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Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung 3.2017 Elektro Feinmechanik Mit dem Fahrrad zur Arbeit Mit Helm? Aber sicher! 12 Ladungssicherung Was vor dem Warentransport zu tun ist 22 Lichtbogenunfall Wie die Sicherheitsregeln die Gesundheit schützen können 28 Lösungsworkshop Wie Beteiligung bei der Beurteilung psychischer Belastung hilſt

Mit Helm? Aber sicher! - BG ETEM...editorial Olaf Petermann Vorsitzender der Geschäftsführung Mit Vorausschau sicher im Verkehr Etwa sieben Prozent weniger Tote als im Vorjahr regis-

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Page 1: Mit Helm? Aber sicher! - BG ETEM...editorial Olaf Petermann Vorsitzender der Geschäftsführung Mit Vorausschau sicher im Verkehr Etwa sieben Prozent weniger Tote als im Vorjahr regis-

Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung 3.2017

Elektro Feinmechanik

Mit dem Fahrrad zur Arbeit

Mit Helm? Aber s icher!

12 Ladungssicherung Was vor dem Warentransport zu tun ist

22 Lichtbogenunfall Wie die Sicherheitsregeln die Gesundheit schützen können

28 Lösungsworkshop Wie Beteiligung bei der Beurteilung psychischer Belastung hilft

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editorial

Olaf Petermann Vorsitzender der Geschäftsführung

Mit Vorausschau sicher im Verkehr Etwa sieben Prozent weniger Tote als im Vorjahr regis- trierte das Statistische Bundesamt für 2016 im Verkehr auf deutschen Straßen. Auf den ersten Blick erscheint das erfreulich. Betrachtet man diese und weitere Zahlen zu den Unfallopfern jedoch genauer, sind sie immer noch erschreckend: Mehr als 3.200 Menschen ließen auf Autobahnen, Landstraßen oder im städtischen Ver-kehr ihr Leben – ganz zu schweigen von den rund 329.000 Leicht- und 67.400 Schwerverletzten.

Auch für die Berufsgenossenschaften bleiben Unfälle auf dem Arbeitsweg sowie auf Dienstfahrten eine große Herausforderung. Allein im Bereich der BG ETEM kam es im Jahr 2015 zu fast 12.700 meldepflichtigen Wegeunfäl-len. Die wichtigsten Ursachen für Unfälle mit Personen-schaden: Fehler beim Abbiegen/Wenden/Rückwärtsfah-ren, Missachtung der Vorfahrt, zu geringer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und hohe Geschwindigkeit.

Besonderes Augenmerk haben wir in dieser „etem“- Ausgabe auf Motorrad- und Fahrradfahrer gelegt. Denn immer mehr Beschäftigte fahren mit dem Zweirad zur Arbeit. Was vor allem bei Fahrradfahrern aus Gesund-heits- und Umweltschutzgründen positiv zu bewerten ist, hinterlässt in der Bilanz der BG ETEM aber auch unerfreuliche Spuren. Wir geben deshalb Tipps, was Beschäftigte und Arbeitgeber für mehr Sicherheit auf zwei Rädern tun können (S. 8-11).

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inhalt

etem 03.2017

8 Titelthema Weniger Tote, aber unverändert viele Verletzte sind im Straßenverkehr zu beklagen – vor allem Motorrad- und Fahr-radfahrer. Die BG ETEM bietet ihnen und Arbeitgebern Hilfe an.

16Offshore-

Windparks Die neue Informa- tionsschrift „Erste

Hilfe in Offshore- Windparks“ bietet

praktische Hilfen zur Bewältigung

von Notfällen.

24Altersgerechtes Arbeiten Unternehmen im Spannungsfeld zwischen zuneh-mendem Alter ihrer Beschäftigten und sich ändern-den Arbeitsanforderungen: Damit sich dies für beide Seiten positiv auswirkt, sind eine langfristige Personalplanung und ein konsequenter Gesund-heitsschutz nötig.

kompakt 4 Zahlen, Fakten, Angebote

Meldungen und Meinungen

mensch & arbeit 8 Sicherheit im Straßenverkehr

Risiko auf zwei Rädern

12 Ladungssicherung Transport mit Verantwortung

14 Sekundenschlaf Hallo? Wach?

15 Künstliche optische Strahlung Fachkenntnis im Fokus

betrieb & praxis 16 Offshore-Windparks

Erste Hilfe fern der Küste

18 Präventionspreis der BG ETEM Erfolg gegen den Dampf

19 Sicherheitsseminare für Azubis Früh gelernt hilft früh

20 Ergonomie Netzwerke Von Erfahrungen profitieren

22 Lichtbogenunfall Unter Spannung gearbeitet

gesundheit 24 Altersgerechtes Arbeiten

Mit der Zeit denken

26 Zielvereinbarungen Das richtige Maß finden

28 Lösungsworkshop psychische Belastung Mit Leichtigkeit zum Ziel

service 30 Beitragsbescheid für 2016

Vorschüsse und Nachlässe

31 Impressum

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kompakt

Neues Infoportal

Hilfe für Unternehmer

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4 etem 03.2017

Unternehmerinnen und Unternehmer finden Informationen zur Sozialversicherung auf dem neuen Informationsportal der deut-schen Sozialversicherer. Zielgruppen des neuen Angebots sind insbesondere Existenz-gründer und -gründerinnen sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU). Ihnen soll das neue Angebot helfen, sich im Meldewesen der Sozialversicherung besser zurechtzufinden. Beim Einstieg werden Nutzer nach ihren Anliegen und typischen Geschäftssituationen („Lebenslagen“) befragt. Die individuel-len Erfordernisse werden durch Ja/Nein-Fragen oder die Eingabe von Werten ermittelt. Ziel ist es, alle Anfragenden darin zu un-terstützen, ihre Meldungen zur Sozialversicherung korrekt und vollständig abzugeben. Bei weitergehendem Informationsbe-darf verweist das Portal an fachkundige Ansprechpersonen bei den Sozialversicherungsträgern.

Auch die gesetzliche Unfallversicherung ist in das Projekt einge-bunden. Betrieben wird das Portal von der Informationstechni-schen Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung GmbH (ITSG). Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt zehn Prozent der Kosten des Portals. Es ist Teil der Initiative der Bundesregierung zum „Optimierten Meldeverfahren in der so- zialen Sicherung“.

→ info www.informationsportal.de

Video erklärt Berufskrankheiten Was ist eigentlich eine Berufskrankheit? Was passiert, wenn der Verdacht auf eine Berufskrankheit besteht und wer kann einen solchen Verdacht melden? Die Ant-wort auf diese und weitere Fragen gibt ein knapp fünf-minütiges Erklärvideo der DGUV. In dem Video werden der Begriff der Berufskrankheit erklärt sowie die Voraus-setzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Erkran-kung als Berufskrankheit anerkannt werden kann. Auch das Verwaltungsverfahren von der Verdachtsanzeige bis zur Anerkennung wird beschrieben.

→ video ansehen www.bgetem.de, Webcode 99843627

„Unterwegs – aber sicher“:

Einsendeschluss rückt näher Noch bis 15. Juli 2017 können Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen ihre Lösun-gen für mehr Sicherheit auf Arbeits- und Schul-wegen oder beim innerbetrieblichen Transport einreichen. An diesem Tag ist Einsendeschluss für den Wettbewerb „Unterwegs – aber si-cher!“. Unter diesem Motto zeichnen der Ver-band für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI) und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) zum dritten Mal innovative Ideen in der betriebli-chen Verkehrssicherheit aus. Entscheidend sind Kriterien wie Nachhaltigkeit, Effizienz und Kreativität. Die Gewinnerbeiträge werden bei der A+A 2017 in Düsseldorf präsentiert. Die ersten drei Plätze erhalten Preisgelder in einer Gesamthöhe von 6.000 Euro. Außerdem wer-den zehn Fahrsicherheitstrainings verlost.

→ info http://www.vdsi-unterwegs-aber-sicher.de

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Präventionspreis 2018 Demnächst startet eine neue Runde des Präventionspreises der BG ETEM. Gesucht werden wieder Ideen, Maßnahmen und Pro-jekte, die in besonderer Weise den Arbeits- und Gesundheits-schutz voran bringen. Egal ob kleiner Betrieb oder großes Unter-nehmen, ob technische Maßnahmen an Maschinen, betriebliche Maßnahmen für den Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Organisations- und Motivationskonzepte für mehr Sicherheit oder Maßnahmen gegen Verkehrsunfälle – alle sind willkommen.

kompakt

» Wir werben mit dem Präventionspreis.«

Thomas Kaluza, Geschäftsführer der EAB – G. Sandow GmbH, Dessau

Den Siegern winken wertvolle Geld- und Sachpreise. Darüber hi-naus ist der Präventionspreis eine gute Möglichkeit, um sich vom Wettbewerb abzuheben. „Wir werben mit dem Präventions-preis“, erklärt Thomas Kaluza, Geschäftsführer der EAB – G. Sandow GmbH in Dessau und Preisträger im Jahr 2016. „Der Präventionspreis trägt dazu bei, dass wir uns als attraktiver Ar-beitgeber für den Nachwuchs darstellen können.“

→ info www.bgetem.de, Webcode: 13565755 Online-Anmeldung zum Präventionspreis 2018

Beim Betriebsfest versichert Beschäftigte sind bei einer Gemeinschaftsveranstal-tung wie etwa einer Weih-nachtsfeier auch dann un-fallversichert, wenn sich der Unfall außerhalb des Be-triebsgeländes ereignet. Entscheidend für den Versi-cherungsschutz ist, dass die Veranstaltung allen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern einer Abteilung of-

fen steht, die Abteilungsleitung an der Veranstaltung teilnimmt und die Unternehmensleitung die Veranstaltung ausdrücklich billigt. Das hat das Bundessozialgericht entschieden (Az.: B 2 U 19/14 R – Urteil vom 05.07.2016). Durch Gemeinschaftsveranstal-tungen werde das Betriebsklima gefördert und der Zusammen-halt der Beschäftigten untereinander gestärkt, urteilte das Gericht. Dies werde auch bei Feiern von Betriebsteilen erreicht.

→ info www.bsg.bund.de > Entscheidungen

Mehr tödliche Arbeitsunfälle Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist 2016 im Bereich der BG ETEM entgegen dem Bundestrend gestiegen. 33 Men-schen starben bei Arbeitsunfällen, 2015 waren es 25. Insgesamt veränderte sich die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsun-fälle mit 56.183 nur um 0,1 Prozent. Deut-licher legte die Zahl der Wegeunfälle zu. Die Statistik der BG ETEM verzeichnet für 2016 ein Plus von 2,8 Prozent auf 13.018. Dabei kamen 23 Menschen ums Leben, drei weniger als im Vorjahr. Über alle Berufsgenossenschaften und Unfallkassen hinweg stieg 2016 die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle leicht auf 876.579 (2015: 866.056). Dazu weist die Statistik der DGUV 184.854 melde-pflichtige Wegeunfälle aus, rund drei Prozent mehr als 2015 (179.181). Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ging dage-gen zurück. 2016 starben 424 Menschen bei Arbeitsunfällen, 46 weniger als im Vorjahr. Auf dem Weg zur Arbeit hatten 304 Versicherte einen tödlichen Unfall, 44 weniger als 2015.

→ info http://www.dguv.de/de/mediencenter/ pm/pressemitteilung_144003.jsp

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Rheinsberger Fachtagung

kompakt

Die BG ETEM veranstaltet gemeinsam mit der Berufsgenossen-schaft lichen Bildungsstätte Linowsee e.V. am 26. und 27. Sep-tember 2017 die 10. Rheinsberger Fachtagung „Arbeitssicherheit in der Energieversorgung“.

Zielgruppe der Veranstaltung sind Sicherheitsfachkräft e, Be-triebsärzte, Führungskräft e, Betriebsräte und Mitarbeiter aus der Strom-, Gas-, Wasser- und Fernwärmeversorgung. Zu den Schwerpunkten gehören in diesem Jahr unter anderem die fol-genden Vortragsthemen:

Unfallgeschehen Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgung Die neue EMF-Verordnung – Anwendung und Änderungen Neue Normen für den Netzbetrieb 2017

Eine ausführliche Themenliste und die Möglichkeit der On-line-Anmeldung fi nden Sie im Internet.

→ info und anmeldung www.bgetem.de, Webcode 17679236

Explosiver Inhalt Das Sachgebiet „Explosionsgefährli-che Stoff e“ im Fachbereich „Roh-stoff e und chemische Industrie“ der DGUV hat die DGUV Regel 113-017 „Tätigkeiten mit Explosivstoff en“ überarbeitet. Auf 348 Seiten enthält sie Hinweise zum Umgang mit Muni-tion, Treibstoff en und anderen Ex-plosivstoff en und beschreibt die Anforderungen an Tätigkeiten und Einrichtungen. Dazu gibt es Erläute-rungen zur Gefahrstoff verordnung, zur Betriebssicherheitsverordnung sowie zum Sprengstoff gesetz.

→ download http://publikationen.dguv.de/dguv/ pdf/10002/113-017.pdf

Bitte nicht stören! Die neu aufgelegte Broschüre der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt auf 38 Seiten Tipps zum Umgang mit Arbeitsunterbrechungen und Multi-tasking. Sie basieren auf Forschun-gen zur Arbeitssituation in infor-mationsintensiven Berufen. Das Ziel: Arbeitsunterbrechungen am besten ganz verhindern. Das fördert Gesund-heit, Motivation und am Ende sogar die Produktivität.

→ download www.baua.de > Angebote > Publikationen > Publikationssuche, Suchbegriff : Bitte nicht stören

Neue Plakate Die Plakatkampagne 2017 der BG ETEM zeigt typische Alltags-situationen und die damit verbun-denen Gefahren. Da heißt es, hinschauen und Konsequenzen ziehen – für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und auf der Straße.

→ bestellen www.bgetem.de, Webcode: 14822765 Telefon: 0221 3778-1020

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Fachinformation zu bewegten Kameras Die neue Fachinformation von BG ETEM und Verwal-tungs-BG beschreibt die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Bereitstellung und Benutzung von Kamerabewegungssystemen. Empfehlungen für die Prüfung dieser Arbeitsmittel und eine beispiel-haft e Gefährdungsbeurteilung bieten zusätzliche Hil-festellung für den sicheren Einsatz. Die Fachinformation behandelt außerdem die Ver-antwortung und Befähigung der Personen, die Kamerabewegungssysteme bedienen. Die Schrift wendet sich an alle, die organisatorisch und fachlich für die Einsatzplanung, die Beauft ragung, die Be-schaff ung oder den sicheren Betrieb der Systeme verantwortlich sind.

→ bestellen www.bgetem.de, Webcode 12201321. Medienshop, Bereich „Arbeitsschutz konkret“, MB 036: Kamera-bewegungssysteme – Fachinformation der VBG und BG ETEM; E-Mail: [email protected] Telefon: 0221 3778-1020, Telefax: 0221 3778-1021 Bestellnummer MB 036, Preis: 2,50 Euro für Mit-gliedsbetriebe der BG ETEM (Nicht-Mitgliedsbetriebe zahlen 6 Euro zzgl. Versandkosten-Pauschale).

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Termine 20.-21.06.2017, Düsseldorf

Fachtagung Textil und Mode 03.-06.09.2017, Singapur

XXI. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit / Internationales Media Festival für Prävention (IMFP)

→ weitere termine www.bgetem.de, Webcode 12568821

Newsletter

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Neu: Der Newsletter zum Magazin Holen Sie sich die aktuellen News zu jeder etem-Ausgabe auf Ihr Smartphone oder Ihren PC.

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Einfach unter www.bgetem.de (Webcode 16462742) anmelden und jeden zweiten Monat gut informiert sein.

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Sicherheit im Straßenverkehr

Ri siko auf zwei Rädern

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etem 03.2017

Weniger Tote, aber unver-ändert viele Verletzte sind im Straßenverkehr zu be-klagen – vor allem Motor-rad- und Fahrradfahrer. Die BG ETEM bietet ihnen und Arbeitgebern Hilfe an.

 Mehr als 3.200 Tote. Über 67.000 Schwerverletzte, die teilweise ihr Le-

ben lang unter den Folgen leiden: Das ist die traurige Bilanz, die das Statistische Bundesamt für den Straßenverkehr im Jahr 2016 gezogen hat. Ein beträchtlicher Teil dieser Verkehrsunfälle ereignete sich auf Arbeits- oder Dienstwegen.

Zwei Drittel der im Jahr 2016 gemeldeten tödlichen Verkehrsunfälle (Wege- und Dienstwegeunfälle im Straßenverkehr im

Bereich der BG ETEM) ereigneten sich mit dem Pkw oder Transporter. Hauptursachen hierfür sind nicht angepasste Geschwin-digkeit und Überholen trotz Gegenverkehr, immer öfter auch das Abkommen von der Fahrbahn und die Kollision mit Bäumen oder entgegenkommenden Fahrzeugen. Aufgrund von Verbesserungen in der Fahr-zeugtechnik, Weiterentwicklungen in der medizinischen Versorgung, infrastrukturel-len Maßnahmen etc. ist bei den tödlichen

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Verkehrsunfällen in den letzten Jahrzehn-ten ein deutlich rückläufiger Trend zu be-obachten.

Dieser schlägt sich jedoch kaum in den Zahlen der durch Verkehrsunfälle Schwer- und Schwerstverletzten nieder. Hiervon betroffen sind insbesondere Zweiradfah-rer, also Fahrrad-, Moped- und Motorrad-fahrer. Immerhin 74 Prozent machen die „un-geschützten“ Verkehrsteilnehmer in-zwischen bei den schweren Wege- und Dienstwegeunfällen im Straßenverkehr aus (BG ETEM 2016). Bei der Mehrheit der Unfälle handelt es sich um sogenannte Al-leinunfälle, also ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer. Einen weiteren Schwerpunkt stellen Kollisionen mit Pkw-Fahrern dar.

Aufgrund der Unfallschwere rücken Verkehrsunfälle von Zweiradfahrern zu-nehmend in den Fokus von Unfallversi-cherungsträgern und Unternehmen.

Auf zwei Rädern zur Arbeit Der alltägliche Wahnsinn auf den Straßen deutscher Metropolen: Stau, Stress, Lärm, endlose Parkplatzsuche. In der Hauptver-kehrszeit hängen Zweiradfahrer, vor allem Radfahrer, alle anderen ab und auch ein Platz zum Abstellen des Gefährts ist meist schnell gefunden. Auch gesundheitliche und finanzielle Gründe sprechen für deren Nutzung. Zudem sind längere Strecken dank E-Bikes kein Thema mehr. Dies ver-anlasst inzwischen jeden zehnten Be-schäftigten, auf das Zweirad umzusteigen.

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9etem 03.2017

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Täg-lich ereignen sich im Durchschnitt 214 Fahrrad- und 126 Kraftradunfälle, wobei in den Sommermonaten eine deutliche Zu-nahme zu verzeichnen ist.

Fallen Beschäftigte aufgrund von Zwei-radunfällen aus, hat das auch Auswirkun-gen auf das Unternehmen: Ausfallzeiten, Störung der Betriebsabläufe, Suche und Einarbeitung von Ersatzkräften. Unterneh-men können nur bedingt auf den öffentli-chen Straßenverkehr einwirken. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, auf das Un-fallgeschehen der Zweiradfahrer Einfluss zu nehmen.

I. Fahrradunfälle Es ist noch in den frühen Morgenstunden, als die Zustellerin mit ihrem Fahrrad unter-wegs ist. Sie stürzt – wahrscheinlich auf-grund von Glätte. Dabei zieht sie sich eine Kopfverletzung mit Hirnblutung zu. Sie wird von einem Passanten aufgefunden, ver-stirbt aber wenige Tage später im Kran-kenhaus. Sie trug keinen Fahrradhelm.

Im Zusammenhang mit Fahrradunfällen wird meist über rücksichtslose Pkw- und Lkw-Fahrer geschimpft. Oft unerwähnt bleibt jedoch, dass es sich bei knapp 60 Prozent der Fahrradunfälle um Alleinun-fälle handelt. Und auch diese können schwere, sogar tödliche Folgen haben, wie das genannte Beispiel zeigt. Kommt es zu einer Kollision, zum Beispiel mit einem Pkw, ist jedoch meist der Pkw-Fahrer Hauptverursacher des Verkehrsunfalls.

Weitere Maßnahmen zur Prävention von Fahrradunfällen

individuelle Streckenberatung, Beratung zu sicheren Fahrradrou-ten

Fahrradausflüge zu Gefahrenstel-len im Umfeld des Betriebes (teil-weise vom ADFC angeboten) Fahrradtrainings (DVR-Zweiradse-minare der BG ETEM)

Fahrradchecks und Reparatur-möglichkeiten anbieten

Einweisung und regelmäßige War-tung bei Bereitstellung von Diensträdern oder -Pedelecs

Aktionen zu den Themen Sicht-barkeit im Straßenverkehr und Abbiege-/Toter-Winkel-Unfälle

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Insbesondere bei Abbiegevorgängen wer-den Radfahrer aufgrund ihrer schmalen Silhouette, durch Sichtbehinderungen oder auch mangels Schulterblick überse-hen und angefahren.

Besonders häufig verletzen sich Radfah-rer im Verkehr an Armen und Beinen. Bei den schweren oder tödlichen Verletzungen hingegen dominieren laut Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchi- rurgie (DGU) mit über 70 Prozent die Kopf-verletzungen (Abb. S. 10 unten). Kritisch sind vor allem Schädelbrüche, Hirnblutun-gen, Quetschungen und Schwellungen des Gehirns. Die Unfallschwere hängt dabei unter anderem von der Geschwindigkeit beim Unfall, dem Alter des Unfallopfers – und dem Tragen eines Helms ab.

Helme können schützen Inzwischen ist wissenschaftlich nachge-wiesen, dass Fahrradhelme vor schweren Kopfverletzungen schützen. Sie müssen aber richtig sitzen, die Kriterien der Prüf-norm DIN EN 1078 erfüllen und dürfen nicht älter als fünf Jahre sein. Aktuell liegt die Helmtragequote in Deutschland je-doch bei nur 15 Prozent.

Im Rahmen von Aktionen wie zum Bei-spiel „Mit dem Rad zur Arbeit“ oder „Fahr-radfreundlicher Arbeitgeber“ fördern viele Unternehmen inzwischen das Radfahren. Unklar bleibt, wie viele sich auch darum bemühen, dass ihre Mitarbeiter dabei si-cher unterwegs sind. Obwohl es in Deutschland keine Helmpflicht für Rad-

fahrer gibt, können Unternehmen Anreize setzen, um das freiwillige Helmtragen zu fördern. So gibt es inzwischen Unterneh-men, die ihren Mitarbeitern Fahrradhelme schenken oder den Kauf bezuschussen.

Beschäftigte und Unternehmen können auch mit dem „Stadt- oder Unterneh-menshelm“ ein Zeichen setzen. Dabei handelt es sich um ein Präventions- und Charityprojekt des Bundesverbandes Kinderneurologie-Hilfe e. V. in Koopera-tion mit dem Helmhersteller ABUS. Fahr-radhelme werden dabei mit dem Logo des Unternehmens oder der Stadt versehen. Die Investition von circa 70 Euro pro Helm bei einer Lebensdauer von fünf Jahren ist nicht zuletzt deshalb gut ange-legt, weil ein Teil des Erlöses der Kinderneurologie-Hilfe zugutekommt

(www.stadthelm.de).

II. Moped- und Motorradunfälle Außerorts auf einer Landstraße, es ist taghell, die Sonne scheint. Ein Motorrad-fahrer ist auf dem Weg zur Arbeit. In einer Linkskurve kommt er nach rechts von der Fahrbahn ab. Er streift zunächst einen Baum, stürzt dann in einen Graben und im weiteren Verlauf in ein Waldstück. Er kann noch selbstständig den Notruf ab-setzen. Auf die Frage der Polizei, mit wel-cher Geschwindigkeit er unterwegs war, gibt er an, dass er es nicht wisse. Der Mo-torradfahrer erleidet bei dem Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma und weitere Verlet-zungen. Vier Wochen später verstirbt er im Krankenhaus.

Für den einen sind es die zwei Räder, die Freiheit und Lebensgefühl bedeuten. Für den anderen ist es Mittel zum Zweck, um zur Arbeit zu gelangen. So oder so: Das Fahren eines Mopeds oder Motorrads ist ein vergleichsweise gefährliches Ver-gnügen. Schaut man sich die bei der BG ETEM eingehenden Unfallanzeigen von schweren oder tödlichen Moped- und Motorradunfällen an, tauchen immer wie-der die gleichen Unfallursachen auf. Etwa jeder zweite Unfall wird von den Zweirad-fahrern selbst verursacht. Gründe hierfür sind in der Regel

nicht angepasste Geschwindigkeit, ▪

▪ ungenügender Sicherheitsabstand, ▪ Fahrfehler in Kurven oder beim Bremsen sowie

▪ Unfälle aufgrund von schlechten Stra-ßen- und Witterungsverhältnissen.

Einen weiteren Schwerpunkt im Unfallge-schehen stellen Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere Pkw- Fahrern, dar (typische Unfallkonstellatio-nen: siehe Kasten „Gefahrensituationen“, S. 11). Bei der Analyse der Unfälle wird

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So sitzt Ihr Fahrradhelm richtig

1 Der Helm muss waagerecht auf dem Kopf sitzen.

2 Die Gurte müssen vor und hinter dem Ohr liegen, sich genau un-ter ihm treffen.

3 Zwischen Riemen und Kinn sollte nicht mehr als ein Finger passen.

4 Der Verschluss darf nicht gegen den Hals drücken.

5 Auf das CE-Zeichen und die Prü-fung des Helms gemäß DIN EN 1078 achten.

6 Belüftungsschlitze sorgen dafür, dass sich die Hitze unter dem Helm nicht staut.

Häufigkeit der Verletzungen nach Körperregionen bei Schwerverletzten

Autofahrer Motorradfahrer Fahrradfahrer Fußgänger

70 %+ 60–69 % 50–59 % 40–49 % 30–39 % 20–29 % < 20 % Q

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deutlich, dass die Zweiradfahrer die be-drohliche Situation entweder zu spät er-kannt oder Fehler beim Bremsen und Ausweichen gemacht haben.

Sicherheitstraining Als präventiv wirksam hat sich die regel-mäßige Teilnahme an Sicherheitstrainings erwiesen. Unternehmen können dabei un-terstützen, indem sie den Zweirad fahren-den Mitarbeitern ein derartiges Training ermöglichen, etwa zu Saisonbeginn. Im Mittelpunkt der Sicherheitstrainings ste-hen fahrpraktische Übungen mit dem ei-genen Moped oder Motorrad und die sichere Fahrzeugbeherrschung.

Geübt werden Elemente, wie zum Bei-spiel: Stabilisieren der Maschine im lang-samen Fahrzustand, Fahrtechnik in Kurven, Bremsen/Ausweichen bei Hinder-

nissen und auf verschiedenen Untergrün-den. Dabei wird den meisten Teilnehmern schnell klar, dass die Spielräume zum Be-wältigen einer Gefahrensituation wegen der Fahrzeugtechnik und Fahrphysik sehr gering sind. Sicher fahren nur diejenigen, die Gefahrensituationen frühzeitig erken-nen, sie richtig einschätzen und vermei-den können.

Das „defensive Fahren“ ist deshalb zentraler Baustein der meisten Trainings. Bei der Entscheidung für ein bestimmtes Training sollten Interessenten darauf ach-ten, dass es den Richtlinien des Deut-schen Verkehrssicherheitsrats (DVR) entspricht. Neben dem Standardpro-gramm gibt es auch Trainings für Anfän-ger, Wiedereinsteiger, Rollerfahrer, Fort- geschrittene usw.

Versicherten der BG ETEM steht das 3-tägige Sicherheitstraining „Defensives Fahren – Motorrad“ (Seminar-Nr. 380) of-fen, das in verschiedenen Regionen Deutschlands angeboten wird. Veranstal-tungsorte und -termine finden sich in der Seminardatenbank der BG ETEM. Die Ver-anstaltungs-, Unterbringungs-, Verpfle-gungs- und Reisekosten übernimmt in diesem Fall die BG ETEM.

Das Training soll in der Nähe des Unter-nehmens stattfinden? Kein Problem. Seit mehreren Jahren veranstaltet die BG ETEM in Kooperation mit dem DVR 1-tägige Zwei-radseminare direkt auf dem jeweiligen Betriebsgelände (www.aktionsmedien- bgetem.de → Verkehrssicherheit).

Fazit Unfälle mit dem Fahrrad oder Moped und Motorrad können schwerwiegende Folgen

für die Betroffenen haben. Unternehmen sollten sich deshalb stärker der Präven-tion derartiger Unfälle auf Arbeits- und Dienstwegen widmen. Ina Papen

→ info Die BG ETEM unterstützt Sie bei der Prävention von Zweiradunfällen:

durch Aktionsmedien für Verkehrssi-cherheitsveranstaltungen, z. B. mit dem Aktionsmobil Zweirad, dem Multimedia-quiz Verkehrssicherheit, Rauschbrillen, etc.; Reservierungen sind möglich unter www.aktionsmedien-bgetem.de

▪ durch Zuschüsse bei der Ausleihe von Fahrsimulatoren

▪ durch ein attraktives Seminarangebot wie z. B. Motorrad-Fahrsicherheitstrai-nings oder Vor-Ort-Trainings (DVR-Zwei-radseminare)

▪ durch Poster und andere Medien, z. B. der Gefährdungsbeurteilung Ver-kehrssicherheit (www.bgetem.de, Webcode 16330478)

Schwere Wege- und Dienstwegeunfälle im Straßenverkehr 2014/2015*

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2014 2015

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* im Bereich der BG ETEM

Weitere Maßnahmen zur Prävention von Moped-/ Motorradunfällen:

Beratung zu Bekleidung, Helmen, Handschuhen, Stiefeln, Protekto-ren, Möglichkeiten sich sichtbar zu machen, Blendschutz etc. (Ak-tionsmobil Zweirad der BG ETEM)

Direkte Ansprache von Motorrad/ Moped fahrenden Beschäftigten ohne ausreichende Schutzklei-dung

Motorradsimulator oder Schleif-tests bei Aktionstagen, zum Beispiel zum Saisonstart Beratung zu technischen Verän-derungen, zum Beispiel in Koope-ration mit der örtlichen Polizei

Unterstützung von Motorradchecks

Erste-Hilfe-Kurse für Motorradfahrer Organisation eines Motorrad-/ Mopedkonvois, der andere Verkehrsteilnehmer auf Risiken aufmerksam macht Geschwindigkeitstafeln in Unternehmensnähe

Gefahrensituationen

1. Pkw-Fahrer biegt ein oder über-quert die Vorfahrtstraße, Motor-radfahrer kommt von links oder rechts.

2. Autofahrer biegt links ab, Motor-radfahrer kommt entgegen.

3. Pkw wendet, Motorrad kommt entgegen oder von hinten.

4. Motorrad überholt, Pkw wechselt die Fahrspur oder biegt links ab.

5. Pkw überholt oder kommt in einer Kurve auf die Gegenfahr-bahn, Motorrad kommt ent- gegen.

(Quelle: Institut für Zweiradsicherheit 2008)

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Ladungssicherung

Transport mit Verantwortung Um Unfälle durch schlecht gesicherte Ladung zu ver-hindern, muss ein ganzes Team gezielt zusammen- arbeiten.

 Ein Lkw ist mit Papierrollen beladen unterwegs zu einer Druckerei in Nord-

deutschland. Innerorts muss der Fahrer plötzlich bremsen. Eine zwei Tonnen schwere Papierrolle fällt von der Lade- fläche und verletzt einen Radfahrer schwer. Laut polizeilichen Ermittlungen war in der Papierfabrik keine Abfahrt- kontrolle durchgeführt worden. Daher konnte der Lkw das Betriebsgelände mit ungenügend gesicherter Ladung verlassen.

sogenannten Leiter der Ladearbeiten (ein Muster einer solchen Übertragung von Unternehmerpflichten enthält die Bro-schüre 226 DP, siehe info). Die notwendi-gen Fachkenntnisse kann sich der Beauftragte z. B. durch eine Ausbildung auf Grundlage der VDI-Richtlinie 2700 aneignen. Die BG ETEM bietet hierzu das Seminar Nr. 375 „Sachkundiger Ladungs-sicherung – Teil A“ an (mehr unter info).

Ab einer bestimmten Betriebsgröße kön-nen die unternehmerischen Pflichten so umfangreich ausfallen, dass Unterneh-mer nicht mehr in der Lage sind, allen selbst nachzukommen. Sie haben daher das Recht, die Aufgaben im Bereich der Verladung auf eine zuverlässige und fachkundige Person zu übertragen, den

Nach erfolgreich abgeschlossenem Lehrgang bestellt die Unternehmerin oder der Unternehmer den Beauftragten schließlich zum Leiter der Ladearbeiten. Seine Aufgaben und Pflichten sind in einer schriftlichen Pflichtenübertragung detailliert geregelt.

Mit der Bestellung erhält der Leiter der Ladearbeiten den Auftrag, die Verlade- tätigkeiten betrieblich zu organisieren und damit klare Strukturen, Regelungen und Betriebsabläufe einzuführen (siehe Infokasten rechts).

rer sowie dem Fahrzeughalter ist auch der Verlader in der Pflicht. Dieser verlädt die Güter erstmals auf den Lkw oder beauf-tragt jemanden damit. Im Unfallbeispiel ist das der Unternehmer der Papierfabrik. Er muss alles Notwendige veranlassen, damit nur Fahrzeuge mit ordnungsgemäß gesicherter Ladung das Betriebsgelände verlassen. Das setzt jedoch eine geeig-nete betriebliche Organisation der Ver- ladung und Ladungssicherung voraus.

Um solche Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden, müssen mehrere Personen im Team zusammenarbeiten. Die Straßen-verkehrsordnung (StVO) legt daher in § 22 (1) „Ladung“ fest, dass alle, die am Transport beteiligt sind, auch Verantwor-tung für die ordnungsgemäße Ladungs- sicherung zu tragen haben. Neben dem Absender, dem Fracht- und Fahrzeugfüh-

Kommt der Unternehmer dieser Organi-sations- und Aufsichtspflicht nicht nach, so begeht er gemäß Ordnungswidrigkei-tengesetz § 130 selbst eine Ordnungswid-rigkeit und kann mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro belangt werden.

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Unternehmerpflichten übertragen

Eigenkontrolle der Betriebsorganisation „Bei uns wird jede Ladung ordnungs- gemäß gesichert!“, kann nur derjenige

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Ordnungsgemäße Ladungssicherung von Papierrollen

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behaupten, der im Unternehmen eine ge-eignete Betriebsorganisation aufgebaut hat. Voraussetzung dafür sind klar gere-gelte Arbeitsabläufe, geschulte Beschäf-tigte sowie eine ständige Eigenkontrolle. Zu den Dokumenten einer funktionieren-den Betriebsorganisation zählen Arbeits- und Verladeanweisungen, Teilnehmerlisten von Schulungen und Unterweisungen so-wie Protokolle und Checklisten.

Mit einer solchen Betriebsorganisation werden Unternehmerinnen und Unter- nehmer ihrer Verantwortung gerecht, denn schließlich kommen sie damit ihrer Organisations- und Aufsichtspflicht nach. Dieter Bachmann

→ info Broschüre 226 DP „Ladungssicherung für den Bereich Druck und Papierverar-beitung“: www.bgetem.de, Webcode 17591718

Seminar Nr. 375 „Sachkundiger Ladungssicherung – Teil A“: mehr dazu in der Seminardatenbank unter www.bgetem.de, Webcode 14363753

Organisation der Ladungssicherung

1. Ladungssicherungsmaßnahmen festlegen Ausgebildete Leiter der Ladearbeiten verfügen über die notwendigen Kennt-nisse, um die jeweils geeignete Art der Ladungssicherung festzulegen: Form-schluss, Kraftschluss oder Kombina-tion aus beiden. Anschließend müssen sie ermitteln, welche Hilfs-mittel in welcher Zahl für die gewählte Art der Ladungssicherung notwendig sind.

2. Anforderungen an die Fahrzeuge bestimmen Für jeden Transport ist das geeignete Fahrzeug auszuwählen. Je nach Lade-gut kann z. B. ein Lkw mit Kofferaufbau oder mit Schiebeplane Vorteile für die Ladungssicherung bringen. Daher gilt es, die Anforderungen an die Fahrzeuge rechtzeitig festzulegen. Darüber hinaus müssen die Hilfsmittel für die Ladungssicherung bestimmt werden, die mitzuführen sind. Die Anforderungen an die Fahrzeuge und deren Ausstattungen sollten Leiter der Ladearbeiten mit dem Frachtführer oder Spediteur schriftlich vereinbaren.

3. Verladeanweisungen erstellen Auf Grundlage der festgelegten Ladungssicherungsmaßnahmen sind Verladeanweisungen zu erstellen. Mit Skizzen oder Fotos ergänzt, machen sie dem Ladepersonal leicht verständlich, welche Sicherungsmaß-nahmen welcher Fahrzeugtyp und welche Ladung erfordern. Zusätzlich erleichtern die Verladeanweisungen dem Ladepersonal, das gesicherte Ladegut vor der Abfahrt zu kontrollie-ren. In der Praxis hat es sich bewährt, die Anweisungen im Verladebereich auszuhängen.

4. Ladepersonal unterweisen und schulen Das Ladepersonal muss regelmäßig anhand der Verladeanweisungen unterwiesen werden. Die Pflicht zur Arbeitssicherheitsunterweisung nach den Unfallverhütungsvorschriften bleibt davon unberührt.

Darüber hinaus hat der Leiter der La-dearbeiten sicherzustellen, dass das Ladepersonal mindestens alle drei Jahre nach VDI-Richtlinie 2700 Blatt 5 geschult wird. Hierbei werden diverse Themen vermittelt, wie physikalische Grundlagen, Eigenschaften der La-dung, Möglichkeiten der Ladungssi-cherung sowie deren praktische Anwendung. Diese Schulungsmaß-nahme kann der Leiter der Ladearbei-ten selbst durchführen. Eine Schulung durch einen externen Anbieter ist nicht vorgeschrieben, kann aber im Einzelfall sinnvoll sein. Die Schulun-gen und Unterweisungen sind zu dokumentieren – auch um funktio- nierende Betriebsabläufe nachweisen zu können.

5. Fahrzeug vor dem Beladen kontrollieren Jährlich kommt es zu tödlichen Ab- stürzen von der Laderampe mit Flur-förderzeugen. Um solchen Unfällen vorzubeugen, muss der Lkw generell an der Laderampe mit Unterlegkeilen gegen Wegrollen oder vorzeitiges Weg-fahren gesichert werden. Erst danach darf das Ladepersonal den Laderaum überprüfen. Dazu gehören u. a.:

Kontrolle der Ladefläche: unbeschä-digt und besenrein? Kontrolle der Planen und Wände: unbeschädigt?

Kontrolle der Ladungssicherungs-hilfsmittel: geeignet und vereinbarte Stückzahl?

6. Fahrzeug nach dem Beladen kontrollieren Nach dem Beladen muss das Lade-personal überprüfen, ob die Ladungs-sicherung der Verladeanweisung entspricht. Zur Dokumentation des ordnungsgemäßen Zustands bei der Abfahrt können eine Checkliste ge-nutzt und/oder Fotos angefertigt werden. Die Ladungssicherungsmaß-nahmen sollen unbedingt nachvoll-ziehbar aufgezeichnet werden. Leider kommt es hin und wieder vor, dass Fahrer die Ladungssicherung während des Transportes zum Nachteil verändern.

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Sekundenschlaf

Hal lo? Wach?

Jeder vierte Autofahrer ist laut einer Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) schon am Steuer eingeschlafen. Mit einer neuen Kampagne klärt der DVR jetzt über die Gefahren von Müdigkeit hinter dem Lenkrad auf.

W enn die Augenlider schwer werden, ist eine Pause sinnvoll. Schon 15 Minuten Entspannung auf dem nächsten Parkplatz können hilfreich sein.

 Brennende Augenlider, häufiges Gäh-nen und Frösteln gehören zu den klas-

sischen Anzeichen für aufkommende Müdigkeit, die vermutlich jeder Autofah-rer schon erlebt hat. Mit jeder Minute wächst dann die Gefahr des Sekunden-schlafs am Steuer. Laut einer Umfrage des DVR ist jeder vierte Autofahrer schon ein-mal am Steuer eingenickt. Dies kann töd-lich enden! Dennoch unterschätzen nach einer Umfrage im Auftrag des DVR viele Menschen diese Gefahr noch immer:

43 Prozent der Autofahrer sind über-zeugt, den Zeitpunkt des Einschlafens sicher vorhersehen zu können; 45 Prozent glauben, Beeinträchtigungen infolge Müdigkeit durch ihre Fahrerfah-rung ausgleichen zu können; 17 Prozent fahren trotz Müdigkeit weiter.

Der DVR hat deshalb mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der Deut-schen Gesetzlichen Unfallversicherung

(DGUV) sowie weiterer Partner die Kampa-gne „Vorsicht Sekundenschlaf! Die Aktion gegen Müdigkeit am Steuer“ gestartet. Ihr Ziel ist es, auf die Gefahr von Müdigkeit am Steuer aufmerksam zu machen und Wege für ein dauerhaft konzentriertes Fahren aufzuzeigen. Dazu gehören vor allem ein gesunder Wechsel von Schlaf-

und Wachzeiten sowie Pausen mit einem Kurzschlaf oder etwas Bewegung.

Zum Kampagnen-Auftakt im Dezember 2016 fand ein bundesweiter Aktionstag an elf Autobahnraststätten statt. Autofahre-rinnen und -fahrer erhielten ein „Erste- Hilfe-Set gegen Müdigkeit am Steuer“ mit

Tipps gegen Müdigkeit am Steuer, einer Schlafbrille für den Kurzschlaf und einer Parkscheibe mit Bewegungshin-weisen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Quelle: DVR

→ info Die BG ETEM bietet zur objektiven Mes-sung und Beurteilung des Grades von Tagesschläfrigkeit den Pupillographen F2D an. Das wissenschaftlich betreute Hilfsmittel können Interessierte bestellen unter www.aktionsmedien-bgetem.de. Das Faltblatt „Vorsicht Sekundenschlaf“ steht bereit unter www.dvr.de/download/ vorsicht-sekundenschlaf_faltblatt.pdf

Medikamente machen müde

15 bis 20 Prozent aller zugelasse-nen Medikamente beeinträchtigen nach Angaben der Hersteller die Fahrtüchtigkeit, da sie latente Mü-digkeit hervorrufen können. Sie können damit, so der DVR, das Risiko eines Sekundenschlafs erhö-hen. Trotzdem unterschätzen viele Menschen den Einfluss solcher Me-dikamente auf ihre Fähigkeit, ein Fahrzeug sicher zu führen.

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Künstliche optische Strahlung

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Für Lasereinrich-tungen in Betrieben gelten die Vorgaben der aktualisierten Arbeitsschutzverord-nung zu künstlicher optischer Strahlung.

Die Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV) wurde überarbeitet. Welche Änderungen auf Betriebe zukommen.

 Die Bundesregierung hat die Arbeits-schutzverordnung zu künstlicher op-

tischer Strahlung zusammen mit der Arbeitsstättenverordnung aufgrund der Bundesratsbeschlüsse von November 2016 in einigen Punkten geändert. Unter ande-rem wurde der Begriff der Fachkunde an die Begriffe in anderen Arbeitsschutz- verordnungen angepasst. Die wesentliche Neuerung betrifft jedoch die Aufgaben und die Ausbildung des Laserschutzbe-auftragten (LSB) in § 5 Abs. 2: In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Sachkunde aus formalen Gründen ersetzt durch „spezielle Fachkenntnisse“.

Bisher schrieb die Verordnung dem LSB die Aufgabe zu, den sicheren Betrieb des Lasers zu überwachen. Laut der geänder-ten OStrV muss der LSB jetzt den sicheren Betrieb gewährleisten.

Rechte und Pflichten Der LSB kann einen sicheren Betrieb nur unter folgenden Voraussetzungen garan-tieren: Der Arbeitgeber muss ihm diese Verantwortung konkret für jeweilige Laser-

einrichtungen übertragen haben, und zwar mit der entsprechenden Gefähr-dungsbeurteilung und den konkreten Be-fugnissen. Dazu zählen beispielsweise:

Unterweisung, Abstellen von Mängeln, regelmäßige Überwachung der Laser-arbeitsplätze,

Anweisen der Beschäftigten an den Lasereinrichtungen, Stillsetzen der Lasereinrichtung/Laser-maschine sowie

Überwachung des Zugangs. Die neu gefasste Verordnung schreibt Arbeitgebern somit vor, die Verantwort-lichkeiten im Vorfeld organisatorisch zu regeln. Solange das nicht geschehen ist, bleibt der Arbeitgeber vollständig in der Pflicht.

Um die notwendigen Fachkenntnisse zu erlangen, müssen LSB laut Verordnung an einem entsprechenden Kurs mit bestan-dener Prüfung teilnehmen. Der Kurs muss allerdings nicht mehr zugelassen oder zertifiziert werden, wie noch in den Tech-nischen Regeln zur Arbeitsschutzverord-

nung zu künstlicher optischer Strahlung (TROS Laserstrahlung) beschrieben. Neu ist ferner, dass der LSB seine Fachkennt-nisse regelmäßig aktualisieren muss, z. B. durch Teilnahme an einem Fortbildungs-seminar maximal nach fünf Jahren (siehe Seminardatenbank, mehr unter info).

Die TROS Laserstrahlung werden voraus-sichtlich im Laufe des Jahres redaktionell an die neue OStrV angepasst. Die Fachgre-mien der DGUV werden vermutlich in Kürze den Berufsgenossenschaften empfehlen, die DGUV Vorschrift 11 „Laserstrahlung“ zurückzuziehen. Die Selbstverwaltungen entscheiden dann, ob und wann die Vor-schrift zurückgezogen wird. Martin Brose

→ info Verordnung zum Schutz der Beschäftig-ten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (GV 18) im Medien-portal unter: www.bgetem.de, Webcode 11205644 (Rubrik Regelwerk > Gesetze und Verord-nungen)

Ausführlicher Beitrag zur OStrV 2010 und TROS Laserstrahlung in etem 03/2015

Seminare zum Laserschutzbeauftragten in der Seminardatenbank unter: www.bgetem.de, Webcode 14877351

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betrieb & praxis

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Offshore-Windparks

Erste Hilfe fern der K üste Die neue Informations-schrift „Erste Hilfe in Offshore-Windparks“ bietet praktische Hilfen zur Bewältigung von Notfällen.

?Warum wurde diese spezielle Information erarbeitet? Ein Großteil der Offshore-Windparks (OWP) befindet sich bis zu 125 km von der Küste entfernt in Nord- oder Ostsee. Tätig-keiten dort sind gekennzeichnet durch starke körperliche Anstrengungen, Arbei-ten in großen Höhen, räumlicher Enge, in Hitze und Kälte, lange Abwesenheitszei-ten von zu Hause sowie Schichtdienst. Durch die großen Entfernungen vom Fest-land, die extreme Weitläufigkeit der OWP und schwierige Zugangsbedingungen tref-

fen in Notfallsituationen Rettungskräfte häufig erst nach 60 bis 90 Minuten ein. Diese Zeitspanne gilt es durch erweiterte Erste-Hilfe-Maßnahmen zu überbrücken.

?Welche Maßnahmen sind erforderlich? Zur Bewältigung von Notfällen in OWP wurde ein angepasstes, innovatives Kon-zept der „Erweiterten Ersten Hilfe“ entwi-ckelt, das auf drei Säulen beruht:

Da die normale Ausbildung zum betrieb-lichen Ersthelfer bei Notfällen in OWP nicht ausreicht, wird eine spezielle Wei-terbildung zum „Ersthelfer-Offshore“ empfohlen.

Flankiert wird dies durch zusätzliche Erste-Hilfe-Ausstattung, sowohl perso-nengetragen als auch stationär. Schließlich wird eine im betrieblichen Bereich erstmalig eingeführte „Telekon-sultation“ eingesetzt. Diese umfasst die telenotärztliche Beratung, Unterstüt-zung und Betreuung aller Ersthelfer. Da-

durch werden Erste-Hilfe-Maßnahmen qualitativ verbessert und die Bandbreite möglicher Notfallmaßnahmen erweitert. Die Ersthelfer werden fachlich beraten, angeleitet und psychologisch gestützt. Auch qualifiziertes rettungsdienstliches Fachpersonal kann mithilfe der Telekon-sultation weitergehende notfallmedizi-nische Maßnahmen durchführen.

Auf lebensbedrohliche Notfälle („worst case scenario“) kann so adäquat reagiert werden.

?Was ist das Ziel der „Erweiterten Erste Hilfe“? Die Maßnahmen helfen Verletzten und akut Erkrankten in der Zeit bis zum Eintref-fen der Rettungskräfte. Verschlechterun-gen in dieser Überbrückungszeit oder gar Komplikationen, die zu bleibenden Schä-den führen können, sollen vermieden werden. Die Erste Hilfe soll dabei ange-messen und für den Ersthelfer leistbar,

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In Offshore-Windparks kann es bis zu 90 Minuten dauern, bis im Not-fall Hilfe vor Ort ist. Beschäftigte müssen daher besondere Kennt-nisse in Erster Hilfe haben.

zumutbar sowie sicher sein. Die Erstmaß-nahmen beinhalten nach telenotärztli-cher Freigabe auch die Verabreichung von Schmerzmittel-Tropfen als Notfallme-dikation durch den Ersthelfer-Offshore, gleichfalls den Einsatz weiterer Notfall- medikamente durch professionelles Ret-tungsdienstfachpersonal.

?Was hat das Unternehmen organisato-risch zu beachten? Zentraler Bestandteil der Rettungskette Offshore ist ein betrieblicher Alarmplan. Für den Notfall sind auf Basis der Gefähr-dungsbeurteilung erforderliche Maßnah-men festzulegen und diese Informationen den Rettungskräften zugänglich zu ma-chen. Die enge Abstimmung unter allen Beteiligten ist zwingend notwendig und vom Unternehmen verantwortlich zu koor-dinieren. Das Unternehmen muss sicher-stellen, dass die Rettungskette im Notfall reibungslos und unverzüglich funktioniert.

?Wie sehen die Kurse zur Fort- und Wei-terbildung der Ersthelfer-Offshore aus? Auf Basis der Ausbildung zum betriebli-chen Ersthelfer sind für die Weiterbildung zum Ersthelfer-Offshore laut der Fach-bereich-Information spezielle Themen er-

forderlich. Diese umfassen 20 Unterrichts-einheiten (UE) von je 45 Minuten, die an zwei Tagen absolviert werden. Für die Fort-bildung der Ersthelfer-Offshore muss jähr-lich ein Refresher-Training im Umfang von 4 UE zusammen mit der gleichfalls erforder-lichen Ersthelferfortbildung (4,5 UE), also zusammen 8,5 UE, durchgeführt werden.

Alle Kurse müssen Praxisnähe durch szenariobasiertes Training vermitteln. Da-durch sollen alle Teilnehmer in der Lage sein, unter besonderer Beachtung des Ei-genschutzes lebensrettende Sofortmaß-nahmen und erweiterte Erste Hilfe mit zusätzlicher notfallmedizinischer Ausrüs-tung und Telekonsultation im Offshore- Bereich durchzuführen.

In den letzten Jahren haben sich gerade in den nördlichen Bundesländern Ausbil-dungsstellen etabliert, die die Anforderun-gen entsprechend der Fachbereichsinfor- mation erfüllen und die speziellen offshore- spezifischen Szenarien berücksichtigen.

?Welche Rahmenbedingungen sind weiterhin zu beachten? Gerade bei Planung und Bau von Anlagen in OWP sind die für Erste Hilfe und Rettung nötigen Bedingungen zu berücksichtigen. Auch deshalb sind in Anlage 3 „Erste- Hilfe-Räume“ in Anlehnung an die Arbeits-stättenverordnung und den Stand der Technik für Seeschiffe Hinweise gegeben: zu Art, Größe und Lage von Erste-Hilfe- Räumen und deren Mindestausstattung auf OWP-Plattformen.

Derzeit werden in zwei weiteren DGUV-Projektgruppen, nämlich „Empfeh-lung zur Umsetzung der Arbeitsstät-ten-Verordnung auf Offshore-Plattformen“ und „Windenergieanlagen“, weitere offshore-spezifische Anforderungen for-muliert. Trotz aller Notfallvorsorge darf die Primärprävention mit sicherheitsge-rechter technischer Ausstattung und Or-ganisation von Beginn an nicht außer Acht gelassen werden.

?Wie geht es weiter? Die aktuelle Version der Fachbereich-In-formation muss in die Praxis umgesetzt

werden. Dass dies auch so ist, belegen die zunehmenden Zahlen an Ersthel-fer-Offshore bzw. Rettungspersonal und die zwischenzeitlich in vielen OWP tech-nisch umgesetzte Telekonsultation. Viele Beschäftigte sind mit den Kursen zufrie-den und fühlen sich für Notfalleinsätze besser vorbereitet.

Außerdem wird versucht, bei der Vielfalt der notwendigen Kurse für offshore Tätige zumindest die der Ersten Hilfe internatio-nal abzustimmen. Die geforderten Zertifi-zierungen sollen kompatibel und unnötige Wiederholungen vermieden werden. Da Änderungen der Information jederzeit möglich sind, können deshalb noch An-passungen erfolgen.

Dr. med. Gerhard Kraus

→ info Fachbereich-Information „Erste-Hilfe in Offshore-Windparks“ unter: www.dguv.de/fb-erstehilfe

Hintergrund

Am 12. Dezember 2016 wurde die dritte Version der Informations-schrift „Erste Hilfe in Offshore- Windparks“ auf der Homepage des DGUV-Fachbereichs Erste Hilfe ver-öffentlicht. Dies gelang dank der mitwirkenden Vertreter aus dem ge-samten Offshore-Bereich, insbe-sondere den Mitgliedern der DGUV-Projektgruppe und des For-schungsvorhabens „Rettungskette Offshore Wind“ (ROW). Durch inhaltliche Überarbeitung der Vorversion (04-2015) und drei neue Kapitel bzw. Anlagen ist der Text nun im Konsens mit allen Be-teiligten fertiggestellt. Gerade durch die Anlagen „Telekonsulta-tion“, „Erste-Hilfe-Räume“ und „Notfallmedikation in OWP“ sind sehr viele praxisbezogene Hinweise aufgenommen worden. Die Fachbereich-Information ist eine Empfehlung zur Sicherstellung der Ersten Hilfe in Offshore-Wind-parks (OWP). Sie soll den Unter- nehmen Hilfestellung bei der erfor-derlichen Planung und Umsetzung von Maßnahmen unter den dort herrschenden besonderen Bedin-gungen geben.

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Präventionspreis der BG ETEM

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Eine Eigeninitiative der Beschäftigten senkt die Belas-tung durch Dämpfe von Kühlschmierstoffen (KSS) bei der Erbe Elektromedizin GmbH. Dafür erhielt das Unter-nehmen einen der BG ETEM-Präventionspreise 2016.

Ein Baustein der Lösung: Der Späneauswurf wurde mit einem Lamellenvorhang abgedeckt.

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 Man merkt sofort den Unterschied: Früher war die Geruchsbelastung

schon deutlich spürbar.“ Marian Stopper, CNC Dreher beim Tübinger Medizintechnik- Unternehmen Erbe Elektromedizin GmbH, wirkt zufrieden. Dem jungen Mitarbeiter und seinen rund 600 Kolleginnen und Kol-legen ist es in Eigeninitiative gelungen, die noch vor wenigen Jahren erhebliche Belas-tung durch KSS-Dämpfe deutlich zu verrin-gern: „Durch die ganzen Verbesserungen und Abdeckungen, die vorgenommen wur-den, ist die Geruchsbelastung nicht mehr so stark“, sagt Stopper.

Ein Erfolg, über den sich auch Sicher-heitsfachkraft Werner Steinhilber freut. Der Technische Aufsichtsdienst der BG ETEM habe das Unternehmen darüber aufge-klärt, dass „unsere elektrostatischen Ab-scheider nur KSS-Aerosole abscheiden können. Aber KSS-Dämpfe werden nicht abgeschieden“, erklärt Steinhilber rückbli-ckend. Man habe deshalb Maßnahmen zur Beseitigung der Dämpfe ergreifen müssen.

„Unsere Mitarbeiter haben sich dann überlegt: Was können wir dagegen tun,

dass diese Dämpfe in die Hallenluft aus-dampfen können?“, so die Sicherheits- Fachkraft. Die Antwort gibt Steinhilber gleich selbst: „Sie haben Abdeckungen entworfen und gefertigt. Sie haben Lamel-lenvorhänge angefertigt und selbststän-dig montiert und sie überprüft.“ Das Ergebnis: Bei einer Kontrollmessung habe sich gezeigt, „dass sich die ohnehin schon sehr guten Messwerte nochmals um etwa 30 Prozent reduziert haben“, re-sümiert Steinhilber zufrieden.

Eine geplante aufwendige Abluftanlage im Bereich der Dreherei kann das schwäbi-sche Unternehmen nun einfacher und kos-tengünstiger realisieren. „Und Ein-schränkungen der Produktion während der Umbaumaßnahmen gab es auch nicht“, ergänzt CNC Dreher Marian Stopper.

Das Problem ... Ein Aerosol ist ein Gemisch aus festen oder/und flüssigen Schwebeteilchen und Luft. Sein Verhalten hängt von den Teil-chen und dem Trägergas ab. Es ist ein dy-namisches System und unterliegt ständi-

gen Änderungen durch Kondensation von Dämpfen an bereits vorhandenen Parti-keln, Verdampfen flüssiger Bestandteile der Partikel, Koagulation kleiner Teilchen zu großen oder Abscheidung von Teilchen an umgebenden Gegenständen.

Aus physikalischen Gründen können von elektrostatischen Abscheidern nur Aerosole abgeschieden werden. Eine Ab-scheidung von KSS-Dämpfen ist nicht möglich.

… und die Lösung der Erbe Elektromedizin GmbH

Die Spänebehälter wurden mit einer aufklappbaren Abdeckplatte abge-deckt, so wird die Belastung der Umge-bungsluft mit KSS-Dämpfen verhindert.

Die Bandfilteröffnung wurde mit einer Platte abgedeckt. Die automatischen Maschinenauswürfe fertiger Werkstücke wurden abgedeckt.

Der Stangenladerbehälter wurde mit ei-ner Abdeckplatte abgedeckt, so wird auch hier ein Ausdampfen von KSS- Dämpfen reduziert. Der Abtropfbehälter für die Einlegeteile des Stangenladers wurde mit einem Ab-tropftrichter abgedeckt. Der Späneauswurf in die offenen Späne-behälter wurde mit einem Lamellenvor-hang abgedeckt.

Die verschmutzten Putztücher werden in verschließbaren Sammelbehältern ge-sammelt, so wird eine KSS-Belastung im Raum durch die verschmutzten Putztü-cher vermieden. Das Wartungsintervall der Abscheider wurde auf 4-Wochen-Turnus reduziert. Die Spindellager an zwei Drehmaschi-nen wurden überprüft und die Dichtun-gen an den Hauptspindeln ausge- tauscht. Die Siebe an den Späneförde-rern werden wöchentlich gereinigt.

→ info Ein Video über die Erbe Elektromedizin GmbH finden Sie unter www.bgetem.de, Webcode 16352142

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Sicherheitsseminare für Auszubildende

Früh g elernt hilft früh Etwa 4.500 Auszubildende informierten sich während der „elektrotechnik“ bei der BG ETEM über typische Gefährdungen im Elektrohandwerk. Schüler sorgten für eine Vermittlung des Themas „auf Augenhöhe“.

„Das Ziel unserer Seminare ist die Sensibilisierung der Auszubilden-den für Arbeitssicherheit“, erklärt TAB Martin Schmidt (r.). Auch 2017 engagierte sich die BG ETEM wie-der bei der elektrotechnik-Messe.

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 Auf der großen Bühne der Messehalle 7 der Dortmunder Messe sieht es aus

wie auf einer Baustelle. Verschiedene Lei-tern, ein Gerüst, eine Mauernutfräse mit Entstauber, Trennschleifer, Bohrmaschi-nen, Leitungsroller, ein Baustromverteiler, eine Schaltanlage und unterschiedliche Persönliche Schutzausrüstungen sind zu sehen. Vor der Bühne sitzen erwartungs-voll etwa 900 junge Frauen und Männer, überwiegend Auszubildende aus den elektrotechnischen Handwerksberufen. In Zusammenarbeit von BG ETEM und dem Fachverband Elektro- und Informations-technische Handwerke Nordrhein-Westfa-len wird dieses Forum seit vielen Jahren genutzt, um angehenden Fachkräften Wis-sen zum sicherheitsgerechten Verhalten bei der Arbeit und zum Schutz ihrer Ge-sundheit mit auf den Weg zu geben.

Damit dies nicht „oberlehrerhaft“ wirkt, unterstützen Schüler des Robert-Bosch- Berufskollegs Dortmund das BG-Team. Zu-sammen mit den Technischen Aufsichts- beamten (TAB) Frank Hesper, Franz Wil-helm Schnittker und Martin Schmidt prä-sentieren sie selbst gedrehte Videoclips zu Gefährdungen auf Baustellen. So stel-

len sie z. B. passend zur aktuellen Diskus-sion staubarme Verfahren bei der Verwendung von Mauernutfräsen vor.

Ein weiteres Thema der Azubi-Präsenta-tion sind die Lärmgefährdungen bei der Arbeit mit elektrischen Handwerkszeu-gen. Die Schüler präsentieren auch hierzu Videoclips und – live auf der Bühne – die verschiedenen Arten von Gehörschützern. Darüber hinaus vermitteln sie ihren gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen anhand der vorhandenen Exponate die Prüfung von elektrischen Betriebsmitteln.

Ein weiterer Schwerpunkt des Unter-richts „von Azubis für Azubis“ war die si-chere Benutzung von Leitern. Auch mit diesen Arbeitsmitteln, die auf keiner Bau-stelle fehlen, ereignen sich durch falsche Benutzung immer wieder Unfälle. Dies ver-deutlicht auch der Aktionskünstler Udo Mandelkow, der die Auszubildenden dazu animiert, ihren Kollegen den richtigen Ge-brauch von Leitern zu vermitteln.

Unfallschwerpunkt Gerüst Als weiterer Unfallschwerpunkt werden von den insgesamt etwa 4.500 Berufs-schülerinnen und -schülern Gerüste, ins-

besondere Fahrgerüste, identifiziert. Dies wird seitens der BG ETEM durch aktuelle Unfallbilder untermauert. Anhand eines auf der Bühne aufgebauten Gerüsts wei-sen die BG-Mitarbeiter auf den sicheren Aufbau des Gerüsts nach der Anleitung des Herstellers hin. Zudem thematisieren die Akteure auf der Bühne die notwendige Gerüstfreigabe und die sichere Verwen-dung des Gerüstes. Denn ein Großteil der Unfälle ist auf das falsche Benutzen von Fahrgerüsten zurückzuführen.

Zu guter Letzt widmen sich die Schüler dem „Arbeiten an elektrischen Anlagen“. Auch hierzu haben sie verschiedene Videoclips vorbereitet. Um ihren Altersge-nossen die 5 Sicherheitsregeln zu ver- deutlichen, stellen sie zuerst Fehlermög-lichkeiten dar, um im Anschluss die rich-tige Vorgehensweise zu demonstrieren. Ergänzend zeigen die BG-Experten Bilder aus aktuellen Unfalluntersuchungen.

Als das Deckenlicht wieder aufleuchtet, sind viele nachdenkliche Gesichter zu se-hen. In angeregter Diskussion verlassen die meisten der etwa 20 Jahre alten ange-henden Elektrofachleute die Halle, um sich anschließend auf der Messe über ak-tuelle Marktentwicklungen und neueste Produkte zu informieren. Als kleines Dan-keschön für ihre konzentrierte Teilnahme am Sicherheitsseminar der BG ETEM er-halten alle Teilnehmerinnen und Teilneh-mer ein Zertifikat. Martin Schmidt

Wertvolle Aufklärung

Gleich fünfmal in nur drei Tagen leisteten Mitarbeiter der BG ETEM während der elektrotechnik 2017 für jeweils durchschnittlich etwa 900 Auszubildende wertvolle Auf-klärung in Sachen Arbeitssicher-heit. Bereits seit 1980 steht die BG ETEM während dieser Messe der Branche für Fragen zum Gesund-heitsschutz und zur Unfallpräven-tion zur Verfügung, zum 31. Mal mit speziellen Seminaren für Berufsan-fängerinnen und Berufsanfänger.

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Ergonomie Netzwerke

V on Erfahrungen profitieren Ergonomie spielt in immer mehr Betrieben eine Rolle. Doch wie das Thema angehen? Netzwerktreffen bieten die Chance zum informellen Austausch.

Netzwerke können Unternehmen dabei helfen, das Thema Ergonomie voranzubringen. Die BG ETEM macht jetzt ein Angebot dazu.

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 Gute Arbeitsplatzgestaltung hat mit Er-fahrungswissen zu tun. Vor dem Hin-

tergrund des demografischen Wandels spüren manche Unternehmen stärker als andere, dass sie ein größeres Augenmerk auf die ergonomische Gestaltung ihrer Ar-beitsplätze und -prozesse legen müssen. Ihr Ziel: mit der vorhandenen Belegschaft noch möglichst lange gut weiterarbeiten können.

Es gibt Unternehmen, die diese Erkennt-nis schon recht früh gewonnen haben. An-dere fangen gerade erst schrittweise an,

sich mit dem Thema Ergonomie zu be-schäftigen. Meist sind es größere Unter-nehmen, die das Thema Ergonomie mit mehreren Beschäftigten bearbeiten und diese im Laufe der Zeit entsprechend qua-lifiziert haben. Am Anfang dauert es, bis Strukturen und Geschäftsprozesse aufge-baut sind, um Ergonomie nachhaltig im Betrieb zu etablieren.

Oft starten Unternehmen mit einem Ergonomie-Einzelkämpfer. Dieser hat zu-nächst damit zu tun, sich eine Übersicht über den Handlungsbedarf zu verschaf-

fen. Anschließend gilt es, eine effiziente Arbeitsstrategie aufzubauen, um der Auf-gabe gerecht zu werden.

Einzelkämpfer Geht es schließlich um die Bewertung der Arbeitsplätze in der Fläche und die Umset-zung von Maßnahmen, brauchen Einzel-kämpfer oft weitere personelle Unterstüt- zung. Ist das Unternehmen auf verschie-dene Standorte verteilt, erscheint es sinn-voll, dort eigene Ergonomie-Experten zu qualifizieren und vergleichbare Strukturen und Prozesse zu etablieren.

In der Ergonomie ist es so, dass sich ähnliche Probleme oft mit ähnlichen Maß-nahmen lösen lassen. Nicht immer jedoch beseitigen die ersten Lösungsvorschläge die Probleme nachhaltig.

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Das gilt beispielsweise, wenn für be- reichsspezifische Aufgaben noch keine bewährten Lösungen existieren oder beschaffte Arbeitshilfsmittel sich als un-geeignet erweisen und von den Beschäf-tigten nicht angenommen werden. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zwi-schen den beteiligten Akteuren ist daher sinnvoll und kann über den Wissenstrans-fer und die Vernetzung mittelfristig auch zu Kosteneinsparungen führen.

Informeller Austausch Gerade Unternehmen, die am Anfang ei-nes strukturierten Ergonomie-Manage-ments stehen und das Thema erst mit wenigen Personen bearbeiten, haben oft Bedarf, sich informell mit erfahrenen Er-gonomie-Spezialisten zu vernetzen. Diese trifft man unter anderem auf einschlägigen Messen und Tagungen. Andererseits bie-ten diese Veranstaltungen wenig Gelegen-heit, auf eigene Problemstellungen tiefer einzugehen. Hierfür bietet es sich an,

wenn unabhängige Interessengruppen ein solches Netzwerktreffen organisieren: Das Thema Ergonomie ist in der Regel kein Wettbewerbsfeld der beteiligten Akteure, ein unternehmensübergreifender Erfah-rungsaustausch hilft den Betrieben eher als er schadet.

Ein solches Netzwerktreffen wurde bei-spielsweise in den Jahren 2007–2013 vom Institut für Arbeitswissenschaft der TU Darmstadt (IAD) unter der Bezeichnung „AutoErg“ organisiert, einem „Automobil-spezifischen Arbeitskreis Ergonomie“. Bei jedem Treffen war ein Unternehmen aus dem Teilnehmerkreis Gastgeber, das ne-ben Räumlichkeiten und Technik auch eine Führung durch die Produktion angeboten hat. Die Interessenten tauschten sich vor Ort zu verschiedenen Themen wie „Weiße Felder in der Ergonomie-Bewertung“ oder „Analyse von Aktionskräften in der Ferti-gung“ aus. Außerdem wurden verschie-dene Aspekte der Arbeitsplatzgestaltung diskutiert.

Das IAD wird dieses Netzwerk wieder aufleben lassen, um aktuelle ergonomi-sche Fragestellungen, z. B. digitalisierte Vernetzung in der Produktion (Industrie 4.0) und ihre Auswirkung auf die Arbeitsprozesse und die Menschen aus dem Blickwinkel der Arbeitswissenschaft mit industriellen Partnern zu erörtern. Weitere Informationen dazu sind unter www.autoerg.net verfügbar.

Angebot der BG ETEM Im Rahmen der Messe A+A 2017 plant die BG ETEM erstmals ein solches Ergonomie- Netzwerktreffen auch speziell für ihre Mit-gliedsunternehmen anzubieten. Ziel ist es, betrieblichen Akteuren der Ergonomie eine Plattform zu bieten, auf der sie sich mit anderen Ergonomie-Spezialisten austau-schen können.

Es besteht die Möglichkeit, in einem Kurzvortrag von 20 Minuten auf drei Fo-lien einen eigenen konkreten Beitrag zu leisten: eine Folie zur Vorstellung des Un-ternehmens, eine Folie zu einem aktuel-len Good-Practice-Beispiel sowie eine Folie mit einem noch nicht gelösten Prob-lem. Das kann in der verbleibenden Zeit im Teilnehmerkreis diskutiert werden.

Im Nachgang der Veranstaltung werden die gezeigten Inhalte strukturiert aufbe-reitet. Dadurch soll einerseits ein Ideen-katalog mit den bewährten Lösungen

aufgebaut werden. Andererseits können über die Sammlung der noch nicht gelös-ten Probleme gegebenenfalls weitere strategische Handlungsfelder aufgezeigt werden.

Über die Möglichkeit, sich mit anderen Akteuren der Ergonomie zu vernetzen, kon-krete Lösungsimpulse zu geben und mitzu-nehmen, sowie die mittelfristige Struk- turierung von Erfahrungswissen spricht die Veranstaltung sowohl Einsteiger in der Er-gonomie als auch erfahrene Anwender an. Wenn Sie sich für die Teilnahme am Netz-werktreffen interessieren, können Sie sich für Vorabinformationen per Mail mit dem Betreff „Ergonomie-Netzwerktreffen“ an [email protected] wenden.

Torsten Wagner

Best Practice

Konferenz und Wettbewerb Das Unternehmen Continental hat sich 2006 dem Thema Ergonomie angenommen. Ein Grund dafür war der demografische Wandel. Mittler-weile hat Continental Ergonomie- Strukturen und -Prozesse in ver-schiedenen Unternehmensberei-chen etabliert. Das Unternehmen veranstaltet drei regionale Netz-werktreffen sowie ein nationales Ergonomie-Netzwerktreffen im Jahr. Das nationale Treffen mit rund 100 Teilnehmern steht unter einem be-stimmten Motto: 2016 ging es bei-spielsweise um den Zusammen- hang zwischen Ergonomie und Qualität. Der Grund: Nach Erfah-rung der Continental-Mitarbeiter kann schlechte Ergonomie auch Produktfehler begünstigen und da-mit zu vermeidbaren Nacharbeits-kosten führen. Ein Wettbewerb der Good-Practice-Beispiele rundete das Netzwerktreffen ab, zu dem die Teilnehmer Beiträge aus ihren Be-reichen einreichen konnten. Diese wurden anschließend bewertet und prämiert. 2017 wird es bei Continental eine Internationale Netzwerkkonferenz geben, die die nationale ersetzt – ein Zeichen dafür, dass sich das Konzept bewährt hat.

betrieb & praxis

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Lichtbogenunfall

Unter Spannu ng gearbeitet Ein Beschäftigter arbeitet an einer Kammschiene. Er missachtet die fünf Sicherheitsregeln. Es kommt zum Unfall.

 Die Elektrofachkraft einer Elektrofirma soll am Nachmittag in einem Steue-

rungsraum eines Unternehmens eine Fun-kenlöschanlage installieren. Bereits am Vormittag führt der Beschäftigte die vor-bereitenden Arbeiten durch. Für die wei-tere Ausführung war dann die Mithilfe einer Elektrofachkraft einer anderen Elek-trofirma vor Ort erforderlich.

Unfallhergang Nachdem der Beschäftigte mit der Vorbe-reitung fertig war, nutzte er die verblei-bende Zeit, um die an beiden Enden der Kammschiene angebrachten Isolierbän-der durch die dafür vorgesehenen End-kappen zu ersetzen. Diese isolieren die drei vorhandenen Kupferschienen am Ende.

Als Erstes ersetzte er das Isolierband auf der linken Seite. Anschließend sollte dies auf der rechten Seite erfolgen. Da der Platz auf dieser Seite der Kammschiene durch einen Kabelschacht beengt war, drückte der Beschäftigte die Endkappe mithilfe eines Schraubendrehers an die Kammschiene. Dabei berührte er mit der Spitze des Werkzeugs das Ende der Schiene. Da der Bereich nicht spannungs-frei geschaltet war, kam es zu einer Licht-bogenzündung zwischen zwei Außen-leitern innerhalb der Kammschiene. Der Lichtbogen „wanderte“ weiter in Richtung Fehlerstromschutzschalter.

Nach der Untersuchung des Fehler-stromschutzschalters und weiterer Be-triebsmittel durch die Prüfstelle der BG ETEM konnten der Unfall sowie dessen Schwere erklärt werden. Durch die sehr niederohmige Verbindung zur Einspei-sung aufgrund des geringen Abstandes zur Einspeisung wird ein steiler Stroman-stieg die Folge gewesen sein. Dieser führte zu einem hohen Temperaturan-stieg. Es kam zu einer explosionsartigen Zerstörung des Fehlerstromschutzschal-

ters. Der darin befindliche Summenstrom-wandler und die Abdeckung wurden fortgeschleudert.

Der Lichtbogen im Fehlerstromschutz-schalter bestand, bis kein Kupfer mehr vorhanden war. Der Beschäftigte erlitt dabei erhebliche Verbrennungen im Ge-sicht und an der Hand.

Ursache der Unfallschwere Der im Schaltschrank eingebaute Fehler-stromschutzschalter hatte einen Be-messungsdifferenzstrom von 30 mA, der Bemessungsstrom ist mit 40 A angege-ben. Der Hersteller schreibt für diesen Fehlerstromschutzschalter eine Vorsiche-rung von maximal 100 A vor – einen Back-up-Schutz (Anforderung nach VDE0664-10 Beiblatt 1 und VDE0100-100 Errichten von Niederspannungsanlagen allgemei-ner Teil).

Eine für diesen Fehlerstromschutz-schalter entsprechende Vorsicherung war

nicht vorhanden. Die Versorgungsleitung der Schaltanlage war direkt an der Trafo- station (maximale Leistung 1000 kVA) an-geschaltet. Für eine Phase waren je zwei Sicherungssysteme NH3 (500 A) einge-baut (Bemessungsbetriebsstrom für eine Phase 1000 A). Sie lösten in diesem Fall nicht aus.

Peter Bryner schreibt in seinem Beitrag „Eine spannende Aufgabe“ in der Fach-zeitschrift „Elektrotechnik“ 10/14 (S. 3): „Unter dem Back-up-Schutz versteht man das Zusammenwirken von zwei aufeinan-der abgestimmten in Serie geschalteten Überstrom-Schutzeinrichtungen an Stel-len, an denen ein Gerät im Schadensfall den zu erwartenden Kurzschlussstrom al-lein nicht zu schalten vermag.

Eine geeignete Schutzeinrichtung als Back-up-Schutz muss zusätzlich vorhan-den sein, wenn der unbeeinflusste Kurz-schlussstrom am Einbauort das Bemes- sungsschaltvermögen der nachgeschal-teten Überstrom-Schutzeinrichtung über-steigt. Die Grenzwerte für den Back-up- Schutz wie auch für die Selektivität sind den Herstellerangaben zu entnehmen.

Tritt ein entsprechend hoher Kurz-schlussstrom auf, entlastet die vorge-

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Die Kammschiene (vorne) mit den darin enthaltenen drei Kupferschienen. Hier sollte die Endkappe mithilfe des Schraubendrehers angebracht werden.

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schaltete Überstrom-Schutzeinrichtung die nächstliegende nachgeschaltete und verhindert so deren übermäßige Bean-spruchung. Die vorgeschaltete Schutzein-richtung muss über ein ausreichendes Schaltvermögen verfügen. Dieses wird gewährleistet, indem

1. die nachgeschaltete Überstromschutz- einrichtung die Anforderungen an das Kurzschlussschaltverhalten bei allen Überströmen bis zum Kurzschlussaus-schaltvermögen der Kombination erfüllt.

2. der Übernahmestrom IB nicht größer ist als das Bemessungsschaltvermögen der Schutzeinrichtung, für die der Back-up-Schutz erforderlich ist.

Der Übernahmestrom IB ist der Strom im

Schnittpunkt der jeweils oberen Aus-schaltstromkennlinie von zwei Überstrom-schutzeinrichtungen in Reihe. Wenn für die Kombination ein Schaltvermögen an-gegeben wird, welches größer ist als das Schaltvermögen der Schutzeinrichtung für den Back-up-Schutz, muss durch ge-eignete Maßnahmen die Gefahr eines Kurzschlusses in der Verbindung zwi-schen den Geräten durch eine kurz-schlusssichere Verlegung auf ein Minimum reduziert werden.“

Die fehlende Vorsicherung war im vor-liegenden Fall nicht die eigentliche Unfall- ursache, hätte jedoch das Ausmaß des Schadens erheblich reduzieren können.

Unfallursache Ursache des Unfalls war das nicht er-laubte Arbeiten an unter Spannung stehenden aktiven Teilen. Mit dem Heran-führen des Schraubendrehers an das rechte Ende der unter Spannung stehen-den Kammschiene wurde in die Gefahren-zone eingedrungen. Der Verunfallte unterschätzte die Gefahr und wandte die fünf Sicherheitsregeln für diese Tätigkeit nicht an.

Das Arbeiten unter Spannung war für diese Arbeit nicht erforderlich.

Eine Gefährdungsbeurteilung des Be-triebs untersagt generell die Arbeiten un-ter Spannung. Eine Ausnahme wurde durch den Unternehmer nicht erteilt. Die Arbeitsschutzunterweisungen wurden durchgeführt und dokumentiert – DGUV Vorschrift 3 § 6 (1) und (2).

Sicherheitsregeln und Unterweisung Die Anwendung der fünf Sicherheitsre-geln hätte den Unfall verhindert. Dazu müssen die Beschäftigten die Gefährdun-gen erkennen und einschätzen können. Im nächsten Schritt sind die entsprechen-den Schutzmaßnahmen zu treffen.

Durch Arbeitsschutzunterweisungen sind die Beschäftigten im Betrieb auf die Gefahren und die daraus abgeleiteten Schutzmaßnahmen aufmerksam zu ma-chen. Sie müssen mindestens einmal jährlich bzw. bei Jugendlichen bis 18 Jah-ren mindestens halbjährlich durchgeführt werden. Dadurch sollen die Beschäftigten die Gefahren bei ihren durchzuführenden Arbeiten erkennen und die in den Arbeits-schutzunterweisungen angesprochenen Maßnahmen anwenden.

Erkenntnis Der Unfall zeigt, wie wichtig es ist, die fünf Sicherheitsregeln auch bei „kleinen Ar-beiten“ anzuwenden. Anstelle des Schrau- bendrehers hätte auch ein leitfähiges Metallteil, zum Beispiel eine Schraube, einen Lichtbogen auslösen können.

Andreas Zitzelsberger

→ info ▪ DGUV Information 203-001 „Sicherheit bei Arbeiten an elektrischen Anlagen“ (MB 006)

▪ Broschüre „Unterweisen in der Elektrotechnik“ (PU 008)

„Nachweisbuch über Arbeitsschutz-Un-terweisungen“ (S 013)

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Die fünf Sicherheitsregeln

1. Freischalten 2. Gegen Wiedereinschalten

sichern 3. Spannungsfreiheit allpolig

feststellen 4. Erden und kurzschließen 5. Benachbarte, unter Spannung

stehende Teile abdecken oder abschranken

Die fünf Sicherheitsregeln sollen bei Arbeiten an elektrischen Anlagen von oben nach unten angewandt und in umgekehrter Reihenfolge wieder aufgehoben werden.

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Verbrannt: Viel ist nach dem Lichtbogen nicht mehr vom Fehlerstromschutzschalter übrig.

Die Kupferschienen sind untereinander isoliert und verteilen die drei Phasen auf die nachfol-genden Leitungsschutzschalter.

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gesundheit

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Altersgerechtes Arbeiten

Mit der Zeit denken Unternehmen im Spannungsfeld zwischen zunehmendem Alter ihrer Beschäftigten und sich ändernden Arbeitsanforderungen: Damit sich dies für beide Seiten positiv auswirkt, sind eine langfristige Personalplanung und ein konsequenter Gesund-heitsschutz nötig, sagt der Arbeitsschutzexperte Prof. Heinrich Geissler.

 Menschen verändern sich im Verlauf ihres Lebens – körperlich, geistig,

psychisch und sozial. Das umfasst die ganze Bandbreite der Persönlichkeit: von der Zunahme beruflicher Routine und Sozi-alkompetenz bis zu einer verringerten kör-perlichen Leistungsfähigkeit. Gleichzeitig verändern sich Tätigkeitsanforderungen, z. B. durch den Einsatz neuer Techniken, bei der Entwicklung neuer Produkte oder Dienstleistungen, bei Modifikationen der Ablauforganisation etc. „etem“ hat dazu den international renommierten Experten und Unternehmensberater Prof. Heinrich Geissler befragt.

? Was verändert sich im Altersprozess so, dass es für die Beschäftigten kritisch werden kann?

Prof. Heinrich Geissler: Ich sehe vier Aspekte: Erstens körperlich belastende Tätigkeiten, wie schwere körperliche Ar-beit, Heben und Tragen von Lasten, Zwangshaltungen oder auch kurzzyklische Tätigkeiten. Denn trotz sportlichem Trai-ning verringert sich die körperliche Leis-tungsfähigkeit eines Menschen. Zweitens die zeitlichen Dimensionen der Arbeit: Wechsel- und vor allem Nachtschichtar-beit, eine hohe Zahl von regelmäßigen Überstunden und Urlaubsrückstände, ins-besondere bei Älteren. Drittens die psy-chischen Belastungen: Hier sind es vor allem der Zeitdruck oder hohe bzw. starre Leistungsvorgaben. Und viertens belas-tende Umgebungsbedingungen: Denn mit dem Alter wird Umgebungslärm belasten-der, weil wir schlechter hören. Aber auch

unsere Hitze- und Kälteverträglichkeit nimmt ab und wir brauchen mehr Licht, weil sich unsere Sehfähigkeit verändert.

? Die Digitalisierung der Arbeit schrei-tet weiter und schneller fort. Wie sieht es mit der Lernfähigkeit Älterer aus? Ich unterscheide zwei Dimensionen: die Lernfähigkeit und die Lerngeschwindig-keit. Nur die Lerngeschwindigkeit nimmt ab. Wenn es um neue IT-Programme geht, ist es nicht sinnvoll, unterschiedliche Al-tersgruppen zusammen zu unterrichten, weil die Älteren langsamer sind.

Wenn es um EDV geht, dann wäre ab 50 Jahren Einzelunterricht angesagt, weil wir mit dem Alter zunehmend individuellere Lernmuster haben. Wenn es allerdings um die Weitergabe von Erfahrungswissen

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Das Altern verändert unsere Persönlichkeit: Die Sozialkompetenz und Routine nehmen zu, die körperliche Leistungsfähigkeit sinkt.

geht, sollte das generationenübergrei-fend stattfinden.

? Wenn der Altersprozess so verläuft, wie Sie sagen: Ist es dann sinnvoll, dass die meisten Arbeitsanforderungen für alle Altersgruppen gleich sind? Sie sprechen ein wichtiges Problem an: Eigentlich bräuchten wir, um die Produkti-vität der unterschiedlichen Generationen voll zu nutzen, so etwas wie „mitalternde Arbeitsbedingungen“. Nicht immer wird in den Unternehmen (rechtzeitig) darauf geachtet, ob Person (individuelle Kapazi-täten im Lebensverlauf) und Arbeit gut zusammenpassen. Beides ist – in Gren-zen – beeinflussbar: Jüngere Beschäftigte brauchen Zeit und Unterstützung beim Einstieg in die Tätigkeiten, bis ein ausrei-chendes Maß an routinierter Sicherheit in der eigenständigen Ausführung der Arbei-ten gegeben ist. Bei beruflichen Entwick-lungen, z. B. anderen Tätigkeiten oder Umstiegen in andere Positionen, sind neue Herausforderungen zu bewältigen. Manche Tätigkeiten lassen sich bis zum

Renteneintritt ausführen, andere sind mit zunehmendem Alter oder mit der Dauer einer bestimmten Belastung schwierig. Dann sind rechtzeitig Entlastungen, z. B. durch Entlastungstage für Ältere oder be-rufliche Umstiege, entsprechend dem in-dividuellen Arbeitsvermögen notwendig, um einen vorzeitigen, ungeplanten Aus-stieg wie etwa Frühverrentung aufgrund von Erwerbsminderung zu vermeiden.

? Wo kann man ansetzen, was kann man tun, um die demografischen Heraus-forderungen möglichst produktiv zu be-wältigen? Ich sehe vor allem drei Ansatzpunkte:

▪ den Arbeits- und Gesundheitsschutz, ▪ die Organisations- und Personalent-wicklung und

▪ die Aufgaben der Führung im demografi-schen Wandel.

Beim Arbeits- und Gesundheitsschutz setze ich voraus, dass es eine ganzheitli-che Gefährdungsbeurteilung gibt – also unter Einbeziehung der psychischen Be-lastungen. Es ist sinnvoll, dass diese Ge-fährdungsbeurteilung auch unter Alters- gesichtspunkten erfolgt – wie dies z. B. im österreichischen Arbeitsschutz bereits vorgeschrieben ist. Darüber hinaus geht es darum, einerseits die Fähigkeit der Be-schäftigten zu erhöhen, ihre körperliche und psychische Gesundheit zu beobach-ten. Gleichzeitig sollten Unternehmen über rein korrigierende Maßnahmen hin-ausgehen und stärker auf Früherkennung setzen. Dafür gibt es Instrumente für die Präventivdienste (Arbeitsmedizin, Sicher-heitstechnik, Arbeitspsychologie), z. B. das individuelle Arbeitsbewältigungs-Coaching und die anonymisierte Auswer-tung dieser Ergebnisse für die betriebli-che Ebene (siehe „info“).

In der Organisations- und Personalent-wicklung geht es darum, über mitalternde Arbeitsbedingungen bei alterskritischen Tätigkeiten nachzudenken oder in sehr „jungen“ Bereichen, ob man in diesen Be-reichen alt werden kann. In Montage- linien zum Beispiel ist zu fragen, ob die Takte so sind, dass sie von allen Alters-gruppen leistbar sind. Dabei geht es auch darum, sich mit betrieblichen Mythen auseinanderzusetzen – beispielsweise dem, dass „die Älteren keine Bereit-schaftsdienste machen wollen“. In der Praxis hat sich etwa nach einem Gespräch mit einem Älteren herausgestellt, dass Bereitschaft bedeutet, sich nicht weiter

als 20 Kilometer vom Standort entfernen zu dürfen, aber das Sommerhaus über 100 Kilometer entfernt ist. Die Lösung wa-ren in diesem Fall Bereitschaftsdienste nicht von Montag bis Montag, sondern von Montag bis Donnerstag (unter Beteili-gung der Älteren) und Freitag bis Montag (für Personen ohne Sommerhäuschen).

Meine Erfahrung ist außerdem, dass Führungskräfte zu wenig über die Zusam-menhänge von Alter(n), Arbeit und Ge-sundheit wissen. Eine entsprechende Qualifizierung ist daher erforderlich. Da- rüber hinaus haben relativ wenige Unter-nehmen eine Altersstrukturvorschau für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Wenn es in der Produktion auch Nachtschichten gibt, ist es wichtig zu wissen, wie sich die Altersstruktur in diesen Bereichen entwi-ckeln wird. Denn mit dem Alter steigt das Risiko für Unverträglichkeiten von Nacht-arbeit. Und: Wenn Führungskräfte ein wertschätzendes Verhalten gegenüber ih-ren Mitarbeitern zeigen, fördern sie deren Gesundheit. Denn für die Beschäftigten stellt sich die Frage so: Stärkt mir die Füh-rungskraft den Rücken? Oder sitzt sie mir im Nacken?

Fazit 1. Mit zunehmendem Alter geht es um kör-

perliche Entlastung. 2. Wir können mit zunehmendem Alter

mehr soziale, geistige und psychische Herausforderungen brauchen – mit ei-ner Ausnahme im psychischen Bereich: Zeitdruck.

3. Die individuellen Unterschiede in der Leistungsfähigkeit wachsen: Ältere sollten deshalb mehr Wahlmöglichkei-ten für die Bewältigung ihrer persönli-chen Arbeitsbelastung bekommen.

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Prof. Dr. Heinrich Geissler, Jg. 1952, ist selbstständiger Berater mit den Schwerpunkten „Gesundheitsför- dernde Führung“ und „Generationen- Management“.

→ info Eine Broschüre der von Bund, Ländern, Sozialversicherungen und Sozialpartnern getragenen Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) steht zur Verfügung unter www.inqa.de, Suche „Arbeitsbewälti-gungs-Coaching“ (INQA-Bericht Nr. 38)

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Zielvereinbarungen

Da s richtige Maß finden Zielvorgaben statt Anweisungen. Das rückt ein neues Phänomen ins Blickfeld: die „interessierte Selbstge-fährdung“. Beschäftigte setzen das Erreichen der Ziele über ihre eigene Gesundheit. Als Unternehmer können Sie das beeinflussen.

Ausgangslage Innerhalb von nur zehn Jahren ist die Zahl derjenigen, die wegen einer psychischen Erkrankung in die Reha mussten oder in Rente gingen, um mehr als 40 Prozent ge-stiegen. Die Deutsche Rentenversiche-rung zählte 2015 knapp 177.000 stationäre medizinische Rehabilitationsleistungen und 173.000 neue Erwerbsminderungs-rentner wegen psychischer Störungen.

Andreas W. ist einer von ihnen. 14-Stun-den-Tage waren für den früheren Abtei-lungsleiter normal, ständige Erreichbarkeit – auch im Urlaub – gehörte dazu. Schließ-lich bekam der 58-Jährige gesundheitliche Probleme: Rückenschmerzen, Herzbe-schwerden, eine Autoimmunerkrankung. Erst eine psychosomatische Reha brachte die Wende. Hier fand W. eine Antwort dar-auf, warum er mit dem Stress nicht mehr klarkam. Und er lernte, krank machende Denk- und Verhaltensmuster zu ändern.

Wieso geraten Menschen aus der Ba-lance? Und wie kommen solche Verhal-tensmuster zustande?

Analyse Arbeitsverdichtung, Produktivitätssteige-rung, ständige Erreichbarkeit – es gibt viele Schlagworte, mit denen Veränderungen in der Arbeitswelt beschrieben werden. „Sie haben sicher alle ihre Berechtigung“, sagt Dr. Just Mields, Arbeitspsychologe bei der BG ETEM, „doch wesentliche Risikofakto-ren können wir selbst beeinflussen – vor allem als Unternehmer.“

Basierend auf Konzepten wie „Manage-ment by Objectives“ setzt sich mehr und mehr eine ergebnisorientierte Steuerung anstelle von klassischen Vorgaben durch. Beschäftigte bekommen nicht länger die Anweisung, eine einzelne Aufgabe zu er-füllen. Sie sollen vielmehr ein bestimmtes Ziel erreichen – und das gilt bei Weitem nicht nur für Führungskräfte.

Die Idee dahinter ist einleuchtend: Wer eigenverantwortlich entscheiden kann, wie er sein Ziel erreicht, ist motivierter und arbeitet letztlich effizienter. Davon profitie-ren sowohl das Unternehmen – durch ge-ringeren Kontrollaufwand – als auch die Beschäftigten. Sie sind zufriedener, fühlen sich weniger unterfordert und lernen durch die Eigeninitiative stärker hinzu.

Doch es gibt auch eine Kehrseite. Ar-beitspsychologen weisen darauf hin, dass eine ergebnisorientierte Steuerung auch Risiken für die Beschäftigten birgt – beson-ders wenn sie mit geringen Handlungs- und Entscheidungsspielräumen zusam-menfällt. Arbeiten zu müssen wie ein Selbstständiger, aber nicht über dessen Freiräume zu verfügen, stellt eine Belas-tung dar, die viele Menschen aus der Ba-lance bringt. Sich verantwortlich zu fühlen, ohne tatsächlich Einfluss zu haben, wird als Ohnmacht erlebt. Auf lange Sicht führt es nicht selten zu körperlichen oder psy-chischen Beeinträchtigungen.

„Ein weiterer Risikofaktor besteht da-rin, dass eine erbrachte Leistung allein nicht mehr ausreicht, Anerkennung zu fin-

den“, erklärt Dr. Just Mields. „Manche er-leben das als Kränkung und haben das Gefühl, in ein Loch zu fallen – insbeson-dere dann, wenn sie alles getan haben, um das Ziel zu erreichen.“

Wissenschaftler sprechen davon, dass auf diese Weise „die Leistungsdynamik von Selbstständigen in unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse“ importiert werde (Klaus Peters: Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung, 2011). Zu den Folgen kann auch gehören, dass abhängig Beschäftigte um des Erfolgs wil-len ähnlich wie manche Selbstständige zur Selbstausbeutung neigen. „Das Errei-chen von Zielen wird dann über den Erhalt der eigenen Gesundheit gesetzt“, so Mields. Im Extremfall verinnerlichen Be-schäftigte ihre Ziele auch ohne direkten Druck ihrer Vorgesetzten so, dass sie Pro-zessvorgaben und Regeln missachten, um ihren Erfolg nicht zu gefährden.

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Die Zunahme psychischer Belastungen auch aufgrund ergebnisorientierter Ziel-vorgaben heißt nicht, dass Zielvereinba-rungen grundsätzlich gesundheitsgefähr- dend sind. Im Gegenteil: Wenn sie gut vereinbart wurden und Handlungsspiel-räume eröffnen, wirken sie sich positiv aus – sowohl für die Beschäftigten wie für das Unternehmen.

Maßnahmen Unternehmen haben ein Interesse am Er-halt der Gesundheit ihrer Beschäftigten. Gut gestaltete Zielvereinbarungen können dazu beitragen. „Entscheidend ist“, so Mields, „dass Ziele in einem konstrukti-ven Dialog auf Augenhöhe formuliert wer-den und auch die persönlichen Ziele der Beschäftigten berücksichtigen.“ Es liegt also in der Verantwortung des Unterneh-mers, Ziele so zu gestalten, dass sie ihre positive Wirkung entfalten können.

Es kommt dabei weniger auf die konkre-ten Ziele an, sondern darauf, ob der Ziel-vereinbarungsprozess als fair erlebt wird. Das erfordert ausreichend Handlungs-spielraum für die Beschäftigten, qualifi-zierte Führungskräfte und die Bereitschaft, sich auf allen Führungsebe-nen flexibel auf Veränderungen einzustel-len – durch Ressourcensteuerung oder die Anpassung der Zielvorgaben.

Ausgangspunkt sind die übergeordne-ten Ziele des Unternehmens und eine fun-dierte Einschätzung, welcher Beitrag von dem Mitarbeiter erwartet wird und was unter Normalbedingungen erreichbar ist. Aber auch Entwicklungsziele und -Chan-cen dürfen Teil der Vereinbarung sein. Die Ziele sollten von Zeit zu Zeit angepasst werden, etwa wenn ein verändertes Markt- umfeld bisherige Vorgaben infrage stellt.

Dazu Mields: „Auf diese Weise können Unternehmerinnen und Unternehmer

auch unrealistische Zielvorschläge von Beschäftigten, Teams oder Vorgesetzten rechtzeitig auf ein vernünftiges Maß stut-zen – und so den langfristigen Unterneh-menserfolg sichern.“

Mit einer entsprechenden Betriebsver-einbarung kann der Weg dazu geebnet werden.

Darüber hinaus können Unternehmer gesundheitsgefährdenden Tendenzen ge-gensteuern, indem eine gesundheitsför-derliche Kultur aufgebaut wird. In der kann man ohne Ansehensverlust zu seinem Chef gehen und sagen, dass man eine Auf-gabe nicht bewältigt. Die Führungskräfte fragen nach, wie sie unterstützen können. Probleme und Fehler werden offen ange-sprochen und es wird nicht nach Schuldi-gen, sondern nach Lösungen gesucht.

Schließlich sind Unternehmerinnen und Unternehmer selbst Vorbild, indem sie ihrer Gesundheit Vorrang einräumen.

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Lösungsworkshop psychische Belastung

Mit Leichtigkeit zum Ziel Ein Workshop zur psychischen Belastung in einem niederrheinischen Unternehmen zeigt, wie ein konstruktiver Austausch mit Beschäftigten gelingt.

Workshop-Moderatorin Kathrin Lübbering stellt die Ergebnisse der Online-Befragung vor.

 Die Beurteilung der psychischen Be- lastung bietet Betrieben die Chance,

Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Produktivität zu steigern. Häufig helfen schon einfache Maßnahmen, um stress-freier arbeiten zu können, etwa transpa-rente Kommunikationswege, ergonomische Arbeitsmittel oder klare Kompetenzen- und Aufgabenverteilung. Am einfachsten ge-

langen Unternehmen zum Ziel, wenn sie die Beschäftigten nach ihren Ideen fragen.

Die BG ETEM hilft mit ihrem Programm „Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedin-gungen“, den Wissensschatz im Betrieb zu heben. Seit Anfang des Jahres bietet sie Mitgliedsbetrieben eine Onlineplatt-form, die in sieben Schritten durch die Beurteilung der psychischen Belas-

tung führt (siehe info). Im Zentrum des Programms steht der Dialog mit den Be-schäftigten. So zeigt eine Online-Befra-gung, wo der größte Handlungsbedarf ist. Darauf folgt ein Lösungsworkshop, um gezielt Maßnahmen zu finden, die später Verantwortliche nur noch umzuset-zen brauchen. Wirksamkeitskontrolle und Dokumentation runden den Prozess ab. Dr. Just Mields, Arbeitspsychologe bei der BG ETEM, erläutert: „Für den Erfolg ist die Gestaltung des Prozesses entscheidend. Daher haben wir besonderen Wert auf eine gut nachvollziehbare Handlungs- anleitung gelegt.“

Wo drückt der Schuh? Die PINTSCH BAMAG Antriebs- und Ver-kehrstechnik GmbH hat sich genau dieses Werkzeug zunutze gemacht. Das Unternehmen aus Dinslaken produziert mit rund 230 Beschäftigten sicherheits- relevante Produkte für die Bahninfra-struktur und legt traditionell großen Wert auf sichere und gesunde Arbeit. Schon die Online-Befragung rief im Betrieb ein positives Echo hervor, viele beteiligten sich. Daran knüpften Workshops für verschiedene Bereiche an, unter anderem für die Logistik, wo sich schnell elf Frei- willige fanden. Personalreferentin Kathrin Lübbering entschied, selbst zu moderieren.

Zu Beginn des vierstündigen Work-shops macht sie deutlich: „Es geht um Ihre Arbeitssituationen. Was macht Stress? Was macht Druck? Wir wollen unsere Arbeitsbedingungen gemeinsam verbessern.“ Die Teilnehmer können ganz offen sprechen, ihr Vorgesetzter ist nicht anwesend. Was sie ihm später mitteilen

Die Gruppe diskutiert verschiedene Lösungsansätze.

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wollen, werden sie am Ende des Work-shops vereinbaren.

Blick fürs Detail Die Online-Befragung hat bereits ver-schiedene Belastungsfaktoren offenbart. Kathrin Lübbering stellt die Ergebnisse am Flipchart vor. Nun geht es darum, zu bewerten, wo der Schuh am meisten drückt. „Was sagen Sie zu dem Ergebnis? Was ist positiv? Wo muss Ihrer Meinung nach genauer hingeschaut werden?“ Immerhin liegt keiner der genannten Faktoren im „roten Bereich“, aber die Teilnehmer sehen an einigen Stellen durchaus Handlungsbedarf. Um Schwer-punkte zu setzen, bekommt jeder vier Klebepunkte, mit denen er die wichtigs-ten Themen markieren soll. So zeichnen sich drei Schwerpunkte ab: Information und Mitsprache, passende mengen-mäßige Arbeit und persönliche Entwick-lungsmöglichkeiten.

Jetzt soll es konkret werden: Dazu sucht die Gruppe zunächst geeignete Situatio-nen, in denen die Schwerpunktthemen ins Gewicht fallen. Jeder soll mindestens eine typische Situation auf eine Modera- tionskarte schreiben. Kathrin Lübbering klebt die Beschreibungen für alle gut sichtbar an Pinnwände.

Auf Lösungssuche Um herauszufinden, wie sich die Pro-bleme lösen lassen, schließen sich die Teilnehmer zu Kleingruppen von je drei bis vier Personen zusammen. Jede Gruppe nimmt sich einen Fall vor, den sie anhand

von drei Leitfragen untersucht. Die jewei-ligen Antworten sollen auf farblich unter-schiedlichen Karten notiert werden:

Gelb bedeutet: Was kann ich selbst (als Mitarbeiter) tun?

Rot steht für: Was kann unser Team tun?▪

Blau heißt: Was kann die Führung tun? ▪

Währenddessen hört Kathrin Lübbering immer wieder kurz in die verschiedenen Diskussionsrunden hinein und ist für Fra-

gen ansprechbar. Nach einer dreiviertel Stunde sind die Pinnwände voll mit Ideen. Nun kommen alle wieder zusammen, um gemeinsam die Vorschläge zu bewerten. Ein Teilnehmer aus jeder Gruppe präsen-tiert, was erarbeitet wurde. Die anderen haben Gelegenheit, Fragen zu stellen. Kurze Diskussionen schließen sich an.

Wie geht es weiter? Alle sind am Ende überzeugt, zusammen genau die Ideen herausgefiltert zu haben, die der Betrieb am dringendsten braucht. Im Zentrum stehen konkrete Vorschläge, wie sich Informationswege verbessern und Beschäftigte intensiver beteiligen lassen. Die Gruppe beschließt, dass drei

Teilnehmer die Lösungsideen dem Vor- gesetzten vorstellen. „Woran wird man er-kennen, dass die Umsetzung einer Idee erfolgreich war?“, will Kathrin Lübbering zum Abschluss wissen. Das möchten die Beschäftigten gemeinsam mit dem Vorgesetzten beraten. Sie sprechen sich dafür aus, den Lösungsworkshop in der gleichen Form nach einem Jahr erneut durchzuführen. Zum Einstieg wollen sie dann über Wirkung und Erfolg der vorge-schlagenen Maßnahmen diskutieren.

→ info Mehr zum Programm „Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedingungen“ unter www.bgetem.de, Webcode 16159180

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„Alle intensiv einbeziehen“ Personalreferentin Kathrin Lübbering hat einen Lösungsworkshop moderiert und zieht Bilanz.

Warum hat sich Ihr Unternehmen für die Kombination von Fragebogen und Lösungsworkshop entschieden? Bei Fragestellungen rund um psychi-sche Belastung ist es besonders wichtig, die Beschäftigten intensiv einzubeziehen. So fühlt sich jeder angesprochen und kann sich beteili-gen. Durch den Fragebogen sind die Problemschwerpunkte schon be- kannt, was die Arbeit im Workshop erleichtert.

Welche Lösungen wurden bereits umgesetzt? Im Logistikbereich ist eine wöchentli-che Abteilungsbesprechung eingeführt worden. Die sorgt jetzt für besseren Informationsaustausch unter den Kollegen.

Wie sieht die Wirksamkeitskontrolle aus? Es wird eine weitere Besprechung mit voraussichtlich drei Mitarbeitern aus dem Workshop, ihrem Vorgesetzten und mir als Moderatorin geben, um dem-nächst die Ergebnisse zu bewerten.

Welchen Tipp würden Sie künftigen Moderatoren von Lösungsworkshops geben? Wesentlich ist, dass die Beschäftigten im Workshop problematische Situatio-nen ganz konkret schildern. Genau das fällt vielen schwer. Wenn es zu allgemein bleibt, können Vorgesetzte später nicht richtig nachvollziehen, was gemeint ist. Da müssen Modera-torinnen und Moderatoren am Ball bleiben und immer nachhaken.

Und als Fazit: Wie bewerten Sie die neue Online-Plattform „Gemeinsam zu gesunden Arbeitsbedingungen“ der BG ETEM? Mit der Handlungshilfe der BG ETEM haben wir einen guten und praxis- tauglichen Ansatz zur Beurteilung psychischer Belastungen gefunden. Das hat uns die Arbeit wirklich er-leichtert. Auch die Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft hat sehr gut geklappt, wir haben viele hilfreiche Tipps für die Umsetzung des Workshops erhalten.

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service

Beitragsbescheid für 2016

Vorschüsse un d Nachlässe Im Juli dieses Jahres erhal-ten alle Mitgliedsunter-nehmen der BG ETEM den Beitragsbescheid für das Jahr 2016.

Im Beitragsbescheid kommen Arbeitsentgelt, Gefahrklasse und andere Faktoren zusammen. Lesen Sie, was sie im Einzelnen bedeuten.

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 Die Versicherungsbeiträge für Unter-nehmerinnen und Unternehmer wer-

den wie im vergangenen Jahr auch mit separatem Beitragsbescheid erhoben. Hierzu einige Erläuterungen.

Arbeitsentgelt Hierunter sind die Bruttoarbeitsentgelte aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ei-nes Unternehmens zu verstehen. Sie wer-den den einzelnen Gefahrtarifstellen zu-geordnet.

Gefahrtarifstelle Gefahrtarifstellen bezeichnen Bereiche mit unterschiedlichem Gefährdungspotenzial und damit unterschiedlichen Gefahrklas-sen. Bereiche mit ähnlicher Gefährdung werden in einer Gefahrtarifstelle zusam-mengefasst.

Gefahrklasse Die Gefahrklasse spiegelt den Grad der Unfallgefahr in dem jeweiligen Bereich (Gefahrtarifstelle) wider. Sie wird zur Be-rechnung des Beitrages herangezogen.

Umlageziffer Die Umlageziff er ist der rechnerische Bei-tragssatz, der in der Gefahrklasse 1 pro 1,00 Euro Arbeitsentgelt zu zahlen ist. Sie errechnet sich aus dem Verhältnis des Umlagebedarfs (Ausgaben abzüglich Ein-nahmen) zu den gesamten Arbeitsentgel-ten aller Gewerbezweige.

Beitragsnachlass Lohn für erfolgreiche Prävention: Unter-nehmen erhalten grundsätzlich einen Nachlass von 18 Prozent – es sei denn, es sind Unfallkosten entstanden. Nicht mel-depflichtige Unfälle, Unfälle infolge alleini-gen Drittverschuldens oder höherer Gewalt sowie Wegeunfälle bleiben bei der Ermitt-lung der Eigenbelastung unberücksichtigt.

Lastenverteilung Die Lastenverteilung gleicht gezielt durch den Strukturwandel bedingte Beitragsun-terschiede zwischen den Berufsgenos-

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senschaft en aus. Ein Teil dieser Lasten trägt die Berufsgenossenschaft selbst, ein Teil wird solidarisch auf alle Berufsge-nossenschaft en verteilt.

Vorschüsse Bisher gezahlte Vorschüsse – sowohl frei-willig gezahlte Vorschüsse auf den Beitrag 2016 als auch mit Bescheid angeforderte Vorschüsse – werden berücksichtigt und in Abzug gebracht.

Fälligkeit Beiträge zur Berufsgenossenschaft sind immer am 15. des Monats fällig, der der Bekanntgabe des Beitragsbescheides folgt. Das schreibt das Sozialgesetzbuch vor. Die Beitragsbescheide werden vor-aussichtlich Anfang Juli versandt. Fällig wird der Beitrag am 15.08.2017. Für ver-spätet gezahlte Beiträge fallen Säumnis-zuschläge (ein Prozent für jeden angefan-genen Monat) an. Um mögliche Säumnis-

zuschläge zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, am Lastschrift verfahren teil-zunehmen. Vordrucke gibt es unter www. bgetem.de, Webcode 11647050.

Freiwillige Versicherung/ Unternehmerpflichtversicherung Auch für 2016 erhalten versicherte Unter-nehmerinnen und Unternehmer einen se-paraten Beitragsbescheid. Die Abrechnung erfolgt getrennt von den Beiträgen der Arbeitnehmer. Bitte sorgen Sie dafür, dass auch diese Beiträge unter Angabe des Zei-chens für Ihre Versicherung sowie der Rechnungsnummer fristgerecht bis zum Fälligkeitstermin gezahlt werden.

Karin Mans

→ info www.bgetem.de Webcode: 11197352 Weitere Informationen zum Beitrags-bescheid

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Die Höhe der Beiträge richtet sich nach den Ausgaben des Vor-jahres – zum Beispiel für Reha-Maßnahmen nach Arbeitsunfällen.

Impressum etem – Magazin für Prävention, Rehabilitation und Entschädigung. Herausgeber: Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse, Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50968 Köln, Tel.: 0221 3778-0, Telefax: 0221 3778-1199, E-Mail: [email protected]. Für den Inhalt verantwortlich: Olaf Petermann, Vorsitzender der Geschäft sführung. Redaktion: Christoph Nocker (BG ETEM), Stefan Thissen (wdv Gesellschaft für Medien & Kommunikation mbH & Co. OHG, Dieselstraße 36, 63071 Off enbach). Tel.: 0221 3778-1010, E-Mail: [email protected]. Bildredaktion: Theresa Rundel (wdv); Gestaltung: Jochen Merget (wdv). Druck: Vogel Druck und Medien-service GmbH. etem erscheint sechsmal jährlich (jeden zweiten Monat). Der Bezugspreis ist durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfreien Papier. Titelbild: Getty Images/Cultura RF/Manuel Sulzer. Leserservice (Adress- oder Stückzahländerung): Tel. 0221 3778-1070, E-Mail: [email protected].

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Radfahrer zahlen bei Verkehrsunfällen mit ihren Knochen oder sogar dem Leben. Darum ist konzentriertes, vorausschauendes Fahren ohne Ablenkungen, wie Handy oder Musik, extrem wichtig. Defensives Fahren – mit Helm und gut sichtbar – dient dem Selbstschutz, da man gegenüber Kraftfahrzeugen immer der Schwächere ist.

FÜR ANDERE MITDENKEN, VORAUSSCHAUEND FAHREN!

Bewusst lenken statt ablenken

383 tödliche Fahrradunfälle in 2015

DU

BESTIMMST

DAS RISIKO!

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