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106 Klassik Motorrad MAGAZIN MIT AUFTRAG Die Geschichte der Firma AMC und von Eberhard Schwarz ist vielfältig. Ganz grob lässt sie sich einteilen in die Zeit der Rennerei, die Zeit der Gelassenheit und die Zeit nach der Wäscheklammer W itzigerweise war es im Altersheim, als dem damals 14-jäh- rigen Eberhard klar wurde, dass Motorräder seine Profession sein werden. Schon damals war er ausgestattet mit diversen Maschinen, die im Laufe der Zeit für zehn oder 20 Mark ihren Weg aus den umliegenden Scheunen in die eigene Garage gefunden hatten. Unterwegs mit Kumpel Jack auf dem Sozius der 250er-Ardie, gab es eines Nachts eine unheimliche Begegnung mit einem seltsamen Licht – und einen deutlichen Ruck am Lenker. Ein uns allen angeborener Fluchtinstinkt hatte sich sofort der beiden Jungs bemächtigt, und Licht auf die nächtliche Szenerie fiel am nächsten Morgen im Klassen- zimmer. Das war wirklich un- angenehm. Es kam in Form fahndender Polizisten. Der mit bandagiertem Arm war der Ruck von gestern Abend und das seltsame Licht war seine Kelle. Für die Jungs so etwas wie das jüngste Gericht. Die Folge war sozialer Dienst im Altersheim mit oben erwähnter, fundamentaler Erkenntnis. Endgültig startete die Schrau - berei einige Jahre später ganz klassisch mit dem Frisieren von Zweitaktern. Überwiegend Hercules und Maico. Zuerst aus Spaß an der Freude, dann gele- gentlich mit Auftrag. So lange, bis die Behörden Druck mach- ten und ihm die Wahl boten zwischen Steuernachzahlung und Gewerbeschein. Diese Wahl fiel ihm leicht, und es dauerte nicht lange, bis auf Messen die ersten Stände gebucht wurden, um eigene Entwicklungen zu präsentieren. Auf diesen Messen gab es nicht nur interessierte Besucher, son- dern auch interessante. Etwa Roland Munk, damals deut- scher Importeur für Bimota. Georg Böhme, der sich als Suzuki-Händler vorstellte und für den man in den kommenden Jahren Cupmaschinen baute. Für Roland Eckert aus Kupfer- zell, Fritz W. Egli aus der Schweiz und Bimota aus Italien entwarf und fertigte man Aus- puffe, Alutanks, Sitzbänke, Fuß- rastenanlagen sowie Verklei- dungen. Ähnlich für Manfred Rau, der wie Egli das Zentral- rohrprinzip verwirklichte. Für den damaligen MV Agusta- Importeur Schneider in Baden- Baden hatte man Verkleidun- gen gefertigt, mit denen die leidigen thermischen Probleme der voll verschalten MVs end- lich beseitigt werden konnten. Alles Namen, welche die meis- ten von uns mit Bewunderung nennen. Zumindest diejenigen, die damals doppelt so jung waren wie heute. Diese Wäscheklammer hat mit ihrer simplen Technik die bedeutendste Symbolik im Leben von Eberhard Schwarz

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106 Klassik Motorrad

MAGAZIN

MIT AUFTRAGDie Geschichte der Firma AMC und von Eberhard Schwarz ist vielfältig.Ganz grob lässt sie sich einteilen in die Zeit der Rennerei, die Zeitder Gelassenheit und die Zeit nach der Wäscheklammer

Witzigerweise war esim Altersheim, alsdem damals 14-jäh-

rigen Eberhard klar wurde, dassMotorräder seine Professionsein werden. Schon damals warer ausgestattet mit diversenMaschinen, die im Laufe derZeit für zehn oder 20 Markihren Weg aus den um liegendenScheunen in die eigene Garagegefunden hatten. Unterwegsmit Kumpel Jack auf demSozius der 250er-Ardie, gab eseines Nachts eine unheimlicheBegegnung mit einem seltsamenLicht – und einen deutlichenRuck am Lenker. Ein uns allenangeborener Fluchtinstinkthatte sich sofort der beiden

Jungs bemächtigt, und Licht aufdie nächtliche Szenerie fiel amnächsten Morgen im Klassen-zimmer. Das war wirklich un -angenehm. Es kam in Formfahndender Polizisten. Der mitbandagiertem Arm war derRuck von gestern Abend unddas seltsame Licht war seineKelle. Für die Jungs so etwaswie das jüngste Gericht. DieFolge war sozialer Dienst imAltersheim mit oben erwähnter,fundamentaler Erkenntnis.

Endgültig startete die Schrau -berei einige Jahre später ganzklassisch mit dem Frisieren vonZweitaktern. ÜberwiegendHercules und Maico. Zuerst ausSpaß an der Freude, dann gele-

gentlich mit Auftrag. So lange,bis die Behörden Druck mach-ten und ihm die Wahl botenzwischen Steuernachzahlungund Gewerbeschein.

Diese Wahl fiel ihm leicht,und es dauerte nicht lange, bisauf Messen die ersten Ständegebucht wurden, um eigeneEntwicklungen zu präsentieren.Auf diesen Messen gab es nichtnur interessierte Besucher, son-dern auch interessante. EtwaRoland Munk, damals deut-scher Importeur für Bimota.Georg Böhme, der sich alsSuzuki-Händler vorstellte undfür den man in den kommendenJahren Cupmaschinen baute.Für Roland Eckert aus Kupfer-

zell, Fritz W. Egli aus derSchweiz und Bimota aus Italienentwarf und fertigte man Aus-puffe, Alutanks, Sitzbänke, Fuß -rastenanlagen sowie Verklei-dungen. Ähnlich für ManfredRau, der wie Egli das Zentral-rohrprinzip verwirklichte. Fürden damaligen MV Agusta-Importeur Schneider in Baden-Baden hatte man Verkleidun-gen gefertigt, mit denen die leidigen thermischen Problemeder voll verschalten MVs end-lich beseitigt werden konnten.Alles Namen, welche die meis-ten von uns mit Bewunderungnennen. Zumindest diejenigen,die damals doppelt so jungwaren wie heute. �

Diese Wäscheklammer hat mit ihrer simplen Technik diebedeutendste Symbolik im Leben von Eberhard Schwarz

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Das Portrait zeigt Eberhard Schwarz und tut es doch nicht. Charakteristisch

ist dieses Gesicht für die erste Zeit nach der Wäscheklammer.

Was es nicht zeigt, ist das Lachen und die Lebensfreude,

die heute wieder darin zu finden sind

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MAGAZIN AMC

Ami-V2 in die Rennsportszeneauf dem AMC Firmengeländemischten. Vielleicht waren dieaber auch nur verzweifelt. IhreUmbauten sorgten für erheb-lichen Ärger mit den deutschen

Behörden. Nach szeneüblichenund teuer misslungenen Ver -suchen mit dubiosen TÜV-Prüfern war AMC der letzteHafen dieser Elenden und dieKreativität des schwäbischenTüftlers jener Strohhalm, andem sie sich für die Zukunft –legal – über deutsche Straßenhangeln wollten.

Diese Aufgabe war auch zulösen – bis auf das Thema Aus-puff. Mit dem angeliefertenMaterial ging nichts auch nur

In der Folge wurden Mitar-beiter eingestellt und das ersteeigene Fahrwerk konstruiert.Der Gitterrohrrahmen solltebei Martin in Frankreich ge -schweißt werden. Das Ergebniswar aber nicht das gewünschteund die Konsequenz deshalbklar: selber machen. Aus Präzisionsstahlrohr Reynolds 25CroMo4 und nur einen ein-zigen Rahmen pro Monat. Maß -geschneidert an Eigenschaftenund Abmessungen von Motorund Fahrer. Japanische Drei-,Vier- und Sechszylindermoto-ren (etwa Honda CBX 1000)wurden in das edle, unten offene Rohrgeflecht gesetzt. 146 Stück bis 1989. Eine davonist die Suzuki auf den vorigenSeiten. Wohl dem Glücklichen,der heute so ein Schmuckstückhat.

An Harley-Davidson hattedamals noch keiner bei AMCgedacht. Bis zu dem Tag, als sichein paar Verwegene mit ihren

in die Nähe von Legalität. Alsosollte etwas Neues her. EinTestsieger am besten. Einer, denman noch erfinden musste.

Wie gut das geklappt hat, istnachzulesen in Auspufftests.

Mit erheblichem Gewinn anLeistung, Drehmoment undKlang sorgt dieser Auspuffweltweit – und völlig legal – bisheute für Furore.

Der Grund für den Beginndieser zweiten Ära bei AMC waraber nicht nur die beschrie beneHerausforderung. Es warenauch tödliche Unfälle im Um -feld und außerdem die Zeit, inder japanische Konstrukteureanfingen zu verstehen, wie einFahrwerk funktioniert.

Der dritte Abschnitt war diemit Abstand größte Heraus-forderung in der Geschichtevon Eberhard Schwarz. Einesimple Wäscheklammer.

Nach mehreren Tagen mitextrem starken Kopfschmerzenund nach dem Besuch von zwei Ärzten, die ihn wiedernach Hause schickten, war es seine Schwester, die ihnschließlich ins Krankenhausnötigte. Doch auch dem Arztdort fiel nichts Besseres ein als der Tropf mit schmerzlin-dernder Chemie.

Und wieder war es seineSchwester, welche die richtigeEntscheidung traf. Selbst Arzt-helferin, fragte sie den zustän-digen Arzt, ob er Tomaten aufden Augen hätte und drohtemit Anzeige. Das war immer-hin Anlass für diesen Arzt,einen Gehirnwassertest durch-zuführen, um anschließend dieVerantwortung an ein anderesKrankenhaus abzugeben. Dort

Etwas Neues sollte her. Am besten ein Testsieger. Einer, denman noch erfinden musste

Die qualitativ sehr hochwertigen Harley-Auspuffe entstehen im eigenen Betrieb und mit Hilfe von Zulieferern aus der Umgebung – nicht in Fernost

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wurde reagiert. Sofort und miteiner siebeneinhalbstündigenNotoperation. Alles in allemhatte es dem Unglücklichenzehn Tage lang ins Gehirn ge -blutet. Oder auch länger. ZehnTage lang jedenfalls hatte erSchmerzen, und kein Arzt weiß,warum dieser Mensch nochlebt. Siebeneinhalb Stunden mitabgeklemmten Blutbahnen sindgefährlich. Sie führen leicht zuSchlaganfällen, und in seinemFall waren es zwei.

Damit nicht genug, gab esnoch Bakterien obendrein. ImKrankenhaus eingefangen, hat-ten sich diese an den Nerven-bahnen eingenistet, um ihrenBeitrag zu leisten mit verhee-renden Folgen: Lähmung undweitgehend blind.

Er wusste, dass es eineWäscheklammer war, die ihmseine Frau zwischen Daumenund Zeigefinger geklemmt hatte.Sie hatte es ihm gesagt. SeinTastsinn hatte geschwiegen, und

seine Augen ebenso. Ein ver-schwommener Blick und keinGefühl für den eigenen Körper.Aber der Verstand war wach.Das machte die Situation uner-träglich, und es war die Zeitgekommen, um zu resignieren.Oder auch nicht.

Das Problem war nicht derGeist, nicht Muskeln, Knochenoder Sehnen. Sein Problem wares, den Willen, den dieser Alp-traum noch am Leben ließ, bisan die Kuppen von Daumenund Zeigefinger zu transpor-tieren.

Wie einfach es sein konnte,einen Auspuff zu konstruierenoder ein Fahrwerk zu bauen.Wie harmlos Polizisten, Rich-ter und Altersheime gewordensind. Wie klein der alltäglicheÄrger mit den nicht zahlendenKunden, verrückten Termin-vorstellungen, Finanzämternund Banken. Eine Wäsche-klammer, deren Federdruck un -überwindbarer schien als alle

früheren Probleme zusammen.Diesen Federdruck zu über-winden, war für ihn wie eineBotschaft seiner eigenen Zu -kunft, lebenswert zu sein. Eswar die Tür aus seiner Iso lationauf den Weg zurück, zu seinemLeben, seiner Familie und zuseinem Haus. Zu der Frau, dieihm seit seiner Jugend beige-standen hatte. Die oft jenes ent-scheidende Moment gewesenist, das ihn weitergebracht hat.Zu einem Leben voller Arbeit,die er gern getan hat. Auchwenn ihm das nicht immer klargewesen ist. Nicht annäherndso wie jetzt. Und dann diesesGefühl, als die Feder zum ers-ten Mal nachgibt.

Wichtigkeiten verlagern sich.Reichtum bekommt ein neuesGesicht, wenn er sich nichtmehr am Kontostand misst,sondern am Wohlwollen einerOrdensschwester. Reichtum istliebevolle Zuwendung von bisdahin unbekannten Menschen.

Reich ist, wer das erste Malwieder Boden unter den Füßenspürt, vor allem, wenn er sie auseigener Kraft dorthin gesetzthat. Manchmal hätte er durch-aus Schönes erlebt, währenddieses Alptraums. Das sagt ermir und er sagt das so, dass Ver-wunderung nicht aufkommt.Vielleicht versteht ihn am bes-ten derjenige, der Alpträumekennt.

Heute ist die Lähmung weit-gehend Geschichte und das Seh -vermögen so weit zurückge-kehrt, dass er damit wiederleben und arbeiten kann. Ichdenke daran während des Ge -sprächs, das Sie auf den vorhe-rigen Seiten miterleben konn-ten. Eberhard Schwarz lachtviel, hat den Schalk im Nacken,und ich komme nicht umhin,diesen Menschen und seineLeistungen zu bewundern. Obdie nun Suzuki heißen, Gitter-rohrrahmen, Auspuff oderWäscheklammer. �

Der Harley-Motor in der „Red Baron“ ist im letzten von insgesamt 146 Gitterrohrrahmen montiert. Die einzige Nicht-Japanerin von AMC