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Hämatologie Klinische Chemie Klinische Immunologie Medizinische Mikrobiologie Medizinische Genetik 4 Thrombozytenaggregationshemmung: Womit? Wieviel ist genug? Was ist zuviel? 5 Kritische Fragen aus der Praxis zu den neuen oralen Antikoagulantien 6 Blutungs- abklärung: Wann, wie, bei wem? 8 Pille, Schwangerschaft und Gerinnung 9 Adiposi- tas und Gerinnung – Eine therapeutische Herausforderung 10 C-Reaktives Protein (CRP) und Vitamin D 12 Die GAPP-Studie 14 shortriport 28 16 shortriport 28 Ausgabe 73 im Sommer 2013 Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik 73 Ri port

Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

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Hämatologie

Klinische Chemie

Klinische Immunologie

Medizinische Mikrobiologie

Medizinische Genetik

4 Thrombozytenaggregationshemmung: Womit? Wieviel ist genug? Was ist zuviel?

5 Kritische Fragen aus der Praxis zu den neuen oralen Antikoagulantien 6 Blutungs-

abklärung: Wann, wie, bei wem? 8 Pille, Schwangerschaft und Gerinnung 9 Adiposi-

tas und Gerinnung – Eine therapeutische Herausforderung 10 C-Reaktives Protein

(CRP) und Vitamin D 12 Die GAPP-Studie 14 shortriport 28 16 shortriport 28

Ausgabe 73 im Sommer 2013

Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik

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Waldeggstrasse 373097 Liebefeld-Bern

Akkreditierungnach ISO 17025 *

Zertifizierungnach ISO 9001:2000 *REG NR. 13231

STS 177

www.risch.ch

Via Arbostra 26963 Pregassona

Blumenrain 1052501 Biel

Theatergasse 264500 Solothurn

Schaffhauserstrasse 1268302 Kloten

Fröhlichstrasse 55200 Brugg

Mühlentalstrasse 288200 Schaffhausen*

Rue des Lilas 82800 Delémont

Bubenbergplatz 103011 Bern

Landstrasse 1579494 Schaan*

Ziegelrain 255000 Aarau

Gersauerstrasse 86440 Brunnen

Layout / GestaltungIDconnect design solutions www.id-connect.com

ImpressumVerantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert RischPD Dr. med. Lorenz Risch, MPHDr. med. Martin RischDr. rer. nat. Sabine BerchtoldPD Dr. med. Thomas BodmerDr. Alain Bregnard Dr. med. Walter Fierz, MHIMDr. phil. Peter HagemannDr. farm./chim. Paola JelminiDr. med. Christian LeeDr. med. Pedro Medina EscobarDr. rer. nat. Martine Michel BlancoProf. Dr. med. Urs NydeggerDr. phil. II Michael RitzlerDr. rer. biol. hum. Ute WiedemannDr. sc. nat. ETH Monika WydlerDr. phil. II Manfred Zerlauth

Gesund, noch gesund oder schon krank?

Laboranalysen sind heute eine unverzichtbare Stütze in der Krankheitsabklärung und Therapieüberwachung. In einer Studie setzen wir uns zum Ziel, bei den Altersgruppen 60 - 69, 70 - 79, 80 - 89 sowie über 90-jährigen gesunden Seniorinnen und Senioren für die wichtigsten Laboranalysen altersgerechte Referenzwerte zu erstel-len. Es wurden pro Altersgruppe bei 120 Frauen und 120 Männern rund 100 relevante Analysen durchgeführt. Die ermittelten Werte sind nun in einer Datenbank zusammengefasst und werden laufend publiziert. Bereits veröffentlicht wurden neue Referenzwerte für die schweizerische Bevölkerung in den Bereichen Nierenfunk-tionsdiagnostik, Hämatologie, Entzündungsdiagnostik und Vitamine (B12, D3). Weitere Details können unter www.seniorlabor.ch eingesehen werden.

Bei der weit umfangreicheren GAPP-Studie haben wir zusammen mit dem Studienteam des Universitätsspitals Basel mit grosser Freude die Marke von 2’000 Probanden im Alter von 25 - 41 Jahren überschritten. Bei jedem dieser Probanden wurden ein eingehender Fragebogen erhoben und ca. 30 Laborparameter bestimmt. Zu-sätzlich zu Körpergewicht, BMI und Körperfettanteil, ist bei jedem Probanden ein 24-Std-EKG sowie eine 24-Std-BD-Messung aufgenommen worden. Neben den Laborparametern wird im Rahmen einer universitären Kooperation eine genome wide association study (GWAS) durchgeführt. Für später ergänzende Untersuchun-gen wurde eine umfangreiche Langzeitserothek angelegt. Seit letztem Jahr sind mehrere Publikationen er-schienen, mit Zugriff über www.blutdruck.li. In dieser Ausgabe wird von Prof. Dr. med. David Conen und Stefa-nie Aeschbacher, Universitätsspital Basel, in dem Artikel «Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz- und Kreislauferkrankungen» auf die Studie näher eingegangen.

Sowohl Seniorlabor- als auch GAPP-Studie zielen darauf ab, wichtige wissenschaftlich ermittelte Grundlagen für den Praxisalltag liefern zu können. Die neuen Referenzbereiche sollen eine altersbezogene differenziertere Diskriminierung zwischen «normal, verdächtig und pathologisch» erlauben.

Das XIX. Diagnostik-Symposium vom 14. März 2013 war auch dieses Jahr sehr gut besucht. Schwerpunkte dieser Veranstaltung waren die Diagnostik und Therapie von Thrombosen, Embolien und Hämophilien. Für die-se Ausgabe des Riports haben die Referenten ihre Vorträge zusammengefasst. Generell gesehen darf festge-stellt werden, dass sich sowohl in der Diagnostik, wie Therapie von Gerinnungsstörungen in der letzten Zeit sehr viel praxisrelevantes getan hat.

Speziell verwiesen sei auf den short-Riport 28, der die Überwachungs-Diagnostik des Alkoholkonsums zum Inhalt hat. Zu hoher Alkoholkonsum ist in der Schweiz einer der häufigsten Gründe für vermeidbare Erkran- k ungen und Todesfälle. Der Durchschnittskonsum an reinem Alkohol liegt pro Kopf und Jahr bei rund 9 Litern. Es erstaunt nicht, dass es in der Schweiz rund ¼ Million Alkoholabhängige gibt (BAG 2011). Der neue Alkohol-konsum-Marker Ethylglucuronid schliesst eine diagnostische Lücke mit einer sehr hohen Spezifität und Sen-sitivität (Seite 14). Verwiesen sei auch auf die Neuerung in der Infektionsserologie und Autoimmundiagnostik auf Seite 16.

Schon ist wieder ein halbes Jahr vorbei. Nach einem eher kühlen und nassen Frühling wünsche ich Ihnen einen wohlverdienten sonnigen Sommer und gute Erholung im bevorstehenden Urlaub.

Freundliche Grüsse

Dr. sc. nat. Gert Risch

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ImpressumVerantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert RischPD Dr. med. Lorenz Risch, MPHDr. med. Martin RischDr. rer. nat. Sabine BerchtoldPD Dr. med. Thomas BodmerDr. Alain Bregnard Dr. med. Walter Fierz, MHIMDr. phil. Peter HagemannDr. farm./chim. Paola JelminiDr. med. Christian LeeDr. med. Pedro Medina EscobarDr. rer. nat. Martine Michel BlancoProf. Dr. med. Urs NydeggerDr. phil. II Michael RitzlerDr. rer. biol. hum. Ute WiedemannDr. sc. nat. ETH Monika WydlerDr. phil. II Manfred Zerlauth

Gesund, noch gesund oder schon krank?

Laboranalysen sind heute eine unverzichtbare Stütze in der Krankheitsabklärung und Therapieüberwachung. In einer Studie setzen wir uns zum Ziel, bei den Altersgruppen 60 - 69, 70 - 79, 80 - 89 sowie über 90-jährigen gesunden Seniorinnen und Senioren für die wichtigsten Laboranalysen altersgerechte Referenzwerte zu erstel-len. Es wurden pro Altersgruppe bei 120 Frauen und 120 Männern rund 100 relevante Analysen durchgeführt. Die ermittelten Werte sind nun in einer Datenbank zusammengefasst und werden laufend publiziert. Bereits veröffentlicht wurden neue Referenzwerte für die schweizerische Bevölkerung in den Bereichen Nierenfunk-tionsdiagnostik, Hämatologie, Entzündungsdiagnostik und Vitamine (B12, D3). Weitere Details können unter www.seniorlabor.ch eingesehen werden.

Bei der weit umfangreicheren GAPP-Studie haben wir zusammen mit dem Studienteam des Universitätsspitals Basel mit grosser Freude die Marke von 2’000 Probanden im Alter von 25 - 41 Jahren überschritten. Bei jedem dieser Probanden wurden ein eingehender Fragebogen erhoben und ca. 30 Laborparameter bestimmt. Zu-sätzlich zu Körpergewicht, BMI und Körperfettanteil, ist bei jedem Probanden ein 24-Std-EKG sowie eine 24-Std-BD-Messung aufgenommen worden. Neben den Laborparametern wird im Rahmen einer universitären Kooperation eine genome wide association study (GWAS) durchgeführt. Für später ergänzende Untersuchun-gen wurde eine umfangreiche Langzeitserothek angelegt. Seit letztem Jahr sind mehrere Publikationen er-schienen, mit Zugriff über www.blutdruck.li. In dieser Ausgabe wird von Prof. Dr. med. David Conen und Stefa-nie Aeschbacher, Universitätsspital Basel, in dem Artikel «Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz- und Kreislauferkrankungen» auf die Studie näher eingegangen.

Sowohl Seniorlabor- als auch GAPP-Studie zielen darauf ab, wichtige wissenschaftlich ermittelte Grundlagen für den Praxisalltag liefern zu können. Die neuen Referenzbereiche sollen eine altersbezogene differenziertere Diskriminierung zwischen «normal, verdächtig und pathologisch» erlauben.

Das XIX. Diagnostik-Symposium vom 14. März 2013 war auch dieses Jahr sehr gut besucht. Schwerpunkte dieser Veranstaltung waren die Diagnostik und Therapie von Thrombosen, Embolien und Hämophilien. Für die-se Ausgabe des Riports haben die Referenten ihre Vorträge zusammengefasst. Generell gesehen darf festge-stellt werden, dass sich sowohl in der Diagnostik, wie Therapie von Gerinnungsstörungen in der letzten Zeit sehr viel praxisrelevantes getan hat.

Speziell verwiesen sei auf den short-Riport 28, der die Überwachungs-Diagnostik des Alkoholkonsums zum Inhalt hat. Zu hoher Alkoholkonsum ist in der Schweiz einer der häufigsten Gründe für vermeidbare Erkran- k ungen und Todesfälle. Der Durchschnittskonsum an reinem Alkohol liegt pro Kopf und Jahr bei rund 9 Litern. Es erstaunt nicht, dass es in der Schweiz rund ¼ Million Alkoholabhängige gibt (BAG 2011). Der neue Alkohol-konsum-Marker Ethylglucuronid schliesst eine diagnostische Lücke mit einer sehr hohen Spezifität und Sen-sitivität (Seite 14). Verwiesen sei auch auf die Neuerung in der Infektionsserologie und Autoimmundiagnostik auf Seite 16.

Schon ist wieder ein halbes Jahr vorbei. Nach einem eher kühlen und nassen Frühling wünsche ich Ihnen einen wohlverdienten sonnigen Sommer und gute Erholung im bevorstehenden Urlaub.

Freundliche Grüsse

Dr. sc. nat. Gert Risch

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Thrombozytenaggregationshemmung:Womit? Wieviel ist genug? Was ist zuviel?

In der Entwicklung der Atherothrombo-se stehen in zeitlicher Abfolge zuerst die Atherombildung und dann die Plaque-ruptur und damit die Aktivierung der Thrombozyten und der plasmatischen Gerinnung. Hierbei ist der Thrombo-zytenthrombus das erste Ereignis. Es ist daher für die praktische Medizin logisch abzuleiten, dass sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention von atherothrombotischen Erkrankungen die Thrombozytenaggregationshemmung ei-ne grosse Rolle spielt. Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, wurde kurz ge-streift, dass Aspirin für die Primärpräven-tion bei Gesunden eine eingeschränkte Rolle spielt. Alle anderen Substanzen wä-ren zuviel (nachzulesen unter www.risch.ch/de/10144/Nachlese.html).

In der Sekundärprävention der athero-thrombotischen Erkrankungen spielen die Thrombozytenaggregationshemmer ihre Hauptrolle, wobei zuerst auf die sta-bile koronare Herzkrankheit eingegan-gen wird. Hier ist Aspirin massgebend. Im akuten Koronarsyndrom (instabile An-gina pectoris, nicht ST-Hebungs-Infarkt, ST-Hebungs-Infarkt) sind Thrombozyten-aggregationshemmer ein Eckpfeiler der

Prim. Prof. Dr. Heinz Drexel Thrombozyten sind im Interessensfokus vieler kardiovaskulärer Erkrankungen.

Insbesondere die Atherothrombose im arteriellen Schenkel ist Therapieziel der modernen Thrombozytenaggrega-

tionshemmung. Venöse Erkrankungen stehen deutlich im Hintergrund.

Therapie. Die neueste Evidenz für die neuen Substanzen Prasugrel und Ticag-relor wird präsentiert. Beide Substanzen zeigen deutliche Überlegenheit gegen-über Clopidogrel. Ein Problem für Clopi-dogrel ist die notwendige Aktivierung, da Clopidogrel eigentlich eine Prodrug ist. Bei PAVK und CAVK sind weiterhin auf-grund mangelnder neuer Daten die bes-ten Erfahrungswerte für Clopidogrel ge-geben.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass heute sehr potente Substanzen wie Prasugrel und Ticagrelor vorliegen, die für die schwersten Erkrankungen hervor-ragenden Nutzen zeigen. Je leichter die Erkrankung oder je mehr die Primärprä-vention im Vordergrund ist, umso mehr spielt Aspirin auch heute noch eine Rolle. Manchmal ist aber eine Thrombozyten-aggregationshemmung überhaupt nicht indiziert.

Autor

Prim. o.Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Drexel

Leiter Innere Medizin und Kardiologie

VIVIT-Institut

Carinagasse 47 · A-6800 Feldkirch

[email protected]

Autor

Prof. Dr. med. Jürg H. Beer

Departementsleiter Medizin

Kantonsspital Baden

5404 Baden

[email protected]

Population Prävention Genug Zuviel Kommentar

Gesunde Primär - alles

Gesunde Hochrisiko Primär Aspirin

Diabetes Primär - alles

Diabetes Hochrisiko Primär Aspirin -

Vorhofflimmern Primär keine - Antikoagulation

KHK stabil Aspirin

ACS Ticagrelor, Prasugrel

PAVK Aspirin, Clopidogrel

CAVK Clopidogrel

Wirkstoff Originalpräparat

Clopidogrel Plavix®

Ticagrelor Brilique®

Prasugrel Efient®

Acetylsalicylsäure Aspirin®

Abb.1 Thrombozytenaggregationshemmung: Medikation bei verschiedenen Patientengruppen.

Kritische Fragen aus der Praxis zu den neuen oralen Antikoagulantien

Aufgrund der klinischen Studien ist zu er-warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) für die Prävention in der or-thopädischen Chirurgie, für die Behand-lung der tiefen Venenthrombose und der Lungenembolie sowie für die Behandlung des valvulären Vorhofflimmerns zur Ver-fügung stehen werden, ausserdem ist die Indikation im Fall des niedrig-dosierten Rivaroxaban beim ACS in Evaluation. In niedriger Dosierung hat das Rivaroxaban in der Behandlung der akuten koronaren Herzkrankheit ebenfalls in Phase 3 Studi-en positiv abgeschnitten.

Es besteht kein Direktvergleich zwischen den neuen oralen Antikoagulantien. Sie alle haben signifikant weniger intrazere-brale Blutungen ausgelöst im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten. Dabigatran 110 mg und Rivaroxaban haben nicht-in-ferior, Dabigatran 150 mg und Apixaban 2 x 5 mg signifikant besser als das War-farin in der Prophylaxe des ischämischen Stroke und der Thromboembolie beim Vorhofflimmern abgeschnitten. Bezüglich grösserer Blutungen (major bleeds) waren Rivaroxaban und Dabigatran 2 x 150 mg nicht-inferior, das Dabigatran 110 mg und das Apixaban superior zum Warfarin. Langzeitanwendungen und auch Studi-enverlängerungen zeigen die Sicherheit und Effektivität dieser Präparate.

Parallel dazu hat auch Aspirin einen sig-nifikanten Effekt auf rezidivierende Ven-enthrombosen und Lungenembolien im Anschluss an die Antikoagulation gezeigt (ca. ein Drittel der Fälle konnten reduziert werden). Bezüglich der indirekten Verglei-che (formal nicht zulässig), können die Ex-perten keine grosse signifikante Differenz zwischen den Präparaten, mit Ausnahme der oben erwähnten Unterschiede, fest-stellen. Beim Dabigatran 2 x 150 mg und

Prof. Dr. med. Jürg H. Beer Zurzeit stehen in der Schweiz 3 neue orale Antikoagulantien für den klinischen

Gebrauch zur Verfügung: Der direkte Thrombin-Hemmer Dabigatran (Pradaxa®), in 2 Dosierungen von 2 x 150 mg

und 2 x 110 mg für die Behandlung des nicht-valvulären Vorhofflimmerns, das Rivaroxaban (Xarelto®), 1 x täglich

20 mg, ebenfalls für die Behandlung des nicht-valvulären Vorhofflimmerns und zusätzlich der tiefen Beinvenen-

thrombose und der Prophylaxe in der orthopädischen Chirurgie (1 x 10 mg) sowie das Apixaban (Eliquis®) ebenfalls

für die Prophylaxe in der orthopädischen Chirurgie.

beim Rivaroxaban ist auf die erhöhte gas-trointestinale Blutungstendenz zu achten. Bei einer Kreatinin-Clearance unter 50 ist Vorsicht geboten und bei einer Clearance unter 30 empfiehlt sich der Einsatz der neuen Antikoagulantien noch nicht. Bei der Wahl des Präparates sollten Präpara-te mit geringer renaler Clearance bevor-zugt werden.

Bei der Warfarin-Einstellung sind die 3 ersten Monate, insbesondere bei älteren Patienten, die Gefährlichsten. Der Sturz beim älteren Menschen wird in Bezug auf das Blutungsrisiko eher überschätzt und in Bezug auf das Thromboembolie-Risiko eher unterschätzt. Als Faustregel ist mit 200 Stürzen zu rechnen bis eine relevante intrazerebrale Blutung auftritt.

Auf die TTR (time in therapeutic range) ist besonderes Augenmerk zu richten, da bei geringer TTR eine erhöhte Komplikations-rate und ein geringeres Kosten-Nutzen-

Verhältnis zu erwarten ist. Neuere Meta-Analysen zeigen auf, dass ein zusätzlicher Einsatz von neuen Antikoagulantien beim ACS eher mit Nachteilen (Blutungsnei-gung) verbunden ist.

Bei der Niereninsuffizienz hat das Apixa-ban besonders günstig gegenüber dem Warfarin abgeschnitten. Das Monitoring ist kaum notwendig, ge-legentlich von Interesse im Bezug auf die Frage der Compliance und im Bezug auf die Kumulation beim Notfall mit massiver Blutung. Ein Anti-Dot ist in Evaluation.

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Thrombozytenaggregationshemmung:Womit? Wieviel ist genug? Was ist zuviel?

In der Entwicklung der Atherothrombo-se stehen in zeitlicher Abfolge zuerst die Atherombildung und dann die Plaque-ruptur und damit die Aktivierung der Thrombozyten und der plasmatischen Gerinnung. Hierbei ist der Thrombo-zytenthrombus das erste Ereignis. Es ist daher für die praktische Medizin logisch abzuleiten, dass sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention von atherothrombotischen Erkrankungen die Thrombozytenaggregationshemmung ei-ne grosse Rolle spielt. Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, wurde kurz ge-streift, dass Aspirin für die Primärpräven-tion bei Gesunden eine eingeschränkte Rolle spielt. Alle anderen Substanzen wä-ren zuviel (nachzulesen unter www.risch.ch/de/10144/Nachlese.html).

In der Sekundärprävention der athero-thrombotischen Erkrankungen spielen die Thrombozytenaggregationshemmer ihre Hauptrolle, wobei zuerst auf die sta-bile koronare Herzkrankheit eingegan-gen wird. Hier ist Aspirin massgebend. Im akuten Koronarsyndrom (instabile An-gina pectoris, nicht ST-Hebungs-Infarkt, ST-Hebungs-Infarkt) sind Thrombozyten-aggregationshemmer ein Eckpfeiler der

Prim. Prof. Dr. Heinz Drexel Thrombozyten sind im Interessensfokus vieler kardiovaskulärer Erkrankungen.

Insbesondere die Atherothrombose im arteriellen Schenkel ist Therapieziel der modernen Thrombozytenaggrega-

tionshemmung. Venöse Erkrankungen stehen deutlich im Hintergrund.

Therapie. Die neueste Evidenz für die neuen Substanzen Prasugrel und Ticag-relor wird präsentiert. Beide Substanzen zeigen deutliche Überlegenheit gegen-über Clopidogrel. Ein Problem für Clopi-dogrel ist die notwendige Aktivierung, da Clopidogrel eigentlich eine Prodrug ist. Bei PAVK und CAVK sind weiterhin auf-grund mangelnder neuer Daten die bes-ten Erfahrungswerte für Clopidogrel ge-geben.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass heute sehr potente Substanzen wie Prasugrel und Ticagrelor vorliegen, die für die schwersten Erkrankungen hervor-ragenden Nutzen zeigen. Je leichter die Erkrankung oder je mehr die Primärprä-vention im Vordergrund ist, umso mehr spielt Aspirin auch heute noch eine Rolle. Manchmal ist aber eine Thrombozyten-aggregationshemmung überhaupt nicht indiziert.

Autor

Prim. o.Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Drexel

Leiter Innere Medizin und Kardiologie

VIVIT-Institut

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Prof. Dr. med. Jürg H. Beer

Departementsleiter Medizin

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Population Prävention Genug Zuviel Kommentar

Gesunde Primär - alles

Gesunde Hochrisiko Primär Aspirin

Diabetes Primär - alles

Diabetes Hochrisiko Primär Aspirin -

Vorhofflimmern Primär keine - Antikoagulation

KHK stabil Aspirin

ACS Ticagrelor, Prasugrel

PAVK Aspirin, Clopidogrel

CAVK Clopidogrel

Wirkstoff Originalpräparat

Clopidogrel Plavix®

Ticagrelor Brilique®

Prasugrel Efient®

Acetylsalicylsäure Aspirin®

Abb.1 Thrombozytenaggregationshemmung: Medikation bei verschiedenen Patientengruppen.

Kritische Fragen aus der Praxis zu den neuen oralen Antikoagulantien

Aufgrund der klinischen Studien ist zu er-warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) für die Prävention in der or-thopädischen Chirurgie, für die Behand-lung der tiefen Venenthrombose und der Lungenembolie sowie für die Behandlung des valvulären Vorhofflimmerns zur Ver-fügung stehen werden, ausserdem ist die Indikation im Fall des niedrig-dosierten Rivaroxaban beim ACS in Evaluation. In niedriger Dosierung hat das Rivaroxaban in der Behandlung der akuten koronaren Herzkrankheit ebenfalls in Phase 3 Studi-en positiv abgeschnitten.

Es besteht kein Direktvergleich zwischen den neuen oralen Antikoagulantien. Sie alle haben signifikant weniger intrazere-brale Blutungen ausgelöst im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten. Dabigatran 110 mg und Rivaroxaban haben nicht-in-ferior, Dabigatran 150 mg und Apixaban 2 x 5 mg signifikant besser als das War-farin in der Prophylaxe des ischämischen Stroke und der Thromboembolie beim Vorhofflimmern abgeschnitten. Bezüglich grösserer Blutungen (major bleeds) waren Rivaroxaban und Dabigatran 2 x 150 mg nicht-inferior, das Dabigatran 110 mg und das Apixaban superior zum Warfarin. Langzeitanwendungen und auch Studi-enverlängerungen zeigen die Sicherheit und Effektivität dieser Präparate.

Parallel dazu hat auch Aspirin einen sig-nifikanten Effekt auf rezidivierende Ven-enthrombosen und Lungenembolien im Anschluss an die Antikoagulation gezeigt (ca. ein Drittel der Fälle konnten reduziert werden). Bezüglich der indirekten Verglei-che (formal nicht zulässig), können die Ex-perten keine grosse signifikante Differenz zwischen den Präparaten, mit Ausnahme der oben erwähnten Unterschiede, fest-stellen. Beim Dabigatran 2 x 150 mg und

Prof. Dr. med. Jürg H. Beer Zurzeit stehen in der Schweiz 3 neue orale Antikoagulantien für den klinischen

Gebrauch zur Verfügung: Der direkte Thrombin-Hemmer Dabigatran (Pradaxa®), in 2 Dosierungen von 2 x 150 mg

und 2 x 110 mg für die Behandlung des nicht-valvulären Vorhofflimmerns, das Rivaroxaban (Xarelto®), 1 x täglich

20 mg, ebenfalls für die Behandlung des nicht-valvulären Vorhofflimmerns und zusätzlich der tiefen Beinvenen-

thrombose und der Prophylaxe in der orthopädischen Chirurgie (1 x 10 mg) sowie das Apixaban (Eliquis®) ebenfalls

für die Prophylaxe in der orthopädischen Chirurgie.

beim Rivaroxaban ist auf die erhöhte gas-trointestinale Blutungstendenz zu achten. Bei einer Kreatinin-Clearance unter 50 ist Vorsicht geboten und bei einer Clearance unter 30 empfiehlt sich der Einsatz der neuen Antikoagulantien noch nicht. Bei der Wahl des Präparates sollten Präpara-te mit geringer renaler Clearance bevor-zugt werden.

Bei der Warfarin-Einstellung sind die 3 ersten Monate, insbesondere bei älteren Patienten, die Gefährlichsten. Der Sturz beim älteren Menschen wird in Bezug auf das Blutungsrisiko eher überschätzt und in Bezug auf das Thromboembolie-Risiko eher unterschätzt. Als Faustregel ist mit 200 Stürzen zu rechnen bis eine relevante intrazerebrale Blutung auftritt.

Auf die TTR (time in therapeutic range) ist besonderes Augenmerk zu richten, da bei geringer TTR eine erhöhte Komplikations-rate und ein geringeres Kosten-Nutzen-

Verhältnis zu erwarten ist. Neuere Meta-Analysen zeigen auf, dass ein zusätzlicher Einsatz von neuen Antikoagulantien beim ACS eher mit Nachteilen (Blutungsnei-gung) verbunden ist.

Bei der Niereninsuffizienz hat das Apixa-ban besonders günstig gegenüber dem Warfarin abgeschnitten. Das Monitoring ist kaum notwendig, ge-legentlich von Interesse im Bezug auf die Frage der Compliance und im Bezug auf die Kumulation beim Notfall mit massiver Blutung. Ein Anti-Dot ist in Evaluation.

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Blutungsabklärung: Wann, wie, bei wem?

Traditionellerweise werden in der Darstel-lung der hämostatischen Mechanismen zwei Aktivierungswege gezeichnet, der intrinsische und extrinsische Weg (Abb. 1). Eine modernere Interpretation dieser Mechanismen verwendet diese Differen-zierung nicht mehr und stellt die Abläufe als ein Zell-basiertes Konzept dar (Abb. 2). Dieses Konzept erlaubt ein besseres Verständnis und Erklärung des klinischen Phänotyps der Blutungen. Aus didak-tischer Sicht gesehen erkennt man im Hämostasekonzept folgende funktionelle Phasen:

a) die initiale Hämostase mit den Funktio-nen der Plättchen und der Gefässkom-ponenten,

b) die plasmatische Gerinnung mit den In-teraktionen aller plasmatischen Gerin-nungsproteine und mit der Bildung des Fibrins und

c) die plasmatische Fibrinolyse mit den Interaktionen der Fibrinolyseproteine und dem Abbau des Fibrins bzw. der Thromben.

Prof. Dr. med. D. Tsakiris Die Hämostase ist eine komplexe funktionelle Eigenschaft des Blutes, welche vorwie-

gend die Blutstillung gewährleistet. Reaktionspartner dieser Funktionen sind plasmatische Proteine sowie Zellen

und zelluläre Komponenten des Blutes und der Gefässe.

Die synchrone und regulierte Interaktion dieser funktionellen Phasen gewährleis-tet eine effiziente Blutstillung immer wenn und wo sie gebraucht wird. Eine Abwei-chung im Sinne eines Mangels an ein Pro-tein oder einer Dysfunktion eines Enzyms führt entsprechend zu einer Verlangsa-mung oder Beschleunigung der Reaktio-nen. Die Verlangsamung der Hämostase manifestiert sich klinisch als Blutungsnei-gung und die Beschleunigung als Throm-boseneigung. Wir kennen heute eine Vielfalt von klinischen Situationen mit Blu-tungsneigung, welche durch Veränderun-gen der Hämostase erklärt werden. Diese können quantitative Störungen der Plätt-chen sein (z.B. die Immunthrombopenie). Eine qualitative Störung der Funktion der Plättchen kann auch als Blutungsneigung sich präsentieren (z.B. die medikamentö-se Thrombozytenhemmung). Als Störun-gen der plasmatischen Gerinnung kennen wir die hereditären Defekte (z.B. die Hä-mophilie A oder B bei Faktor VIII- oder IX-Mangel) sowie häufigere erworbene Defi-zite (z.B. der Faktorenmangel durch orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonis-ten oder bei einer Lebersynthesestörung).

Konzept der Blutungsabklärung Bei der Abklärung einer Blutungsneigung soll systematisch vorgegangen werden. Die gezielte detaillierte hämostaseologi-sche Anamnese hilft uns die Häufigkeit des Phänomens und den Schweregrad zu erkennen. Der kongenitale Charakter eines Defektes wird hier auch schnell er-sichtlich. Der klinische Befund hilft uns manchmal den Auslöser zu erkennen. Die definitive Diagnose wird aber durch die labortechnische Abklärung gestellt. Hier sollen Teste für die Thrombozyten und für die plasmatische Gerinnung und Fibrino-lyse eingesetzt werden. Die Globalteste (Quick/INR, aktivierte partielle Thrombo-plastinzeit APTT, Thrombozytenglobal-test – früher Blutungszeit) helfen uns als erste Orientierung den Problembereich zuzuordnen. Die spezifischen Abklärun-gen durch Untersuchung der Plättchen-funktion (Plättchenaggregation) und durch Messung der Faktorenkonzentration und Funktion (gezielte Bestimmung spezifi-scher Gerinnungsfaktoren), erlauben uns einen Defekt zu identifizieren. Die Erstab-klärung eines symptomatischen Patienten mit Blutungen soll die Globalteste Quick/INR, APTT, Thrombozytenglobaltest so-wie Fibrinogen, Faktor VIII, von Willebrand Faktor und Faktor XIII beinhalten. Durch dieses Untersuchungsmodel wird:

a) ein allfälliger Problembereich der Hä-mostase durch die Globalteste identi-fiziert,

b) das milde von Willebrand Syndrom ab-geklärt, welches die häufigste hereditä-re Blutungsneigung ist (1/200-300 Ge-burten) und durch die Globalteste nicht immer erkannt wird und

c) der sehr seltene FXIII-Mangel entdeckt, der sonst durch die Globalteste kaum erkannt wird.

Bei einer Verlängerung der Quick/INR oder APTT werden weiter isolierte Gerin-nungsfaktoren untersucht. Bei einem ab-normen Thrombozytenglobaltest soll die

Thrombozytenfunktion am besten durch die Goldstandardmethode Plättchen-aggregation im Plättchenreichenplasma weiter abgeklärt werden. Die besonde-ren Testsysteme ACT («activated clotting time»), Thrombozytenaggregation im Voll-blut (z.B. Multiplate®) und Thromboelas-tometrie (z.B. ROTEM®) eignen sich nicht für die reguläre Routine-Abklärung einer Blutungsneigung, weil sie weniger sen-sitiv als die Standardmethoden sind. Als Methoden der Präsenzanalytik jedoch («Point of Care Testing») liefern sie wich-tige Informationen in Akutsituationen, wo die Hämostase stark herausgefordert wird und eine schnelle therapeutische Reaktion wichtig ist (z.B. im Katheterla-bor bei Katheterinterventionen an den Koronarien, in der intraoperativen Hämo-stase, bei der Trauma-Koagulopathie). Ein weiterer wichtiger Aspekt der Blutungs-abklärung, welcher immer berücksich-tigt werden soll, ist die Präanalytik. Die

Abb.1: Traditionelle Darstellung der hämostatischen Mechanismen seit den 1960er Jahren. Es werden der

intrinsische (roter Pfeil) und extrinsische Weg (blauer Pfeil) erkannt sowie die funktionelle Positionierung der

Globalteste der Gerinnung (APTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit, Quick/INR: Thromboplastinzeit,

BZ: Blutungszeit).

Abb. 2: Moderne Darstellung der Hämostase seit den 1990er Jahren. Es wird nicht mehr in intrinsisch/

extrinsisch differenziert und ein höherer Stellenwert wird den zellulären Interaktionen beigemessen (z.B.

Plättchen, Endothelzellen) (© Internet)

Autor

Prof. Dr. med. Dimitrios Tsakiris

Diagnostische Hämatologie

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4 · 4031 Basel

[email protected]

Zellulärer Aspekt der hämostatischen Mechanismen

Gerinnungsabklärungen unterliegen strik-ten präanalytischen Bedingungen bezüg-lich Entnahmematerial, Entnahmeme-thode, Bearbeitung und Lagerung des Untersuchungsmaterials. Diese Richtlini-en sind in der Dokumentation des jewei-ligen Laborproviders weit verbreitet, und einfach zu finden. Eine komplette und ge-zielte Blutungsabklärung liefert wichtige Informationen, welche die Therapie der Blutungen entscheidend beeinflussen. Bei unerklärlichen Blutungen soll immer daran gedacht werden.

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Page 7: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

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Blutungsabklärung: Wann, wie, bei wem?

Traditionellerweise werden in der Darstel-lung der hämostatischen Mechanismen zwei Aktivierungswege gezeichnet, der intrinsische und extrinsische Weg (Abb. 1). Eine modernere Interpretation dieser Mechanismen verwendet diese Differen-zierung nicht mehr und stellt die Abläufe als ein Zell-basiertes Konzept dar (Abb. 2). Dieses Konzept erlaubt ein besseres Verständnis und Erklärung des klinischen Phänotyps der Blutungen. Aus didak-tischer Sicht gesehen erkennt man im Hämostasekonzept folgende funktionelle Phasen:

a) die initiale Hämostase mit den Funktio-nen der Plättchen und der Gefässkom-ponenten,

b) die plasmatische Gerinnung mit den In-teraktionen aller plasmatischen Gerin-nungsproteine und mit der Bildung des Fibrins und

c) die plasmatische Fibrinolyse mit den Interaktionen der Fibrinolyseproteine und dem Abbau des Fibrins bzw. der Thromben.

Prof. Dr. med. D. Tsakiris Die Hämostase ist eine komplexe funktionelle Eigenschaft des Blutes, welche vorwie-

gend die Blutstillung gewährleistet. Reaktionspartner dieser Funktionen sind plasmatische Proteine sowie Zellen

und zelluläre Komponenten des Blutes und der Gefässe.

Die synchrone und regulierte Interaktion dieser funktionellen Phasen gewährleis-tet eine effiziente Blutstillung immer wenn und wo sie gebraucht wird. Eine Abwei-chung im Sinne eines Mangels an ein Pro-tein oder einer Dysfunktion eines Enzyms führt entsprechend zu einer Verlangsa-mung oder Beschleunigung der Reaktio-nen. Die Verlangsamung der Hämostase manifestiert sich klinisch als Blutungsnei-gung und die Beschleunigung als Throm-boseneigung. Wir kennen heute eine Vielfalt von klinischen Situationen mit Blu-tungsneigung, welche durch Veränderun-gen der Hämostase erklärt werden. Diese können quantitative Störungen der Plätt-chen sein (z.B. die Immunthrombopenie). Eine qualitative Störung der Funktion der Plättchen kann auch als Blutungsneigung sich präsentieren (z.B. die medikamentö-se Thrombozytenhemmung). Als Störun-gen der plasmatischen Gerinnung kennen wir die hereditären Defekte (z.B. die Hä-mophilie A oder B bei Faktor VIII- oder IX-Mangel) sowie häufigere erworbene Defi-zite (z.B. der Faktorenmangel durch orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonis-ten oder bei einer Lebersynthesestörung).

Konzept der Blutungsabklärung Bei der Abklärung einer Blutungsneigung soll systematisch vorgegangen werden. Die gezielte detaillierte hämostaseologi-sche Anamnese hilft uns die Häufigkeit des Phänomens und den Schweregrad zu erkennen. Der kongenitale Charakter eines Defektes wird hier auch schnell er-sichtlich. Der klinische Befund hilft uns manchmal den Auslöser zu erkennen. Die definitive Diagnose wird aber durch die labortechnische Abklärung gestellt. Hier sollen Teste für die Thrombozyten und für die plasmatische Gerinnung und Fibrino-lyse eingesetzt werden. Die Globalteste (Quick/INR, aktivierte partielle Thrombo-plastinzeit APTT, Thrombozytenglobal-test – früher Blutungszeit) helfen uns als erste Orientierung den Problembereich zuzuordnen. Die spezifischen Abklärun-gen durch Untersuchung der Plättchen-funktion (Plättchenaggregation) und durch Messung der Faktorenkonzentration und Funktion (gezielte Bestimmung spezifi-scher Gerinnungsfaktoren), erlauben uns einen Defekt zu identifizieren. Die Erstab-klärung eines symptomatischen Patienten mit Blutungen soll die Globalteste Quick/INR, APTT, Thrombozytenglobaltest so-wie Fibrinogen, Faktor VIII, von Willebrand Faktor und Faktor XIII beinhalten. Durch dieses Untersuchungsmodel wird:

a) ein allfälliger Problembereich der Hä-mostase durch die Globalteste identi-fiziert,

b) das milde von Willebrand Syndrom ab-geklärt, welches die häufigste hereditä-re Blutungsneigung ist (1/200-300 Ge-burten) und durch die Globalteste nicht immer erkannt wird und

c) der sehr seltene FXIII-Mangel entdeckt, der sonst durch die Globalteste kaum erkannt wird.

Bei einer Verlängerung der Quick/INR oder APTT werden weiter isolierte Gerin-nungsfaktoren untersucht. Bei einem ab-normen Thrombozytenglobaltest soll die

Thrombozytenfunktion am besten durch die Goldstandardmethode Plättchen-aggregation im Plättchenreichenplasma weiter abgeklärt werden. Die besonde-ren Testsysteme ACT («activated clotting time»), Thrombozytenaggregation im Voll-blut (z.B. Multiplate®) und Thromboelas-tometrie (z.B. ROTEM®) eignen sich nicht für die reguläre Routine-Abklärung einer Blutungsneigung, weil sie weniger sen-sitiv als die Standardmethoden sind. Als Methoden der Präsenzanalytik jedoch («Point of Care Testing») liefern sie wich-tige Informationen in Akutsituationen, wo die Hämostase stark herausgefordert wird und eine schnelle therapeutische Reaktion wichtig ist (z.B. im Katheterla-bor bei Katheterinterventionen an den Koronarien, in der intraoperativen Hämo-stase, bei der Trauma-Koagulopathie). Ein weiterer wichtiger Aspekt der Blutungs-abklärung, welcher immer berücksich-tigt werden soll, ist die Präanalytik. Die

Abb.1: Traditionelle Darstellung der hämostatischen Mechanismen seit den 1960er Jahren. Es werden der

intrinsische (roter Pfeil) und extrinsische Weg (blauer Pfeil) erkannt sowie die funktionelle Positionierung der

Globalteste der Gerinnung (APTT: aktivierte partielle Thromboplastinzeit, Quick/INR: Thromboplastinzeit,

BZ: Blutungszeit).

Abb. 2: Moderne Darstellung der Hämostase seit den 1990er Jahren. Es wird nicht mehr in intrinsisch/

extrinsisch differenziert und ein höherer Stellenwert wird den zellulären Interaktionen beigemessen (z.B.

Plättchen, Endothelzellen) (© Internet)

Autor

Prof. Dr. med. Dimitrios Tsakiris

Diagnostische Hämatologie

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4 · 4031 Basel

[email protected]

Zellulärer Aspekt der hämostatischen Mechanismen

Gerinnungsabklärungen unterliegen strik-ten präanalytischen Bedingungen bezüg-lich Entnahmematerial, Entnahmeme-thode, Bearbeitung und Lagerung des Untersuchungsmaterials. Diese Richtlini-en sind in der Dokumentation des jewei-ligen Laborproviders weit verbreitet, und einfach zu finden. Eine komplette und ge-zielte Blutungsabklärung liefert wichtige Informationen, welche die Therapie der Blutungen entscheidend beeinflussen. Bei unerklärlichen Blutungen soll immer daran gedacht werden.

XIIXI IX

VIIIaVII/TF

Plättchen

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Prothrombin Thrombin

Fibrinogen

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D-Dimere

APTT Quick-INR

BZ

FIBRIN

Xa, Va, Ca++

LMZ-RP-73-druck.indd 6-7 17.06.13 13:11

Page 8: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

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Pille, Schwangerschaft und Gerinnung Adipositas und Gerinnung – Eine therapeutische Herausforderung

Dr. med. Gero Drack Der hormonalen Schwangerschaftsverhütung und der – auch normalen Schwangerschaft

gemeinsam ist eine Aktivierung des Gerinnungssystems mit einer Erhöhung des Risikos thromboembolischer

Ereignisse.

PD Dr. med. Fritz Horber Adipositas ist ein wunderbares Beispiel, um Ihnen genetische, epigenetische und

patientenspezifische Einflüsse auf ein medizinisches Problem aufzuzeigen. Weltweit ist die Adipositas immer

noch «am zunehmen» und es wird prognostiziert, dass im Jahr 2040 die Hälfte der westlichen Weltbevölkerung ein

BMI über 30 aufweisen wird. Wir wissen, dass der Mensch zwischen dem 25. und 55. Lebensjahr jeden Tag 1.5 g

zunimmt. 50 kcal pro Tag zu viel gegenüber der täglichen Verbrennung resultiert in 20 kg nach 10 Jahren. Typi-

sches Beispiel für 50 kcal ist ein kleiner Apfel oder ¼ Stück Cervelat. Man sollte meinen, dass dies durch das ein-

zelne Individuum zu verhindern wäre; aber weit gefehlt.

Die Angaben in der Literatur zur Inzidenz thromboembolischer Ereignisse unter der Einnahme kombinierter oraler hormonaler Kontrazeptiva (COC) schwanken erheb-lich. Als Faustregel gilt eine Verdoppelung des Risikos, das für Frauen ohne COC der Altersgruppe 15 - 35 Jahre mit 1-2 bzw. 35 - 44 Jahre mit 3-8 /10’000 Frauenjahre angegeben wird (SGGG 2012). Abgese-hen von der Schwierigkeit einer Erhebung zuverlässiger Daten zu nicht meldepflich-tigen und zudem unterschiedlich diag-nostizierten Ereignissen in einem derart weit verbreiteten Anwendungsbereich beruht die Unterschiedlichkeit der Anga-ben zum Teil gerade auf den eigentlichen Risikofaktoren oder anderen Besonder-heiten der Anwendung: Altersverteilung einer Studienpopulation (30 - 34 Jahre: Verdoppelung gegenüber < 20 Jahre, ab 40 Jahren erneute Verdoppelung); Anteil von Raucherinnen; Anteil von Neueinstei-gerinnen (erhöhtes Risiko im ersten Jahr, spez. in den ersten drei Monaten); Prä-valenzen von Adipositas (Verdoppelung ab BMI 30), Thrombophilien, Diabetes, arterieller Hypertonie, Hyperlipidämien oder entzündlichen Darmerkrankungen. Grundsätzlich analoge Angaben gelten für arterielle thrombotische Ereignisse (Myo-kardinfarkt, zerebrale Ischämien), auch wenn diese Ereignisse deutlich seltener sind.

Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass COC mit Gestagenen der sog. 3. Gene-ration (Desogestrel, Gestoden) ein ca. doppelt so hohes Risiko von Thrombosen aufweisen wie solche mit dem Hauptver-treter der 2. Generation (Levonorgestrel), d.h. ca. 10 /10’000 Frauenjahre (auch hö-here Angaben). Das gleiche Risiko besteht auch bei Einnahme von COC mit Drospi-renon (4. Generation) oder dem Antian-drogen Cyproteronacetat als Gestagen-komponente.

Für die Praxis gilt die Empfehlung zur Be-achtung der vorstehend genannten Risiko-faktoren bei der Neuverschreibung eines

In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass Übergewicht vergesellschaftet ist mit mindestens 42 verschiedenen Genvarian-ten. Die wichtigste davon ist das FTO Gen, welches auch das Essverhalten nachhal-tig beeinflusst. Kinder mit einer Variante des FTO Gens essen vorzugsweise Nah-rungsmittel mit hoher Energiedichte (wie Hamburger) ohne gleichzeitige Erhöhung der Verbrennung, während Kinder oh-ne diese Variante weniger energiedichte Nahrung bevorzugen, z.B. Gemüse. Was die Sache noch schlimmer macht, die FTO Gen Varianten nützen die Nahrung im Skelettmuskel besser aus, d.h. sie sind zusätzlich sog. gute Futterverwerter.

Wir und die Umwelt steuern unsere Gene durch sogenannt epigenetische Mecha-nismen. Die Epigenetik ist das Scharnier zwischen Genetik und Umwelt. Beim An-hängen, z.B. einer Methyl-Gruppe an ein Zytosinmolekül eines bestimmten Gens, kann dieses Gen vorübergehend oder dauernd ausgeschaltet werden. Man weiss, dass unsere sich seit den 60er Jahren verändernde Esskultur mit zuneh-mend energie-dichterem amerikanischen Essen die Expression von Ess-Genen nachhaltig beeinflusst. Ein typisches Bei-spiel: Mütter, welche das erste Kind mit Schwangerschafts-BMI von über 40 und das zweite mit einem BMI von 25 (nach Übergewichtsoperation) zur Welt bringen, erhöhen die Chance zu Übergewicht ihres ersten gegenüber dem zweiten Spröss-lings um 50 %, trotz gleicher Gene der Mutter.

Ähnliche Phänomene sind nun auch bei der Thromboseneigung von Adipösen zu beobachten. Das Thromboembolierisiko erhöht sich bei Adipositas mit zunehmen-dem BMI. Eine mögliche Erklärung könn-te die linear zunehmende APC Resistenz

COC. Vom Screening auf Thrombophilien wird mangels geringer klinischer Relevanz eines positiven Testbefundes abgeraten, sogar bei positiver Familienanamnese (WHO 2010; cave bei zusätzlichen Risi-kofaktoren!). Vor einer Verschreibung von Drospirenon oder Cyproteronacetat ent-haltenden Präparaten ist die Indikations-stellung zu prüfen; bei guter Toleranz be-steht kein Anlass zum Präparatewechsel.

Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft illustrieren die Bedeu-tung der Virchowschen Trias für das Auf-treten thromboembolischer Ereignisse: Erhöhung der Koagulabilität durch Zu-nahme von Gerinnungsfaktoren, Hem-mung der Fibrinolyse; vermehrte Stase durch Vasodilatation und Endothelscha-den spez. durch Geburtstraumen. Die Inzidenzen werden mit ca. 5 - 12 / 10’000 Schwangerschaften und 3 - 7 / Wochen-bettperioden angegeben, im Vergleich zu gleichaltrigen Nichtschwangeren ca. 7 - 10 x häufiger. Wichtig ist die Feststel-lung einer Risikoerhöhung über die gan-ze Dauer der Schwangerschaft und spe-ziell im Wochenbett. Dieser Umstand führt zur Empfehlung einer Risikoevaluation zu Beginn der Schwangerschaft und bei der Entbindung (RCOG 2009). Diverse Au-toren empfehlen eine Risikoabstufung «niedrig» (besser wäre: «wenig erhöht»), «mittel», «hoch». Die Behandlungsemp-fehlungen lauten dementsprechend: Pro-phylaxe nur während 6 Wochen post par-tum; Prophylaxe (ca. 50 E / kg /d) ab 1. Trimenon bis inkl. Puerperium; therapeuti-sche Dosierung (ca. 100 E / kg /d). Ob eine Dosisanpassung auf Grund einer Monito-risierung der Gerinnungsaktivität vorge-nommen werden soll, wird unter Experten unterschiedlich beurteilt. Ebenfalls kontro-vers diskutiert wird die Rolle der Throm-bophilien bei Patientinnen mit anderweitig kausal ungeklärten habituellen Aborten, zum Teil mangels unklarer Assoziation, zum Teil mangels Evidenz des Nutzens therapeutischer Interventionen. Während dem viele Autoren für diese Situationen

die Abklärung auf F-V-L-Mutation, PT-Gen G20210A-Mutation, Protein C- und S-Mangel, vor allem aber AT-III-Mangel sowie die Antiphospholipid-AK (ß2-Glyko-protein, ACAK, Lupus Antikoagulans) for-dern, empfehlen andere den Verzicht auf solche Abklärungen, mit Ausnahme der Suche nach dem Antiphospholipid-Syn-drom im Falle eines unklaren intrauterinen Todes (ACOG 2010).

Autor

Dr. med. Gero Drack, MPH

Leitender Arzt Geburtshilfe

Frauenklinik Kantonsspital · 9007 St. Gallen

[email protected]

Autor

PD Dr. med. Fritz Horber

Chefarzt Innere Medizin · Ärztlicher Leiter

Landesspital Liechtenstein · 9490 Vaduz

[email protected]

(Activated Protein C, ein wichtiger Gerin-nungshemmer) mit zunehmendem BMI sein, möglicherweise ausgelöst durch einen epigenetischen Mechanismus, be-dingt durch erhöhte Nahrungszufuhr der Adipösen (Thromboembolierisiko verdop-pelt). Diese möglicherweise epigenetisch erworbene APC Resistenz steht im Ge-gensatz zu der bekannten genetischen APC Resistenz, die Faktor V Leiden Mu-tation. Patienten, die beides aufweisen, haben ein noch höheres Thromboserisiko (bis 10-fach erhöht). Eine andere kürzlich erschienene Studie konnte weiterhin zei-gen, dass das Thromboembolierisiko, un-abhängig vom Gewicht, abhängig von der Ernährung sein könnte. Erhöhtes endo-genes Thrombinbildungspotential (ETP) ist assoziiert mit venösen und arteriellen Thrombosen. Eine 3-monatige Reduktion der Energiedichte der Nahrung senkte das ETP um 21 %. Diese Reduktion korrelierte mit der Menge des konsumierten Gemü-ses und einem Marker, der eine ausrei-chende Fetternährung dokumentiert. Im Übrigen, eine Senkung der Energiedichte, d.h. Kalorien pro 100 g Nahrung, führt

auch immer zu einer Gewichtsreduktion. Ob die heute angewandten Schemen zur Thromboseprophylaxe korrekt sind, bleibt prospektiven Studien bei Patienten mit ei-nem BMI > 35 kg/m2 vorbehalten. Die tie-fe Rate von 0.5 % Lungenembolien und 0.6 % symptomatische Venenthrombosen wurden in der einzigen prospektiven Stu-die mit einer Blutungsinzidenz von 3.6 % erkauft. Ob nicht doch eine Dosierung in mg/kg Körpergewicht richtiger wäre als fi-xe Dosen je nach BMI-Gruppe bleibt ab-zuwarten. Ein Wechsel auf die mediter-rane Ernährung mit Reduktion von 500 kcal pro Tag lebenslang würde sicher-lich helfen, Adipositas zu verhindern und thrombotische Ereignisse im kardiovasku-lären Bereich zu reduzieren.

Energiedichte beeinflusst das Gewicht

Stubbs et al. Int J Obes Relat Metab Disord. 1998;22:980*P<0.038, treatment effect.

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Page 9: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

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Pille, Schwangerschaft und Gerinnung Adipositas und Gerinnung – Eine therapeutische Herausforderung

Dr. med. Gero Drack Der hormonalen Schwangerschaftsverhütung und der – auch normalen Schwangerschaft

gemeinsam ist eine Aktivierung des Gerinnungssystems mit einer Erhöhung des Risikos thromboembolischer

Ereignisse.

PD Dr. med. Fritz Horber Adipositas ist ein wunderbares Beispiel, um Ihnen genetische, epigenetische und

patientenspezifische Einflüsse auf ein medizinisches Problem aufzuzeigen. Weltweit ist die Adipositas immer

noch «am zunehmen» und es wird prognostiziert, dass im Jahr 2040 die Hälfte der westlichen Weltbevölkerung ein

BMI über 30 aufweisen wird. Wir wissen, dass der Mensch zwischen dem 25. und 55. Lebensjahr jeden Tag 1.5 g

zunimmt. 50 kcal pro Tag zu viel gegenüber der täglichen Verbrennung resultiert in 20 kg nach 10 Jahren. Typi-

sches Beispiel für 50 kcal ist ein kleiner Apfel oder ¼ Stück Cervelat. Man sollte meinen, dass dies durch das ein-

zelne Individuum zu verhindern wäre; aber weit gefehlt.

Die Angaben in der Literatur zur Inzidenz thromboembolischer Ereignisse unter der Einnahme kombinierter oraler hormonaler Kontrazeptiva (COC) schwanken erheb-lich. Als Faustregel gilt eine Verdoppelung des Risikos, das für Frauen ohne COC der Altersgruppe 15 - 35 Jahre mit 1-2 bzw. 35 - 44 Jahre mit 3-8 /10’000 Frauenjahre angegeben wird (SGGG 2012). Abgese-hen von der Schwierigkeit einer Erhebung zuverlässiger Daten zu nicht meldepflich-tigen und zudem unterschiedlich diag-nostizierten Ereignissen in einem derart weit verbreiteten Anwendungsbereich beruht die Unterschiedlichkeit der Anga-ben zum Teil gerade auf den eigentlichen Risikofaktoren oder anderen Besonder-heiten der Anwendung: Altersverteilung einer Studienpopulation (30 - 34 Jahre: Verdoppelung gegenüber < 20 Jahre, ab 40 Jahren erneute Verdoppelung); Anteil von Raucherinnen; Anteil von Neueinstei-gerinnen (erhöhtes Risiko im ersten Jahr, spez. in den ersten drei Monaten); Prä-valenzen von Adipositas (Verdoppelung ab BMI 30), Thrombophilien, Diabetes, arterieller Hypertonie, Hyperlipidämien oder entzündlichen Darmerkrankungen. Grundsätzlich analoge Angaben gelten für arterielle thrombotische Ereignisse (Myo-kardinfarkt, zerebrale Ischämien), auch wenn diese Ereignisse deutlich seltener sind.

Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass COC mit Gestagenen der sog. 3. Gene-ration (Desogestrel, Gestoden) ein ca. doppelt so hohes Risiko von Thrombosen aufweisen wie solche mit dem Hauptver-treter der 2. Generation (Levonorgestrel), d.h. ca. 10 /10’000 Frauenjahre (auch hö-here Angaben). Das gleiche Risiko besteht auch bei Einnahme von COC mit Drospi-renon (4. Generation) oder dem Antian-drogen Cyproteronacetat als Gestagen-komponente.

Für die Praxis gilt die Empfehlung zur Be-achtung der vorstehend genannten Risiko-faktoren bei der Neuverschreibung eines

In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass Übergewicht vergesellschaftet ist mit mindestens 42 verschiedenen Genvarian-ten. Die wichtigste davon ist das FTO Gen, welches auch das Essverhalten nachhal-tig beeinflusst. Kinder mit einer Variante des FTO Gens essen vorzugsweise Nah-rungsmittel mit hoher Energiedichte (wie Hamburger) ohne gleichzeitige Erhöhung der Verbrennung, während Kinder oh-ne diese Variante weniger energiedichte Nahrung bevorzugen, z.B. Gemüse. Was die Sache noch schlimmer macht, die FTO Gen Varianten nützen die Nahrung im Skelettmuskel besser aus, d.h. sie sind zusätzlich sog. gute Futterverwerter.

Wir und die Umwelt steuern unsere Gene durch sogenannt epigenetische Mecha-nismen. Die Epigenetik ist das Scharnier zwischen Genetik und Umwelt. Beim An-hängen, z.B. einer Methyl-Gruppe an ein Zytosinmolekül eines bestimmten Gens, kann dieses Gen vorübergehend oder dauernd ausgeschaltet werden. Man weiss, dass unsere sich seit den 60er Jahren verändernde Esskultur mit zuneh-mend energie-dichterem amerikanischen Essen die Expression von Ess-Genen nachhaltig beeinflusst. Ein typisches Bei-spiel: Mütter, welche das erste Kind mit Schwangerschafts-BMI von über 40 und das zweite mit einem BMI von 25 (nach Übergewichtsoperation) zur Welt bringen, erhöhen die Chance zu Übergewicht ihres ersten gegenüber dem zweiten Spröss-lings um 50 %, trotz gleicher Gene der Mutter.

Ähnliche Phänomene sind nun auch bei der Thromboseneigung von Adipösen zu beobachten. Das Thromboembolierisiko erhöht sich bei Adipositas mit zunehmen-dem BMI. Eine mögliche Erklärung könn-te die linear zunehmende APC Resistenz

COC. Vom Screening auf Thrombophilien wird mangels geringer klinischer Relevanz eines positiven Testbefundes abgeraten, sogar bei positiver Familienanamnese (WHO 2010; cave bei zusätzlichen Risi-kofaktoren!). Vor einer Verschreibung von Drospirenon oder Cyproteronacetat ent-haltenden Präparaten ist die Indikations-stellung zu prüfen; bei guter Toleranz be-steht kein Anlass zum Präparatewechsel.

Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft illustrieren die Bedeu-tung der Virchowschen Trias für das Auf-treten thromboembolischer Ereignisse: Erhöhung der Koagulabilität durch Zu-nahme von Gerinnungsfaktoren, Hem-mung der Fibrinolyse; vermehrte Stase durch Vasodilatation und Endothelscha-den spez. durch Geburtstraumen. Die Inzidenzen werden mit ca. 5 - 12 / 10’000 Schwangerschaften und 3 - 7 / Wochen-bettperioden angegeben, im Vergleich zu gleichaltrigen Nichtschwangeren ca. 7 - 10 x häufiger. Wichtig ist die Feststel-lung einer Risikoerhöhung über die gan-ze Dauer der Schwangerschaft und spe-ziell im Wochenbett. Dieser Umstand führt zur Empfehlung einer Risikoevaluation zu Beginn der Schwangerschaft und bei der Entbindung (RCOG 2009). Diverse Au-toren empfehlen eine Risikoabstufung «niedrig» (besser wäre: «wenig erhöht»), «mittel», «hoch». Die Behandlungsemp-fehlungen lauten dementsprechend: Pro-phylaxe nur während 6 Wochen post par-tum; Prophylaxe (ca. 50 E / kg /d) ab 1. Trimenon bis inkl. Puerperium; therapeuti-sche Dosierung (ca. 100 E / kg /d). Ob eine Dosisanpassung auf Grund einer Monito-risierung der Gerinnungsaktivität vorge-nommen werden soll, wird unter Experten unterschiedlich beurteilt. Ebenfalls kontro-vers diskutiert wird die Rolle der Throm-bophilien bei Patientinnen mit anderweitig kausal ungeklärten habituellen Aborten, zum Teil mangels unklarer Assoziation, zum Teil mangels Evidenz des Nutzens therapeutischer Interventionen. Während dem viele Autoren für diese Situationen

die Abklärung auf F-V-L-Mutation, PT-Gen G20210A-Mutation, Protein C- und S-Mangel, vor allem aber AT-III-Mangel sowie die Antiphospholipid-AK (ß2-Glyko-protein, ACAK, Lupus Antikoagulans) for-dern, empfehlen andere den Verzicht auf solche Abklärungen, mit Ausnahme der Suche nach dem Antiphospholipid-Syn-drom im Falle eines unklaren intrauterinen Todes (ACOG 2010).

Autor

Dr. med. Gero Drack, MPH

Leitender Arzt Geburtshilfe

Frauenklinik Kantonsspital · 9007 St. Gallen

[email protected]

Autor

PD Dr. med. Fritz Horber

Chefarzt Innere Medizin · Ärztlicher Leiter

Landesspital Liechtenstein · 9490 Vaduz

[email protected]

(Activated Protein C, ein wichtiger Gerin-nungshemmer) mit zunehmendem BMI sein, möglicherweise ausgelöst durch einen epigenetischen Mechanismus, be-dingt durch erhöhte Nahrungszufuhr der Adipösen (Thromboembolierisiko verdop-pelt). Diese möglicherweise epigenetisch erworbene APC Resistenz steht im Ge-gensatz zu der bekannten genetischen APC Resistenz, die Faktor V Leiden Mu-tation. Patienten, die beides aufweisen, haben ein noch höheres Thromboserisiko (bis 10-fach erhöht). Eine andere kürzlich erschienene Studie konnte weiterhin zei-gen, dass das Thromboembolierisiko, un-abhängig vom Gewicht, abhängig von der Ernährung sein könnte. Erhöhtes endo-genes Thrombinbildungspotential (ETP) ist assoziiert mit venösen und arteriellen Thrombosen. Eine 3-monatige Reduktion der Energiedichte der Nahrung senkte das ETP um 21 %. Diese Reduktion korrelierte mit der Menge des konsumierten Gemü-ses und einem Marker, der eine ausrei-chende Fetternährung dokumentiert. Im Übrigen, eine Senkung der Energiedichte, d.h. Kalorien pro 100 g Nahrung, führt

auch immer zu einer Gewichtsreduktion. Ob die heute angewandten Schemen zur Thromboseprophylaxe korrekt sind, bleibt prospektiven Studien bei Patienten mit ei-nem BMI > 35 kg/m2 vorbehalten. Die tie-fe Rate von 0.5 % Lungenembolien und 0.6 % symptomatische Venenthrombosen wurden in der einzigen prospektiven Stu-die mit einer Blutungsinzidenz von 3.6 % erkauft. Ob nicht doch eine Dosierung in mg/kg Körpergewicht richtiger wäre als fi-xe Dosen je nach BMI-Gruppe bleibt ab-zuwarten. Ein Wechsel auf die mediter-rane Ernährung mit Reduktion von 500 kcal pro Tag lebenslang würde sicher-lich helfen, Adipositas zu verhindern und thrombotische Ereignisse im kardiovasku-lären Bereich zu reduzieren.

Energiedichte beeinflusst das Gewicht

Stubbs et al. Int J Obes Relat Metab Disord. 1998;22:980*P<0.038, treatment effect.

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C-Reaktives Protein (CRP) und Vitamin D – Zwei Routinemarker am Rande der BlutgerinnungCorpora sunt porro partim primordia rerum, partim concilio quae constant principiorum

Lukrez (98-55 aC) De rerum natura

Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger Erst Forschungsmethodik des XXI. Jhdt. hat die physiologische Funktionsweise

von C-reaktivem Protein (CRP) und von Vitamin D, 25(OH)D aufgedeckt (Abbildung). CRP ist ein kurzkettiges Pen-

traxin, eine Stoffklasse, welche phylogenetisch bereits bei Arthropoden vorkommt und im Zirkel von Immunglobu-

linen, Complement und Zelloberflächen zellbiologisch mitwirkt. CRP ist gerinnungsaktiv, indem es die Tissue

Factor Synthese und pro-atherothrombotische Mechanismen der Gefässwand stimulieren kann – nicht zuletzt

deshalb wird CRP als Biomarker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt.

Für 25(OH)D sind VDR (Vitamin D Rezep-toren auf Zelloberflächen) nach Bindung des Liganden dafür verantwortlich, dass die betreffende Zelle Cathelicidin LL-37, ein antimikrobielles Peptid der angebore-nen Immunität, vermehrt bildet, was die Zellfunktion auf ein mehrfaches antreibt. Mit 20 - 30 µg/L im Serum, wird dieses LL-37 gegenwärtig auf klinische Nütz-lichkeit bei der Diagnose von Infektions-krankheiten untersucht. Wie so vieles im Organismus verlinkt ist, so treibt 25(OH)D demnach die Bildung nicht nur von CRP selbst an, sondern auch von ande-ren Akutphasen-Proteinen. Insbesondere Fibrinogen der Gerinnung, reguliert das Renin-Angiotensin System, unterdrückt die Proliferation glatter Muskelzellen in Gefässbaum und Myokard, wirkt leicht antikoagulatorisch und antifibrotisch und moduliert das Zytokin Netzwerk. Eine Vitamin D Hypervitaminose ist mit einer Hypercalcämie verbunden und wir müs-sen uns davor hüten, diesem lipophilen Vi-tamin nur Gutes zuzuschreiben. So heisst auch «Am Rande der Blutgerinnung» bei weitem nicht, dass eine hämostaseologi-sche Abklärung eines Patienten, mit oder ohne belastender Familienanamnese, ei-ner gesunden Frau unter Pille, bzw. leich-ter Hypermenorrhoe, oder eines leicht Gingiva-blutenden Menschen beim Zäh-neputzen, CRP und 25(OH)D Analysen einschliessen müsse.

Vielmehr suchen gegenwärtig klinische Studien mögliche Zusammenhänge, ge-nau so, wie der Rheumatologe CRP als Langzeitverlaufsparameter im DAS28 Score (www.4s-dawn.com/DAS28) mit-bestimmt, oder wie der Orthopäde 25(OH)D-Spiegel zur Osteoporose-Ab-klärung benötigt.

Zunächst zum C-Reaktiven ProteinWenn sich nach einer tiefen Venenthrom-bose eine Entzündung einstellt, entsteht das Postthrombotische-Syndrom, bestä-tigt durch CRP Biomarker-Spiegel von > 5 mg/L, wie kürzlich an einem hollän-dischen Kollektiv von über 200 Patient-Innen mit tiefer Beinvenenthrombose fest-gestellt. CRP und relevante Biomarker der Hämostaseologie, als da sind: Plasmino-gen Aktivator, D-Dimere, Leukozyten-zahl, Interleukin-6, Neopterin und Homo-cystein, sind zusammenfassbar in einem Biomarker Risk Score (BRS), mit dem man am Albert Einstein College (New York) bereits Erfahrung zur Stratifizierung Hirn-schlag-Gefährdeter Individuen angesam-melt hat. Vom blossen «Bystander» bei Gefässverschlusskrankheiten ist durch aktuelle klinische Studien das CRP sogar zum «Mediator» vorgerückt. Jedenfalls ist

CRP Teil von single nucleotide Polymor-phismus (SNP) Biomarker Indices. Die ge-genwärtig erstgenannten Biomarker-SNP sind jene von APOE, CETP, LPL, APOB und LDLR, welche nicht nur Lipid-Profil (www.agla.ch) Marker sondern auch CRP, Fibrinogen, Faktor VII, Apolioprote ine A1 und B, lipoprotein-assoziierte Phospholi-pase A2, Homocystein oder Folat- Spie-gel beeinflussen.

Nun zum Vitamin DWie wenn Lukrez Recht hätte, dringen Forschungsprojekte oft nur entlang fixier-ten Banden in die Tiefe und lassen dabei physiopathologisch ebenso bedeutsa-me Funktionsbereiche ausser Acht; wie käme denn ein Gerinnungs-Experte auf die Idee, 25(OH)D-Spiegel zu messen? Dies könnte bei sich stets erweiternder

Kenntnis der Wirkungsmechanismen von Vitamin D (Abbildung) ändern. Die antiin-fektiöse Wirkung, zuerst entdeckt gegen Mykobakterien, ist das eine – die Wir-kungen gegen überschiessende Autoim-munität und auf das Gerinnungssystem durch Tissue Factor Aktivierung – das ist das andere. Tatsächlich sind Vitamin D und K pleiotrope Lipid-Phasen Nutri-entien deren metabolisch-physiologische Wirkungskreise sich überschneiden. Vita-min D-Rezeptoren sind in 35 verschiede-nen Gewebstypen identifiziert und min-destens 17 solcher Lokalisationen sind fähig, 25(OH)D zu wirksamem 1,25(OH)D zu hydroxylieren. Zusätzlich zur endokri-nen Aktivität im Calciumstoffwechsel hat 25(OH)D auch auto- und parakrine Auf-gaben.

Für den Miteinbezug von der Messung eines 25(OH)D-Spiegels zur Gerinnungs-abklärung ist es definitiv zu früh, aber am Rande der Blutgerinnung befindet sich dieses Vitamin dennoch.

Die Seniorlabor-Studie hat beide Marker, das CRP und das Vitamin D, bei gesun-den, über 60-jährigen Probanden über-schaut, und die Resultate werden aktuell zur Publikation zusammengestellt (siehe dazu die Updates auf www.seniorlabor.ch). Hier sei bereits erwähnt, dass ältere Menschen tendenziell höhere CRP aber tiefere Vitamin D-Konzentrationen aufwei-sen. Ob dies als Risikofaktor ins Gewicht falle oder vielmehr normaler Ausdruck des Alterns sei, bleibe dahingestellt. Soll-te sich eine Beziehung der Biomarker CRP und Vitamin D mit dem Gerinnungs-system, besonders bei älteren Individu-en bestätigen, so würde dies unter dem Aspekt zu analysieren sein, dass im Alter Gerinnungsprotein-Konzentrationen/Ak-tivitäten gegenüber jüngeren Individuen abweichen.

Noch bevor die Labormedizin den Begriff «Normwert» mit «Referenz-Intervall» und «Grenzwert, cutoff» ersetzt hat, wurde die Normalität hinterfragt – was ist überhaupt «normal» bis hin zu «wo hört denn Physio-logie auf – dort wo Pathologie beginnt?» Bezogen auf CRP würde dann eine Ent-scheidungsgrenze (decision limit) zu me-dizinischem Handeln etwa bei > 3 mg/L

oder bezogen auf 25(OH)D etwa < 25 µg/L zu liegen kommen. Der statistische Mit-telwert, das Referenz-Intervall, lassen für das Individuum oszillierende Ausschwei-fungen, Tag- und Nacht-Schwankungen, individuelle Kapriolen der gesunderhal-tenden Biologie des Individuums, oder Eintritt ins Greisenalter ausser Acht! Als «Marker» bezeichnen Ärzte Labor-analysen, deren Ergebnis es ihnen er-laubt, einen Krankheitszustand zu diag-nostizieren, welcher klinisch (noch?) nicht in Erscheinung trat. Was also der Begriff Gesundheit miteinschliesst, ist die Mög-lichkeit, eine das augenblicklich Norma-le definierende Norm zu überschreiten; die Möglichkeit, Verstösse gegen die ge-wohnheitsmässige Norm hinzunehmen und in neuen Situationen neue Normen in Kraft zu setzen.

Somit lässt sich zusammenfassend for-mulieren, dass im Dreieck CRP_Vita-min D_Hämostaseologie noch spannen-de Zeiten bevorstehen: Entzündung und Gerinnung stehen einander zu nahe, als man dies auch auf: www.vitamindcouncil.org immer wieder evozierte Thema uner-forscht beiseite lassen dürfte.

Anmerkung

Für die Text-Validerung ist der Autor Herrn

Prof. D. Tsakiris, Universitätsspital Basel,

zu Dank verbunden.

Autor

Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger

FMH Innere Medizin · FAMH Hämatologie,

Klinische Immunologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Waldeggstrasse 37 · Liebefeld bei Bern

[email protected]

Vitamin D Rezeptor

phagosome

NF B

1,25 Vitamin D

Cathelicidin

Tissue Factor

Gerinnung

Bakterizidie

C reaktives Protein

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Page 11: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

10 11

C-Reaktives Protein (CRP) und Vitamin D – Zwei Routinemarker am Rande der BlutgerinnungCorpora sunt porro partim primordia rerum, partim concilio quae constant principiorum

Lukrez (98-55 aC) De rerum natura

Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger Erst Forschungsmethodik des XXI. Jhdt. hat die physiologische Funktionsweise

von C-reaktivem Protein (CRP) und von Vitamin D, 25(OH)D aufgedeckt (Abbildung). CRP ist ein kurzkettiges Pen-

traxin, eine Stoffklasse, welche phylogenetisch bereits bei Arthropoden vorkommt und im Zirkel von Immunglobu-

linen, Complement und Zelloberflächen zellbiologisch mitwirkt. CRP ist gerinnungsaktiv, indem es die Tissue

Factor Synthese und pro-atherothrombotische Mechanismen der Gefässwand stimulieren kann – nicht zuletzt

deshalb wird CRP als Biomarker für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt.

Für 25(OH)D sind VDR (Vitamin D Rezep-toren auf Zelloberflächen) nach Bindung des Liganden dafür verantwortlich, dass die betreffende Zelle Cathelicidin LL-37, ein antimikrobielles Peptid der angebore-nen Immunität, vermehrt bildet, was die Zellfunktion auf ein mehrfaches antreibt. Mit 20 - 30 µg/L im Serum, wird dieses LL-37 gegenwärtig auf klinische Nütz-lichkeit bei der Diagnose von Infektions-krankheiten untersucht. Wie so vieles im Organismus verlinkt ist, so treibt 25(OH)D demnach die Bildung nicht nur von CRP selbst an, sondern auch von ande-ren Akutphasen-Proteinen. Insbesondere Fibrinogen der Gerinnung, reguliert das Renin-Angiotensin System, unterdrückt die Proliferation glatter Muskelzellen in Gefässbaum und Myokard, wirkt leicht antikoagulatorisch und antifibrotisch und moduliert das Zytokin Netzwerk. Eine Vitamin D Hypervitaminose ist mit einer Hypercalcämie verbunden und wir müs-sen uns davor hüten, diesem lipophilen Vi-tamin nur Gutes zuzuschreiben. So heisst auch «Am Rande der Blutgerinnung» bei weitem nicht, dass eine hämostaseologi-sche Abklärung eines Patienten, mit oder ohne belastender Familienanamnese, ei-ner gesunden Frau unter Pille, bzw. leich-ter Hypermenorrhoe, oder eines leicht Gingiva-blutenden Menschen beim Zäh-neputzen, CRP und 25(OH)D Analysen einschliessen müsse.

Vielmehr suchen gegenwärtig klinische Studien mögliche Zusammenhänge, ge-nau so, wie der Rheumatologe CRP als Langzeitverlaufsparameter im DAS28 Score (www.4s-dawn.com/DAS28) mit-bestimmt, oder wie der Orthopäde 25(OH)D-Spiegel zur Osteoporose-Ab-klärung benötigt.

Zunächst zum C-Reaktiven ProteinWenn sich nach einer tiefen Venenthrom-bose eine Entzündung einstellt, entsteht das Postthrombotische-Syndrom, bestä-tigt durch CRP Biomarker-Spiegel von > 5 mg/L, wie kürzlich an einem hollän-dischen Kollektiv von über 200 Patient-Innen mit tiefer Beinvenenthrombose fest-gestellt. CRP und relevante Biomarker der Hämostaseologie, als da sind: Plasmino-gen Aktivator, D-Dimere, Leukozyten-zahl, Interleukin-6, Neopterin und Homo-cystein, sind zusammenfassbar in einem Biomarker Risk Score (BRS), mit dem man am Albert Einstein College (New York) bereits Erfahrung zur Stratifizierung Hirn-schlag-Gefährdeter Individuen angesam-melt hat. Vom blossen «Bystander» bei Gefässverschlusskrankheiten ist durch aktuelle klinische Studien das CRP sogar zum «Mediator» vorgerückt. Jedenfalls ist

CRP Teil von single nucleotide Polymor-phismus (SNP) Biomarker Indices. Die ge-genwärtig erstgenannten Biomarker-SNP sind jene von APOE, CETP, LPL, APOB und LDLR, welche nicht nur Lipid-Profil (www.agla.ch) Marker sondern auch CRP, Fibrinogen, Faktor VII, Apolioprote ine A1 und B, lipoprotein-assoziierte Phospholi-pase A2, Homocystein oder Folat- Spie-gel beeinflussen.

Nun zum Vitamin DWie wenn Lukrez Recht hätte, dringen Forschungsprojekte oft nur entlang fixier-ten Banden in die Tiefe und lassen dabei physiopathologisch ebenso bedeutsa-me Funktionsbereiche ausser Acht; wie käme denn ein Gerinnungs-Experte auf die Idee, 25(OH)D-Spiegel zu messen? Dies könnte bei sich stets erweiternder

Kenntnis der Wirkungsmechanismen von Vitamin D (Abbildung) ändern. Die antiin-fektiöse Wirkung, zuerst entdeckt gegen Mykobakterien, ist das eine – die Wir-kungen gegen überschiessende Autoim-munität und auf das Gerinnungssystem durch Tissue Factor Aktivierung – das ist das andere. Tatsächlich sind Vitamin D und K pleiotrope Lipid-Phasen Nutri-entien deren metabolisch-physiologische Wirkungskreise sich überschneiden. Vita-min D-Rezeptoren sind in 35 verschiede-nen Gewebstypen identifiziert und min-destens 17 solcher Lokalisationen sind fähig, 25(OH)D zu wirksamem 1,25(OH)D zu hydroxylieren. Zusätzlich zur endokri-nen Aktivität im Calciumstoffwechsel hat 25(OH)D auch auto- und parakrine Auf-gaben.

Für den Miteinbezug von der Messung eines 25(OH)D-Spiegels zur Gerinnungs-abklärung ist es definitiv zu früh, aber am Rande der Blutgerinnung befindet sich dieses Vitamin dennoch.

Die Seniorlabor-Studie hat beide Marker, das CRP und das Vitamin D, bei gesun-den, über 60-jährigen Probanden über-schaut, und die Resultate werden aktuell zur Publikation zusammengestellt (siehe dazu die Updates auf www.seniorlabor.ch). Hier sei bereits erwähnt, dass ältere Menschen tendenziell höhere CRP aber tiefere Vitamin D-Konzentrationen aufwei-sen. Ob dies als Risikofaktor ins Gewicht falle oder vielmehr normaler Ausdruck des Alterns sei, bleibe dahingestellt. Soll-te sich eine Beziehung der Biomarker CRP und Vitamin D mit dem Gerinnungs-system, besonders bei älteren Individu-en bestätigen, so würde dies unter dem Aspekt zu analysieren sein, dass im Alter Gerinnungsprotein-Konzentrationen/Ak-tivitäten gegenüber jüngeren Individuen abweichen.

Noch bevor die Labormedizin den Begriff «Normwert» mit «Referenz-Intervall» und «Grenzwert, cutoff» ersetzt hat, wurde die Normalität hinterfragt – was ist überhaupt «normal» bis hin zu «wo hört denn Physio-logie auf – dort wo Pathologie beginnt?» Bezogen auf CRP würde dann eine Ent-scheidungsgrenze (decision limit) zu me-dizinischem Handeln etwa bei > 3 mg/L

oder bezogen auf 25(OH)D etwa < 25 µg/L zu liegen kommen. Der statistische Mit-telwert, das Referenz-Intervall, lassen für das Individuum oszillierende Ausschwei-fungen, Tag- und Nacht-Schwankungen, individuelle Kapriolen der gesunderhal-tenden Biologie des Individuums, oder Eintritt ins Greisenalter ausser Acht! Als «Marker» bezeichnen Ärzte Labor-analysen, deren Ergebnis es ihnen er-laubt, einen Krankheitszustand zu diag-nostizieren, welcher klinisch (noch?) nicht in Erscheinung trat. Was also der Begriff Gesundheit miteinschliesst, ist die Mög-lichkeit, eine das augenblicklich Norma-le definierende Norm zu überschreiten; die Möglichkeit, Verstösse gegen die ge-wohnheitsmässige Norm hinzunehmen und in neuen Situationen neue Normen in Kraft zu setzen.

Somit lässt sich zusammenfassend for-mulieren, dass im Dreieck CRP_Vita-min D_Hämostaseologie noch spannen-de Zeiten bevorstehen: Entzündung und Gerinnung stehen einander zu nahe, als man dies auch auf: www.vitamindcouncil.org immer wieder evozierte Thema uner-forscht beiseite lassen dürfte.

Anmerkung

Für die Text-Validerung ist der Autor Herrn

Prof. D. Tsakiris, Universitätsspital Basel,

zu Dank verbunden.

Autor

Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger

FMH Innere Medizin · FAMH Hämatologie,

Klinische Immunologie

labormedizinisches zentrum Dr Risch

Waldeggstrasse 37 · Liebefeld bei Bern

[email protected]

Vitamin D Rezeptor

phagosome

NF B

1,25 Vitamin D

Cathelicidin

Tissue Factor

Gerinnung

Bakterizidie

C reaktives Protein

LMZ-RP-73-druck.indd 10-11 17.06.13 13:11

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Die GAPP-Studie – Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Stefanie Aeschbacher Die GAPP-Studie ist eine bevölkerungs-basierte Kohortenstudie, in welche seit Mitte 2010

junge und gesunde Probanden eingeschlossen und umfassend untersucht werden. Bisher konnten über 2000 Pro-

banden in die Studie aufgenommen werden. Die Baseline-Untersuchung läuft noch bis in diesen Herbst. Bereits

jetzt wird von der Studienleitung die Folgeuntersuchung geplant, mit welcher Anfang 2014 begonnen werden soll.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein schwerwiegendes Problem, wel-che weltweit an Bedeutung gewinnen. Erschwerend wirkt sich dabei die durch den westlichen Lebensstil entstandene globale Adipositas-Epidemie aus. Dies ist besonders problematisch, da Adiposi-tas bekanntlich mit einem erhöhten Risi-ko für Hypertonie, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen einhergeht, al-so einige der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während manche Ursachen für Hypertonie (z.B. Adipositas) klar erwiesen sind, so gibt es andere, weniger offensichtliche Ursachen wie z.B. Schlafstörungen und genetische Faktoren, welche noch nicht gut unter-sucht und verstanden sind.

Da sich diese Ursachen für die Hyperto-nie zum Teil überschneiden, stellt die Dif-ferenzierung von Ursache und Wirkung die Forschungsteams vor einige Schwie-rigkeiten – und genau dieser haben sich nun die Initiatoren der Studie mit dem Ti-tel «Genetic and phenotypic determinants of blood pressure and other cardiovascu-lar risk factors» (GAPP) angenommen. GAPP ist eine grosse Kohortenstudie, die in Liechtenstein seit Mitte 2010 durchge-führt wird. Das Studienteam unter der Lei-tung von Prof. David Conen, Universitäts-spital Basel, PD Dr. med. Lorenz Risch und Dr. med. Martin Risch vom laborme-dizinischen zentrum Dr Risch, Schaan, versucht die liechtensteinische Bevölke-rung zwischen 25 und 41 Jahren für die Studie zu rekrutieren. Die Studienteilneh-mer sollen dann über viele Jahre hinweg engmaschig untersucht werden. Durch die umfassenden Untersuchungen und die Erhebung von wichtigen phänotypi-schen und genetischen Faktoren soll die Rolle von verschiedenen Einflussgrössen in der Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkran-kungen untersucht werden.

Schlafassoziierte Risiken Ein wichtiges Ziel der Studie ist es, her-auszufinden, welcher Zusammenhang zwi-schen schlafbezogenen Atemstörungen und der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. Schlafbezogene Atemstörungen bezeichnen Beschwerden, die sich durch pathologische Atemmuster während des Schlafs auszeichnen. Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSAS) kommt es durch Obstruktion der oberen Atem-wege im Schlaf zu Apnoe- bzw. Hypo-pnoe-Ereignissen. Dies wiederum geht mit Aufwachen oder Sauerstoffentsättigung einher, was letztlich die Schlafqualität be-einträchtigt und zu Tagesmüdigkeit führt.

Schlafbezogene Atemstörungen treten in der Bevölkerung möglicherweise wesent-lich häufiger auf, als bisher angenommen. Viele Leute leiden unter leichten OSAS-For-men, ohne sich dessen bewusst zu sein. In Spanien erhobene Daten zeigen, dass eine von vier Personen zwischen 30 und 70 Jahren eine milde Form von OSAS hat.

Ähnlich wie bei den Herz-Kreislauf-Erkran-kungen ist Adipositas auch bei den schlaf-bezogenen Atemstörungen ein wichti-ger Einflussfaktor. Deshalb überrascht es nicht, dass Patienten häufig von beiden Erkrankungen gleichzeitig betroffen sind – ein Problem, das sich wohl proportional zur weltweiten Zunahme von Adiposi-tas ausweiten wird. Dieser gegenwärtige und zukünftige Zuwachs unterstreicht ein-deutig die Bedeutung fortgesetzter For-schungsbemühungen in diesem Bereich. Je besser das Verständnis ist, desto bes-ser ist man zur Bekämpfung der Risikofak-toren und Krankheiten in der Bevölkerung gerüstet.

Die GAPP-Studie untersucht die Teilneh-mer auf eine Reihe von Messwerten, um diesen Beziehungen auf den Grund zu gehen: Ziel ist die umfassende Analyse der Ausgangsmerkmale anhand eines Fragebogens, unterschiedlicher Messap-paraturen und biologischer Proben. Man hofft, auf diese Weise den Beitrag milder

Schlaf-Apnoe-Formen zum Auftreten von Hypertonie, und das Risiko der Teilneh-mer zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Erfahrung zu bringen.

Daneben soll auch der Zusammenhang zwischen Biomarkern für Stress (z.B. Copeptin) und systemischen Entzün-dungsreaktionen mit Bluthochdruck und OSAS erforscht werden. Ein weiteres Ziel ist die Analyse der Verbindung zwischen schlafassoziierten Herzrhythmusstörungen und Apnoe/Hypopnoe-Ereignissen bei ge-sunden jungen Probanden. Eine solche Bandbreite von Messungen erfordert ne-ben einem intelligenten Forschungsansatz und der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen ein stringentes und hinreichend kontrolliertes Methodenarsenal.

Es überrascht nicht, dass das umfassen-de GAPP-Projekt die Initiatoren vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt hat, die es zu überwinden galt. Es ist nicht leicht, für langfristige Projekte dieser Art Finanzierungen zu erhalten, da die Spon-soren und akademischen Einrichtungen meist so früh wie möglich Ergebnisse se-hen wollen. Schwierig ist auch, junge, ge-sunde Personen zur Teilnahme an einer langfristigen Kohortenstudie wie GAPP zu bewegen, obwohl man hofft, bis Herbst 2013 insgesamt 2200 Probanden rekru-tieren zu können.

Stellenwert der StudieUngeachtet dieser Probleme ist zu erwar-ten, dass viele aussagekräftige Ergebnis-se aus dieser Studie gewonnen werden können. Während sich durchaus auch an-dere Studien mit schlafbezogenen Atem-störungen und deren Auswirkungen auf den 24-Stunden-Blutdruck beschäftigen, ist die GAPP-Kohorte insofern einzigar-tig, als dass die Teilnehmer jung und zu-nächst gesund sind und zum Zeitpunkt der Rekrutierung keine bekannte OSAS aufweisen. Die Ursachen für OSAS und der Effekt auf Bluthochdruck, Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen, sowie deren Entwick-lung, können so schon in frühen Stadien beobachtet werden. Dieses Design soll uns dabei helfen, den zeitlichen Verlauf bei Gewichtszunahme, asymptomati-schen Apnoe-Ereignissen im Schlaf, stei-

gendem Blutdruck und der Entwicklung manifester OSAS in der Bevölkerung auf-zuklären.

Auf Grund des Studiendesigns wird man die Ergebnisse nach und nach erhalten und bereits jetzt sind Effekte von akade-mischem Interesse und medizinischer Re-levanz erkennbar. Die Folgeuntersuchung soll drei bis fünf Jahre nach der ersten Untersuchung stattfinden, da viele Mus-ter erst dann erkennbar werden. Manche sind allerdings bereits jetzt offensichtlich: «Was die 24-Stunden-Blutdruckprofile angeht, haben wir bereits einige interes-sante Beobachtungen machen können.» Das GAPP-Team arbeitet im Moment noch an den statistischen Analysen, um diesen ersten Hinweisen auf den Grund zu gehen. Daneben fand die GAPP-Stu-die, trotz dem jungen Alter und dem guten Gesundheitszustand der Teilnehmer, eine erhebliche Anzahl von Apnoe- und Hypo-pnoe-Ereignissen bei fast 10 Prozent der Teilnehmer – ein überraschender Befund angesichts der Tatsache, dass die Kohor-te keine schwer adipösen Individuen um-fasste (Ausschlusskriterium).

Das GAPP-Projekt ist in Umfang und den Ambitionen einzigartig. Wir meinen, dass umfangreiche Langzeitstudien mit gut charakterisierten Populationen im Rahmen internationaler Forschungsnetz-werke erforderlich sind, um die Ausbrei-tung von Risikofaktoren für Krankheiten, die Entwicklung manifester Erkrankun-gen und den Einsatz von Behandlungs-modalitäten besser verstehen zu können. Die Vorteile umfassender, ganzheitlicher Ansätze liegen auf der Hand, und das GAPP-Projekt wird ohne Zweifel uner-

wartete Ergebnisse zeigen, die im Rah-men weiterer Forschungsarbeiten und in der Patientenberatung genutzt werden können. Daher brauchen wir geeignete Fi-nanzierungsmechanismen zur Förderung ambitionierter Langzeitstudien.

Autoren

Stefanie Aeschbacher, MSc und

Prof. Dr. med. David Conen

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4 · 4031 Basel

[email protected]

[email protected]

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Page 13: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

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Die GAPP-Studie – Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Stefanie Aeschbacher Die GAPP-Studie ist eine bevölkerungs-basierte Kohortenstudie, in welche seit Mitte 2010

junge und gesunde Probanden eingeschlossen und umfassend untersucht werden. Bisher konnten über 2000 Pro-

banden in die Studie aufgenommen werden. Die Baseline-Untersuchung läuft noch bis in diesen Herbst. Bereits

jetzt wird von der Studienleitung die Folgeuntersuchung geplant, mit welcher Anfang 2014 begonnen werden soll.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind ein schwerwiegendes Problem, wel-che weltweit an Bedeutung gewinnen. Erschwerend wirkt sich dabei die durch den westlichen Lebensstil entstandene globale Adipositas-Epidemie aus. Dies ist besonders problematisch, da Adiposi-tas bekanntlich mit einem erhöhten Risi-ko für Hypertonie, Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen einhergeht, al-so einige der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während manche Ursachen für Hypertonie (z.B. Adipositas) klar erwiesen sind, so gibt es andere, weniger offensichtliche Ursachen wie z.B. Schlafstörungen und genetische Faktoren, welche noch nicht gut unter-sucht und verstanden sind.

Da sich diese Ursachen für die Hyperto-nie zum Teil überschneiden, stellt die Dif-ferenzierung von Ursache und Wirkung die Forschungsteams vor einige Schwie-rigkeiten – und genau dieser haben sich nun die Initiatoren der Studie mit dem Ti-tel «Genetic and phenotypic determinants of blood pressure and other cardiovascu-lar risk factors» (GAPP) angenommen. GAPP ist eine grosse Kohortenstudie, die in Liechtenstein seit Mitte 2010 durchge-führt wird. Das Studienteam unter der Lei-tung von Prof. David Conen, Universitäts-spital Basel, PD Dr. med. Lorenz Risch und Dr. med. Martin Risch vom laborme-dizinischen zentrum Dr Risch, Schaan, versucht die liechtensteinische Bevölke-rung zwischen 25 und 41 Jahren für die Studie zu rekrutieren. Die Studienteilneh-mer sollen dann über viele Jahre hinweg engmaschig untersucht werden. Durch die umfassenden Untersuchungen und die Erhebung von wichtigen phänotypi-schen und genetischen Faktoren soll die Rolle von verschiedenen Einflussgrössen in der Entwicklung von kardiovaskulären Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Erkran-kungen untersucht werden.

Schlafassoziierte Risiken Ein wichtiges Ziel der Studie ist es, her-auszufinden, welcher Zusammenhang zwi-schen schlafbezogenen Atemstörungen und der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. Schlafbezogene Atemstörungen bezeichnen Beschwerden, die sich durch pathologische Atemmuster während des Schlafs auszeichnen. Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSAS) kommt es durch Obstruktion der oberen Atem-wege im Schlaf zu Apnoe- bzw. Hypo-pnoe-Ereignissen. Dies wiederum geht mit Aufwachen oder Sauerstoffentsättigung einher, was letztlich die Schlafqualität be-einträchtigt und zu Tagesmüdigkeit führt.

Schlafbezogene Atemstörungen treten in der Bevölkerung möglicherweise wesent-lich häufiger auf, als bisher angenommen. Viele Leute leiden unter leichten OSAS-For-men, ohne sich dessen bewusst zu sein. In Spanien erhobene Daten zeigen, dass eine von vier Personen zwischen 30 und 70 Jahren eine milde Form von OSAS hat.

Ähnlich wie bei den Herz-Kreislauf-Erkran-kungen ist Adipositas auch bei den schlaf-bezogenen Atemstörungen ein wichti-ger Einflussfaktor. Deshalb überrascht es nicht, dass Patienten häufig von beiden Erkrankungen gleichzeitig betroffen sind – ein Problem, das sich wohl proportional zur weltweiten Zunahme von Adiposi-tas ausweiten wird. Dieser gegenwärtige und zukünftige Zuwachs unterstreicht ein-deutig die Bedeutung fortgesetzter For-schungsbemühungen in diesem Bereich. Je besser das Verständnis ist, desto bes-ser ist man zur Bekämpfung der Risikofak-toren und Krankheiten in der Bevölkerung gerüstet.

Die GAPP-Studie untersucht die Teilneh-mer auf eine Reihe von Messwerten, um diesen Beziehungen auf den Grund zu gehen: Ziel ist die umfassende Analyse der Ausgangsmerkmale anhand eines Fragebogens, unterschiedlicher Messap-paraturen und biologischer Proben. Man hofft, auf diese Weise den Beitrag milder

Schlaf-Apnoe-Formen zum Auftreten von Hypertonie, und das Risiko der Teilneh-mer zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Erfahrung zu bringen.

Daneben soll auch der Zusammenhang zwischen Biomarkern für Stress (z.B. Copeptin) und systemischen Entzün-dungsreaktionen mit Bluthochdruck und OSAS erforscht werden. Ein weiteres Ziel ist die Analyse der Verbindung zwischen schlafassoziierten Herzrhythmusstörungen und Apnoe/Hypopnoe-Ereignissen bei ge-sunden jungen Probanden. Eine solche Bandbreite von Messungen erfordert ne-ben einem intelligenten Forschungsansatz und der Zusammenarbeit mit anderen Gruppen ein stringentes und hinreichend kontrolliertes Methodenarsenal.

Es überrascht nicht, dass das umfassen-de GAPP-Projekt die Initiatoren vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt hat, die es zu überwinden galt. Es ist nicht leicht, für langfristige Projekte dieser Art Finanzierungen zu erhalten, da die Spon-soren und akademischen Einrichtungen meist so früh wie möglich Ergebnisse se-hen wollen. Schwierig ist auch, junge, ge-sunde Personen zur Teilnahme an einer langfristigen Kohortenstudie wie GAPP zu bewegen, obwohl man hofft, bis Herbst 2013 insgesamt 2200 Probanden rekru-tieren zu können.

Stellenwert der StudieUngeachtet dieser Probleme ist zu erwar-ten, dass viele aussagekräftige Ergebnis-se aus dieser Studie gewonnen werden können. Während sich durchaus auch an-dere Studien mit schlafbezogenen Atem-störungen und deren Auswirkungen auf den 24-Stunden-Blutdruck beschäftigen, ist die GAPP-Kohorte insofern einzigar-tig, als dass die Teilnehmer jung und zu-nächst gesund sind und zum Zeitpunkt der Rekrutierung keine bekannte OSAS aufweisen. Die Ursachen für OSAS und der Effekt auf Bluthochdruck, Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen, sowie deren Entwick-lung, können so schon in frühen Stadien beobachtet werden. Dieses Design soll uns dabei helfen, den zeitlichen Verlauf bei Gewichtszunahme, asymptomati-schen Apnoe-Ereignissen im Schlaf, stei-

gendem Blutdruck und der Entwicklung manifester OSAS in der Bevölkerung auf-zuklären.

Auf Grund des Studiendesigns wird man die Ergebnisse nach und nach erhalten und bereits jetzt sind Effekte von akade-mischem Interesse und medizinischer Re-levanz erkennbar. Die Folgeuntersuchung soll drei bis fünf Jahre nach der ersten Untersuchung stattfinden, da viele Mus-ter erst dann erkennbar werden. Manche sind allerdings bereits jetzt offensichtlich: «Was die 24-Stunden-Blutdruckprofile angeht, haben wir bereits einige interes-sante Beobachtungen machen können.» Das GAPP-Team arbeitet im Moment noch an den statistischen Analysen, um diesen ersten Hinweisen auf den Grund zu gehen. Daneben fand die GAPP-Stu-die, trotz dem jungen Alter und dem guten Gesundheitszustand der Teilnehmer, eine erhebliche Anzahl von Apnoe- und Hypo-pnoe-Ereignissen bei fast 10 Prozent der Teilnehmer – ein überraschender Befund angesichts der Tatsache, dass die Kohor-te keine schwer adipösen Individuen um-fasste (Ausschlusskriterium).

Das GAPP-Projekt ist in Umfang und den Ambitionen einzigartig. Wir meinen, dass umfangreiche Langzeitstudien mit gut charakterisierten Populationen im Rahmen internationaler Forschungsnetz-werke erforderlich sind, um die Ausbrei-tung von Risikofaktoren für Krankheiten, die Entwicklung manifester Erkrankun-gen und den Einsatz von Behandlungs-modalitäten besser verstehen zu können. Die Vorteile umfassender, ganzheitlicher Ansätze liegen auf der Hand, und das GAPP-Projekt wird ohne Zweifel uner-

wartete Ergebnisse zeigen, die im Rah-men weiterer Forschungsarbeiten und in der Patientenberatung genutzt werden können. Daher brauchen wir geeignete Fi-nanzierungsmechanismen zur Förderung ambitionierter Langzeitstudien.

Autoren

Stefanie Aeschbacher, MSc und

Prof. Dr. med. David Conen

Universitätsspital Basel

Petersgraben 4 · 4031 Basel

[email protected]

[email protected]

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Page 14: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

Abb. 1 Häufigkeit des Konsums (Gesamtbevölkerung 2007)

Aarau · Bern · Biel · Brugg · Brunnen

Delémont · Liebefeld · Pregassona

Schaan * · Schaffhausen * · Solothurn · Zürich-Nord

Schweizer trinken durchschnittlich rund 9 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr

Die Bestimmung von Ethylglucuronid als direkter Marker bei Verdacht auf AlkoholkonsumAlkoholmissbrauch ist in Europa und weltweit ein ernstzuneh-mendes soziales und volkswirtschaftliches Problem. Auch in der Schweiz ist der Alkoholkonsum einer der häufigsten Gründe für vermeidbare Erkrankungen und Todesfälle. Neuere Untersu-chungen haben ergeben, dass es rund eine viertel Million Alko-holabhängige in der Schweiz gibt (BAG 2011).

ISO 17025 / Nr. STS 177akkreditiert durch SAS *

ISO 9001 / Nr. 13231zertifiziert durch SQS *

www.risch.ch

short-Riport 28April 2013

den. Nach einem Alkoholkonsum wird Ethylglucuronid in Kürze metabolisiert und kann bis zu 80 Stunden danach noch im Urin detektiert werden (Weinmann et al. 2004). Urin ist das bevorzug-te Untersuchungsmaterial: die Gewinnung ist einfach, nicht inva-siv und Ethylglucuronid kann im Urin länger als im Serum nach-gewiesen werden. Im Serum kann Ethylglucuronid bis zu 36 Stunden detektiert werden. Eine eingeschränkte renale Aus-scheidung kann zu niedrigeren Urinkonzentrationen führen, da-gegen ist bei einer fortgeschrittenen Leberfunktionsstörung (Zir-rhose) nicht mit Einschränkungen zu rechnen. Bei nicht klar interpretierbaren CDT-Werten (Leberzirrhose, genetische Varian-ten etc.) bietet sich die Bestimmung von Ethylglucuronid an.

Zur Abschätzung der gesundheitlichen Risiken nach einem Alko-holkonsum sollen nicht nur die Häufigkeit und Menge gemessen, sondern auch deren Muster beurteilt werden. In den letzten Jah-ren fanden Ethylglucuronid und Ethylsulfat eine immer grössere Beachtung bei der Beantwortung dieser Fragestellungen. Diese Analyte sind hochsensitiv und spezifisch.

Indikation bei Verdacht auf AlkoholkonsumMit der Bestimmung des Kurzzeitmarkers Ethylglucuronid (2 - 6 Tage) kann die diagnostische Lücke zwischen dem Akutmarker Ethanol (bis 24 Stunden) und dem spezifischen Langzeitmarker Carbohydrat-Deficient-Transferrin (CDT) (3 Wochen), sowie der unspezifischen Langzeitmarker Transaminasen (ca. 1 Monat) und des mittleren korpuskulären Erythrozytenvolumens (MCV) ge-schlossen werden. Durch die Untersuchung von Haarproben kann das analytische Zeitfenster noch deutlich vergrössert wer-

abstinent weniger als 1 mal pro Woche wöchentlich täglich

14 % 15 %

45 % 26 %

Quelle: Delgrande Jordan, M., & Notari, L. (2011). Alkoholkonsum in der Schweiz.

Daten sind aus der schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007. Lausanne:

Sucht Info Schweiz; Grafik bearbeitet durch Bundesamt für Gesundheit 2011.

Weiters kann beispielsweise bei einer Überwachung im stationä-ren Alkoholentzug oder bei Alkoholvergiftung, Ethanol nicht mehr nachweisbar sein. Eine Offenlegung von kürzlichem Alkoholkon-sum bei sozialen Trinkern in ungeeigneten und gefährlichen Situ-ationen, wie dem Führen eines Fahrzeugs, am Arbeitsplatz, wäh-rend einer Schwangerschaft etc. ist gegeben. Da Ethylglucuronid ein spezifisches Abbauprodukt des Ethanols ist, bietet es sich als direkter Alkoholmarker an.

Abb. 2 Analytisches Zeitfenster für die Ethylglucuronid- Bestimmung aus biologischem Material.

Blut

Speichel

Urin

Schweiss

Direkt Indirekt

Spezifisch Unspezifisch

Minuten Stunden Tage Wochen Monate

Haare

Ethanol Ethylglucuronid CDT yGT, MCV, …

Ethanol und Ethylglucuronid gehören zu den direkten und spezifischen Alkohol-

marker. Mit der Bestimmung von Ethylglucuronid aus Urin kann das analytische

Fenster zwischen Ethanol und CDT geschlossen werden.

www.risch.chSeite 2

Ethylglucuronidbestimmung mittels LC-MS Auf dem Markt werden Ethylglucuronidbestimmungen u.a. mit-tels Immunoassays angeboten. Vorteile liegen dort in der mini-malen technischen Ausrüstung und der schnellen Verfügbarkeit der Ergebnisse. Grosse Nachteile ergeben sich jedoch im Ver-gleich zu einer LC-MS / MS Methode in der deutlich schlechteren Sensitivität, Spezifität und möglicher falsch positiver oder nega-tiver Werte. Die mittels LC-MS gewonnenen Ergebnisse sind ob-jektiv messbar und digital aufzeigbar. Sie werden im Haus erstellt und dokumentiert. Weiters wird beim Ethanolabbau Ethylsulfat gebildet – ein Analyt, der ebenfalls mittels LC-MS nachweisbar ist. Beide Substanzen liegen nicht endogen vor, daher bei Alko-holabstinenz nicht nachweisbar (Recipe 2011). Die Bestimmung beider Analyten erhöht die diagnostische Sensitivität, da diese über einen unterschiedlichen Stoffwechselweg gebildet werden und Ethylsulfat nicht durch eine bakterielle Zersetzung in der Präanalytik betroffen ist (Recipe 2011).

Empfehlung

Verantwortlich für den InhaltBernadette Näscher · Biotechnologin FHMartina Fanzun · Chemikerin FH NDSDr. phil. II Manfred Zerlauth · FAMH Klinische Chemie, Hämatologie und Immunologie

Literatur

Bundesamt für Gesundheit, Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit, Abtei-

lung Nationale Präventionsprogramme, Sektion Alkohol. 30.5.2011. Fakten-

blatt, Alkoholkonsum in der Schweiz. T +41 31 323 87 86, www.bag.admin.ch

Recipe Chemicals + Instruments GmbH, 80992 München. 2011. Arbeitsan-

leitung ClinMass® LC-MS/MS Komplettkit Ethylglucuronid und Ethylsulfat im

Urin. Version 1.0

Weinmann W., Schaefer P., Thierauf A., Schreiber A., Wurst F.M. 2004. Con-

firmatory Analysis of Ethylglucuronide in Urine by Liquid-Chromatography/

Electrospray Ionization/Tandem Mass Spectrometry. According to Forensic

Guidelines. J AM Soc Mass Spectrom, 15:188-193.

Wurst F.M., Thon N., Weinmann W. 2009. Direkte Ethanolmetabolite in Blut

und Urin: Relevanz in Diagnose und Therapie alkoholbezogener Störungen. J

Neurol Neurochir Psychiatr 10 (3).

Tabelle 1: Welcher direkte Marker soll für verschiedeneTrinkmengen und Konsumdauer gewählt werden (Wurst et al. 2009).

≥ 2 Gramm / Tag ≥ 40 - 60 Gramm / Tag

≥ 1 Tag Ethanol (Serum/Urin), Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Serum/Urin)

Ethanol (Serum/Urin), Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Serum/Urin)

mehrere Tage

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

≥ 14 Tage Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Wochen /Monate

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin) und Ethylglucuronid (Haare)

2 Gramm absolute Alkoholmenge entsprechen ungefähr 20 ml Rotwein und in

150 ml Wodka sind rund 60 Gramm Alkohol.

TestspezifikationenMaterial: Urin und SerumMenge: 1 ml nicht angesäuerter Urin und 250 µl SerumMethode: LC-MS / MSFrequenz: 2 x pro WocheTaxpunkte: 147.5 TP im Urin (inkl. Kreatinin) resp. 145 TP im Serum

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Page 15: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

Abb. 1 Häufigkeit des Konsums (Gesamtbevölkerung 2007)

Aarau · Bern · Biel · Brugg · Brunnen

Delémont · Liebefeld · Pregassona

Schaan * · Schaffhausen * · Solothurn · Zürich-Nord

Schweizer trinken durchschnittlich rund 9 Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr

Die Bestimmung von Ethylglucuronid als direkter Marker bei Verdacht auf AlkoholkonsumAlkoholmissbrauch ist in Europa und weltweit ein ernstzuneh-mendes soziales und volkswirtschaftliches Problem. Auch in der Schweiz ist der Alkoholkonsum einer der häufigsten Gründe für vermeidbare Erkrankungen und Todesfälle. Neuere Untersu-chungen haben ergeben, dass es rund eine viertel Million Alko-holabhängige in der Schweiz gibt (BAG 2011).

ISO 17025 / Nr. STS 177akkreditiert durch SAS *

ISO 9001 / Nr. 13231zertifiziert durch SQS *

www.risch.ch

short-Riport 28April 2013

den. Nach einem Alkoholkonsum wird Ethylglucuronid in Kürze metabolisiert und kann bis zu 80 Stunden danach noch im Urin detektiert werden (Weinmann et al. 2004). Urin ist das bevorzug-te Untersuchungsmaterial: die Gewinnung ist einfach, nicht inva-siv und Ethylglucuronid kann im Urin länger als im Serum nach-gewiesen werden. Im Serum kann Ethylglucuronid bis zu 36 Stunden detektiert werden. Eine eingeschränkte renale Aus-scheidung kann zu niedrigeren Urinkonzentrationen führen, da-gegen ist bei einer fortgeschrittenen Leberfunktionsstörung (Zir-rhose) nicht mit Einschränkungen zu rechnen. Bei nicht klar interpretierbaren CDT-Werten (Leberzirrhose, genetische Varian-ten etc.) bietet sich die Bestimmung von Ethylglucuronid an.

Zur Abschätzung der gesundheitlichen Risiken nach einem Alko-holkonsum sollen nicht nur die Häufigkeit und Menge gemessen, sondern auch deren Muster beurteilt werden. In den letzten Jah-ren fanden Ethylglucuronid und Ethylsulfat eine immer grössere Beachtung bei der Beantwortung dieser Fragestellungen. Diese Analyte sind hochsensitiv und spezifisch.

Indikation bei Verdacht auf AlkoholkonsumMit der Bestimmung des Kurzzeitmarkers Ethylglucuronid (2 - 6 Tage) kann die diagnostische Lücke zwischen dem Akutmarker Ethanol (bis 24 Stunden) und dem spezifischen Langzeitmarker Carbohydrat-Deficient-Transferrin (CDT) (3 Wochen), sowie der unspezifischen Langzeitmarker Transaminasen (ca. 1 Monat) und des mittleren korpuskulären Erythrozytenvolumens (MCV) ge-schlossen werden. Durch die Untersuchung von Haarproben kann das analytische Zeitfenster noch deutlich vergrössert wer-

abstinent weniger als 1 mal pro Woche wöchentlich täglich

14 % 15 %

45 % 26 %

Quelle: Delgrande Jordan, M., & Notari, L. (2011). Alkoholkonsum in der Schweiz.

Daten sind aus der schweizerischen Gesundheitsbefragung 2007. Lausanne:

Sucht Info Schweiz; Grafik bearbeitet durch Bundesamt für Gesundheit 2011.

Weiters kann beispielsweise bei einer Überwachung im stationä-ren Alkoholentzug oder bei Alkoholvergiftung, Ethanol nicht mehr nachweisbar sein. Eine Offenlegung von kürzlichem Alkoholkon-sum bei sozialen Trinkern in ungeeigneten und gefährlichen Situ-ationen, wie dem Führen eines Fahrzeugs, am Arbeitsplatz, wäh-rend einer Schwangerschaft etc. ist gegeben. Da Ethylglucuronid ein spezifisches Abbauprodukt des Ethanols ist, bietet es sich als direkter Alkoholmarker an.

Abb. 2 Analytisches Zeitfenster für die Ethylglucuronid- Bestimmung aus biologischem Material.

Blut

Speichel

Urin

Schweiss

Direkt Indirekt

Spezifisch Unspezifisch

Minuten Stunden Tage Wochen Monate

Haare

Ethanol Ethylglucuronid CDT yGT, MCV, …

Ethanol und Ethylglucuronid gehören zu den direkten und spezifischen Alkohol-

marker. Mit der Bestimmung von Ethylglucuronid aus Urin kann das analytische

Fenster zwischen Ethanol und CDT geschlossen werden.

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Ethylglucuronidbestimmung mittels LC-MS Auf dem Markt werden Ethylglucuronidbestimmungen u.a. mit-tels Immunoassays angeboten. Vorteile liegen dort in der mini-malen technischen Ausrüstung und der schnellen Verfügbarkeit der Ergebnisse. Grosse Nachteile ergeben sich jedoch im Ver-gleich zu einer LC-MS / MS Methode in der deutlich schlechteren Sensitivität, Spezifität und möglicher falsch positiver oder nega-tiver Werte. Die mittels LC-MS gewonnenen Ergebnisse sind ob-jektiv messbar und digital aufzeigbar. Sie werden im Haus erstellt und dokumentiert. Weiters wird beim Ethanolabbau Ethylsulfat gebildet – ein Analyt, der ebenfalls mittels LC-MS nachweisbar ist. Beide Substanzen liegen nicht endogen vor, daher bei Alko-holabstinenz nicht nachweisbar (Recipe 2011). Die Bestimmung beider Analyten erhöht die diagnostische Sensitivität, da diese über einen unterschiedlichen Stoffwechselweg gebildet werden und Ethylsulfat nicht durch eine bakterielle Zersetzung in der Präanalytik betroffen ist (Recipe 2011).

Empfehlung

Verantwortlich für den InhaltBernadette Näscher · Biotechnologin FHMartina Fanzun · Chemikerin FH NDSDr. phil. II Manfred Zerlauth · FAMH Klinische Chemie, Hämatologie und Immunologie

Literatur

Bundesamt für Gesundheit, Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit, Abtei-

lung Nationale Präventionsprogramme, Sektion Alkohol. 30.5.2011. Fakten-

blatt, Alkoholkonsum in der Schweiz. T +41 31 323 87 86, www.bag.admin.ch

Recipe Chemicals + Instruments GmbH, 80992 München. 2011. Arbeitsan-

leitung ClinMass® LC-MS/MS Komplettkit Ethylglucuronid und Ethylsulfat im

Urin. Version 1.0

Weinmann W., Schaefer P., Thierauf A., Schreiber A., Wurst F.M. 2004. Con-

firmatory Analysis of Ethylglucuronide in Urine by Liquid-Chromatography/

Electrospray Ionization/Tandem Mass Spectrometry. According to Forensic

Guidelines. J AM Soc Mass Spectrom, 15:188-193.

Wurst F.M., Thon N., Weinmann W. 2009. Direkte Ethanolmetabolite in Blut

und Urin: Relevanz in Diagnose und Therapie alkoholbezogener Störungen. J

Neurol Neurochir Psychiatr 10 (3).

Tabelle 1: Welcher direkte Marker soll für verschiedeneTrinkmengen und Konsumdauer gewählt werden (Wurst et al. 2009).

≥ 2 Gramm / Tag ≥ 40 - 60 Gramm / Tag

≥ 1 Tag Ethanol (Serum/Urin), Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Serum/Urin)

Ethanol (Serum/Urin), Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Serum/Urin)

mehrere Tage

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

≥ 14 Tage Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Wochen /Monate

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin)

Ethylglucuronid und Ethylsulfat (Urin) und Ethylglucuronid (Haare)

2 Gramm absolute Alkoholmenge entsprechen ungefähr 20 ml Rotwein und in

150 ml Wodka sind rund 60 Gramm Alkohol.

TestspezifikationenMaterial: Urin und SerumMenge: 1 ml nicht angesäuerter Urin und 250 µl SerumMethode: LC-MS / MSFrequenz: 2 x pro WocheTaxpunkte: 147.5 TP im Urin (inkl. Kreatinin) resp. 145 TP im Serum

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Page 16: Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik - risch.ch€¦ · Im Referat anläss-lich des XIX. Diagnostik-Symposium vom 14.03.2013 in Schaan, ... warten, dass bald 4 orale Antikoagulan-tien

Aarau · Bern · Biel · Brugg · Brunnen

Delémont · Liebefeld · Pregassona

Schaan * · Schaffhausen * · Solothurn · Zürich-Nord

Neuerungen in der Infektserologie und Autoimmundiagnostik ab 13. Mai 2013

Im Rahmen unseres Qualitätsmanagements sind wir bestrebt, unsere Analysenverfahren und deren Frequenz regelmässig zu optimieren.

In Folge einer Umstellung der Analytik in der Infektserologie und Autoimmundiagnostik auf modernere automatisierte Geräte, er-geben sich einige Umstellungen, welche die Qualität und Verfüg-barkeit der Resultate verbessern und zum Teil die Kosten der Analysen betreffen.

Umgestellt werden folgende infektserologische Parameter:

· EBV (IgG, IgM)· Herpes simplex (IgG, IgM)· Lues (IgG, IgM)· Masern (IgG, IgM)· Mumps (IgG, IgM)· Mycoplasmen (IgG, IgM)· Parvoviren (IgG, IgM)· Varizellen (IgG, IgM)

Bei der EBV-Diagnostik erhalten Sie zwei zusätzliche Resultate zu den bereits bekannten VCA IgG und IgM sowie EBNA-1 IgG: Heterophile Antikörper und EA (early antigen) IgG. Der Preis für die EBV-Abklärung bleibt gleich. Bei der Lues-Diagnostik wird das bisherige zweistufige Verfah-ren (Suchtest und Bestätigung mittels TPPA) ersetzt durch ein einstufiges Verfahren, das direkt ein definitives Resultat liefert. Erfasst werden damit die spezifischen Antikörper gegen die Tre-ponema pallidum Proteine p15, p17 und p47. Das neue Verfah-ren mit der zusätzlichen Information erfordert eine leichte Anpas-sung der Preise: 35 Taxpunkte für IgG und 33 Taxpunkte für IgM (bisher 42 TP für den Suchtest und 35 TP für die Bestätigung).

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short-Riport 29Mai 2013

Für die Autoimmundiagnostik bieten wir Ihnen eine neue Ab-klärungsstrategie an, bei positivem ANA-Screen mit einem Titer von ≥ 1:160: Wir empfehlen eine Ausdifferenzierung der Antikörper mit einem Multiplex Test (genannt CTDBIO), der einzelne quantitative Re-sultate für folgende Autoantigene liefert: Chromatin, Ribo P, dsDNA, SS-A52, SS-A60, SS-B, Cent B, Sm, SmRNP, RNP 68, RNP A, Scl-70 und Jo-1.

Abgerechnet werden nur dsDNA, SS-A, SS-B, Sm, RNP, Scl-70 und Jo-1 mit total 150 Taxpunkten (die Summe aller Einzelanaly-sen wäre 503 Taxpunkte).

Selbstverständlich können Sie nachwievor einzelne Autoantikör-per, je nach Klinik, gezielt anfordern und erhalten dann ein Resul-tat mit der bisherigen Methode.

Verantwortlich für den InhaltDr. med. Walter Fierz · MHIM, FAMH Klinische ImmunologiePD Dr. med. Lorenz Risch · MPH, Innere Medizin FMH, Laborleiter FAMH

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