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Mit einer Prise freiem Geist Pierre Zimmermann hat im Leben mehr als einmal den Kurs gewechselt. So ist er zwar nicht Koch auf einem Schiff der sieben Meere geworden, aber er lebt seine Leidenschaft. Pierre Zimmermann ist der Inhaber des «Zimi‘s Table d‘hôtes» in Wila. Bild: Madeleine Schoder Text: Melanie Kollbrunner Rosmarin und Lavendel, Ratatouille und Crème brûlée. Pierre sitzt vor der Bar im Städtchen und trinkt einen Ricard, während er das Menü plant, das er sei- nen Gästen im Gaulois kochen wird. Saint-Rémy-de-Provence, 1983. Eine Szene, wie sie sich durchaus hätte zutragen können, hätten die «Zimis», Pierre Zim- mermann und seine Frau Arlette, nicht in letzter Minute das Angebot des Im- mobilienmaklers zurückgezogen. Es war nicht perfekt, das Lokal. Zu eng, zu wenig grosszügig. Es war nicht der Moment für diesen grossen Traum eines ge- meinsamen Restaurants. Sie sind geblieben: in ihren Berufen, in der Heimat und bei den beiden Kindern. Sie Leiterin von Theaterproduktionen, er PR-Mann beim «Tages-Anzeiger». Rosmarin und Lavendel und einen Ricard für den Chef: Die Zimis leben ih- ren Traum trotzdem. Zwar nicht in Südfrankreich, sondern im obersten Weiler von Wila. Nicht in der Mas, einem provenzalischen Landgut, sondern in ihrem Bauernhaus, hundertjährig, sorgfältigst renoviert. Da, wo früher der Stall war, steht seit zwölf Jahren eine lange Tafel für Gäste bereit: Zimis Table d’hôtes – der Tisch, an dem Arlette Zimmermann serviert, was ihr Mann oben in der offenen Küche zubereitet. Das sind französische und italienische Gerich- te, bodenständig und doch raffiniert, einfach und doch gehoben. Seinen Ha- senschlegel Roussillon beispielsweise, die Inspiration dazu fand er in einem kleinen Restaurant im Luberon. Oder die Crème brûlée mit Lavendel. Das Brot

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Mit einer Prise freiem GeistPierre Zimmermann hat im Leben mehr als einmal den Kurs gewechselt. So ist er zwar nicht Koch auf einem Schiff der sieben Meere geworden, aber er lebt seine Leidenschaft.

Pierre Zimmermann ist der Inhaber des «Zimi‘s Table d‘hôtes» in Wila. Bild: Madeleine Schoder Text: Melanie Kollbrunner

Rosmarin und Lavendel, Ratatouille und Crème brûlée. Pierre sitzt vor der Bar im Städtchen und trinkt einen Ricard, während er das Menü plant, das er sei-nen Gästen im Gaulois kochen wird. Saint-Rémy-de-Provence, 1983. Eine Szene, wie sie sich durchaus hätte zutragen können, hätten die «Zimis», Pierre Zim-mermann und seine Frau Arlette, nicht in letzter Minute das Angebot des Im-mobilienmaklers zurückgezogen. Es war nicht perfekt, das Lokal. Zu eng, zu wenig grosszügig. Es war nicht der Moment für diesen grossen Traum eines ge-meinsamen Restaurants. Sie sind geblieben: in ihren Berufen, in der Heimat und bei den beiden Kindern. Sie Leiterin von Theaterproduktionen, er PR-Mann beim «Tages-Anzeiger».

Rosmarin und Lavendel und einen Ricard für den Chef: Die Zimis leben ih-ren Traum trotzdem. Zwar nicht in Südfrankreich, sondern im obersten Weiler von Wila. Nicht in der Mas, einem provenzalischen Landgut, sondern in ihrem Bauernhaus, hundertjährig, sorgfältigst renoviert. Da, wo früher der Stall war, steht seit zwölf Jahren eine lange Tafel für Gäste bereit: Zimis Table d’hôtes – der Tisch, an dem Arlette Zimmermann serviert, was ihr Mann oben in der offenen Küche zubereitet. Das sind französische und italienische Gerich-te, bodenständig und doch raffiniert, einfach und doch gehoben. Seinen Ha-senschlegel Roussillon beispielsweise, die Inspiration dazu fand er in einem kleinen Restaurant im Luberon. Oder die Crème brûlée mit Lavendel. Das Brot

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ist hausgemacht wie die Teigwaren, die Produkte stammen von ausgewählten, re-gionalen Anbietern, die er kennt und denen er vertraut. Für die Familie kocht er auch mal eine einfache, aber herrliche Pasta, wie jetzt, da er gemeinsam mit seiner Frau aus seinem Leben und von dem erzählt, was ihm lieb ist. «Mein kulinarisches Europa hört bei Schaffhausen auf», sagt er.

Lauwarm ist nicht Pierre Zimmermanns Temperatur. Weder vom Gemüt her noch in der Küche. Sein Temperament mutet südlich an, und vom Niedergaren hält er gar nichts. «Ein schönes Stück Fleisch darf nicht über Stunden auf tiefer Tempe-ratur zerstört werden», es müsse heiss in die Pfanne, sagt er und lässt zwi-schen Zunge und Zähnen ein Geräusch entstehen, das genau so klingt, wie er es haben will, wenn das Fleisch in der Pfanne landet. Dass die Zimis tatsäch-lich zum Wirtepaar wurden, hat Pierre eigentlich Arlette zu verdanken. «Wir wollten etwas Gemeinsames machen», sagt sie und denkt zurück. Pierre sei mit Soforthilfe kurdischer Flüchtlinge in der Türkei beschäftigt gewesen, eine Hilfsaktion nach dem Aufstand 1991 im Irak, den Saddam Hussein blutig nieder-schlug. Die Koordination mit Ankara für diese Soforthilfe war eines von vie-len Projekten für die Zeitung, die weit über den Bürojob hinausgingen, den man sich unter einem Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit vielleicht vor-stellt. Er war von Anfang am Zürcher Theater-Spektakel involviert und war Mitbegründer vom Kino am See. Damals, vor 25 Jahren, häuften sich diese Rei-setätigkeiten für die Soforthilfe: «Ich flog einmal, dann wieder und wieder. Beim dritten Mal wurde es Arlette zu viel», sie habe Angst um ihn gehabt im Krisenherd und wollte eine Entscheidung.

Die Entscheidung kam. Er wollte sein Leben näher an dem von Arlette gestal-ten, der Frau, die er in der Sekundarschule am Zürcher Hegibachplatz kennen gelernt hatte: «Du hattest diesen orange-weiss karierten Petticoat an», sagt er und lächelt sie an. Die Entscheidung, die er 1991 traf, bereute er nie. Pierre Zimmermann kündigte sofort, das Restaurant Sonne in Weisslingen stand damals zur Pacht ausgeschrieben. Am 6. Februar 1992, es war Pierres 44. Ge-burtstag, empfingen die beiden erstmals Gäste in «Zimis Bistro & Pasta». Was Erfüllung versprach, hätte sein gastronomisches Ende bedeuten können: Die Zimmermanns wurden im Dorf nicht angenommen, «auch nach fünf Jahren harter Arbeit nicht», während er zurückdenkt, kneift er die Augen zusammen. «Es war eine furchtbar schwierige Zeit.» Die Sonne sei die Dorfbeiz aus einer anderen Zeit gewesen, der die Weisslinger nachgetrauert hätten. Sie, die Zimis, hät-ten keine Chance bekommen. Als Snobs habe man sie wohl betrachtet, weil sie exakt die Küche zubereiteten, für die sie heute in Wila an der Table d’hôtes geschätzt werden.

Dass kochen zur Hauptsache in Pierre Zimmermanns Leben wurde, hat auch mit seiner Mutter zu tun. Er sass als kleiner Junge auf dem Küchentisch und schaute zu, wie sie die Zwiebeln anschwitzte, die über ihre Leberspätzli ge-hörten, und wie sie Knöpfli ab dem Brett schabte. Er selbst kochte schon mit 17 Spaghetti für 20 Freunde. «Ein Bein hatte ich immer in der Gastronomie», sagt er. Zwei Tage vor Antritt seiner Lehrstelle als Koch am Zürichhorn sagte er ab und entschied sich, seinen Weg eher in die Richtung seines Vaters und seines Grossvaters zu gehen: Beide waren Buchbinder. Die Druckerlehre ver-sprach ihm mehr Zeit mit seinen Freunden. Mehr Freiheit. Heute hat er beides: Die Zimmermanns bewirten nicht nur ihre Gäste, sie reisen auch viel, noch im-mer etwa in die Provence. Hauptsache, frei im Geist, Hauptsache, nicht eng.

www.zimis.info (Der Landbote)

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Melanie Kollbrunner 10. Mai 2017

Ganz hinten im Tösstal, viele verschlungene Kurven die Dörfer hoch, im letzten Weiler von Wila, steht ein altes Bauernhaus. Hier leben die Zimmermanns. Hier kocht Zimi, so nennt sich Patron Pierre Zimmermann. Er kocht für seine Frau Arlette und für Familie und Freunde. Und er kocht für alle Besucher, wenn sich diese zwei Tage zuvor anmelden und mindestens zu viert vorbeikommen. Sie setzen sich an die Tafel in der alten Scheune, die die Zimmermanns wie das ganze Haus liebevoll umgebaut haben. Sie setzen sich an «Zimi’s Table d’hôtes».An seiner Table d’hôtes serviert Pierre Zimmermann, was Arlette zuvor mit den Gästen besprochen hat. Seit zwölf Jahren schon. Jeder zeit – es sei denn, die beiden fahren in die Ferien. Arlette Zimmermann schlägt Varianten eines Viergangmenüs vor – saisonal, regional, hausgemacht. Die Gäste wählen und bestimmen mit, was auf den Tisch kommt; die Rahmenbedingungen werden vorbesprochen, so etwa der feste Preis: 96 Franken pro Person, der sich als absolut angemessen erweisen wird. Die kleine, feine Weinkarte wechselt, die Preise bewegen sich zwischen 59 und 89 Franken. Dann besucht Pierre Zimmermann die Lieferanten seines Vertrauens, stellt sich in die offene, wunderschöne Küche und bereitet sorgfältig vor, was seine Frau bald präsentieren wird. Mit etwas Glück beginnt ein Abend bei den Zimmermanns im lauschigen Garten, mit lauwarmen Zitronenoliven und einem Glas Prosecco. Wenn es dann kühl wird, lädt die gedeckte Tafel nach innen, es beginnt mit einem Brennnesselsüppchen, fein garniert mit Schlüsselblumen aus der Umgebung. Weiter geht es mit hausgemachten, hauchzarten Mezzelune, die Teigwaren sind gefüllt mit grünem Spargel. Es folgt ein Kaninchenschlegel in sämig-süsslicher Balsamico-Honig- Sauce, dazu Champagnerrisotto. Am Ende eine Crème brulée mit eigenem Lavendel – himmlisch – und zum Espresso ein paar Worte mit den charmanten Gastgebern.

Ein kleines,

fast geheimes Paradies

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ZO/Av U Samstag, 15. August 2009 5

Daniel Hess

Nicht nur in der kulinarischen Land-schaft ist sie eine Trouvaille, die «Tabled’hôtes» der Zimmermanns, auch imhügeligen Gelände des Tösstals lässt siesich nicht so einfach finden. Hier, inmit-ten von dunklen Wäldern und saftigenWiesen, zwischen Wila und Sternen-berg im verträumten Weiler Schuppis,der selbst in der Schweiz nicht mit öf-fentlichen Verkehrsmitteln zu erreichenist, würde man sie jedenfalls kaum ver-muten. Ein modernes Riegelbauernhausmit provenzalischem Sommergartennährt zwar die Hoffnung beim Besu-cher, sich nicht verfahren zu haben.Doch erst die Aufschrift «Zimi’s» aufdessen Fassade bringt die Gewissheit.

Statt Gegacker und Geblöke erklin-gen sanfte musikalische Klänge aus demeinstigen Stall, der vor wenigen Jahrenin ein schmuckes Esszimmer verwan-delt wurde. Hühner und Schafe sindkeine mehr da, dafür ein einziger langer,ganz in Weiss gedeckter Tisch. An die-ser «Table d’hôtes» bewirtet das EhepaarArlette und Pierre Zimmermann seit An-fang 2005 seine Gäste.

Ein Tisch und ein Menü für alleEinst war es in Frankreich üblich,

dass alle Hotelgäste an einer Tafel assenund so miteinander ins Gespräch ka-men. Mit seiner «Table d’hôtes» erwecktdas Wirtepaar diese französische Tradi-tion «à la Zimis» zu neuem Leben.Höchstens 16 Gäste sitzen in einer oderzwei Gruppen an einem Tisch und essenein und dasselbe, meist viergängigeMenü. Reguläre Öffnungszeiten gibt esnicht, gekocht wird nur auf Vorbestel-lung. Das Menü wird mit Arlette imVornherein abgesprochen oder aber dieGäste lassen sich ganz einfach vonPierres Kochkünsten überraschen.«Mein Repertoire ist gross», sagt der 61-jährige Maître de Cuisine, «meine Vor-liebe gilt jedoch der mediterranenKüche».

Frankophile QuereinsteigerÜberhaupt hat es den Zimmermanns

– ihre Vornamen lassen es bereits erah-

nen – das Französische angetan. Pierre,wie seine Frau aus der Stadt Zürich,wuchs teilweise in der Romandie auf,und hätte 1981 nicht das Haus imSchuppis frei gestanden, das Paar wäre

mit seinen beiden Kindern nach Süd-frankreich ausgewandert. Mit der Nou-velle Cuisine und ihren mickrigen Por-tiönchen habe er aber nichts am Hut,stellt Pierre klar.

Es würde irgendwie auch nicht pas-sen zum grossen Mann mit der rauhenStimme, der zumindest äusserlich per-fekt ins gängige Bild eines Kochs passt,obwohl er als gelernter Buchdrucker ein

Quereinsteiger ist. Kochen jedoch warimmer seine Leidenschaft, schon alsKind hat ihm seine Mutter vieles beige-bracht. Später hat er ein Stage absol-viert, war Geschäftsführer einer Pizzeriaund leitete in den neunziger Jahren zu-sammen mit seiner Frau «Zimi’s Bistro &Pasta» in Weisslingen. Die «figulante»Arlette, die einst am Theater gearbeitethat, war damals wie heute zuständig fürdie Betreuung der Gäste und das Admi-nistrative. Das Kochen liegt ihr weniger.

«Tiefkühltruhe haben wir nicht»Gemeinsam ist den beiden dagegen

die Spontaneität. «Wir probieren gerneetwas aus. Aber nie unüberlegt», sagtArlette. Genauso unschweizerischschnell sind sie bei der Umsetzung einerIdee. Nur gerade vier Monate dauertees, bis der Traum einer eigenen «Tabled’hôtes» verwirklicht war. Anfangs liefes harzig, Pierre dachte bereits ans Auf-geben. Nicht zuletzt ein Internet-Auftrittlockte die Kundschaft dann aber immeröfter in den abgelegenen Weiler hinauf.

Mittlerweile läuft es über Erwartengut, von einer Wirtschaftskrise ist nichtszu spüren. Ihr Erfolgsrezept? «Wir set-zen in jeder Beziehung auf Qualität»,sagt Pierre. «Das Brot, die Pasta, allesmache ich selbst.» Zum Kochen verwen-det er nur Frischprodukte, wenn immermöglich aus der Region. «Eine Tiefkühl-truhe haben wir nicht», versichert er.Vor allem aber sind sie unkonventionell,die Zimis, wie sie sich selbst nennen,passen in keine Schublade. Zwar ver-sprüht ihre «Table d’hôtes» eher einenHauch von Exklusivität als den Stallge-ruch einer Bauernbeiz. Nobel, und da-rauf legt das Paar grossen Wert, ist siekeinesfalls.

«Klein, aber oho» bleibenKommt nun angesichts des Erfolges

der nächste Schritt? Eine zweite «Table»,durchgehende Öffnungszeiten und einpaar Angestellte vielleicht? «Nein», sa-gen beide unisono, «das kommt nicht inFrage». Zwar wäre das Potenzial durch-aus vorhanden, es mangelte weder anNachfrage noch an Räumlichkeiten.Doch es sei von Anfang an geplant ge-wesen, kleinere Brötchen zu backen.«Wir sind stolz, dass es geklappt hat,damit sind wir dann aber auch zufrie-den», sagt Arlette. «Wir sind in einemAlter, wo uns die Lebensqualität und dieFreude an dem, was wir tun, am wich-tigsten sind, und nicht die Gewinnmaxi-mierung», so die Dame des Hauses.Wahrscheinlich ist dies das grösste Er-folgsgeheimnis der Zimis.Zimi’s Table d’hôtes, Im Schuppis, 8492 Wila;Telefon 052 385 47 30; www.zimis.info

Wila Die Zimmermanns lassen mit «Zimi’s Table d’hôtes» eine französische Tradition wieder aufleben

Die Gaststube ohne Öffnungszeiten

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DIE LETZTE70 Tages-Anzeiger · Freitag, 7. März 2008

FR: ESSEN & TRINKENDO: KÖPFEMI: JUNGDI: SCHAUFENSTERMO: LEUTE

Tables d’hôtesBis Ende des 19. Jahrhundertswar es in Frankreich üblich,dass Hotelgäste gemeinsaman einem langen Tisch sassenund miteinander tafelten. Esgab jeweils ein einzigesMenü für alle Anwesenden.Reisende aus aller Welt tra-fen so aufeinander, tauschtensich aus, und gingen dannwieder ihrer Wege.

Heute gehören die Tablesd’hôtes in Frankreich undBelgien oft zu den Chambresd’hôtes. Diese sind die fran-zösische Variante des briti-schen Bed and Breakfast. DerGast wohnt also mal in einemBauernhaus, mal auf einemmärchenhaften Schloss.Kommt zur Chambre d’hôteseine Table d’hôtes hinzu – ge-niesst der Gast also gemein-sam mit seinen Gastgebernund anderen Besuchern dasAbendessen. (va)

Die Gäste von Arlette undPierre Zimmermannessen alle dasselbe Menüam selben Tisch. Das Paarzelebriert in Wila einefranzösische Tradition.

Von Viviane Andres

Wila. – Wiesen und Weiler wech-seln sich ab mit dunklen Wäldern –wir kurven hoch Richtung Ster-nenberg. Kurz bevor wir umkeh-ren wollen, weil wir uns auf demfalschen Weg wähnen, entdeckenwir den beleuchteten Schriftzug«Zimi’s» an der Fassade eines mo-dernen Bauernhauses am Weg-rand. Der nah gelegene Bachrauscht, sonst ist nichts zu hören.Eine Frauenstimme heisst unsdurchs Fenster willkommen. EinBrunnen plätschert in der Gast-stube, klassische Musik erfüllt denhohen Raum. Das 120-jährige Bau-ernhaus wurde von Arlette undPierre Zimmermann vor ein paarJahren vollständig renoviert.Heute verleiht die Mischung vonNeuem mit Altem dem GebäudeCharme. Seit 25 Jahren wohnen dieZimis im Schuppis, unterhalb vonSternenberg. Hierhin haben diebeiden Stadtzürcher mit ihrenzwei kleinen Kindern Landfluchtbegangen, nachdem sie den Planvom Auswandern nach Frankreichverworfen hatten. «Die Siebziger,der Traum vom Landleben, mit ei-genem Garten mit Hühnern», be-schreibt Pierre Zimmermann, dergmögige Hausherr. Im Schuppiszogen sie ihre Kinder gross, derVater fuhr zur Arbeit in den Verlagnach Zürich, die Mutter kümmertesich um den Rest zu Hause.

Klein, aber fein

Pierre Zimmermann war schonimmer leidenschaftlicher Koch,zuerst hobbymässig, dannschwang er die Kelle auch beruf-lich. Sie beschlossen vor drei Jah-ren, ein Lokal im eigenen Haus zueröffnen. Fest stand, dass es keingrosser Betrieb werden sollte.«Wir wollen bewusst klein blei-ben», sagt Arlette Zimmermann.Mit ihrer Affinität zu Frankreichbeschlossen sie, das Konzept dertable d’hôtes (siehe Kasten) imumgebauten Stall umzusetzen.

Eine Tafel, ein Menü – Speisen à la française

Heute erinnert nichts mehr anStall: im Gegenteil, das Ambienteist luxuriös, ohne das oft damitverbundene Gefühl der Beklemmt-heit auszulösen – man fühlt sichaugenblicklich wohl.

Vom Menü überraschen lassen

Arlette Zimmermann empfängtuns mit marinierten Oliven undeinem Prosecco (Frizzante 3,75 dl/28 Fr.) am stilvoll dekoriertenApero-Tisch neben einem Stein-brunnen. Sie stellt uns ihre Wein-vorschläge passend zum Menüvor, und wir erfahren, dass esKalbfleisch geben wird. Damit eskeine bösen Überraschungen gibt,hat die Gastgeberin bereits amTelefon abgeklärt, was wir mögenund was nicht. Wir setzen uns andie Tafel. Mit Abstand ist nebenuns nochmals für vier Personengedeckt. «Wir erwarten heutenoch vier weitere Gäste aus Süd-deutschland», erklärt die Wirtin.Das Konzept der Table d’hôtes isteinfach: Alle Gäste sitzen am sel-ben Tisch und essen dasselbeMenü. «So wie wir es in Frank-

reich angetroffen haben», sagt Ar-lette Zimmermann. «Manchmalkommen die Gäste miteinanderins Gespräch und verbringen denAbend gemeinsam, manchmalbleibt jeder für sich.»

Sie kümmert sich um den Ser-vice und das Administrative, er istfür die Küche und den Einkauf zu-ständig. «Mittlerweile haben wirimmer mehr Geschäftsessen überMittag», so Pierre Zimmermann.

Das für uns zusammengestellteMenü ist wie bei Zimis übliche einViergänger (diesmal 89.–/Pers.).Als Küchengruss servierte derChef «es chliises kulinarischesAugezwinkere us Zimis Chuchi» –ein warmes und ein kaltes Sushi.Zur Vorspeise folgen gefüllteHalbmonde à la Fiorella unter ei-nem Safranschaum. Die Teigwa-ren sind, wie der Koch bestätigt,hausgemacht und genau richtigbissfest. Die Füllung besteht ausnorwegischen Flusskrebsen undmundet hervorragend. Der zweiteGang, ein Kastaniensüppchen mitTrüffelaroma, wird in einem klei-nen Töpfchen serviert. Mit demTrüffelschaum ist dies eine raffi-

nierte, süssliche Kombination. Ge-folgt von Involtini di vitello dellacasa, das ist Kalbfleisch (aus demTösstal), welches Zimmermannmit getrockneten Tomaten, Spinateinrollt. Zum Dessert gibt es «unetentation de Lavende proven-cale». Anmerkung der Gastgeber:«Das chömer nöd übersetzte . . .isch aber schaurig guet!»

Carla Brunis Gesang und dasPlätschern des Brunnens undnicht zuletzt der wunderbareWein aus Puglien lullen uns ein.Wir sind uns einig: Wir assen wieGott in Frankreich – und das imTösstal.

Zimi’s Table d’hôtes, Im Schuppis,8492 Wila, 052 385 47 30www.zimis.info

Preise je nach Menü.

Nach Absprache mit den anderenGästen am Tisch kann gerauchtwerden.

Öffnungszeiten: Auf Reservation,mindestens vier Personen, maxi-mal zwanzig Personen, aufWunsch kann ein Kleinbus für denTransport organisiert werden.

BILDER NATHALIE GUINAND

Pierre und Arlette Zimmermann empfangen ihre Gäste in Wila nach französischer Tradition an einer Table d’hôtes.

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NZZ am Sonntag • 22. Juli 2007FO

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Alles per RadAufsitzen, in die Pedale treten und Ostdeutschland entdecken

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Bella FiguraDer neue Maserati Granturismoverströmt Italianità und besticht durch eine perfektgeformte Silhouette

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Verleiht FlügelBally hat mit Brian Atwood einen

neuen Kreativ-chef gefunden. Mit seiner Hilfesoll jetzt allesplötzlich ganz easy werden

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Klein und fein – die Table d’Hôte Seite 68

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68 NZZ am Sonntag � 22. Juli 2007

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BUCHCOVER

Wein-KellerSommerweinFrisch, fruchtig, mit einer kna-ckigen Säure: So soll ein perfek-ter Sommerwein schmecken.Dieser Vorstellung entspricht derSauvignon blanc Klassik 2006des österreichischen GutesSattlerhof. Die Linie «SteirischeKlassik» wird ausschliesslich imStahltank ausgebaut. Holz istverpönt. Das macht die edlenTropfen leicht und beschwingt.Der Alkoholgehalt ist moderat.Sauvignon-blanc-Weine zeichnensich zudem durch ihr intensivesAroma aus. Oft lassen sichNoten von Stachelbeeren, Grape-fruit oder Holunder erkennen.Die Sorte hat sich weltweitdurchgesetzt. Sehr gute Resul-tate erzielen die Winzer in derSteiermark, wie der Sattlerhofbeweist. (kep.).. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . ..

Sauvignon blanc Klassik 2006, Sattlerhof,Fr. 19.50, erhältlich bei Secli Weinwelt, Buchs(SG), Tel. 081 756 18 61.

EinTisch,einMenu,einServiceIm hintersten Winkel desTösstals gibt es eineTable d'Hote. Dort sindstille, passionierteGeniesser erwünschtArlette und Pierre Zimmermann sind seit 24Jahren hier oben daheim im Schuppis, diesemWeiler im Tösstal am Ende der Welt, eine ge-mütliche Fussstunde von Wila gelegen. ArletteZimmermann erwartet die Gäste aber auchgerne am Bahnhof Wila, um sie hinein in die hü-gelige Landschaft zu chauffieren. In jedem Fallhat man sich vorher angemeldet, gern zwei oderdrei Tage oder schon Wochen zuvor. Mit Arlettedas Menu besprochen. Vielleicht fernmündlichüber die Weine beraten. Aber nur keine Eile, ge-mach, bitte, denn die Sache mit den Weinen, diekann auch am Ort des Vergnügens noch geklärtwerden. Der Keller des Hauses ist von ArletteZimmermann findig und klug alimentiert wor-den, die Preise sind moderat.

Das Haus der Zimmermanns hat ein Bauergebaut, damals, als es noch keine Traktoren gab.Später hat der Förster hier gewohnt. Und dannkamen die «Zimi's» − so nennt sich das gastro-sophische Paar auf seiner Briefschaft −, und siekamen hier eher zufällig vorbei; darüber hinaushatten sie sich kurz zuvor für ein süsses kleinesRestaurant in Südfrankreich entschieden, dieTinte auf dem Vorvertrag war noch feucht. Bei-de wussten, dass sie dereinst nicht mehr im Ver-lagswesen und nicht mehr am Theater arbeiten,sondern gemeinsam quer in die Gastronomieeinsteigen wollten. Aber dann standen sie ebenim Weiler Schuppis vor diesem Haus, in dem

sich Lady Chatterleys Wildhüter ebenfallswohlgefühlt hätte. Und sie verliebten sich un-rettbar darein, so sehr, dass sie erst nach demKauf entdeckten, woran es überall mangelte,dass es etwa keine Badewanne gab.

Mit leichter Hand haben sie renoviert, umge-baut und das Bauernhaus ohne rustikalen Firle-fanz in seine neue Aufgabe überführt. Der eineFlügel ist privat, das Parterre steht bereit für dieGäste. Seit die beiden Kinder ausgeflogen sind,stösst die Hälfte des Gastraums hinauf in dieDimension des nächsten Geschosses. Der Ess-tisch ist zwar noch geborgen unter der altenStalldecke, Blicke und Nasen aber richten sichimmer wieder auf den lichten Raum, denn vondort oben sind die Geräusche des gutgelaunt ar-beitenden Küchenchefs zu vernehmen, und esstreben die aromatischen Düfte vom Herd hin-unter zu den Gästen. Die Rollen sind also klarverteilt: Pierre Zimmermann steht am Herd, Ar-lette betreut die Gäste. Und die Gäste, die habensich angemeldet, und sie haben drei Kostbar-keiten mitgebracht: Freunde, Zeit und Appetit.Und sie haben sich eingefunden an einer echtenTable d'Hote − ein Tisch, ein Menu, ein Service.Küche und Keller, Arlette und Pierre, sie stehennun ganz und gar exklusiv zur Verfügung.

Die bewährte Form der Table d'Hote ist hieran diesem schönen Ende der Welt geradezu eineNotwendigkeit. Hierher verirrt sich ja keineLaufkundschaft. Und die «Zimi's» wollen mitihrer Gastronomie nicht nur den Gästen, son-dern auch sich selber eine Freude machen. Siemöchten jedes Gehetze vermeiden.

Jules Klopfenstein schreibt in seinem ver-dienstvollen Büchlein «Der Tafeldienst», er-schienen 1929 im «Selbstverlag des Verfassers»:«In den grossen Hotels der Hauptstädte ver-schwindet die Table d'Hote immer mehr zu-gunsten des Einzelservierens, welches sich im-mer mehr verallgemeinert. Aber in den klima-

tischen Kurorten und alpinen Hotels ist es ganzanders. Dort wird die Table d'Hote stets Brauchbleiben, weil sie unstreitig Vorteile bietet, ins-besondere Personal- und Warenersparnis, wel-che beide durch das alles in allem vereinfachteTable-d'Hote-Service gesichert wird.» JulesKlopfenstein vergisst natürlich nicht, daraufhinzuweisen, dass diese Serviceart nicht etwaleichter sei. Bei unserem Besuch gab es zuersteine Vichyssoise, die berühmte Kaltschale ausLauch und Kartoffeln, gebunden mit Cremefraıche; warm serviert ist sie hierzulande be-kannter, dann aber heisst sie Soupe Parmentier.Danach erschienen die «Mezzelune alla Zimi»,Täschchen aus hauchdünnem, mit Sepiatintedunkel gefärbtem Teig, gefüllt mit dem Fleischzarter Krustentiere. Als Reminiszenz an dasdann doch nicht betriebene südfranzösischeBeizlein wurde als Hauptgang eine eleganteEstouffade de veau a la provencale aufgetragen,begleitet von Zitronenrisotto und Gemüse.

Pierre Zimmermann ist ein begabter Koch,der mit Empathie auf die Situation der Gästeeinzugehen weiss und das Menu entsprechend«gspürig» gestaltet. Trotz den hochsommerli-chen Temperaturen liess man sich darum gerneherbei, schliesslich die Käse aus der nächstenUmgebung zu degustieren. Dazu wurde zweier-lei hausgemachtes Brot gereicht. Vielleicht wol-len sich die Gäste zu Kaffee und Digestif gernewieder in den Garten setzen, wo das Vergnügenbegonnen, wo Arlette den Aperitif ausge-schenkt hatte, wo zuverlässig Thymian undLorbeer duften; es blüht der Lavendel und dergut besuchte Schmetterlingsflieder. Der Nuss-baum verschenkt seinen Schatten. Weit zum Pa-radies ist es von hier aus bestimmt nicht mehr.Jost Auf der Maur.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. .

«Les Zimi's», Im Schuppis, 8492 Wila. Tel. 052 385 47 30.www.zimis.info. Table d'Hote ab 4 Pers. Preis pro Person für ein4-Gang-Menu: 89 Fr. Reservation obligatorisch.

Arlette und Pierre Zimmermann servieren denApero im provenzalischen Sommergarten. Diehausgemachten Sepiaravioli (Bild Mitte) werdenanschliessend drinnen an der langen Tafel serviert.(Fotos: Ursula Meisser)

AusleseBasta Pasta

Mario Gamba vom 17-Punkte-Restaurant Acquarello in Mün-chen legt einen gewaltigen Bild-band zum Thema Pasta vor. DieBilder sind opulent und zeigenhäufig den Verfasser selbst oderseine Brigade. Ein schöneresBuch über Teigwaren kann mansich kaum vorstellen, aber auchkein überflüssigeres. In Wikipe-dia-Manier wird alles Wissens-werte über Mehl, Olivenöl, Pilzeetc. aufgelistet, was man schonlange weiss. Und im Rezeptteilwird nach dem Motto «Mangotor-telli mit Gambasragout» allerleiin Teigtaschen gefüllt − die kön-nen sich ja nicht wehren. (Hon.)

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Mario Gamba: Pasta. Collection Rolf Heyne,München 2007. Fr. 69.40.

SupplementDick im Licht

Diät zu halten, ist bei den einensinnvoll, bei anderen nervt's, weilihre schlanke Figur einen Affrontfür alle Normalgewichtigen dar-stellt. So oder so: Das Lifestyle-magazin «Men's Health» witterthinter überflüssigen Kilos ein fal-sches Farbkonzept beim Wohnen.Das Magazin beruft sich dabeiauf eine Studie der Cornell Uni-versity New York, die heraus-gefunden haben will, dass rot,orange oder knallgelb gestriche-ne Wände zu Fressorgien führenkönnen. Ebenfalls zu übermäs-sigem Essen verleite zu hellesLicht. Wir werden also in Zukunftnur noch in höhlenartiger Atmo-sphäre bei schummrigem Ker-zenschein speisen − dann aberumso mehr geniessen. (chu.)

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Und zum Schluss noch unter dem Motto: "Tempi passati"

"Zimi's Sonne" in Weisslingen 1992 – 1996 NZZ Folio vom 7. Mai 2007

Irgendwann war die «Sonne» einfach nicht mehr, was sie einmal war: Stammbeiz, Speiserestaurant, Festsaal, Versammlungslokal, Geburtstags- und Muttertags- und Leidmahl-«Sonne». Vielleicht begann die Sonne zu sinken, als in den 1980er Jahren mehr als zwei Drittel der Wisliger ausserhalb zur Arbeit gingen,morgens wegfuhren, abends heimkehrten. Den Tag nicht in Weisslingen verbrachten, Ideen von auswärts nach Hause trugen. Wisligs Gesicht änderte sich. Auf die grüne Wiese wurden Landsitze für Stadtflüchtlinge gebaut. Vor neuen Häusern steht im Gärtchen der Prokuristengrill aus Waschbeton, die Garagen sind gross wie Ställe. Grüne Witwen, die die Tage in diesen Einfamilienhäusern verbringen, gehen in einem Dorf wie Weisslingen nicht in die Beiz. Eingekauft wird oft auswärts. Die Bedeutung von Wislig als Lebensmittelpunkt begann zu schwinden. Und eines Tages waren wohl auch die alten Wisliger nicht mehr die, die sie einst gewesen waren. Wie hätte da die «Sonne» für die Wisliger noch sein können, was sie einmal war? Man hatte sich gleichsam auseinandergelebt. Nur, wer will das wahrhaben? Anfang der 1990er Jahre wurde unübersehbar, dass die Wisliger Welt eine neue war. Die Botschaftüberbrachten die Zimmermanns. Ohne es zu wissen. Arlette und Pierre Zimmermann, Quereinsteiger. Eine Leiterin von Theaterproduktionen, ein PR-Mann eines grossen Zürcher Verlags. Zwei urbane Geister, zwei Kinder, ein Traum: die tolle Landbeiz, eine mit Geschichte, eine mit Ambiance – eine wie die «Sonne». Der Pachtvertrag begann im Oktober 1991 zu laufen. Am 6. Februar 1992, am Geburtstag von Pierre Zimmermann, wurde eröffnet. Er stand am Herd, sie führte den Service. Welch ein Optimismus! Die «Zimis» hatten in der Wirtsstube das abgetretene Linoleum durch Tonkacheln ersetzt, kostbare, alte, nicht glacierte Kacheln. Sie hatten originale Thonetstühle mitgebracht und eine neue Lichtführung installiert. Der Tresen war aus blankem Metall, oben abgedeckt mit einem dicken Nussbaumblatt. Eine kräftige Skulptur stand im Raum, eine Frau aus nacktem Holz, gut mannshoch, trug nur ein Bolero aus dem roten Blech der Pomodoro-Büchsen. Das wäre ja alles noch gegangen – im Alten das Neue. Aber was hatten die neuen Pächter sich gedacht, als sie den Schrank mit den Fahnen und Pokalen entfernen liessen? Ehre und Treue, Siege und Lorbeer: Schall und Rauch, hinweg damit? Nun sind die beiden Zimis professionelle Kommunikatoren. Sie hatten vor der Eröffnung alle Vorstände und Präsidentinnen der Vereine angeschrieben und zu einem Apéritif eingeladen. Da erklärten die Zimis sich und ihre Ideen, sie waren ganz offen, und dazu gehörte auch, dass sie auf eigene Kosten den Fahnenkasten mitsamt dem ganzen Kram neu im Saal der «Sonne» installieren wollten. Also dort, wo die Vereine ihre Versammlungen bisher abgehalten hatten. Logisch und konsequent. Der letzte Siegespokal war sieben Jahre vor jenem fatalen Tag im Jahr 1992 im Kasten untergebracht worden. Dicker Staub lag auf den Lorbeerkränzen. Ein Murren wurde – nein, nicht hörbar. Es war einfach da. Und es war ungut. Die einen holten die Memorabilien ab, andere vergassen es. Der Kasten verschwand hinter einer Gipswand, wo er heute noch ruht. Einer aus dem Dorf sagte zu Pierre Zimmermann: «Ihr werdet hier keine drei Kilogramm Salz verbrauchen.» Geblieben sind Pierre und Arlette Zimmermann fünf Jahre lang. Das ist mehr als drei Kilogramm Salz. Aber sonnig waren diese Jahre nicht. Die Wisliger lehnten den neuen Geist schlichtweg ab. Er war urban. Er verletzte sie, denn er war nicht vom Land, an dem sie sich orientieren wollten und das es nicht mehr gab. Sie ertrugen es nicht, dass die «Sonne» nur über Mittag und abends offen war. Da könne man ohnehin nur noch mit Krawatte hinein, behaupteten sie. Sie fragten nicht danach, ob der neue Koch gut koche. Ob die Atmosphäre freundlich sei. Es war ganz einfach nicht mehr ihre «Sonne». Das Urteil war klar: «En Nobelspunte, wo d Wisliger nümm verchered.»

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Daniel Eggli, Gastronomiefachmann und bis zu seinem Ableben oft giftig kritisierender erster Mann von «Salz und Pfeffer», schilderte die Wisliger «Sonne» der Zimmermanns 1993 in einer Radiosendung: «Es hat Stil, es ist schön. Es stimmen die Bilder, die Tische. Die Karte ist von Hand geschrieben, alles stimmt. Ich bin ein Utopist. Es sollte einen Zauberstab geben, der aus alten Gasthäusern den Gastroschrott vertreibt und einen neuen Geist einhaucht, so wie in Zimis Bistro.» Die Wisliger sahen das anders – sie sahen es nicht. «Wenn ich die Post betrat», sagt Arlette Zimmermann, «verstummten die Leute.» Als die «Sonne» im Februar einen «jour de fruits de mer» mit Austern im Freien inszenierte, hörte Pierre Zimmermann zwei Wisliger sagen: «Gsesch jetzt, dä dumm Cheib, was macht er wider, es Buffet dusse, anstatt z'warte, bis es wärmer isch.» An einem Polterabend deponierte eine Schar junger Männer den nackten Bräutigam, mit Senf und Stroh paniert, in der Wirtsstube und raunzten Pierre Zimmermann an: «So, du hast ausgespielt, jetzt übernehmen wir die Sonne!» 1996 verunfallte Pierre Zimmermann schwer. Das bedeutete das Ende der Kolonisation der «Sonne» durch Zimmermannsche Ideen. Der metallene Tresen ist verschwunden, die Kunst ist weg. Girlanden aus Kunststoff-Tannenzweigen hängen an der Decke, und draussen am Wirtshausschild baumelt ein Samichlaus aus Plastic. Alfredo Honegger möchte aus der «Sonne» eine richtige Arbeiterbeiz machen. Er sagt: Beim Fleisch bin ich konsequent. Für das Cordon bleu verwenden wir nur das Nierstück vom Schwein. Und vom Rind kaufen wir das Trio, also Entrecôte, Huft, Filet. Eine verkehrte Welt: In der Arbeiterbeiz werden die vornehmen Stücke aufgetragen, während in den Gourmetrestaurants Innereien und in Rotwein geschmorte Schweinsfüsschen auf den Tellern dampfen. Gegen hundert Wisliger besuchen am zweiten Montag im März 2007 eine politische Versammlung im «Sonne»-Saal. Honegger hat auf Wunsch des Organisationskomitees Mineralwasser aufgestellt, sechs von den günstigen 1,5-Liter- Flaschen. Niemand genehmigt sich nachher noch etwas, um zehn Uhr abends, drunten in der Wirtsstube. Das ist auch eine Volksabstimmung. Alfredo Honegger hält allen Bürgerinnen und Bürgern die Tür auf und sagt: Danke für den Besuch. http://www.nzzfolio.ch/www/21b625ad-36bc-48ea-b615-1c30cd0b472d/showarticle/fcda9467-ee02-4719-8412-bd97f3c43015.aspx

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Neue Zürcher Zeitung vom 3. Mai 2007

TICKET Mediterraner Genuss, massgeschneidert Zimmermanns «Table d’Hôte» im Zürcher Oberland Die Zimi’s lassen sich in keine Schublade drücken. Bereits die Definition ihres Mini-Gastrobetriebs macht Probleme: Seit gut zwei Jahren bewirten Arlette und Pierre Zimmermann Gäste in ihrem Heim im idyllischen Weiler Schuppis in der Nähe von Sternenberg. Auf Voranmeldung werden Gruppen von bis zu sechsundzwanzig Personen im ausgebauten Stall des über hundertjährigen Bauernhauses bewirtet. Im Sommer steht ausserdem ein grosszügiger Garten zur Verfügung. Gekocht wird nur auf Vorbestellung und nach Absprache mit den Gästen. So ist es möglich, immer frische Produkte zu verwenden. «Table d’Hôte», Gästetafel, nennt das Wirtepaar seinen Betrieb und verweist damit auf zwei wichtige Eckpfeiler der Zimi-Philosophie; den Fokus auf den Gast zu legen - und auf die Liebe zu Frankreich. «Dürfen wir Sie überraschen?" Tatsächlich erinnert das Haus an eine provenzalische Villa: Die hohen Wände sind mit hellem Holz ausgekleidet, rustikale Möbel und frische Blumen prägen den Raum, auf der Terrasse wachsen frische, duftende Kräuter. Hört Arlette Zimmermann die Kunden vorfahren, geht sie ihnen entgegen und empfängt sie mit einem Glas Spumante. Während alle am langen Tisch im Speisesaal placiert werden, steht PierreZimmermann bereits im oberen Stock am Herd und zaubert seine Köstlichkeiten. Auch wenn die Menus im Vorfeld mit den Gästen abgesprochen wurden, ist das Endergebnis immer «à la Zimi». An Rezepte halten mag sich der erklärte Kochbuchfan nicht. «Was mögen Sie nicht?» ist eine Standardfrage, die Arlette ihren Gästen stellt, wenn sie einen Tisch reservieren. «Dürfen wir Sie überraschen?» ist eine weitere typische Zimi-Frage. In beiden Bereichen sind sie stark- in der Improvisation ebenso wie im Erfüllen von Spezialwünschen. Bereits ganze Menus haben sie ohne Milchprodukte oder ohne Knoblauch zubereitet. Und einmal sogar eine ganze Gruppe mit koscherem Essen versorgt - inklusive des Rabbis, der in der Küche die Speisen segnete. Zimi’s Lieblingsgeschichte ist jedoch diejenige von der Gesellschaft, die sich um vier Uhr morgens zum Abendessen anmeldete und dieses mit viel Enthusiasmus serviert bekam. Herausforderungen liegen dem Wirtepaar besser als strenge Regeln.

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Kein Hype um teure Weine. Das einzige Diktat, das Arlette und Pierre akzeptieren, ist das ihres eigenen Geschmacks. So finden sie Salat als Vorspeise zu langweilig. Und nach einem kruden Erlebnis mit einer gefüllten Gans beschlossen sie, sich dem fetten Vogel in Zukunft zu verweigern. Was bei Zimi’s auf dem Speiseplan steht, bestimmt die Saison. Ihr besonderes Credo ist Einfachheit, was nicht unbedingt Einfachheit in der Zubereitung bedeutet: Brot und Pasta werden selbst gemacht, das Fleisch stammt vom benachbarten Bauern, der Honig kommt vom Dorfimker. Bärlauch, Morcheln, Steinpilze, Blüten und Waldbeeren werden je nach Jahreszeit in der Umgebung gesammelt. Grundsätzlichgibt es an der «Table d’Hôtes» Viergänger. Zum Beispiel: Eine cremige Brennnesselsuppe macht den Auftakt. Danach werden Crespelle mit Rucola-Walnuss-Füllung serviert, es folgen Lammkoteletts mit Bratkartoffeln und Spargeln. Zum Dessert gibt es frische Erdbeeren mit Pernod und Pfeffer. Die Weinkarte besteht aus eher, unbekannten Trouvaillen aus Frankreich, Italien und Spanien. Der Hype um exklusive Labels lässt die Zimis kalt. Bei ihnen wird getrunken, was gut schmeckt und zum Essen passt Die mediterran inspirierte Lebensqualität, die Arlette und Pierre Zimmermann ihren Gästen zuteil werden lassen macht "Zimi’s" zu einem einzigartigen Lokal. Das führt dazu, dass so mancher Gast die Idylle im Zürcher Oberland gar nicht verlassen will. Im benachbarten Bauernhaus gibt es Übernachtungsmöglichkeiten mit Frühstück inklusive. Karolina Dankow Zimi’s Table d’Hôtes Tel. 052 38547 30 www.zimis.info

Salz&Pfeffer vom April/Mai 2007 Seite 50/51/59

..... Wir ziehen also den Hut vor den Anstrengungen der Genussproduzenten aus dem Zürcher Berggebiet und ziehen nun auch langsam Leine Richtung Flachland mit seinen Ballungszentren Pfäffikon, Wetzikon, Uster und Rüti. - Nicht jedoch ohne in Wila noch eine Table d'hôtes - Adresse zu erwähnen, die fast zu schade ist, so öffentlich auszuplaudern. Aber also: Arlette und Pierre Zimmermann - in den 90er-Jahren bekannt von «Zimi's Bistro» in der Sonne Weisslingen - führen nun in ihren eigenen wunderschön renovierten Wänden mit idyllischem Garten ein kleines Gastroparadies namens „Zimi's Table d'hôtes“. Ausgesprochen gastfreundlich und persönlich: Der Gast bestimmt Öffnungszeit und Menu (mindestens zwei Werktage im voraus). Der Homepage-Besuch gibt bereits einen genussvollen Vorgeschmack. Aber urteilen Sie selbst: wwww.zimis.info Simon Bühler, Chefredaktor Salz&Pfeffer

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Zürcher Oberländer vom 31. Januar 2006

Annabelle vom 14. September 2005 16/05

MEDITERRANE ÜBERRASCHUNGEN W I L A / Z H Bei Zimi‘s Table d‘hôtes im Zürcher Oberland reserviert man im Vorim über hundertjährigen Bauernhaus Platz nehmen. Hier serviert das Ehepaar Arlette und Pierre Zimmermann, genanntÜberraschungsmenü. Etwa ein Carpaccio di zucchini oder einen sDas Fleisch dazu kommt vom Bauernhof der Nachbarsfamilie. Zimi’s Table d’hôtes Im Schuppis 8492 Wila Tel. 052 385 47 30

aus - erst dann kann man an der Gästetafel

die Zimis, seinen Gästen ein mediterranes aftigen Lammgigot à la provençale.