7
Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229, S. 331--337 (1956) Aus dem Institut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Humboldt-Universit~t Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. Jung) Methihnoglobinriickbildung in Reticulocyten* Von HANSJ~R(]EN MATTHIES Mit 2 Textabbildungen (Eingegangen am 30. April 1956) In der norm~len Erythrocytenpopul~tion des S~ugetierblutes mit seinen kernlosen roten Zellen zeichnet sich ein geringer Prozentsatz dutch eine morphologische Besonderheit ~us. In diesen Zellen kann durch Vitalfiirbung mit Brill~ntkresylb]au oder Nilblausulfat eine kSrn- chen- oder seltener netzartige Struktur sichtbar gemacht werden, die sogenannte Substantia reticulofil~mentosa; diese Zellen werden t~eti- culocyten (Rc.) genannt. Auf Grund des geh~uften Auftretens der l~c. bei Vorgi~ngen mit gesteigerter Blutneubildung war man zu dem Schlul~ gekommen, dab es sich bei den Rc. um jugendliche, noch nicht vSllig ~usgerei~te Formen der roten Blutzellen handelt. Es bestehen aber auch Ansiehten, dal] das bei der Vitalf~rbung entstehende Bild ein Artefact auf der Grundlage submikroskopisch vorgebildeter morpholo- gischer Anordnungen in der Zelle sei, auf denen sich normalerweise diffus in der Zelle verteilte Stoffe unter dem EinfiuB der Preparation niederschlagen (KosEsrOW). Auch werden reticul/~re Strukturen und Polychromasie als verschiedene Formen einer Entwieldungsstufe der Erythrocytenangesehen. Die phasenoptische (Ko~ITZER) und elektronenoptische Darstellung der fraglichen Strukturen (Ju~G 1, 2) lassen aber doch das Vorhandensein solcher morphologischen Elemente auch in vivo in neuem Licht erscheinen. Die kiirzlieh erschienene Arbeit yon WOLPE~S hat durch die Anwendung der Feinschnittechnik for die Elektronenmikroskopie an Stelle der bislang iiblichen I-I~molysepr~parate in iiberzeugender IVeise das Vorhandensein einer granul/tren Substanz in den I~c. belegt. Die grSBere elektronenoptische Dichte deutet auf eine Anhi~ufung yon schweren Atomen hin, was ja auch durch chemische Analysen schon gezeigt wurde. Offensichtlich handelt es sich um Ribonucleins/~uren (RNS), die charakteristische Lichtabsorption bei 2600 ~ und der negative Ausfall des Feulgen-Tests deuten darauf hin (HAENEL). Neuerdings konnten die RNS fast quantitativ dureh Brillantkresylblau ausgef/~llt werden (COUTELLE, I~APOPOI~T 1/. LINDIGKEIT), naehdem gezeigt worden war, dab mindestens 90°//oder RNS jugend- licher Blutzellen im H/imolysat nachzuweisen sind (LINDIGKEIT u. RAeOeORT). Eine Proportionalit~t zwischen Rc.-Anstieg und Zunahme der RNS im Blur konnte yon HOLLOW.aYu. I~IrLE¥ nachgewiesen werden. Auch dabei zeigte es sich, dub die Desoxyribonueleotide ohne Bedeutung fiir die Rc. sind. Diesen und anderen morphologischen und chemischen Besonderheiten der Rc. entsprechen nun auch funktionelle Eigenarten, wie aus der Einheit yon Struktur * Vgl. Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 226, 442 (1955).

Methämoglobinrückbildung in Reticulocyten

Embed Size (px)

Citation preview

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229, S. 331--337 (1956)

Aus dem Institut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Humboldt-Universit~t Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. Jung)

Methihnoglobinriickbildung in Reticulocyten* Von

HANSJ~R(]EN MATTHIES

Mit 2 Textabbildungen

(Eingegangen am 30. April 1956)

I n der norm~len Ery th rocy tenpopu l~ t ion des S~ugetierblutes mi t seinen kernlosen ro ten Zellen zeichnet sich ein geringer Prozentsa tz

du tch eine morphologische Besonderhei t ~us. I n diesen Zellen kann

durch Vitalf i i rbung mi t Bri l l~ntkresylb]au oder Ni lb lausul fa t eine kSrn- chen- oder sel tener ne tzar t ige S t ruk tu r s ichtbar gemach t werden, die sogenannte Subs tan t ia re t iculof i l~mentosa; diese Zellen werden t~eti-

cu locyten (Rc.) genannt . Auf Grund des geh~uften Auf t re tens der l~c. bei

Vorgi~ngen mi t gesteigerter B lu tneub i ldung war m a n zu dem Schlul~ gekommen, dab es sich bei den Rc. um jugendliche, noch n ich t vSllig

~usgerei~te F o r m e n der ro ten Blutze l len handel t .

Es bestehen aber auch Ansiehten, dal] das bei der Vitalf~rbung entstehende Bild ein Artefact auf der Grundlage submikroskopisch vorgebildeter morpholo- gischer Anordnungen in der Zelle sei, auf denen sich normalerweise diffus in der Zelle verteilte Stoffe unter dem EinfiuB der Preparation niederschlagen (KosEsrOW). Auch werden reticul/~re Strukturen und Polychromasie als verschiedene Formen einer Entwieldungsstufe der Erythrocytenangesehen. Die phasenoptische (Ko~ITZER) und elektronenoptische Darstellung der fraglichen Strukturen (Ju~G 1, 2) lassen aber doch das Vorhandensein solcher morphologischen Elemente auch in vivo in neuem Licht erscheinen. Die kiirzlieh erschienene Arbeit yon WOLPE~S hat durch die Anwendung der Feinschnittechnik for die Elektronenmikroskopie an Stelle der bislang iiblichen I-I~molysepr~parate in iiberzeugender IVeise das Vorhandensein einer granul/tren Substanz in den I~c. belegt. Die grSBere elektronenoptische Dichte deutet auf eine Anhi~ufung yon schweren Atomen hin, was ja auch durch chemische Analysen schon gezeigt wurde. Offensichtlich handelt es sich um Ribonucleins/~uren (RNS), die charakteristische Lichtabsorption bei 2600 ~ und der negative Ausfall des Feulgen-Tests deuten darauf hin (HAENEL). Neuerdings konnten die RNS fast quantitativ dureh Brillantkresylblau ausgef/~llt werden (COUTELLE, I~APOPOI~T 1/. LINDIGKEIT), naehdem gezeigt worden war, dab mindestens 90°//o der RNS jugend- licher Blutzellen im H/imolysat nachzuweisen sind (LINDIGKEIT u. RAeOeORT).

Eine Proportionalit~t zwischen Rc.-Anstieg und Zunahme der RNS im Blur konnte yon HOLLOW.aY u. I~IrLE¥ nachgewiesen werden. Auch dabei zeigte es sich, dub die Desoxyribonueleotide ohne Bedeutung fiir die Rc. sind.

Diesen und anderen morphologischen und chemischen Besonderheiten der Rc. entsprechen nun auch funktionelle Eigenarten, wie aus der Einheit yon Struktur

* Vgl. Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 226, 442 (1955).

332 HAN'SJf.~RGE~N MATTtI IES :

und Stoffwechsel nicht anders zu erwarten ist. t~iir die n~there Untersuchung dieser beiden Eigenschaften der belebten Materie in ihren gegenseitigen Beziehungen erscheinen die Rc. besonders geeignet, da sie sich verh~ltnismg]ig leicht erzeugen lassen und gut yon den reifen Zellen zu differenzieren sind. AuBerdem erlauben sie das Studium der dynamischen Vergnderungen dieser Beziehungen w~hrend des Reifungsprozesses auch in vitro. In diesem Zusammenhang sind besonders die neue- ren Arbeiten yon RAPOPORT U. Mitarb. zu nennen.

Der auff~lligste u n d aueh zuerst entdeckte funktionelle Unterschied zwisehen reifen und jugendl ichen roten Blutzel len besteht in der Art des Grundstoffwechsels : W~hrend die reifen Ery th roey ten fast ausschlieBlich glykolysieren, zeigen die Rc. eine betr~ehtl iehe Atmung, vor allem, wenn man das an den Stoffwechselvorg~ngen nieht unmi t t e lba r beteiligte Chromoproteid, das Hgmoglobin, vom Gesamtprote in der Rc. in Abzug br ing t (MIcHAELIS U. SALOMO~, WRIGttT, RAMSAY U. WAt~REN, JACOB- SE~N U. PLUM). Dieser Befund ist aber nu r ein Ausdruek der Ver~nderun- gen, welche die ro ten Blutzel len im Verlauf ihrer Entwick lung durch- machen, zudem ein Ausdruck sehr komplexer Natur . Es erscheint daher notwendig zu sein, die im Ery th rocy ten vorhandenen Fermentsys teme w~hrend des t~eifungsvorganges zu differenzieren. Wir haben im Zu- s ammenhang mit unseren Un te r suchungen fiber die Meth~moglobinrfick- b i ldung in E ry th roey t en unsere besondere Aufmerksamkei t den daran betei l igten Fermen~systemen zugewandt, l[~ber einige vor]£ufige Ergeb- nisse wurde bereits an anderer Stelte kurz berichtet (MATTttlES 1).

Hethodik Die Untersuchungen wurden an Kaninchenerythrocyten durchgefiihrt. Durch

alternierende Herzpunktionen wurden den Tieren jeweils 40 ml Blur entnommen, nach der dritten bis vierten Entnahme konnten 25--30% Rc. erreicht werden. Ihre Z~hhmg erfolgte an Ausstrichen mit Nilblausulfat vital gef~rbter Zellen, wobei je- wells 2000 ausgez~hlt wurden. Nach Mischen des entnommenen Blutes mit dem gleichen Volumen 2,4%iger NaNO2-L6sung wurden die Zellen nach 10 min mit phosphatgepufferter isotoner NaC1-L6sung (pH 7,4) dreimal gewasehen und mit der gleichen Salzl6sung eine 30% ige Zellsuspension hergestellt. Der Anfangs-Meth£mo- globingehalt betrug dann 90--95O/o . Die Messung der Methamoglobin-Rtickbfldung erfolgte manometrisch in CO-Atmosph£re, die Bindung des CO durch das ent- stehende H~moglobin (Hb[2]) wurde als Ma6 der l~iickbildung genommen. Als Sub- strate gelangten Glucose 0,01 m, Glucose 0,01 m und Methylenblau 0,0001 mals Katalysator, Lactat 0,01 m sowie Formaldehyd 0,005 m zur Anwendung. Die maxi- malen Riickbfldungsgeschwindigkeiten wurden auf die Standardbedingungen um- gerechnet (/~l CO/h - 109 Zellen).

Ergebnisse Lie[ten wir die Rfickbi ldung des Hb (3) ohne Substratzusatz , das heiBt

mi t den in den Zellen vorhandenen n ichtauswaschbaren Subst ra tdepots ablaufen, so konnte mit steigender l~eticulocytenzahl ein Anstieg der R fickbildungsgeschwindigkeit beobachtet werden (Abb. 1). Eine Ver- doppelung liegt bei etwa 2 0 ~ Re. vor, Ext rapola t ion auf 100~,~ erg~be

Meth~moglobinrtickbildung in I~eticulocyten 333

eine sechs- bis siebenfache Aktivit~t der Re. gegeniiber der ge.-freien Suspension.

Bei Zugabe von Glucose wird die Aktiviti~tssteigerung noch deutlieher: Extrapolat ion ergibt eine mehr als aehtfaehe Hb(3)-Riickbildungsge- schwindigkeit der Re. In noeh viel gr61~erem Mage ist dieser Vorgang besehleunigt, wenn zur Glucose Methylenblau als Kata lysator ge- geben wird (Abb. 1). Eine reine Re.-Suspension miil~te danach eine zwanzigfaehe R.fiekbildungsaktivi- t~t gegeniiber normalem Blur zei- gen. Die vorgenommenen Extra- polationen ergeben selbstverst~nd- lieh keine vollsti~ndig sieheren Zahlen, da sie aus Durchschnitts- werten gemisehter Zellpopula- tionen gewonnen wurden. Wem~ man abet bedenkt, dab die Aus- sehwemmung der Re. sehr schnell im Verhgltnis zur Lebensdauer der Erythroeyten erfolgt, so kann man sie doeh zumindest grSBenord- mmgsmiiBig der l~iickbildungs- aktiviti~t der Re. gleichsetzen.

Ganz andere Ergebnisse er- hielten wir bei Anwendung von Lacta t als Substrat. Ohne Zweifel kann yon einer erh6hten Aktivitgt der Re. in diesem Fall nicht ge- sproehen werden, eher ist eine gewisse Erniedrigung angedeutet (Abb. 2). I m Zusammenhang mit Untersuehungen fiber die Wirkung yon FormMdehyd auf die Struk- tur und den Stoffweehsel der Erythroeyten, fiber die spgter be- richter werden soil, gaben wir an Stelle der iiblichen Substrate Formaldehyd in einer Konzen- t rat ion yon 0,005 m. Es zeigte sich das gleiche Bild wie bei Laeta t : Die Re. zeigten keine stgrkere

5 ° 5

ohne Subs/:~/

/ - #/ucose : O - 2 r n + -

He/h:'/e::~Iczz /,:-~'m

i .2.....__ 0 m 2 0 % 3 0 0 m 2 0 % 3 0

Abb, 1. t Ib(3)-~i ickbildungsgeschwindigkei t in reticu[ocyt enhalt igen Zellsuspensionen ohne Substratzusatz, nfit 0,01 m Glucose und mi t 0,01 m Glucose plus 0,0001 ra Methylenblau als Substrat . Die Werte einer Versuchsreihe

sind an den gleichen Zeichea erkenntl ich

J:

o

l a d a / : : - ~

.. i i :0

,/#eh

eO°/~ 3: : :: ,@e//Ca/acy/en

1 ~0 % 30

Abb. 2. Wie Abb. 1, abet mi t 0,01 m Lac ta t und 0,005 m Formaldehyd ~ls Substrut

334 ]-[ANSJURGEN ~ MATTtTIES :

Rfickbildungsgeschwindigkeit mit diesem Substrat. Die absoluten Werte liegen in der gleichen GrSBenordnung wie bei der dutch Lacta t bewirkten Rfickbildungsbeschlemdgung. Auch bier ist eine geringe Erniedrigung der Aktivitgt bei hohen Rc.-Zahlen angedeutet.

I)iskussion

Zur Deutung des' Ergebnisse ist es notwendig, sich einen Uberblick fiber die an der Hb (3)-Riickbildung beteiligten Fermentsysteme zu ver- schaffen. Dazu mSgen die folgenden Schemata dienen, die auf der Grund- lage des' angeffihrten Literatur zusammengestellt wurden:

3-PGA ~ DPN ~ F'H2 ~ Hb(3; Tr/osephosphat -

z3-OPGS DPN'Hz F Hb(2)

M/TchsO~zre - dehj/d/~oqenase

PJrUV~f ~ ~ DPN'H 2 F Hb(z)

Aldehyd -

F'Hz Hb(3}

F - ~ Hb(21

G-6'-P-~ ~ TPN ~ F'H2 ~ Hb(3' G/ucossphospho / -

6"- PGLS T PN. H 2 F H b (Z~ !

],]rklarmlg: 3-1~(#~4 3-1>hosphoglyccrinaldehyd; 1,8-DP¢,~ 1,3-Diphost)hoglycerins~ure; G-6-P Glu- cose-6-Phosphat ; 6 - P G I S 6-Phosphoglucons~ure; D 1 L Y Diphosphopyridinnucleotid, oxydierte Form; DPu.V . H2 Diphosphopyridinnucleotid, reduzicrte ~'orm; ~' Flavinnucleot id oder -enzym, oxydierte

Fo rm; F • Ha Flavinuucleot id oder -enzym, reduzierte Form; T P N Triphosphopyridinnucleotid

Uber die Besonderheiten der einzebmn l{eaktionswege und ihre Her- leitung wurde ausffihrlicher unter anderem yon KI~sE und GgA~ICK berichtet. Es sei noch dazu bemerkt, dab das sogenannte nicht auswasch- bare Substra~ wahrscheinlich auf die gleiche Weise wie Glucose die Riick- bildung des Hb (3) bewirkt. Es handelt sich dabei wohl nm die in den Zellen vorhandenen Phosphors~ureester der Hexosen.

Was den Elektronentransport zwischen TPN und Hb(3) betrifft, haben KIESE und ALTMA~N die Zwischenschaltung eines Flavinsystems

Meth/~moglobinrtiekbildung in Retieuloeyten 335

bere i ts naehgewiesen, f/Jr die R e d u k t i o n des H b (3) durch die D P N - a b - h/ingigen R e a k t i o n e n wird die No twend igke i t einer solchen Zwischen- stufe durch die Un te r suchungen yon GIusoN und M_ATTHIES 2 an FS,11en yon id iopa th i seher Methi~moglobin~mie ebenfal ls belegt . W e n n m a n die verschiedenen M6gl ichkei ten der H b (3)-t~fiekbildung der D e u tung der hier vorgelegten Ergebnisse zugrunde legt, wird m a n zun/~chst nach ge- meinsamen F a k t o r e n sowohl ftir die in den Re. vers t / i rk t ab laufenden t%eaktionen, als auch fiir d ie jenigen mi t unver~ndei~er Ak t iv i t i i t suchen. Dabe i is t an die Fe rmen tp ro t e ine , die Py r id innuc leo t ide und an die schon erwi~hnten F l a v i n s y s t e m e zu denken. Auf den ers ten Bl ick erscheint es schwierig, eine befr iedigende Erk l i i rung zu finden, wenn m a n n ich t yon vornhere in einen verschiedenen A b b a u der Apofe rmen te wi~hrend de r t~eifung ann immt . B e t r a c h t e t m a n dagegen die Befunde im Hinb l i ck auf die be te i l ig ten Codehydrasen , so s tehen die DPN-abh£ng igen t{eak t ionen mi t L a c t a t und F o r m a l d e h y d ohne AktivitS, t s i inderung w/~hrend der P~eifung dem TPN-abh~ng igen und dureh Methy lenb lau ka t a ly s i e r t e n G-6 -P -Sys t em mi t s t a rke r Akt iv i t /~ t sabnahme gegeniiber.

Unldar bleiben ]ediglich die Befunde mit Glucose als Substrat, bei denen doch in einer DPN-abh~ngigen Reaktion auf der Stufe der Triosephosphate keine Akti- vit~tssteigerung zu erwarten w~re, und die wahrscheinlich auf die gleiche Weise verlaufende Oxydation des endogenen Substrats. Es ist allerdings daran zu denken, dal3 ein Tell der Glucose auch ohne Methylenblaukatalyse fiber das TPN-Systern oxydiert wird, sicher aber dann, wenn dieses System ehle so hohe Aktivit~t wie in den Retieuloeyten zeigt. Diese Deutung wird ~uch noch verst~ndlicher, wenn man bedenkt, dag das TPN vorwiegend ftir Apodehydrasen der intakten Atmung be- nStigt wird, nicht aber fiir das normale glykolytisehe System der reifen Erythro- cyten. Was allerdings diesen f3berlegungen widerspr/~ehe, w~Lren Befunde aus dem Arbeitskreis yon RAPOrOgT, aus denen hervorgeht, dab das TPN im Verlauf der Reifung keine wesentliehe Vergnderung erf~hrt.

I m a l lgemeinen sind die Pyr id innue leo t ide aueh n ieht die l imi t ieren- den F a k t o r e n der Stoffwechselprozesse, v ie lmehr h a t ALTMANN gerade zeigen kSnnen, dab die schon erwi~hnten, zwischen T P N • H 2 und H b (3) e ingeschal te ten Methi~moglobinreduktasen die Hb(3 ) -R i i ckb i ldung be- grenzen. D a m i t wird die A u f m e r k s a m k e i t auf den d r i t t en t~aktor der H b (3)-Ri iekbi ldung gelenkt , auf die F l av insys t eme . Dal3 sie sehr ent- scheidend die Geschwindigkei t dieses Prozesses beeinttussen, geht auch da raus hervor , dab ihre K o n z e n t r a t i o n nur ein hunderts%el der Py r id in - nuc leo t idkonzen t r a t ion in den reifen Zellen be t rgg t .

Sowohl die KIESEsche H~tmiglobinreduktase ~us Pferdeerythrocyten, als auch die Meth/~moglobinreduktase yon ALTMANN aus einer Cytochrom-c-I%eduktase- Preparation aus Bierhefe sind lediglich am TPN-System untersucht worden. GIBso~ hat die vcrminderte Hb(3)-Rtickbitdung in den tI~molys~ten yon Patienten mit idiopathischer Meth/~moglobin~tmie dureh Zusatz yon ST~VBschem Flavo- protein steigern kSnnen, wobei sieh ebenfalls erg~b, dab das Flavinsystem den limi- tierenden Faktor der tIb(3)-Reduktion darstellt. Allerdings h~t GIBSO~ ein DPN- abhangiges System in diesem Zusammenh~ng untersueht. Die Besehleunigung dm'ch

336 HANSJIYRGEN M A T T H I E S :

einen reversiblen Farbstoff ist in diesem Fall nicht sehr groB, in Ubereinstimmung mit unseren Versuchen, und wahrseheinlich gar nicht dureh eine Aktivierung des I)PN-Systems bedingt, wie GIBSON auf Grund seiner Versuche amlehmen m6chte, sondern durch Einwirkung des Methylenblaus auf die Oxydation des endogenen Substrats iiber das TPN-System. Das geht aueh aus den Werten yon GIBSOn- selbst hervor :

ohne Subs t ra t Glucose Lac t a t

i ! ohne lnit ohne ] *nit ohnc ] ini t

Methylenblau Methylenblau Methylenblau

NormMe Zellen

Patholog. Zellen

1,2 1,2

0,8 0,5

3,7 ! 11,7 i

1,2 i 13,7

3,5 4,4

1,1 0,8

(Zahlen sind Mittelwerte der Ergebnissc yon GIBSON und geben/~mol reduzier- tes Hb(3) je Stunde an.)

Die Beschleunigung durch Methylenblau ist lediglich in den Ans/~tzen mit Glucose bedeutend, und zwar aueh in den 10athologischen Zellen. In den anderen Ans~tzen, die nach unserer Vorstellung iiber die DPN-abh/ingigen Systeme laufen, vermag Methylenblau keine Effekte zu erzielen. Es wird aus den oben angeftihrten Werten aueh ohne weiteres ersichtlich, dab die pathologischen Ver~nderungen nur die DPN-abh~ngigen Systeme betreffen. Danach muB der Cofaktor far die beiden Riickbildungsm6glichkeiten verschieden sein.

Aus allen diesen IJberlegungen m6ehten wir die Annah ine herleiten, dab in jugendl ichen Blutzellen, wie sie nach aku ten Blu tver lus ten im Kreislauf auftreten, die st~irkere Hb (3)-Riiekbildung sowohl dureh endo- genes Substra t , als auch dureh Glucose allein und vor allem durch Glu- cose mi t Methylenblau als Ka ta lysa to r zuriickzufiihren ist auf h6here Konzen t r a t i onen eines F lav insys tems yore Typ der KIEsEschen oder ALTMANNschen Meth~tmoglobinreduktase. Dieses System mug d a n n im Verlauf der I le i fung der roten Blutzelle einem Abbau unterl iegen.

Fiir die DPN-abhAngigen t~eaktionswege der Hb(3)-Riiekbildung ergibt sich die Notwendigkeit eines anderen Co-Faktors. Dieser ist mSglicherweise auch ein, wenn aueh anders aufgebautes Flavinsystem, dab nicht derartigen Abbauvorg/mgen unterliegt. Inwieweit sieh diese beiden Elektronenabertr~iger voneinander unter- scheiden, mug dureh weitere Untersuchungen gekl~rt werden.

Zusammenfassung 1. Die Aktivit~it der Methiimoglobinrt iekbildung in reifen Erythro-

eyten des Kan inchens wird vergliehen mi t der jenigen in jugendtichen ro ten Blutzellen, die sieh dureh die morphologische Besonderheit einer ret iculofi lamenti iren S t ruk tu r auszeichnen.

2. Durch Ext rapo la t ion ergibt sich ftir die g i i ckb i ldung je nach dem Subs t ra t eine sechs- bis zwanzigfache AktivitS, t der Ret iculocyten im Vergleich zu den reifen Zellen.

3. :Die Ri ickbi ldung durch Lac ta t und durch Formaldehyd ist bei den Ret iculocyten ebenso grog wie bei den reifen Zellen.

Meth~,moglobinrfiekbildung in Reticulocyten 337

4. Die U r s a c h e n d i e se r v e r s c h i e d e n e n A k t i v i t ~ t s v e r ~ n d e r u n g d e r

R t i c k b i l d u n g s s y s t e m e w ~ h r e n d de s l ~ e i f u n g s p r o z e s s e s w e r d e n d i s k u t i e r t ,

w o b e i d e n M e t h ~ m o g l o b i n r e d u k t a s e n b e s o n d e r e B e d e u t u n g b e i g e m e s s e n

wi rd .

Literatur ALTMAbI:N, K . I . : Biochim. et Biophysica Act~ 15, 155 (1954). - - C O U T E L L E ,

R., S. I:~At'OI~ORT U. R. I~INDIGKEIT: N a t u r w i s s e n s e h a f t e n 42, 127 (1955). - - GIB- SON, Q . H . : Bioehemie. J. 42, 13 (1948). - - GI~A~IC~:, S.: Blood 4, 404 (1949). - - HAENEL, U.: Aeta baematol. (Basel) 2, 298 (1949). - - HOLLOWAY, B. W., and S. H. RIl~LnY: J. of Biol. Chem. 196, 695 (1952). - - JACOBSnN, E., u. C. M. PLv•: Acta physiol, seand. (Stoekh.) 7, 168 (1944). - - J v ~ o , F.: Dtseh. Gesundheits- wesen 8, 1558 (1953); Symposion fiber S t ruk tur und Funkt ion der roten Blut- k6rperchen an der Humboldt-Univers i t~t Berlin, 1955. - - ]~IESE, 1Y[.: Bioehem. Z. 316, 264 (1944). - - :KoNITZER, K. : Untersuchungen fiber die S t ruk tur der Sub- s tant ia granulofilamentos~ jugendlicher Erythrocyten. Inaug.-Dissertation, Berlin, Humboldt-Univ. 1951. - - KOSE~IOW, W. : Aeta haematol. (B~sel) 7, 360 (1952). - - LIIqDIGKEIT, R., U. S. I:~APO])ORT : N a t u r w i s s e n s c h a f t e n 42, 127 (1955). - - MATTItlES, H., K. OI~NEN U. F. J~INO: Dtseh. Gesnndheitswesen 8, 1562 (1953). - - MATTnlES, H. : unverSffentlicht. - - MlClZA~LIS, L., and K. SALO~ION: J . Gem Physiol. 13, 683 (1930). - - RAMSAY, 1~., and C. 0 . WAlCREN: Quart. J . Exper. Physiol. 22, 49 (1932). --RAPOI'OlCT, S. : pers6nl. Mitteilung. --WOLI'ERS, C. : Klhl. Wschr. 1956, 61. - - Wl~ion~r, G. P. : J . Gen. Physiol. 14, 179 (1931).

Dr. HAI~SJiJRGE~ MATTHIES, Berlin, Ins t i tu t f. Pharmakologie u. Toxikologie der Humboldt-Univers i t~t

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 229 24