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Fotos: WLV Winter gegeben. „Die Rück- meldungen der Kinobetrei- ber, der Besucher und der Landwirte waren durchweg positiv“, erklärt Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) und zugleich auch einer der Hauptdarsteller im Spot. Man zeige bewusst echte Bilder, echte Bauern und die echte Landwirtschaft, aber keine Bauernhofidylle. Das kommt bei den Kinobesuchern offenbar an. Insofern ist das Geld gut angelegt. Denn ganz um- sonst ist die Aktion nicht. Nach Angaben des WLV betragen die Buchungskos- ten für einen 29-Sekun- den-Kinospot 200 € bis gut 1 000 €/Monat. Dabei gilt: Je größer die Stadt, das Kino und der Kinosaal, desto höher der Preis für das Ausspielen des Spots. Wer es nicht in eines der 16 Kinos schafft und den Film trotzdem sehen will, findet ihn und weitere Informationen unter die- sem Link: www.saugut-informiert.de Rein-Hören: Willy, dringend gesucht Ende November lief bei verschiede- nen Radiosendern der ARD das hö- renswerte Feature „Willy, dringend ge- sucht“. Darin erzählt Autor Rainer Kahrs die Geschichte von Willy van Bakel (53), einem windigen Investor und Betrüger, der deutschen und nie- derländischen Milchbauern große schlüsselfertige Milchviehanlagen in den USA versprach. Mit schönen Worten und organisier- ten Werbetouren nach Ohio sammelte van Bakel Geld bei investitionswilligen Landwirten ein. Damit werde er Kre- dite besorgen und die Milchviehfarmen schlüsselfertig aufbauen, versprach er. Die Bauern bräuchten anschließend nur noch auszuwandern. Das Problem: Die Kredite gab es nicht, die Farmen auch nicht und das Geld haben die leicht- gläubigen Landwirte auch verloren. So zum Beispiel Carsten Stöver aus Schleswig-Holstein, der Haus und Hof mit 200 Kühen und Quote verkaufte, um in Amerika im großen Stil neu anzufangen. Oder Christiane und Theo Hüge- mann, Milchbauern aus Nord- rhein-Westfalen, die van Bakel 1,5 Mio. US-Dollar gaben, damit dieser für sie in Ohio einen Neubeginn organisierte. Als sie in den USA ankamen, standen sie vor einem Scherbenhaufen. Es gab nicht einmal einen Rohbau. Willy hatte ihnen eine Farm angedreht, die nur auf dem Papier existierte. Immerhin: Die Hügemanns hatten dem dubiosen Holländer nicht ihr ge- samtes Vermögen gegeben, sodass sie trotzdem starten konnten – allerdings wesentlich bescheidener als geplant. Willy van Bakel ist inzwischen über alle Berge. Das FBI sucht ihn. Mindes- tens 70 Milchbauern soll er auf ähnli- che Weise mit seinen schönen Verspre- chungen geprellt haben. Allein in den USA sind über 20 Gerichtsverfahren anhängig. Ihr Geld dürften die Bauern wohl nicht wiedersehen. Die Firma von van Bakel ist insolvent. Wo sich der krumme Investor aufhält, ist unbe- kannt. Er soll derzeit beim Aufbau der weltgrößten Milchviehanlage in Brasi- lien mitmischen, heißt es. Investitions- volumen: 1,5 Mrd. US-Dollar. 4 Mio. Li- ter Milch soll diese Anlage täglich pro- duzieren. Ob wieder nur auf dem Pa- pier, bleibt abzuwarten. Wer sich das Feature anhören will, hier der Link: www.topagrar.com/willy Bevor James Bond in Aktion tritt, können die Kinobesucher Antonius Tillmann (Mitte) und Wilhelm Brüggemeier bei der Arbeit erleben. Rein-Schauen: Bond & Bauern Was haben James Bond und westfälische Bauern gemeinsam? Beide sind Kinohelden. Bekanntlich läuft der neue James Bond „Spectre“ derzeit sehr er- folgreich in den Kinos. Fast noch spannender ist aber ein Kurzfilm, der von Mitte Dezember bis An- fang Januar in 16 Kinos in Ostwestfalen-Lippe und in der Region Ruhr-Hellweg gezeigt wird. In einem 29-Sekunden-Spot erklären vier westfälische Landwirte sehr leidenschaftlich, wie sie mit ihren Tieren umge- hen und was sie auf ihrem Acker machen. Eine ähnliche Aktion hat es bereits im vergangenen 14 top agrar 1/2016 Panorama

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LV

Winter gegeben. „Die Rück-meldungen der Kinobetrei-ber, der Besucher und der Landwirte waren durchweg positiv“, erklärt Wilhelm Brüggemeier, Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) und zugleich auch einer der Hauptdarsteller im Spot.

Man zeige bewusst echte Bilder, echte Bauern und die echte Landwirtschaft, aber keine Bauernhofidylle.

Das kommt bei den Kinobesuchern offenbar an. Insofern ist das Geld gut

angelegt. Denn ganz um-sonst ist die Aktion nicht.

Nach Angaben des WLV betragen die Buchungskos-ten für einen 29-Sekun-den-Kinospot 200 € bis gut 1 000 €/Monat. Dabei gilt: Je größer die Stadt, das Kino und der Kinosaal, desto höher der Preis für das Ausspielen des Spots.

Wer es nicht in eines der 16 Kinos schafft und den Film trotzdem sehen will, findet ihn und weitere Informationen unter die-sem Link:

www.saugut-informiert.de

Rein-Hören: Willy, dringend gesucht❚❚ Ende November lief bei verschiede-

nen Radiosendern der ARD das hö-renswerte Feature „Willy, dringend ge-sucht“. Darin erzählt Autor Rainer Kahrs die Geschichte von Willy van Bakel (53), einem windigen Investor und Betrüger, der deutschen und nie-derländischen Milchbauern große schlüsselfertige Milchviehanlagen in den USA versprach.

Mit schönen Worten und organisier-ten Werbetouren nach Ohio sammelte van Bakel Geld bei investitionswilligen Landwirten ein. Damit werde er Kre-dite besorgen und die Milchviehfarmen schlüsselfertig aufbauen, versprach er. Die Bauern bräuchten anschließend nur noch auszuwandern. Das Problem: Die Kredite gab es nicht, die Farmen auch nicht und das Geld haben die leicht-

gläubigen Landwirte auch verloren. So zum Beispiel Carsten Stöver aus Schleswig-Holstein, der Haus und Hof mit 200 Kühen und Quote verkaufte, um in Amerika im großen Stil neu anzufangen.

Oder Christiane und Theo Hüge-mann, Milchbauern aus Nord-rhein-Westfalen, die van Bakel 1,5 Mio. US-Dollar gaben, damit dieser für sie in Ohio einen Neubeginn organisierte. Als sie in den USA ankamen, standen sie vor einem Scherbenhaufen. Es gab nicht einmal einen Rohbau. Willy hatte ihnen eine Farm angedreht, die nur auf dem Papier existierte.

Immerhin: Die Hügemanns hatten dem dubiosen Holländer nicht ihr ge-samtes Vermögen gegeben, sodass sie trotzdem starten konnten – allerdings

wesentlich bescheidener als geplant.Willy van Bakel ist inzwischen über

alle Berge. Das FBI sucht ihn. Mindes-tens 70 Milchbauern soll er auf ähnli-che Weise mit seinen schönen Verspre-chungen geprellt haben. Allein in den USA sind über 20 Gerichtsverfahren anhängig. Ihr Geld dürften die Bauern wohl nicht wiedersehen. Die Firma von van Bakel ist insolvent. Wo sich der krumme Investor aufhält, ist unbe-kannt. Er soll derzeit beim Aufbau der weltgrößten Milchviehanlage in Brasi-lien mitmischen, heißt es. Investitions-volumen: 1,5 Mrd. US-Dollar. 4 Mio. Li-ter Milch soll diese Anlage täglich pro-duzieren. Ob wieder nur auf dem Pa-pier, bleibt abzuwarten.

Wer sich das Feature anhören will, hier der Link: www.topagrar.com/willy

Bevor James Bond in Aktion tritt, können die Kinobesucher Antonius Tillmann (Mitte) und Wilhelm Brüggemeier bei der Arbeit erleben.

Rein-Schauen: Bond & Bauern

❚❚ Was haben James Bond und westfälische Bauern gemeinsam? Beide sind Kinohelden. Bekanntlich läuft der neue James Bond „Spectre“ derzeit sehr er-folgreich in den Kinos.

Fast noch spannender ist aber ein Kurzfilm, der von Mitte Dezember bis An-fang Januar in 16 Kinos in

Ostwestfalen-Lippe und in der Region Ruhr-Hellweg gezeigt wird. In einem 29-Sekunden-Spot erklären vier westfälische Landwirte sehr leidenschaftlich, wie sie mit ihren Tieren umge-hen und was sie auf ihrem Acker machen.

Eine ähnliche Aktion hat es bereits im vergangenen

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Panorama

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TOP AGRAR-SEMINAR

Öffentlichkeitsarbeit – jetzt mal praktisch!Diskutieren Sie am 8. März 2016 über Öffentlichkeitsarbeit und profitieren Sie von wertvollen Tipps Ihrer Berufskollegen.

❚❚ Die Bauern müssen mehr Öffentlich-keitsarbeit machen“ – viele fordern es, aber kaum einer weiß, wie es geht. In unserem Seminar bekommen Sie hand-feste Tipps von Profis:• Coach Eberhard Breuninger erklärt, wie Sie kritische Gespräche meistern.• Social-Media-Beraterin Jutta Zeisset macht deutlich, wie Sie Ihren Betrieb im Internet attraktiv präsentieren.• Biogasanlagen-Betreiber Juliane und Winfried Vees zeigen, wie sie den guten Ruf ihres Betriebes „managen“.• Milchviehhalter Hauke Pein be-

schreibt, wie er seit 2 500 Tagen mit Publikum melkt.• Hähnchenmäster Arnd von Hugo berichtet über Erfahrungen mit Bürgerinitiativen, dem ZDF und seinem „Stall-Schaufenster“.• Sauenhalter Thomas Ostendorf er-zählt u. a., wie durch das Twittern Foodwatch zur Hofbesichtigung kam.

Termin, Ort und Anmeldung:• 08. 03. 2016 von 10.00 bis 17.30 Uhr im Landwirtschaftsverlag in Münster.• Anmeldeschluss am 21. 02. 2016;

Kosten 99 € für Abonnenten, 119 € für Nicht-Abonennten; 10 % Früh bucher-rabatt bis 17. 01. 2016.• Anmeldung und ausführliche Infos unter www.seminare.lv.de

„Verbraucher-Gespräche“ richtig führen: Freuen Sie sich auf spannende Übungen!

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Hinweis❚❚ In dieser Ausgabe finden Sie

zwei Anzeigen, die Sie viel-leicht überraschen werden.

Auf Seite 93 steht eine An-zeige der Initiative „Wir ma-chen Euch satt“, in der die Ver-anstalter für ihre Demonstra-tion am 16. Januar 2016 vor dem Hauptbahnhof in Berlin werben. Einem Teil der Auflage liegt darüber hinaus eine An-zeigen-Beilage der Initiatoren von „Wir haben es satt“ bei.

Sie werden sich vielleicht fragen, nach welchen Krite-rien top agrar Anzeigen an-nimmt oder ablehnt? Unsere Position ist ganz klar:• Wir nehmen keine Anzei- gen von politischen Parteien und• wir lehnen Anzeigen mit rechts- oder linksradikalem Hintergrund ab.

Die oben genannten Anzei-gen fallen nicht unter diese Kategorien. Doch selbstver-ständlich geben die Inhalte – wie bei allen Anzeigen – nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder.

Fleisch ja, Farmen nein

❚❚ … so sollte ein Kinderbuch von ei-nem jungen, vielversprechenden Au-tor heißen, das dieser vor beinahe vierzig Jahren für zwei Stadtkinder schreiben wollte, denen er damals das Landleben nahebrachte. Aus dem Buch wurde nichts. Der „vielverspre-chende Autor“ war nur ein „zuvielver-sprechender Bauer“. Ich selber näm-lich! Die Idee entstand, als mir beim Pflügen auf dem noch kabinenlosen Traktor der köstliche Duft der frisch gewendeten Erde direkt in die Nase stieg, in welcher auch schon damals reichlich Platz war. Das machte mich sentimental und ich träumte davon, meine kleinen Freunde mit dem Buch über den uns nährenden Boden mit seinen Krabbeltierchen zu begeistern.

So ein Tag auf dem Traktor ist aber lang. Lärm und Dieselrauch machen schläfrig und manch gute Vorsätze vergessen. Erst jetzt denke ich wieder

daran, König Bhumibol aus Thailand sei Dank. Dieser hat sich das Motto „2015 – Jahr des Bodens“ der Verein-ten Nationen gewünscht. Seine Ma-jestät hat, so viel ich weiß, nicht so eine große Nase wie ich. Auf jeden Fall aber hatte er einen guten Riecher. Fruchtbare Böden sind endlich und lebenswichtig, und wir müssen sie gut behandeln.

Irgendeiner meiner Vorfahren hatte Glück. Er bekam einen Landtitel und hat unser Land urbar gemacht. Seit-her wurde es über die Generationen weitergegeben bis meine Frau und ich es schließlich – wenn auch mit Arbeit und Schulden, aber doch unverdient – bekamen. Die Ziegel für unser Haus brannte mein Urgroßvater aus Lehm vom eigenen Boden. Die letzte Eiszeit hat ihn uns einfach vor die Füße ge-legt. Gute zehntausend Jahre später erst wächst auf gerade einmal 10 bis

20 Zentimeter Humusschicht unser Lebensunterhalt. Wir besitzen weni-ger als 20 Hektar eigenes Land, gehö-ren damit aber zu den Reichsten der Reichen unter den sieben Milliarden Menschen auf Erden.

Wir können stolz sein auf unsere Nasen, der König und ich. Mögen sie uns noch lange Orientierung geben, auf dass wir den Boden unter den Fü-ßen nie verlieren!

Herzlichst, Ihr Hans Neumayer

Unser guter Boden...GLOSSE

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KURZ UND BÜNDIG❚❚ Der Strukturwandel hat sich be-

schleunigt. In 2015 nahm die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe gegenüber dem Vorjahr um 2,3 % auf 280 000 ab. Im Vorjahr hatte der Rückgang nur knapp 1 % betragen, meldet der Bauernverband.

❚❚ Der Strukturwandel lässt sich nach Ansicht der EU-Kommission auch nicht aufhalten. Deshalb müssten im vor- und nachgelagerten Bereich, in der Ernäh-rungswirtschaft und im Agrartourismus neue, mit dem Agrarbereich verbundene Jobs entwickelt werden.

Hans Neumayer

❚❚ Die Chinesen dürfen gerne australi-sches Rindfleisch kaufen. Wenn sie aber ihre Fühler in Richtung Farmen und Flä-chen ausstrecken, ist Schluss mit lustig. Aktuell steht in Down Under der private Agrarkonzern S. Kidman and Co. zum Verkauf. Das sind insgesamt 10 riesige Rinderzuchtbetriebe mit zusammen 1,8 Mio. Rindern und 100 000 km2 Fläche. Das ist größer als Ungarn.

Die beiden chinesischen Unternehmen Genius Link Asset und Shanghai Pengxin wollen für Kidman insgesamt 350 Mio. australische Dollar (250 Mio. €) auf den Tisch legen, meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Daraus wird wohl nichts. Denn die australische Regierung legt ihr Veto ein. Die Kidman-Farmen stünden im nationalen Interesse, erklärte der liberale Schatzkanzler (Finanzminis-ter) Scott Morrison (47).

Drei Gründe sprechen aus Sicht der Regierung gegen den Verkauf:• „Kühe statt Kohle und Kupfer“ lautet die Antwort der Australier auf die sin-kende Nachfrage nach diesen Rohstof-fen. Da will man die Flächen für die Pro-duktion nicht in fremde Hände geben.• Die Chinesen besitzen in Australien schon viele Immobilien und Grundstü-cke. Dies soll nicht so weitergehen.• Die größte Viehzuchtanlage von Kid-man liegt in der Woomera Schutzzone

nördlich von Adelaide (Südaustralien). Hier hat der Commonwealth Atomwaf-fen getestet. Deshalb sollen in dieser Re-gion keine Ausländer spionieren können.

Jetzt versuche Graig Campbell, Vor-standsvorsitzender von Kidman, eine Käufergruppe unter Beteiligung von Ein-heimischen zu organisieren. Zudem soll die strittige Farm im Woomera vom Ver-kauf ausgenommen werden.

Ob das die Regierung überzeugt, ist of-fen. Grundsätzlich müssen in Australien alle Landverkäufe oberhalb von 15 Mio. australischen Dollar genehmigt werden.

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Panorama

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Anleger heiß auf Hektar❚❚ Rund ein Fünftel des Flä-

chentransfers in Ost-deutschland läuft nach ei-ner neuen Studie des Thü-nen-Instituts für Ländliche Räume über den Erwerb von Anteilen landwirt-schaftlicher Unternehmen. Erwerber sind häufig über-regional tätige Investoren. Besonders ausgeprägt ist dieser Prozess in Mecklen-burg-Vorpommern.

Basis der Untersuchung war eine Analyse der Ent-wicklung der Eigentümer-struktur in 676 Agrarunter-nehmen aus acht ostdeut-schen Landkreisen.

„Das Grundstückver-kehrsgesetz kann seinen Zweck in Ostdeutschland nur teilweise erfüllen“, meint Andreas Tietz vom Thünen-Institut, weil der nicht genehmigungspflich-

tige Eigentümerwechsel bei Anteilsverkäufen an den Behörden vorbeilaufe.

Deshalb will Sachsen- Anhalts Landwirtschafts-minister Dr. Hermann Onko Aeikens (CDU) Anteilsverkäufe genehmi-gungspflichtig machen (s. top agrar 5/15, S. 36). Den vorgelegten, inzwischen auf Eis liegenden Gesetzent-wurf lehnt der Bauernver-band ab. Aeikens kündigte an, er werde die Gespräche mit dem Berufsstand fort-führen. Die Landesregie-rung plane eine Überarbei-tung des geltenden Rechts nach der Landtagswahl im März 2016. „Wenn wir starke, gesunde ländliche Räume wollen, dürfen wir uns den Bodenmarkt nicht von Kapitalanlegern weg-nehmen lassen“, so Aeikens.

Blutfarmen in der Kritik❚❚ In Uruguay und Argenti-

nien gibt es spezielle Pfer-de-Farmen, die Stuten nur decken lassen, um deren Blutserum zu gewinnen. Dabei geht es um das Hor-mon „Pregnant Mare Serum Gonadotropin“ (PMSG), aus dem die Pharmaindustrie zum Beispiel Präparate für die Brunstsychronisation von Sauen herstellt.

Wirtschaftlich interes-sant ist nur der Zeitraum zwischen den 35. und 105. Trächtigkeitstag. Dann ist PMSG-Konzentration im Stutenblut am höchsten.

Tierschützer werfen den Betreibern der „Blut-farmen“ massive Tier-schutzverstöße vor, berich-tet die Fachzeitschrift „Rei-ter und Pferde“. So werde den Stuten bis zu 10 Liter Blut abgezapft. Nach deut-

schem Recht sind maximal 7,5 Liter bei einem 500 kg schweren Tier zulässig. Nach dem 105. Tag werde der Fötus in der Gebärmut-ter angeblich mit der Hand zerdrückt und der Abort herbeigeführt. Und der Zy-klus beginnt von Neuem.

Gesetzliche Regelungen gibt es nicht. Die Tier-schutzorganisation York Ditfurth will deshalb ein Importverbot für PMSG in der EU. Dafür fühlt sich die Kommission allerdings nicht zuständig.

Der Schweizer Schweine-zucht- und Schweineprodu-zentenverband Suisseporcs hat die Tierärzte und Schweinezüchter aufgefor-dert, auf den Einsatz von PMSG zu verzichten. Das steht in Deutschland der-zeit nicht zur Debatte.

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DAS AKTUELLE INTERVIEW

„Zeigen Sie mehr Gefühl!“

Wenn die Landwirtschaft raus aus der Defensive will, muss sie die Verbraucher viel emotionaler ansprechen, als sie es bisher tut. Die NGOs machen es vor, meint Jens Lönneker.

Der Verbraucher kritisiert die „Massentierhaltung“ und „industrielle“ Landwirtschaft, kauft aber deren Produkte. Wie passt das zusammen?Lönneker: Wir nennen das eine psy-chologische Spaltung. Die Verbraucher haben heute kein Problem damit, wi-dersprüchliche Haltungen einzuneh-men. 60 % der Konsumenten, die im Discount Fleisch einkaufen, sind gegen Massentierhaltung, obwohl sie wissen, dass dieses Fleisch vermutlich aus Mas-sentierhaltung stammt. Das empfinden sie nicht als un logisch, sondern schie-ben das Problem auf die Produzenten.

Warum sind die Verbraucher überhaupt gegen die moderne Tierhaltung?Lönneker: Das hat mit Ängsten und Stress zu tun, den die Menschen im Alltag erleben. Daraus wollen sie ent-fliehen. Deshalb ist eine romantische, idyllische Bullerbü-Landwirtschaft hoch attraktiv. Zugleich wollen sie aber auf die Vorteile der modernen Produk-tion wie günstige Preise oder die dau-ernde Verfügbarkeit nicht verzichten.

Welche Rolle spielen dabei die Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzverbände?Lönneker: Sie verstärken den Druck. Die öffentliche Meinung bildet sich heute nicht mehr nur über logische Ar-gumente. Wer Meinung machen will, muss die Menschen auch privat-emotio-nal ansprechen. Das machen die NGOs ziemlich gut. Sie transportieren Ge-fühle und sind damit Projektionsfläche für die Wünsche der Verbraucher.

Warum sind die NGOs für viele Verbraucher glaubwürdiger als neutrale Wissenschaftler?Lönneker: Erstens holen sie die Men-schen dort ab, wo sie gefühlsmäßig stehen. Das tut die Agrarbranche fast gar nicht. Die Pegida-Bewegung zeigt auf unheimliche Weise, welche Mobili-sierung allein über Emotionen möglich ist. Und zweitens halten viele die Wissenschaft doch nicht für so neutral und objektiv, wie sie sich selber sieht. Jedenfalls erwecken manche Gutach-ten für politische Parteien oder für

Jens Lönneker, Chef von rheingold salon

Der Psychologe Jens Lönneker ist Gründer des Beratungsunternehmens rheingold salon. Für die Heinz-Lohmann-Stiftung erstellte das Unternehmen die Studie „Öffentliche Meinung in der Krise“, auf der dieses Interview basiert.

Verbände einen anderen Eindruck. Drittens hat es die Wissenschaft in ei-ner zunehmend emotional aufgelade-nen Welt schwer, gehört zu werden.

Wie reagieren die Medien darauf?Lönneker: Die Medien müssen im emotionalen Strom mitschwimmen, wenn sie gute Quoten, Auflagen und Klickraten erreichen wollen. Dadurch kann es um un bedeutende Themen plötzlich einen extremen Medienhype geben. Wenn dann die Betroffenen, wie es in der Landwirtschaft der Fall ist, viel zu passiv reagieren, gerät man extrem unter Beschuss. Die Agrarbranche ver-sucht noch immer mit nüchternen Fak-ten die Deutungshoheit zu gewinnen, statt selber starke emotionale Bilder zu transportieren. Das wird scheitern.

Erkennt die Branche ihre Defizite?Lönneker: Es gibt schon Verantwortli-che, die Defizite benennen. Viele sagen jedoch zugleich, dass die Strukturen im Berufsstand wenig Spielräume für Ver-änderung bieten. Und so passiert wenig.

Sind andere weiter?Lönneker: Die französischen Bauern schaffen es weitaus besser, ihre Verbrau-cher von sich zu überzeugen. Auf die Frage, wer ist in der Werbung von Nah-rungsmitteln besonders glaubwürdig, antworten die deutschen Verbraucher: die Köche. Die Franzosen sagen hinge-gen: die Landwirte und erst dann die Köche. Ohne Landwirte gäbe es keine guten Produkte, so die Meinung unserer Nachbarn. Das ist ein starkes Image.

Haben die deutschen Bauern ein Glaubwürdigkeitsproblem?Lönneker: Je stärker sich die heutigen Agrarbetriebe von der bäuerlichen Idylle entfernen, desto mehr Öffent-lichkeitsarbeit ist notwendig. Das tut

die Agrarbranche aber nicht. Erstens müsste sie viel mehr Endkonsumenten-werbung machen. Wie gut das wirkt, zeigen uns die Franzosen. Zweitens muss man sich auf bestimmte Teil-aspekte konzentrieren. Die Agrarbran-che präsentiert aber gern nur das große Ganze. Und das ist obendrein noch ex-trem glatt gebügelt, weil man peinlich genau darauf achtet, intern niemandem auf die Füße zu treten. So bleibt man profillos, ohne Ecken und Kanten.

Was halten Sie von der „Wir machen…“- Kampagne des Bauernverbandes?Lönneker: Ich finde es sehr gut, dass sich der Bauernverband auf diesen Weg begibt. Wir haben die Wirkung zwar nicht empirisch geprüft. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie normale Bürger inhaltlich und emotional noch nicht wirklich überzeugt. Das Motiv „Wir machen zart“ ist schwierig, weil heute niemand mehr davon ausgeht, dass Kühe noch mit der Hand gemol-ken werden. Auch „Wir machen sau-ber“ stellt sich zu sehr gegen die Ver-brauchermeinung, dass die Böden durch die Landwirtschaft belastet wer-den und ist dann so vermutlich nicht glaubwürdig. Bei „Wir machen frisch“ sieht man das Pflanzen, denkt durch den Subtext aber eher ans Ernten von frischem Gemüse. Insofern sind Text und Bild eher widersprüchlich. Aber noch einmal: Der Weg ist richtig.

Was raten Sie DBV-Präsident Joachim Rukwied?Lönneker: Gehen Sie den Weg der emotionalen Ansprache noch viel kon-sequenter. Nur so wird die Leistung der Bauern, die dahinter steht, besser wahrgenommen. -sp-

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18 top agrar 1/2016

Panorama

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