehr viel stärker als der Westpazifik, dessenTemperatur sich nur um etwa 1 °C erhöht. Dies bedeu-tet, dass El Niño-ähnliche Situationen, also Situationenbei denen sich der Temperaturgegensatz zwischenWest- und Ostpazifik deutlich abschwächt, künftig sehrviel häufiger auftreten werden, falls der weltweite Aus-stoß von Treibhausgasen, vor allem des CO2, nichtdrastisch gesenkt wird.

Dem langfristigen Erwärmungstrend im Ostpazifiküberlagert ist eine zunehmende interannuale Variabi-lität, wobei sich vor allem die kalten Ereignisse (LaNiñas) gegen Ende der Simulation verstärken, wasdeutlich anhand der Abb. 3-6 zu erkennen ist. Vorläufi-ge Ergebnisse deuten an, dass Veränderungen in derOzeanzirkulation die Veränderungen in der Statistikder interannualen Variabilität hervorrufen. Dabeispielt vor allem die schärfer werdende Thermokline ei-ne wichtige Rolle. Die Intensivierung des vertikalenTemperaturgradienten innerhalb der Thermokline ent-steht dadurch, dass sich infolge des anthropogenenTreibhauseffekts einerseits die Oberfläche stark er-wärmt und sich aber andererseits die Wassermassen inetwa 200 m Tiefe infolge einer verstärkten meridiona-len (Nord-Süd)-Zirkulation abkühlen. Die durch dieäquatorialen Wellen erzeugten vertikalen Auslenkun-gen der Thermokline haben daher einen stärkeren Ef-fekt auf die Meeresoberflächentemperatur, so dass dieVariabilität der Meeresoberflächentemperatur in derTreibhaussimulation zunimmt.Allerdings ist die Stärkevon El Niño-Ereignissen infolge bestimmter negativeratmosphärischer Rückkopplungen (vor allem der Wol-kenbildung) begrenzt, so dass sich durch die schärfereThermokline vor allem die La Niñas verstärken. DieÄnderung der klimatischen Verhältnisse im äquatoria-len Pazifik als Folge des anthropogenen Treibhausef-fekts ist demnach in der Simulation mit dem Max-

Planck Modell durch signifikante Änderungen in denersten drei statistischen Momenten (Mittelwert, Vari-anz, Schiefe) der Meeresoberflächentemperatur desäquatorialen Ostpazifik charakterisiert.

Mit den Veränderungen der Variabilität im tropischenPazifik gehen auch Veränderungen in anderen Gebie-ten einher, wie beispielsweise eine Verstärkung der Va-riabilität des indischen Sommermonsuns. Es sollte aberbetont werden, dass andere Modelle zu durchaus an-deren Ergebnissen kommen, so dass es noch keinenKonsens bzgl. des Einflusses des Menschen auf ENSOgibt. So simuliert beispielsweise das gekoppelte Modelldes Lamont-Doherty Observatory (USA) einen sichverstärkenden Ost-West Gegensatz der Oberflächent-emperatur längs des Äquators, d. h. eine La Niña-arti-ge Änderung infolge des anthropogenen Treibhausef-fekts.Während im Max-Planck Modell der sog. „cloud-albedo feedback“ dafür sorgt, dass sich der Ostpazifikstärker erwärmt als der Westpazifik, ist im Lamont-Modell die negative Rückkopplung durch das Auf-quellen kalten Wassers an die Meeresoberfläche dafürverantwortlich, dass sich der Ostpazifik im Vergleichzum Westpazifik abkühlt. Die meisten Modelle simu-lieren jedoch eine El Niño-artige Veränderung im tro-pischen Pazifik, wobei aber die Veränderungen in derVariabilität der Meeresoberflächentemperatur desOstpazifiks recht uneinheitlich simuliert werden.

10 Der Treibhauseffekt, El Niño und diethermohaline Zirkulation

Wie wichtig Veränderungen in der Statistik des ElNiño-Phänomens als Folge des anthropogenen Treib-hauseffekts sein können, auch weit über die Grenzendes pazifischen Raums hinweg, hat die Studie des Max-

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen

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Abb. 3-6: Die Entwicklung der Abweichung der Meeresober-flächentemperatur im äquatorialen Ostpazifik vomlangjährigen Mittel in einer Simulation mit dem ge-koppelten Ozean-Atmosphäre-Modell des Max-Planck-Institut für Meteorologie unter Annahme ei-nes „business as usual“ (BAU)-Szenariums.

Page 7: met, Jahrg.32, Nr. 3/4, 123-129 (August 2006) © Deutscher ...eprints.uni-kiel.de/5799/1/Latif_Promet.pdfM. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen Abb. 3-1: Die Meeresoberflächentemperatur

promet, Jahrg. 32, Nr. 3/4, 2006 129

Planck-Instituts darüber hinaus gezeigt. Der Atlantikbesitzt neben einer windgetriebenen Ozeanzirkulationauch eine dichtegetriebene sog. „thermohaline Zirku-lation“. Diese ist eine vertikale Umwälzbewegung, mitder warmes Wasser an der Oberfläche nach Nordenund kaltes Tiefenwasser nach Süden transportiert wird.Mit ihr verbunden ist ein nordwärtiger Wärmetrans-port von etwa 1 PW (1015 Watt), wodurch sich u. a. dasrecht milde winterliche Klima Nordeuropas erklärt.Der Antrieb der thermohalinen Zirkulation ist das Ab-sinken sehr dichter Wassermassen in den hohen Brei-ten der Nordhalbkugel. Die Dichte des Meerwassershängt von der Temperatur und dem Salzgehalt ab, sodass viele verschiedene Prozesse in der Atmosphäre,im Ozean und in der Eissphäre Einfluss auf die ther-mohaline Zirkulation nehmen können.

Die El Niño-artigen Veränderungen der Meeresober-flächentemperatur im äquatorialen Pazifik führenüber die Atmosphäre zu einem verstärkten Export vonFrischwasser vom Atlantik zum Pazifik. Dadurch er-höht sich allmählich, im Laufe von einigen Jahrzehn-ten, der Salzgehalt des tropischen Atlantik. Diese Salz-gehaltsanomalie wird mit der mittleren Ozeanzirkula-tion nach Norden transportiert, wodurch schließlichdie Oberflächendichte in den hohen Breiten der Nord-hemisphäre erhöht wird. Dies führt zu einer Stabilisie-rung der thermohalinen Zirkulation und wirkt somit

den lokalen destabilisieren Prozessen (erhöhterNiederschlag, Eisschmelze), welche die Oberflächen-dichte reduzieren, entgegen. Daher ist in dem Max-Planck-Modell keine nennenswerte Abschwächungder thermohalinen Zirkulation selbst bei recht hohenTreibhausgas-Konzentrationen zu finden. Dieser Pro-zess der tropischen Stabilisierung der thermohalinenZirkulation wird auch in anderen Modellen gefunden,so dass er als Prozess erster Ordnung zu betrachten ist.In den meisten Modellen jedoch dominieren die diethermohaline Zirkulation destabilisieren Prozesse, wo-durch sich in diesen Modellen die thermohaline Zirku-lation als Folge der globalen Erwärmung abschwächt.

Literatur

CAVIEDES, C. N., 2005: El Niño, Klima macht Geschichte. Pri-mus Verlag, Darmstadt, 167 S, ISBN 3-89678-528-1.

GEOMAX, 2002: El Niño und La Niña. Forschen an der Klima-schaukel. Sommerausgabe, Hrsg: Max-Planck-Gesellschaft,München,

http://lernarchiv.bildung.hessen.de/archiv/mpg/geo_max/gmax04/GEOMAX4.pdf

LATIF, M., 2004: Klima. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 127 S.

PHILANDER, S. G. H., 1990: El Niño, La Niña, and the Sou-thern Oscillation. Academic Press, San Diego, 293 S.

M. Latif: Das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen