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8/2/2019 Michael von Brück - Herz Sutra http://slidepdf.com/reader/full/michael-von-brueck-herz-sutra 1/3 Herz-Sutra übersetzt von Michael von Brück i Der edle Bodhisattva Avalkiteśvara war versunken in den tiefen Erleuchtungsgeist der Vollkommenheit der Weisheit. Er betrachtete die fünf Skandhas und sah, dass sie im Wesen leer von jeder Eigenexistenz sind. O Śāriputra! Hier (gilt): Form ist Leere, und Leere ist ebenso Form. Form ist nicht verschieden von Leere, Leere ist nicht verschieden von Form. Was Form ist, das ist Leere, was Leere ist, das ist Form. Das gilt ebenso für Gefühl, Wahrnehmung, Willensimpuls und Bewußtsein. O Śāriputra! Hier (gilt): Alle Dharmas sind von Leere gekennzeichnet. Weder entstehen noch vergehen sie. Sie sind weder unrein noch rein. Sie sind weder vollkommen noch unvollkommen. 1 Deshalb, o Śāriputra, gibt es in der Leere keine Form, kein Gefühl, keine Wahrnehmung, keinen Willensimpuls und kein Bewußtsein. Es gibt weder Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper noch Denken. Es gibt weder Formen, Klänge, Duft, Geschmack, Objekte der Berührung noch Vorstellung. Es gibt keinen Bereich des Sehens (und der anderen Sinnesobjekte bis hin zu keinem) Bereich des Denkens. Weder gibt es Unwissenheit noch Überwindung der Unwissenheit. 1 Die letzten drei Zeilen beziehen sich auf die Drei Tore der Befreiung: Leere (śūnyata), Bestimmungslosig- keit( (animittatā), Wunschlosigkeit (apraihitatā), also die Überwindung von Dualität im allgemeinen, im  Bereich der Erkenntnis, im Bereich des Willens. 1

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Herz-Sutra

übersetzt von Michael von Brücki

Der edle Bodhisattva Avalkiteśvarawar versunken in den tiefen Erleuchtungsgeistder Vollkommenheit der Weisheit.Er betrachtete die fünf Skandhas und sah,dass sie im Wesen leer von jeder Eigenexistenz sind.

O Śāriputra!Hier (gilt): Form ist Leere, und Leere ist ebenso Form.Form ist nicht verschieden von Leere,Leere ist nicht verschieden von Form.Was Form ist, das ist Leere,

was Leere ist, das ist Form.Das gilt ebenso für Gefühl, Wahrnehmung, Willensimpuls und Bewußtsein.

O Śāriputra!Hier (gilt): Alle Dharmas sind von Leere gekennzeichnet.Weder entstehen noch vergehen sie.Sie sind weder unrein noch rein.Sie sind weder vollkommen noch unvollkommen.1

Deshalb, o Śāriputra, gibt es in der Leerekeine Form, kein Gefühl, keine Wahrnehmung,keinen Willensimpuls und kein Bewußtsein.Es gibt weder Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper noch Denken.Es gibt weder Formen, Klänge, Duft, Geschmack,Objekte der Berührung noch Vorstellung.Es gibt keinen Bereich des Sehens (und der anderen Sinnesobjekte bis hin zu keinem) Bereich des Denkens.Weder gibt es Unwissenheit noch Überwindung der Unwissenheit.

1 Die letzten drei Zeilen beziehen sich auf die Drei Tore der Befreiung: Leere (śūnyata), Bestimmungslosig-keit( (animittatā), Wunschlosigkeit (apra ihitatā), also die Überwindung von Dualität im allgemeinen, imṇ  Bereich der Erkenntnis, im Bereich des Willens.

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Und (das gilt auch für die anderen Glieder des Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit2 bis hin zu):Weder ist da Alter und Tod noch Überwindung von Alter und Tod.(Hier gibt es) kein Leiden, keine Entstehung undkeine Überwindung des Leidens, und auch keinen Pfad zur Überwindung.Es gibt keine Erkenntnis,weder das Erlangen noch das Nicht-Erlangen (des Ziels).

Deshalb, o Śāriputra, aufgrund der (Nicht-Dualität im) Nicht-Erlangen,gestützt auf die Vollkommenheit der Weisheit,ist ein Bodhisattva frei von Verunreinigungen des Geistes.Ohne diese Verunreinigungen ist er (vollkommen) furchtlos.Er hat den Irrtum überwunden und den Gipfel des Nirvā a erreicht.ṇ

 Alle Buddhasder Vergangenheit, Gegenwart und Zukunfterwachen zur höchsten vollkommenen Erleuchtung,denn sie haben sichauf die Vollkommenheit der Weisheit gestützt.

Darum erkenne:Die Vollkommenheit der Weisheit ist das große Mantra,das Mantra großen Wissens,das unvergleichliche Mantra,das die Dualität transzendierende Mantra3,das alle Leiden stillende Mantra,Wahrheit, weil ohne jeden Fehl.Durch die Vollkommenheit der Weisheit istdas Mantra verkündet worden,es lautet:

Gate Gate pāragate pārasa gate bodhi sv ṃ āhā.

गत गत परगत परसगत बध ह 

O Du, die gegangen ist, gegangen,gegangen ans andere Ufer,Du vollkommen ans andere Ufer Gegangene,o Erleuchtung, Heil!

2 Die zwölf aufeinander folgenden und auseinander resultierenden Glieder des Entstehens in gegenseitiger 

 Abhängigkeit sind: Unwissenheit, karmische Bindungen, Bewußtsein, Name-Form, sechs Sinneskräfte,Berührung, Empfindung, Anhaften, Begierde, Werden, Geburt, Alter und Tod – vgl. a. Vorwort S. 21f.

3 Wörtl.: das gleich-ungleiche Mantra.

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i Michael von Brück: Weisheit der Leere – Sūtra-Texte des indischen Mahāyāna-Buddhismus, Benziger Verlag, Zürich, 1989.