· PDF fileMeyers Enzyklopädisches Lexikon in 25 Bänden – 9. Auflage – 1971-1979 Spiritismus Spiritismus [zu lat. spiritus = Geist], Bezeichnung für Lehre und

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  • Meyers Enzyklopdisches Lexikon in 25 Bnden 9. Auflage 1971-1979

    Spiritismus

    Spiritismus [zu lat. spiritus = Geist], Bezeichnung fr Lehre und Praxis der Beschwrung vonGeistern, die sich in Materialisationen zeigen und sich in schriftlicher Form oder in Trance-uerungen von Medien mitteilen sollen. Die hufigste Form des Spiritismus ist die Nekromantie,die die Begegnung mit Geistern Verstorbener erstrebt. Das Ziel spiritististischer Praktiken bestehtin der Orakelerteilung ber zuknftige irdische Ereignisse, sowie in der Kenntnisnahme jenseitigerGeheimnisse.

    Charakteristische, literarisch berlieferte Beispiele aus alter Zeit sind im Alten Testament (1. Sam.Kap. 28, Vers 7 ff.) die Beschwrung Samuels durch die Hexe von Endor und die anschlieendeWeissagung, die der Geist Samuels Knig Saul erteilt, sowie in der griechischen Sage derHinabstieg des Odysseus zum Hades, wo dieser sich vom Schatten des Sehers Teiresias dasweitere Schicksal voraussagen lt. Eine beherrschende Stellung nimmt der Spiritismus imSchamanismus ein. Er ist besonders in Ost- und Sdostasien weit verbreitet und spielte dort inchinesischen Geheimgesellschaften eine bedeutende Rolle. In der neuen vietnamesischenReligion des Caodaismus stellt er ein wichtiges Element dar. Er fand ferner Aufnahme in religiseNeustiftungen Brasiliens. In Europa erlangte eine seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vonNordamerika ausgehende Welle des Spiritismus, die zum Teil die Bedeutung einer Religionerreichte, weite Verbreitung. Siehe auch Okkultismus und Parapsychologie.

    Die katholische Kirche sieht in dem magisch vermittelten Verkehr mit Verstorbenen oder Geisterneinen Eingriff in die Souvernitt Gottes und erklrt den Spiritismus deshalb fr sndhaft. Diewissenschaftliche Erforschung parapsychologischer Phnomene ist jedoch erlaubt.

    Ebenso lehnen die evangelische Kirchen im Anschlu an Lukas -Kap.16, Vers 19-31 die bermitt-lung jenseitiger Botschaften durch Geister der Verstorbenen ab. Dennoch hat es bei EmanuelSwedenborg und J. Ch. Blumhardt Versuche gegeben, spiritistische Erscheinungen mit biblischerDmonologie zu verbinden.

    Literatur: Oliver, V. L.: Caodai spiritism. Leiden 1976Jacobson, N.-O.: Leben nach dem Tod? Dt. bers. Zug; Dsseld. 1973Tenhaeff, W. H. C.: Kontakte mit dem Jenseits? Dt. bers. Bln. 1973Morley, L. C.: Greek and Roman ghost stories. Chicago ( Ill.) 1968Horkel, W.: Geist und Geister. Zum Problem des Spiritismus. Stuttg. 1963Mischo, J.: Der Spiritismus in Brasilien. In: Neue Wiss. 9 ( 1960/61), 17

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