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den Autoren ɒbrigens zu keinem Zeitpunkt erho- ben wird –, sondern es fȨllt mehr in die Kategorie eines Ȩußerst wertvollen Nachschlagewerks, das nicht nur grɒndliche Fachkenntnisse zu einer der wichtigsten metallorganischer Verbindungsklassen vermittelt, sondern dem Leser gleichzeitig hilft, eigene Ideen zu entwickeln. Reiner Anwander Institut fɒr Anorganische Chemie UniversitȨt Tɒbingen (Deutschland) Metal Complex– DNA Interactions Die Wechselwirkung von Me- tallkomplexen mit DNA faszi- niert Chemiker schon seit langer Zeit. Dabei haben die Entdeckung der AntitumoraktivitȨt von cis-[PtCl 2 (NH 3 ) 2 ] (Cisplatin) in den spȨten 1960er Jahren und die anschließende Untersuchung seiner DNA- Bindungseigenschaften sicher zu einem der am besten bekannten Beispiele fɒr Metallkomplex- DNA-Wechselwirkungen gefɒhrt; sie stellen aber auf keinen Fall das einzige Beispiel dar. Nick Ha- djiliadis und Einar Sletten haben nun die Heraus- forderung angenommen, ein Buch zusammenzu- stellen, das den mannigfaltigen Aspekten dieses stȨndig wachsenden Forschungsgebiets gerecht wird. Dabei haben sie es geschafft, eine beeindru- ckende Zahl von Autoren aus mehr als einem Duzend LȨnder zu ɒberzeugen, sie in ihren Be- mɒhungen zu unterstɒtzen. Das resultierende Buch Metal Complex–DNA Interactions ist in 18 unab- hȨngige Kapitel eingeteilt. Der Ƞbersicht halber, und um die Fɒlle an verfɒgbarer Information besser zu strukturieren, haben die Herausgeber das Buch in vier Abschnitte eingeteilt: „Basic Structu- ral and Kinetic Aspects“, „Medicinal Applica- tions“, „DNA Recognition: Nucleases and Sen- sors“ sowie „Toxicological Aspects“. Der einleitende Abschnitt ɒber „Basic Struc- tural and Kinetic Aspects“ umfasst vier Kapitel, von denen das erste einen Einblick in NMR-spek- troskopische Studien zum sequenzselektiven Binden von Ƞbergangsmetallionen und Platin- komplexen an DNA prȨsentiert. Der Abschnitt enthȨlt ferner ein Kapitel zur Thermodynamik von Metallionen-DNA-Wechselwirkungen und vermit- telt einen Ƞberblick darɒber, wie das Binden von Metallionen mithilfe von optischer Spektroskopie untersucht werden kann. Das dritte Kapitel bietet eine detaillierte Beschreibung der zahlreichen mɆglichen Faltungstopologien von Guanin-Qua- druplexen und spezifiziert, ob und wie diese mit der Art der vorhandenen Metallionen korrelieren. Im letzten Kapitel erhȨlt man einen Ƞberblick ɒber supramolekulare Aspekte der Ƞbergangsmetall- Nucleobasen-Chemie. Das Kapitel legt in diesem Zusammenhang das Hauptaugenmerk nicht auf die Anlagerung von Metallen an die DNA als solche, sondern eher auf die Strukturen von Metallkom- plexen der Nucleobasen-Bausteine. Der zweite Abschnitt, ɒber „Medicinal Appli- cations“, enthȨlt sechs Kapitel, von denen sich vier mit der Verwendung von Platinkomplexen be- schȨftigen. Nach einer kurzen Einfɒhrung in die Wirkungsweise des bekannten Antitumormedika- ments Cisplatin bietet das erste Kapitel einen de- taillierten Einblick in mɆgliche Konformere von Modellkomplexen des vorherrschenden Cisplatin- Addukts, gefolgt von einem Kapitel ɒber biologi- sche Reaktionen auf Platin-induzierte DNA-SchȨ- digung. Einer Diskussion der Telomere und der RNA-Komponente der Telomerase als potenzielle Targets fɒr Platinkomplexe folgt eine Einfɒhrung in die grundlegenden Prinzipien und Konzepte der photodynamischen Krebstherapie mit Ruthenium-, Osmium- und Rhodiumkomplexen. Die verblei- benden beiden Kapitel berichten ɒber die Ver- wendung platinierter Oligonucleotide als potenzi- elle Antisense- oder Antigen-Mittel zur Regulie- rung der Genexpression sowie ɒber die Wechsel- wirkung von Rhodium- und Organozinnkomplexen mit DNA. Diese AufzȨhlung verdeutlicht, dass diejenigen Leser, die detaillierte Berichte ɒber herkɆmmliche Platin-DNA-Chemie erwarten also darɒber, wie die Komplexbildung zur Ab- winklung von Duplex-DNA fɒhrt – etwas ent- tȨuscht werden kɆnnten. Andererseits haben zahl- reiche der hier vorgestellten, weniger etablierten Aspekte von Platinkomplex-DNA-Wechselwir- kungen durchaus ein großes Publikum verdient, und die Entscheidung der Herausgeber, sie in ihrem Buch zu berɒcksichtigen, wird sicher bei der Verbreitung dieser neuen AnsȨtze hilfreich sein. Der dritte Abschnitt mit dem Titel „DNA Recognition: Nucleases and Sensors“ beginnt mit einem Kapitel ɒber Furchen-bindende Rutheni- um(II)-Komplexe als Sonden zur Erkennung von Nicht-Duplex-DNA und behandelt kurz auch in- tercalierende Komplexe. Das zweite Kapitel prȨ- sentiert dem Leser Konjugate aus kleinen Peptiden und DNA bindenden Metallkomplexen, entwickelt zur Einfɒhrung von SequenzspezifitȨt beim Binden der NucleinsȨure. Die verbleibenden drei Kapitel beleuchten verschiedene Aspekte der NucleinsȨu- re-Hydrolyse. Sie berichten ɒber kɒnstliche Re- striktionssysteme mit metallbasierter ReaktivitȨt, ɒber katalytische DNA (DNAzyme) als Sensoren fɒr Metallionen sowie ɒber streng von zwei Me- tallionen abhȨngige Katalyse in NucleinsȨure pro- zessierenden Enzymen. Metal Complex–DNA Interactions Herausgegeben von Nick Hadjiliadis und Einar Sletten. Wiley-VCH, Wein- heim 2009. 544 S., geb., 125.00 E.—ISBN 978- 1405176293 Bücher 856 www.angewandte.de # 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2010, 122, 855 – 857

Metal Complex–DNA Interactions. Herausgegeben von Nick Hadjiliadis und Einar Sletten

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Page 1: Metal Complex–DNA Interactions. Herausgegeben von Nick Hadjiliadis und Einar Sletten

den Autoren �brigens zu keinem Zeitpunkt erho-ben wird –, sondern es f�llt mehr in die Kategorieeines �ußerst wertvollen Nachschlagewerks, dasnicht nur gr�ndliche Fachkenntnisse zu einer derwichtigsten metallorganischer Verbindungsklassenvermittelt, sondern dem Leser gleichzeitig hilft,eigene Ideen zu entwickeln.

Reiner AnwanderInstitut f�r Anorganische ChemieUniversit�t T�bingen (Deutschland)

Metal Complex–DNA Interactions

Die Wechselwirkung von Me-tallkomplexen mit DNA faszi-

niert Chemiker schon seit langerZeit. Dabei haben die Entdeckung der

Antitumoraktivit�t von cis-[PtCl2(NH3)2](Cisplatin) in den sp�ten 1960er Jahren und

die anschließende Untersuchung seiner DNA-Bindungseigenschaften sicher zu einem der ambesten bekannten Beispiele f�r Metallkomplex-DNA-Wechselwirkungen gef�hrt; sie stellen aberauf keinen Fall das einzige Beispiel dar. Nick Ha-djiliadis und Einar Sletten haben nun die Heraus-forderung angenommen, ein Buch zusammenzu-stellen, das den mannigfaltigen Aspekten diesesst�ndig wachsenden Forschungsgebiets gerechtwird. Dabei haben sie es geschafft, eine beeindru-ckende Zahl von Autoren aus mehr als einemDuzend L�nder zu �berzeugen, sie in ihren Be-m�hungen zu unterst�tzen. Das resultierende BuchMetal Complex–DNA Interactions ist in 18 unab-h�ngige Kapitel eingeteilt. Der �bersicht halber,und um die F�lle an verf�gbarer Informationbesser zu strukturieren, haben die Herausgeber dasBuch in vier Abschnitte eingeteilt: „Basic Structu-ral and Kinetic Aspects“, „Medicinal Applica-tions“, „DNA Recognition: Nucleases and Sen-sors“ sowie „Toxicological Aspects“.

Der einleitende Abschnitt �ber „Basic Struc-tural and Kinetic Aspects“ umfasst vier Kapitel,von denen das erste einen Einblick in NMR-spek-troskopische Studien zum sequenzselektivenBinden von �bergangsmetallionen und Platin-komplexen an DNA pr�sentiert. Der Abschnittenth�lt ferner ein Kapitel zur Thermodynamik vonMetallionen-DNA-Wechselwirkungen und vermit-telt einen �berblick dar�ber, wie das Binden vonMetallionen mithilfe von optischer Spektroskopieuntersucht werden kann. Das dritte Kapitel bieteteine detaillierte Beschreibung der zahlreichenm�glichen Faltungstopologien von Guanin-Qua-

druplexen und spezifiziert, ob und wie diese mit derArt der vorhandenen Metallionen korrelieren. Imletzten Kapitel erh�lt man einen �berblick �bersupramolekulare Aspekte der �bergangsmetall-Nucleobasen-Chemie. Das Kapitel legt in diesemZusammenhang das Hauptaugenmerk nicht auf dieAnlagerung von Metallen an die DNA als solche,sondern eher auf die Strukturen von Metallkom-plexen der Nucleobasen-Bausteine.

Der zweite Abschnitt, �ber „Medicinal Appli-cations“, enth�lt sechs Kapitel, von denen sich viermit der Verwendung von Platinkomplexen be-sch�ftigen. Nach einer kurzen Einf�hrung in dieWirkungsweise des bekannten Antitumormedika-ments Cisplatin bietet das erste Kapitel einen de-taillierten Einblick in m�gliche Konformere vonModellkomplexen des vorherrschenden Cisplatin-Addukts, gefolgt von einem Kapitel �ber biologi-sche Reaktionen auf Platin-induzierte DNA-Sch�-digung. Einer Diskussion der Telomere und derRNA-Komponente der Telomerase als potenzielleTargets f�r Platinkomplexe folgt eine Einf�hrungin die grundlegenden Prinzipien und Konzepte derphotodynamischen Krebstherapie mit Ruthenium-,Osmium- und Rhodiumkomplexen. Die verblei-benden beiden Kapitel berichten �ber die Ver-wendung platinierter Oligonucleotide als potenzi-elle Antisense- oder Antigen-Mittel zur Regulie-rung der Genexpression sowie �ber die Wechsel-wirkung von Rhodium- und Organozinnkomplexenmit DNA. Diese Aufz�hlung verdeutlicht, dassdiejenigen Leser, die detaillierte Berichte �berherk�mmliche Platin-DNA-Chemie erwarten –also dar�ber, wie die Komplexbildung zur Ab-winklung von Duplex-DNA f�hrt – etwas ent-t�uscht werden k�nnten. Andererseits haben zahl-reiche der hier vorgestellten, weniger etabliertenAspekte von Platinkomplex-DNA-Wechselwir-kungen durchaus ein großes Publikum verdient,und die Entscheidung der Herausgeber, sie inihrem Buch zu ber�cksichtigen, wird sicher bei derVerbreitung dieser neuen Ans�tze hilfreich sein.

Der dritte Abschnitt mit dem Titel „DNARecognition: Nucleases and Sensors“ beginnt miteinem Kapitel �ber Furchen-bindende Rutheni-um(II)-Komplexe als Sonden zur Erkennung vonNicht-Duplex-DNA und behandelt kurz auch in-tercalierende Komplexe. Das zweite Kapitel pr�-sentiert dem Leser Konjugate aus kleinen Peptidenund DNA bindenden Metallkomplexen, entwickeltzur Einf�hrung von Sequenzspezifit�t beim Bindender Nucleins�ure. Die verbleibenden drei Kapitelbeleuchten verschiedene Aspekte der Nucleins�u-re-Hydrolyse. Sie berichten �ber k�nstliche Re-striktionssysteme mit metallbasierter Reaktivit�t,�ber katalytische DNA (DNAzyme) als Sensorenf�r Metallionen sowie �ber streng von zwei Me-tallionen abh�ngige Katalyse in Nucleins�ure pro-zessierenden Enzymen.

Metal Complex–DNAInteractionsHerausgegeben von NickHadjiliadis und EinarSletten. Wiley-VCH, Wein-heim 2009. 544 S., geb.,125.00 E.—ISBN 978-1405176293

B�cher

856 www.angewandte.de � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2010, 122, 855 – 857

Page 2: Metal Complex–DNA Interactions. Herausgegeben von Nick Hadjiliadis und Einar Sletten

Der letzte Abschnitt �ber „Toxicological As-pects“ setzt sich aus drei Kapiteln �ber Quecksil-ber(II), Chrom und Arsen zusammen. Das erstedieser Kapitel gibt einen detaillierten Einblick inQuecksilber(II)-Bindungsstellen in DNA und ins-besondere in die Quecksilber(II)-vermittelteThymin-Thymin-Basenfehlpaarung. Das folgendeKapitel fasst verschiedene Arten von durchChrom(VI) verursachten DNA-Sch�den zusam-men, einschließlich direkter Chrom-DNA-Adduk-te und oxidativer Sch�digung. Abschließendwerden m�gliche Mechanismen der Arsen-indu-zierten Carcinogenit�t diskutiert. Entgegen derAngabe auf dem Bucheinband befasst sich derletzte Abschnitt nicht mit dem Einfluss von Nickelauf die Integrit�t von DNA.

Beim Durchbl�ttern des Buchs f�llt sofort diebreite Definition des Begriffs „Metallkomplex“ insAuge. W�hrend es nat�rlich stimmt, dass Metal-lionen in biologischen Systemen hydratisiert vor-liegen – und somit in der Tat Metallkomplexe sind –, ist es dennoch �berraschend f�r ein Buch �ber„Metallkomplex-DNA-Wechselwirkungen“, dassin etwa der H�lfte der Kapitel �ber die Wechsel-wirkung von DNA mit Metallionen oder Me-tallspezies berichtet wird. Gerade die Bem�hungender Herausgeber, m�glichst viele Aspekte derWechselwirkungen von Metallspezies mit DNA ineiner �bersicht zusammenzufassen, haben leiderdazu gef�hrt, dass Teile des Buches l�ckenhaftwirken: So gibt es beispielsweise zahlreiche toxi-sche Metallspezies, und die Entscheidung, Queck-silber(II), Chrom und Arsen herauszustellen, er-scheint willk�rlich. Ferner scheint die sch�digendeWirkung der beiden zuletzt genannten Elementehaupts�chlich in der Erzeugung von oxidativemStress begr�ndet zu liegen und nicht in einer di-rekten Wechselwirkung mit der DNA. Aus diesenGr�nden wirkt der letzte Abschnitt – obwohl ersicherlich �ber hochinteressante und aktuelle For-schung berichtet – wie ein Fremdk�rper. Stattdes-sen h�tten interessante Entwicklungen auf demGebiet der medizinischen Anwendungen, die un-

ber�cksichtigt geblieben sind, mit aufgenommenwerden k�nnen, z.B. die dreikernigen Platinkom-plexe oder die Art der Platin-DNA-Wechselwir-kungen auf der Ebene des Nucleosoms.

Bez�glich der technischen Details ist zu sagen,dass die meisten Kapitel aktuelle Literatur bis 2007umfassen, mit einigen wenigen Zitaten aus 2008.S�mtliche Literaturlisten enthalten die Titel derjeweiligen Publikationen, was dem Leser einenraschen �berblick �ber die weiterf�hrende Lite-ratur erm�glicht. Die farbigen Bildtafeln in derMitte des Buchs erscheinen etwas archaisch. EinVergleich mit anderen B�chern �hnlicher Preis-klasse zeigt, dass die w�nschenswerte Einbindungqualitativ hochwertiger Farbabbildungen direkt inden Text heutzutage Standard sein sollte.

Alles in allem bietet das Buch einen ein-drucksvollen �berblick dar�ber, wie divers dieaktuelle Forschung zum Thema Metallkomplex-DNA-Wechselwirkungen geworden ist. Es zeigt,dass sich das Interesse nicht l�nger auf regul�reDNA-Doppelhelices beschr�nkt, sondern dass essich auf komplexere Konformationen wie Einzel-str�nge, Doppelhelices mit Ausw�lbungen undQuadruplexe ausweitet. Da das Buch sein breitesThemenangebot in teilweise sehr spezialisierten,voneinander unabh�ngigen Kapiteln pr�sentiert, istes f�r Wissenschaftler verschiedener Disziplineninteressant, einschließlich anorganischer Chemie,Biochemie und medizinischer Chemie. Es ist eingutes Nachschlagewerk f�r Forscher, die bereits aufdiesen Gebieten t�tig sind, es kann als Hinter-grundinformation in Veranstaltungen zu Metall-DNA-Wechselwirkungen im Rahmen von Promo-tionsstudieng�ngen verwendet werden, und esverdient zweifellos einen Platz in jeder Fach-bibliothek.

Jens M�llerWestf�lische Wilhelms-Universit�t M�nster(Deutschland)

DOI: 10.1002/ange.200906042

AngewandteChemie

857Angew. Chem. 2010, 122, 855 – 857 � 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de