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Mit Facebook und Co. auf Erasmus Eine sozialwissenschaftliche Studie über die Nutzung von Social-Software während des Erasmus-Studienaufenthaltes MASTER-THESIS zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA) Universitätslehrgang „eEducation” Eingereicht am 3. März 2011 Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien Donau-Universität Krems von Heiko Vogl Krems, März 2011 Betreuer: Mag. Klaus Himpsl-Gutermann, MSc eEducation3

Mit Facebook und Co. auf Erasmus

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KurzzusammenfassungDie vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Nutzung des Internets und von Social-Software durchStudierende der Pädagogischen Hochschule Steiermark während ihres Erasmus-Auslandsaufenthaltes. In der qualitativen Untersuchung, in welcher das Nutzerverhalten von sechsErasmus-Outgoings der Pädagogische Hochschule Steiermark des Studienjahres 2009/2010 im Stil der„Grounded Theory“ ausgewertet wurde, konnte für die Nutzung ein theoretisches Vier-Phasen-Modellentwickelt werden: In der Phase 0 (prämobile Phase) wird das Internet zur Informationsbeschaffungund Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt genutzt. Die Pflege der sozialen Beziehungen in dasHeimatland steht im Zentrum der Phase 1 (oder mobile Phase 1). In der zweiten Phase (mobile Phase 2)widmen sich die Outgoings dem Aufbau von sozialen Beziehungen im Gastland und dem Beitritt zurlokalen Erasmus-Community (Peergroup). Die postmobile Phase (Phase 3) wird zum Ausbau und zurPflege der sozialen Beziehungen zur Erasmus-Community nach der Mobilität genützt, sie kann auchzum Abbruch der Kontakte zur Erasmus-Community führen.AbstractThis thesis examines how Erasmus students from the University of Teacher Education Styria use theinternet and social software during their Erasmus semester. This qualitative study, based on "GroundedTheory", analyzes the individual user behaviour of six Outgoing Erasmus Students in the academic year2009/2010. A theoretical four-phase model was developed to show their use of the internet and ofsocial software while staying abroad. In phase 0 (pre-mobile phase), they use the internet to collectinformation and to prepare for the stay abroad. In phase 1 (mobile phase 1), they use it to maintainsocial relationships in their home country. In phase 2 (mobile phase 2), they form new socialrelationships in the host country and join the local Erasmus community (peer group). The post-mobilephase (phase 3) is used for developing and maintaining social relationships within the Erasmuscommunity, or even ending them, after returning home.

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Mit Facebook und Co. auf Erasmus

Eine sozialwissenschaftliche Studie

über die Nutzung von Social-Software während des Erasmus-Studienaufenthaltes

MASTER-THESIS

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts (MA)

Universitätslehrgang „eEducation”

Eingereicht am 3. März 2011

Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien

Donau-Universität Krems

von

Heiko Vogl

Krems, März 2011

Betreuer: Mag. Klaus Himpsl-Gutermann, MSc

eEducation3

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Kurzzusammenfassung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Nutzung des Internets und von Social-Software durch

Studierende der Pädagogischen Hochschule Steiermark während ihres Erasmus-

Auslandsaufenthaltes. In der qualitativen Untersuchung, in welcher das Nutzerverhalten von sechs

Erasmus-Outgoings der Pädagogische Hochschule Steiermark des Studienjahres 2009/2010 im Stil der

„Grounded Theory“ ausgewertet wurde, konnte für die Nutzung ein theoretisches Vier-Phasen-Modell

entwickelt werden: In der Phase 0 (prämobile Phase) wird das Internet zur Informationsbeschaffung

und Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt genutzt. Die Pflege der sozialen Beziehungen in das

Heimatland steht im Zentrum der Phase 1 (oder mobile Phase 1). In der zweiten Phase (mobile Phase 2)

widmen sich die Outgoings dem Aufbau von sozialen Beziehungen im Gastland und dem Beitritt zur

lokalen Erasmus-Community (Peergroup). Die postmobile Phase (Phase 3) wird zum Ausbau und zur

Pflege der sozialen Beziehungen zur Erasmus-Community nach der Mobilität genützt, sie kann auch

zum Abbruch der Kontakte zur Erasmus-Community führen.

Abstract

This thesis examines how Erasmus students from the University of Teacher Education Styria use the

internet and social software during their Erasmus semester. This qualitative study, based on "Grounded

Theory", analyzes the individual user behaviour of six Outgoing Erasmus Students in the academic year

2009/2010. A theoretical four-phase model was developed to show their use of the internet and of

social software while staying abroad. In phase 0 (pre-mobile phase), they use the internet to collect

information and to prepare for the stay abroad. In phase 1 (mobile phase 1), they use it to maintain

social relationships in their home country. In phase 2 (mobile phase 2), they form new social

relationships in the host country and join the local Erasmus community (peer group). The post-mobile

phase (phase 3) is used for developing and maintaining social relationships within the Erasmus

community, or even ending them, after returning home.

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informelle Kommunikation in Social-Online-Netzwerken unterstützt wurde, zeigen auch die

Möglichkeiten von Social-Software auf makrosoziologische Ebene auf.

Für Klobas & Beesley (2006) ist Social-Software hingen ein Überbegriff für eine Softwaregruppe von

Werkzeugen, die die Zusammenarbeit von Menschen und den Beitritt zu Online-Communities

ermöglicht. Diese Werkzeuge können verschiedenartige Formen von Kommunikation ermöglichen. Sie

unterscheiden dabei zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation sowie der Anzahl der

Sender und Empfängerin in:

• synchrone 1-1-Kommunikation (zum Beispiel Instant Messaging),

• synchrone 1-n-Kommunikation (zum Beispiel Skypecasts),

• asynchrone 1-n-Kommunikation (Blogs),

• asynchrone n-m-Kommunikation (zum Beispiel Wikis) und

• asynchrone n-1-Kommunikation (zum Beispiel RSS-Feed-Aggregatoren).

Auffallend in dieser Unterteilung ist das Fehlen einer 1-1-asynchroner Kommunikation. Wird ein Online-

Social-Network wie Facebook bezüglich der Definition Klobas & Beesley betrachtet, so stehen

folgende Arten von Kommunikation zur Verfügung. Sowohl die asynchrone 1-n-Kommunikation,

asynchrone n-m-Kommunikation wie auch die und asynchrone n-1-Kommunikation sind durch

„Postings“ auf das persönliche Profil oder auf Profile von Freunden möglich. Wird die Facebook-

Nachrichtenfunktion betrachtet, so zeigt sich, dass es sich hier aber um eine 1-1-asynchrone

Kommunikation ähnlich der E-Mail, aber eingebettet in ein Online-Community, handelt. Die Social-

Software-Definition von Klobas & Beesley (2006) kann daher in diesem Bereich als unscharf

bezeichnet werden. Eine auf drei Zieldimensionen aufbauende Unterscheidung von Social-Software

schlägt Hippner (2006) vor. Sein Klassifikationschema unterscheidet zwischen Information, Beziehung

und Kommunikation. Richter und Koch (2009) ordnen Beziehung dem Begriff Kommunikation untern und

fügen dafür die Zieldimension Identitäts- und Netzwerkmanagement hinzu. Damit lauten hier die

Zieldimensionen Informationsmanagement, Identitäts- und Netzwerkmanagement sowie

Kommunikation. Die unterschiedlichen Klassifikationen und Unterscheidungen zeigen, dass die

Zuordnung von Software zu Social-Software auf Grund der unterschiedlichen Definitionen sich als

schwierig gestaltet (vgl. Hippner 2006).

Zusammenfassend kann Social-Software als internetbasiertes Werkzeug bezeichnet werden, welches

das Sozialkapital des Users verändert.

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4 Sozialkapital

Das folgende Kapitel behandelt die Auswirkungen von Sozial-Software auf das Sozialkapital und

beginnt mit einem Überblick über unterschiedliche Definitionen und Formen des Sozialkapitals.

Soziale Kontakte und Interaktionen mit anderen Personen sind elementare Teile des menschlichen

Seins und bestimmen den Lebensverlauf einer Person. Dahrendorf (2010) beschreibt den Menschen als

„homo sociologicus“ und streicht damit seine zentrale Rolle als soziales Wesen heraus. Die sozialen

Beziehungen zwischen den Menschen können sehr unterschiedlich gelagert sein. In der Mikro-Ebene

werden familiäre Beziehungen durch die Geburt in ein verwandtschaftliches System festgelegt, die

Meso-Ebene behandelt Organisationen und Verbände sowie deren Funktionsweise und die Marko-

Ebene die Gesamtgesellschaft. Auch nach der Intensität von Beziehungen kann zwischen engen und

weiteren Freundschaften unterschieden werden. Noch geringer ist der Bindungsgrad unter Bekannten,

die oft nur auf gleiche Interessen, das gleiche Studium oder denselben Wohnort begründet werden.

Soziale Kontakte von Erasmus-Studierenden betreffen sehr viele dieser Bereiche. Während der

Mobilität entsteht zwischen ihnen und dem sozialen Konstrukt der Familie und der Freunde eine große

räumliche Distanz, welche die Pflege dieser Beziehungen erschwert. Um erfolgreich im Ausland zu

studieren, ist es für sie notwendig, sich in neue Organisationen einzubinden. An der Gastuniversität

herrschen andere soziale Regeln und Normen, die teilweise sogar im Widerspruch zum den gültigen

sozialen Rahme der Heimatinstitution stehen. Wird zum Beispiel in Graz ein großes Augenmerk auf die

Pünktlichkeit der Studierenden gelegt, so kommen in Barcelona auch Professorinnen und Professoren

zu spät zu den Lehrveranstaltungen. Für die Anrede von österreichischen Lehrenden wird das höfliche

Sie verwendet, in den Niederlanden werden Studierende mit einem vertrauten Du begrüßt.

Neben den oben beschriebenen unterschiedlichen Arten von Beziehungen gibt es zwei grundsätzliche

Ansätze, wie der Aufbau von Freundschaften und Beziehungen untersucht werden kann. Der Ansatz

der sozialen Bedürfnisse („social needs“) geht davon aus, dass Menschen Beziehungen bilden, um

den Bedarf von Intimität, Selbstwertschätzung und Gesellschaft zu erfüllen (vgl. Buhrmester 1998). In

der Studie über die Charakteristik von engen Online-Beziehungen zwischen 10- und 17-jährigen

Jugendlichen zeigt sich dies besonders ausgeprägt bei 14- bis 17-jährigen Mädchen (vgl. Badura u. a.

2008). Der Ansatz der sozialen Kompensation („social compensation“) beschreibt weiter fördernde

Faktoren bezüglich des Aufbaues von Freundschaften und Beziehungen. Besonders Konflikte im

sozialen Umfeld der Familie sind dabei förderlich (vlg. Mesch & Talmud 2006). Die Kontaktaufnahme

und Pflege der Beziehungen erfolgt dabei ohne direkte Kontrolle der Familienangehörigen. Bei

weiblichen Jugendlichen sind dabei besonders Konflikte mit den Eltern förderlich, bei männlichen

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Jugendlichen erweist sich dabei eine geringe Kommunikation mit den Eltern als besonders förderlich

(vlg. Wolak, Mitchell & Finkelhor 2003). Bei einem Erasmusstudierendenaufenthalt können sowohl die

sozialen Bedürfnisse als auch die soziale Kompensation als Begründung für den Aufbau von

Freundschaften und Beziehungen stehen – besonders am Beginn des Auslandsaufenthaltes. Durch

den Wegfall des direkten Kontaktes zur Familie und zu Freuden an der Heimatinstitution und im

Heimatort entsteht ein neuer Bedarf an Intimität, Selbstwertschätzung und Gesellschaft, der durch

Social-Software gedeckt werden kann. Im Bereich der sozialen Kompensation kann nicht die Familie

als Ursprung des Neuaufbaues angesehen werden, vielmehr werden durch die kulturelle Veränderung

eher Kulturkonflikten als Ausgangspunkt gesehen.

Durch den Aufbau von neuen Freundschaften und Beziehungen sowie durch die die räumliche

Trennung von bestehenden Freunden und der Familie verändert sich während des

Auslandsaufenthaltes das Sozialkapital der Studierenden sehr stark.

Der Begriff Sozialkapital wird in der Literatur für mehrere unterschiedliche Konzepte verwendet. Je

nach unterschiedlicher sozialwissenschaftlicher Disziplin wie der Politikwissenschaft, den

Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie wird dieser Begriff unterschiedlich verwendet. In der

Soziologie wird das Sozialkapital als Ressourcen bezeichnet, welche der Akteur nicht selbst besitzt,

sondern über die er verfügen kann aufgrund eines Netzwerkes bzw. aufgrund von Beziehungen (vgl.

Bourdieu 1983). Sozialkapital kann dabei als Wert für soziale Beziehungen gesehen werden.

Voraussetzung dafür ist, dass dieses Beziehungsnetzwerk zuerst aufgebaut und danach gepflegt

werden muss. Lin (1999) hebt den Vorteil von solchen Beziehungen hervor. Von Investitionen einzelner

Personen in ein solches Netzwerk profitiert das gesamte Netzwerk. Aber auch die Einzelpersonen

erwarten für solche Investitionen Vorteile und Gewinn. Robert Putnam (1995) beschreibt das

Sozialkapitel durch seine unterschiedlichen Merkmalen auf makrosozialogischer Ebene. Er spricht

dabei von Netzwerken, Normen und Vertrauen, von denen das Individuum und die Gesellschaft an sich

profitieren. Es steht dabei der wechselseitige Nutzen von Sozialkapital im Zentrum seiner Betrachtung.

Netzwerktheoretiker/innen wie Nan Lin sehen im Gegensatz zu Putnam das Sozialkapital nicht auf der

makrosozialogischen Ebene angesiedelt (vgl. Koob 2007). Sie sieht Sozialkapital als Ressource, welche

in soziale Strukturen eingebettet ist. Die Inanspruchnahme solcher sozialer Strukturen beinhaltet nach

Lin drei Elemente: die Einbettung, die Erreichbarkeit und die Verwendbarkeit dieser Strukturen. In

Anlehnung an Bourdieu heben hingegen Franzen/Pointner (2007) besonders die netzwerkbasierte

Dimension von Sozialkapital hervor.

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Problematisch dabei ist der Abruf auf dieses im Netzwerk vorhandene Kapital. Erfolgt der Zugriff auf

Sach-, Finanz- oder auch Humankapital direkt, so ist dies beim Sozialkapital nicht so eindeutig, da der

Zugriff auf Sach-, Finanz- oder auch Humankapital ein Zugriff auf private Ressourcen des jeweiligen

Individuums ist. Der Zugriff auf Werte des Sozialkapitals ist ein Zugriff auf Ressourcen von anderen

Personen, die Verfügbarkeit hängt dabei nicht nur vom Individuum ab. Wird zum Beispiel eine

Freundin/ein Freund um Hilfe bei der Jobsuche gebeten, hängt dies nicht nur von der Bittstellerin/vom

Bittsteller, sondern auch von der Empfängerin/vom Empfänger der Bitte ab. Es zeigt sich daher, dass

Sozialkapital kein privates Gut wie Human- oder Sachkapital ist, aber auch kein öffentliches Gut,

welches von Personen automatisch genutzt werden kann. Das Sozialkapital liegt daher zwischen den

Ebenen von Individuum und öffentlichem Gut wie Institutionen (vgl. Brauer 2005). Ähnlich

argumentieren Franzen/Pointner (2007), sie bezeichnen Sozialkapital als semi-privates Gut. Jansen

bezeichnet Sozialkapital als Zwitterstellung zwischen Individuen und Sozialstruktur von und als

Konzept, welches den Spalt zwischen Mikro- und Makro-Ebene schließt (vgl. Jansen 2006). Es erlaubt

daher auch Interaktionsstrukturen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene zu

analysieren. Eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Definitionen und Auslegungen von

Sozialkapital schaffen Franzen/Pointner durch die Aufspaltung ihrer Definition in drei Dimensionen von

Sozialkapital. Die erste Dimension beschreibt die netzwerkbasierten Ressourcen von Sozialkapital, die

zweite Dimension die Vertrauensstellung (generalisiertes Vertrauen) und die dritte Dimension die

Normen und Werte.

„Als Sozialkapital werden erstens die Ressourcen aufgefasst, auf die ein Individuum aufgrund

seiner Zugehörigkeit zu verschiedenen Netzwerken potenziell zugreifen kann. Zweitens wird

unter dem Begriff auch das generalisierte Vertrauen in Personen und Institutionen verstanden.

Drittens schließlich wird der Begriff „Sozialkapital“ auch verwendet, wenn von allgemeinen

Normen, wie der Fairness- oder der Reziprozitätsnorm, gesprochen wird.“ (Franzen & Pointner

2007, S. 6)

4.1 Formen des Sozialkapitals

Ähnlich unterschiedlich wie die Definitionen von Sozialkapital sind auch die unterschiedlichen Formen

von Sozialkapital in der Literatur ausgearbeitet. Aus der Definition von Sozialkapital, welche besonders

die Vorteile der Beziehung hervorhebt, hat Lin (1999) instrumentelle und expressive Aspekte des

Sozialkapitals abgeleitet. Als instrumentelle Aspekte werden jene Aspekte bezeichnet, welche den

Vorteil des Individuums durch den Zugriff auf Ressourcen der Gemeinschaft erhält. Beispielsweise

können Studierende gratis Bücher in den Studienbibliotheken der Universitäten und Hochschule

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ausleihen. Jene Vorteile, die alleine durch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft entstehen, werden

als expressive Aspekte charakterisiert. Erasmus-Studierende erhalten zum Beispiel durch

Mitgliedschaft beim Erasmus Students Network (ESN) zahlreiche Vergünstigungen wie vergünstigte

Eintritte in Museen und Lokale, günstigere Kontoführungsgebühren bei Banken oder Gratis-SIM-Karten

bei Telefongesellschaften. Lins Unterteilung in instrumentelle und expressive Aspekte des

Sozialkapitals bezieht sich aber lediglich auf die Dimensionen der netzwerkbasierten Ressourcen von

Sozialkapital, der Vertrauensstellung. Die Dimension der Werte und Normen wird durch diesen dualen

Aspekte nicht berücksichtig. Diese Dimension wird bei Robert Putnams Unterteilung berücksichtigt. Er

unterscheidet Netzwerke, die auf Normen und Vertrauen beruhen und unterteilt diese in drei Formen.

Sozialkapital wird nicht wie bei Lin nach Werten und Ressourcen unterteilt, sondern auf drei

unterschiedliche Beziehungsformen zurückgeführt (vgl. Putnam, Leonardi & Nanetti 1994). Es wird

zwischen horizontalen und vertikalen Beziehungen, formellen und informellen Beziehungen sowie

starken und schwachen Beziehungen unterschieden. Horizontale Beziehungen beschreiben

Beziehungen von Personen mit ähnlichem Status und ähnlicher Macht. Vertikale Beziehungen

beschreiben die Beziehungen von Personen mit unterschiedlichem Status und unterschiedlichen

Machtverhältnissen. Umgelegt auf Erasmus-Studierenden kann man die Beziehungen unter den

Outgoings als horizontale Beziehung bezeichnen. Durch die Unterzeichnung des Erasmusvertrages

durch die Studierenden wird der Status als Erasmus-Studierende zuerkannt, jeder hat die gleichen

Rechte und Pflichten, die in der Erasmus-Studierenden-Charta festgelegt sind (vgl. Nationalagentur

Lebenslanges Lernen 2009). Gleichzeitig manifestiert die Erasmus-Studierenden-Charta auch die

vertikale Beziehung der Erasmus-Studierenden mit der entsprechenden Nationalagentur des

jeweiligen Landes. Nach Putnam (1994) kann eine vertrauensbildende und kooperationsfördernde

Wirkung nur durch Beziehungen in horizontalen Netzwerken entstehen. In vertikalen Beziehungen wird

dies durch Verträge wie dem Erasmusvertrag geregelt. Gegenüber den horizontalen und vertikalen

Beziehungen beschreiben formelle und informelle Beziehungen unterschiedliche Organisationsformen.

Als formelle Beziehungen werden jene Beziehungen bezeichnet, die im Rahmen von Organisationen

institutionalisiert sind. Diese Beziehungen können durch Regeln und Normen festgelegt und

beispielsweise durch ein Organigramm dargestellt werden. Informelle Beziehungen werden nicht

durch äußere Vorgaben festgelegt, sondern entstehen zwischen Individuen. Eine besondere Rolle bei

Social-Software spielt die dritte Form von Sozialkapital. Putnam betrachtet dabei den

unterschiedlichen emotionalen Bindungsgrad zwischen den Individuen und bezeichnet diese als starke

beziehungsweise schwache Beziehungen. Die Stärke einer Beziehung wird dabei als eine Kombination

von Zeit, emotionaler Intensität, Intimität und wechselseitigen Dienstleitungen betrachtet. Starke

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Beziehungen („strong ties“) bestehen hauptsächlich zwischen engen Freunden und engen

Verwandten, schwache Beziehungen („weak ties“) bestehen zwischen oberflächlich Bekannten (vgl.

Kriesi 2007). Nach Granovetter (1973) nimmt mit der Stärke der Beziehung von zwei Personen auch der

Anteil der gemeinsamen Beziehungen zu. Zum Beispiel hat ein lange verheiratetes Ehepaar

hauptsächlich Beziehungen zur gleichen Personengruppe. Kennt sich ein Paar erst kurz, so haben sie

Beziehungen zu sehr unterschiedlichen Personenkreisen. Gibt es in einer Gemeinschaft viele starke

Bindungen zwischen den Mitgliedern, kann es zu einer sozialen Schließung im sozialen Netzwerk

kommen. Daraus wird abgeleitet, dass der Informationstransfer zwischen Personen mit starken

Bindungen geringer ist als zwischen Personen mit schwachen Bindungen. Zwischen Personen mit

schwachen Bindungen besteht ein unterschiedlicher Informationsstand (vgl. Granovetter 1973).

Individuen mit schwachen Bindungen helfen daher Informationsdefizit zwischen verschiedenen

sozialen Gemeinschaften zu überbrücken („bridging“). Putnam entwickelte aufbauend auf

Granovetters Idee das Modell von brückenschlagenden („bridging“) und bindenden („bonding“)

Formen des Sozialkapitals (vgl. Putnam 1995). In einer Studie zur Arbeitsplatzsuche unter

Berücksichtigung von starken und schwachen Beziehungen hat sich gezeigt, dass besonders

schwache Beziehungen eine größeren Informationsgewinn bei der Jobsuche bieten (vgl. Granovetter

1995). Personen mit starken Beziehungen haben meist denselben Informationsstand. Geht es darum,

die freie Stelle zu bekommen, so sind Personen mit starken Bindungen von Vorteil. Nur sie haben das

notwendige Vertrauen untereinander, um die Jobsuchen auch weiterzuempfehlen. Jansen (2006)

konnte zeigen, dass sich die Ergebnisse der Arbeitsplatzsuche auch auf andere Bereiche übertragen

lassen. Er zeigt auch, dass Netzwerke mit starken Bindungen nicht beliebig wachsen können, da sie

sehr viel Zeit und Aufmerksamkeit verlangen – die Beziehungskapazität der einzelnen Akteure ist

begrenzt. Große und differenzierte Gesellschaften sind auf schwache Beziehungen angewiesen, nur

durch sie werden neue Information und Normen vermittelt. Sie sind notwendig für alle Mobilitäts-,

Modernisierungs-, Innovations- und Diffusionsprozesse einer Gesellschaft (vgl. Jansen 2006).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das brückenschlagende Sozialkapital aus

schwachen losen Beziehungen („weak ties“) besteht. Hier steht der Gewinn von Informationen im

Mittelpunkt des Netzwerkes. Emotionale Unterstützung wird von starken Beziehungen („strong ties“)

zu engen Freunden oder zur Familie erwartet.

Eine weitere Form des Sozialkapitals wird durch die zunehmende Mobilisierung der Gesellschaft

notwendig. Diese Form wird als aufrechterhaltendes Sozialkapital („maintained social capital“)

bezeichnet, welche es erlaubt, mit ehemaligen Gemeinschaften in Kontakt zu bleiben. In einer

Langzeitstudie über Sozialkapital, Selbstwertgefühl und die Nutzung von Online-Social-Network Sites

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zeigte sich, dass zum Beispiel nach dem Wechsel des Wohnortes Online-Social-Networks wie

Facebook oder Friendster die Aufrechterhaltung und Pflege zur Personen des früheren Wohnwortes

ein wichtiges Nutzungsmotiv dieser Systeme ist (vgl. Steinfield, Ellison & Lampe 2008). Diese Form des

Sozialkapitals trifft bei Erasmus-Studierenden in zwei Bereichen zu. Am Beginn des Auslandsstudiums

erlaubt es dem aufrechterhaltenden Sozialkapital die Beziehungen zur ehemaligen Gemeinschaft im

Heimatort und zur Heimathochschule zu pflegen. Nach dem Ende des Auslandsstudiums wird der

Kontakt zur ehemaligen Gemeinschaft an der Gastinstitution aufrechterhalten. Die Pflege und

Aufrechterhaltung von Bindungen zur ehemaligen Gemeinschaft wird dabei hauptsächlich durch die

Verwendung Social-Software unterstützt (vgl. Steinfield, Ellison & Lampe 2008).

4.2 Social-Software und Sozialkapital

Wie beeinflusst Social-Software nun die verschieden Formen von Sozialkapital? Social-Software im

Allgemeinen und Online Social Networks wie Facebook im Speziellen ermöglichen die Pflege

schwacher und starker Bindungen und damit den Aufbau und den Ausbau von Sozialkapital. Mit

unterschiedlichen Werkzeugen können Beziehungen zu unterschiedlichen Gemeinschaften gebildet

und gepflegt werden. Auch der Austausch von Hilfeleistungen hat sich durch Social-Software

verändert und erweitert. Social-Software ermöglicht es, diese Hilfeleistung und Beziehungen orts- und

zeitunabhängig zu erhalten. Für Kneidinger (2010) erleichtern Online-Social-Networks den Aufbau und

die Pflege von Sozialkapital. Sie fasst diese in drei große Bereiche zusammen. Erstens bieten diese

Tools neue und bequeme Möglichkeiten für den Kontaktaufbau und die Kontaktpflege. Sie sind

ortsunabhängig, da sie sowohl vom Computer wie auch von Smartphones genutzt werden können. Je

nach Kontakt kann der Kanal der Kommunikation unterschiedlich genutzt werden. Facebook bietet

beispielsweise mehrere unterschiedliche Möglichkeiten der Kommunikation. So kann zum Beispiel

über den Chat synchron mit einzelnen Kontakten kommuniziert werden. Eine asynchrone 1-1-

Kommunikation ist über die Nachrichtenfunktion und das „Anstupsen“ möglich. Postings an die eigene

oder an die Pinwand von Freunden kann als n-m-Kommunikation eingestuft werden. Der zweite

Bereich in Kneidingers Unterteilung betrifft das Teilen von Vorlieben und von Aktivitäten. Auf diese

Weise wird die Kommunikation mit Personen ermöglicht, die über klassische Kommunikationsformen

kaum kontaktiert worden wären. In Facebook sind diese mittels Fanpages und Gruppen implementiert.

Die Universität Orebro beispielsweise richtet Facebookgruppen für Erasmus-Incomings und ihren

„Buddies“ bereits vor der Mobilität ein, um den Erstkontakt herzustellen. Als dritten und letzen Bereich

fasst Kneidingers die Förderung von Offline-Kontakten durch Online-Social-Networks zusammen. Die

Offline-Kontaktaufnahme im realen Leben wird durch das Zur-Verfügung-Stellen von

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Kontaktinformationen wie Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Arbeitgeber oder Wohnortdaten im Online-

Profil begünstigt. Facebook versucht mit den Profilangaben „hat hier studiert“ und „wohnt in“ die

Bildung von aufrechterhaltendem Sozialkapital („maintained social capital“) zu unterstützen.

Besonders der Aufbau von schwachen Bindungen („weak ties“) wird durch Social-Software

unterstützt (vgl. Schmidt & Nurcan 2009). Erst durch den Einsatz von Social-Software ist es überhaupt

erst möglich, große Netzwerke mit schwachen Bindungen aufzubauen und zu pflegen (vgl. Teten &

Allen 2005). Beispielsweise hatten alle Erasmus-Studierenden der vorliegenden Studie mehr als 300

Facebook-Kontakte. Teten und Allen (2005) zeigten in sieben Punkten, welche Vorteile Social-Software

beim Aufbau von Netzwerken und Sozialkapital hat und wie sie die Größe von sozialen Netzwerken

positiv beeinflusst:

• Die Persönlichkeit des Einzelnen wird sichtbarer und mehr Personen können diese

Persönlichkeit kennen lernen.

• Der/die Einzelne wird kompetenter, da er/sie Zugang zum kollektiven Wissen des Netzwerks

erhält.

• Es können Beziehungen zu wichtigen Personen aufgebaut werden, welche Unterstützung bei

der Zielerreichung geben können. In Online-Netzwerken sind diese Personen sichtbarer und

leichter erreichbar.

• Durch die Bindung kann die höhere Frequenz bei der Kommunikation gestärkt werden.

• Informationen zum eigenen Netzwerk können leichter geteilt werden.

• Die Anzahl der Beziehungen kann erhöht werden.

• Es kann ein sehr vielfältiges Netzwerk aufgebaut werden.

Gerhards et.al. (2008) untersuchten in ihrer Studie, welche Personen Social-Software verwenden und

damit ihr Sozialkapital verändern. Es wurde versucht, Nutzertypologien zu entwickeln, welche sich im

Bereich des Gestaltungsgrades beziehungsweise im Kommunikationsgrad unterscheiden. Der

Gestaltungsgrad pendelt dabei zwischen den Bereichen Konsumentin/Konsument von Contents und

den Produzentin/Produzent von Contents. Gerhards et.al. bezeichnen diese beiden Positionen als rein

betrachtende Nutzung des Internets beziehungsweise als gestaltende Nutzung des Internets (vgl.

Gerhards, Klinger & Trump 2008). Der Kommunikationsgrad wird durch die Möglichkeiten von

individueller und öffentlicher Kommunikation determiniert. Als Beispiel für individuelle Kommunikation

wird das Schreiben von E-Mails, als Beispiel für öffentliche Kommunikation das Schreiben von Blogs

genannt. Durch die Auswertung von Expertinnen-/Experteninterviews und Fokusgruppen wurden acht

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unterschiedliche Typologien von Web 2.0 Nutzer/innen entwickelt, die sich in den Bereichen

individuelle beziehungsweise öffentliche Kommunikation und aktive beziehungsweise passive

Partizipation unterscheiden (vgl. Gerhards, Klinger & Trump 2008):

• Als Produzentinnen/Produzenten werden Nutzerinnen/Nutzer bezeichnet, die das Internet

hauptsächlich zur Verbreitung der eigenen Werke nutzen. Auch Kommunikation und

Vernetzung dienen nur diesem Ziel.

• Selbstdarstellerinnen/Selbstdarsteller sind Userinnen/User, die ähnlich wie

Produzentinnen/Produzenten das Web hauptsächlich zur Veröffentlichung von Inhalten

benutzen. Im Mittelpunkt dieser Veröffentlichungen stehen aber nicht Produkte, sondern die

Person an sich.

• Zur Kommunikation über besondere Interessen wie Hobbys nutzen spezifisch Interessierte das

Internet. Neben der Kommunikation wird dabei auch die Möglichkeit der Mitgestaltung genutzt.

• Hauptnutzerinnen/Hauptnutzer von Social-Networking-Sites sind

„Netzwerkerinnen/Netzwerker“. Sie nutzen dieses System zum Aufbau und zur Pflege von

Kontakten.

• Sowohl für die Selbstdarstellung als auch, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen

oder zu bleiben, nutzen profilierte Nutzerinnen/Nutzer das Web. Häufig kommen dabei Blogs

zur Anwendung.

• Kommunikatorinnen/Kommunikatoren versuchen im Web 2.0 hauptsächlich bestimmte Themen

auszutauschen. Sie beteiligen sich häufig mit Kommentaren an öffentlichen Diskussionen.

Andere Menschen kennen zu lernen und Inhalte zu veröffentlichen, ist nicht das primäre Ziel.

• Weder gestaltend noch kommunikativ nutzen Infosuchende das Internet.

• Der Aspekt der Unterhaltung steht bei Unterhaltungssuchenden im Mittelpunkt.

Im Social-Software-Teilbereich Weblogs gibt es weitere Versuche der Typisierung. Auf

unterschiedliche Beziehungs- und Kontaktformen aufbauend, wurden drei Nutzertypen entwickelt (vgl.

Krauss 2008).Die privaten „Netzwerkerinnen/Netzwerker“ nutzen Weblogs, um existierende

Beziehungen zu stärken und zu erhalten. Inhalte werden durch gleiche Interessen bestimmt. Neue

Kontakte können als themenorientierte Kontakte bezeichnet werden, es entstehen dabei nur schwache

Bindungen („weak ties“). Professionelle „Netzwerkerinnen/Netzwerker“ nutzen Weblogs, um an

spezifische, oft berufsfeldbezogenen Informationen zu gelangen. Die dabei entstehenden virtuellen

Beziehungen sind dauerhaft, verbindlich und bilateral, sie sind aber nicht als starke Bindungen

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(„strong ties“) ausgeformt. Spezialisierte „Netzwerkerinnen/Netzwerker“ nutzen einerseits lose

virtuelle Kontakte, um einen Zugriff auf unterschiedliche Informationen zu haben. Zusätzlich werden

gezielt Kontakte zu Kolleginnen/Kollegen aufgebaut, die für die berufliche Zusammenarbeit genutzt

werden. Die von Krauss für Weblogs entwickelten Typologien können auch auf weitere Bereiche der

Social-Software übertragen werden. Ähnliches gilt auch für die Typologisierung von

„Podcasterinnen/Podcaster“ durch Mocigemba. In dieser Studie wurden 17

„Podcasterinnen/Podcaster“ untersucht und anhand der Dimension Sendemotivation,

Qualitätsanspruch und Interaktion in folgende sechs Typen unterteilt: Explorer, Personality Prototyper,

Journalist & ThemenCaster, Rebell, Social Capitalist und Social Gambler. Die Sendemotive und

Qualitätsansprüche von Explorer sind technologisch begründet. Inhalt und Format der Sendung

entwickeln sich im Prozess des Sendens. Die Interaktion mit Hörerinnen/Hörern ist eher zufällig. Die in

der Interaktion mit anderen „Podcasterinnen/Podcastern“ wird mit der technischen Hilfestellung

begründet. Personality Prototyper sind mit Gerhards et.al. (2008)

Selbstdarstellerinnen/Selbstdarstellern vergleichbar. Ein eigener Stil, Authentizität sowie gute

Aufnahme- und Tonqualität bezeichnen den Qualitätsanspruch. Aus der Interaktion mir

Hörerinnen/Hörern wird auf die Qualität des Podcast geschlossen. Starke Themenorientierung und

Nützlichkeit der präsentierten Information zeichnen die Journalist & ThemenCaster aus. Die Interaktion

mit Hörerinnen/Hörern wird als Pflicht wahrgenommen und als positiv empfunden. Der Typ Rebell

sendet politische Podcasts. Mit Hörerinnen/Hörern wird versucht, eine Allianz im Namen des Podcasts

einzugehen. Das Motiv, neue Menschen über Podcasts kennen zu lernen, ist das Motiv des Types

Social-Capitalist. Der Qualitätsanspruch wird durch attraktive und hochwertige Kommunikation

bestimmt. Durch die Interaktion mit Hörerinnen/Hörern, Gästen und anderen Podcastern werden neue

Beziehungen aufgebaut. Podcast als Feldexperiment ist das Sendemotiv für den Typen Social-Gambler,

es wird zur eigenen Unterhaltung durchgeführt. Die hauptsächlich virtuelle Interaktion erfolgt mit

Hörerinnen und Hörern.

Die meisten „Podcasterinnen/Podcaster-Typen“ ähneln den Web-2.0-Typologien wie der Themen-

Caster dem Produzenten. Einen vergleichbaren Typen für den intrinsisch motivierten Explorer gibt es

aber in der Aufstellung der Web-2.0-Typologien von Gerhards et.al. (2008) nicht, dieser Typ nimmt

daher eine Sonderstellung ein. Sowohl die Typologisierung der Web-2.0-Nutzerinnen/Nutzer (vgl.

Gerhards, Klinger & Trump 2008) als auch die der „Podcasterinnen/Podcaster“ (vgl. Mocigemba 2006)

können in die Typologisierung von Krauss (2008) eingeordnet werden. Eine Typologisierung von Social-

Software-Nutzerinnen/Nutzern sowohl in den Dimensionen (individuelle oder öffentlich)

Kommunikation, (aktiv oder passiv) Partizipation sowie auch Motivation gibt es nicht. Die Ausarbeitung

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dieser Typologie ist aber nicht Ziel der vorliegenden Studie. Um die qualitative Untersuchung zu

vereinfachen, findet hier nur die Dimension der Partizipation Beachtung. Von den oben genannten

Typologien ist davon auszugehen, dass insbesondere die „Netzwerkerinnen/Netzwerker“ und Social-

Capitalists bewusst in den Aufbau und in die Pflege von Sozialkapital investieren.

Über die Auswirkungen eines Ortswechsel, wie er bei der Erasmusmobilität auftritt, und der Nutzung

von Social-Software gibt es bis heute erst wenige Studien. Pènard und Poussing (2009) konnten in ihrer

Studie über die Stärke der virtuellen Bindungen („The Strengt of Virtual Ties“) keinen Zusammenhang

zwischen einem durch Jobwechsel erzwungenen Ortswechsel und der Bereitschaft, online in das

Sozialkapital zu investieren, zeigen. Einen schwachen Zusammenhang zwischen diesen Aspekten

konnte nur bei Paaren gezeigt werden, bei denen beide Eltern in einem anderen Land geboren wurden

– in weiteres Ergebnis dieser Studie. Es zeigte sich aber deutlich, dass bestimmte junge Generationen

mittels Social-Software ihre Sozialkapital besonders bei schwachen Bindungen („weak Ties“)

vergrößern und dadurch besseren Zugang zu mehr Informationen und unterschiedlicheren Ideen

erhalten.

Einen Zusammenhang zwischen Mobilität von Jugendlichen während des Auslandsjugendaustausches

und Online-Kommunikation konnte Ritter (2010) zeigen. Besonders in Krisensituationen griffen

Jugendliche vermehrt auf die Internetkommunikation zurück und nahmen damit Kontakt zu engen

Freunden und der Familie auf („strong ties“).

Aus den beiden letzten Studien wird geschlossen, dass Erasmus-Studierende sowohl in schwache als

auch in starke Bindungen investieren müssen. Über schwachen Bindungen können Informationen über

Studienbedingung und die soziale Situation am Studienort erfahren werden. Starke Bindungen geben

emotionalen Halt in der Situation der Veränderung. Ausgehend von der Altersstruktur der Outgoings

wird dafür hauptsächlich Social-Software genutzt werden. Welche Social-Software während der

Mobilität genutzt wird und wie diese Software genutzt wird, darüber soll der folgende empirische Teil

Aufschluss geben.