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© Springer-Verlag 2010 wobl Rechtsprechung/MRG 65 2010, Heft 3 März Zitiervorschlag: wobl 2010, Seite/Nummer Rechtsprechung MRG 26. Miete oder Pacht im Einkaufszentrum – Drogerie-/ Parfümeriemarkt DOI 10.1007/s00719-009-1392-5 § 1091 ABGB; § 1, § 30 MRG: Nimmt jemand ein im „Edelrohbauzustand“ befindli- ches Geschäftslokal in einem EKZ zu einem nicht um- satzabhängigen Bestandzins in Bestand, das er unter be- trächtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionen fertigstellt und bei Beendigung des Bestandverhältnisses wieder in den Zustand zu versetzen haben wird, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übergabe befunden hat, und stellt ihm der Bestandgeber auch sonst keine Betriebs- mittel wie etwa Einrichtung, Warenlager, Kundenstock oder Gewerbeberechtigung zur Verfügung, ist selbst dann von einem Miet- und nicht von einem Pachtverhält- nis auszugehen, wenn die Vertragsparteien die Anwend- barkeit des MRG ausgeschlossen haben, den Bestandneh- mer gewisse Gemeinschaftsverpflichtungen wie etwa die Wahrung des Gesamtinteresses des EKZ oder die Bezah- lung eines Werbekostenbeitrags für Gemeinschaftswer- bung treffen und der Bestandgeber dem Bestandnehmer die Infrastruktur des EKZ und Kundenparkplätze zur Verfügung stellt. OGH 18. 9. 2009, 6 Ob 141/09t (LG Feldkirch 2 R 134/09k; BG Dornbirn 3 C 1731/08z) Mit „Bestandvertrag“ vom 15. 4./6. 6. 1994 samt Er- gänzungsvereinbarung vom 15. 6. 1994 nahm die Bekl die als E/3 im Einkaufszentrum (= EKZ) „Stadtmarkt D“ be- zeichnete Geschäftsräumlichkeit in Bestand. Gem Pkt II. (Bestandzweck) 1. dieses Bestandvertrags sind die Räume für den Betrieb einer B-Filiale in Bestand gegeben, wobei sich die Bekl als Bestandnehmerin verpflichtete, die Be- standräume einschließl der Schaufensteranlagen zum vertraglich festgelegten Zweck, dem Verkauf von jenen Sortimenten, wie sie üblicherweise in allen anderen B-Filialen vertrieben werden, für die Dauer des Bestand- vertrags zu nutzen. Die Bekl trifft weiters eine Betriebs- pflicht hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeit während der Öffnungszeiten des EKZ, verbunden mit der Ver- pflichtung, ein ausreichendes Sortiment ihrer Branche zu führen. Ein zweiter Drogerie- und Parfümeriemarkt darf gem Pkt II.2. nur mit Zustimmung der Bekl im EKZ un- tergebracht werden. Nach Pkt II.5. nahm die Bekl zur Kenntnis, dass sie selbst für die Erlangung der Betriebs- anlagenbewilligung für den Bestandgegenstand Sorge zu tragen habe, wobei die Kl als Bestandgeberin die bau- lichen Voraussetzungen dafür schaffen werde. Das Be- standverhältnis begann lt Pkt III. (Bestandzeit) 1. mit dem Übergabetag der Bestandräumlichkeit und wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei die Bekl in- nerhalb von 5 Jahren ab Vertragsbeginn auf die Auf- kündigung des Bestandverhältnisses verzichtete. Der Be- standzins wurde mit einem bestimmten Betrag pro m 2 vereinbart (Pkt V. [Bestandzins] 1.). In Pkt IX. (Werbungskostenbeiträge) 1. verpflichtete sich die Kl zur Einrichtung eines Werbe- und Promo- tionservice für die Dauer des Bestandverhältnisses, die Bekl jedoch zur Leistung eines Werbungskostenbeitrags; diese Werbungskostenbeiträge, die sich nach der Anzahl der in Bestand genommenen m 2 richtet und monatlich zu entrichten ist (Pkt IX.2.), ist von der Kl für Gemein- schaftswerbung wie etwa Plakate, Inserate, Funk-/Fern- sehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, Promotion-Aktionen und Verwaltungskosten für diese Leistungen zu verwen- den. Die Kl stellte das Bestandobjekt lt technischer Be- schreibung, welche Vertragsbestandteil ist, zur Verfü- gung; die Beschaffung etwaiger zusätzlicher Einbauten und Einrichtungen war Sache der Bekl (Pkt XI. [Innen- einrichtung uä] 1.). Die Bestandräumlichkeit wurde der Bekl folgendermaßen übergeben: Boden: Estrichboden glatt; Decke: Sichtbeton gestrichen, Verrohrung und Ka- näle sichtbar; Säulen: Sichtbeton gestrichen; Wände: Sichtbeton oder Verputz gestrichen; Geschäftsfronten und Eingangsportale im Innenbereich zur Mall hin sind durch die Bestandnehmerin selbst zu erstellen; sanitäre Ausstattung: Kaltwasseranschluss und Abflussleitung; Brandschutz: für den gesamten Komplex ist eine Sprink- leranlage mit Grundversorgung vorgesehen; die einzel- nen Sprinkler im Bestandobjekt und deren Anbindung sind durch die Bestandnehmerin auf deren Kosten zu in- stallieren; Lüftung: Luftkanalanschlüsse pro Geschäfts- einheit montiert; der Ausbau der Luftverteilung samt Luftauslässen und -einlässen ist Sache der Bestandneh- merin. Von der Bekl fest eingebaute Gegenstände oder durchgeführte Umbauten wird diese nach Beendigung des Bestandverhältnisses unter Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands auf eigene Kosten zu entfernen haben (Pkt XI.2.). Pkt XIX. (Wahrung des Gesamtinteresses) 1. wieder- holt die Betriebspflicht der Bekl während der Betriebs- zeiten des EKZ; in Pkt XIX.2. verpflichtet sich die Bekl ua, ihr Geschäft so zu betreiben, wie es dem Charakter des EKZ entspricht. Pkt XX. (Auflösung des Bestandver- trags) 8. legt einen Verstoß der Bekl gegen ihre Betriebs- pflicht als sofortigen Auflösungsgrund für das Bestand- verhältnis fest. In Pkt XXIV. (Hinweis auf gesetzliche Bestimmungen) ist festgehalten, dass – soweit dieser Ver- trag die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht oder nicht ausreichend regelt – die Bestimmungen des ABGB, nicht jedoch jene des MRG gelten sollen. Für die Fertig- stellung ihres Geschäftslokals hatte die Bekl erhebliche Investitionen zu tragen, das EKZ hatte allerdings von Anfang an „Auslastungsprobleme“ in Bezug auf Be- standnehmer. Am 9. 7. 2002 unterfertigte der Geschäfts- führer der Kl eine von der Bekl verfasste Urkunde vom 27. 6. 2002. Demnach wurde der monatliche Nettopacht- zins auf Basis des ursprünglichen Bestandvertrags ab 1. 7. 2002 von 4.645,68 E auf 3.850 E reduziert. Das ErstG bewilligte mit Beschluss vom 18. 12. 2008 über Antrag der Kl die gerichtliche Aufkündigung der Bestandräumlichkeit zum 30. 6. 2009. (. . .) Die Vorinstanzen erklärten die gerichtliche Aufkündi- gung vom 18. 12. 2008 für rechtswirksam und verpflich- teten die Bekl zur Räumung der Bestandräumlichkeit bis längstens 14. 7. 2009; das BerufungsG erklärte darüber hinaus die ordentliche Revision für nicht zulässig. (. . .) Die ao Revision ist zulässig, weil das BerufungsG die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt. Aus den Entscheidungsgründen des OGH: 1. (. . .) 2. Nach stRsp des OGH liegt eine Unternehmenspacht im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Un- ternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand ge-

Miete oder Pacht im Einkaufszentrum – Drogerie-/Parfümeriemarkt

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woblRechtsprechung/MRG 652010, Heft 3

März

Zitiervorschlag: wobl 2010, Seite/Nummer Rechtsprechung

MRG26.

Miete oder Pacht im Einkaufszentrum – Drogerie-/Parfümeriemarkt

DOI 10.1007/s00719-009-1392-5

§ 1091 ABGB; § 1, § 30 MRG:Nimmt jemand ein im „Edelrohbauzustand“ befindli-

ches Geschäftslokal in einem EKZ zu einem nicht um-satzabhängigen Bestandzins in Bestand, das er unter be-trächtlichem Aufwand und mit erheblichen Investitionenfertigstellt und bei Beendigung des Bestandverhältnisseswieder in den Zustand zu versetzen haben wird, in dem essich zum Zeitpunkt der Übergabe befunden hat, undstellt ihm der Bestandgeber auch sonst keine Betriebs-mittel wie etwa Einrichtung, Warenlager, Kundenstockoder Gewerbeberechtigung zur Verfügung, ist selbstdann von einem Miet- und nicht von einem Pachtverhält-nis auszugehen, wenn die Vertragsparteien die Anwend-barkeit des MRG ausgeschlossen haben, den Bestandneh-mer gewisse Gemeinschaftsverpflichtungen wie etwa dieWahrung des Gesamtinteresses des EKZ oder die Bezah-lung eines Werbekostenbeitrags für Gemeinschaftswer-bung treffen und der Bestandgeber dem Bestandnehmerdie Infrastruktur des EKZ und Kundenparkplätze zurVerfügung stellt.OGH 18. 9. 2009, 6 Ob 141/09t (LG Feldkirch 2 R 134/09k; BG Dornbirn3 C 1731/08z)

Mit „Bestandvertrag“ vom 15. 4./6. 6. 1994 samt Er-gänzungsvereinbarung vom 15. 6. 1994 nahm die Bekl dieals E/3 im Einkaufszentrum (= EKZ) „Stadtmarkt D“ be-zeichnete Geschäftsräumlichkeit in Bestand. Gem Pkt II.(Bestandzweck) 1. dieses Bestandvertrags sind die Räumefür den Betrieb einer B-Filiale in Bestand gegeben, wobeisich die Bekl als Bestandnehmerin verpflichtete, die Be-standräume einschließl der Schaufensteranlagen zumvertraglich festgelegten Zweck, dem Verkauf von jenenSortimenten, wie sie üblicherweise in allen anderenB-Filialen vertrieben werden, für die Dauer des Bestand-vertrags zu nutzen. Die Bekl trifft weiters eine Betriebs-pflicht hinsichtlich der Geschäftsräumlichkeit währendder Öffnungszeiten des EKZ, verbunden mit der Ver-pflichtung, ein ausreichendes Sortiment ihrer Branche zuführen. Ein zweiter Drogerie- und Parfümeriemarkt darfgem Pkt II.2. nur mit Zustimmung der Bekl im EKZ un-tergebracht werden. Nach Pkt II.5. nahm die Bekl zurKenntnis, dass sie selbst für die Erlangung der Betriebs-anlagenbewilligung für den Bestandgegenstand Sorge zutragen habe, wobei die Kl als Bestandgeberin die bau-lichen Voraussetzungen dafür schaffen werde. Das Be-standverhältnis begann lt Pkt III. (Bestandzeit) 1. mitdem Übergabetag der Bestandräumlichkeit und wurdeauf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei die Bekl in-nerhalb von 5 Jahren ab Vertragsbeginn auf die Auf-kündigung des Bestandverhältnisses verzichtete. Der Be-standzins wurde mit einem bestimmten Betrag pro m2

vereinbart (Pkt V. [Bestandzins] 1.).In Pkt IX. (Werbungskostenbeiträge) 1. verpflichtete

sich die Kl zur Einrichtung eines Werbe- und Promo-tionservice für die Dauer des Bestandverhältnisses, dieBekl jedoch zur Leistung eines Werbungskostenbeitrags;diese Werbungskostenbeiträge, die sich nach der Anzahlder in Bestand genommenen m2 richtet und monatlich zuentrichten ist (Pkt IX.2.), ist von der Kl für Gemein-

schaftswerbung wie etwa Plakate, Inserate, Funk-/Fern-sehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, Promotion-Aktionenund Verwaltungskosten für diese Leistungen zu verwen-den. Die Kl stellte das Bestandobjekt lt technischer Be-schreibung, welche Vertragsbestandteil ist, zur Verfü-gung; die Beschaffung etwaiger zusätzlicher Einbautenund Einrichtungen war Sache der Bekl (Pkt XI. [Innen-einrichtung uä] 1.). Die Bestandräumlichkeit wurde derBekl folgendermaßen übergeben: Boden: Estrichbodenglatt; Decke: Sichtbeton gestrichen, Verrohrung und Ka-näle sichtbar; Säulen: Sichtbeton gestrichen; Wände:Sichtbeton oder Verputz gestrichen; Geschäftsfrontenund Eingangsportale im Innenbereich zur Mall hin sinddurch die Bestandnehmerin selbst zu erstellen; sanitäreAusstattung: Kaltwasseranschluss und Abflussleitung;Brandschutz: für den gesamten Komplex ist eine Sprink-leranlage mit Grundversorgung vorgesehen; die einzel-nen Sprinkler im Bestandobjekt und deren Anbindungsind durch die Bestandnehmerin auf deren Kosten zu in-stallieren; Lüftung: Luftkanalanschlüsse pro Geschäfts-einheit montiert; der Ausbau der Luftverteilung samtLuftauslässen und -einlässen ist Sache der Bestandneh-merin. Von der Bekl fest eingebaute Gegenstände oderdurchgeführte Umbauten wird diese nach Beendigungdes Bestandverhältnisses unter Wiederherstellung desursprünglichen Zustands auf eigene Kosten zu entfernenhaben (Pkt XI.2.).

Pkt XIX. (Wahrung des Gesamtinteresses) 1. wieder-holt die Betriebspflicht der Bekl während der Betriebs-zeiten des EKZ; in Pkt XIX.2. verpflichtet sich die Beklua, ihr Geschäft so zu betreiben, wie es dem Charakterdes EKZ entspricht. Pkt XX. (Auflösung des Bestandver-trags) 8. legt einen Verstoß der Bekl gegen ihre Betriebs-pflicht als sofortigen Auflösungsgrund für das Bestand-verhältnis fest. In Pkt XXIV. (Hinweis auf gesetzlicheBestimmungen) ist festgehalten, dass – soweit dieser Ver-trag die gegenseitigen Rechte und Pflichten nicht odernicht ausreichend regelt – die Bestimmungen des ABGB,nicht jedoch jene des MRG gelten sollen. Für die Fertig-stellung ihres Geschäftslokals hatte die Bekl erheblicheInvestitionen zu tragen, das EKZ hatte allerdings vonAnfang an „Auslastungsprobleme“ in Bezug auf Be-standnehmer. Am 9. 7. 2002 unterfertigte der Geschäfts-führer der Kl eine von der Bekl verfasste Urkunde vom27. 6. 2002. Demnach wurde der monatliche Nettopacht-zins auf Basis des ursprünglichen Bestandvertrags ab1. 7. 2002 von 4.645,68 E auf 3.850 E reduziert.

Das ErstG bewilligte mit Beschluss vom 18. 12. 2008über Antrag der Kl die gerichtliche Aufkündigung derBestandräumlichkeit zum 30. 6. 2009. (. . .)

Die Vorinstanzen erklärten die gerichtliche Aufkündi-gung vom 18. 12. 2008 für rechtswirksam und verpflich-teten die Bekl zur Räumung der Bestandräumlichkeit bislängstens 14. 7. 2009; das BerufungsG erklärte darüberhinaus die ordentliche Revision für nicht zulässig. (. . .)

Die ao Revision ist zulässig, weil das BerufungsG dieRechtslage verkannt hat; sie ist auch berechtigt.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:1. (. . .)2. Nach stRsp des OGH liegt eine Unternehmenspacht

im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes UnternehmenGegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumenmuss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch dasbeigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Un-ternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand ge-

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wobl66 Rechtsprechung/MRG 2010, Heft 3

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hört, also etwa Betriebsmittel (Einrichtung und Waren-lager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Dies be-deutet zwar nicht, dass im Einzelfall alle diese Merk-male gleichzeitig gegeben sein müssten. Das Fehlen ein-zelner Betriebsgrundlagen lässt noch nicht darauf schlie-ßen, dass Miete und nicht Pacht vorliegt, wenn nurdieübrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beige-stellt werden und das lebende Unternehmen als rechtli-che und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (RIS-JustizRS0020398).

Nach den Feststellungen hat im vorliegenden Fall dieKl der Bekl jedoch keines dieser „Betriebsmittel“ zurVerfügung gestellt; die Bekl musste vielmehr selbst sogarfür die Erlangung der Betriebsanlagenbewilligung Sorgetragen. In der E 7 Ob 260/07x (immolex 2008/92 [Pfiel])wurde als maßgeblich für die Qualifizierung eines Be-standverhältnisses ua auch die Zurverfügungstellungvon Kundenparkplätzen und der Infrastruktur des EKZdurch den Bestandgeber angesehen. Diesem Umstand al-lein kann jedoch keine entscheidende Bedeutung zukom-men, weil sich ansonsten die in der Lit heftig diskutierteFrage Miete oder Pacht in EKZ nie stellen würde, wäredoch dann immer Pacht anzunehmen.

3. Zwar ist auch bei einem erst zu errichtenden Unter-nehmen eine Qualifikation des Bestandverhältnisses alsPacht nicht ausgeschlossen; zusätzlich zur Betriebspflichtmüssen aber die wesentlichsten Grundlagen für den Un-ternehmensbeginn bereits bestehen bzw vom Bestand-geber beigestellt werden, nämlich im Einzelfall etwa diebereits entsprechend adaptierten Räume, der Kunden-stock oder die Konzession (RIS-Justiz RS0020581). Nachden Feststellungen der Vorinstanzen musste die Bekl vorEröffnung ihrer Filiale die in Bestand genommenenRäumlichkeiten erst unter beträchtlichem Aufwand undmit erheblichen Investitionen fertigstellen; bereits ent-sprechend adaptierte Räume waren somit nicht vorhan-den. Es ist daher zwischen den Parteien an sich auch garnicht strittig, dass die Kl der Bekl ein lebendes Unterneh-men nicht zur Verfügung gestellt hat.

Gegen die Annahme eines Pachtverhältnisses sprichtunter diesem Gesichtspunkt aber auch die Verpflichtungder Bekl, bei Beendigung des Bestandverhältnisses dieBestandräume wieder in den Zustand zu versetzen, indem sie sich zum Zeitpunkt der Übergabe befunden ha-ben. Die Bekl hat also das leere Bestandlokal zurückzu-stellen, was für Miete spricht (1 Ob 2315/96i MietSlg49.104). Dass die Kl bei Beendigung des Bestandverhält-nisses mit der Bekl die Übernahme von Ein- und Umbau-ten vereinbaren könnte, mag zwar sein. Warum sie damitjedoch – schon bei Vertragsabschluss (!) – die Übernahmeeines lebenden Unternehmens „in Erwägung gezogen“haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen er-scheint es auch äußerst unwahrscheinlich, dass die Kl inden Bestandräumlichkeiten selbst eine B-Filiale betrei-ben könnte.

4. Bei einem erst zu gründenden Unternehmen bzwBetrieb sind die Anforderungen für die Beurteilung einesBestandverhältnisses als Unternehmenspacht strenger(1 Ob 2315/96i; 3 Ob 274/02v SZ 2002/160; 6 Ob 36/03twobl 2004/69 [Vonkilch]; 3 Ob 253/05k immolex 2007/39[H. Böhm] = wobl 2007/1 [Vonkilch]). Deshalb ist es imvorliegenden Verfahren auch durchaus von erheblicherBedeutung, dass die Parteien nicht einen umsatzabhängi-gen Bestandzins, sondern ein von der Größe der zur Ver-fügung gestellten Fläche abhängiges Entgelt vereinbar-ten. Auch dies spricht für Miete und nicht für Pacht.

5. Das BerufungsG hat sich zur Begründung seinerAuffassung, die Parteien hätten einen Pachtvertrag abge-schlossen, vornehmlich darauf gestützt, die Bekl treffeeine vertragliche Betriebspflicht.

Nach jahrzehntelanger stRsp des OGH bestand daswesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Mieteund Pacht zwar in der den Bestandnehmer betreffendenBetriebspflicht; wurde eine solche vereinbart, dann liegeein Pachtvertrag vor (RIS-Justiz RS0020451). Allerdingswurde auch immer wieder betont, dass grundsätzlichbloße Raummiete anzunehmen sei, wenn lediglich einfür den Unternehmenszweck noch gar nicht eingerichte-ter Raum in Bestand gegeben und eine Betriebspflicht-vereinbarung getroffen wurde (1 Ob 598/80 MietSlgXXXII/23 mwN; vgl auch 8 Ob 11/04g immolex 2004/128; 1 Ob 147/06h MietSlg 58.109). In jüngerer Zeitwurde schließlich ausgesprochen, dass die Vereinbarungeiner Betriebspflicht nicht überbewertet werden dürfe;sie führe jedenfalls nicht automatisch zur Beurteilungdes Bestandvertrags als Pachtvertrag (3 Ob 253/05k; 7 Ob260/07x immolex 2008/92 [Pfiel]).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trifft dieBekl zwar eine umfassende Betriebspflicht; bei Ab-schluss des Bestandvertrags war das EKZ der Kl jedochnoch gar nicht errichtet, in weiterer Folge wurde ihr ein„Edelrohbau“ überlassen, der erst unter beträchtlichemAufwand und mit erheblichen Investitionen zu einemGeschäftslokal umgewandelt und fertiggestellt werdenmusste.

6. Mit seinen Ausführungen zum Interesse der Kl aneinem entsprechendem Branchenmix im EKZ zielt dasBerufungsG offensichtlich auf jene Rsp ab, wonach es beider Abgrenzung zwischen Unternehmenspacht und Ge-schäftsraummiete darauf ankommen soll, welchen Um-ständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt(RIS-Justiz RS0020521). Allerdings kann auch ein sol-cher Aspekt nicht für sich allein ausschlaggebend sein,weil ansonsten in EKZ, die ja immer auf einen bestimm-ten (erfolgsträchtigen) Branchenmix abstellen werden,regelmäßig nur Pachtverhältnisse abgeschlossen werdenkönnten. Im Übrigen beruft sich die Kl im vorliegendenVerfahren ja nicht einmal auf den Umstand, dass dieAuflösung des Bestandverhältnisses mit der Bekl seinenGrund in einer Änderung des Branchenmix habe.

7. Für die Frage, ob Miete oder Pacht anzunehmen ist,ist es belanglos, welche rechtliche Unterstellung die Par-teien im Bestandvertrag in dieser Richtung vorgenom-men haben (RIS-Justiz RS0020514). Dass die Parteien imvorliegenden Verfahren ausdrücklich die Nichtanwend-barkeit des MRG vereinbart haben, ist somit nicht vonentscheidender Bedeutung.

Der OGH hat zwar in diesem Zusammenhang bereitsausgesprochen, inhaltliche Regelungen in einem Be-standvertrag, die einen Zusammenhang mit dem MRGbzw früher MG herstellen, könnten einen wesentlichenGesichtspunkt für die rechtliche Qualifikation eines Be-standvertrags als Miet- oder Pachtvertrag nach der Ge-samtheit der Umstände des Einzelfalls bilden, weil insolchen nicht allein eine Rechtsvorstellung zum Aus-druck gebracht wird, sondern die Rechte und Pflichtender Vertragspartner bestimmt werden, etwa wenn be-stimmte Kündigungsgründe nach dem MRG angespro-chen werden (3 Ob 253/05k; 7 Ob 260/07x). Daraus istaber – unter Außerachtlassung der übrigen Umstände –nicht der Schluss zu ziehen, dass bei Fehlen derartigerHinweise in Richtung mietenrechtlicher Regelungenzwingend von einem Pachtverhältnis ausgegangen wer-den müsste.

Die Parteien vereinbarten im vorliegenden Fall ur-sprünglich ein Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit,die Bekl verzichtete innerhalb von 5 Jahren ab Vertrags-beginn auf die Aufkündigung des Bestandverhältnisses.Eine derartige Regelung wäre auch für einen Mietvertragnicht gerade untypisch, zwingt jedenfalls aber nicht zurAnnahme eines Pachtvertrags.

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woblRechtsprechung/MRG 672010, Heft 3

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Dass die Bekl rd 8 Jahre nach Vertragsbeginn mögli-cherweise selbst die Auffassung vertreten hat, Pächterinund nicht Mieterin der Bestandräumlichkeit zu sein, istnicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung; jeden-falls kann eine derartige nachträgliche Rechtsauffassungnicht zurückwirken.

8. Das BerufungsG hat sich zur Begründung seinerRechtsauffassung – neben der Betriebspflicht – auch da-rauf gestützt, dass die Bekl aufgrund der getroffenenVereinbarungen das Gesamtinteresse des EKZ der Kl zuwahren, einen Werbekostenbeitrag für Gemeinschafts-werbung zu bezahlen und ein breites Warensortiment zuführen habe. Derartigen Gemeinschaftsverpflichtungenkommt jedoch keine für die Typenentscheidung wesent-liche Bedeutung zu, weil solche Vereinbarungen ohneWeiteres auch mit Mietern geschlossen werden können(3 Ob 253/05k).

9. Nimmt somit jemand ein im „Edelrohbauzustand“befindliches Geschäftslokal in einem EKZ zu einem nichtumsatzabhängigen Bestandzins in Bestand, das er unterbeträchtlichem Aufwand und mit erheblichen Investiti-onen fertigstellt und bei Beendigung des Bestandver-hältnisses wieder in den Zustand zu versetzen habenwird, in dem es sich zum Zeitpunkt der Übergabe befun-den hat, und stellt ihm der Bestandgeber auch sonst keineBetriebsmittel wie etwa Einrichtung, Warenlager, Kun-denstock oder Gewerbeberechtigung zur Verfügung, istselbst dann von einem Miet- und nicht von einem Pacht-verhältnis auszugehen, wenn die Vertragsparteien dieAnwendbarkeit des MRG ausgeschlossen haben, den Be-standnehmer gewisse Gemeinschaftsverpflichtungen wieetwa die Wahrung des Gesamtinteresses des EKZ oderdie Bezahlung eines Werbekostenbeitrags für Gemein-schaftswerbung treffen und der Bestandgeber dem Be-standnehmer die Infrastruktur des EKZ und Kunden-parkplätze zur Verfügung stellt.

Damit haben die Vorinstanzen im vorliegenden Ver-fahren jedoch zu Unrecht ein Pachtverhältnis angenom-men. Der hier zu beurteilende Sachverhalt entspricht imÜbrigen weitgehend jenem der E 7 Ob 260/07x; auch dortwurde ein Mietverhältnis angenommen.

10. Es ist zwischen den Parteien im Revisionsverfah-ren – durchaus zutreffend (vgl 3 Ob 253/05k) – nicht strit-tig, dass bei Annahme eines Mietverhältnisses die Auf-kündigung der Kl mangels Geltendmachung von Kün-digungsgründen nach § 30 MRG zur Abweisung des Kla-gebegehrens führen muss. Dass die Parteien die An-wendbarkeit des MRG ausgeschlossen haben, ändert an-gesichts dessen zwingenden Charakters daran nichts (vglWürth in Rummel, ABGB3 Bd II/5 [2003] § 1 MRG Rz 1mwN; ausdrücklich zu Bestandverträgen in Geschäfts-räumlichkeiten ebenso Iro in Koziol/Bydlinski/Bollen-berger, ABGB2 [2007] § 1091 Rz 3 mwN).

11. (. . .)

27.Rüge der Mietzinshöhe

DOI 10.1007/s00719-009-1363-x

§§ 16 Abs 1 Z 1 und Abs 8 MRG:Die Rüge zur Geltendmachung der Überschreitung des

gesetzlich zulässigen Mietzinses nach § 16 Abs 1 Z 1MRG muss zwischen dem rechtswirksamen Abschlussdes Vertrages und der Übergabe des Bestandobjekts (hierab Beginn von Umbauarbeiten durch den Mieter alsSachherrschaft über das Bestandobjekt) erfolgen.OGH 12. 5. 2009, 5 Ob 33/09b – Zurückweisung des ao Revisionsrekurses(LG Wiener Neustadt 18 R 221/08s)

28.Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG verfas-sungsrechtlich unbedenklich

DOI 10.1007/s00719-009-1318-2

§ 16 Abs 2 Z 2 und Abs 8 MRG:Als entscheidend für die Fristenregel des § 16 Abs 8

Satz 3 MRG wird angesehen, dass der Mieter bei einembefristeten Mietvertrag im Fall der Geltendmachung sei-ner im MRG normierten Rechte unter Druck steht, weil erdamit eine Verlängerung des Bestandverhältnisses ge-fährdet. Es muss dem Mieter auch ein Überprüfungsan-spruch für die gesamte befristete Mietzeit zustehen. Eine(verfassungsrechtlich bedenkliche) Unsachlichkeit derSpezialbestimmung des § 16 Abs 8 Satz 3 MRG liegtnicht vor.OGH 24. 3. 2009, 5 Ob 38/09p – Zurückweisung des ao Revisionsrekurses(LGZ Wien 41 R 62/08h)

Ein zwischen den Parteien bestehendes befristetesHauptmietverhältnis wurde einvernehmlich per EndeFebruar 2005 beendet. Unter Einhaltung der in § 16Abs 8 dritter Satz MRG normierten Sechsmonatsfristmachte die ASt die Unwirksamkeit der getroffenen Miet-zinsvereinbarung geltend. Die Vorinstanzen stellten einemonatliche Hauptmietzinsüberschreitung um 453,43 E inder Zeit vom 11. 11. 1999 bis 28. 2. 2005 fest und ver-pflichteten die AG gem § 37 Abs 4 MRG, der ASt denBetrag von 29.019,52 E samt gestaffelten Zinsen zu be-zahlen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Re-kursG bei einem 10.000 E übersteigenden Wert des Ent-scheidungsgegenstands für nicht zulässig.

Im ao Revisionsrekurs macht die Revisionsrekurswer-berin primär geltend, die Vorinstanzen hätten die Be-stimmung des § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG unrichtigangewendet und insofern zu Unrecht eine Neuschaffungdes Bestandgegenstands und damit die Zulässigkeit einerangemessenen Mietzinsvereinbarung verneint.

Im Weiteren hätten die Vorinstanzen die Verjährungs-bestimmungen des MRG unrichtig angewendet, weil tat-sächlich die dreijährige Frist des § 27 Abs 3 MRG, nichtaber die zehnjährige Verjährungsfrist des § 16 Abs 8 drit-ter Satz MRG Anwendung finde. Darüber hinaus regt dieRechtsmittelwerberin ein Normprüfungsverfahren vordem Verfassungsgerichtshof an, da die Bestimmung überdie zehnjährige Verjährungsfrist dem Gleichheitssatz wi-derspreche und sachlich nicht gerechtfertigt sei. Insofernliege eine erhebliche Rechtsfrage vor.

Schließlich wird ein Verstoß gegen § 405 ZPO geltendgemacht, weil der ASt nach § 37 Abs 4 MRG ein höhererRückzahlungsbetrag als von ihr begehrt zugesprochenworden sei.

Aus den Entscheidungsgründen des OGH:1. (. . .)2. Die AG hat mit einem Kostenaufwand von 99.000 E

eine ebenerdige, 72,11 m2 große, der Ausstattungskatego-rie D zuzuordnende Wohnung, die trotz schlechtem Aus-stattungszustand bis etwa 1997 vermietet und bewohntwar, mit zwei angrenzenden Abstellräumen in Größe von31,10 m2 verbunden. Dabei wurden eine Gesamtrenovie-rung des Objekts vorgenommen, eine Gasetagenheizung,ein WC sowie ein Bad errichtet, der gesamte Fußbodenabgetragen und erneuert, die Raumeinteilungen undWidmungen verändert und die gesamte Gas- und Strom-versorgung sowie die Kanalanbindung erneuert bzw inStand gesetzt. Die baubehördliche Bewilligung dafürwurde im Jahr 2000 erteilt.

Diese Wohnung war Gegenstand des zwischen denParteien abgeschlossenen Hauptmietvertrags, wofür ein