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Migrationsbericht 2016

Migrationsbericht 2016 - Federal Council€¦ · Der Migrationsbericht enthält Fakten und Zahlen zum ganzen Tätigkeitsspektrum des Staatssekretariats für Migration. Er soll helfen,

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Migrationsbericht 2016

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Herausgeber: Staatssekretariat für Migration (SEM),Quellenweg 6, CH-3003 Bern-Wabern

Konzept undRedaktion: Information und Kommunikation, SEMRealisation: www.typisch.chBezugsquelle: BBL, Vertrieb Bundespublikationen, CH-3003 Bern,

www.bundespublikationen.admin.chArt.-Nr. 420.010.D© SEM/EJPD April 2017

TitelseiteMassimiliano Antico, Koch aus Italien

Seite 60Bahija Mohamad, Teilnehmer Arbeitstrainingsprogramm Landschaftspflege, aus Syrien

FotonachweisTomas Wüthrich: Titelseite und Seite 4, 6, 8, 10, 14, 16, 28, 32, 36, 40, 46, 50, 52, 57, 60Carmela Odoni: Seite 3UNHCR/Achilleas Zavallis: Seite 13SEM/Cédric Kottelat: Seite 18Keystone/Ennio Leanza: Seite 20Thomas Kern: Seite 24bit.it/photocase.de: Seite 26Philipp Eyer: Seite 30Keystone/Gaetan Bally: Seite 31Laurent Burst: Seite 34, 49Gerry Amstutz: Seite 43Lukas Linder: Seite 44David Zehnder: Seite 54

Impressum

05.17 1200 860392773

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Editorial

Asyl – Integration – Rückführung – Personenfreizügigkeit –internationale Zusammenarbeit – Einbürgerung: Die Migra-tionspolitik ist weit gespannt, vielfältig und für vieleunübersichtlich. Doch manches, was weit auseinanderliegt,gehört zusammen, und scheinbar Gegensätzliches kannsich wechselseitig bedingen. Ein paar Beispiele:

Schutz – aber nur für Schutzbedürftige. Die Schweiz hatletztes Jahr fast 6000 Verfolgten Asyl gewährt und rund7000 weitere Personen, vor allem Kriegsflüchtlinge, für dieZeit ihrer Gefährdung vorläufig aufgenommen – einehumanitäre Leistung, die dem Land gut ansteht. Im Gegenzugsollen Menschen, die nicht auf Schutz angewiesen sind,die Schweiz rasch wieder verlassen. Bei der Rückkehr setzendie Behörden primär auf eine selbstständige Ausreise underleichtern diese durch Beratung und finanzielle Hilfe.

Aufnahme – aber auch Hilfe vor Ort. Der grösste Teil derFlüchtlinge flieht nicht nach Europa, sondern sucht Schutz inbenachbarten Staaten. Daher leistet die Schweiz umfangreichehumanitäre Hilfe vor Ort, zum Beispiel für Syrerinnen undSyrer im Libanon und in Jordanien. Zusätzlich unterstützt dasStaatssekretariat für Migration Projekte, etwa zur Stärkung derzuständigen Behörden. Aber trotz dem Engagement vielerStaaten und internationaler Organisationen kann die Aufnah-mebereitschaft der ersten Zufluchtsländer an Grenzen stossen.Und der Existenz in Lagern fehlt eine längerfristige Perspek-tive. Dass ein (kleiner) Teil der Flüchtlinge nach Europa weiter-zieht, lässt sich nicht verhindern. Hilfe vor Ort und Asylge-währung sind komplementär und können beide einander nichtersetzen.

Reisefreiheit – aber auch Kontrolle. Das Schengen-Rechterlaubt es, zwischen den beteiligten europäischen Staaten –dazu gehört auch die Schweiz – frei zu reisen. Dies giltauch für Besucher aus Drittstaaten. Tourismus, Handel und an-dere Beziehungen werden dadurch wesentlich erleichtert.Im Gegenzug prüfen die Behörden die Anträge auf Schengen-Visa genau und lehnen sie ab, wenn etwa Zweifel bezüglichRückreise oder Sicherheit bestehen.

Chancengleichheit – aber auch Erwartungen. Integration istoft ein langer Prozess. Sie verlangt Eigenanstrengungen,aber auch Unterstützung seitens Gesellschaft und Staat. Immerdeutlicher zeigt sich, dass besonders auch in der Schweizheranwachsende Ausländer früh zu fördern sind, damit siegleiche Chancen auf Gesundheit und Bildung haben wieKinder von Schweizern. Integration wird aber auch erwartet.

Für die Einbürgerung ist sie längst eine Voraussetzung, undsie bleibt es auch, wenn für die dritte Ausländergeneration dasVerfahren erleichtert wird.

Steuerung der Zuwanderung – mehr Integration. Heftigwurde im letzten Jahr über die Umsetzung der Masseneinwan-derungsinitiative debattiert. Das Parlament hat namentlichbeschlossen, dass schweizerische und bereits hier lebende aus-ländische Erwerbsfähige auf dem Arbeitsmarkt besser zumZug kommen sollen; der Bundesrat wurde gesetzlich zu entspre-chenden Massnahmen verpflichtet. Das fügt sich gut zuden immer intensiveren Bemühungen, Flüchtlinge und vorläufigAufgenommene wirtschaftlich und sozial zu integrieren.So gehen Zuwanderungspolitik und Integrationspolitik Handin Hand.

Der Migrationsbericht enthält Fakten und Zahlen zum ganzenTätigkeitsspektrum des Staatssekretariats für Migration. Ersoll helfen, über einen Themenkreis, der uns alle beschäftigt,mehr Klarheit zu gewinnen und die vielen Facetten des Um-gangs mit Migration einzuordnen. In diesem Sinn wünsche ichIhnen eine fruchtbare Lektüre.

Mario GattikerStaatssekretär, Staatssekretariat für Migration

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Dara Sadun, Coiffeur aus Syrien

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Inhaltsverzeichnis

A Überblick .......................................................................... 61. Wichtigste Kennzahlen 2016.............................................................................................. 72. Das Wichtigste in Kürze ..................................................................................................... 93. Neue Entwicklungen........................................................................................................ 12

B Migration 2016 ................................................................141. Ausländische Bevölkerung................................................................................................ 152. Zuwanderung und Arbeitsmarkt ...................................................................................... 153. Schengen-Visa ................................................................................................................. 184. Einbürgerungen ............................................................................................................... 195. Internationale Zusammenarbeit........................................................................................ 216. Asylbereich ...................................................................................................................... 227. Härtefallregelung ............................................................................................................. 268. Rückkehr.......................................................................................................................... 279. Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen ......................................................................... 31

C Integration ...................................................................... 321. Handlungsbedarf für die Integrationsförderung ............................................................... 332. Kantonale Integrationsprogramme und frühe Förderung.................................................. 353. Programme und Projekte von nationaler Bedeutung ........................................................ 38

D Ausgewählte Bereiche ..................................................... 401. Migrationsbewegungen nach und in Europa .................................................................... 412. Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten – Beispiele ........................................443. Herausforderungen und Massnahmen im Asylbereich...................................................... 474. Stand der Umsetzung von Artikel 121a BV ....................................................................... 53

E Das Staatssekretariat für Migration................................... 541. Organigramm .................................................................................................................. 552. Ausgabenentwicklung ..................................................................................................... 56

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Mortaza Shahed, Kameramann aus Afghanistan

AÜberblick

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1. Wichtigste Kennzahlen 2016

■ Ende 2016 lebten 2029527 Ausländerinnen und Ausländerin der Schweiz (Vorjahr: 1993916). Die ständige aus-ländische Wohnbevölkerung wuchs somit um 1,8%. 69%der ausländischen Einwohner stammen aus den EU- undEFTA-Staaten.

■ Durch Einwanderung stieg die Bevölkerungszahl um60262 Personen. Dieser «Migrationssaldo» verringerte sichgegenüber dem Vorjahr um gut 15%, da wie bereits 2015die Einwanderung ab- und die Auswanderung zunahm.Aus den EU- und EFTA-Staaten zogen 100217 Personen zu,während 58042 EU/EFTA-Staatsangehörige die Schweizverliessen.

■ Im Jahr 2016 wurden 428463 Schengen-Visa ausgestellt(Vorjahr: 452735). Am meisten Visa erteilten die schweizeri-schen Vertretungen in Indien (96211), China (68967),Thailand (33893) und Russland (24131).

■ 42974 Personen wurden eingebürgert (Vorjahr: 42703),davon 32155 Personen im ordentlichen, 10688 im erleich-terten Verfahren und 131 durch Widereinbürgerung.An der Spitze der Herkunftsländer standen Italien, Deutsch-land, Portugal, Frankreich und der Kosovo.

■ 27207 Personen stellten in der Schweiz ein Asylgesuch (Vor-jahr: 39523). Die wichtigsten Herkunftsländer waren Eritrea,Afghanistan, Syrien, Somalia, Sri Lanka und der Irak.

■ Das Staatssekretariat für Migration erledigte 31299 Asylge-suche (Vorjahr: 28118). Die Zahl der erstinstanzlichenPendenzen verringerte sich von 29805 auf 27711 Gesuche.

■ 5985 Personen erhielten Asyl (Vorjahr: 6377), 7369 Perso-nen wurden vorläufig aufgenommen (Vorjahr: 7787).3750 Asylsuchende wurden in einen anderen Dublin-Staatüberstellt (Vorjahr: 2461). Die Schutzquote sank von 53 auf49 Prozent.

■ 662 Flüchtlinge, vor allem Syrer, wurden direkt aus einemErstasylland der nahöstlichen Krisenregion aufgenommen(Resettlement). Im Rahmen der Umverteilung unter denDublin-Staaten (Relocation) übernahm die Schweiz bisher368 Asylsuchende.

■ 2378 Personen erhielten eine Aufenthaltsbewilligung, da einpersönlicher Härtefall vorlag (Vorjahr: 2284). Am häufigstenwaren es bisher vorläufig Aufgenommene (1866 Personen).

■ 8781 Personen, die kein Aufenthaltsrecht (mehr) besassen,verliessen die Schweiz behördlich kontrolliert auf dem Luft-weg (Vorjahr: 8608).

662 Flüchtlinge, vor allem Syrer,wurden direkt aus einem Erstasylland

der nahöstlichen Krisenregionaufgenommen.

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Xamdi Maxamed, Anlageführerin Endverpackung, aus Somalia.

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2. Das Wichtigste in Kürze

Vorläufige Wende im AsylbereichDie Schliessung der Balkanroute von Griechenland RichtungÖsterreich, Deutschland, Schweiz und Skandinavien sowie dieAbmachung der EU mit der Türkei führten ab März 2016zu einer starken Abnahme der irregulären Migration aus demNahen und Mittleren Osten nach Europa. Die Fahrten überdas zentrale Mittelmeer – vor allem von Libyen nach Italien –nahmen hingegen zu. In der Schweiz sank die Zahl der Asyl-gesuche vom ausserordentlich hohen Stand des Vorjahres um31Prozent. Besonders stark verminderte sich die Zahl derafghanischen, der syrischen und der irakischen Asylsuchenden.Aber auch bei den Personen aus Eritrea, der nach wie vorgrössten Gruppe, war aus mehreren Gründen eine Abnahmeum 44Prozent zu verzeichnen.

Die Zusammenarbeit im Rahmen des Dublin-Systems verbessertsich laufend weiter. Die Schweiz konnte einen wesentlichgrösseren Teil der Asylsuchenden als im Vorjahr in einen ande-ren europäischen Staat zurückführen. Dies ist auch ein Grunddafür, dass eine fast rekordhohe Zahl von Asylgesuchenerledigt und der Rückstau an Pendenzen reduziert werdenkonnte, wobei die Schutzquote leicht sank.

Im Sinn der Solidarität beteiligte sich die Schweiz am neuenProgramm der EU zur Umverteilung von Asylsuchendeninnerhalb Europas und an der aktiven Aufnahme von Flücht-lingen, die in einem Land der ersten Zuflucht besondersprekäre Bedingungen haben. Im zweiten Fall bewilligte derBundesrat für die Jahre 2017 und 2018 ein weiteres Kontin-gent von insgesamt 2000 Personen.

Stärkung des AsylsystemsDie extrem umfangreiche Asylmigration ab dem Spätsommer2015 veranlasste Bund und Kantone, in einer Notfallorgani-sation eng zusammenzuarbeiten und ihre Vorsorge für solcheSituationen zu konkretisieren. 2016 wurde die Notfallplanungweiter vorangetrieben. Das SEM richtete zusätzliche Unter-bringungsplätze ein, stellte Reservekapazitäten bereit und bil-dete einen Bereitschaftspool von Mitarbeitenden, um auchin aussergewöhnlichen Lagen alle neu ankommenden Asylsu-chenden unterbringen und registrieren zu können.

Dauerhaft soll das Asylsystem durch die Neustrukturierunggestärkt werden, die rasche und faire Verfahren zum Ziel hat.Nach der Abstimmung über die Gesetzesrevision, die am5. Juni 2016 mit Zweidrittelmehr angenommen wurde, arbeite-ten das SEM, die Kantone, Städte und Gemeinden weiteran der Umsetzung. Bis Ende Jahr konnten 12 der 18 Standortevon Bundeszentren festgelegt werden.

Steuerung der Zuwanderung und FreizügigkeitDie Netto-Einwanderung in die Schweiz nahm (auf relativhohem Niveau) erneut ab. Nichtsdestoweniger beschäftigte dasThema das SEM, den Bundesrat, das Parlament und dieÖffentlichkeit intensiv. Am 16.Dezember 2016 verabschiedetendie eidgenössischen Räte neue Gesetzesbestimmungen, umArtikel 121a der Bundesverfassung (Masseneinwanderungs-initiative) umzusetzen. Im Zentrum steht die Einführung derPflicht für Arbeitgeber, in Bereichen mit überdurchschnittlicherArbeitslosigkeit offene Stellen an die öffentliche Arbeitsver-mittlung zu melden und die von dieser vorgeschlagenen Bewer-bungen zu prüfen. Das Abkommen mit der EU über die Per-sonenfreizügigkeit bleibt unberührt. Um die Lücke zwischendem Verfassungsartikel und dem Ausführungsgesetz zu schlies-sen, hat der Bundesrat Entwürfe für einen Gegenvorschlagzur Rasa-Initiative in eine Vernehmlassung gegeben. Die Initia-tive verlangt, Artikel 121a ersatzlos wieder zu streichen.

Die Zulassung aus Nicht-EU/EFTA-Staaten zum Arbeitsmarktbleibt quantitativ und qualitativ eng beschränkt. Angesichts dergrossen Nachfrage nach besonders qualifizierten Arbeits-kräften erhöhte der Bundesrat die Höchstzahl der Bewilligun-gen für das Jahr 2017 von 6500 auf 7500.

Die Zusammenarbeit im Dublin-Systemverbessert sich laufend weiter.

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Robel Kahsay, Geschäftsführer Quartierladen, aus Eritrea

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Systematische Förderung der IntegrationDie wirtschaftliche und gesellschaftliche Eingliederung derZugewanderten ist eine Daueraufgabe von wachsenderBedeutung. Die grössere Zahl positiver Asylentscheide undvorläufiger Aufnahmen, aber auch der Zuzug von Arbeitskräf-ten und ihren Familien aus einer Vielzahl unterschiedlicherStaaten verlangt nach gezielten Anstrengungen – immer alsErgänzung und Unterstützung der Leistungen der Migrantenselber. Die mit dem Bund vereinbarten kantonalen Integra-tionsprogramme standen 2016 im dritten Jahr. Für die Flücht-linge, die aus Erstasylländern aufgenommen worden sind,besteht ein spezielles, intensives Pilotprogramm.

Am 16.Dezember verabschiedete das Parlament eine Revisiondes Gesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer, mitder die Integration ausführlicher geregelt wird. Dies betriffteinerseits die direkte Förderung der Integration, anderseitsderen Berücksichtigung bei ausländerrechtlichen Entscheiden.Zum Beispiel kann die Niederlassungsbewilligung neu aus-drücklich nur erteilt werden, wenn die betroffene Person inte-griert ist. Im Weiteren wird die Erwerbstätigkeit von Flüchtlin-gen und vorläufig Aufgenommenen etwas erleichtert, indemdie Bewilligungs- durch eine Meldepflicht ersetzt wird.

EinbürgerungDer Schritt zur staatsbürgerlichen Integration wurde durch dieTotalrevision des Bürgerrechtsgesetzes teilweise neu geregelt.Am 17. Juni 2016 hat der Bundesrat die entsprechende Verord-nung erlassen. Das neue Recht wird am 1. Januar 2018 in Krafttreten. Für die dritte Ausländergeneration verabschiedete dasParlament am 30.September Bestimmungen zur erleichtertenEinbürgerung. Die betreffende Verfassungsänderung wurdeam 12.Februar 2017 an der Urne angenommen. Das von Nati-onal- und Ständerat bereits durchberatene Ausführungsgesetzuntersteht dem fakultativen Referendum.

Die Schweiz beteiligte sicham EU Programm zur Umverteilung

von Asylsuchenden.

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3. Neue Entwicklungen

Im Asylbereich war das Jahr 2016 geprägt von der Bewältigungder ausserordentlichen Situation der zweiten Jahreshälfte2015. Im Jahr 2015 waren deutlich mehr als eine Million Men-schen über die Türkei und die Ägäis sowie, zu einem wesen-tlich kleineren Teil, über das zentrale Mittelmeer nach Europagelangt. Nie zuvor hatten innerhalb eines Jahres so vieleSchutzsuchende aus Ländern ausserhalb Europas unseren Kon-tinent erreicht. Die Migration von der Türkei über Griechen-land und den Balkan kam in den ersten Monaten des Jahres2016 weitgehend zum Erliegen. Zwischen Anfang April undEnde Dezember 2016 trafen gerade noch rund 22000 Migran-ten auf den griechischen Inseln in der Ägäis ein. So vielewaren im Oktober 2015, als die Migrationswelle ihren Höhe-punkt erreichte, jeweils innerhalb von drei Tagen gelandet.Die Migration über das zentrale Mittelmeer nahm 2016, nacheinem Rückgang im Vorjahr, um rund 18% zu. Sie erreichtemit ca.181500 landenden Personen einen neuen Höchstwert.Im Vergleich zum bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2014betrug die Zunahme knapp 7%.

Nach dem Ende der Migration über den Balkan stand Europaim April 2016 vor zwei Herausforderungen.

Noch waren die Asylgesuche Hunderttausender Migranten,die im Herbst 2015 oder in den ersten Monaten des Jahres2016 nach Europa gelangt waren, nicht vollständig registriert.Deutschland war in besonderem Ausmass betroffen. Erstim September 2016 konnten die letzten Asylgesuche von Per-sonen registriert werden, die 2015 nach Deutschland gelangtwaren. Insgesamt stammen rund 450000 der 746000 inDeutschland 2016 registrierten Asylgesuche von Personen, die2015 nach Europa gelangt waren. Vor diesem Hintergrundist die Zahl der rund 1,3Millionen im Jahr 2016 in Europa regist-rierten Asylgesuche zu interpretieren. Sie lässt keinen direktenSchluss auf das effektive Volumen der Migration zu. So wurdenauf den beiden wichtigsten Migrationsrouten nach Europa,der zentralen Mittelmeer Route und der Türkei-Griechenland-Route, im Jahr 2016 knapp 360000 Migranten registriert.

Eine weit grössere Herausforderung als die Registrierung allerAsylsuchender war und ist die politische Bewältigung der Situa-tion des Herbstes 2015. Die europäischen Staaten sind sicheinig, dass es eine unkontrollierte Migration nach Europa undinnerhalb Europas wie im Herbst 2015 nicht mehr gebendarf. Darüber, wie dies erreicht werden soll, gehen die Mein-ungen teilweise auseinander. Im Jahr 2016 wurden in Griechen-land und Italien sogenannte Hotspots aufgebaut. Dort werdenalle illegal über die Grenze gekommenen Migranten registriert,ihre Fingerabdrücke erfasst und in die Datenbank Eurodaceingelesen. Diese Registrierung funktioniert sehr gut. Danachsollten schutzsuchende Personen aus Herkunftsländernmit einer hohen Schutzquote auf andere europäische Staatenverteilt werden (Relocation).

Im Herbst 2015 beschloss die EU, innerhalb von zwei Jahren160000 Asylsuchende aus Griechenland und Italien umzuplat-zieren. Dieses Programm kommt aber nur sehr schleppendvoran. Bis Ende 2016 waren nur knapp 8000 Personen ausGriechenland und knapp 3000 Personen aus Italien in andereLänder gebracht worden. Zahlreiche europäische Staatensind, trotz einer fixen, von der EU festgelegten Quote, bei derAufnahme von Personen im Rahmen des Relocation-Pro-gramms sehr zurückhaltend. Sicherheitsbedenken sind einGrund für diese Zurückhaltung. Aber auch die weit verbreiteteSkepsis in der Bevölkerung gegenüber aussereuropäischenSchutzsuchenden trug zur zögerlichen Umsetzung des Reloca-tion-Programms bei.

Diese Entwicklung hat zur Folge, dass die Belastung Griechen-lands und Italiens im Jahr 2016 deutlich gestiegen ist. Dieszeigt sich etwa auch bei der Entwicklung der Asylgesuche.Nebst Deutschland sind Griechenland, Italien und auf wesent-lich tieferem Niveau Spanien die einzigen Staaten, die 2016eine Zunahme der Asylgesuche im zweistelligen Prozentbereichverzeichneten. Eine Mehrheit der Migranten, die 2016 inGriechenland oder Italien anlandeten, möchte weiter nachZentral-, West-, oder Nordeuropa. Die verschärften Grenzkont-rollen der Nachbarstaaten Griechenlands und Italiens erschwe-ren die Weiterwanderung. Gleichzeitig verläuft die Rückführungabgewiesener Asylsuchender in viele Herkunftsländer schlep-pend, da entsprechende Rückübernahme-Abkommen fehlenoder nicht umgesetzt werden. Die Belastung der beiden Staatenist 2016 kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig wächst dieUnzufriedenheit unter den gestrandeten Migranten, insbeson-dere in Griechenland. Vor diesem Hintergrund ist damit zurechnen, dass die Belastung Griechenlands und vor allem Itali-ens 2017 weiter zunehmen wird. Italien steht insbesondere

Eine Mehrheit der Migranten, diein Griechenland oder Italien anlandeten,möchte weiter nach Zentral-, West-,

oder Nordeuropa.

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auch deshalb unter Druck, weil die grosse Mehrheit der Mig-ranten, die in Süditalien eintreffen, von Libyen aus in Seegestochen ist. Da Libyen politisch instabil und zudem stark frak-tioniert ist, erscheint die Möglichkeit eines Abkommens analogzum Abkommen zwischen der EU und der Türkei nicht realis-tisch. Es ist deshalb wenig wahrscheinlich, dass 2017 die Migra-tion über das zentrale Mittelmeer zurückgehen wird. Die EUist vermehrt auf den Routen, die nach Libyen hineinführen aktiv,so etwa im Niger. Bis dieses Engagement eine nachhaltigeWirkung entfaltet, könnte es aber noch eine Weile dauern.

Gemäss des UNHCR waren Ende 2015 weltweit 65,3 MillionenMenschen auf der Flucht. Eine Mehrheit davon waren intern,innerhalb ihres Heimatstaates, Vertriebene. Von den 21,3 Millio-nen Personen, die ihre Heimat verlassen mussten, blieb diegrosse Mehrheit in ihrer Heimatregion. Die meisten Flüchtlingezählten Ende 2015 gemäss UNHCR die Türkei (2,5. Mio.),Pakistan (1,6 Mio.), Libanon (1,1 Mio.), Iran (980000) und Äthi-opien (740000). Dabei handelt es sich lediglich um die vomUNHCR registrierten Personen.

Die Migration über das zentrale Mittelmeer erreichte 2016 einen neuen Höchstwert.

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Starky Miguel Rodriguez Martinez, Musiker aus der Dominikanischen Republik

BMigration 2016

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1. Ausländische Bevölkerung 2. Zuwanderung und Arbeitsmarkt

Ende Dezember 2016 umfasste die ständige ausländischeWohnbevölkerung der Schweiz 2029527 Personen1

(2015: 1993916). Davon sind 1390405 (2015: 1363736)Personen (rund 69% der ständigen ausländischen Wohn-bevölkerung) EU-28/EFTA-Staatsangehörige, 639122 oder31% (2015: 630180) stammen aus übrigen Staaten. Bei denEU-28/EFTA-Staatsangehörigen ist eine Zunahme von 2,0%gegenüber dem Vorjahr festzustellen. Die Zahl der übrigenStaatsangehörigen nahm um 1,4% zu. Die grössten Gemein-schaften ausländischer Staatsangehöriger stammen aus Italienmit 318653 Personen (15,7% der ständigen ausländischenWohnbevölkerung), Deutschland mit 304706 Personen (15,0%)und Portugal mit 269521 Personen (13,3%). Im Vergleichzum Vorjahr am stärksten angestiegen ist die Zahl der Staats-angehörigen aus Italien (+4928), Frankreich (+4244) undDeutschland (+3158).

Die Schweiz kennt bei der Zulassung ausländischer Arbeits-kräfte ein duales System: Staatsangehörige der EU-27/EFTA-Staaten werden im Rahmen des Freizügigkeitsabkommenszwischen der Schweiz und der EU (FZA) prioritär zum SchweizerArbeitsmarkt zugelassen. Die Zulassung von Drittstaatsange-hörigen erfolgt demgegenüber komplementär.

Personenfreizügigkeit mit der EU2016 sind 100217 Personen aus der EU-28/EFTA2 in dieSchweiz eingewandert – rund zwei Drittel davon zur Aufnah-me einer Erwerbstätigkeit (ständige ausländische Wohn-bevölkerung).

Staatsangehörige aus der EU-17/EFTA3 arbeiten vorwiegend imDienstleistungssektor (80%).4 18% der Einwanderung vonErwerbstätigen aus diesen Staaten in die ständige ausländischeWohnbevölkerung erfolgten in den Industrie- und Hand-werkssektor, 2% in die Landwirtschaft. Das Bild der Erwerbs-tätigen, die aus den EU-8-Staaten5 eingewandert sind, prä-sentiert sich ähnlich: Rund 74% der Einwanderung erfolgtenin den Dienstleistungssektor und 18% in den Industrie- undHandwerkssektor. Im Vergleich zur Einwanderung aus denEU-17/EFTA-Staaten sind prozentual allerdings deutlich mehrPersonen in den Landwirtschaftssektor zugewandert (8%).Auch von den eingewanderten Erwerbstätigen aus Rumänienund Bulgarien (EU-2) ist der überwiegende Teil im Dienst-leistungssektor tätig (74%); rund 17% der Einwanderungerfolgten in den Industrie- und Handelssektor und 9% indie Landwirtschaft.

Am 1. Juni 2016 ist die vollständige Personenfreizügigkeit fürBulgarien und Rumänien in Kraft getreten.6 Nach einemsiebenjährigen Übergangsregime, das speziell für die Schweizgalt, besitzen bulgarische und rumänische Staatsangehörigedie gleichen Rechte wie die Staatsangehörigen aus derEU-25 und der EFTA.7

1 Die Ausländerstatistiken des SEM basieren auf dem ZEMIS-Register. Nichtenthalten sind jedoch internationale Funktionäre mit deren Familien-angehörigen, Kurzaufenthalter/innen < 12 Monate, Asylsuchende undvorläufig Aufgenommene.

2 Als EU-28 werden die heutigen Mitgliedstaaten der Europäischen Unionbezeichnet. Dies sind Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland,Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, Irland,Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Öster-reich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien,Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Am 1.Juli 2013 istKroatien der Europäischen Union (EU) beigetreten. Bei jeder Erweiterungder EU muss das Freizügigkeitsabkommen angepasst werden (Zusatzpro-tokoll). Die Erweiterung des FZA auf Kroatien wurde im Protokoll IIIausgehandelt, welches am 16. Dezember 2016 ratifiziert wurde und am1.Januar 2017 in Kraft trat. EFTA-Staaten sind ausser der Schweiz Island,Liechtenstein und Norwegen.

3 EU-17/EFTA: Für Bürgerinnen und Bürger Belgiens, Dänemarks, Deutsch-lands, Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Irlands, Islands, Italiens,Liechtensteins, Luxemburg, Maltas, der Niederlande, Norwegens, Öster-reichs, Portugals, Schwedens, Spaniens, des Vereinigten Königreichs undZyperns gilt seit dem 1.Juni 2007 die volle Personenfreizügigkeit.

4 Die Werte beziehen sich auf die ständige ausländische Wohnbevölkerung.5 Die EU-8 sind die 2004 der EU beigetretenen osteuropäischen Staatenohne Malta und Zypern: Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowenien,Slowakei, Estland, Litauen, Lettland.

6 Die Anrufung der im Protokoll II für die EU-2 vorgesehen Ventilklausel istbis zum 31.Mai 2019 möglich.

7 Mitgliedstaaten der EU-17, EU-8 und EFTA.

Die vollständige Personenfreizügigkeitfür Bulgarien und Rumänien ist

seit dem 1. Juni 2016 in Kraft getreten.

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Charlotte Lebrun, Supply planning specialist, aus Frankreich

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Kontingentierte Arbeitsmarktzulassung (Drittstaatsange-hörige und Dienstleistungserbringer aus EU/EFTA)Der Bundesrat legt jährlich Kontingente für Arbeitskräfte ausNicht-EU/EFTA-Staaten (Drittstaatsangehörige) und fürDienstleistungserbringer aus EU/EFTA-Staaten mit einem Erwer-bsaufenthalt von mehr als 120 Tagen fest. Für Personen ausDrittstaaten standen 2016 Kontingente von 4000 Kurzaufent-haltsbewilligungen (L) und 2500 Aufenthaltsbewilligungen (B)zur Verfügung. Für die Dienstleistungserbringer aus EU/EFTA-Staaten hatte der Bundesrat 2000 Kurzaufenthaltsbewilligun-gen (L) und 250 Aufenthaltsbewilligungen (B) freigegeben.

Die zur Verfügung stehenden Kontingente für Dienstleistungs-erbringer wurden vollständig ausgeschöpft. Die Bewilligungenfür Dienstleistungserbringer wurden sowohl im Dienstleis-tungssektor (Finanzbranche, Unternehmensberatung, Infor-matik) als auch im industriellen Sektor (Maschinenindustrie,Elektrotechnik, Baugewerbe) erteilt.

Die vom Bundesrat für das Jahr 2016 freigegebene Höchstzahlvon Aufenthaltsbewilligungen (B) für Drittstaatsangehörige(2500) wurde im November 2016 erreicht. Das Kontingent fürKurzaufenthaltsbewilligungen (L) war per Ende Dezemberebenfalls zu 100% beansprucht.8 Im Vergleich zu 2015 wurdenrund 90 Aufenthaltsbewilligungen (B) weniger und ca.180 Kurz-aufenthaltsbewilligungen (L) mehr erteilt.9

Die meisten Bewilligungen wurden im Jahr 2016 an die Infor-matikbranche (1990), die Chemie- und Pharmaindustrie (640),die Unternehmensberatung (570), die Nahrungs- und Genuss-mittelindustrie (510), den Forschungsbereich (390), dieMaschinenindustrie (350), sowie an die Finanz- und Versiche-rungsdienstleistungen erteilt. 85% der aus Drittstaaten zu-gelassenen Arbeitskräfte verfügten über einen Hochschulab-schluss. Der Grossteil der Bewilligungen ging unverändert anStaatsangehörige aus Indien (1780), aus den USA (1120), ausder Volksrepublik China (430) und aus Russland (370).

Der Bundesrat hat am 12.Oktober 2016 entschieden, die Kurz-aufenthalts- und Aufenthaltskontingente für Drittstaatsan-gehörige für das Jahr 2017 moderat zu erhöhen. 2017 steheninsgesamt 7500 Bewilligungen für Spezialistinnen und Spezia-listen aus Drittstaaten zur Verfügung. Die 1000 zusätzlichenBewilligungen (500 B, 500 L) gehen in die Bundesreserve. Mitseinem Entscheid trägt der Bundesrat dem anhaltendenBedarf der Wirtschaft an Spezialisten aus Drittstaaten Rech-nung und berücksichtigt gleichzeitig die Vorgaben des am9.Februar 2014 in die Bundesverfassung aufgenommenen Zu-wanderungsartikels (Art. 121a BV). Die Kontingente fürDienstleistungserbringer aus der EU/EFTA bleiben unverändert(2000 Kurzaufenthalts- und 250 Aufenthaltsbewilligungen).

Bilaterale Abkommen über den Austausch jungerBerufsleute (Stagiaires)Die Schweiz hat in den vergangenen Jahrzehnten mit verschie-denen Staaten so genannte Stagiaires-Abkommen abgeschlos-sen. Diese geben jungen Berufsleuten im Alter zwischen18 und 35 Jahren die Möglichkeit, maximal 18 Monate im je-weils anderen Land in ihrem Beruf erwerbstätig zu sein undsich weiterzubilden. Eine Zulassung ist in allen Berufen möglich.

2016 haben insgesamt rund 300 Schweizerinnen und Schweizerein Stagiaire-Abkommen für einen Auslandaufenthalt genutzt.Die jungen Schweizer Berufsleute reisten mehrheitlich nachKanada, am zweithäufigsten in die USA. Die Schweiz hat anausländische Staatsangehörige 2016 insgesamt 173 Bewilligun-gen für einen Stage in der Schweiz erteilt. Die meisten Bewil-ligungen gingen an junge Berufsleute aus Kanada (56), denUSA (31) und Tunesien (15). Die Einsätze in der Schweiz erfolg-ten in diversen Branchen, in erster Linie im Gesundheitswesen,der Architektur sowie im Gastgewerbe.

8 Den über die Höchstzahlen von 2500 (B) bzw. 4000 (L) hinausgehendenBedarf hat der Bund aus der Vorjahresreserve gedeckt.

9 Bis Ende 2016 wurden 2656 kontingentierte Aufenthaltsbewilligungen (B)sowie 4079 kontingentierte Kurzaufenthaltsbewilligungen (L) erteilt.

Die zur Verfügung stehendenKontingente für Dienstleistungserbringer

wurden vollständig ausgeschöpft.

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Mit einem Schengen-Visum können sich visumpflichtigePersonen maximal 90 Tage (innerhalb von 180 Tagen)im Schengen-Raum aufhalten. Diese Visa werden primär vonTouristen und Geschäftsreisenden beantragt. Im Jahr 2016hat die Schweiz insgesamt 428463 Schengen-Visa ausgestellt.34687 Visumanträge wurden nach Prüfung abgelehnt,weil eine oder mehrere Einreisevoraussetzungen nicht erfülltwaren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Behördenbezweifeln, dass die antragstellende Person nach Ablauf desVisums tatsächlich wieder ausreist, oder wenn ungenügendefinanzielle Mittel vorhanden sind.

Die meisten Schengen-Visa stellten die schweizerischen Vertre-tungen in Indien (96211 Visa), China (68967), Thailand (33893)und Russland (24134) aus. Jeder Schengen-Staat kann ver-langen, dass die anderen Schengen-Staaten in bestimmtenFällen seine Zustimmung einholen, bevor sie ein Visumausstellen. 2016 wurde die zuständige Fachstelle des Staats-sekretariats für Migration (SEM) 471037-mal von anderenLändern konsultiert. Die Schweizer Behörden stellten ihrerseits75679 Anfragen an andere Schengen-Staaten.

Seit Oktober 2011 ist das zentrale Visa-Informationssystem(VIS) auf europäischer Ebene in Betrieb. In diesem Systemspeichern alle Schengen-Staaten nebst den numerischen Datenauch die biometrischen Daten (zehn Fingerabdrücke undGesichtsbild) der Antragsteller ab. Die Grenzkontrolle vergleichtdie Fingerabdrücke von Reisenden mit einem Schengen-Visumdirekt mit den im VIS gespeicherten Fingerabdrücken. DieseKontrollmassnahme wird seit dem 11.Oktober 2014 an denschweizerischen Flughäfen systematisch durchgeführt.

Bereits seit Dezember 2012 gleicht die Schweiz die Fingerab-drücke der Asylgesuchsteller mit dem zentralen Visa-Informa-tionssystem ab. 2016 konnte so bei 1663 Personen nachge-wiesen werden, dass sie mit einem Schengen-Visum eingereistwaren und nachträglich in der Schweiz Asyl beantragt hatten.Weitere 403 Personen haben ein Asylgesuch eingereicht,nachdem ihnen das Visum verweigert worden war. Wurde dasVisum von einem anderen Schengen-Staat ausgestellt, istaufgrund der Dublin-Verordnung grundsätzlich dieser Staatauch für das Asylverfahren zuständig.

Seit dem 15.März 2016 können Staatsangehörige von Perumit einem biometrischen Reisepass ohne Visum in die Schweizeinreisen. Von einer solchen Visumbefreiung können seit 2016auch Staatsangehörige von Kiribati, Tuvalu, Mikronesien, denMarshall- und den Salomon-Inseln profitieren. Der Bundesratübernahm damit entsprechende Beschlüsse des EuropäischenParlaments und des Rats der Europäischen Union. Führt dieEU für ein bestimmtes Land die allgemeine Visumpflicht einoder hebt sie diese auf, gilt diese Änderung für den gesamtenSchengen-Raum und damit auch für die Schweiz. In denletzten Jahren wurden so unter anderem Serbien, Bosnien undHerzegowina, Mazedonien, Albanien, Moldawien, die Ver-einigten Arabischen Emirate, Kolumbien, Timor-Leste, Dominica,Vanuatu, Samoa (West), St. Vincent und die Grenadinen,Grenada, St. Lucia, Trinidad und Tobago, Tonga sowie Palauvon der Visumpflicht befreit.

Im Jahr 2016 wurden 428463 Schengen-Visaausgestellt.

3. Schengen-Visa

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2016 sind beim Staatssekretariat für Migration (SEM) insge-samt 33289 Einbürgerungsgesuche eingegangen – nahezugleich viele wie im Vorjahr (33437 Gesuche).

Im Jahr 2016 haben 42974 Personen das Schweizer Bürger-recht durch Einbürgerung erworben – 271 Personen mehr alsim Jahr 2015, als 42703 Personen eingebürgert wurden.Die Zahl der ordentlichen Einbürgerungen hat gegenüber dem

Vorjahr um 3% zugenommen, jene der erleichterten Einbür-gerungen und der Wiedereinbürgerungen hat um 6% bzw.19% abgenommen. 32155 Personen haben das SchweizerBürgerrecht durch ordentliche Einbürgerung erhalten (im Vor-jahr 31170 Personen). 10688 Personen wurden erleichterteingebürgert (im Vorjahr 11371 Personen), und 131 Personenerwarben das Schweizer Bürgerrecht durch Wiedereinbürge-rung (im Vorjahr 162 Personen).

4. Einbürgerungen

Einbürgerungen vom 1.1.2016 bis zum 31.12.2016 nach Nationalität10

Nationalität

TotalEinbürge-

rungen

davonwohnhaft inder Schweiz

davonwohnhaft im

Ausland

Einbürgerungen

OrdentlicheEinbürgerungen

ErleichterteEinbürgerungen

Wieder-einbürgerungen

Italien 5380 5108 272 3931 1441 8

Deutschland 4786 4610 176 3252 1522 12

Portugal 3927 3922 5 3724 203 0

Frankreich 3831 3104 727 2466 1328 37

Kosovo 3252 3250 2 2859 393 0

Türkei 1734 1725 9 1475 259 0

Spanien 1577 1547 30 1267 310 0

Serbien 1565 1564 1 1381 184 0

Mazedonien 1553 1553 0 1386 167 0

Bosnien und Herzegowina 957 957 0 824 133 0

Sri Lanka 759 759 0 724 35 0

Kroatien 737 736 1 643 94 0

Grossbritannien 687 664 23 516 171 0

Russland 605 597 8 398 207 0

Brasilien 547 517 30 181 364 2

USA 522 431 91 287 217 18

Irak 393 393 0 369 24 0

Belgien 387 367 20 302 84 1

Marokko 347 343 4 217 130 0

Niederlande 326 315 11 209 116 1

Übrige 9102 8665 437 5744 3306 52

Total 42974 41127 1847 32155 10688 131

10 Im Unterschied zu den offiziellen Statistiktabellen zum Erwerb des Schweizer Bürgerrechts sind in diesen Zahlen die Einbürgerungen von Personen imAusland enthalten, nicht aber die Personen, die durch Feststellung oder Adoption das Bürgerrecht erworben haben.

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Wie im Jahr 2015 haben vor allem Staatsangehörige aus Italienund Deutschland das Schweizer Bürgerrecht erworben. IhreZahl hat jedoch um 6% bzw.11% abgenommen. Es wurden5380 italienische Staatsangehörige eingebürgert (im Vorjahr5740 Personen). Bei den deutschen Staatsangehörigen hat dieZahl der einbürgerten Personen von 5363 auf 4786 abge-nommen. Wie im Jahr 2015 stehen auch 2016 an der drittenStelle der Einbürgerungsstatistik die Staatsangehörigen vonPortugal; es folgen Personen aus Frankreich, dem Kosovo undder Türkei. Die Einbürgerungen von portugiesischen undfranzösischen Staatsangehörigen haben um je 8% zugenom-men. Es wurden 3927 Staatsangehörige aus Portugal (imVorjahr 3624 Personen) und 3831 Staatsangehörige vonFrankreich (im Vorjahr 3532 Personen) eingebürgert. Die Zahlder eingebürgerten Personen aus dem Kosovo ist gegenüber

2015 (3167 Personen) um 3% auf 3252 Personen angestiegen.Die Zahl der eingebürgerten Staatsangehörigen aus derTürkei hat um 4% abgenommen und beläuft sich auf 1734 Per-sonen (im Vorjahr 1813 Personen). Um 6% abgenommenhaben die Einbürgerungen von serbischen Staatsangehörigen:Im Jahr 2015 wurden 1670 Personen eingebürgert und2016 nur noch 1565 Personen. Die Zahl der Einbürgerungenspanischer Staatsangehöriger hat um 2% und jene derPersonen aus Mazedonien um 19% zugenommen. Es wurden1577 spanische Staatsangehörige (im Vorjahr 1541 Personen)und 1553 Staatsangehörige aus Mazedonien (im Vorjahr1303 Personen) eingebürgert. Die Zahl der eingebürgertenPersonen aus Bosnien und Herzegowina ging um 13% von1105 auf 957 zurück.

Im Jahr 2016 haben 42974 Personen das Schweizer Bürgerrecht durch Einbürgerung erworben –271 Personen mehr als im Jahr 2015.

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5. Internationale Zusammenarbeit

Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit sucht undpflegt die Schweiz die enge partnerschaftliche Zusammenarbeitmit Herkunfts-, Transit- und Zielländern und nimmt eineaktive Rolle in der Weiterentwicklung der internationalen Mi-grationsgouvernanz zur Bewältigung der umfangreichenHerausforderungen und Aufgaben im Migrationsbereich ein.

Ein zentraler Schwerpunkt des internationalen Engagementsdes SEM lag im Jahr 2016 auf der Unterstützung der Erst-aufnahmestaaten in Zusammenhang mit dem anhaltendenKonflikt in Syrien.

Im Rahmen der Schweizer Kooperationsstrategie für denMittleren Osten 2015–2018 unterstützte das SEM zum Beispieldie jordanischen Behörden bei der Registrierung von syrischenFlüchtlingen als Voraussetzung für deren Zugang zu staatlichenHilfeleistungen. Im Libanon finanziert das SEM ein Projektzur integrierten Grenzverwaltung zugunsten des «GeneralDirectorate of General Security», mit dem eine Gesamtstrategiefür den Umgang mit besonders verletzlichen Personen beiGrenzkontrollen entwickelt werden soll. Zudem unterstützt dieSchweiz in der Türkei den Aufbau und die Entwicklung strate-gischer Handlungsfelder des «Directorate General for MigrationManagement», der 2014 neu geschaffenen türkischen Migra-tionsbehörde. Die besondere Bedeutung des Mittleren Ostensfür die Schweiz zeigte sich schliesslich in der erstmaligenErnennung eines Beauftragten für Migrationsfragen im Mitt-leren Osten durch den Bundesrat.

Auch das Horn von Afrika ist weiterhin eine der Schwerpunk-regionen für das internationale Engagement des SEM. DasProgramm «Protection in the Region» soll Erstaufnahmeländerwie zum Beispiel Äthiopien, den Sudan oder Kenia in ihrenBemühungen unterstützen, wirksamen Schutz zu gewährleis-ten, die Lebensbedingungen Schutzsuchender zu verbessernund dauerhafte Lösungen für sie zu finden. So wurde auchweiterhin ein Projekt in Äthiopien finanziert, das eritreischenFlüchtlingen hilft, eine Lebensgrundlage ausserhalb derFlüchtlingscamps aufzubauen.

Priorität hatte im Jahr 2016 auch der weitere Aufbau der Migra-tionsgouvernanz in Nord- und Westafrika. Die Schweiz kon-zentrierte sich in diesem Zusammenhang auf die Stärkung derStrukturen vor Ort zum Schutz von Migrantinnen und Migran-ten. Ende 2016 konnte unter anderem ein Projekt zur Stärkungder Kapazität der libyschen Küstenwache initiiert werden.

Im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit den Länderndes Westbalkans, Nigeria und Tunesien hat die Schweiz Vorha-ben zur Stärkung der nationalen Institutionen umgesetzt undkonstruktive Migrationsdialoge geführt. In Tunesien wurdendie Behörden im Rahmen der integrierten Grenzverwaltung undin der Handhabung des daktyloskopischen Identitätsnachweisesunterstützt. In Nigeria wurde ein Projekt zur Stärkung derKapazitäten des nigerianischen Grenzschutzes realisiert. ErsteSchritte wurden im Hinblick auf eine Migrationspartnerschaftmit Sri Lanka vollzogen. Im Oktober 2016 besuchte Bundes-rätin Sommaruga Sri Lanka und konnte mit den sri-lankischenBehörden ein Migrationsabkommen unterzeichnen.

Neben der bilateralen Zusammenarbeit haben auch die kollek-tiven Antworten der Staatengemeinschaft im Migrations-bereich an Bedeutung gewonnen. Zunehmend wächst dasBewusstsein, dass die grossen Herausforderungen, die durchFlucht- und Migrationsbewegungen entstehen, nicht voneinzelnen Staaten allein, sondern nur im Rahmen einer inter-nationalen Migrationsgouvernanz erfolgreich angegangenwerden können. Im September 2016 nahm BundesrätinSommaruga anlässlich der 71. UNO-Generalversammlung amGipfeltreffen zu Flucht und Migration teil. An diesem Treffenwurde beschlossen, dass zwei globale Rahmenwerke (GlobalCompacts) verabschiedet werden sollen, um bestehendeSchutzlücken zu schliessen. Die Schweiz wird mit Mexikozusammen die Modalitäten zum Prozess für den «GlobalCompact for Safe, Orderly and Regular Migration» erarbeiten.

Eine weitere kollektive Antwort können dauerhafte Neuan-siedlungen (Resettlement) sein. Der Bundesrat hat am9. Dezember 2016 beschlossen, weitere 2000 besonders ver-letzliche Menschen aufzunehmen, die vom UNHCR bereitsals Flüchtlinge anerkannt sind.

In der parlamentarischen Debatte zur internationalen Zusam-menarbeit hat sich herauskristallisiert, dass künftig eineVerknüpfung zwischen der Migrationspolitik und der Entwick-lungszusammenarbeit angestrebt werden soll. Ein weiteresstrategisches Ziel für 2017 ist der Abschluss von neuen Migra-tionspartnerschaften und -abkommen.

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Europäische TrendsDie Entwicklung der Asylgesuchszahlen im Jahr 2016 war vomEnde der tolerierten Migration von der Türkei über Griechen-land und den Balkan nach Österreich, Deutschland undSchweden sowie weiteren Zielländern geprägt. Grund hierfürwaren die weitgehende Schliessung der Balkanroute im März2016 sowie das Ende März in Kraft getretene Abkommenzwischen der EU und der Türkei. Hingegen nahm die Migrationüber das zentrale Mittelmeer 2016 zu. Insgesamt wurden2016 in Europa rund 1,3 Millionen Asylgesuche registriert. Dieswaren etwa gleich viele Gesuche wie 2015 (1,36 Mio.). DieZahl lässt jedoch keinen direkten Rückschluss auf die Asyl-migration in Richtung Europa im abgelaufenen Jahr zu. 2015war diese Migration ausserordentlich umfangreich gewesen.Deshalb konnten nicht alle Asylgesuche bald nach der Ankunftder Gesuchsteller erfasst werden. Dies traf im besonderen Aus-mass auf Deutschland zu. Rund 450 000 der im Jahr 2016registrierten Gesuche stammen von Personen, die bereits 2015in Deutschland eingetroffen waren.

Asylgesuche in der Schweiz2016 wurden in der Schweiz 27207 Asylgesuche gestellt. Ge-genüber 2015 bedeutet dies eine Abnahme um 31,2%(–12316 Gesuche). Anfang Jahr war die Anzahl der Asylgesu-che aufgrund des Fortbestehens der Balkanroute hoch.Der Januar (3618 Gesuche) und der Februar (2705 Gesuche)waren die Monate mit den meisten Asylgesuchen im Jahr2016. Im April wurde mit 1748 Gesuchen der tiefste Monats-wert des Jahres erreicht. Danach stiegen die Gesuchszahlenwieder an. Dies als Folge der jahreszeitlich bedingten Zunahmeder Migration über das zentrale Mittelmeer. Trotz der deut-lichen Zunahme der Landungen in Süditalien in den Sommer-monaten 2016 fiel der Anstieg der Asylgesuche in der Schweizvergleichsweise moderat aus. Ab Sommer 2016 verstärktedas Grenzwachtkorps (GWK) seine Kontrollen an der Südgrenzeim Tessin. Gleichzeitig bauten die italienischen Sicherheits-organe ihre Präsenz an der Grenze aus. Dies ermöglichtees dem GWK, zeitnah alle beim Grenzübertritt aufgegriffenenPersonen, die kein Asylgesuch in der Schweiz stellen wollten,nach Italien wegzuweisen bzw. zu überstellen.

6. Asylbereich

Wichtige europäische Zielstaaten von Asylsuchenden 2016 11

Land

Asylgesuch

e20

16

Asylgesuch

e20

15

Verän

derung

absolut

Verän

derung

relativ

Deutschland 746000 442000 + 304000 +68,8%

Italien 124000 86000 +38000 +44,2%

Frankreich 85000 80000 +5000 +6,3%

Griechenland 56000 13000 +43000 +330,8%

Österreich 43000 88000 –45000 –51,1%

Grossbritannien 38000 38500 –500 –1,3%

Ungarn 29500 179000 –149500 –83,5%

Schweden 29000 163000 –134000 –82,2%

Niederlande 28500 59000 –30500 –51,7%

Schweiz 27207 39523 –12316 –31,2%

Wichtigste Herkunftsländer von Asylsuchenden in Europa 2016 11

Land

Asylgesuch

e20

16in

Europa

Verän

derung

geg

enüber

2015

Asylgesuch

e20

16in

der

Schweiz

Anteilder

Schweiz

anallen

Gesuch

en

Syrien 325000 –65000 2144 0,7%

Afghanistan 175000 –20000 3229 1,8%

Irak 125000 –5000 1312 1,0%

Pakistan 50000 +2500 167 0,3%

Nigeria 49000 +17000 1106 2,3%

Iran 42000 +13500 561 1,3%

Eritrea 39000 –11000 5178 13,3%

Russland 35000 +5500 185 0,5%

Albanien 32000 –36000 157 0,5%

Somalia 21500 –500 1581 7,4%

11 Die Zahlen sind gerundet und beruhen teilweise auf provisorischen Angaben. Grundlage hierfür sind die Websitesder einzelnen Migrationsbehörden, des Hochkommissariats für Flüchtlinge UNHCR, der IGC (IntergovernmentalConsultations on Migration, Asylum and Refugees) und von Eurostat.

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Der Anteil der Schweiz an allen in Europa gestellten Asylgesu-chen sank im Jahr 2016 gegen 2% ab. Dieser tiefe Wertwiderspiegelt jedoch den Anteil der Schweiz an der aktuellenAsylmigration nach Europa unvollständig. Ein wesentlicherGrund für den statistischen Rückgang sind die Nacherfassungenvon Asylgesuchen in Deutschland. Ein realistischer Wert fürdas Jahr 2016 wäre bei rund 3% anzusetzen, also im Bereichdes Jahres 2015. Der schweizerische Wert von 3,4 Asylgesu-chen pro 1000 Einwohner (2015: 4,9) liegt weiterhin deutlichüber dem europäischen Durchschnitt von 2,5 Asylgesuchenpro 1000 Einwohner (2015: 2,6). Die meisten Asylgesuchepro 1000 Einwohner verzeichnete 2016 Deutschland (9,2) vorGriechenland (5,2), Österreich (5,0), Malta (4,5) und Luxem-burg (3,6).

Wichtigstes Herkunftsland im Jahr 2016 war erneut Eritrea mit5178 Gesuchen – rund 48% weniger als im Jahr 2015. Derdeutliche Rückgang ist auf die Abnahme der Landungen vonEritreern in Süditalien (–49%) zurückzuführen. Mit der Ein-richtung der Hotspots und der Möglichkeit, am Relocation-

Programm der EU teilzunehmen, nahm zudem die Zahl derEritreer, die in Italien einen Asylantrag stellten (7700 Gesuche),zu. Mit Abstand wichtigstes Zielland eritreischer Asylsuchenderim Jahr 2016 war jedoch Deutschland mit 17700 Gesuchen.

Mit der weitgehenden Schliessung der Balkanroute ab März2016 ging die Zahl der Asylgesuche von Personen, die aufdiesem Weg nach Europa gelangten, rasch zurück. Diese Ent-wicklung widerspiegelt sich im deutlichen Rückgang der inder Schweiz gestellten Asylgesuche von Afghanen (–58%),Syrern (–55%) und Irakern (–45%). Zu Beginn des Jahres wardie Zahl der asylsuchenden Personen aus diesen drei Staatennoch sehr hoch. Die Migration über die zentrale Mittelmeer-route war 2016 ein zweiter entscheidender Faktor für dieEntwicklung der Asylgesuche in der Schweiz. So dürfte dieZunahme der Asylgesuche von nigerianischen, gambischenund guineischen Staatsangehörigen auf den Anstieg derLandungen von Personen aus diesen Ländern in Süditalienzurückzuführen sein.

Die wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden in der Schweiz 2016

116 weitere Länder

5362—20%

Eritrea

5178—19%

Afghanistan

3229—12%

Syrien

2144—8%

Nigeria

1106—4%

Irak

1312—5%

Sri Lanka

1373—5%

Somalia

1581—6%

Georgien

465—2%

Türkei

526—2%

Algerien

557—2%

Marokko

823—3%

Guinea

900—3%

Äthiopien

1036—4%

Gambia

1054—4%

Iran

561—2%

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Behandlung der AsylgesucheMit 31299 erledigten Asylgesuchen konnte 2016 die Zahl dererstinstanzlichen Erledigungen gegenüber 2015 um 11,3%gesteigert werden. Der Wert des Jahres 2016 entspricht zu-dem dem höchsten Jahreswert seit dem Jahr 2000 (40036 Er-ledigungen).

Der Hauptgrund dieser Steigerung ist die grössere Anzahl vonAsylgesuchen, die mit einem Nichteintretensentscheid (NEE)erledigt werden konnten, weil ein anderer Dublin-Staat für dieBehandlung des Asylgesuches zuständig ist. Die grössere Zahlder NEE hatte auch zur Folge, dass die Anerkennungs- und dieSchutzquote 2016 etwas geringer ausfielen als 2015.

Daneben ist 2016 die Zahl der Abschreibungen markant ge-stiegen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass insbesonderewährend der Sommermonate zahlreiche Personen ihr Asylver-fahren in einem frühen Stadium abbrachen, indem sie dieEmpfangs- und Verfahrenszentren unkontrolliert verliessen.

2016 wurden 7369 vorläufige Aufnahmen verfügt (2015:7787, –5,4%), davon 6850 (2015: 7109, –3,6%) aufgrunderstinstanzlicher negativer Asylentscheide. 3639 vorläufigeAufnahmen wurden beendet (2015: 3466, +5,0%).

Der Bestand im Verfahrensprozess (erstinstanzlich hängige Asyl-gesuche) nahm im Jahr 2016 gegenüber dem Stand von Ende2015 (29805) um 2094 auf 27711 Personen (–7,0%) ab.Seit dem Höchststand von Ende Februar 2016, als 31196 Ge-suche pendent waren, konnten die Pendenzen um 3485 Fälleabgebaut werden.

Erstinstanzliche VerfahrensdauerDie mathematisch ermittelte durchschnittliche erstinstanzlicheVerfahrensdauer betrug 2016 249 Tage. Dieser Wert ist inerheblichem Mass von den Gesuchseingängen und vom Anteilder gemäss Behandlungsstrategie prioritären Gesuche ab-hängig und deshalb stark schwankend. 2015 betrug dieserWert 278 Tage, 2014 waren es 401 Tage, 2013 258 Tage und2012 163 Tage.

2016 wurden in der Schweiz 27207 Asylgesuche gestellt. Gegenüber 2015 bedeutet dies eine Abnahme um 31,2%.

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Die durchschnittliche Verfahrensdauer ist ein wenig aussage-kräftiger Indikator für die effektive Behandlungsdauer, da dieBehandlungsdauer der Asylgesuche aufgrund der Behand-lungsstrategie mit zwei Prioritätskategorien und dem hohenAnteil von schnellen Dublin-Verfahren keiner Gauss'schenNormalverteilung entspricht. Es ist sinnvoll, die Erledigungen indrei Kategorien aufzuteilen: die Dublin-Verfahren mit einemAnteil im Jahr 2016 von 35% und einer durchschnittlichenVerfahrensdauer von rund zwei Monaten (72 Tagen), die Be-handlung der übrigen Gesuche aus Ländern der Priorität 1mit einem Anteil von 6% und einer durchschnittlichen Verfah-rensdauer von rund sechs Monaten (182 Tagen) sowie denAbbau der Fälle der Priorität 2 mit einem Anteil von 59% undeiner durchschnittlichen Verfahrensdauer von etwa einemJahr (361 Tagen).

Dublin-VerfahrenSeit dem 12. Dezember 2008 wird das Dublin-Assoziierungs-abkommen in der Schweiz umgesetzt. Die Erfahrungen sindweitgehend positiv. Über einige Zeit betrachtet ist bei rund40% der in der Schweiz eingereichten Asylgesuche mutmass-lich ein anderer Dublin-Staat für die Behandlung zuständig.

2016 erfolgten 29,2% aller Erledigungen von Asylgesuchen imDublin-Verfahren (2015: 28,9%). Die Schweiz überstellte auf-grund des Dublin-Rechts und von Rückübernahmeabkommenbedeutend mehr Personen an andere Staaten (4096), als sieselbst übernehmen musste (473).

Die Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten funktioniert gut.Insbesondere Italien konnte seiner Pflicht zur Registrierungeintreffender Migrantinnen und Migranten 2016 wieder deut-lich besser nachkommen. Im Vergleich zum Jahr 2015 konntedie Schweiz deshalb mehr Nichteintretensentscheide fällen undsignifikant mehr Personen in den zuständigen Dublin-Staatüberstellen. Der hohe Migrationsdruck auf die Küsten Italiensund die Ungewissheit um die Balkanroute bleiben aber weiter-hin eine Herausforderung.

12 Anteil Asylgewährungen an allen Erledigungen ohne Abschreibungen.13 Anteil Asylgewährungen und vorläufige Aufnahmen aufgrund erstinstanzlicher Entscheide an allen Erledigungenohne Abschreibungen.

14 Seit ihrer Umsetzung am 1.Januar 2014 fallen gewisse Kategorien von ausländischen Staatsangehörigen nicht mehrin den Anwendungsbereich der Dublin-III-Verordnung; bei diesen muss ein Ersuchen um Übernahme im Rahmender Rückführungsrichtlinie bzw. der bilateralen Rückübernahmeabkommen erfolgen.

Erstinstanzliche Erledigungen 2016

Erledigungen2016

Veränderung2015–2016

Veränderung2015–2016

Asylgewährungen 5985 –392 –6,1%

Anerkennungsquote 12 22,7% –2,4 Prozentpunkte –9,6%

Schutzquote 13 48,7% –4,4 Prozentpunkte –8,3%

Nichteintretensentscheide 9393 + 972 +11,5%

davon Nichteintretensentscheide Dublin(inkl. anderer Übernahmeverfahren) 14 9136 +1013 +12,5%

Ablehnungen 10983 +381 +3,6%

Abschreibungen 4938 +2220 +81,7%

Total Erledigungen 31299 +3181 +11,3%

Erstinstanzlich hängige Gesuche 27711 –2094 –7,0%

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Das Asylgesetz (AsylG) und das Ausländergesetz (AuG) sehendrei verschiedene Härtefallkategorien vor. Die Kantone könnenin folgenden Fällen, unter Vorbehalt der Zustimmung desStaatssekretariats für Migration, eine Aufenthaltsbewilligungerteilen:

Das AsylG bestimmt, dass Asylsuchende eine Aufenthaltsbe-willigung erhalten können, wenn sie sich seit mindestensfünf Jahren in der Schweiz aufhalten, ihr Aufenthaltsort immerbekannt war und wegen fortgeschrittener Integration einpersönlicher Härtefall vorliegt. Im Jahr 2016 erhielten 121 Asyl-suchende auf diesem Weg eine Aufenthaltsbewilligung.

Das AuG sieht bei vorläufig aufgenommenen Personen vor,dass nach mehr als fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz aufGesuch hin vertieft geprüft werden muss, ob ein persönlicherHärtefall vorliegt. Im Jahr 2016 erhielten 1866 vorläufig aufge-nommene Personen eine Aufenthaltsbewilligung.

Zudem ermöglicht das AuG allgemein die Erteilung einerAufenthaltsbewilligung, wenn ein schwerwiegender persönli-cher Härtefall vorliegt. Im Jahr 2016 erhielten 391 Personen,die sich ohne ausländerrechtliche Anwesenheitsregelung inder Schweiz aufhielten (u.a. Sans-Papiers), eine Aufenthaltsbe-willigung. Eine besondere Aufenthaltsregelung ist überdiesfür Personen möglich, die ihren Aufenthaltsstatus zu verlierendrohen, weil ihre Ehe aus besonderen Gründen (z.B. ehelicheGewalt, Zwangsheirat) aufgelöst worden ist.

7. Härtefallregelung

XIm Jahr 2016 erhielten 391 Personen, die sich ohne ausländerrechtliche Anwesenheitsregelung inder Schweiz aufhielten (u.a. Sans-Papiers), eine Aufenthaltsbewilligung.

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RückkehrhilfeZwanzig Jahre nach deren Lancierung bietet der Bund erstmalskeine länderspezifischen Rückkehrhilfeprogramme mehr an:Die zwei letzten Länderprogramme, Guinea und Nigeria, liefenEnde 2016 aus. Mit der individuellen Rückkehrhilfe steht fürdie Asylsuchenden aus den allermeisten Staaten weiterhin einsehr gut ausgebautes und bewährtes Angebot zur Verfügung.Über die möglichen Leistungen, die denjenigen eines Länder-programms entsprechen, wird während des Asylprozesses lau-fend informiert.

Der Bund startete die breite Förderung der freiwilligen Rück-kehr 1997 mit dem Rückkehrhilfeprogramm Bosnien undHerzegowina und setzte seither in Zusammenarbeit mit derDirektion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)und der Internationalen Organisation für Migration (IOM)24 Länderprogramme um. Allein im Westbalkan bot der Bundin den vergangenen zwanzig Jahren sieben Programme an,ebenfalls sieben waren es in Schwarzafrika, fünf in Asien, jezwei im Kaukasus und im Maghreb sowie eines in der Türkei.

Die meisten Rückkehrenden verzeichnete das Rückkehrhilfe-programm Kosovo (rund 40000), am zweitmeisten jenesfür Bosnien und Herzegowina (10000). Die übrigen Programmeblieben deutlich hinter diesen Zahlen zurück (u.a. Irak mitrund 1200 und Nigeria mit 900 Rückkehrenden).

Es zeigte sich wiederholt, dass der Mehrwert eines Programmsnicht vorab bei den individuellen Leistungen an die Asylsu-chenden liegt. Ein Länderprogramm muss neben den individu-ellen auch umfassende strukturelle Leistungen sowie einevertiefte migrationspolitische Zusammenarbeit auf zwischen-staatlicher Ebene einschliessen. Eine Konstellation, in der diesangebracht ist (zum Beispiel eine Nachkriegssituation analogdem ersten Länderprogramm Bosnien und Herzegowina),kann wieder eintreffen, und eine Neulancierung eines Länder-programmes bleibt für das SEM deshalb nach wie vor einesinnvolle und prüfenswerte Option.

In der Zwischenzeit wird der länderspezifische Ansatz im Rah-men der individuellen Rückkehrhilfe weiterverfolgt: Um dieBetreuung der Rückkehrenden und die Umsetzung von Rück-kehrhilfeprojekten sicherzustellen, leistet das SEM 2017 inden vier Ländern Afghanistan, Gambia, Irak und Sri Lanka einenBeitrag an die Finanzierung der lokalen IOM-Büros.

8. Rückkehr

Ausreisen Länderprogramme 2007 bis 2016

500

400

300

200

100

900

800

700

600

1000

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

GeorgienGuineaIrakMaghrebNigeriaTunesienWestbalkanÜbrige

Seit Einführung der Rückkehrhilfe 1997sind rund 90000 Personen selbstständigin ihre Herkunftsländer zurückgereist.

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Sambujang Cessay, Gruppenleiter Arbeitstrainingsprogramm Team Clean, aus Guinea-Bissau

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ZwangsmassnahmenAsylsuchende, deren Gesuch abgewiesen wurde, müssennach dem Abschluss des Asylverfahrens die Schweiz wiederverlassen. Auch andere Ausländerinnen und Ausländer,die sich illegal in der Schweiz aufhalten, können ausdrücklichweggewiesen werden. Wird der Aufforderung, das Landzu verlassen, nicht Folge geleistet, können Zwangsmassnahmenwie namentlich Haft verfügt und Rückführungen organisiertwerden.

Die durchschnittliche Dauer der ausländerrechtlichen Adminis-trativhaft ist im vergangenen Jahr mit 25 Tagen (2015: 23 Tage)praktisch unverändert geblieben. Insgesamt wurde 5732-mal(2015: 5935-mal) Haft angeordnet. Die meisten Personen inder Administrativhaft stammten 2016 – wie bereits im Vorjahr –aus Nigeria und Albanien. Danach folgten neu Personen ausAfghanistan und Gambia, bei denen mehrheitlich Haft imRahmen des Dublin-Verfahrens (Art. 76a AuG) angeordnetwerden musste.

Rückführungen auf dem LuftwegIm vergangenen Jahr haben insgesamt 8781 ausreisepflichtigePersonen aus dem Asyl- und Ausländerbereich die Schweizbehördlich kontrolliert auf dem Luftweg verlassen. Diese Zahlentspricht trotz einem massiven Rückgang der Asylgesuchein etwa dem Vorjahresniveau (2015: 8603 Ausreisen). Dies istin erster Linie darauf zurückzuführen, dass im Vergleich zu2015 signifikant mehr Personen in den zuständigen Dublin-Staat überstellt werden konnten.

Auch 2016 konnte die schweizerischeBeteiligung an den EU-Sammelflügen

weiter erhöht werden.

Ausreisen auf dem Luftweg (2013–2016)

Rückführungmit polizeilicher

Begleitung

Rückführung mitpolizeilicher

Begleitung biszum Flugzeug

Freiwillige /pflichtgemässeAusreise

20142013 2015

579

7

488232

3

566

9

477244

4

704

3

480

445

9

2016

5790

6302361

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Wie bereits im Vorjahr erfolgte die Ausreise aus der Schweiz inknapp 27% der Fälle selbstständig. Zahlreiche behördlichweg- oder ausgewiesene Personen kommen hingegen der Auf-forderung, die Schweiz zu verlassen, nicht von sich aus nach.Die Mehrheit dieser Personen konnte auf Vollzugsstufe 1 (poli-zeiliche Begleitung nur bis zum Einstieg in das Flugzeug)zurückgeführt werden. Nur bei 630 Personen (7% aller Aus-reisen) war eine Begleitung durch speziell ausgebildete Sicher-heitsbeamte bis in den Zielstaat notwendig. 345 von ihnenwurden im Rahmen von insgesamt 64 Sonderflügen (2015:45 Sonderflüge) zurückgeführt. Die starke Zunahme der AnzahlSonderflüge hängt damit zusammen, dass vermehrt EU-Sam-melflüge durchgeführt werden konnten, die durch die euro-päische Grenzschutzagentur Frontex koordiniert werden. Vonden insgesamt 21 EU-Sammelflügen, an denen sich dieSchweiz beteiligt hat (2015: 16 EU-Sammelflüge), hat dieSchweiz fünf als federführender Staat organisiert.

Im vergangenen Jahr ist das neue Ausbildungsreglementfür polizeiliche Begleitpersonen von Rückführungen in Kraftgetreten, das gemeinsam mit dem Schweizerischen Polizei-Institut (SPI) ausgearbeitet worden ist. Es regelt die Grund-ausbildung für die verschiedenen Funktionen sowie dieregelmässigen Weiterbildungen. Damit bei sämtlichen Begleit-personen ein aktueller Wissensstand in Bezug auf dieneuesten Erkenntnisse im Bereich der Rückführungen gewähr-leistet ist, wurde ein obligatorischer Rezertifizierungskurseingeführt.

Im vergangenen Jahr haben insgesamt 8781 ausreisepflichtige Personen aus dem Asyl- und Ausländerbereichdie Schweiz behördlich kontrolliert auf dem Luftweg verlassen.

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Im Jahr 2016 wurden in der Schweiz insgesamt 13566 Einreiseverbote verfügt (2015: 11979).

Im Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer(AuG) sind Massnahmen gegen ausländische Personen vorge-sehen, die in schwerwiegender Weise oder wiederholt dieöffentliche Sicherheit und Ordnung verletzen, sie gefährdenoder eine Gefahr für die innere oder äussere Sicherheitdarstellen. Zu diesen Massnahmen gehören die Wegweisung,die Ausweisung sowie das Einreiseverbot. Sowohl die Aus-weisung als auch das Einreiseverbot haben einen präventivenund keinen strafrechtlichen Charakter. Solange sie aufrecht-erhalten werden, ist der betroffenen Person die Einreise in dieSchweiz nur mit ausdrücklicher Bewilligung erlaubt. Gegen-über Staatsangehörigen der EU können Entfernungs- undFernhaltemassnahmen nur ergriffen werden, falls eine tatsäch-liche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdungder öffentlichen Sicherheit und Ordnung besteht. Im Jahr 2016wurden in der Schweiz insgesamt 13566 Einreiseverboteverfügt (2015: 11979).

Als assoziiertes Mitglied von «Schengen» schreibt die Schweizihre Einreiseverbote gegen Drittstaatsangehörige im Schenge-ner Informationssystem (SIS) aus. Dadurch kann die Einreise inden gesamten Schengen-Raum verhindert werden.

Am 1.Oktober 2016 ist die Änderung15 des Strafgesetzbuches(StGB) und des Militärstrafgesetzes (MStG) zur Umsetzungvon Artikel 121 BV über die Ausschaffung krimineller Auslände-rinnen und Ausländer in Kraft getreten. Mit diesen neuenBestimmungen erhält der Strafrichter die alleinige Kompetenz,mit der obligatorischen oder fakultativen Landesverweisunggegen straffällige Ausländerinnen und Ausländer eine Entfer-nungs- und Fernhaltemassnahme anzuordnen. Die Landes-verweisungen treten in diesen Fällen an die Stelle der auslän-derrechtlichen Massnahmen.

9. Entfernungs- und Fernhaltemassnahmen

15 Gesetzestext: www.admin.ch/opc/de/official-compilation/2016/2329.pdf

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Séverine Montaland, Lehrerin aus Frankreich

CIntegration

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Die ersten Lebensjahre sind für die Entwicklung und die Ge-sundheit eines Kindes äusserst wichtig. Dies gilt in sozialer,emotionaler und intellektueller Hinsicht. In der frühen Kindheitwird ein wichtiger Grundstein für den künftigen Bildungs-und Lebenserfolg gelegt. Die spezifische Integrationsförderungdes Bundes setzt deshalb seit Jahren einen starken Akzentauf die frühe Förderung, dies im Rahmen der kantonalen Inte-grationsprogramme (KIP) wie auch in den Programmen undProjekten von nationaler Bedeutung des SEM und ganz speziellim TAK-Integrationsdialog «Aufwachsen – gesund ins Lebenstarten».

Das Engagement zahlt sich für die ganze Gesellschaft aus:Kinder, die früh gefördert werden, sind in der Schuleund später in der beruflichen Ausbildung und im Erwerbslebenerfolgreicher.

Frühe Förderung ist eine Aufgabe des Bildungs-, des Sozial-und des Gesundheitswesens. Besonderer Handlungsbedarfergibt sich auch für die Integrationsförderung. Denn bei denjüngsten Bewohnerinnen und Bewohnern der Schweizmacht die Migrationsbevölkerung eine relativ grosse Gruppeaus, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen:■ Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz 86559 Lebendge-

burten gezählt, davon waren 25215 Säuglinge nichtschweizerischer Nationalität.

■ Die Zahl der Geburten von Müttern ausländischerStaatsangehörigkeit ist in der Periode 2000 bis 2015 um19Prozent gestiegen.

■ Ein gutes Viertel der ständigen Wohnbevölkerung unter15 Jahren sind im Ausland oder in der Schweiz geboreneAusländerinnen und Ausländer.

■ Ausländische Kinder besitzen vorwiegend die portugiesi-sche, die deutsche oder die italienische Nationalität.Mit Anteilen von weniger als 10 Prozent der bis 14-jährigenAusländerinnen und Ausländer folgen Staatsangehörigeaus dem Kosovo, aus Frankreich und aus Serbien.

■ Von den bis sechsjährigen Kindern hat die Mehrheit min-destens einen Elternteil mit Migrationshintergrund.

■ Im Asylbereich hat die Zahl der Kinder im Alter bis fünf Jahrein den letzten fünf Jahren zugenommen. Dies betrifft sowohlanerkannte Flüchtlinge als auch Kinder mit vorläufigerAufnahme. Die Mehrheit von ihnen stammt aus Eritrea,Syrien, Afghanistan und Somalia.

1. Handlungsbedarf für die Integrationsförderung

Zunahme der bis Fünfjährigen im Asylbereich (2011–2015)

VA/VAFL:Vorläufig

aufgenommenePersonen undFlüchtlinge mit

Ausweis F.

N: Asylsuchendeohne Asylentscheid

mit Ausweis N.

FL: AnerkannteFlüchtlingemit Ausweis Boder C.

2015

1363

4758

2456

2013

1115

748

3167

2012

1371

619

3650

2011

1294

703

2846

1620

1692

3511

2014

Frühe Förderung undIntegration ermöglichen mehr

Chancengerechtigkeit.

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Besonderer Handlungsbedarf besteht für die Integrationsför-derung auch, weil Kinder mit Migrationshintergrund oftnicht die gleichen Startbedingungen haben wie Kinder vonSchweizer Eltern:■ Statistische Auswertungen zeigen, dass rund um die

Schwangerschaft und die Geburt bei ausländischen Mütternund Säuglingen häufiger gesundheitliche Probleme auf-treten als bei Schweizer Müttern und Neugeborenen: mehrKinder mit einem geringen Geburtsgewicht, erhöhteSäuglings- und Müttersterblichkeit etc. Auch die Rate derSchwangerschaftsabbrüche liegt über dem Durchschnitt.Allerdings müssen diese Unterschiede differenziert betrach-tet werden, da die Migrationsbevölkerung heterogen istund nicht alle Gruppen von diesen Problemen betroffen sind(siehe Bericht des Bundesrats in Erfüllung des Postulates12.3966 Maury Pasquier).

■ Die Säuglingssterblichkeitsrate für die gesamte ständigeWohnbevölkerung betrug 2014 3,8Promille. Auf diesenIndikator haben der Geburtsort der Mutter und ihre Staats-angehörigkeit einen Einfluss: Die Säuglingssterblichkeitsrateder in der Schweiz geborenen Mütter liegt bei 3,4Promillen,jene der im Ausland geborenen Mütter bei 4,1Promillen.Bei Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit bestehttendenziell eine höhere Säuglingssterblichkeit als beiSchweizerinnen: 4,1Promille gegenüber 3,5Promillen.

■ Weniger als 50Prozent der Kinder mit Migrationshintergrundim Alter bis drei Jahre kommunizieren in einer Landes-sprache. Migrantenkinder, die zu Hause und auch in ihrersozialen Umgebung keine Landessprache sprechen,haben ein zwei- bis viermal grösseres Risiko, in Armut undBenachteiligung aufzuwachsen, als einheimische Kinder.

Angesichts dieser Zahlen hat die frühe Kindheit an Bedeutunggewonnen, dies in allen für die Entwicklung des Kindes rele-vanten Politikbereichen wie Bildung, Soziales, Gesundheit undIntegration.

Die Aufgabe der Integrationsförderung besteht darin, Potenzialeund Risiken früh zu erkennen und mit geeigneten MassnahmenHindernisse abzubauen. Es geht darum, dass Kinder mit undohne Migrationshintergrund nach dem Grundsatz der Chancen-gerechtigkeit gleichermassen von einer qualitativ hochstehen-den frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung profitie-ren können.

Bereits 2009 haben das SEM und die Eidgenössische Migra-tionskommission (EKM) gemeinsam ein Modellvorhabenfür die «Integrationsförderung im Frühbereich» lanciert. Dieseshatte zum Ziel, die Erreichbarkeit der Angebote für Elternund Kinder mit Migrationshintergrund zu erhöhen, die inter-kulturelle Qualifizierung von Betreuungspersonen zu verbes-sern sowie diesbezügliche Konzeptarbeiten, insbesondereauf Gemeindeebene, voranzutreiben. So wurden von 2009 bis2011 86 innovative Projekte mit insgesamt 5 Millionen Frankenfinanziell unterstützt. Diese Arbeiten legten die Grundlagendafür, dass die frühe Förderung seit 2014 einer der achtFörderbereiche in den kantonalen Integrationsprogrammen(KIP) ist.

Ein gutes Viertel der ständigen Wohnbevölkerung unter15 Jahren sind Ausländerinnen und Ausländer.

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Dank der Lancierung der kantonalen Integrationsprogramme(KIP) gelten seit 2014 erstmals in der ganzen Schweiz diegleichen integrationspolitischen Ziele, auf die sich Bund undKantone geeinigt haben. Die erste Phase der kantonalenIntegrationsprogramme ist auf vier Jahre angelegt. Dies er-möglicht, die Integrationsarbeit vor Ort, in den Kantonen undGemeinden, über einen längeren Zeitraum nachhaltig weiter-zuentwickeln.

Eine Stärke der KIP ist es, dass sie zwar einheitliche Ziele fürdie ganze Schweiz setzen, in der Umsetzung jedoch lokaleGegebenheiten berücksichtigen. Die Kantone und Gemeindenkönnen so eigene Schwerpunkte festlegen.

Bund und Kantone investierten 2015 im Rahmen der KIP über148 Millionen Franken in die spezifische Integrationsförderung.Zu grossen Teilen wurden diese Gelder für Sprachförderung,Arbeitsmarktintegration, Beratung und Erstinformationeingesetzt.

7,4 Millionen Franken (etwa 5Prozent des Gesamtvolumensder KIP) wurden 2015 im Bereich frühe Förderung eingesetzt.Dies mit dem strategischen Ziel, dass Migrantenfamilienchancengleichen Zugang zu den Angeboten der frühen Förde-rung haben und diese ihrer familiären Situation gerechtwerden. Die Kantone setzen dabei fünf Akzente:

Gute Vernetzung erreichenDie Vernetzung der Akteure sowie die horizontale und vertikaleKoordination sind für die Umsetzung der Programmziele vongrösster Bedeutung; dies, weil weder das SEM noch die kanto-nalen oder kommunalen Integrationsfachstellen für die früheFörderung federführend zuständig sind. Die Integrationsdele-gierten sind aufgefordert, sich mit anderen kantonalen Stellenund mit den Gemeinden zu vernetzen. Sie müssen zudemdie zahlreichen Akteure der frühen Förderung und die diver-sen Angebote kennen und koordinieren. In vielen Kantonenliegt die Verantwortung für die frühe Förderung bei den Ge-meinden. Die Zusammenarbeit dient deshalb häufig dazu,die Gemeinden vom Wert der Frühförderung zu überzeugen.Die Vernetzung von Fachpersonen erfolgt meist mittelsAus- und Weiterbildungsveranstaltungen.

2. Kantonale Integrationsprogramme und frühe Förderung

Flächendeckendelntegrationsförderung mitden gleichen Zielen

Bedarfsorientierte lntegra-tionsförderung für Migran-tinnen und Migranten,Behörden und dieeinheimische Bevölkerung

Klare Umsetzungmittels kantonalerlntegrationsprogramme

Optimale Abstimmungmit den Regelstrukturen

Integrationsförderung

Integrationsförderung in den Regelstrukturen

SpezifischeIntegrationsförderung

von Bund und Kantonen

Information und Beratung Bildung und ArbeitVerständigung und

gesellschaftliche Integration

Erstinformations- undIntegrationsförderbedarf

Sprache und BildungInterkulturelles Übersetzen

Beratung Frühe Förderung

Schutz vor Diskriminierung ArbeitsmarktfähigkeitSoziale Integration

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Tsering Dolma Chedrong, Teilnehmerin Arbeitstrainingsprogramm Reinigung, aus Tibet

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Die Eltern stärkenIn der kindlichen Entwicklung ist das Verhalten der Eltern starkprägend. Die Elternarbeit besteht im Wesentlichen darin, diesein ihrer Rolle zu unterstützen, damit sie ihre erzieherischenAufgaben wahrnehmen können. Hilfreich sind dabei die zahl-reichen Hausbesuchsprogramme. Rund zehn Kantone unter-stützen beispielsweise via KIP das Projekt «Schritt:weise» (sieheKasten). Die Mütter- und Väterberatungen, welche schweiz-weit tätig sind, spielen bei der aufsuchenden Familienarbeitebenfalls eine zentrale Rolle und werden teilweise auch überdie KIP unterstützt.

Mit der Muttersprache auch die Landessprache lernenMigrantenkinder aus sozioökonomisch benachteiligten und/oder bildungsfernen Familien sind beim Kindergarteneintritt oftungenügend vorbereitet: Ihre sprachlichen Kompetenzen inder Zweitsprache Deutsch sind meist weniger ausgeprägt alsbei Kindern mit Deutsch als Erstsprache. Eine früh einsetzendeSprachförderung in der Familie, in den Kitas, Tagesfamilienund Spielgruppen ist deshalb eine wichtige integrationspoli-tische Aufgabe. Zahlreiche Kantone unterstützen Angebotemit früher Sprachförderung. Dabei handelt es sich einerseits umProjekte für Kinder mit Sprachförderung in Spielgruppenund Kitas, z.B. «SpielgruppenPlus», in diversen Kantonen. An-dererseits laufen Projekte unter Einbezug der Eltern für dieFörderung der Sprachentwicklung.

Die Qualität auf allen Ebenen fördernFast alle Kantone fördern die Aus- und Weiterbildung derMitarbeitenden von Kitas und Spielgruppen. Zentrale Themendabei sind Interkulturalität, Zusammenarbeit mit Eltern,Gesundheit und frühe Sprachförderung. Die Weiterbildungs-angebote bieten den Fachpersonen wichtige Austauschge-fässe. Ein gutes Beispiel dafür ist die interkantonale Weiterbil-dung «Valoriser la diversité dès l’enfance» in der Romandie.Aus Sicht der KIP sollen bestehende Angebote der frühen För-derung auch auf die Bedürfnisse der Migrantenbevölkerungausgerichtet und wo nötig mit gezielten Integrationsmassnah-men ergänzt werden. Von guten Angeboten können prinzipiellalle Familien profitieren und damit auch alle Kinder einenNutzen für ihre Entwicklung ziehen. Besonders gross ist derGewinn aber für Kinder aus sozial benachteiligten Familien.Studien zeigen klar auf, dass Qualität in der frühen Förderungeine wichtige Rolle spielt, damit die Entwicklung positivbeeinflusst wird.

Die Stolpersteine beseitigenAus den Rückmeldungen der Kantone geht hervor, dass dieAngebote der frühen Förderung sehr geschätzt werden.Dies ist Motivation genug, um den Weg fortzusetzen und diezahlreichen Herausforderungen anzugehen. Einige Kantonekonstatieren Probleme, die sich aus der schwierigen Erreich-barkeit der Eltern sowie aus deren jeweiliger finanzieller Situa-tion ergeben. Die Finanzierung ist auch aus der Sicht derInstitutionen ein Problem, da entsprechende gesetzliche Vor-schriften meist fehlen. Deshalb ist die Vernetzung und Koordi-nation der verschiedenen staatlichen und nicht staatlichenAkteure ein zentrales Thema. Unter den Gemeinden herrschenbezüglich Angebote oft beträchtliche Unterschiede, wassowohl für die Zielgruppen als auch für die Anbieter erschwe-rend ist. Viele Gemeinden hatten zudem noch keine Zeit,ihr Angebot zu überdenken oder anzupassen.

Eine ausführliche Berichterstattung zu allen Förderbereichenin den kantonalen Integrationsprogrammen (KIP) gibt der 2016publizierte erste Zwischenbericht:www.sem.admin.ch/sem/de/home/publiservice/berichte/integration.html

Projekt «Schritt:weise»

Dieses präventive Förderprogramm richtet sich an sozialbenachteiligte und bildungsferne Familien mit ein- bisfünfjährigen Kindern. Im Mittelpunkt der wöchentlichenHausbesuche stehen die altersgerechte Förderung derKinder sowie die Stärkung der Erziehungskompetenzender Eltern. Solche Massnahmen sind dann besonderswirksam, wenn sie sich nicht auf reine Hausbesuche be-schränken, sondern mehrere Angebotsteile mit klarenZielsetzungen umfassen. Dazu zählen Elternbildung, Un-terstützung und Beratung, Gesundheitsförderungsowie eine regelmässige Überprüfung der kindlichenEntwicklung.

www.a-primo.ch/de/angebote/programm-schritt-weise/uebersicht

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3. Programme und Projekte von nationaler Bedeutung

Die vom Staatssekretariat für Migration (SEM) direkt finan-zierten Programme und Projekte von nationaler Bedeutung(PPnB) wirken ergänzend zu den kantonalen Integrationspro-grammen (KIP) und fördern die Weiterentwicklung, dieQualitätssicherung und die Innovation bei der Umsetzung derIntegrationsförderung.

Im Bereich der frühen Förderung engagiert sich das SEM starkim Rahmen des TAK-Integrationsdialogs «Aufwachsen».Auch im Pilotprojekt Resettlement (aktive Aufnahme vonFlüchtlingen in Gruppen) wird der frühen Förderung spezielleBeachtung geschenkt.

TAK-Integrationsdialog«Aufwachsen – gesund ins Leben starten»Mit dem 2013 lancierten Integrationsdialog «Aufwachsen»möchten Bund, Kantone, Städte und Gemeinden gemeinsamim Rahmen der Tripartiten Agglomerationskonferenz (TAK)einen Beitrag leisten, um die Rahmenbedingungen für einegute körperliche, seelische und soziale Entwicklung im frühenKindesalter zu optimieren – und zwar für alle Kinder. Die

Dialogpartner sind einerseits die TAK-Träger Bund, Kantone,Städte und Gemeinden, insbesondere Stellen aus demGesundheits-, dem Sozial- und dem Erziehungsbereich, undandererseits nicht staatliche Akteure der medizinischenGrundversorgung, der familienunterstützenden Angeboteund der Integrationsförderung.

Mit dem Dialog möchte die TAK erreichen, dass alle Familien –unabhängig von ihrer sozialen oder nationalen Herkunft – diemedizinischen, familienunterstützenden und integrationsför-dernden Angebote in ihrer Region kennen und nutzen. Zudemsollen die entsprechenden Akteure im Umgang mit Vielfalt ge-stärkt werden und sich besser vernetzen.

Im Rahmen des Dialogs «Aufwachsen» wurden 13 konkreteEmpfehlungen erarbeitet. Die Empfehlungen an die staatlichenAkteure hat die TAK offiziell verabschiedet und die Empfehlun-gen an nicht staatliche Akteure zur Kenntnis genommen.Die nicht staatlichen Dialogpartner wollen im Rahmen ihrerMöglichkeiten zur Umsetzung der Empfehlungen beitragen.

Effektive Ausgaben 2015: Anteile der Förderbereiche im Rahmen der KIP

Schutz vor Diskriminierung—2%

Arbeitsmarktfähigkeit—33%

Beratung—9%

Sprache—37%

Interkulturelles Dolmetschenund Vermitteln—2%

Soziale Integration—5%

Erstinformation undIntegrationsföderbedarf—7%

Frühe Förderung—5%

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Eine gemeinsam mit dem Netzwerk Kinderbetreuung Schweizorganisierte Fachtagung wird im Mai 2017 Bilanz zum Dialog«Aufwachsen» (2013–2017) ziehen.

Vom TAK-Dialog «Aufwachsen» sollen alle benachteiligtenFamilien profitieren. Bei der konkreten Umsetzung fokussiertdas SEM seinem Auftrag entsprechend auf die Zielgruppeder Migrantenfamilien. So hat das SEM als Beitrag zur Verbes-serung der Kommunikationsfähigkeiten der Eltern und derVerständigung das Sprachfördersystem «fide – Französisch,Italienisch, Deutsch in der Schweiz – lernen, lehren, beurteilen»um Materialien rund um die Themen Schwangerschaft,Geburt und frühe Kindheit erweitert.

In Sprachkursen speziell für werdende Mütter wurden dieMaterialien in Pilotprojekten durch Institutionen, die langjährigeErfahrung in der Durchführung von Sprachkursen haben, ge-testet. 2015/2016 wurde das Konzept durch die Unterstützungvon 14 Projekten in die Regionen getragen. Die fide-Sprach-kurse konzentrieren sich auf alltagsbezogenes Lernen, wobeiz.B. werdende Mütter die Sprachkenntnisse erwerben, die siewährend der Schwangerschaft und bei der Geburt benötigen.Sie können sich dadurch mit dem medizinischen Personalbesser verständigen und erleichtern damit auch dessen Arbeit.

Weiter engagierte sich das SEM für die Umsetzung der TAK-Empfehlungen, indem es verschiedene Aktivitäten vonPartnern über den Integrationsförderkredit des Bundes finan-ziell unterstützte. Das Programm «Femmes-Tische» konnteein neues Moderationsset zu Themen der reproduktiven Ge-sundheit und der Vorsorgeuntersuchung im Kleinkindalterentwickeln und Gesprächsrunden dazu einführen. VerschiedeneFachverbände haben Richtlinien und Materialien zur Arbeitmit Migrantinnen entwickelt oder überarbeitet. Studien zuSprachbarrieren, Informationsangeboten und Wirksamkeit derAngebote wurden lanciert.

Pilotprojekt ResettlementIm Pilotprojekt Resettlement werden 503 Flüchtlinge, diezwischen Ende 2013 und Ende 2015 in acht Kantonen Aufnah-me gefunden haben, durch ein spezielles Integrationspro-gramm zwei Jahre lang begleitet. Der Förderung der Kinderkommt dabei grosse Bedeutung zu, denn im Pilotprogrammsind 170 Kinder im Alter von 5 bis 15 Jahren sowie 69 imVorschulalter (bis 4 Jahre). Die Partnerkantone Basel-Land-schaft, Genf, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen, Uriund Wallis sorgen für die kompetenz- und bedarfsgerechteEinschulung der Kinder und für frühe Förderung der Jüngsten.

Die Erfahrungen mit dem Pilotprogramm führen zu Erkennt-nissen, welche längerfristig in die Verbesserung derIntegrationsmassnahmen für alle anerkannten Flüchtlingeeinfliessen.

Der TAK-Integrationsdialog

Integration bedingt gemeinsames Handeln. Deshalb habenBund, Kantone, Städte und Gemeinden im Rahmenihrer politischen Plattform, der Tripartiten Agglomerations-konferenz (TAK), nach der 2. Nationalen Integrations-konferenz 2011 den Dialog Integration lanciert. Diesermehrteilige Dialog dient dazu, die Zusammenarbeit mitprivaten Akteuren zu vertiefen, um die Integration inden Lebensbereichen Arbeiten, Aufwachsen und Zusam-menleben auf eine breite Basis zu stellen.

Der Dialog «Arbeiten» (2012–2016) wurde mit einerpositiven Gesamtbilanz am 3. November 2016 abgeschlos-sen. Der Dialog «Aufwachsen» dauert von 2013 bis2017. Der Dialog «Zusammenleben» wurde am 8. Sep-tember 2016 lanciert.

Die TAK wird 2017 in die Tripartite Konferenz (TK)übergeführt.Die 3. Nationale Integrationskonferenz wird imJuni 2017 stattfinden.

Mehr dazu auf der Website des Dialogs:www.dialog-integration.ch

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Yahya Dalib Ahmed, Interkultureller Übersetzer aus Somalia

DAusgewählte Bereiche

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Die Lage an der Südgrenze/TransitmigrationDie Asylmigration in die Schweiz erfolgte ab Mai 2016 vorwie-gend über die Südgrenze. Dies entspricht dem üblichen Musterder letzten Jahre mit Ausnahme des Zeitraums von August2015 bis Januar 2016, als die Mehrzahl der Asylsuchenden imZuge der Migration über die Balkanroute via Österreich undDeutschland über die Ost- und die Nordgrenze in die Schweizgelangt war.

Mit dem Einsetzen günstigerer Witterungsverhältnisse imFrühsommer 2016 stieg die Zahl der Fahrten über das Mittel-meer nach Italien wieder an. Dies sowie die verstärktenMassnahmen Frankreichs und Österreichs an der Grenze zuItalien führten dazu, dass sich der Migrationsdruck auf dieSchweizer Südgrenze markant erhöhte. Ab Ende Mai wurdendurch das Grenzwachtkorps (GWK) im Tessin deutlich mehrMigrantinnen und Migranten beim illegalen Grenzübertrittaufgegriffen als in der gleichen Vorjahresperiode. Allein in denMonaten Juni bis Oktober stellte das GWK in der Region IVrund 24200 illegale Grenzübertritte fest (2015: rund 7000).

Als Reaktion auf die veränderte Situation verstärkte das GWKsein Personal an der Südgrenze; insbesondere am BahnhofChiasso wurde die Kontrolltätigkeit erhöht, weil die irreguläreMigration an der Südgrenze zu rund 85% auf der Bahnver-bindung von Como nach Chiasso erfolgte. Personen, die bei derKontrolle angaben, in der Schweiz kein Asylgesuch stellenzu wollen, wurden gestützt auf das bilaterale Rückübernahme-abkommen umgehend den italienischen Grenzbehörden über-geben. Als Folge dieser Entwicklung bildete sich in Como inden Sommermonaten ein Rückstau von mehreren hundertPersonen, die vor dem Bahnhof unter teilweise prekären Um-ständen campierten und darauf hofften, die Schweizer Grenzezu einem späteren Zeitpunkt passieren zu können.

Der Anteil jener, welche die Schweiz lediglich als Transitlandbenutzen und kein Asylgesuch stellen wollten, ist im vergange-nen Jahr stark angestiegen. In der zweiten Jahreshälfte äus-serte durchschnittlich nur rund ein Viertel der an der Südgrenzeaufgegriffenen Personen gegenüber dem GWK den Wunsch,in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen. Auch von den Perso-nen, die ein Asylgesuch einreichten, sind ungewöhnlich vielekurz nach der Gesuchstellung unkontrolliert abgereist. In denMonaten Juni bis August 2016 sind bis zu 40% der Asylsuchen-den noch vor der vollständigen Erfassung des Asylgesuchsund der ersten Befragung im Empfangs- und Verfahrenszent-rum (EVZ) bereits wieder verschwunden. Weitere 10 bis 20%der Gesuchsteller brachen das Asylverfahren nach der Ge-suchserfassung ab, indem sie das EVZ im Verlauf der erstenTage unkontrolliert und vorzeitig verliessen. Um dem Ver-schwinden von Asylsuchenden während der Transfers vonChiasso in andere EVZ entgegenzuwirken, hat das SEM unteranderem Bustransporte organisiert. Da es sich bei den EVZaber nicht um geschlossene Einrichtungen handelt, konnte dasunkontrollierte Abreisen von Asylsuchenden dennoch nichtunterbunden werden. Nach allen vorliegenden Informationenist davon auszugehen, dass sich die grosse Mehrheit der un-kontrolliert abgereisten Asylsuchenden nicht mehr in derSchweiz befindet, sondern nach Nordeuropa weitergereist ist.

Europäische MigrationszusammenarbeitDie Schweiz liegt in der Mitte Europas – umgeben von derEuropäischen Union (EU). Deshalb hat die Migrations- undAsylpolitik der EU auch einen direkten Einfluss auf die Schweiz.Durch die Assoziierungsabkommen zu Schengen/Dublin istdie Schweiz teilweise in die Rechtsordnung und in die politi-schen Diskussionen in diesen Themenbereichen eingebunden.Sie kann ihre Position einbringen und übernimmt in derFolge auch die entsprechenden Weiterentwicklungen deseuropäischen Rechts.

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) analysiert die Aus-wirkungen der Schengen/Dublin-Politik auf die Schweizund beteiligt sich aktiv an den Diskussionen in Arbeitsgruppenund Ausschüssen auf Ebene der EU. Dazu stimmt es sich mitanderen betroffenen Stellen der Bundesverwaltung ab. Dievom Bundesrat oder vom EJPD festgelegte Schweizer Positionwird je nach Gremium durch die Departementsvorsteherin,den Staatssekretär des SEM, den Chef der Schweizer Missionbei der EU oder Mitarbeitende des SEM in Brüssel vertreten.

1. Migrationsbewegungen nach und in Europa

Die Überfahrt nach Italiensowie die verstärkten Massnahmen

Frankreichs und Österreichserhöhten den Migrationsdruck auf

die Schweizer Südgrenze.

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Europa sah sich 2015 mit dem grössten Migrationsstrom seitdem Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Speziell dieunkontrollierte Weiterwanderung der Schutzsuchenden undMigranten über die sogenannte Balkanroute war für vieleEU-Staaten ein Problem. Seit der Wiedereinführung von Kont-rollen an den Grenzen zwischen einzelnen Schengen-Staatenund der gemeinsamen Erklärung der EU und der Türkei norma-lisierte sich die Lage ab Frühling 2016 teilweise.

Im Mai 2015 wurde die Europäische Migrationsagenda ver-abschiedet, anhand der die EU die migrationspolitischenHerausforderungen ganzheitlich angehen will. Die im Herbst2015 verabschiedeten Relocation-Programme wurdenauch 2016 nicht schnell genug umgesetzt. Von insgesamt106000 Personen wurden bis Ende 2016 weniger als10000 Schutzsuchende aus Griechenland und Italien inandere Dublin-Staaten umverteilt.

Am 4.Mai 2016 publizierte die Europäische KommissionRevisionsvorschläge für die Dublin-III-Verordnung. Im Fokus derVorschläge stehen drei Hauptziele: Die Verfahren sollenschneller und effizienter durchgeführt, Sekundärmigration sollverhindert und Dublin-Staaten unter besonders hohemMigrationsdruck sollen durch einen Korrekturmechanismussolidarisch unterstützt werden. Gleichzeitig wird auch dieEurodac-Verordnung revidiert und deren Geltungsbereich aus-gedehnt. Am 13. Juli 2016 folgte die Publikation des zweitenLegislativpakets zur Revision des Gemeinsamen EuropäischenAsylsystems (GEAS) mit Vorschlägen zur Asylverfahrens-, zurAufnahme- und zur Anerkennungsrichtlinie. Dieses zweiteLegislativpaket ist für die Schweiz von untergeordnetem Inter-esse, da die Richtlinien für die Schweiz nicht verbindlich sind.

Im Verlaufe des Jahres wurden auf europäischer Ebene mehrereProjekte zur Verbesserung des Grenzschutzes besprochenund teilweise verabschiedet. So ist seit dem 6.Oktober 2016 dieneue Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwacheoperativ. Dazu gehört ein rasch mobilisierbarer Soforteinsatz-pool von 1500 Experten. Dadurch soll die Schengen-Aussen-grenze besser überwacht und die grenzüberschreitendeillegale Migration sowie die Kriminalität sollen erfolgreich be-kämpft werden. Diese Agentur verfügt neu auch übererweiterte Kompetenzen im Rückkehrbereich. Die Schweizwird sich hier aktiv beteiligen.

Neu sollen auch bei Personen, die nach Unionsrecht Anspruchauf freien Personenverkehr haben, im Rahmen einer Grenz-übertrittskontrolle an einer Aussengrenze systematisch die rele-vanten Fahndungsdatenbanken abgefragt werden. DiesesGeschäft wird voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2017verabschiedet werden.

Nach Veröffentlichung eines neuen Verordnungsvorschlags imApril 2016 wurden die Diskussionen zur Einführung einesEntry-/Exit-Systems (EES) weitergeführt. Das EES sieht vor, Dritt-staatsangehörige, die für einen kurzfristigen Aufenthalt vonmaximal 90 Tagen je Bezugszeitraum von 180 Tagen oder miteinem Rundreisevisum einreisen, unabhängig von der Visums-pflicht an den Schengen-Aussengrenzen bei der Ein- und Aus-reise mittels biometrischer Daten zu registrieren.

Im November 2016 präsentierte die Europäische Kommissionihren Vorschlag für das EU Travel Information and AuthorisationSystem (ETIAS). Dieses sieht vor, dass visumsbefreite Dritt-staatsangehörige relevante Angaben zu ihrer geplanten Reisesowie alphanumerische Daten zu ihrer Person vorab onlineregistrieren. Es handelt sich dabei um ein ähnliches System wiedas ESTA (Electronic System for Travel Authorization) derUSA für Drittstaatsangehörige, die visumsfrei einreisen könnten.

All diese Massnahmen sollen dem besseren Schutz derSchengen-Aussengrenzen und der Erhöhung der innerenSicherheit dienen.

Das SEM engagiert sich auch bilateral in einzelnen Mitglied-staaten der EU. 2016 hat es eine griechische NGO, die imRahmen des griechischen Asylverfahrens Übersetzungsdiensteleistet, sowie die Aktivitäten des UNHCR in Griechenlandfinanziell unterstützt. Weiter wurde auch die Zusammenarbeitmit Polen verstärkt. Dabei stand insbesondere die Förderungdes Wissenstransfers in den Bereichen des Asylverfahrens, derUnterbringungspraxis sowie der Integration im Fokus. Basie-rend auf den engen Beziehungen mit Polen im Migrations-bereich soll auch die Zusammenarbeit mit den anderen Vise-grad-Staaten (Tschechische Republik, Ungarn, Slowakei)intensiviert werden.

2016 befasste sich die EU mit derVerbesserung des Grenzschutzes.

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Der Beitrag der SchweizSeit 2013 sind verschiedene Programme beschlossen worden,mit welchen zur Entlastung der bisherigen Aufnahmestaateninsgesamt rund 9700 schutzbedürftige Personen in der Schweizaufgenommen worden sind oder noch aufgenommen werden:■ Das EJPD hat 2013 im Rahmen von Visaerleichterungen

die Einreise von rund 4700 syrischen Staatsangehörigenbewilligt.

■ Bis zu 1500 Asylsuchende werden im Rahmen des EU-Relocation-Programmes aus Italien und Griechenland über-nommen (Bundesratsbeschluss vom 18.September 2015).

■ 3000 besonders verletzliche Flüchtlinge sollen überdas Resettlement in der Schweiz Schutz finden und einenachhaltige Zukunftsperspektive erhalten (Bundesrats-beschlüsse vom 6.März 2015 und 9.Dezember 2016).

■ Weiteren 500 engen Familienangehörigen von in derSchweiz vorläufig aufgenommenen syrischen Staatsange-hörigen sollen humanitäre Visa erteilt werden.

ResettlementNachdem die Einreisen im August 2015 begonnen hatten,wurden diese 2016 konsequent fortgesetzt. Insgesamt reistenim vergangenen Jahr 662 Personen in die Schweiz ein. Mitinsgesamt 968 eingereisten Flüchtlingen seit Beginn desProgramms wurde damit das Aufnahmekontingent gemässBundesratsbeschluss vom 6.März 2015 per Ende 2016 fastausgeschöpft.

Am 9.Dezember 2016 beschloss der Bundesrat, das Engage-ment für die Opfer des Syrienkonflikts fortzusetzen. DieSchweiz nimmt daher in den nächsten zwei Jahren in engerZusammenarbeit mit dem UNHCR sowie mit den Kantonenweitere 2000 besonders verletzliche Menschen im Rahmendes Resettlement auf.

RelocationMit ihrer freiwilligen Beteiligung am EU-Umverteilungspro-gramm zeigt sich die Schweiz solidarisch gegenüber denKriegsvertriebenen, aber auch gegenüber Italien und Griechen-land, welche angesichts der Flüchtlingsbewegungen vorenormen Herausforderungen stehen. Am Programm teilneh-men können Asylsuchende der Nationalitäten mit einerEU-weiten Schutzquote von mindestens 75%. Bis jetzt warendies hauptsächlich Staatsangehörige von Syrien und Eritrea.

Bisher hat die Schweiz im Rahmen der Relocation 368 Asylsu-chende von Italien und Griechenland übernommen. Diese Per-sonen durchlaufen in der Schweiz das normale Asylverfahren.

Zur Unterstützung des Relocation-Hotspot-Ansatzes in Italienund Griechenland stellt das SEM dem Europäischen Unter-stützungsbüro für Asylfragen (EASO) Mitarbeitende für mehr-monatige Experteneinsätze zur Verfügung. Im Verlauf desJahres 2016 haben 17 Schweizer Experten insgesamt 1240 Ein-satztage geleistet, wovon 1028 in Italien und 212 in Griechen-land.

Humanitäre VisaZusätzlich zu den im Jahr 2015 erteilten 150 Visa für Angehö-rige der Kernfamilie von bereits in der Schweiz vorläufigaufgenommenen syrischen Staatsangehörigen wurden 2016weitere 222 Visagesuche für Ehegatten und minderjährigeKinder bewilligt.

Im vergangenen Jahr sind insgesamt 662 Personen überdas Resettlement-Programm in die Schweiz eingereist.

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Strategie «MigrationspartnerschaftenSchweiz–Westbalkan 2016–2019»Die Schweiz unterhält seit vielen Jahren intensive Beziehungenzu den Ländern des Westbalkans, die in den letzten Jahr-zehnten eine der wichtigsten Ursprungsregionen der Migrationin die Schweiz bildeten. Um diese Zusammenarbeit noch zuverstärken, hat die Schweiz mit Bosnien und Herzegowina (April2009), Serbien (Juli 2009) und dem Kosovo (Februar 2010)Migrationspartnerschaften geschlossen. Als strategischer Rah-men dieser Partnerschaften und im Anschluss an eine ersteinterdepartementale Strategie für die Periode 2012–2015 stehtseit dem 1. Januar 2016 eine neue Strategie «Migrationspartner-schaften Schweiz – Westbalkan 2016–2019» in Kraft. DieseStrategie hat zum Hauptziel, die Kapazitäten der Partnerländerzu stärken, damit sie den Herausforderungen der Migrationauf angemessene Weise begegnen können. Zu den Prioritätengehören namentlich die folgenden Handlungsfelder:■ Asyl und Schutz für die Migranten, namentlich die Unter-

stützung des Aufbaus funktioneller, kohärenter und deninternationalen Standards entsprechender Systeme;

■ Rückkehr und Reintegration, sei es die Rückkehr aus derSchweiz in die Partnerländer oder aus den Letzteren inandere Herkunftsländer;

■ Migration und Entwicklung, namentlich die bessere Nutzungdes Potenzials der Diaspora für die Entwicklung ihrer Heimat-staaten;

■ Prävention der irregulären Migration und Bekämpfung vonMenschenhandel und Menschenschmuggel.

Ein besonderer Akzent wird auf das «capacity building» unddie regionale Kooperation gesetzt, und dies schliesst die ver-mehrte Nutzung regionaler Plattformen und Netzwerke ein.

Um gemeinsame Projekte zu entwickeln und umzusetzen, dieden Bedürfnissen der Partnerbehörden im Migrationsbereichentsprechen, pflegt die Schweiz regelmässige Dialoge mit Bos-nien und Herzegowina, Serbien und dem Kosovo.

Angesichts des grenzüberschreitenden Aspekts der migrations-politischen Herausforderungen im Westbalkan kann sich dieUnterstützung der Schweiz auch auf andere Staaten der Region,wie Albanien, Mazedonien und Montenegro, erstrecken, undzwar auf bilateralem Weg oder im Rahmen eines regionalenProjekts. Die Migrationspartnerschaften der Schweiz haben esihr im Weiteren erlaubt, während der Krise auf der Balkan-route eine sehr aktive Hilfe zugunsten der Länder der Region

2. Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten – Beispiele

Seit dem 1. Januar 2016 ist die Strategie «Migrationspartnerschaften Schweiz – Westbalkan 2016–2019», in Kraft.

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zu leisten. Auch wenn sich die Lage seit der Schliessung derBalkanroute im März 2016 wesentlich verändert hat, bleibendie Herausforderungen für die Länder der Region gross.So befanden sich Anfang 2017 zum Beispiel in Serbien noch7500 Asylsuchende, die mehrheitlich nicht dort um Asylersuchen wollten, sondern entschlossen waren, ihre Reise nachWesteuropa fortzusetzen. Diese Situation hat ebenso Aus-wirkungen auf die Behörden wie auf die lokale Bevölkerung,ganz zu schweigen von den Risiken für die Migranten.

Angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen wird dieSchweiz, gestützt auf ihre Migrationspartnerschaften unddie Strategie 2016–2019, ihr Engagement fortsetzen, um dieKapazitäten der Behörden zu stärken und die Migrantenin der Region zu unterstützen. Zu diesem Zweck steht für vierJahre ein Budget von total 10 Millionen Franken zur Verfü-gung, wovon 6 Millionen Franken vom SEM beigesteuert wer-den. Die Umsetzung der Strategie 2016–2019 erfolgt inenger Kooperation mit dem SEM, der Direktion für Entwick-lung und Zusammenarbeit (DEZA), dem Staatssekretariatfür Wirtschaft (SECO) sowie dem Fürstentum Liechtenstein,das ebenfalls Migrationspartnerschaften mit Bosnienund Herzegowina sowie dem Kosovo abgeschlossen hat.

Das Engagement der Schweiz in NordafrikaNach den Ereignissen, die als Arabischer Frühling bekannt sind,hat die Schweiz ein Zusammenarbeitsprogramm für die LänderNordafrikas für den Zeitraum 2011–2016 ausgearbeitet undumgesetzt. Mit einer gewissen Dringlichkeit ging es darum,auf die zahlreichen politischen, wirtschaftlichen und sozialenHerausforderungen zu antworten und in den Ländern derRegion den Übergang zur Demokratie längerfristig zu unter-stützen. Die verschiedenen Akteure der Bundesverwaltung(DEZA, SECO, Abteilung Menschliche Sicherheit im EDA, SEM)wählten einen koordinierten Ansatz («whole of governmentapproach»), um die Wirksamkeit und Kohärenz des Handelnszu steigern, und eröffneten bei den schweizerischen Botschaf-ten gemeinsame Büros. Das Programm der Zusammenarbeitkonzentrierte sich auf drei wesentliche Bereiche: 1.demokrati-schen Wandel und Menschenrechte, 2.wirtschaftliche Entwick-lung und Beschäftigung, 3.Migration und Schutz.

In den sechs Jahren der Umsetzung des Programms wurdenin Nordafrika 268 Millionen Franken eingesetzt. Mehr alsdie Hälfte dieses Betrags war für den Zugang zu Beschäftigungund Berufsbildung bestimmt, um der Jugendarbeitslosigkeitzu begegnen und so der irregulären Migration nach Europa vor-zubeugen. Fast ein Drittel der Ressourcen des Programms

wurde Projekten im Migrationsbereich gewidmet. Das SEMverwendete 9 Millionen Franken dafür, die institutionellenStrukturen in Nordafrika zu verstärken, damit mit den Migra-tionsströmen besser umgegangen werden kann. Das Engage-ment des SEM im Rahmen des schweizerischen Kooperations-programms ist oft mit einem bilateralen Migrationsdialog miteinem nordafrikanischen Land verbunden, wo auch die Fragendes Asyls und der Rückübernahme zur Sprache kommen.

Zum Beispiel wurden im Rahmen der Migrationspartnerschaftmit Tunesien zahlreiche Projekte unterstützt, welche dieKapazitäten der Institutionen in mehreren Bereichen der Migra-tion verstärken: Es geht um das integrierte Grenzmanagement,die Entwicklung des rechtlichen und institutionellen Rahmensfür das Asylwesen und die Verwaltung der Fingerabdruckdaten.Mehr als 1500 abgewiesene Asylsuchende sind mit einerRückkehrhilfe aus der Schweiz nach Tunesien zurückgekehrt.Die institutionelle Kapazität des Tunesischen Roten Halbmondswurde weiterentwickelt, damit er sich besser um die Migrantenund die geretteten Bootsflüchtlinge kümmern kann. In denMigrationsdialogen werden auch die Schwierigkeiten bei derRückübernahme zur Sprache gebracht, beispielsweise imFall von Marokko und Algerien, wo die schweizerischen Pro-gramme der Zusammenarbeit einen breiteren Ansatz imUmgang mit Migration unterstützen.

Angesichts des starken Migrationsdrucks und der irregulärenTransitbewegungen in Richtung Europa ist die Region Nord-afrika für die Schweiz von strategischem migrationspolitischemInteresse. Im Lauf des Jahres 2016 haben rund 180000 Per-sonen das Mittelmeer auf der zentralen Route überquert, undmehr als 4200 Menschen haben beim Versuch dazu ihr Lebenverloren. Mit einem Engagement in mehreren Hilfsprojektenfür gescheiterte Migranten und der Unterstützung der Seeret-tung in Libyen trägt das SEM dazu bei, die Herausforderungenvor Ort anzugehen. Die neue Strategie für die Zusammenarbeitder Schweiz in Nordafrika in der Periode 2017–2020 wirdes erlauben, die Anstrengungen in der Region fortzusetzen.

Seit vielen Jahren pflegt die Schweizintensive Beziehungen zu den Ländern

des Westbalkans.

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Sladjana Markovic, Labor-Mitarbeiterin aus Serbien

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3. Herausforderungen und Massnahmen im Asylbereich

Umsetzung der AsylgesetzrevisionAm 3.September 2014 hat der Bundesrat die Botschaft zurNeustrukturierung des Asylbereichs und zur Beschleunigungder Asylverfahren verabschiedet. Mit der Schlussabstimmungvom 25.September 2015 hat das Parlament die Änderungendes Asylgesetzes gutgeheissen. Gegen die Vorlage wurdedas Referendum ergriffen. Daher gelangte die Revision desAsylgesetzes am 5. Juni 2016 zur Abstimmung, und sie wurdevon der Schweizer Stimmbevölkerung mit einer Mehrheitvon 66,8% angenommen.

Die Revision des Asylgesetzes hat zum Ziel, dass eine Mehrheitder Asylgesuche in raschen Verfahren in Zentren des Bundesrechtskräftig erledigt wird. Asylsuchende im beschleunigtenoder im Dublin-Verfahren sollen für die Dauer des Verfahrensund des Wegweisungsvollzuges in Zentren des Bundes unterge-bracht werden. Diese beiden raschen Verfahren sollen inner-halb von höchstens 100 beziehungsweise 140 Tagen rechts-kräftig abgeschlossen werden, einschliesslich eines allfälligenWegweisungsvollzuges. Sind weitere Abklärungen notwendig,wird ein Asylgesuch im erweiterten Verfahren behandelt.Für dieses werden die Asylsuchenden wie bisher den Kantonenzugewiesen. Die erweiterten Verfahren sollen innerhalb einesJahres rechtskräftig abgeschlossen werden, einschliesslichdes Vollzugs einer allfälligen Wegweisung. Um die raschen Ver-fahren rechtsstaatlich korrekt durchzuführen, wird den Asyl-suchenden als flankierende Massnahme ein Anspruch auf einekostenlose Beratung und Rechtsvertretung gewährt.

Das Asylwesen ist eine Verbundaufgabe von Bund, Kantonen,Städten und Gemeinden. Auch in Zukunft sollen gewisseAufgaben im Asylbereich durch die Kantone, Städte und Ge-meinden wahrgenommen werden, so zum Beispiel auchdie Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Integrationvon Personen mit Bleiberecht in der Schweiz. Dieser gemein-samen Verantwortung wurde bereits im Entstehungsprozessder Asylgesetzrevision Rechnung getragen: Die Eckwertedes künftigen Asylsystems wurden in enger Kooperation derdrei staatlichen Ebenen beschlossen. Diese enge Zusammen-arbeit wird auch künftig fortgesetzt. So werden die Projektezur Umsetzung des neuen Asylgesetzes durch die gemischteArbeitsgruppe Neustrukturierung des Asylbereichs (AGNA)unter der Leitung von Regierungsrat Hans-Jürg Käser undStaatssekretär Mario Gattiker koordiniert.

Standortplanung für die künftigen BundesasylzentrenDa im neuen System ein Grossteil der Asylverfahren in Bundes-asylzentren erledigt und weniger Asylsuchende den Kantonenzugewiesen werden sollen als bisher, erhöht der Bund seine Un-terbringungskapazitäten. An der zweiten nationalen Asylkon-ferenz vom 28.März 2014 wurde beschlossen, dass der Bundkünftig in sechs Asylregionen insgesamt 5000 Unterkunfts-plätze betreiben soll. In jeder Asylregion werden zwei bis vierBundesasylzentren geführt werden. Zudem sollen schweizweitzwei besondere Zentren zur Unterbringung renitenter Asyl-suchender betrieben werden.

Die Standortplanung für die künftigen Bundeszentren ist weitfortgeschritten: Bis Ende 2016 konnten gemeinsam mit denjeweiligen Standortkantonen und -gemeinden zwölf der ge-planten achtzehn Bundesasylzentren festgelegt werden.

Anpassung der VerordnungenEinige Vorgaben des revidierten Asylgesetzes können direkt,ohne Anpassung der Verordnungen, umgesetzt werden.Der Bundesrat hat Ende August 2016 entschieden, dieses erstePaket bereits auf den 1.Oktober 2016 in Kraft zu setzen.Es umfasst unter anderem Massnahmen zur Verbesserung desWegweisungsvollzugs sowie Regelungen zum Grundschul-unterricht für schulpflichtige Asylsuchende. Für die Umsetzungder weiteren Teile der Gesetzesrevision sind Verordnungs-anpassungen nötig. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zueinem zweiten Paket der neuen Bestimmungen im Oktober2016 eröffnet. Dieses enthält insbesondere Ausführungen zumPlangenehmigungsverfahren im Asylbereich. Die Verordnungs-anpassungen für alle übrigen neuen oder geänderten Gesetzes-bestimmungen werden zurzeit im EJPD erarbeitet. Dabeigeht es unter anderem um den Verfahrensablauf und denRechtsschutz. Die Kantone, Städte und Gemeinden werdenin diese Arbeiten miteinbezogen.

Am 1.Oktober 2016 trat das ersteMassnahmenpaket in Kraft. Es umfasstunter anderem den Wegweisungsvollzug

sowie das Schulwesen.

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Behandlungsstrategie im AsylbereichDas SEM führt Asylverfahren rasch und rechtsstaatlich korrektdurch. Gemäss Artikel 37b des Asylgesetzes legt das SEM ineiner Behandlungsstrategie fest, welche Asylgesuche prioritärbehandelt werden. Es berücksichtigt dabei insbesondere diegesetzlichen Behandlungsfristen, die Situation in den Herkunfts-staaten, die offensichtliche Begründetheit oder Unbegrün-detheit der Gesuche sowie das Verhalten der Asyl suchendenPersonen.

Das Ziel der Behandlungsstrategie ist die wirkungsvolle Erledi-gung von Asylgesuchen mittels Priorisierung nach Gesuchskate-gorien. Weitere Zielsetzungen der Behandlungsstrategie sind:■ Reduktion der Anzahl von voraussichtlich aussichtslosen

Gesuchen■ Entlastung im Unterbringungsbereich■ Minimierung der Gesamtkosten im Asylbereich

2012 hat das SEM für geeignete Asylgesuche aus den euro-päischen visumsbefreiten Staaten ein beschleunigtes «48-Stun-den-Verfahren» eingeführt. Diese Verfahrensart wird seitFrühjahr 2013 zusätzlich auf den Kosovo und Georgien ange-wendet.

Zudem hat das SEM ab Dezember 2012 schrittweise ein be-schleunigtes Fast-Track-Verfahren eingeführt. Der Haupt-unterschied zum 48-Stunden-Verfahren besteht darin, dass beidiesen Ländern der Vollzug der Wegweisung beziehungsweisedie Papierbeschaffung schwieriger ist. Das Fast-Track-Verfahrenwird derzeit für sechs Staaten mit geringer Anerkennungs-quote angewendet: Marokko, Nigeria, Tunesien, Algerien,Gambia und Senegal.

Die Zahl der Asylgesuche von Staatsangehörigen aus denentsprechenden Herkunftsländern ist seit der Einführung des48-Stunden-Verfahrens bzw. des Fast-Track-Verfahrensmarkant gesunken und blieb auf tiefem Niveau stabil. Damithaben die schnellen Verfahren die Attraktivität der Schweizals Zielland von Personen aus diesen Ländern mit schwachbegründeten Asylgesuchen und ohne Schutzbedürfnis nach-haltig gesenkt.

Unbegleitete minderjährige Asylsuchende

SituationDie Zahl der Asylgesuche von unbegleiteten minderjährigenAsylsuchenden (UMA) hat von 2013 bis 2015 erheblich zuge-nommen (2013: 332; 2014: 790; 2015: 2739) und belief sich2016 auf 1997 Gesuche. Hatte sich der Anteil der UMA in denletzten zehn Jahren zwischen 1 und 3% bewegt, so stieg er2015 und 2016 auf 7%. Dieses Phänomen ist in etlichen euro-päischen Ländern festzustellen. Der Anteil der UMA, die imAsylverfahren ihre Minderjährigkeit nicht glaubhaft machenkönnen, liegt im Bereich von 50%. Daher bleibt die Prüfungder Glaubhaftigkeit der angeführten Minderjährigkeit zentral.Handelt es sich um Gesuche von UMA oder von Personen,die erklären, solche zu sein, so hat dies wichtige Konsequenzenfür das Asylverfahren, die Unterstützung, die Unterbringung,die Finanzierung und die Betreuung. Diese Dossiers werdenfolglich prioritär behandelt.

AsylverfahrenAufgrund einer ständigen Rechtsprechung seit 2004 ist beimFehlen eines gültigen Identitätsausweises nach dem Prinzipder Gesamtwürdigung aller Anhaltspunkte zu beurteilen, obdie Asyl suchende Person ihre Minderjährigkeit in glaubhafterWeise geltend macht; die Gesuch stellende Person trägt imSinne des Asylgesetzes die Beweislast für ihre Vorbringen. Trotzzahlreicher Kritik seitens der Medien wie der Politik (sie richtetsich oft gegen die radiologische Untersuchung der Hand-knochen, die einen der Anhaltspunkte im ganzen Indizien-bündel bietet) steht diese Beurteilungsmethode mangels einerbesseren als einzige zur Verfügung. Die wissenschaftlichePrüfung der sogenannten «drei Pfeiler», die namentlich imTestbetrieb in Zürich angewandt wird, ist eine Alternative, bleibtaber im heutigen Zeitpunkt heftig umstritten, während dieRechtsprechung ihr nicht klar einen höheren Wert als der radio-logischen Knochenuntersuchung zuerkennt. Was schliesslichdas eigentliche Asylverfahren betrifft, so hat das SEM Mass-nahmen ergriffen, um die Behandlung der Gesuche von UMAkonsequenter zu priorisieren (Triage) und die Anhörungen derAsylsuchenden zu verbessern.

Das Fast-Track-Verfahren giltderzeit für: Marokko, Nigeria, Tunesien,

Algerien, Gambia und Senegal.

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Unterbringung, Betreuung, Einschulungund medizinische VersorgungWie die Ernennung eines Rechtsvertreters liegen die Unterbrin-gung, die Betreuung, die Einschulung und die allfällige medi-zinische Versorgung allein in der Kompetenz des Zuweisungs-kantons. Vor allem angesichts der Zunahme der Asylgesucheunbegleiteter Minderjähriger hat die Konferenz der kantonalenSozialdirektorinnen und Sozialdirektoren im Mai 2016 eineReihe von Empfehlungen an die Kantone verabschiedet, um dasVorgehen in diesem Bereich zu klären und zu harmonisieren.

Notfallorganisation AsylAls im Herbst 2015 die Zahl der Asylgesuche abrupt anstieg,waren die Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) phasenweisekaum noch in der Lage, ihre Aufgaben wahrzunehmen; eineUnterbringung konnte nur mit Notmassnahmen sichergestelltwerden. Auch wenn mit der Schliessung der Balkanroute imMärz 2016 die Zahl der Asylgesuche spürbar zurückging, konntevon einer grundsätzlichen Entspannung der Migrationslagenicht die Rede sein. Die Notfallorganisation Asyl des SEM musstedeshalb unbedingt weitergeführt und verbessert werden.

Hatte sich der Anteil der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden (UMA) in den letzten zehn Jahrenzwischen 1 und 3% bewegt, so stieg er 2015 und 2016 auf 7%.

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Entsprechend wurde der Stab Lage Asyl (SLA), in dem Vertreterdes Bundes und der Kantone eng zusammenarbeiten, alsKoordinations- und Kommunikationsgremium weitergeführt.Dieser trat – abhängig von der Lageentwicklung – einmalpro Woche zusammen, um über die erforderlichen Massnah-men zu beraten. Als Basis diente ihm hierfür die täglicheAnalyse des Lagezentrums Asyl des SEM, die über die Entwick-lung der Migrationslage informiert. Zur Vorbereitung aufeinen möglichen Notfall im Asylbereich wurde zudem ein SEM-interner Bereitschaftspool Asyl geschaffen. Dieser könntekurzfristig unterstützend zum Einsatz kommen, wenn dieRegistrierung und die Bearbeitung der Asylgesuche in den Re-gelstrukturen nicht mehr möglich sind. Der BereitschaftspoolAsyl musste bisher aber noch nicht eingesetzt werden.

Am 14.April 2016 haben sich Bund, Kantone, Städte undGemeinden auf gemeinsame Eckwerte der Notfallplanung Asylgeeinigt. In deren Rahmen wurden die organisatorischen,strukturellen und personellen Voraussetzungen dafür geschaf-fen, dass selbst bei Eintritt eines Notfallszenarios die Unterbrin-gung aller neu ankommenden Personen sowie die Registrie-rung ihrer Asylgesuche, inklusive Sicherheitsüberprüfung undgrenzsanitarischer Kontrolle, gewährleistet werden können.Das SEM unterhält zu diesem Zweck eine ständige Kapazität

von 5000 Betten in definitiven und temporären Unterkünften.Dies entspricht einer Verdoppelung der Kapazitäten seit demFrühjahr 2015. Daneben wurden 1000 Plätze in vier Anlauf-stellen bereitgestellt, die innert kurzer Zeit in Betrieb genom-men werden können. Zudem konnte in Muttenz ein Registrie-rungszentrum eröffnet werden, in dem aktuell weitere500 Plätze (im Bedarfsfall 900) zur Verfügung stehen. Gemein-sam mit dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung,Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) werden ferner Vorbe-reitungen getroffen, damit im Eskalationsfall rasch weiteretemporäre Bundesasylzentren mit zusätzlichen 3000 Plätzenzur Verfügung gestellt werden können.

Am 20.April 2016 hat der Bundesrat das VBS beauftragt, allenotwendigen Massnahmen zu treffen, damit die Armee beiBedarf die zivilen Behörden, namentlich das Grenzwachtkorps(GWK), mit bis zu 2000 Armeeangehörigen unterstützenkann. Weiter soll es alles Notwendige vorkehren, damit im Falleeines schwerwiegenden Ereignisses ein zusätzliches Bataillon(rund 700 Angehörige der Armee) aufgeboten werden kann.Denn auch für das Jahr 2017 sind Entwicklungen denkbar, dieeinen starken Anstieg der Asylgesuche zur Folge haben. Eswäre deshalb verfrüht, bereits Entwarnung zu geben.

Bund und Kantone haben ihre Unterbringungskapazitäten deutlich erhöht.

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Anpassungen bei der Asyl- und Wegweisungspraxis

Sri LankaDas SEM (damals noch Bundesamt für Migration) setzte imSommer 2013 sämtliche Rückführungen nach Sri Lanka sowieden Erlass von Verfügungen mit Anordnung des Wegwei-sungsvollzugs vorläufig aus, nachdem zwei abgewiesene Asyl-suchende bei ihrer Einreise in Sri Lanka verhaftet wordenwaren. Im Dezember 2013 führte das SEM zusammen mit derSchweizerischen Botschaft in Colombo eine Dienstreise inSri Lanka durch. Daran anschliessend fand im März 2014 eineLagebeurteilungssitzung unter Leitung des SEM statt; an-wesend waren Vertretungen verschiedener Bundesstellen (Eid-genössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten,Bundeskriminalpolizei, Nachrichtendienst des Bundes, Bundes-verwaltungsgericht) sowie des UNHCR. Das SEM beschlossin der Folge, das Entscheidmoratorium per 26.Mai 2014 voll-ständig aufzuheben, also wieder über alle Asylgesuche vonPersonen aus Sri Lanka zu entscheiden.

Im Rahmen einer Dienstreise vom Januar/Februar 2016 hat dasSEM die Sicherheits- und Menschenrechtslage vor Ort neueruiert. Unter Einbezug weiterer Informationen internationalerOrganisationen und Experten nahmen die oben genanntenBehörden eine umfassende Lageanalyse vor, und auf dieserGrundlage beschloss das SEM im Juli 2016, seine Asyl- undWegweisungspraxis für Sri Lanka anzupassen. Beim Schutz derMenschenrechte sind in Sri Lanka substanzielle Fortschrittezu verzeichnen, namentlich im Bereich der Meinungsäusse-rungs- und Versammlungsfreiheit; trotzdem bestehen immernoch Defizite bei den Grundrechten. Gleichzeitig hat sich auchdie Sicherheitslage im ehemaligen Konfliktgebiet im Nordendes Landes insgesamt verbessert. Das SEM trägt diesen Um-ständen im Rahmen der üblichen Einzelfallprüfung der Asyl-gesuche Rechnung, hält den Wegweisungsvollzug nach SriLanka aber neu für alle Landesteile für grundsätzlich zumutbar.

2016 wurden von Personen aus Sri Lanka 1373 neue Asylge-suche in der Schweiz gestellt. Sri Lanka ist damit das fünft-wichtigste Herkunftsland. Die Anerkennungsquote ist seit2014 gesunken und betrug 2016 noch 46,9% (2014: 71,4%;2015: 58,3%). 610 Personen wurde Asyl gewährt; davon163 Personen originär und 447 Personen aufgrund von Fami-lienzusammenführungen. Zusätzlich zu den positiven Asyl-entscheiden wurde in 102 Fällen eine vorläufige Aufnahmeverfügt. 289 Personen erhielten einen negativen Entscheidohne vorläufige Aufnahme.

EritreaDie Länderanalyse SEM wertet laufend Berichte zu Eritrea ausund tauscht sich mit Experten und Partnerbehörden aus. ImRahmen einer Fact-Finding Mission im Februar und März 2016überprüfte, ergänzte und vertiefte die Länderanalyse SEMihre Erkenntnisse über Eritrea. Auf Basis dieser Informationensowie von Berichten, die in den letzten Jahren erschienen sind,erstellte das SEM den am 22. Juni 2016 veröffentlichten Bericht«Update Nationaldienst und illegale Ausreise», welcher diefür die Asylpraxis relevanten Kapitel des «Länderfokus Eritrea»aktualisierte. Eine durch europäische Partnerbehörden validierteVersion des Berichts wurde im November 2016 von der Euro-päischen Asylunterstützungsagentur (EASO) veröffentlicht.

Im Juni 2016 nahm das SEM eine Praxisanpassung vor. Sieberuht einerseits darauf, dass das SEM seine Asylpraxis in Bezugauf Eritrea insgesamt neu beurteilt hat, andererseits aufden erwähnten detaillierteren Erkenntnissen der LänderanalyseSEM. Ausschlaggebend dafür war, dass die Behandlung vonRückkehrenden durch die eritreischen Behörden nach aktuellenErkenntnissen des SEM hauptsächlich davon abhängig ist,ob die Rückkehr nach Eritrea freiwillig oder unter Zwang erfolgtist, sowie davon, welchen Nationaldienststatus die Rückkeh-renden vor ihrer Ausreise aus Eritrea hatten. Neu geht das SEMdavon aus, dass eritreische Personen, die noch nie für denNationaldienst aufgeboten worden sind, vom Nationaldienstbefreit oder aus dem Nationaldienst entlassen worden waren,bei einer Rückkehr nach Eritrea alleine aufgrund ihrer illegalenAusreise nicht mit einer asylrelevanten Verfolgung rechnenmüssen. Eritreische Personen, die weder den Nationaldienstverweigert haben noch aus dem Nationaldienst desertiert sind,haben nicht gegen die Proclamation on National Service von1995 verstossen, womit die Wahrscheinlichkeit, dass sie beieiner Rückkehr nach Eritrea ernsthafte Nachteile zu gewärtigenhätten, nicht «beachtlich» im Sinne der Rechtsprechung zuArt. 3 des Asylgesetzes ist. Die Anforderungen an die Feststel-lung einer begründeten Furcht vor zukünftiger Verfolgungsind deshalb nicht erfüllt. Entsprechend werden solche Perso-nen nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt und aus der Schweizweggewiesen, sofern keine Hindernisse für den Vollzug derWegweisung vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Praxisänderung miteinem Referenzurteil vom 30. Januar 2017 gutgeheissen.

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Idahosa Dickson, Teilnehmer Arbeitstrainingsprogramm Haustechnik, aus Nigeria

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Am 9. Februar 2014 wurde die Volksinitiative «Gegen Massen-einwanderung» angenommen, die eine eigenständige Steue-rung der Zuwanderung durch Höchstzahlen und Kontingentesowie eine Anpassung der dem Artikel 121a der Bundesver-fassung widersprechenden völkerrechtlichen Verträge bis Feb-ruar 2017 vorsieht. Der Bundesrat verabschiedete am 4.März2016 einen Gesetzesentwurf zuhanden des Parlaments. Dazum damaligen Zeitpunkt mit der EU noch keine Lösung erzieltwerden konnte, schlug der Bundesrat vor, die Zuwanderungmit einer einseitigen Schutzklausel zu steuern. Gleichzeitigführte er die laufenden Gespräche mit der EU fort, um eine ein-vernehmliche Lösung zu finden. Dieser Prozess wurde jedochim Vorfeld des Brexit-Referendums im Vereinigten Königreichverzögert und nach dem Entscheid zum Austritt aus der EUausgesetzt.

In der Schlussabstimmung vom 16. Dezember 201616 stimmtenNational- und Ständerat einem Gesetzestext zur Umsetzungvon Art.121a BV zu, der eine indirekte Steuerung der Zuwan-derung vorsieht. Diese ist mit dem Freizügigkeitsabkommen(FZA) kompatibel und garantiert somit das Fortbestehen derBilateralen Verträge. Das Parlament hat sich für einen dreistu-figen Mechanismus entschieden.

Erstens: Der Bundesrat wird beauftragt, Massnahmen zurAusschöpfung des inländischen Arbeitsmarktpotenzialsfestzulegen.

Zweitens: In den Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen oderWirtschaftsregionen mit einer über dem Durchschnitt liegen-den Arbeitslosigkeit hat der Arbeitgeber offene Stellen deröffentlichen Arbeitsvermittlung zu melden. Die Arbeitsvermitt-lung stellt den Arbeitgebern passende Dossiers von ange-meldeten Stellensuchenden zu. Der Arbeitgeber lädt geeigneteKandidatinnen und Kandidaten zu einem Bewerbungsge-spräch oder einer Eignungsabklärung ein und teilt die Resultateder Arbeitsvermittlung mit. Der Bundesrat kann Ausnahmenvon dieser Stellenmeldepflicht vorsehen.

Drittens: Falls diese Massnahmen nicht die gewünschte Wirkungerzielen, unterbreitet der Bundesrat dem Parlament zusätzlicheMassnahmen.

Mit der vom Parlament beschlossenen Umsetzung von Art.121aBV wurde die Bedingung für die Ratifizierung von Protokoll IIIzur Ausdehnung des FZA auf Kroatien erfüllt. Am 17. Juni 2016hatten National- und Ständerat das Protokoll III genehmigtund den Bundesrat ermächtigt, das Protokoll zu ratifizieren,wenn mit der EU eine mit der schweizerischen Rechtsordnungvereinbare Regelung zur Steuerung der Zuwanderung besteht.17

Folglich wurde das Protokoll III am 16. Dezember 2016 ratifi-ziert und trat am 1. Januar 2017 in Kraft. Infolge dieser Ratifika-tion ist die Schweiz seit dem 1. Januar 2017 wieder ein voll-assoziiertes Mitglied des Forschungsprogramms Horizon 2020.

Die Anpassungen des Ausländergesetzes sehen jedoch keinewortgetreue Umsetzung von Art.121a BV vor. Aus diesemGrund hat der Bundesrat entschieden, der Volksinitiative «Rausaus der Sackgasse» (RASA), die eine komplette Streichung vonArt.121a BV fordert, einen direkten Gegenvorschlag gegen-überzustellen, der diesen Normenkonflikt beheben soll. Er hatdazu zwei Varianten in die Vernehmlassung geschickt. In derersten Variante des Gegenentwurfs soll Art.121a Abs. 4 BVdurch eine Bestimmung ersetzt werden, wonach bei der Steu-erung der Zuwanderung völkerrechtliche Verträge berücksich-tigt werden sollen, die von grosser Tragweite für die Stellungder Schweiz in Europa sind. Zudem würde die Übergangsbe-stimmung (Art.197 Ziff. 11 BV) gestrichen. Die zweite Variantesieht lediglich vor, die Übergangsbestimmung zu streichen –Art.121a BV soll hingegen nicht geändert werden.

Die Diskussionen zur Personenfreizügigkeit werden mit derVolksinitiative RASA sowie einem möglichen Referendumbezüglich Umsetzungsgesetzgebung von Art.121a BV weiter-gehen. Das Thema Personenfreizügigkeit bzw. Steuerungder Zuwanderung wird damit auch in den nächsten Jahrenauf der politischen Agenda der Schweiz und in Europaeinen prioritären Platz einnehmen.

4. Stand der Umsetzung von Artikel 121a BV

16 BBl 2016 891717 BBl 2016 4999

Durch den Brexit gerietendie laufenden Gespräche mit der EUfür eine einvernehmliche Lösung der

Zuwanderung ins Stocken.

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1130 Personen arbeiteten 2016 im Staatssekretariat für Migration.

EDas Staatssekretariat für Migration

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Das Staatssekretariat für Migration regelt, unter welchenBedingungen jemand in die Schweiz einreisen, hier leben undarbeiten darf – und es entscheidet, wer in der SchweizSchutz vor Verfolgung erhält. Das Amt ist zudem Koordina-tionsorgan für die Integrationsbemühungen von Bund,Kantonen und Gemeinden und ist auf Bundesebene für Ein-bürgerungen zuständig. In allen Bereichen der Migrations-politik wird der internationale Dialog mit Herkunfts-, Transit-und anderen Zielländern sowie mit internationalenOrganisationen aktiv gepflegt.

Planungund Ressourcen

Romain Jeannottat

1. Organigramm

InternationaleZusammenarbeit

Vincenzo Mascioli

Zuwanderungund Integration

Cornelia Lüthy

Asyl

Pius Betschart

Staatssekretär und Direktor

Mario Gattiker

Stv. Direktorin

Barbara Büschi

Bundeszentren

Urs von Daeniken

Information

und Kommunikation

Martin Reichlin a.i.

Recht

Albrecht Dieffenbacher

Stab der Amtsleitung,

Sprachdienste und GEVER

Carmine Andreotti

Eidgenössische

Migrationskommission

EKM

Simone Prodolliet

Büro des Beauftragten

für Migrationsfragen

im Mittleren Osten

Urs von Arb

Stand April 2017

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Ausgabenentwicklung SEM – nur finanzierungswirksame Ausgaben (Staatsrechnungen 2013–2016, Zahlungskredit 2017)

Personalbezügeund übrigerPersonalaufwand

Sachaufwandinkl. Investitions-ausgaben

Transferaufwand

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

2000

2013

137

913

109

2014

150

920

103

2015

1164

145

142

2016

153

1469

175

2017

157

1534

215

1158 1174

1452

17971906

CHF Mio.

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Die Ausgaben des SEM umfassen drei Kategorien:■ Transferaufwand: Rund 82% der Gesamtausgaben fallen

auf Unterstützungsleistungen für Asylsuchende, vorläufigAufgenommene und Flüchtlinge, auf den Vollzug von Weg-weisungen, Rückkehrhilfe, Integrationsmassnahmen fürAusländerinnen und Ausländer sowie auf die internationaleZusammenarbeit im Bereich Migration.

■ Personalaufwand: Rund 8% der Gesamtausgaben sindPersonalkosten, d.h. Löhne inkl. Sozialversicherungs-beiträgen sowie übriger Personalaufwand, namentlich fürAus- und Weiterbildungsmassnahmen.

■ Sachaufwand inkl. Investitionsausgaben: Rund 10% derGesamtausgaben fallen an als Betriebsaufwand derEmpfangs- und Verfahrenszentren, als Informatik-, Beratungs-und übriger Betriebsaufwand sowie als Investitionen.

2. Ausgabenentwicklung

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Mariya Nasir, Bäckerin-Konditorin aus Somalia

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Einwanderung nach Einwanderungsgrund 2016

AnerkannterFlüchtlingnach Asyl-gewährung

5164—3,6 %

Härtefallregelungnach Asylprozess

1359—0,9 %

ÜbrigeZugänge

3212—2,2 %

Aus- und Weiterbildung

15559—10,9 %

Aufenthalts-bewilligung ohneErwerbstätigkeit

5641—3,9 %

Erwerbstätigkeit ohneKontingentierung

61981—43,3%

Kontingen-tierteErwerb-stätigkeit

5167—3,6 %

AusländerrechtlicheRegelung nach Asylprozess

181—0,1%

Familiennachzug

44836—31,3 %

Bestand ständige ausländische Wohnbevölkerung 2016 nach Staatsangehörigkeit

Kosovo

111496—5,5 %

Frankreich

127294—6,3 %

Österreich

42062—2,1 %

Deutschland

304706—15,0 %

Portugal

269521—13,3 %

Übrige

574882—28,3 %

Italien

318653—15,7 %

Serbien

64256—3,2 %

Mazedonien

65193—3,2 %

Spanien

83478—4,1 %

Türkei

67986—3,3 %

Anhang

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Erstinstanzlichhängig

27711—23,4%

Vollzugs-unterstützung

4170—3,5%

Rechtskraft-prozess

3089—2,6%

Vorläufig Aufgenommene

36877—31,2%

Aussetzungen

500—0,4%

Statistische Spezialfälle

133—0,1%

Anerkannte Flüchtlinge

45804—38,7%

Personen des Asylbereichs 2016

Bestand Vorläufig Aufgenommene nach Nation 2016

Afghanistan

4458—12,1%

Kongo DR

993—2,7%

Kosovo

859—2,3%

Irak

1614—4,4%

Sri Lanka

1549—4,2%

Eritrea

7885—21,4%

China (VR)

2182—5,9%

Übrige

6580—17,8%

Serbien

1418—3,8%

Somalia

3219—8,7%

Syrien

6120—16,6%

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